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c-200
Bassam Aramin (arabisch بسام عرامين, DMG Bassam ʿAramin; * 1969) ist ein palastinensischer Friedensaktivist, einer der Grunder der israelisch-palastinensischen Organisation „Combatants for Peace“ und Trager des Bremer Friedenspreises. Biografie Aramin wurde 1969 in dem Dorf Sair in der Nahe von Hebron im Westjordanland geboren. Als Jugendlicher entschloss er sich trotz einer Behinderung, der Fatah-Bewegung beizutreten und fur die palastinensische Unabhangigkeit zu kampfen. Im Alter von sechzehn Jahren warf er eine nicht funktionsfahige Handgranate in Richtung eines israelischen Jeeps und wurde wegen Zugehorigkeit zu einer illegalen Bewegung und wegen Waffenbesitzes zu sieben Jahren Gefangnis verurteilt. Im Gefangnis sah Aramin einen Film uber den Holocaust, der seine Einstellung gegenuber Israelis grundlegend veranderte. „Eines der Probleme in unseren Gemeinschaften ist, dass wir davon abgeschirmt sind, die Dinge jemals aus der Sicht der anderen Seite zu sehen“, sagte er spater. „Ich wusste nichts uber den Holocaust. Ich konnte nicht glauben, was ich da sah. Es erklarte so viel uber das judische Volk, zu sehen, was es durchgemacht hatte.“ Er bekannte sich im Vorfeld seiner Entlassung zur Gewaltlosigkeit und verpflichtete sich zur Forderung von Frieden und Dialog. = Friedensaktivismus = Aramin arbeitete in der Folge im palastinensischen Archiv in Ramallah und grundete eine Organisation namens al-Quds fur auf Demokratie und Frieden ausgerichtete Jugendarbeit in den besetzten Gebieten. 2005 war Aramin zusammen mit anderen ehemaligen palastinensischen Paramilitars und israelischen Ex-Soldaten einer der Grunder der Friedensaktivistengruppe „Combatants for Peace“ („Kombattanten fur Frieden“). Bei einem der ersten Treffen der Gruppe lernte Aramin den Israeli Rami Elhanan kennen, den Vater von Elik Elhanan, einem der israelischen Mitgrunder von Combatants for Peace. Rami Elhanan hatte 1997 seine 13-jahrige Tochter Smadar bei einem palastinensischen Selbstmordanschlag in der Fußgangerstraße Ben Jehuda im Zentrum von Jerusalem verloren. 2007 verlor Aramin seine 10-jahrige Tochter Abir; sie war vor ihrer Schule im Westjordanland von einem Gummigeschoss, das ein achtzehnjahriger israelischer Soldat abgefeuert hatte, am Kopf getroffen worden und starb im Krankenhaus an der Verletzung. Dadurch vertiefte sich Aramins Freundschaft zu Elhanan, der spater sagte: „Es war ein entsetzliches Gefuhl, denn ich wusste genau, was Bassam durchmachte. Als ich ihn dort stehen sah, spurte ich, wie die Hoffnung von mir wich, und ich sagte zu ihm: ‚Was sollen wir jetzt tun?‘ Ich bin kein glaubiger Mensch, Bassam aber schon, und er sagte: ‚Gott pruft uns.‘ Diese Reaktion fand ich in diesem Moment so bemerkenswert.“ Aramin und Rami Elhanan treten seitdem gemeinsam als Friedensaktivisten bei nationalen und internationalen Veranstaltungen auf. Beide sind auch im „Parents Circle – Families Forum“ (PCFF) tatig, einer israelisch-palastinensischen Organisation fur Eltern, die Kinder im Nahostkonflikt verloren haben. Ihre andauernde Freundschaft und Zusammenarbeit ist Gegenstand des Films Within the Eye of the Storm und die Inspiration fur Colum McCanns Roman Apeirogon. Aramin gewann 2007 den Bremer Friedenspreis. Im Marz 2024 hatten Aramin und Elhanan eine gemeinsame Audienz bei Papst Franziskus. Personliches Aramin heiratete nach seiner Entlassung aus dem Gefangnis; aus der Ehe sind sechs Kinder hervorgegangen, darunter die 2007 getotete Abir. Weblinks PCFF: Bassam Aramin & Rami Elhanan on BBC auf YouTube Einzelnachweise
Bassam Aramin (arabisch بسام عرامين, DMG Bassam ʿAramin; * 1969) ist ein palastinensischer Friedensaktivist, einer der Grunder der israelisch-palastinensischen Organisation „Combatants for Peace“ und Trager des Bremer Friedenspreises.
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c-201
Der Easter Bilby ist eine australische Alternative zum Osterhasen und Schokoladenhasen. Die namensgebenden Großen Kaninchennasenbeutler (englisch Bilbies) sind in Australien heimische und vom Aussterben bedrohte Beuteltiere. Der Bilby wurde zum offiziellen australischen Ostertier ernannt. Entwicklung als Osterbrauch Das erste Oster-Kinderbuch mit einem Kaninchennasenbeutler statt eines Hasen erschien 1979 mit Billy The Aussie Easter Bilby von Rose-Marie Dusting. Weitere Bucher mit Ostergeschichten verschiedener Autorinnen und Autoren folgten. Unter anderem wurde 1995 Easter Bilby von Lynne Dent und Margaret Clough veroffentlicht und 2010 An Aussie Easter. Mittlerweile werden Oster-Bilbies in großer Zahl hergestellt, und in vielen Geschaften in ganz Australien werden seit 1993 von verschiedenen Schokoladenherstellern produzierte Schokoladen sowie Produkte in Bilby-Form wie Holzanhanger, Ostergrußkarten oder Stofftiere als Alternative zum Osterhasen verkauft. Hintergrund Australische Artenschutzgruppen wie die Foundation for Rabbit-Free Australia (FDA) und der Save the Bilby Fund begannen ab 1991 fur den Easter Bilby als Alternative zum Osterhasen zu werben, um auf den stetigen Populationsruckgang des Kaninchennasenbeutlers aufmerksam zu machen und um das Bewusstsein fur Australiens bedrohte einheimische Tierwelt zu scharfen. Durch den Verlust von Lebensraum, invasive Raubtiere wie Katzen und Fuchse und die Invasion von Kaninchen kommen die Kaninchennasenbeutler nur noch in wenigen abgelegenen Regionen in Western Australia, Queensland und dem Northern Territory vor, und der Bestand wurde durch die Weltnaturschutzunion und die australische Regierung als gefahrdet eingestuft. Ein Teil des Erloses aus dem Verkauf der Schokoladen- und Figuren-Bilbies wird fur Bilby-Schutzprojekte und -organisationen verwandt, zu deren Aufgaben Zuchtprogramme in Gefangenschaft und der Bau großer Reservate ohne Kaninchen, Katzen und Fuchse gehoren, in denen die Population langsam wieder zunimmt. Einzelnachweise
Der Easter Bilby ist eine australische Alternative zum Osterhasen und Schokoladenhasen. Die namensgebenden Großen Kaninchennasenbeutler (englisch Bilbies) sind in Australien heimische und vom Aussterben bedrohte Beuteltiere. Der Bilby wurde zum offiziellen australischen Ostertier ernannt.
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c-202
Die Wolfsbergquelle ist eine Quelle bei Linderte, einem Ortsteil der Stadt Ronnenberg in der Region Hannover in Niedersachsen. Der Bereich um die Wolfsbergquelle ist ein geschutzter Landschaftsbestandteil. Geographie Der Wolfsberg ist eine 153 m hohe Erhebung im Calenberger Land etwa 15 km sudlich von Hannover. Der Flurname deutet an, dass es hier im Mittelalter Wolfe gab. Am Fuß des Nordhangs liegt auf 80,3 m u. NHN die Wolfsbergquelle. Der hier entspringende Rothbach bildete vor der Gewasserregulierung den Oberlauf der Arnumer Landwehr. Bei starkerem Niederschlag fuhrt heute ein Entwasserungsgraben Wasser vom Nordhang des Wolfsberg in das Becken der Wolfsbergquelle. Der Name des abfließenden Rothbachs deutet auf ein einst aus einer Sumpflache abfließendes Gewasser. In der Nahe der Wolfsbergquelle lag die nach dem Dreißigjahrigen Krieg aufgegebene Wustung Wenigredere. Daran erinnern mehrere Flurnamen in der Umgebung der Quelle. Geschutzter Landschaftsbestandteil Der Rat der Stadt Ronnenberg beschloss im Dezember 1984, die Wolfsbergquelle und ihre Umgebung nach dem niedersachsischen Landesnaturschutzgesetz zum Wohl der Allgemeinheit zu einem geschutzten Landschaftsbestandteil zu erklaren. Sie soll in ihren wesentlichen Bestandteilen nicht gefahrdet oder gestort werden, da sie zur Leistungsfahigkeit des Naturhaushaltes beitragt. Die Verordnung trat nach ihrer Veroffentlichung im Amtsblatt im April 1985 in Kraft. Bei der Quelle wurde 1988 ein Findling aufgestellt. Er tragt ein Bronzeschild mit dem Namen Wolfsbergquelle. Vor der umzaunten Quelle stehen zudem zwei holzerne Sitzbanke sowie Abfalleimer. Osterwasser In fruherer Zeit holten Linderterinnen ihr Osterwasser von der gut einen Kilometer sudlich des Ortes an einem Weg in Richtung Ludersen gelegenen Wolfsbergquelle. Der Ruckweg musste schweigend zuruckgelegt werden. Das Taufwasser der Kapellengemeinde der Linderter Osterkapelle stammte noch 2018 aus der Wolfsbergquelle. Einmal im Jahr wurde als Zeichen der Verbundenheit ein Freiluftgottesdienst bei der Quelle gehalten. Weblinks § 22 NNatSchG - Geschutzte Landschaftsbestandteile (zu § 29 BNatSchG) (aktuelle Fassung) Einzelnachweise
Die Wolfsbergquelle ist eine Quelle bei Linderte, einem Ortsteil der Stadt Ronnenberg in der Region Hannover in Niedersachsen. Der Bereich um die Wolfsbergquelle ist ein geschutzter Landschaftsbestandteil.
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c-203
Sonne statt Reagan ist ein Lied des deutschen Aktionskunstlers Joseph Beuys aus dem Jahr 1982. Das Protestlied entstand im Auftrag der noch jungen Partei Die Grunen fur die Friedensbewegung und richtete sich gegen die Stationierung US-amerikanischer Pershing-Raketen in Europa. Hintergrund = Vorgeschichte = Anfang der 1980er Jahre erreichte das Wettrusten zwischen Ost und West einen neuen Hohepunkt. Als Antwort auf die Stationierung atomar bestuckter sowjetischer Mittelstreckenraketen vom Typ SS-20, die direkt auf Westeuropa ausgerichtet waren, beschloss die NATO am 12. Dezember 1979 ihrerseits die Stationierung nuklearer Mittelstreckenraketen vom Typ Pershing II in West- und Mitteleuropa. Der seit 1981 amtierende US-Prasident Ronald Reagan verfolgte eine hartere Gangart gegenuber der Sowjetunion und trieb die Nachrustung starker voran. Das schurte in weiten Teilen der Bevolkerung eine zunehmende Angst vor einer atomaren Eskalation. Der NATO-Doppelbeschluss fuhrte zu massiven Protesten der westdeutschen Friedensbewegung gegen die Stationierung US-amerikanischer Raketen und fur eine atomwaffenfreie Zone in Europa. = Aufnahme = Joseph Beuys war Grundungsmitglied der Grunen Partei und nutzte als Aktionskunstler und Bildhauer seine Bekanntheit, um mit diesem Musiktitel politische Botschaften zu vermitteln. Mit Sonne statt Reagan machte Beuys Wahlkampf fur die Grunen, denn er hoffte, uber deren Liste in den Deutschen Bundestag gewahlt zu werden. Die „Sonne“ symbolisierte die Sonnenblume, das Signet der friedensbewegten Grunen, und „Reagan“ stand fur die atomare Aufrustung. Das Lied wurde zusammen mit dem Instrumentalstuck Krafte sammeln am 19. April 1982 in Hennef (Sieg) im Tonstudio von Georg und Helmuth Russmann aufgenommen. Die Besetzung bestand großtenteils aus Musikern der Kolschrockband BAP. Besetzung Schon am 25. Mai 1982 wurde Sonne statt Reagan erstmals einem großeren Publikum vorgestellt, denn Joseph Beuys und seine Band Die Deserteure hatten einen Auftritt in der ARD-Fernsehsendung Bananas. In der 11. Folge der beliebten Musik- und Comedy-Sendung des WDR waren sie neben internationalen Stars wie Foreigner, Kim Wilde, Status Quo und Dr. Hook zu sehen. Zur Band gehorten neben den BAP-Musikern unter anderen der Kolner Musiker Wolf Maahn und die Liedermacherin Ina Deter. BAP-Frontmann Wolfgang Niedecken erfuhr erst durch die Fernsehsendung von der Zusammenarbeit seiner Bandkollegen mit Beuys und war wenig begeistert. Niedecken bezeichnete Sonne statt Reagan als „bodenloses Wortspiel“ und die Lyrics als „grottenschlechten Text“. Am 10. Juni 1982 trug Beuys das Protestlied auf einer Demonstration der deutschen Friedensbewegung auf den Bonner Rheinwiesen vor. Am 3. Juli 1982 erschien Sonne statt Reagan als Single bei EMI Electrola mit dem Instrumentalstuck Krafte sammeln auf der B-Seite. Inhalt Der Text des Liedes fordert Abrustung und Frieden und kritisiert einseitig die aggressive Politik von Ronald Reagan. Die zentrale Botschaft lautet „Sonne statt Reagan“, was bedeutet, dass die Menschen Frieden und Leben anstelle von Krieg und Zerstorung wollen. Der Text beginnt mit einem ublichen Antiamerikanismus: „Aus dem Land, das sich selbst zerstort / und uns den „way of life“ diktiert / da kommt Reagan und bringt Waffen und Tod / und hort er Frieden, sieht er rot.“ Kritiken Die deutsche Ausgabe der Musikzeitschrift Rolling Stone fuhrte anlasslich der Bundestagswahl 2021 ein Leser-Voting durch, um den uberzeugendsten Wahlkampfsong zu kuren. Das Magazin wertete Beuys’ „Abstecher in die Wahlkampfsong-Landschaft“ als eine logische Folge des „erweiterten Kunstbegriffs“ des Rheinlanders und Grunen-Mitglieds. Laura Giesdorf schrieb dazu: „Leider kommt Beuys Singstimme, unterlegt von der Musik des BAP-Gitarristen Klaus Heuser und den Lyrics aus der Feder des Werbetexters Alain Thome (…) so gar nicht virtuos daher.“ Weblinks Sonne statt Reagan bei Discogs Joseph Beuys: Sonne statt Reagan (1982). In: beuysart.org. Beuys-Blog, 27. Oktober 2024, abgerufen am 20. April 2025 (deutsch, Lyrics und Video). Raimar Stange: "Sonne statt Reagan": Beuys, der Pop-ulist. In: monopol-magazin.de. Monopol-Magazin, 12. April 2021, abgerufen am 20. April 2025 (deutsch). Martin Kaluza: Der Kunststar singt gegen Raketen an. Mit dem Lied "Sonne statt Reagan" setzte sich der Kunstler Joseph Beuys 1982 fur Abrustung ein. In: Magazin Mitbestimmung. Hans-Bockler-Stiftung, Marz 2020, abgerufen am 20. April 2025 (deutsch). Einzelnachweise
Sonne statt Reagan ist ein Lied des deutschen Aktionskunstlers Joseph Beuys aus dem Jahr 1982. Das Protestlied entstand im Auftrag der noch jungen Partei Die Grunen fur die Friedensbewegung und richtete sich gegen die Stationierung US-amerikanischer Pershing-Raketen in Europa.
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c-204
Israel Shahak (hebraisch ישראל שחק Jisraʾel Schachaq; geb. 28. April 1933 in Warschau als Israel Him(m)elstaub; gest. 2. Juli 2001 in Jerusalem) war Professor fur Organische Chemie an der Hebraischen Universitat von Jerusalem, Holocaust-Uberlebender und Burgerrechtler. 20 Jahre lang leitete er die Israelische Liga fur Menschen- und Burgerrechte (1970–1990) und war ein Kritiker der Politik der Regierungen Israels. Wegen seines Engagements wurde er von seinen Gegnern auch als „Israelhasser“ bezeichnet. Haʾaretz nannte ihn hingegen einen der „prominentesten und mutigsten Menschenrechtsaktivisten Israels“. Biographie = Kindheit und Familie = Israel Shahak wurde als Israel Himmelstaub geboren und entstammte einer Familie von gebildeten und wohlhabenden polnischen Aschkenasim. Seine Eltern waren Perla (geborene Birnbaum, 1902) und Abraham Himmelstaub. Wahrend der deutschen Besatzung Polens durch den NS-Staat wurden er und seine Familie gezwungen, in das Warschauer Ghetto zu ziehen. Sein alterer Bruder Maier Ben Himelstaub (geb. 17. Juli 1920) floh nach England und trat in die Royal Air Force ein. Er starb am 13. Februar 1942 im Alter von 21 Jahren wahrend der Ausbildung auf dem War Eagle Field bei Lancaster in Kalifornien, wo er auch bestattet wurde. Er war wahrend starken Schneefalls in den rotierenden Propeller eines rollenden Flugzeugs gelaufen. 2017, anlasslich des 65. Todestages, wurde sein dortiger Grabstein im Rahmen einer Zeremonie in Anwesenheit eines Rabbiners von der Commonwealth War Graves Commission erneuert, er tragt den Namen Meyer Bernard Himelstaub. Perla Himmelstaub konnte ihren Sohn Israel gegen Bezahlung bei einer katholischen Familie verstecken. Als sie kein Geld mehr hatte, um die Familie zu bezahlen, musste er das Versteck verlassen. 1943 wurde die Familie von Israel Shahak – Eltern und Sohn – in das Lager Poniatowa bei Lublin deportiert, wo der Vater starb. Perla Himmelstaub und Israel konnten von dort fliehen. (Die genaue Chronologie ist unklar.) Anschließend wurden sie erneut gefangen genommen und in das KZ Bergen-Belsen gebracht. Nach ihrer Befreiung im Jahr 1945 wanderten Israel Shahak und seine Mutter nach Palastina aus, das damals unter britischem Mandat stand. Shahak war zwolf Jahre alt und so stark abgemagert, dass ein Kibbuz sich weigerte, ihn aufzunehmen. = Beruflicher Werdegang = Nach dem Abschluss seiner Bagrut leistete Shahak den Wehrdienst in einer Elite-Einheit der israelischen Armee ab. 1961 promovierte er an der Hebraischen Universitat von Jerusalem im Fach Organische Chemie und absolvierte anschließend ein Postdoc-Studium an der Stanford University in den USA. 1963 kehrte er nach Israel zuruck, wo er an der Hebraischen Universitat forschte und lehrte. Er war unter anderem Assistent des Kernphysikers Ernst David Bergmann, der 1952 Vorsitzender der Israelischen Atomenergiekommission (IAEC) war. Shahak arbeitete uber Organische Verbindungen des Elements Fluor (F) und erlangte mit seinen Beitragen zur Krebsforschung internationales Ansehen. Mehrere Jahre hintereinander wurde er von den Studenten zum beliebtesten Dozenten der Universitat gewahlt. 1991 gab Israel Shahak seine berufliche Tatigkeit aus gesundheitlichen Grunden auf. Er engagierte sich in den folgenden Jahren im Kampf um Burgerrechte der nicht-judischen Bewohner Israels und publizierte Bucher sowie Artikel zu diesem Thema. Israel Shahak starb 2001 im Alter von 68 Jahren an den Folgen eines Diabetes (vermutlich eine Spatfolge der Gefangenschaft in Bergen-Belsen) und wurde auf dem Friedhof Givʿat Schaʾul bestattet. Er war nie verheiratet und hinterließ keine Kinder. = Gesellschaftliches Engagement = Uber seinen Fachbereich hinaus wurde Israel Shahak als Vorsitzender der Internationalen Liga fur Menschenrechte in Israel und als scharfer Kritiker des Zionismus bekannt. Zunachst hatte er sich im Council against House Destruction engagiert, das ihm allerdings nicht kampferisch genug war. Erste landesweite Schlagzeilen abseits seiner wissenschaftlichen Tatigkeit machte Israel Shahak im Dezember 1965. In einem Leserbrief an die Zeitung Haʾaretz berichtete er, er habe einen Mann auf der Straßen kollabieren sehen. Er habe an der nachsten Tur geklingelt, um per Telefon Hilfe anzufordern. Der dort lebende Mann habe dies abgelehnt, da Schabbat sei. Bei Lebensgefahr gelten die Schabbat-Vorschriften nicht (Piqquach Nefesch), hielt Shahak dagegen. Zunachst wollte der Mann einlenken, bis er sah, dass der zusammengebrochene Mann ein Araber war. Dieser Bericht fuhrte zu landesweiten Diskussionen, auch unter Rabbinern, zudem wurde sein Wahrheitsgehalt angezweifelt. Der Schriftsteller Erich Fried schrieb: „Das war der Anfang von Israel Shahaks Bruch mit dem Zionismus und mit den alten Satzungen.“ In ihrem Nachruf auf Shahak schrieb die Journalistin Elfi Pallis, dieser habe in seinem Leben zwei Bekehrungen erlebt: Im Alter von 13 Jahren habe er die wissenschaftlichen Beweise fur die Existenz Gottes als fur sich unzureichend gefunden. Nach dem Sechstagekrieg von 1967 sei ihm bewusst geworden, dass Israel noch keine Demokratie sei und zudem die Palastinenser in den neu besetzten Gebieten mit schockierender Brutalitat behandele. Er „leistete Pionierarbeit“, so Pallis, bei der Identifizierung der 250 palastinensischen Dorfer, die im Palastinakrieg 1948 systematisch zerstort worden waren. Auch prangerte er Folterungen arabischer Haftlinge in israelischen Gefangnissen an. 1969 beteiligte sich Shahak gemeinsam mit einem anderen Fakultatsmitglied der Hebraischen Universitat an einem Sitzstreik gegen die Inhaftierung arabisch-israelischer Studenten. In den spaten 1960er, 1970er und 1980er Jahren unterstutzte er die personlichen Kampfe arabisch-israelischer Studenten um gleiche Rechte. Als sein Freund Fouzi El Asmar, arabischer Israeli, 1969 auf der Grundlage von Notstandsverordnungen inhaftiert wurde, ohne dass gegen ihn formell Anklage erhoben wurde, hielt Shahak Kontakt zu ihm und unterstutzte ihn. Er uberzeugte Fouzi, die Einladung zu einer Vortragsreise in die Vereinigten Staaten anzunehmen, da außerhalb Israels zu wenig uber die Verweigerung der Menschenrechte und die Unterdruckung arabischer Israelis in Israel bekannt sei. 1975 veroffentlichte Shahak sein Buch Nicht-Juden im judischen Staat mit einem Vorwort von Erich Fried, in dem er die gesellschaftliche Ungleichheit in Israel anhand von personlichen Berichten, Zeitungsmeldungen, staatlichen Verlautbarungen und Tabellen dokumentierte sowie Aufsatze anderer Burgerrechtler wie etwa von Uzzi Ornan auffuhrte. Er stellte anhand dieser Texte dar, dass „Nicht-Juden“ in Israel diskriminiert wurden: Er wolle unterstreichen, dass es fur „Nicht-Juden“ zahlreiche Einschrankungen gebe, was fur ihn eine „schwere rassistische Diskriminierung darstelle“, unter der die „Nicht-Juden“ jeden Tag ihres Lebens leiden wurden. Er selbst unterliege keiner dieser Einschrankungen, „aber nur, weil meine Mutter Judin war“. Der Staat Israel stelle als ein judischer Staat eine Gefahr nicht nur fur sich selbst und seine Bewohner, sondern auch fur alle Juden und alle anderen Volker und Staaten des Nahen Ostens und daruber hinaus dar, so Shahaks Fazit. Seine kritischen und in Teilen der israelischen Gesellschaft als unbequem empfundenen Aussagen – wie etwa die, dass nichts die israelische Gesellschaft so sehr angstige wie ein gemaßigtes Verhalten der PLO – fuhrten dazu, dass Shahak angefeindet wurde. Er wurde als „Israelhasser“ bezeichnet, erhielt Todesdrohungen und wurde auf der Straße bespuckt. In seinem letzten Werk Judische Geschichte, judische Religion. Israel – ein Utopia fur Auserwahlte? aus dem Jahr 1999 schrieb Shahak, ein Verehrer Spinozas, dass das rabbinische Judentum aus humanistischer und politischer Perspektive von Natur aus diskriminierend gegenuber Nicht-Juden sei. Zur Untermauerung seiner Argumente fuhrte er Primartexte aus dem babylonischen Talmud und anderen halachischen Quellen an. Er war der Ansicht, dass diese „Bigotterie“ eine Ursache fur Antisemitismus sei. Kritik und Rezeption Der britische Rabbi Immanuel Jakobovits beschuldigte Shahak 1966, den Vorfall mit dem Telefon am Schabbat erfunden zu haben, Tater-Opfer-Umkehr zu betreiben, die Bedeutung judischer religioser Texte zu verdrehen, den judischen Glauben und das judische Recht falsch darzustellen. Der pro-zionistische Autor Paul Bogdanor stellte fest, dass Shahak „sein Publikum mit einem Strom von ungeheuerlichen Verleumdungen, lacherlichen Erfindungen und durchsichtigen Schwindeleien erfreut“. Ein Antisemit zu sein, gehort zu den Vorwurfen gegen Shahaks Kritik an Judentum und Talmud. Die Anti-Defamation League (ADL) nannte ihn den „beruchtigten antisemitischen Schriftsteller Israel Shahak“. Der Politikwissenschaftler Emanuele Ottolenghi argumentierte, dass Juden wie Shahak, George Steiner, Tanya Reinhart, Tony Judt, Avi Shlaim, Seymour Hersh und Daniel Boyarin Antisemitismus duldeten und unterstutzten. Dan Rickman im Guardian hingegen schrieb: „Whilst we need to oppose the antisemites who exploit him and also identify the errors in his works, Shahak should be seen by the Orthodox not as an enemy but as a wakeup call to move us back to the ‚common sense‘ [...].“ („Wahrend wir uns den Antisemiten, die ihn ausnutzen, entgegenstellen und auch die Fehler in seinen Werken aufzeigen mussen, sollte Shahak von den Orthodoxen nicht als Feind, sondern als Weckruf gesehen werden, der uns zum ‚gesunden Menschenverstand‘ zuruckfuhrt.“) Der palastinensisch-stammige US-Amerikaner Edward Said nannte ihn anerkennend einen „zornigen Israeli“. Die israelische Zeitung Haʾaretz wiederum bezeichnete Israel Shahak in ihrem Nachruf als einen der „prominentesten und mutigsten Menschenrechtsaktivisten Israels“. Der US-amerikanische Historiker Norton Mezvinsky, der gemeinsam mit Shahak publiziert hatte, schrieb uber seinen Co-Autor: „Die Großartigkeit von Israel Shahak wurde vielleicht am besten durch sein personliches Mitgefuhl, sein Verstandnis und seine Sensibilitat fur seine Mitmenschen veranschaulicht. Obwohl er ein Bildersturmer und in vielerlei Hinsicht ein Einzelganger war, war er fur diesen Autor und fur eine Reihe anderer weit mehr als ein guter und vertrauter Freund.“ Noam Chomsky schrieb uber Shahak: „From about 1970, I began what became a very intensive correspondence with Israel Shahak. […] We exchanged massive amounts of documentary materials […] along with extensive discussion of many issues. For me, as for many others, Shahak became an indispensable source of information and ideas, particularly, for me, in personal correspondence and several meetings.“ („Etwa ab 1970 begann ich einen sehr intensiven Briefwechsel mit Israel Shahak. [...] Wir tauschten große Mengen an dokumentarischem Material aus [...] und diskutierten ausgiebig uber viele Themen. Fur mich, wie fur viele andere, wurde Shahak zu einer unverzichtbaren Informations- und Ideenquelle, insbesondere fur mich in der personlichen Korrespondenz und bei mehreren Treffen.“) Schriften (Auswahl) The Non-Jew in the Jewish State; a collection of Documents. Jerusalem 1975 (englisch). Nicht-Juden in einem judischen Staat. Eine Dokumentation (= Nahost-Mittelmeerpolitik). pdw, Bonn 1977, ISBN 3-88253-003-0 (mit einem Vorwort von Erich Fried). Begin & Co as they really are. Glasgow 1977 (englisch). Mit Noam Chomsky: Israel’s Global Role: Weapons for Repression (= Studies in Geophysical Optics and Remote Sensing). Association of Arab-American University Graduates, Inc., 1982, ISBN 0-937694-51-7 (englisch). The Life of Death: An Exchange. Israel Shahak, reply by Timothy Garton Ash. In: The New York Review. 29. Januar 1987 (englisch, online). Jewish History, Jewish Religion: The Weight of Three Thousand Years. Pluto Press, London 1994 (englisch). Open Secrets: Israeli Foreign and Nuclear Policies. Pluto Press, London 1997 (englisch, gewidmet Witold Jedlicki; Vorwort Christopher Hitchens). Judische Geschichte, judische Religion. Israel – ein Utopia fur Auserwahlte? Melzer, Neu-Isenburg 2009, ISBN 978-3-9813189-1-3 (archive.org [PDF] mit Vorworten von Ilan Pappe, Edward Said und Gore Vidal). Weblinks Literatur von und uber Israel Shahak im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Interview von Ludwig Watzal mit Israel Shahak: Frankfurter Rundschau vom 29. Mai 1998 Harold Channer: Israel Shahak auf YouTube, 6. Oktober 2010, abgerufen am 27. Marz 2025 (Laufzeit: 59:17 min). Einzelnachweise
Israel Shahak (hebraisch ישראל שחק Jisraʾel Schachaq; geb. 28. April 1933 in Warschau als Israel Him(m)elstaub; gest. 2. Juli 2001 in Jerusalem) war Professor fur Organische Chemie an der Hebraischen Universitat von Jerusalem, Holocaust-Uberlebender und Burgerrechtler. 20 Jahre lang leitete er die Israelische Liga fur Menschen- und Burgerrechte (1970–1990) und war ein Kritiker der Politik der Regierungen Israels. Wegen seines Engagements wurde er von seinen Gegnern auch als „Israelhasser“ bezeichnet. Haʾaretz nannte ihn hingegen einen der „prominentesten und mutigsten Menschenrechtsaktivisten Israels“.
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c-205
Die Calwer Zeughandlungskompagnie war ein im Verlagssystem organisiertes Unternehmen der Zeug-Produktion und des Zeug-Handels. Sie wurde 1650 in Calw gegrundet und 1797 aufgelost. Die Teilhaber dieses Unternehmens kamen aus 14 vielfach miteinander verwandten Familien. Zeitweise waren bis zu 1000 Zeugmachermeister durch das Verlagssystem vom Unternehmen abhangig; rund 2000 Spinnerinnen kamen hinzu. Die Zeugmacher lebten in einem Gebiet, das von Heimsheim im Norden, Schonaich im Osten, Horb im Suden bis Bosingen im Westen reichte. Uber den Fernhandel gelangte das Calwer Zeug nach Frankreich, in die Schweiz, die Territorien auf der italienischen Halbinsel, Ober- und Niederosterreich, Tirol, Bohmen, Ungarn, Schlesien und Polen sowie in die Erzbistumer Trier, Koln oder Mainz und weitere Gebiete des Heiligen Romischen Reichs Deutscher Nation. Im Herzogtum Wurttemberg war die Kompagnie das erste und großte Verlagsunternehmen und der großte Exporteur, sie entwickelte sich zu einem der großten gewerblichen Organisationen auf dem europaischen Kontinent. Bezeichnungen Das Unternehmen firmierte nicht einheitlich. Auch sind unterschiedliche Benennungen und Schreibweisen in Gebrauch gewesen. Dazu gehoren Calwer Zeughandlungskompagnie, Calwer Compagnie, Calwer Kompagnie, Zeug- und Farber-Handelscompagnie, Farber- und Zeughandlungscompagnie, Farberkompagnie, Zeughandlungskompagnie sowie Mayer, Wagner und Walther oder Mayer, Schill und Compagnie. Vorgeschichte = Anfange der Calwer Zeugherstellung = Bedingt durch die konfessionellen Konflikte in den Niederlanden im 16. Jahrhundert brachten protestantische Fluchtlinge von dort Wollzeug, Kamme und entsprechendes Fachwissen mit, das in Deutschland noch wenig verbreitet war. Davon profitierten auch die Tuchmacher in Calw, die sich um 1570 der Produktion von Zeug zuwandten, also Stoffen aus glatter, leichter, schmaler, meist ungewalkter und langfaseriger gekammter Wolle. Die Weber nahmen die Herstellung des neuartigen Zeugs auf, weil die Produkte guten Absatz versprachen. 1589/90 wurden die Calwer Zeugmacher als eigene Zunft anerkannt und losten sich damit institutionell von den Tuchmachern. Wurden 1591 insgesamt 70 Zeugmacher in Calw gezahlt, so waren es 1616 bereits 250. Calw prosperierte, die Zahl der Einwohner wuchs von 2545 im Jahr 1622 auf 3892 im Jahr 1634. Auf Drangen der Calwer Zeugmacher dehnte Herzog Johann Friedrich die Zunftordnung 1611 auf weitere Gebiete aus (Herrenberg, Boblingen, Wildberg, Sindelfingen und Stammheim). Zudem wurde sie in Fragen der Ausbildung, der Obergrenzen fur die Produktion pro Meister und in Qualitatsfragen verscharft. Vor allem wurde den Zeugmachern das Farben und der Verkauf auf eigene Rechnung untersagt. Zuvor waren die Produkte auf regionalen Wochen- und Jahrmarkten durch die Zeugmacher selbst angeboten worden oder sie hatten sie an Fernhandler verkauft, die den Schwarzwald bereisten. Ausgangs des 16. Jahrhunderts griffen einige Calwer Burger die Idee des Verlagssystems auf, das in anderen Teilen Deutschlands bereits erprobt war. Sie konzentrierten sich auf den Warenabsatz und betrachteten Marktkenntnisse und Logistik als entscheidend, also Fragen des Transports, der Wahrungen, der Handelsbrauche und der Moden. Insbesondere jene Zunftmitglieder, die sich auf das Farben verstanden, damit den letzten wichtigen Produktionsschritt beherrschten und zunehmend unter ihre Kontrolle brachten, sahen hier ihre Chancen. Produktion und Verkauf trennten sich mehr und mehr. Die Waren aus Calw wurden auf Messen in Frankfurt, Worms, Straßburg oder Basel angeboten, ebenso in Wurzburg und Nurnberg. Einige Calwer Farberverleger wurden in kurzer Zeit reich, die produzierenden Zeugmacher klagten dagegen nicht selten uber karge Lebensverhaltnisse. Die Farberverleger kummerten sich nicht allein um den Absatz, sondern mehr und mehr auch um die Beschaffung der fur die Produktion benotigten Wolle. Es gelang ihnen, die Zeugmacher in ihre Abhangigkeit zu bringen. = Entwicklung im Dreißigjahrigen Krieg = 1622 entschlossen sich 15 Calwer Farberverleger zur Kooperation, um den Konkurrenzdruck zu senken. Sie grundeten die Gesellschaft der Gesamten Farber und Handelsgenossen zu Calw. Sie existierte bis 1628. Ihr Zweck war der gemeinsame Einkauf von Rohmaterial und Farbstoffen sowie der partnerschaftliche Absatz der Ware auf den Messeplatzen. In allen anderen unternehmerischen Belangen handelte jeder Gesellschafter jedoch auf eigene Rechnung. Die Lage fur die Zeugmacher und fur die Verleger verschlechterte sich wahrend des Dreißigjahrigen Krieges, denn die Beschickung von Messen wurde risikoreicher und die Nachfrage litt durch Kaufkraftverluste. Nachdem 1634 die Schweden die Schlacht bei Nordlingen verloren hatten, eroberten die habsburgischen Alliierten Wurttemberg. Truppen unter Johann von Werth zerstorten Calw im September 1634. 580 Hauser fielen den Flammen zum Opfer. Pest und Hunger dezimierten im Jahr darauf die Bevolkerung weiter. Auch viele der stadtischen Farberverleger verarmten, was Uberlegungen zu einer erneuten Zusammenarbeit lange erschwerte. Erst nach dem Westfalischen Frieden (1648) setzte ein Wiederaufschwung ein, gefordert durch die merkantilistische Politik von Herzog Eberhard III. Die Calwer Compagnie = Grundung und Organisation = Im Herbst 1650 kam es unter Vermittlung der herzoglichen Verwaltung zu einer Ubereinkunft zwischen den Calwer Farbern und mit ihnen verbundenen Handlern einerseits sowie den Zunften der Zeugmacher in der Stadt und der Umgebung andererseits: Die Calwer Zeughandlungskompagnie wurde gegrundet. In ihr waren anfangs insgesamt 23 Farber und Handler organisiert. Ihre Aufgabe bestand in der Wollbeschaffung, der Veredelung (reinigen, farben, mangeln und pressen) und dem Zeug-Vertrieb. Jeder Teilhaber, Compagnie-Verwandter genannt, haftete mit seinem Gesamtvermogen fur das Unternehmen. Zwei Teilhaber ubernahmen die Geschaftsfuhrung. Seit 1663 trat ein Neuner-Ausschuss der Teilhaber mit beratender und kontrollierender Funktion hinzu. Dieses Gremium war „das eigentliche Machtzentrum“. Die meist jahrlich tagende Generalversammlung der Teilhaber beschloss die Gewinnverteilung, wahlte das Personal fur die Geschaftsfuhrung und den Neuner-Ausschuss, entschied uber die Aufnahme neuer Mitglieder und legte fest, wer in der Compagnie mit welchen Spezialaufgaben, Amt genannt, betraut wurde. Die Kompagnie entwickelte sich zu einem exklusiven Kreis von anfanglich 13 Familien, im 18. Jahrhundert kam durch Einheirat eine weitere hinzu. 1673 rekrutierten sich aus ihnen 32 Teilhaber. Ihr Ausbildungsschwerpunkt lag auf dem Kaufmannischen, gelernte Zeugmacher gab es zum damaligen Zeitpunkt keine mehr. Die Teilhaber hießen Kompagnie-Herren, wenngleich auch Witwen unter ihnen waren. Anfang des 18. Jahrhunderts wurden 43 Teilhaber gezahlt, 1778 waren es 22. Compagnie-Herren (Auswahl) Das Herz des Unternehmens schlug immer in Calw. Eine von 1709 bis 1719 im thuringischen Schleiz betriebene Tochtergesellschaft blieb Episode, denn dort stellten sich keine wirtschaftlichen Erfolge ein. Zum Portfolio des Unternehmens zahlten uber die Jahrzehnte unterschiedliche Zeuge wie beispielsweise Engelsait, Zehnbund (Sayen), Cadis, Beuteltuch, Rasch, Estamin, Droguet, Crepp (auch Crepin oder Crepon genannt), Scoti und Scotini. = Calwer Moderation = Die Farberzunftordnung von 1650 regelte in einem zentralen Punkt, dass die Zeugmacher verpflichtet waren, ihre gesamten Waren nur an die Calwer Kompagnie zu verkaufen. Sie waren gebannt. Diese Regelung machte die Bindung der Produzenten an die Verleger noch enger als 1622. Die verscharfte Abhangigkeit der Zeugmacher von der Kompagnie zeigte sich uberdies darin, dass fur die Kompagnie keine Abnahmepflicht bestand. Das Gebiet dieser sogenannten Calwer Moderation mit seinen rund 1000 Quadratkilometern, ungefahr ein Neuntel Altwurttembergs, umfasste rund 60 Dorfer und Stadte. Es reichte von Heimsheim im Norden, Schonaich im Osten, Horb im Suden bis Bosingen im Westen. Die Zeugmacher waren in zehn sogenannten Laden (ortlichen Zunften) organisiert. Auch Zeugmachermeister, die nicht im Gebiet der Calwer Moderation lebten, beispielsweise in Datzingen, Berneck oder Rohrdorf, produzierten in Abhangigkeit von der Kompagnie. 1756 arbeiteten innerhalb des Moderationsgebietes rund 1000 Zeugmacher; 2000 Spinnerinnen lieferten das Garn. Zum Ende des 18. Jahrhunderts sollen 5000 bis 6000 Menschen beschaftigt gewesen sein, wobei diese Zahl in der Literatur gelegentlich hinterfragt worden ist. Die Zeugmacher mussten zu festgesetzten Tagen ihre Ware nach Calw ins Kompagnie-Kaufhaus, dem heutigen Andreahaus, bringen und den Verlegern vorlegen. Die Ankaufpreise wurden zunachst frei ausgehandelt, dann unter behordlicher Aufsicht. Ein nachlassendes Interesse der Behorden an dieser Kontrolle fuhrte schließlich dazu, dass die Kompagnie Preise nicht verhandeln musste, sondern faktisch vorgeben und durchsetzen konnte. Als ungenugend erachtete Ware wiesen die Vertreter der Kompagnie zuruck. Schmuggel durch Zeugmacher, also der eigenhandige Verkauf von Zeug an Abnehmer außerhalb der Moderation, kam zwar vor, nicht jedoch in nennenswertem Umfang. = Absatzwege = Der Absatz wurde im Wesentlichen uber Messen organisiert. Die Calwer Compagnie war im Fernhandel regelmaßig mit Messestanden in Straßburg, Linz, Schaffhausen, Zurzach, Basel, Bozen und Chiavenna vertreten. Auf diese Weise fand das Calwer Zeug seinen Weg nach Frankreich, in die Schweiz, Italien, Ober- und Niederosterreich, Tirol, Ungarn, Bohmen, Schlesien und Polen. Das Unternehmen nutzte ebenfalls Messen in Frankfurt am Main, Naumburg, Leipzig, Nordlingen, Nurnberg, Augsburg, Ulm, Heilbronn, Karlsruhe, Mannheim, Mainz und Schweinfurt als Vertriebsweg. Der geringere Warenanteil ging in die nahere Region, beispielsweise nach Tubingen, Stuttgart, Cannstatt, Kirchheim oder Heidenheim. Neben dem Fernhandel gab es auch den Detailverkauf in Calw sowie Sendungen an bestimmte Einzelkunden oder Kommissionare. Diese Art des Vertriebs blieb aber stets nachrangig. = Umsatze und Rentabilitat = Um 1680 erreichte der Warenabsatz einen Gesamtwert von rund 180.000 Gulden (fl.). Wahrend des Pfalzischen Erbfolgekriegs (1688–1697) litt das Geschaft schwer. Von 1692 bis 1694 brach der Absatz fast vollends ein, eine Folge der abermaligen Zerstorung Calws im September 1692 durch franzosische Truppen. Die Kompagnie gab ihre Verluste mit 60.000 fl. an. Anschließend erholte sich die Geschaftstatigkeit, die Umsatze lagen im Jahr 1700 bei 150.000 fl., bis zum Geschaftsjahr 1725/26 waren sie auf 256.600 fl. angewachsen. Bis 1764 folgte, eingebettet in ein weitgehend friedliches und wirtschaftlich relativ stabiles Umfeld, die „eigentliche Blutezeit“ der Kompagnie. Im Geschaftsjahr 1755/56 belief sich der Gesamtumsatz auf 345.900 fl. Ihr bestes Umsatzjahr verzeichnete die Calwer Compagnie 1761/62: Waren im Wert von mehr als 429.000 fl. wurden abgesetzt. In den Jahren nach 1764 folgte ein Jahrzehnt der Ruckschlage, bedingt durch die allgemein unbefriedigende Wirtschaftslage. Ab 1774 verbesserte sich die Situation wieder, obgleich die Zahlen von 1761/62 nicht mehr erreicht wurden. Merkantilistische Maßnahmen wie etwa Schutzzolle oder Einfuhrverbote erschwerten die Absatzchancen der Kompagnie. Im Laufe des 18. Jahrhunderts traf das zum Beispiel fur Osterreich, Bohmen und Bayern zu. Als immer wichtiger erwies sich der uber Bozen bediente italienische Markt. Im dritten Quartal des 18. Jahrhunderts setzte die Kompagnie dort rund 70 Prozent der gesamten Produktion ab. Ab 1774 fiel dieser Anteil auf etwas mehr als 50 Prozent zuruck. In der ersten Halfte des 18. Jahrhunderts bewegte sich die Eigenkapitalrentabilitat zwischen 30 und 40 Prozent. Sie sank von 1750 bis 1790 auf Werte um 20 Prozent. Ab Mitte der 1790er Jahre machte die Kompagnie Verluste geltend. Grundsatzlich war das Geschaft der Compagnie fur ihre Teilhaber sehr eintraglich: Ein schon alterer Anteilseigner erhielt in den Jahren nach dem Siebenjahrigen Krieg (1756–1763) durch die Entlohnung fur sein Amt, durch seine Gewinnbeteiligung und durch Zinsen fur Darlehen, die er der Compagnie gewahren konnte, jahrlich eine Gesamtsumme zwischen 2000 und 2500 fl., was fur den Kauf eines großeren Hauses in mittelgroßen Stadten gereicht hatte. = Konflikte mit den Zeugmachern = In den ersten 15 Jahren der Calwer Compagnie versuchte das Unternehmen offenbar haufiger, die Zeugmacher zum Kauf der von ihr angebotenen Wolle zu zwingen. Zugleich nahm sie fur Wolle uberhohte Preise. Als das durch eine große behordliche Untersuchung von 1663 bis 1665 auch amtlich festgestellt wurde, entzog der Herzog der Zeughandlungskompagnie das Recht, sich Zunft zu nennen. Diese Untersuchung war nicht nur wegen der Klagen der Zeugmacher notwendig geworden. Ihr Unmut hatte 1664 auch dazu gefuhrt, dass sie einen der Kompagnie-Herren mit Gewaltandrohungen zwangen, das Calwer Kaufhaus zu verlassen; einem anderen, der zugleich Burgermeister von Calw war, flog ein Stein ins Fenster. Auch ein Pasquill fand sich, das den Compagnie-Herren Ehre und Gewissen absprach und Gott um Beistand fur die Armen bat. Dass die Calwer Compagnie die von den Zeugmachern in Calw zum Ankauf vorgelegte Ware ablehnen konnte, verstimmte die Zeugmacher im 17. Jahrhundert haufig, zumal sie teils weite Wege auf sich nehmen mussten, um nach Calw zu gelangen. Unsicherheit und Druck lastete auch deshalb auf ihnen, weil im Gebiet der Calwer Moderation durch die vielen Zeugmacher mehr Ware produziert wurde, als die Kompagnie absetzen konnte. Obrigkeitliche Produktionsobergrenzen brachten hier keine dauerhafte Losung. Durch behordlichen Druck kam eine vorlaufige Einigung in Form des sogenannten Knappenhauses zustande: ein Lagerhaus, bei dem die Zeugmacher ab 1674 ihre Ware abliefern und ihre Bezahlung erhalten konnten. Aus diesem Lager bediente sich die Kompagnie, um das Zeug zu veredeln und anschließend zu verkaufen. Auch Fernhandler konnten hier, sofern sie Calw aufsuchten, rohes Zeug kaufen. Insbesondere im Zeitraum von 1678 bis 1685 schien sich uber die Institution des Knappenhauses, das von den Zeugmachern und der Kompagnie gemeinsam getragen wurde, eine funktionierende Abstimmung von Produktion und Absatz eingestellt zu haben. Ab 1686 bewirkten Kriege – Entwicklungen im Großen Turkenkrieg sowie Aktivitaten franzosischer Truppen in Sudwestdeutschland – eine Absatzkrise, die mit dem Mechanismus des Knappenhauses nicht mehr in eine Drosselung der Produktion zu uberfuhren war. Die Calwer Compagnie zog sich 1688 vom Knappenhaus zuruck, was dessen Ende bedeutete. Das Verhaltnis von Unternehmen und Zeugmachern blieb angespannt. Bis zur Auflosung der Kompagnie behaupteten die Zeugmacherzunfte immer wieder, dass die Calwer Compagnie Zeugmachern gegenuber zu „Zwang“, „Notigung“, „Gewalt“ und „harten Behandlungen“ greife. Sie verhalte sich „bose“, „gemein“, „hart“ und „willkurlich“. = Verhaltnis zur Obrigkeit = Eine Intervention der Obrigkeit gegen Machtmissbrauch durch die Calwer Compagnie wiederholte sich nach 1665 nicht mehr. Im Gegenteil: Sie verhielt sich gegenuber diesem Unternehmen nachsichtig und fordernd, sie betrachtete es als ihr „Schoßkind“. Hier spielten Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den Familien der Compagnie-Herren und den Verwaltungsbeamten eine Rolle, zum Teil herrschte eine regelrechte Gunstlingswirtschaft. Zudem hatte die Compagnie dem Herzog mehrfach Kredite gewahrt. = Lage der Zeugmacher = Wahrend die Teilhaber der Kompagnie zur Gruppe von Calws Wohlhabenden zahlten, blieben die Lebensverhaltnisse der Zeugmacher und ihrer Familien bescheiden. Was sie mit ihrem Handwerk verdienten, reichte oft nicht, um die Lebenshaltungskosten zu bestreiten, sodass sie neben der Zeugmacherei erganzende Tatigkeiten ausubten. Nebenher waren Zeugmacher beispielsweise Wirte, Totengraber, Tuchmacher, Leinenweber, Amtsdiener, Buttel, Holzmesser, Kalkanten, Kannenschmiede, Schwarzfarber, Kramer, Kerzenmacher, Wachter und Huter oder Lehrer an niederen Schulen. Ein mit den Verhaltnissen vertrauter Oberamtmann notierte 1778, es ginge den Zeugmachern in der Moderation schlechter als Straßenbettlern. Er fragte, „obs recht seie, dass etliche 100 Familien im Land zu Grund gehen mussen, damit etliche dadurch reich werden konnen?“ Schon seit 1750 hatten in Calw viele Sohne von Zeugmachermeistern keine Ausbildungsstelle in Handwerksberufen mehr gefunden; sie wurden Tagelohner und Bettler oder wanderten aus. = Spinnerinnen im Moderationsgebiet = Die Spinnerei wurde im Wurttemberg des 17. und 18. Jahrhunderts von Frauen bis auf wenige Ausnahmen als Nebenerwerb ausgeubt. Die Bezahlung des Garns bemaß sich nicht nach Qualitat, sondern nur nach Quantitat. Die im Moderationsgebiet lebenden Frauen, die Garne produzierten und anboten, waren nicht allein auf die Abnahme durch Zeugmacher angewiesen. Beim Garnverkauf an Strumpfmacher und Stricker, die in Calw im Lauf des 18. Jahrhunderts ansassig wurden, konnten sie bessere Preise erzielen. Auf Qualitatsfragen des Garns verwendete die Kompagnie rund 100 Jahre lang keine Muhe. Das anderte sich erst nach Ende des Siebenjahrigen Krieges. Die Kompagnie setzte durch, dass es Frauen, die im Moderationsgebiet lebten, verboten wurde, ohne vorherige behordliche Genehmigung fur Garnabnehmer außerhalb des Moderationsgebiets zu spinnen. Dieses Verbot wurde vor Ort jedoch keineswegs immer eingehalten. Die Kompagnie hatte seit den 1770er Jahren ein Interesse an besseren Garnqualitaten und an einer ausreichenden Zahl von Spinnerinnen, weil sie begann, auf eigene Rechnung Qualitatsgarn spinnen zu lassen, um es ausgewahlten Zeugmachern zur Weiterverarbeitung zuzuleiten. = Auflosung des Unternehmens = Veranderte Moden waren ein zentraler Faktor fur das Ende der Calwer Compagnie, denn Kleidung aus Baumwolle gewann an Beliebtheit. Die Calwer Produkte wirkten nun altmodisch, wurden uberwiegend mit althergebrachten Methoden produziert und konnten preislich nicht mehr mithalten. Die Calwer Compagnie hatte keine besondere technische Kompetenz, weil sie sich um die Herstellung des Rohzeugs nicht kummerte. Das entwickelte sich in dem Moment zum Nachteil, als Innovationskraft andernorts den wirtschaftlichen Erfolg beschleunigte. Der Trend zur Baumwolle zog auch Kapazitaten der Spinnerei ab; die Spinnerinnen orientierten sich rasch an den Bedurfnissen der Baumwoll-Textilhersteller und Wollgarn wurde knapp. Einen Ausweg suchte das Unternehmen, indem es in die Zeug-Produktion einstieg, und zwar organisiert als Manufaktur beziehungsweise als Fabrik. Eine solche wurde 1774 in Calw eroffnet. Unter einem Dach liefen hier bis zu neun Webstuhle, die von gut ausgebildeten, teils ortsfremden Zeugmachermeistern bedient wurden. Zugleich zog die Companie eine Elite unter den Zeugmachermeistern heran, denen sie in Lohnfertigung Heimarbeitsauftrage fur hochwertige Produkte gab. In der Fabrik galt das Prinzip der Arbeitsteilung, es gab Leistungs- und Qualitatsanreize und eine hoherwertige technische Ausstattung. Auch unter den Spinnerinnen der Region rekrutierte das Unternehmen rund 700 exklusiv fur sich, damit sie allein fur die Kompagnie arbeiteten. Durch die Qualitatsverbesserungen der in der Fabrik selbst gefertigten Waren neigte die Compagnie dazu, die in klassischer Weise hergestellten Zeuge aus dem Moderationsgebiet wegen vorhandener oder vorgeblicher Mangel abzulehnen, was unter den Zeugmachern zu Aversionen gegenuber der Fabrik fuhrte. Das Fabriksystem schien sich fur das Unternehmen als eine Zukunftschance zu erweisen. Die produzierte Menge dieser hochwertigen Produkte wuchs rasch, die Ertrage stiegen. Der Italienfeldzug napoleonischer Truppen machte alle Hoffnungen zunichte, denn die Umsatze der fur die Compagnie zentralen Bozener Messe blieben aus. Das Unternehmen schrieb nun Verluste und bat Herzog Friedrich Eugen 1796 darum, das Moderationsgebiet aufzuheben. Ein Jahr spater wurde das Unternehmen mit herzoglicher Erlaubnis tatsachlich aufgelost. Einige der vormaligen Compagnie-Verwandten fuhrten das Textilgeschaft in jeweils eigener und kleinerer Form weiter. Andere wagten unternehmerische Schritte in anderen Branchen, was sie zum Teil bereits in den Jahrzehnten zuvor nebenher probiert hatten. Nachleben = Unternehmerisches Erbe = Einige Mitglieder der Teilhaber-Familien waren vor und nach 1797 auch anderweitig aktiv. Sie beteiligten sich beispielsweise am Bergbau im Schwarzwald, an der Floßerei oder am kombinierten Salz- und Weinhandel in Suddeutschland. Andere stiegen ins Bankgeschaft ein, wurden in der Glasverhuttung tatig oder versuchten sich in der Fayencenherstellung. Das Textilgeschaft blieb Calw in Form verschiedener Unternehmen bis 1997 erhalten, dem Jahr, als die Calwer Decken- und Tuchfabriken AG ihren Betrieb einstellte. = Architektonisches Erbe = Zum Erbe der Compagnie zahlen in Calw auch kulturhistorisch als wertvoll eingeschatzte Gebaude, uberwiegend im Stadtkern von Calw, die Mitglieder der Teilhaber-Familien oder die Compagnie selbst errichteten beziehungsweise erwarben. = Protestantische Ethik = Max Weber machte in seiner beruhmten Studie „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ vier Stromungen des Protestantismus aus, die seiner Ansicht nach eine besondere „Wahlverwandtschaft“ mit eben jenem kapitalistischen Geist aufgewiesen hatten. Eine davon sei der Pietismus gewesen. In diesem Kontext erwahnte er nebenher Calw. Dieser Randbemerkung ging Hartmut Lehmann nach. Dabei charakterisierte er die Calwer Compagnie als „das Zentrum des fruhen Calwer Pietismus“ und fuhrte pietistisch agierende Teilhaber-Familien auf. Einen systematischen Zusammenhang zwischen den pietistischen Neigungen von Teilhaber-Familien insbesondere zu Beginn des 18. Jahrhunderts einerseits und dem Geschaftserfolg der Kompagnie andererseits erblickte er jedoch nicht. Eine rationale, moderne und insgesamt bessere Berufs- und Wirtschaftsethik sei bei den Mitgliedern der Teilhaber-Familien nicht feststellbar, wohl aber seien Tugenden vorhanden gewesen, die fur das wirtschaftliche Vorankommen nutzlich waren, wie etwa Fleiß, Sorgfalt, Genauigkeit und Zeitdisziplin. = Geschichtsschreibung = Die Calwer Zeughandlungskompagnie war gelegentlich Gegenstand der Lokal- und der ubergreifenden Wirtschaftsgeschichtsschreibung. Grundlich hat sich erstmals der Nationalokonom Walter Troeltsch mit ihr befasst; 1897, einhundert Jahre nach ihrem Ende, legte er eine entsprechende Monografie vor. Wilfried Reininghaus nannte diese Arbeit eine „Pionierstudie“ zum Verlagswesen. Die in Oxford lehrende kanadische Wirtschaftshistorikerin Sheilagh Ogilvie publizierte noch einmal einhundert Jahre spater eine Untersuchung uber die Zeugmacherzunft in Wildberg, die im Gebiet der Calwer Moderation lokalisiert war und sich darum mit der Calwer Compagnie auseinandersetzen musste. Ogilvie nutzte die empirischen Ergebnisse, um Theorien der Proto-Industrialisierung kritisch zu hinterfragen. In seiner Studie zur Wirtschaftsgeschichte Calws portratierte der Historiker Gerd Hoschle 2006 das Unternehmen umfassender und zeigte dabei auch die Querverbindungen zu anderen Unternehmen und Branchen der Stadt. Die Bedeutung der Calwer Zeughandlungskompagnie wurde vielfach unterstrichen. Troeltsch bezeichnete sie als das großte industrielle Unternehmen Altwurttembergs im 17. und 18. Jahrhundert. Der Wirtschaftshistoriker Hermann Kellenbenz sah in ihr den Ausgangspunkt der Industrialisierung im Raum Calw. Der Historiker und Archivar Peter Eitel nannte sie das „erste und großte Verlagsunternehmen“ Altwurttembergs „und zugleich die großte Exportfirma“ dieses Landes. In seiner Ubersichtsstudie zum Merkantilismus bezeichnete der Wirtschaftshistoriker Rainer Gommel die Kompagnie als „das bedeutendste Unternehmen“ Altwurttembergs. Nach Christian Kleinschmidt, ebenfalls ein Wirtschaftshistoriker, war sie zum Zeitpunkt ihrer Auflosung „eine der großten gewerblichen Organisationen auf dem europaischen Kontinent“. Anhang = Literatur = Peter Eitel: Beiwort zur Karte 11,3. Die Calwer Zeughandlungskompagnie. Die große Ravensburger Handelsgesellschaft. In: Historischer Atlas von Baden-Wurttemberg (HABW). 5. Lieferung, Kommission fur Geschichtliche Landeskunde in Baden-Wurttemberg, Stuttgart 1976, ISBN 978-3-921201-10-7 (online). Gerd Hoschle: Calw. Geschichte einer Stadt. Wirtschaftsgeschichte Teil 1. Von den Anfangen bis zum 18. Jahrhundert. Calw – Stadtarchiv. Calw 2006, ISBN 3-939148-00-8, S. 13–44 (online). Hartmut Lehmann: Pietismus und Wirtschaft in Calw am Anfang des 18. Jahrhunderts. Ein lokalhistorischer Beitrag zu einer universalhistorischen These von Max Weber. In: Derselbe: Max Webers „Protestantische Ethik“. Beitrage aus der Sicht eines Historikers, Vandenhoeck & Ruprecht, Gottingen 1996, S. 66–93, ISBN 3-525-33575-X (online). Erstabdruck in: Zeitschrift fur Wurttembergische Landesgeschichte. XXXI. Jahrgang (1972), S. 249–277. Sheilagh Ogilvie: State corporatism and proto-industry. The Wurttemberg Black Forest, 1580–1797. Cambridge University Press, Cambridge [u. a.] 1997, ISBN 0-521-37209-7. Georg Schurle: Chronik der Calwer Decken- und Tuchfabriken AG in Calw. Calwer Decken- und Tuchfabriken, Calw 1988. Walter Staudenmeyer: Die soziale Lage der in der Calwer Zeughandlungs-Compagnie gebannten Zeugmacher. In: Erich Maschke, Jurgen Sydow (Hrsg.): Stadtische Mittelschichten. Protokoll der 8. Arbeitstagung des Arbeitskreises fur sudwestdeutsche Stadtgeschichtsforschung, Biberach 1969 (Kommission fur Geschichtliche Landeskunde in Baden-Wurttemberg: Veroffentlichungen der Kommission fur Geschichtliche Landeskunde in Baden-Wurttemberg. Reihe B. Forschungen; Bd. 69), Kohlhammer. Stuttgart 1972, S. 104–119. Walter Troeltsch: Die Calwer Zeughandlungskompagnie und ihre Arbeiter. Studien zur Gewerbe- und Sozialgeschichte Altwurttembergs. Fischer, Jena 1897 (online). = Weblinks = Karten zum Absatz- und zum Moderationsgebiet, im HABW auf LEO-BW. = Einzelnachweise =
Die Calwer Zeughandlungskompagnie war ein im Verlagssystem organisiertes Unternehmen der Zeug-Produktion und des Zeug-Handels. Sie wurde 1650 in Calw gegrundet und 1797 aufgelost. Die Teilhaber dieses Unternehmens kamen aus 14 vielfach miteinander verwandten Familien. Zeitweise waren bis zu 1000 Zeugmachermeister durch das Verlagssystem vom Unternehmen abhangig; rund 2000 Spinnerinnen kamen hinzu. Die Zeugmacher lebten in einem Gebiet, das von Heimsheim im Norden, Schonaich im Osten, Horb im Suden bis Bosingen im Westen reichte. Uber den Fernhandel gelangte das Calwer Zeug nach Frankreich, in die Schweiz, die Territorien auf der italienischen Halbinsel, Ober- und Niederosterreich, Tirol, Bohmen, Ungarn, Schlesien und Polen sowie in die Erzbistumer Trier, Koln oder Mainz und weitere Gebiete des Heiligen Romischen Reichs Deutscher Nation. Im Herzogtum Wurttemberg war die Kompagnie das erste und großte Verlagsunternehmen und der großte Exporteur, sie entwickelte sich zu einem der großten gewerblichen Organisationen auf dem europaischen Kontinent.
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c-206
Tren de Aragua (spanische Aussprache: [tɾen de aˈɾaɣwa]; deutsch: Zug aus Aragua) ist eine 2005 entstandene transnationale kriminelle Organisation aus Venezuela, die von den USA als auslandische terroristische Organisation eingestuft wird. Das Kartell ist bekannt fur seine Aktivitaten in den Bereichen Menschenhandel, Drogenhandel, Erpressung, Zuhalterei und anderer schwerer Verbrechen. Geschichte Laut dem Thinktank Insight Crime geht ihr Ursprung auf ein Eisenbahnprojekt im Jahr 2005 zuruck, das die venezolanischen Bundesstaaten Aragua und Carabobo verbinden sollte, daher der Name „Aragua-Zug“. Dem Bericht der auf organisierte Kriminalitat in Lateinamerika spezialisierten Denkfabrik zufolge begann das Syndikat fur Auftrage Geld zu verlangen und Auftragnehmer um Schutzgeld zu erpressen. Gegrundet wurde Tren de Aragua von Hector Rusthenford Guerrero Flores alias „Nino Guerrero“ (* 2. Dezember 1983), Yohan Jose Guerrero alias „Johan Petrica“ und Larry Amaury Alvarez Nunez alias „Larry Changa“ (* Mai 1977). „Nino Guerrero“ war ab 2010 Haftling im Gefangnis von Tocoron, etwa 70 Kilometer von Caracas entfernt. „Larry Changa“ war wegen Totschlags in besonders schweren Fallen zu 17 Jahren Haft verurteilt. Er saß dort schon seit 2007 ein, ebenso wie „Johan Petrica“. Nino Guerrero entkam 2012 aus dem Gefangnis durch Bestechung eines Warters und wurde 2013 erneut verhaftet. Nach seiner Ruckkehr verwandelte er mit Petrica und Changa das Gefangnis in eine Art Freizeitkomplex fur Haftlinge. Medienberichten zufolge gab es fur seine 7000 Insassen Restaurants, Bordelle, eine Diskothek, Lagerraume und einen kleinen Zoo. Dies alles entstand in der Amtszeit der Ministerin beim Ministerium der Volksmacht fur die Strafvollzugsanstalten Iris Varela zwischen 2011 und 2019. Ebenso entstand ein Tunnel, den Guerrero nutzen konnte, um das Gefangnis jederzeit verlassen zu konnen. Laut dem Direktor der venezolanischen Beobachtungsstelle fur Gewalt, dem Soziologen Roberto Briceno-Leon, habe die Regierung von Hugo Chavez im Jahr 2005 „die interne Kontrolle uber die Gefangnisse durch eine Vereinbarung, in der die externe Kontrolle abgeschafft wurde und sie fur die Aufrechterhaltung der internen Ordnung und die Vermeidung von Todesfallen verantwortlich waren, an die Insassen selbst ubertragen.“ Ab 2013 begann Guerrero, Tren de Aragua mit anderen Banden zu verbunden, um seinen Einflussbereich auszuweiten. Laut Insight Crime und Berichten des venezolanischen Observatoriums fur Gewalt ubernahmen sie auch die Kontrolle uber das Viertel San Vicente in Maracay, der Hauptstadt des Bundesstaates Aragua. Changa brach 2015 aus dem Tocoron-Gefangnis aus und tauchte fur drei Jahre unter, ehe ihn die chilenische Polizei in Chile lokalisierte, wo er eine Fast-Food-Kette betrieb, mit der er Geld fur Tren de Aragua wusch. Er baute die Bande zu einer der wichtigsten kriminellen Gruppen Chiles aus und kontrollierte wichtige Grenzubergange fur Migrantenschmuggel, Menschenhandel und Erpressung in stadtischen Gebieten. Außerdem erweiterte er die kriminelle Bandbreite der Gruppe um Entfuhrungen, Drogenhandel und Geldwasche. Ab 2016, einem Jahr, in dem sich die Wirtschaftskrise in Venezuela verscharfte und die ersten Migrationswellen verzeichnet wurden, erkannte die Bande, wie sie durch Menschen, die auf der Suche nach Brot und Arbeit aus dem Land flohen, Geld verdienen konnte, so die Aussage der Journalistin und Ermittlerin Ronna Risquez gegenuber BBC Mundo. Seit 2017 geriet Tren de Aragua laut Insight Crime zunehmend in Konflikte mit Banden wie El Tren del Llano im Bundesstaat Sucre im Osten Venezuelas wegen Drogenhandels in die Karibik sowie mit der kolumbianischen Guerillagruppe Nationale Befreiungsarmee (ELN) im Departamento Norte de Santander wegen Menschenhandels. General a. D. Oscar Naranjo, ehemaliger Vizeprasident Kolumbiens und ehemaliger Leiter der kolumbianischen Nationalpolizei, erklarte 2023 gegenuber CNN, dass Tren de Aragua „die storendste kriminelle Organisation ist, die heute in Lateinamerika operiert, eine echte Herausforderung fur die Region“. Obwohl das Tocoron-Gefangnis im September 2023 von 11.000 venezolanischen Sicherheitskraften ersturmt wurde, konnten Guerrero und Petrica fliehen und die Aktivitaten der Bande fortsetzten. Seitdem breitete sich die Organisation aufgrund der venezolanischen Fluchtlingskrise in ganz Lateinamerika und den Vereinigten Staaten aus, wobei ihr Wachstum mit der Emigration von Venezolanern einherging. Aufgrund der enormen Ausmaße ihrer Verbrechen wurde der Bekampfung der Organisation in vielen Landern, in denen Tren de Aragua tatig war, Prioritat eingeraumt. Tren de Aragua ist besonders fur seine Rolle im Menschenhandel und bei der Ausbeutung von Migranten bekannt, die versuchen, die Grenzen zu uberqueren. Changa wurde am 1. Juli 2024 in Circasia verhaftet und sitzt seitdem in Kolumbien in Haft. Die Aufenthaltsorte von Petrica und Guerrero sind unbekannt. Es gibt Berichte, die darauf hindeuten, dass der Tren de Aragua moglicherweise eine Rolle bei der Unterstutzung von Venezuelas Staatschef Nicolas Maduro gespielt habe, insbesondere in Bezug auf die Kontrolle von Gefangnissen und die Einschuchterung politischer Gegner. Grunde fur die Entstehung und Expansion des Tren de Aragua sind eng mit den sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen in Venezuela verbunden. Die Organisation, ursprunglich im Tocoron-Gefangnis entstanden, nutzte die dort herrschende Korruption und schwache staatliche Kontrolle, um sich zu organisieren und zu expandieren. Ein zentraler Faktor der Expansion war die schwere Wirtschaftskrise in Venezuela, die ab 2016 zu massiven Migrationsbewegungen fuhrte. Viele Menschen, die das Land verließen, gerieten in prekare Situationen, die von kriminellen Gruppen wie dem Tren de Aragua ausgenutzt wurden. Die Bande profitierte von der Unsicherheit und den begrenzten Moglichkeiten der Migranten, indem sie in Bereichen wie Menschenhandel und Erpressung aktiv wurde. Daruber hinaus spielte die soziale Fragmentierung eine Rolle. Die schwache staatliche Prasenz und die mangelnde soziale Unterstutzung fuhrten dazu, dass kriminelle Organisationen in den betroffenen Gemeinschaften Fuß fassen konnten. Mitglieder Es wird angenommen, dass die Organisation zwischen 4000 und 5000 Mitglieder hat, hauptsachlich Venezolaner. Die Organisation hat keine spezifischen Tatowierungen, wie sie etwa die Zugehorigkeit zu den Maras in Mittelamerika, zu MS13 oder zur 18th Street signalisieren. Vielmehr ahnelt der Tren de Aragua anderen kriminellen Organisationen in Sudamerika wie dem Medellin-Kartell oder dem Cali-Kartell, die ohne eigene Tatowierungen eine einfache Identifizierung verhindern. Verbreitung und Bereiche Tren de Aragua ist die erste venezolanische kriminelle Organisation, die ins Ausland expandierte; sie ist in Kolumbien, Brasilien, Peru, Ecuador, Bolivien, Panama, Costa Rica, Chile, Mexiko, Trinidad und Tobago und in den Vereinigten Staaten vertreten. In Lateinamerika spielt sie eine besonders dominante Rolle im Menschenhandel und Menschenschmuggel. Die Organisation ist an einer Vielzahl von kriminellen Aktivitaten beteiligt, wie Waffenhandel, Bestechung, Zuhalterei, Cyberkriminalitat, Drogenhandel, illegalem Bergbau, Entfuhrungen gegen Losegeld und Geldwasche. = Bolivien = In Bolivien ist der Tren de Aragua vor allem in Grenzregionen wie Pisiga aktiv, wo er sich auf Menschenhandel, insbesondere mit Frauen und Kindern, sowie auf Drogenhandel und Erpressung spezialisiert hat. Die Organisation nutzt die geografische Lage Boliviens, um illegale Aktivitaten zwischen den Nachbarlandern zu koordinieren. In Santa Cruz, einer der großten Stadte Boliviens, wurden Falle von Erpressung und Bedrohung gemeldet. Mitglieder des Tren de Aragua sollen von Geschaftsinhabern und Migranten Schutzgeld verlangt haben. Es gibt auch Hinweise darauf, dass die Organisation in den Menschenhandel verwickelt ist und Migranten fur illegale Aktivitaten ausbeutet. = Brasilien = In Brasilien ist der Tren de Aragua in mehreren Bundesstaaten aktiv, darunter Roraima, Santa Catarina, Parana und Amazonas. Zu den Hauptaktivitaten gehoren: Menschenhandel, Drogenhandel, Gewalt und Erpressung, einschließlich Mord und Verstummelung. Die Partnerschaft mit dem Kartell Primeiro Comando da Capital hat es dem Tren de Aragua ermoglicht, seine kriminellen Netzwerke zu erweitern und Zugang zu neuen Markten zu erhalten. Diese Zusammenarbeit umfasst den Austausch von Waffen und die gemeinsame Kontrolle von Drogenhandelsrouten. = Costa Rica = In Costa Rica hat der Tren de Aragua seine kriminellen Aktivitaten durch die Ausnutzung von Migrationsstromen und die Zusammenarbeit mit lokalen kriminellen Netzwerken ausgeweitet. Zu den dokumentierten Aktivitaten gehoren Menschenhandel, Erpressung und Drogenhandel. = Ecuador = In Ecuador wurde der Tren de Aragua offiziell als terroristische Organisation eingestuft. Mit einem Dekret des Prasidenten Daniel Noboa wurde die Bande als Bedrohung fur die nationale Sicherheit und die Souveranitat des Staates anerkannt. Die Gruppe operiert in Ecuador durch verschiedene kriminelle Netzwerke, die unter anderem in den Stadten Tulcan und Quito aktiv sind. Zu den dokumentierten Aktivitaten gehoren Falle von Erpressung und organisierter Kriminalitat. = Chile = In Chile hat der Tren de Aragua eine bedeutende Prasenz aufgebaut und ist fur eine Vielzahl schwerer Verbrechen verantwortlich, darunter Menschenhandel, Drogenhandel, Erpressung, Entfuhrungen und Mord. Die Gruppe operiert durch lokale Zellen, wie die sogenannte „Los Gallegos“, die in der Region Arica und anderen Teilen des Landes aktiv sind. Diese Zellen nutzen unbesiedelte Gebiete und soziale Unsicherheiten, um ihre kriminellen Netzwerke zu erweitern. Die Aktivitaten des Tren de Aragua haben zu einen Anstieg von Gewalt und Kriminalitat in Chile gefuhrt, was die Regierung dazu veranlasst hat, Maßnahmen gegen die Organisation zu ergreifen. Die Bande hat auch die chilenische Gesellschaft durch ihre brutalen Methoden und ihre Fahigkeit, lokale kriminelle Gruppen zu verdrangen, erheblich beeinflusst. = Kolumbien = In Kolumbien hat der Tren de Aragua, neben Chile, seine bedeutendste auslandische Prasenz aufgebaut und ist fur eine Vielzahl schwerer Verbrechen verantwortlich, darunter Menschenhandel, Drogenhandel, Erpressung, Entfuhrungen und Mord. Die Gruppe operiert durch lokale Zellen, die in Stadten wie Bogota und Soacha aktiv sind. Diese Zellen nutzen soziale Unsicherheiten und die Nahe zur venezolanischen Grenze, um ihre kriminellen Netzwerke zu erweitern. Die Bande hat die kolumbianische Gesellschaft durch ihre brutalen Methoden und ihre Fahigkeit, lokale kriminelle Gruppen zu verdrangen, erheblich beeinflusst. Im Jahr 2024 wurde Salomon Fernandez Torres, ein fuhrendes Mitglied der Organisation, in Aguazul, Casanare, festgenommen. Diese Festnahme war ein bedeutender Schritt im Kampf gegen die kriminellen Aktivitaten der Bande in Kolumbien. = Mexiko = In Mexiko ist der Tren de Aragua vor allem in Grenzregionen wie Chihuahua und Quintana Roo aktiv. Die Organisation nutzt diese Regionen als Transitpunkte fur den Schmuggel von Migranten, insbesondere Frauen und Madchen, die oft sexuell ausgebeutet werden. Berichten zufolge arbeitet die Gruppe eng mit mexikanischen Kartellen zusammen, um ihre Operationen zu koordinieren und ihre Reichweite zu erweitern. Die Aktivitaten des Tren de Aragua umfassen auch Erpressung und die Nutzung von Gewalt, um Kontrolle uber bestimmte Gebiete zu erlangen. In Zentralmexiko wurden Falle von Entfuhrungen und Morden dokumentiert, die mit der Organisation in Verbindung stehen. Die Gruppe hat sich auch an der Ausbeutung von Migranten beteiligt, indem sie diese in Schuldknechtschaft zwingt oder sie fur ihre Operationen einsetzt. = Panama = In Panama operiert der Tren de Aragua hauptsachlich im Untergrund und hat Einfluss auf lokale kriminelle Netzwerke. Die Gruppe arbeitet hier mit anderen internationalen Kartellen wie dem Clan del Golfo zusammen, um lokale Banden zu finanzieren und ihre Aktivitaten auszuweiten. Zu den Hauptaktivitaten gehoren: Menschenhandel, Kontrolle uber Migrationsrouten und Ausbeutung von Migranten, Transport und Vertrieb von illegalen Substanzen sowie Erpressung von Einzelpersonen und Unternehmen. Die Prasenz des Tren de Aragua in Panama stellt eine erhebliche Bedrohung fur die offentliche Sicherheit dar und die kriminelle Organisation zeigt wenig Respekt vor staatlichen Autoritaten und greift sogar Polizeibeamte an. Die Behorden in Panama haben begonnen, verstarkt gegen den Tren de Aragua vorzugehen, indem sie Grenzkontrollen verscharfen und die Zusammenarbeit mit internationalen Sicherheitsdiensten intensivieren. = Vereinigte Staaten = Tren de Aragua tauchte in den fruhen 2020er Jahren uberall in den Vereinigten Staaten auf, als eine Welle von Migranten die mexikanisch-amerikanische Grenze uberquerte, insbesondere aus Venezuela. Telemundo schrieb im Marz 2024 unter Berufung auf mehrere Strafverfahren gegen mutmaßliche Mitglieder der Bande, dass die Gruppe offensichtlich „auch in den Vereinigten Staaten eine immer großere Prasenz hat“. Im Januar 2024 bestatigte das Federal Bureau of Investigation Berichte, wonach die Bande in den Vereinigten Staaten aktiv sei. Am 11. Juli 2024 kundigten das US-Finanzministerium und das Weiße Haus Sanktionen gegen die Bande an und stuften sie als „transnationale kriminelle Organisation“ ein. Das Außenministerium setzte außerdem eine Belohnung von 12 Millionen Dollar fur Informationen aus, die zur Festnahme der Anfuhrer der Organisation fuhren. Im Jahr 2024 fuhrten US-Beamte an der Grenze zwischen den USA und Mexiko verstarkte Befragungen alleinstehender mannlicher venezolanischer Migranten durch, um sie auf Mitgliedschaft im Tren de Aragua zu uberprufen. Mitglieder des Tren de Aragua wurden mit Verbrechen in den Vereinigten Staaten in Verbindung gebracht, darunter auch Morde. Tren de Aragua war ein wichtiges Thema in der Prasidentschaftskampagne 2024 von Donald Trump. In einem Kommentar in der Zeitschrift Americas Quarterly hieß es, dass die Reichweite von Tren de Aragua in den Vereinigten Staaten in Wirklichkeit ubertrieben sei, da die Bande nur in Peru und Chile uber standige Zellen außerhalb Venezuelas verfuge und sogar im venezolanischen Nachbarland Kolumbien nur mit begrenztem Erfolg tatig sei. Am 20. Januar 2025 erließ US-Prasident Donald Trump eine Verordnung, mit der das Verfahren zur Einstufung verschiedener Drogenkartelle und transnationaler Banden, darunter auch Tren de Aragua, als auslandische terroristische Organisationen eingeleitet wurde. Mit Inkrafttreten der Verordnung am 20. Februar 2025 wurden diese Gruppen offiziell zu terroristischen Organisationen erklart. Im Marz 2025 schoben die USA 238 venezolanische Staatsburger, angebliche Mitglieder von Tren de Aragua, nach El Salvador ab. Sie sitzen dort gegen eine Zahlung von sechs Millionen USD durch die USA an El Salvador im Centro de Confinamiento del Terrorismo (CECOT) ein. Nach Bekanntwerden dieser Inhaftierungen bestritt Venezuelas Staatschef Nicolas Maduro, dass die Haftlinge Mitglieder von Tren de Aragua seien und die Organisation noch in Venezuela existiere, und verlangte die Auslieferung der Inhaftierten. Maduro versicherte, die Organisation in Venezuela beseitigt zu haben. Dies wird von einigen Medien bezweifelt. Einen Tag spater erklarte der Direktor der US-Einwanderungs- und Zollbehorde Todd Lyons, dass die Agentur seit der Amtseinfuhrung Trumps fast 400 angebliche Mitglieder Tren de Araguas verhaftet habe. = Peru = Aufgrund der starken Prasenz des Tren de Aragua in Lima kam es vermehrt zu fremdenfeindlichen Außerungen gegenuber Venezolanern. Nach Zusammenstoßen zwischen Peruanern und venezolanischen Migranten auf dem Gamarra-Markt in Lima veroffentlichte die Ortsgruppe „Los Gallegos“ des Tren de Aragua ein Video, in dem es heißt: „Es wird keinen Frieden fur Peruaner geben, die Fremdenfeindlichkeit unterstutzen. Wir werden beginnen, alle peruanischen Motortaxi-Fahrer zu toten.“ Allein im Jahr 2023 wurden mindestens 183 mutmaßliche Mitglieder verhaftet. = Trinidad und Tobago = In Trinidad und Tobago ist der Tren de Aragua vor allem in Verbindung mit dem Schmuggel von Migranten aus Venezuela aktiv. Berichten zufolge arbeiten Mitglieder der Organisation mit lokalen kriminellen Netzwerken zusammen, um illegale Einwanderer ins Land zu bringen. Dabei werden Frauen und Kinder oft als „Schutzschilde“ eingesetzt, um Sicherheitsmaßnahmen zu umgehen. Die Gruppe ist auch in den Bereichen Drogenhandel und Menschenhandel tatig und nutzt die geografische Lage Trinidads als Transitpunkt fur illegale Aktivitaten. Experten fordern verstarkte Maßnahmen zur Bekampfung der kriminellen Aktivitaten und zur Sicherung der Grenzen. Weblinks Einzelnachweise
Tren de Aragua (spanische Aussprache: [tɾen de aˈɾaɣwa]; deutsch: Zug aus Aragua) ist eine 2005 entstandene transnationale kriminelle Organisation aus Venezuela, die von den USA als auslandische terroristische Organisation eingestuft wird. Das Kartell ist bekannt fur seine Aktivitaten in den Bereichen Menschenhandel, Drogenhandel, Erpressung, Zuhalterei und anderer schwerer Verbrechen.
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c-207
Als nasale Freigabe bzw. nasale Losung eines Verschlusslautes, auch nasale Sprengung, bezeichnet man in der Phonetik eine besondere Aussprachevariante der Verschlusslaute (Plosive) /p, t, k, b, d, g/. Der entstehende Laut wird auch manchmal als faukaler Explosiv bezeichnet. Das Phanomen tritt im Deutschen auf, um die Aussprache eines Verschlusslauts vor einem Nasalkonsonanten zu vereinfachen, z. B. in den Kombinationen „-bm“, „-tn“ oder „-kn“ am Wortende. Dabei erfolgt die Offnung des Verschlusses nicht wie sonst ublich oral (im Mundraum), also z. B. durch Offnung der Lippen fur „b“ – sondern die Luft wird aus dem Rachenraum stoßartig hintenherum durch die Nase abgeleitet. Auf diese Weise gehen Verschlusse wie /b, d, g/ direkt in entsprechende Nasallaute wie /m, n, ŋ/ uber. Die nasale Freigabe hat zwar eine eigene Notation im Internationalen Phonetischen Alphabet (IPA), sie wird aber nicht immer bzw. nicht einheitlich benutzt. Es ist auch unklar, ob dieser Laut in irgendeiner Sprache eine systematische Funktion (also Phonem-Status) hat. Beispiel im Deutschen Die Aussprache des Verbs „haben“ ware in der vollen Wiedergabe der geschriebenen Form in phonetischer Notation [hɑːbən]. Hierbei ist [ə] ein reduzierter Vokal, der sogenannte „Murmelvokal“ Schwa. Diese vollstandige Aussprache wird im Deutschen aber eher als auffallig empfunden. Je nach Sprechtempo und Stilniveau ist folgende Skala von vereinfachten Aussprachen von „(wir) haben“ moglich: 0. [hɑːbən] 1. → [hɑːbn] Das Schwa wird weggelassen. Das Ergebnis ist immer noch eine zweisilbige Aussprache, wobei in der zweiten Silbe nun der Laut [n] als Vokal und Silbenkern benutzt wird, notiert als [n] mit einem kleinen Strich darunter: [n]. In dieser Form des Wortes kann nun eine weitere Reduktion erfolgen, bei der der Artikulationsort des „n“ an den des vorausgehenden [b] angeglichen (assimiliert) wird, namlich: 2. → [hɑːbm] Beide Laute sind jetzt labial, also an den Lippen artikuliert („m“ ist wiederum vokalisch, es bildet die zweite Silbe des Wortes). Bei dieser Variante entsteht jedoch ein Ausspracheproblem, das dann durch die nasale Freigabe gelost wird, siehe die nachfolgende Erlauterung. 3. → [ham] Eine noch weitergehende Vereinfachung, bei der der Verschlusslaut [b] vollig verschwunden ist, von ihm ist nur noch der labiale Artikulationsort auf dem ehemaligen [n] zuruckgeblieben. Das Problem an Variante 2 ist, dass fur den Laut [b] der Verschluss der Lippen geoffnet werden musste, furs [m] aber an derselben Stelle verschlossene Lippen benotigt werden, ohne dass ein Vokal die Artikulationsbewegung uberbruckt. Wenn dennoch (im Unterschied zu Variante 3) die Qualitat eines Verschlusslauts beibehalten werden soll, ist die naturlichste Artikulation folgende: Das [b] wird nicht durch Offnung der Lippen freigegeben, sondern die Lippen bleiben vom [b] zum [m] einfach in der derselben geschlossenen Position; stattdessen lasst man beim Ubergang zum [m] die durch den labialen Verschluss gestaute Luft stoßartig aus dem hinteren Rachenraum direkt durch die Nase entweichen. Man hort bei diesem Ubergang dann also ein Stoßgerausch und spurt eine Bewegung hinten im Mundraum. Der Korperteil, der sich hierbei bewegt, ist das Velum (Gaumensegel). Artikulationsweise Nasale Konsonanten, wie /m, n/, sind Laute, bei denen der Weg des Luftstroms durch den Mundraum blockiert wird (etwa bei /m/ durch die Lippen, d. h. genauso wie bei /p/) und stattdessen der Weg durch den Nasenraum geoffnet ist. Dies wird durch das Gaumensegel, das Velum, geregelt, in der Abbildung als die Zone von Nr. 8 bis 9 eingezeichnet. In der Abbildung ist der Weg durch den Nasenraum als offen gezeichnet, allerdings der durch den Mundraum zugleich auch. Bei nicht-nasalen (oralen) Lauten hebt sich das Velum aber in Wirklichkeit zur hinteren Wand der Pharynx (Nr. 10) hin, um den Weg durch die Nase mehr oder weniger zu verschließen, bei nasalen Konsonanten schiebt es sich nach unten/vorn, um den Weg durch die Nase freizugeben. Diese Offnung des Weges durch die Nase erfolgt bei der Artikulation von [hɑːbm] stoßartig, also in der Art eines Plosivs, dies ist dann die nasale Freigabe des Verschlusslauts [b]. Ebenso kann dies bei Konsonanten an anderen Artikulationsorten erfolgen. Beispielsweise kann die Aussprache des Wortes „Franken“ reduziert werden zu etwas wie „Frankng“ oder in der Aussprache des frankischen Dialekts selbst (der stimmhafte Verschlusslaute benutzt) etwas wie „Franggng“ – hier ist das letzte „ng“ eine silbische Variante des velaren Nasals [ŋ], ein assimiliertes Uberbleibsel des ursprunglichen /n/ am Wortende. Davor erfolgt die Freigabe des Verschlusses [g] in den Nasenraum. Dies geschieht auch hier wieder durch stoßartige Senkung des Velums (nur dass in diesem Fall das Velum nach vorne hin zusammen mit der Hinterzunge auch fur den oralen Verschluss sorgt). Notation Die phonetische Komponente der nasalen Freigabe, z. B. eines /b/ hin zu /m/, kann durch Schreibungen wie „habm“ fur „haben“ nur indirekt nahegelegt werden. Sie wird auch in der phonetischen Umschrift nach IPA nicht immer eigens bezeichnet (so wie in diesem Artikel im ersten Abschnitt oben). In einer engen Umschrift steht aber in der offiziellen Notation der IPA ein zusatzliches hochgestelltes „n“ als Markierung fur nasale Freigabe, siehe IPA #Diakritika (dort ist allerdings das „n“ nur fur die Kombination „dn“ ausdrucklich angegeben). „Redner“ [ʁeːdnnɐ] „haben > habm“ [hɑːbnm] „hacken > hackng“ [haknŋ] Bei manchen Autoren erscheint stattdessen aber der Nasal, der dem Artikulationsort des Verschlusses entspricht, insbesondere, wenn am Wortende nur noch die Freigabe erfolgt, aber kein weiterklingender Nasalkonsonant angesetzt wird. Dann erscheinen also Notationen wie z. B. [kŋ] oder [bm]. Trivia Der barocke Mystiker Jacob Bohme verfasste Meditationen uber Bibeltexte, in denen er oftmals auch dem Klang der Texte in allen Einzelheiten nachsann. Zu dem Satz „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erden“ fuhrt er in seiner Schrift Aurora uber das Wort „Erden“ aus: Hier ist zu entnehmen, dass auch in Bohmes Deutsch der Zeit um 1600 die reduzierte Aussprache mit nasaler Freigabe des Konsonanten schon ublich war. Literatur Michael Proctor: Consonants. = Kap. 3 in Rachael-Anne Knight, Jane Setter (eds.): The Cambridge Handbook of Phonetics. Cambridge University Press, Cambridge (UK) 2021, S. 65–105, doi:10.1017/9781108644198.004. Russell Schuh: Shooting Through the Nose in Karekare: A Study of Nasally Released Stops in a Chadic Language. In: UCLA Working Papers in Phonetics. No. 107 (2008), S. 56–73. Online frei zuganglich. Einzelnachweise
Als nasale Freigabe bzw. nasale Losung eines Verschlusslautes, auch nasale Sprengung, bezeichnet man in der Phonetik eine besondere Aussprachevariante der Verschlusslaute (Plosive) /p, t, k, b, d, g/. Der entstehende Laut wird auch manchmal als faukaler Explosiv bezeichnet. Das Phanomen tritt im Deutschen auf, um die Aussprache eines Verschlusslauts vor einem Nasalkonsonanten zu vereinfachen, z. B. in den Kombinationen „-bm“, „-tn“ oder „-kn“ am Wortende. Dabei erfolgt die Offnung des Verschlusses nicht wie sonst ublich oral (im Mundraum), also z. B. durch Offnung der Lippen fur „b“ – sondern die Luft wird aus dem Rachenraum stoßartig hintenherum durch die Nase abgeleitet. Auf diese Weise gehen Verschlusse wie /b, d, g/ direkt in entsprechende Nasallaute wie /m, n, ŋ/ uber. Die nasale Freigabe hat zwar eine eigene Notation im Internationalen Phonetischen Alphabet (IPA), sie wird aber nicht immer bzw. nicht einheitlich benutzt. Es ist auch unklar, ob dieser Laut in irgendeiner Sprache eine systematische Funktion (also Phonem-Status) hat.
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c-208
Coucous Bouzon ist ein 2011 erschienenes Comicbuch der franzosischen Illustratorin und Comic-Kunstlerin Anouk Ricard. Es wurde bei Editions Gallimard veroffentlicht und ins Englische, Spanische und Polnische ubersetzt. Anouk Ricard debutierte als Kinderbuchillustratorin und -autorin und tat sich zunachst, mit Ausnahme der an Derrick angelehnten Kriminalgeschichte Commissaire Toumi (2008), ausschließlich mit Arbeiten fur eine junge Altersgruppe hervor. Mit Coucous Bouzon wandte sie sich erstmals an ein alteres Publikum: Die von anthropomorphen Tieren bevolkerte Burowelt-Satire ist anfangs im Stile der britischen Fernsehserie The Office (2001–2003) und ihrer gleichnamigen US-Adaption (2005–2013) gehalten, erhalt in ihrem weiteren Verlauf jedoch einen Mystery- und Krimi-Einschlag. Inhalt Ohne auf seine Qualifikationen einzugehen, erhalt der Enterich Richard eine Anstellung bei dem Kuckucksuhren-Hersteller Coucous Bouzon. Monsieur Bouzon, ein exzentrischer und emotional instabiler Pudel, gibt ihm eine Tour durchs Buro. Richard lernt seine Tischnachbarin Christiane, eine rothaarige Froschin, kennen und nimmt an seiner ersten Besprechung teil, in der die Hundedame Sophie um Richards Vorganger Guy weint. Richard wird beauftragt, eine Ideenprasentation vorzubereiten. Er erkundigt sich nach den Unterlagen seines Vorgangers, die ihm keiner geben kann. Kollege Karl erzahlt, dass Guy aus Arger uber den Firmenchef gekundigt habe. In einer Fernsehsendung wird nach Richards Vorganger gesucht. In einem Meeting prasentiert Richard seine Idee: eine Kuckucksuhr in Form eines Altersheims. Bouzon zeigt sich begeistert. Beim Mittagessen erzahlt Bouzon, Guy sei eines Tages spurlos verschwunden. Richard, der Sophie versetzen musste, schickt ihr am nachsten Tag Blumen. Ein Kamerateam der Vermissten-Fernsehsendung verschafft sich Zugang ins Buro und interviewt Sophie und Richard zum Verbleib des Verschollenen. Richard ladt Sophie zu sich ein und zusammen sehen sie sich die Vermissten-Sendung im Fernsehen an. Ihre Interviews erscheinen in manipulierter Form: Durch Herausschneiden bestimmter Stellen wird der Eindruck erweckt, dass sie mit dem Vermissten geschlafen und er nach dessen Job getrachtet habe. Bouzon wird gezeigt, wie er seinen Hass auf den Vermissten bekundet. Derweil liegt Guy gefesselt auf einer Matratze in einem Keller und wird von einer maskierten Person mit Essen versorgt. Bouzon organisiert einen Betriebsausflug mit „Schatzsuche“. In einem Wald werden sie in Teams eingeteilt. Richard kommt in Sophies, Christianes und Karls Gruppe. Sie machen sich auf die Suche nach Hinweisen, bis eine bewaffnete Person vor ihnen erscheint, die sich als Ehefrau des Vermissten herausstellt. Als sie sich entschuldigt, wird sie von Christiane niedergeschlagen. Die Niedergestreckte erwacht und bringt die Vier zum Endpunkt der „Schatzsuche“, woraufhin Bouzon sie disqualifiziert. Eine andere Gruppe erhalt den Preis: eine Kiste mit Fischstabchen. Am darauffolgenden Tag ist Sophie nicht auffindbar. Aneinander gebunden sitzt sie mit Guy im unbekannten Keller. Sophie erkennt ihren Kollegen Alain unter der Sturmhaube wieder. Zwei weitere Maskierte tauchen auf: Ein Mann mit Obelix-Maske stellt sich als Radelsfuhrer heraus und gibt Anweisungen. Christiane erweist sich als weitere Komplizin. Im Zorn wurgt der Anfuhrer Sophie und gibt sich als Kollege Karl zu erkennen. Im Buro sucht Richard nach Guys Akte. Mit einer Pistole bewaffnet findet ihn Karl. Richard gelingt es zu fliehen, er wird aber von einem anderen Kollegen uberwaltigt. Die zwei Komplizen bringen den Bewusstlosen zum Versteck und erwahnen dabei ihren ursprunglichen Plan, Coucous Bouzon zu bestehlen. Karl fordert die Ermordung der Zeugen, stoßt aber auf den Protest seiner Mitverschworer. Erbost uber die von Sophie erwahnte Untreue Karls ohrfeigt Christiane ihren Ex-Freund und schubst ihn gegen die Treppe. Alain lasst sich von Sophie uberreden, sie loszumachen. Der wiedererwachte Karl schlagt ihn nieder, platziert eine zeitgesteuerte Bombe und flieht. Polizeibeamte brechen die Kellertur auf und retten alle Anwesenden vor der Explosion. Wahrend Alain sein beschadigtes Haus betrauert und die angeruckte Feuerwehr den Brand loscht, ladt Sophie Richard zu sich ein. Zusammen mit Guy betritt das Paar in der Schlussszene eine Besprechung im Buro: Bouzon freut sich, Guy zu sehen, und außert im selben Satz seinen Hass auf ihn. Veroffentlichung Anouk Ricard schloss Coucous Bouzon im Februar 2011 ab. Im September des gleichen Jahres wurde der Comicband im franzosischen Verlag Editions Gallimard veroffentlicht – in der von Joann Sfar gefuhrten und auf Werke mit einem Mindestumfang von hundert Seiten spezialisierten Graphic-Novel-Reihe Bayou. Unter dem Titel Kukułki Bouzona erschien 2013 eine polnische Ausgabe bei Post Wydawnictwo in Krakau. Im Jahr darauf veroffentlichte Drawn & Quarterly den Comic auf Englisch: Helge Dascher zeichnete, wie schon bei den funf Anna-und-Froga-Banden Ricards, fur die Ubersetzung verantwortlich. Im Gegensatz zur Originalausgabe und der polnischen Version verzichtete man bei der englischsprachige Ausgabe auf handgeschriebene Sprechblasen-Texte und fuhrte eine Computerschrift ein. Eine spanische Ausgabe erschien im Marz 2020 bei Kraken Ediciones. Auszeichnungen Der Comicband wurde auf die Auswahlliste fur das „Beste Album“ des Internationalen Comicfestivals Angouleme 2012 gesetzt und erhielt im selben Jahr mehrere Auszeichnungen: den Prix BD der franzosischen Tageszeitung Liberation und den dBD Award in der Kategorie „Bestes humoristisches Buch“. Weiterhin erhielt Coucous Bouzon den vom Comicfestival Angouleme und dem Franzosischen Institut von Krakau initiierten Sonderpreis „Le choix polonais“ (zu Deutsch „Die polnische Wahl“). Kritiken Mickael Gereaume bei PlaneteBD bezeichnete den Witz von Coucous Bouzon als „wirklich unwiderstehlich“ und empfahl den Comicband allen „Fans des absurden Humors“. Auch Laurent Gianati attestierte bei BDGest der Autorin einen guten Sinn fur Humor und hob uberdies ihren Ideenreichtum hervor. Er sah qualitative Fortschritte gegenuber Ricards Kriminalcomic Commissaire Toumi, außerte jedoch eine gewisse Enttauschung uber die Auflosung des Falls. Morgan Di Salvia fasste Coucous Bouzon fur ActuaBD als „sanften Irrsinn mit einem Hauch von Thriller“ zusammen und verglich in seiner anerkennenden Rezension Ricards Stil mit dem des belgischen Comicautors Jose Parrondo. In seiner Rezension der englischsprachigen Ausgabe bezeichnete Rob Clough auf High-Low-Comics die Figur des „Mr Benson“ (Monsieur Bouzon) als „extremere Version des David Brent/Michael Scott aus The Office“. Die „frohliche Farbgebung“ stehe Clough zufolge teilweise in starkem Kontrast zum Inhalt und trage wie Ricards Humor dazu bei, „die Stimmung des Buches heiter zu halten, auch wenn es unheimlich wird“. Fur Woodrow Phoenix im Slings and Arrows Graphic Novel Guide war Ricards Werk „mehrere Geschichten in einer, vor allem eine witzige und pointierte Satire auf die Buropolitik, die jeden ansprechen wird, der mit Idioten arbeiten muss“. Er stellte fest, dass Ricard ihren „naiven Stil einsetzt, um die Grobheit, Dummheit und Kauflichkeit zu untergraben“, die typisch fur die Kuckucksuhrenfirma sind. Die Zeichnungen Ricards wurden mit denen des US-amerikanischen Kinderbuchautors und -illustrators Richard Scarry verglichen. Ausgaben = Originalausgabe = Coucous Bouzon, Gallimard BD, September 2011, ISBN 978-2-07-063996-0 (franzosisch) = Ubersetzungen = Kukułki Bouzona, Post Wydawnictwo, 2013, ISBN 978-83-61762-07-2 (polnisch) Benson’s Cuckoos, Drawn & Quarterly, 2014, ISBN 978-1-77046-138-3 (englisch) Cucos Benitez, Kraken Ediciones, 2020, ISBN 978-84-16-43560-9 (spanisch) Einzelnachweise
Coucous Bouzon ist ein 2011 erschienenes Comicbuch der franzosischen Illustratorin und Comic-Kunstlerin Anouk Ricard. Es wurde bei Editions Gallimard veroffentlicht und ins Englische, Spanische und Polnische ubersetzt. Anouk Ricard debutierte als Kinderbuchillustratorin und -autorin und tat sich zunachst, mit Ausnahme der an Derrick angelehnten Kriminalgeschichte Commissaire Toumi (2008), ausschließlich mit Arbeiten fur eine junge Altersgruppe hervor. Mit Coucous Bouzon wandte sie sich erstmals an ein alteres Publikum: Die von anthropomorphen Tieren bevolkerte Burowelt-Satire ist anfangs im Stile der britischen Fernsehserie The Office (2001–2003) und ihrer gleichnamigen US-Adaption (2005–2013) gehalten, erhalt in ihrem weiteren Verlauf jedoch einen Mystery- und Krimi-Einschlag.
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Heinrich Conried (* 3. September 1855 als Heinrich Cohn in Bielitz, Kaisertum Osterreich; † 27. April 1909 in Meran, Osterreich-Ungarn) war ein osterreichischer Schauspieler, Regisseur und Theaterleiter. Als Direktor der Metropolitan Opera von 1903 bis 1908 holte er den italienischen Opernstar Enrico Caruso, Wagners Buhnenweihfestspiel Parsifal, die Strauss-Oper Salome und den osterreichischen Komponisten Gustav Mahler nach New York. Werdegang Heinrich Conried kam als Sohn des Webers Joseph Cohn in Bielitz zur Welt. Conried besuchte in Wien die Realschule, versuchte sich zunachst als Schauspieler und brachte es bis zu einem Engagement am Wiener Burgtheater (1873/74), dem er wesentliche Kontakte verdankt haben durfte. Am Berliner Nationaltheater spielte er unter dem Pseudonym Robert Buchholz Charakterrollen wie Franz Moor, Iago und Mephisto. Nach Jahren am Leipziger Stadttheater wurde er als Intendant am Stadttheater Bremen (1876/77) verpflichtet, wo er das Haus durch geschickte Maßnahmen vor dem finanziellen Ruin bewahrte. Conried kam 1878 auf Einladung von Adolf Neuendorff in die USA und betatigte sich im damals noch bluhenden deutschsprachigen Theaterleben. Er ubernahm Charakterrollen im Ensemble des Germania-Theaters von Neu York. Im Jahr 1881 wechselte er als kunstlerischer Leiter an das Thalia Theatre, und 1882 wurde er kunstlerischer Leiter der New York Concert Company. Von 1892 bis 1903 leitete er das angesehene Irving Place Theatre in New York, sein Mazen war der Pianofabrikant William Steinway. Conried konnte die beruhmtesten europaischen Schauspieler des deutschen Sprachraums verpflichten, etwa Adolf von Sonnenthal, Friedrich Mitterwurzer oder Lina Loos. Als Direktor des Irving Place Theatre hatte Conried einen kleinen Auftritt im Roman Der Kampf um Wien (1923) des osterreichischen Schriftstellers Hugo Bettauer. In der Nachfolge von Maurice Grau leitete Conried ab Herbst 1903 die New Yorker Metropolitan Opera im Rahmen eines Funfjahrvertrages. Das war ein Wagnis, denn Conried verfugte zwar uber ausreichend Theatererfahrung, aber bis auf die Einfuhrung der Operette Der Zigeunerbaron uber keinerlei Opernerfahrung. Finanziell unterstutzt wurde er von Henry Morgenthau, James Hyde, Jakob Schiff und Otto H. Kahn durch die Grundung einer Gesellschaft mit einem Grundkapital von 150.000 US-Dollar. Als neu ernannter Direktor der „Met“ verpflichtete er den italienischen Opernstar Enrico Caruso. Er besetzte ihn in den italienischen Opern Aida, Rigoletto, Tosca, Pagliacci und L’elisir d’amore und baute ihn bereits ab der ersten Saison zum Star-Solisten auf. Laut Conrieds „Haushaltsbuch“ verdiente Caruso in der Saison 1905/06 pro Auftritt 7000 Francs in 40 Vorstellungen, die Opernsangerin Lillian Nordica bekam 1250 US-Dollar pro Auftritt und der Operntenor Heinrich Knote erhielt 1000 US-Dollar pro Auftritt. Bereits in seiner ersten Saison 1903/04 gelang es Conried, gegen den Widerstand von Cosima Wagner, den Parsifal in den Spielplan der Met aufzunehmen. Die Bayreuther Festspielleitung unter Cosima Wagner wollte die Inszenierung verbieten, doch die USA waren dem internationalen Abkommen uber den Urheberrechtsschutz nicht beigetreten. Somit ermoglichte Conried am 24. Dezember 1903 die erste szenische Parsifal-Produktion außerhalb Bayreuths (der sogenannte „Gralsraub“). Dirigent des Buhnenweihfestspiels wurde nach dem kurzfristigen Ruckzug Felix Mottls der zweite Kapellmeister Alfred Hertz; die Spielleitung ubernahm Anton Fuchs und die technischen Raffinessen stammten von dem Buhnentechniker Carl Lautenschlager. Die Rollen waren mit dem Kammersanger Alois Burgstaller (Parsifal), Anton van Rooy (Amfortas), Otto Goritz (Klingsor) und Milka Ternina (Kundry) prominent besetzt. Alle Beteiligten waren fortan von den Bayreuther Festspielen ausgeschlossen. Die Met erhielt aus allen Vorstellungen der beliebten Inszenierung eine Einnahme von 200.000 US-Dollar. Am 22. Janner 1907 hatte die Skandaloper Salome von Richard Strauss an der Met ihre amerikanische Premiere, unter der Leitung von Alfred Hertz und zwei Jahre nach der Urauffuhrung in Dresden. Titelfigur und Sujet erfuhren so viel offentlichen Widerstand, dass das Stuck bereits nach der ersten Auffuhrung wieder abgesetzt wurde. Besonders die Tochter des Mazens J. P. Morgan fuhlte sich sittlich beruhrt. Conried erkannte die musikalische Begabung Alfred Piccavers, der 1905 ein Stipendium der Metropolitan Opera erhielt. Als Gustav Mahler die Wiener Oper verließ, wurde er von Conried an die Met verpflichtet und am 1. Januar 1908 mit der Oper Tristan und Isolde eingefuhrt. Aufgrund des finanziellen Erfolgs der Met eroffnete der Theaterleiter Oscar Hammerstein I 1906 auf der Westseite New Yorks das konkurrierende Manhattan Opera House. Hammerstein fokussierte sich auf franzosisches Repertoire und konnte eine Anzahl der attraktivsten Solisten der Met abwerben, darunter Nellie Melba und Emma Calve. Am 1. Mai 1908 zog sich Conried aus gesundheitlichen Grunden von der Metropolitan Opera zuruck. Er starb am 27. April 1909 im Hotel Meranerhof in Meran im Beisein seiner Frau an einem Schlaganfall. Conrieds Wunsch, ein amerikanisches Nationaltheater zu schaffen, blieb zeitlebens unerfullt. Familie Der Beziehung mit der am 12. September 1857 in Breslau geborenen Tanzerin Martha Franzke entstammt sein unehelicher Sohn Heinrich Franzke, geboren am 20. Dezember 1878 in Hamburg. Literatur Karl Richter: Conried, Heinrich. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 3, Duncker & Humblot, Berlin 1957, ISBN 3-428-00184-2, S. 341 f. (Digitalisat). Cohn Heinrich. In: Osterreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (OBL). Band 1, Verlag der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1957, S. 150. Susanne Blumesberger, Michael Doppelhofer, Gabriele Mauthe: Handbuch osterreichischer Autorinnen und Autoren judischer Herkunft 18. bis 20. Jahrhundert. Band 1: A–I. Hrsg. von der Osterreichische Nationalbibliothek. Saur, Munchen 2002, ISBN 3-598-11545-8, S. 205. Artur Holde: Metropolitan Opera. Die Geschichte eines Musikzentrums. Rembrandt Verlag, Berlin 1961, S. 14–17. Moses Montrose: The Life of Heinrich Conried. New York 1916. Weblinks Heinrich Conried bei Mahler Foundation (englisch) Heinrich Conried im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien Peter Clark: From the Archives: The Met Premiere of Parsifal bei Metropolitan Opera (englisch) William Grange: “The Astonishing Career of Heinrich Conried” (2015) bei University of Nebraska-Lincoln (englisch; pdf) Einzelnachweise
Heinrich Conried (* 3. September 1855 als Heinrich Cohn in Bielitz, Kaisertum Osterreich; † 27. April 1909 in Meran, Osterreich-Ungarn) war ein osterreichischer Schauspieler, Regisseur und Theaterleiter. Als Direktor der Metropolitan Opera von 1903 bis 1908 holte er den italienischen Opernstar Enrico Caruso, Wagners Buhnenweihfestspiel Parsifal, die Strauss-Oper Salome und den osterreichischen Komponisten Gustav Mahler nach New York.
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Arthur Schonberg (geb. am 5. Marz 1874 in Wien, Osterreich-Ungarn; gest. am 20. Februar 1943 im NS-Ghetto Theresienstadt bei Terezin) war ein osterreichisch-deutscher Maschinenbauingenieur, der als Pionier der Elektrifizierung und der Wasserkraft-Nutzung sowie Mitbegrunder des Deutschen Museums bekannt ist. Er gilt als Schopfer des Walchenseekraftwerks und des Bayernwerks sowie als Pionier der elektrischen Kuche. Er war enger Mitarbeiter von Oskar von Miller. Aus einer judischen Familie stammend war er ein Cousin des Komponisten Arnold Schonberg. Herkunft und Familie Arthur Schonbergs Vorfahren stammten aus einer judischen Familie in der nordungarischen Kleinstadt Szecseny. Sein Großvater Abraham Schonberg (1812–1871) zog Anfang der 1840er Jahre nach Preßburg und spater mit seiner Familie nach Wien in die Leopoldstadt. Er betatigte sich als Galanteriewarenhandler, handelte mit „modischen Gebrauchsgegenstanden wie Tuchern, Schals, Parfumflaschchen, Puderdosen, Schmuck usw.“ Arthur Schonbergs Vater Ignaz war 1842 in Preßburg geboren, dessen Bruder Samuel (1838–1889) war der Vater des Komponisten Arnold Schonberg. Ignaz Schonberg besuchte in Preßburg die Grundschule, machte eine kaufmannische Lehre und betrieb spater ein „Commissions- und Inkassogeschaft“. Arthur Schonbergs Mutter Charlotte hatte vier Kinder und starb 1885 mit 36 Jahren nach der Entbindung der dritten Tochter Charlotte im Wochenbett, als Arthur elf Jahre alt war. Er blieb bei seinem Vater, seine drei Schwestern kamen bei Tanten unter. Schule und Ausbildung Arthur Schonberg besuchte ab 1880 in der Leopoldstadt Wien die Volksschule und ab 1884 die weiterfuhrende Realschule, eine Art Sekundarschule, in der man die Hochschulreife insbesondere fur die Technischen Hochschulen erlangen konnte. 1891 erlangte er die Realschulmatura mit einer Eintragung als „Vorzugsschuler“ im Goldenen Ehrenbuch der Schule. Im Wintersemester 1891/1892 schrieb er sich als Siebzehnjahriger an der Technischen Hochschule Wien fur das Studium des Maschinenbaus ein. Auch dort hatte er stets hervorragende Noten, war einer der Besten des Jahrgangs und legte 1894 die Erste und 1896 die Zweite Staatsprufung ab. Den akademischen Grad Diplom-Ingenieur erlangte er spater uber Fernprufung an der Technischen Hochschule (Berlin-)Charlottenburg. Noch wahrend seines Studiums in Wien lernte Schonberg seine spatere Frau Eveline (Evelyne) Bach, meist Eva genannt, kennen. Sie war vorher zeitweise eng mit seinem Cousin Arnold befreundet. Berufliche Anfange Nach dem Abschluss seines Maschinenbaustudiums arbeitete Schonberg kurzzeitig als Ingenieur in einer Maschinenfabrik in seiner Heimatstadt Wien, in der k. k. Hofwagenfabrik Jacob Lohner & Cie., die als erste Fabrik in Wien Automobile herstellte. 1898 siedelte er nach Berlin uber und war bei der Allgemeinen Elektricitats-Gesellschaft (AEG) tatig. Von Emil Rathenau, dem Begrunder der AEG, und dessen Sohn Walther wurde Arthur Schonberg hoch geschatzt. 1899 nahm ihn der Elektrotechnische Verein in Berlin als Mitglied auf. Seine Verlobte Eva wolltre allerdings nicht in Berlin leben, so dass Arthur sich in Munchen um eine Stellung bemuhte. Ende 1899 schickte er ein Bewerbungsschreiben an das Technische Bureau Oskar von Miller in Munchen, wo er 1900 eine Stellung als technischer Sekretar bekam, anfangs mit einem Jahresgehalt von 3.960 Mark, damals das Funffache eines durchschnittlichen Einkommens im Deutschen Reich. Im selben Jahr heiratete er in Wien die 21-jahrige Eva. Das Ehepaar zog 1900 nach Munchen. 1901 kam Else, die erste Tochter, zur Welt, 1903 die zweite Tochter Lotte. Im Ingenieurburo Oskar von Miller Auf die Stelle, die Oskar von Miller ausgeschrieben hatte, bewarb sich Schonberg mit folgenden Worten: „Ich bin Jude in ungekundigter Stellung und kann daher keine Zeugnisse vorlegen, aber ich bin bereit, eine Prufungsarbeit zu machen.“ Miller ubermittelte Schonberg eine Aufgabe zum Thema Gasversorgung. Dies geschah wohl im Hinblick auf die Absicht Millers, seinen Geschaftsbereich Stromerzeugung durch Elektrizitatswerke auszuweiten. In seiner Schonberg-Biografie geht der Historiker Wilhelm Fußl davon aus, dass Emil Rathenau von der AEG, bei der Schonberg zuvor tatig war, moglicherweise Oskar von Miller auf den jungen Ingenieur aufmerksam gemacht hat. Schonberg begann seine Tatigkeit im Buro Oskar von Miller am 18. Juni 1900. Kurz danach lud von Miller Schonberg ein, ihn auf seiner Reise zur Weltausstellung Paris 1900 zu begleiten. Dort wurde vieles prasentiert, das in die Konzeption des Technik-Museums einfloss, das Oskar von Miller schon langer vorschwebte und in dieser Zeit im Stadium der Ideenfindung war. Schwerpunkt der Tatigkeit Schonbergs im Buro Oskar von Miller war zunachst die Entwicklung und der Bau von Elektrizizatskraftwerken. Landes-Elektrizitatswerke Grundlage fur den Einstieg in die landesweite Elektrifizierung war das von Oskar von Miller zusammen mit Arthur Schonberg verfasste Werk Die Versorgung der Stadte mit Elektricitat. Miller befand sich 1902 zu einem Kuraufenthalt in Wiesbaden und arbeitete bis zu sieben Stunden am Tag mit Schonberg an dem Buch. Schonberg war inzwischen zum engsten Vertrauten von Millers aufgestiegen, wurde Prokurist, Burochef und 1921 Gesellschafter der 1921 neu strukturierten Ingenieurburos Oskar von Miller GmbH mit Sitz in Munchen. Als Mitgeschaftsfuhrer dieses Buros entwarf Schonberg die Plane fur das Walchenseekraftwerk und das Bayernwerk. Schonberg empfahl in dem Gutachten uber die Reichselektrizitatsversorgung, die wichtigen in Bayern bestehenden Wasserkraftwerke sowie Dampf-, Kohle- und Gaskraftwerke zusammenzuschließen, was dann auch verwirklicht wurde. Im Zusammenhang mit dr Planung fur das thuringische Landeselektrizitatsnetz verfasste Schonberg den Aufsatz Das Thuringenwerk, danach mit seinem Kollegen Ernst Glunk die Publikation Landes-Elektrizitatswerke, die 1926 im Munchner R. Oldenbourg Verlag erschien. Maßgeblich beteiligt war Schonberg auch an der Projektierung der Pfalzwerke, der Karpatenwerke und der Gasversorgung in der Rheinpfalz. 1920 erhielt er die bayerische Staatsburgerschaft und wurde 1925 mit dem Ehrentitel eines bayerischen Landesbaurats ausgezeichnet. Elektrisches Kochen In Zusammenhang mit der landesweiten Elektrifizierung experimentierte Arthur Schonberg gern mit technischen Losungen fur den Alltag der Menschen, wie zum Beispiel der Einfuhrung von elektrischen Haushaltsgeraten zum Kochen und Backen. Im Oktober 1927 berichtete er erstmals uber „Versuche zur Einfuhrung der Elektrowarme im Haushalt“. In einem Pilotprojekt mit den kommunalen Elektrizitatswerken in Schweinfurt und Schwandorf wurden elektrische Prototypen fur die Kuche erprobt, Kochherde mit zwei und drei Platten, Brat- und Backrohr und Schnellkocher. Schonberg ging es bei seinem Bemuhen um die Einfuhrung elektrischen Kochens auch darum, Menschen mit niedrigerem Einkommen daran zu beteiligen. An den Stadtrat von Schwandorf schrieb er im Dezember 1927: „Wir hoffen, dass hierdurch namentlich auch die minderbemittelte Bevolkerung Gelegenheit zum ausgiebigeren Warmestromverbrauch erhalten wird.“ Engagement im Deutschen Museum Arthur Schonberg hatte großen Anteil an der Grundung des Deutschen Museums in Munchen im Jahr 1903. Von 1903 bis 1907 leitete er neben seiner Tatigkeit im Buro Oskar von Miller die „Wissenschaftliche Abteilung“ des Deutschen Museums. Er war zustandig fur die Einwerbung von Fordergeldern und Anwerbung fordernder Mitglieder sowie fur die Sammlung von Museumsobjekten. Er warb die ersten Fotografien Deutschlands von Franz von Kobell ein, die zu den wertvollsten Sammlungsobjekten des Deutschen Museums zahlen. Als wissenschaftlicher Sammlungsleiter strukturierte Schonberg die Fachgebiete; anfangs waren es 29 Bereiche, spater wurden sie auf 45 erweitert: von Mathematik uber Physik, technische Mechanik, Chemie, Elektrochemie bis Geologie und Textilindustrie. Auf der Ehrentafel mit Millers wichtigsten Mitarbeitern am Aufgang zum Ehrensaal des Deutschen Museums steht an erster Stelle Arthur Schonberg. Er ist auch der Verfasser der Chronik des Deutschen Museums. Verfolgung im Nationalsozialismus Bereits fruh sah Schonberg sich antisemitischen Angriffen ausgesetzt. Die Repressalien nahmen immer mehr zu. In einem Bericht uber die „Zustande am Deutschen Museum“ vom 6. Oktober 1933 heißt es diffamierend: „Der Jude Schonberg und Oskar von Miller waren die ersten Junger Kurt Eisners“, sie galten also gewissermaßen Sozialisten. Nach Oskar von Millers Tod am 7. April 1934 entzog sein Nachfolger Hugo Bruckmann Schonberg alle Aufgaben im Deutschen Museum. Insgesamt wurden im Zuge der Umsetzung der NS-Rassengesetze 16 judische Manner ihrer Mitgliedschaft im Vorstand und Ausschuss des Deutschen Museums enthoben, neben Schonberg unter anderem prominente Mitglieder wie Siegfried Aufhauser, Otto Bernheimer, Moritz Horkheimer und Felix M. Warburg. Zugleich wurden Schriften von Juden aus der Museumsbibliothek entfernt, auch Schonbergs Landes-Elektrizitatswerke. Im Jahr 1937 musste Schonberg seine Geschaftsanteile an der Ingenieurburo Oskar von Miller GmbH aufgeben. Die Repressalien nahmen von Monat zu Monat zu. Zunachst nahm Schonberg die Bedrohung fur sich und seine Familie nicht ernst. Wilhelm Fußl schreibt: „Er fuhlte sich nicht bedroht. ‚Was kann mir schon passieren‘, hat er seiner Tochter gesagt. Er glaubte, aufgrund seiner Verdienste geschutzt zu sein. Er war Bayerischer Landesbaurat, hat viele Auszeichnungen bekommen, den Goldenen Ehrenring des Deutschen Museums.“ „Aber am Ende hat ihm das alles nichts geholfen.“ Nach den Novemberpogromen 1938 wurde Schonberg im KZ Dachau inhaftiert. Die Nationalsozialisten entrechteten die Schonbergs und nahmen ihnen ihren ganzen Besitz weg; ihre Wohnung im Haus Hiltenspergerstraße 43 mussten sie aufgeben und kamen in ein Internierungslager im Kloster St. Michael der Barmherzigen Schwestern in Berg am Laim. Am 4. Juni 1942 wurden das Ehepaar von Munchen ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Die Nazis ließen ihnen 100 Reichsmark fur die Kosten der Zugfahrt nach Theresienstadt. Die hinterlegte Reichsfluchtsteuer, die Schonberg im Zuge seiner Bemuhungen um Emigration abgeben musste, verfiel laut Mitteilung des Finanzamts mit der Deportation. Im Dezember 1942 starb Eva Schonberg, am 20. Februar 1943 Arthur Schonberg, laut Todesfallanzeige des Ghettos Theresienstadt an einer Lungenentzundung. Schonbergs Tochter Lotte wurde Kunstgewerblerin und Kostumbildnerin, sie heiratete den Kunstmaler Rudolf Ernst, der 1941 in Zagreb aus Furcht vor Repressalien durch das dortige Ustascha-Regime gemeinsam mit seinem Bruder Hugo Selbstmord beging. Lotte wurde 1942 verhaftet und wahrscheinlich im KZ Jasenovac ermordet. Ihr Sohn Michael wurde nach Kriegsende von seiner Tante Else Schonberg nach Frankreich geholt und adoptiert. Spurensuche und Wurdigung Wilhelm Fußl, von 1992 bis 2021 Leiter des Archivs des Deutschen Museums, legte 2024 anlasslich des 150-jahrigen Geburtstags von Arthur Schonberg eine 270-seitige Biografie uber dessen Leben und Wirken vor. Mit dem Untertitel „Ingenieurleben im Schatten Oskar von Millers“ weist er auf dessen Bedeutung und belegt das mit einer Fulle von Dokumenten, dass Schonberg nicht nur der wahre Schopfer des Walchenseekraftwerks und des Bayernwerks war, sondern auch „bei der Grundung, dem Auf- und dem Ausbau des Deutschen Museums“ eine wichtige Rolle spielte. Fußl entdeckte Schonbergs bedeutende Rolle bei der Grundung des Museums anlasslich seiner Recherchen zur Geschichte des Museums, bei denen er in den Unterlagen haufig auf das Kurzel „Sch“ stieß. Eine wichtige Quelle bei Fußls Spurensuche war Arthur Schonbergs Tochter Else Schonberg. Fußl schildert auch ausfuhrlich, wie Schonberg von den Nationalsozialisten verfolgt, entrechtet, finanziell ruiniert, deportiert und zusammen mit seiner Frau Eva in Theresienstadt ermordet wurde. Am 5. Marz 2025 gedachten die Stadt Munchen und das Deutsche Museum der Familie Schonberg in einer Feierstunde in der Bibliothek des Museums. Am ehemaligen Wohnhaus der Familie Schonberg (Hiltenspergerstraße 43) erinnert eine am gleichen Tag angebrachte Stele an Arthur und Eva Schonberg und an deren Tochter Lotte sowie deren Ehemann Rudolf Ernst. Auszeichnungen 1906: Goldene Ludwigsmedaille, Abteilung Industrie 1925: Goldener Ehrenring der Bayerischen Staatsregierung 1926: Ehrentitel Landesbaurat 1930: Oskar-von-Miller-Plakette des Deutschen Museums 2025: Erinnerungszeichen am Haus Hiltenspergerstraße 43 Schriften Die Reproduktionstechnik im Deutschen Museum. In: Der Sammler, Band 77 (1908), Nr. 70, S. 2–4. (mit Ernst Glunk): Landes-Elektrizitatswerke. R. Oldenbourg, Munchen 1926. Chronik des Deutschen Museums von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik. Grundung, Grundsteinlegung und Eroffnung 1903–1925. Munchen 1927. (mit einem Vorwort von Adolf von Harnack) Die elektrische Kuche. In: Elektrotechnische Zeitschrift, 50. Jahrgang 1929, S. 1689–1692. (Digitalisat auf archive.org) Uber den Einfluß der Warmestromverteilung auf die Belastungsverhaltnisse der Elektrizitatswerke. In: Elektrizitatswirtschaft, 29. Jahrgang 1930, S. 479–492. Literatur Wilhelm Fußl: Schonberg, Arthur. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 23, Duncker & Humblot, Berlin 2007, ISBN 978-3-428-11204-3, S. 389 f. (Digitalisat). Wilhelm Fußl: Arthur Schonberg (1874–1943). Ein Ingenieurleben im Schatten Oskar von Millers. Verlag Deutsches Museum, Munchen 2024, ISBN 978-3-948808-27-3. Weblinks Nachlass Arthur Schonberg. Online-Findmittel mit Digitalisaten. In: Deutsches Museum Digital. Abgerufen am 17. Marz 2025 Einzelnachweise
Arthur Schonberg (geb. am 5. Marz 1874 in Wien, Osterreich-Ungarn; gest. am 20. Februar 1943 im NS-Ghetto Theresienstadt bei Terezin) war ein osterreichisch-deutscher Maschinenbauingenieur, der als Pionier der Elektrifizierung und der Wasserkraft-Nutzung sowie Mitbegrunder des Deutschen Museums bekannt ist. Er gilt als Schopfer des Walchenseekraftwerks und des Bayernwerks sowie als Pionier der elektrischen Kuche. Er war enger Mitarbeiter von Oskar von Miller. Aus einer judischen Familie stammend war er ein Cousin des Komponisten Arnold Schonberg.
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Die Tenderlokomotive von Peckett & Sons mit der Werksnummer 1900, besser bekannt unter dem Spitznamen The Flying Bufferbeam, deutsch etwa ‚der fliegende Puffertrager‘, ist eine Industrielokomotive, die 1936 fur die Courtaulds-Werke in Greenfield bei Holywell in Nordwales gebaut wurde. Sie gilt als vermutlich kleinste normalspurige Dampflokomotive Großbritanniens, da sie speziell fur den Einsatz in sehr niedrigen Tunneln ausgelegt wurde. Geschichte Courtaulds nahm 1936 in Greenfield, etwa acht Kilometer unterhalb von Flint an der Trichtermundung des Flusses Dee, zwei große Kunstseidenfabriken in Betrieb. Obwohl die beiden Werke durch die North Wales Coast Line der London, Midland and Scottish Railway (LMS) voneinander getrennt waren, waren sie uber eine Werksbahn verbunden, die durch zwei sehr niedrige Unterfuhrungen im Bahndamm der LMS-Strecke fuhrte. Courtaulds erwarb fur 850 Pfund die Lokomotive mit der Werksnummer 1900 von Peckett & Sons, die speziell fur das Fahren durch diese Unterfuhrungen ausgelegt wurde. Ihre Hauptaufgabe bestand darin, Waggonladungen mit Abfallen aus der Kunstseidenherstellung zum Dee zu transportieren, wo diese in den Fluss gekippt wurden. Da an beiden Seiten der Unterfuhrungen steile Rampen lagen, musste die Lokomotive bei der Abfahrt in die Unterfuhrung mit voller Leistung arbeiten, um die Rampe auf der gegenuberliegenden Seite hinaufzukommen. Wahrend der Durchfahrt durch die Unterfuhrung hatte die Lokomotive nur einen Freiraum von 6 Zoll zwischen Kamin und Decke, sodass das Personal in diesem Moment wahrscheinlich von Rauch, Ruß und Dampf umhullt und die Sicht eingeschrankt war. 1954 wurde der Lokomotivbetrieb aufgrund von Sicherheitsbedenken durch eine Seilwindenanlage abgelost, die es ermoglichte, die Wagen durch die Unterfuhrung zu ziehen. Auf beiden Seiten der Unterfuhrungen ubernahmen Diesellokomotiven die Rangierarbeiten. Die nicht mehr benotigte Dampflokomotive wurde zur Uberholung an Peckett & Sons zuruckgegeben, wo eine neue Feuerbuchse eingebaut wurde. Ihr anschließender Einsatz fand auf der Baustelle des Cortaulds-Werk in Grimbsby statt, wo sie nach dem Einbau eines hoheren Fuhrerhauses fur den Transport von Baumaterialien verwendet wurde. Nach Fertigstellung des Werks ubernahm eine Sentinel-Lokomotive die Rangierarbeiten, wahrend die Dampflokomotive nur noch als Reserve vorgehalten wurde. Courtaulds setzte sie zuletzt in den fruhen sechziger Jahren ein. Danach blieb sie abgestellt, bis sie von einem Mitglied der Quainton Railway Society (QRS) erworben wurde und im September 1971 im Buckinghamshire Railway Centre eintraf. Bei der Aufarbeitung wurde das vergroßerte Fuhrerhaus wieder entfernt, um den Originalzustand der Lokomotive wieder herzustellen. Zudem erhielt sie eine Vakuumbremse, damit sie im Museumsbahnbetrieb eingesetzt werden konnte. Der Lokomotive wurde der Namen Jill verliehen. Ab 1980 konnte sie wieder fur leichte Personenzuge und Schauguterzuge eingesetzt werden und wurde auch an andere Museumsbahnen ausgeliehen. Nachdem das Kesselzertifikat der Lokomotive abgelaufen war, wurde sie außer Betrieb genommen. 2025 befand sie sich erneut in der Aufarbeitung, um wieder betriebsfahig zu werden. In Anlehnung an die LNER A3 4472 Flying Scotsman wird die Lokomotive oft als Flying Bufferbeam bezeichnet, weil sie nicht einmal doppelt so hoch ist wie die Hohe des Puffertragers uber Schienenoberkante, womit dieser das Aussehen der Loks stark dominiert. Technik Die Lokomotive ist nur 1750 mm hoch, damit sie durch die nur 6 Fuß hohen Unterfuhrungen fahren konnte. Sie ist die einzige ihrer Art, dennoch konnte Peckett & Sons einige ihrer Standardteile verwenden, die teilweise von Schmalspurlokomotiven stammten. Die Rader haben einen Durchmesser von nur 610 mm (2 Fuß), wahrend die beiden außen liegenden Zylinder einen Durchmesser von 203 mm (8 in) und einen Kolbenhub von 305 mm (12 in) aufweisen. Anstelle des in Großbritannien ublichen Satteltanks sind fur den Wasservorrat Seitentanks vorhanden. Der Fuhrerhausboden wurde hinter dem kleinen Kessel einige Zentimeter unter der Hohe des Umlaufblechs angeordnet, das wiederum unterhalb der Pufferhohe liegt. Das Fuhrerhaus selbst war so niedrig gehalten, dass die Lokomotive nur sitzend bedient werden konnte. Weblinks Peckett 0-4-0T No. 1900. In: Buckinghamshire Railway Centre Stockbook. Quainton Railway Society, abgerufen am 23. Marz 2025. Peckett & Sons Works No 1900 0-4-0T. In: Preserved British Steam Locomotives. 29. Marz 2018, abgerufen am 23. Marz 2025 (englisch). Einzelnachweise
Die Tenderlokomotive von Peckett & Sons mit der Werksnummer 1900, besser bekannt unter dem Spitznamen The Flying Bufferbeam, deutsch etwa ‚der fliegende Puffertrager‘, ist eine Industrielokomotive, die 1936 fur die Courtaulds-Werke in Greenfield bei Holywell in Nordwales gebaut wurde. Sie gilt als vermutlich kleinste normalspurige Dampflokomotive Großbritanniens, da sie speziell fur den Einsatz in sehr niedrigen Tunneln ausgelegt wurde.
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Wilhelm Hanauer (* 21. Juli 1866 in Richen im damaligen Großherzogtum Baden; † 14. Juni 1940 in Sayn) war ein deutscher Arzt und Sozialhygieniker. Er setzte sich fur die Anerkennung von Berufskrankheiten und den Arbeitsschutz der Arbeiter und Angestellten ein. Er war außerordentlicher Professor an der Universitat Frankfurt, bis er von den Nationalsozialisten 1933 entlassen wurde. Anfange in der Kaiserzeit Hanauer kam als Sohn des Moses Hanauer und dessen Ehefrau Fanni, geborene Weisbart, zur Welt. Seine Mutter war die Tochter des Rabbiners Nathaniel Gabriel Weihaupt. Er besuchte die Volksschule in Richen, die Hohere Burgerschule in Eppingen und erwarb 1885 am Gymnasium Bruchsal das Abitur. Er studierte Medizin in Straßburg, Munchen und Wurzburg, wo er 1890 zur Therapie der Gelenktuberkulose mit jodhaltigen Injektionen 1890 promovierte. Zum Jahresbeginn 1891 erfolgte die Approbation. Er ließ sich als praktizierender Arzt in Sinsheim nieder und zog 1892 nach Frankfurt. Dort heiratete er Julie Adlerstein, und sie bekamen die beiden Tochter Lilly und Auguste. Auf der wirtschaftlichen Grundlage seiner Arztpraxis engagierte er sich u. a. als Vorsitzender im Zentralverein fur judisches Gemeindeleben und als Mitglied im Arztlichen Verein, der sich zunachst auch mit dem neuen Feld der offentlichen Gesundheitspflege befasste. Von 1903 bis 1905 war Hanauer Vertrauensarzt der Ortskrankenkasse. Sein Interesse galt den gewerblichen Krankheiten, wobei er die Ungerechtigkeit angriff, dass Berufskrankheiten im Gegensatz zu Berufsunfallen nicht entschadigt werden konnten. Die Gewerbeinspektionen sah er als mangelhaft an, da diese zwar uber Wohlfahrtseinrichtungen, nicht aber uber Missstande in den Betrieben berichten wurden. Er sah in der Tuberkulose eine Gewerbekrankheit und nutzte die Statistik der Frankfurter Krankenkasse, um gehaufte Erkrankungen bestimmten Berufstatigkeiten zuzuordnen. Zur Verhutung propagierte er verkurzte Arbeitszeit und Sonntagsruhe sowie einen Ladenschluss ab acht Uhr. Er beschrieb die unertraglichen Lebensbedingungen der kinderreichen Arbeiterfamilien und besonders der Heimarbeiter im Rhein-Main-Gebiet. Er setzte sich gegen die Kinderarbeit und fur eine arztliche Beratung vor der Berufswahl ein, um Uberanstrengungen der Jugendlichen zu vermeiden. Er betonte auch, dass es statistisch erwiesen sei, dass die Kindersterblichkeit mit den Wohlstandsverhaltnissen in Beziehung steht. Dabei referierte er auf nationalen und internationalen Tagungen. In Frankfurt engagierte er sich in zahlreichen sozialen Vereinen und Gesellschaften. Ab 1915 war er wahrend des Ersten Weltkrieges als Arzt „im Felde“ tatig. Die von ihm vorgesehene Grundung einer deutschen Gesellschaft fur soziale Hygiene konnte er nicht realisieren. Reformer in der Weimarer Republik Von 1919 bis 1924 war Hanauer in Frankfurt Stadtrat der linksliberalen Fortschrittlichen Volkspartei und der aus ihr hervorgegangenen Deutschen Demokratischen Partei. Er kummerte sich um die arztliche Versorgung der armeren Bevolkerungsschichten und erreichte die freie Arztwahl in der Frankfurter Armenpflege. Im Jahr 1919 erhielt er die Lehrbefugnis fur „Soziale Medizin, Versicherungsmedizin, Bevolkerungspolitik“ an der Universitat Frankfurt. 1926 wurde er zum nichtbeamteten außerordentlichen Professor fur „Soziale Medizin“ ernannt. Dieses Forschungsfeld befasste sich nicht mit der Heilung Einzelner, sondern wirkte auf die Gesellschaft unter anderem in Schule, Beruf, Versicherungswesen und Sport. Im gleichen Jahr begann er mit der Veroffentlichung des Periodikums Correspondenz fur soziale Hygiene. Da er bei Arbeitsschutz und Gewerbehygiene auf die Betriebsrate setzte, veroffentlichte er in der Betriebsrate-Zeitschrift fur die Funktionare der Metallindustrie von Robert Dißmann zahlreiche Artikel, bis er 1931 im Alter von 65 Jahren seine Autorenschaft einstellte. Verfolgung und Tod zur Zeit des Nationalsozialismus Wilhelm Stuckart entzog Hanauer die Lehrbefugnis am 2. September 1933 unter Bezug auf § 3 des nationalsozialistischen Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums. Hanauer war nur noch fur die Behandlung judischer Fursorgepfleglinge zugelassen und erlitt 1934 aufgrund der nationalsozialistischen Verfolgung einen schweren Nervenzusammenbruch. Er wurde daraufhin in der Jacoby’schen Heil- und Pflegeanstalt untergebracht, einer judischen Kuranstalt fur „Nervose“ in Sayn bei Koblenz. Seine jungere Tochter Auguste konnte 1936 mit ihrem Mann Walter Silberberg nach Baltimore auswandern, wahrend die altere Tochter Lilly bis 1940 als Lehrerin am Frankfurter Philantropin unterrichtete und sich um die Angelegenheiten ihres Vaters kummerte. Sie folgte Anfang 1940 ihrer Schwester nach Baltimore. Der judische Konsulent Robert Rosenberg kummerte sich fortan um die Angelegenheiten ihres Vaters. Hanauer verstarb am 14. Juni 1940 in Sayn. Er wurde am 18. Juni 1940 auf dem Neuen Judischen Friedhof in Frankfurt beerdigt. Die Tochter erhielten kein Erbe, da im nationalsozialistischen Deutschland Testamente, die das „gesunde Volksempfinden“ beleidigen, aufgrund einer Ermachtigung des Justizministeriums fur nichtig erklart wurden. Das in Deutschland angesammelte judische Kapital wurde so weit als moglich „arisiert“. Gedenken Die Mehrheit der deutschen Sozialhygieniker war judischer Abstammung, und der Nationalsozialismus beendete diese medizinische Disziplin. In der 1952 an der Frankfurter Universitat entstandenen Dissertation 100 Jahre Sozialhygienische Geschichte in Frankfurt am Main (1850–1950) erinnerte nichts an Hanauer, Ascher und Simonson. 2015 wurde vor Hanauers Wohnhaus im Reuterweg 57 in Frankfurt-Westend ein Stolperstein des Kunstlers Gunter Demnig verlegt. Veroffentlichungen (unvollstandig) Die Versicherung der Gewerbekrankheiten. Zeitschrift fur Versicherungsmedizin, 1910. Die Berufskrankheiten der Gasarbeiter. Sonderdruck seines Vortrages auf der zweiten Gasarbeiterkonferenz 1911. Gesundheitspflege fur die arbeitende Klasse. Die Gesundheitsverhaltnisse und Berufskrankheiten im kaufmannischen Berufe. Verbandsblatter des Verbandes deutscher Handlungsgehilfen, Nr. 13, 1911. Fuhrer fur das Heilpersonal der Stadt Frankfurt. Herausgeber mit Hermann Schlesinger, Verlag Jaeger, 1915. Die offentliche Gesundheitspflege in Frankfurt a. M.: Ihre Gegenwarts- und Zukunftsaufgaben. Frankfurt am Main 1920.[1] Literatur Gine Elsner: Verfolgt, vertrieben und vergessen – Drei judische Sozialhygieniker aus Frankfurt am Main. VSA-Verlag Hamburg, 2017, ISBN 978-3-89965-740-1. Hanauer, Wilhelm, in: Renate Heuer, Siegbert Wolf (Hrsg.): Die Juden der Frankfurter Universitat, Campus Verlag, Frankfurt/New York 1997, ISBN 3-593-35502-7, S. 151–153 (mit Foto). Hanauer, Wilhelm, in: Michael Gruttner: Ausgegrenzt: Entlassungen an den deutschen Universitaten im Nationalsozialismus. Biogramme und kollektivbiografische Analyse, de Gruyter/Oldenbourg, Berlin/Boston 2023, ISBN 978-3-11-123678-0, S. 125. Weblinks Sanitatsrat a.o. Prof. Dr. med. Wilhelm (Wolf) Hanauer auf Judische Pflegegeschichte. Stolperstein-Biographien im Westend – Hanauer, Wilhelm Stadt Frankfurt Einzelnachweise
Wilhelm Hanauer (* 21. Juli 1866 in Richen im damaligen Großherzogtum Baden; † 14. Juni 1940 in Sayn) war ein deutscher Arzt und Sozialhygieniker. Er setzte sich fur die Anerkennung von Berufskrankheiten und den Arbeitsschutz der Arbeiter und Angestellten ein. Er war außerordentlicher Professor an der Universitat Frankfurt, bis er von den Nationalsozialisten 1933 entlassen wurde.
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Wilhelmine Ernestine Klara Marie Reinders (* 27. Februar 1867 in Dortmund; † 21. Marz 1911 ebenda) war eine deutsche Padagogin. Ihr wurde ein FrauenOrt in Dortmund gewidmet. Leben Marie Reinders wurde am 27. Februar 1867 in Dortmund geboren. Sie war die Tochter eines Dortmunder Zechenbeamten und wuch in der Nahe der Zeche Westfalie auf. Zunachst besuchte sie die Westentor-Grundschule, danach von 1877 bis 1883 die hohere Tochterschule in der Schwarze-Bruder-Straße, Ecke Monchenwordt, in Dortmund. Danach ging sie nach Eisenach, wo sie ab 1883 das evangelische Lehrerinnenseminar der Carolinenschule besuchte. Sie kehrte 1886 als Erzieherin im Haus von Pastor Richter in Bodelschwingh zuruck. Im Alter von knapp 20 Jahren ubernahm sie am 1. April 1887 die Leitung einer kleinen privaten Tochterschule Stadtsulza. Sie wurde im Jahr der Grundung 1890 Mitglied des von Helene Lange gegrundeten Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenvereins. Bedingt durch den fruhen Tod ihres Vaters und die schlechte Bezahlung, sie verdiente zu der Zeit 900 Mark im Jahr, kehrte sie nach Westfalen zuruck und leitete vom 1. Januar 1890 bis 1898 eine private hohere Madchenschule in Menden. Im Jahr 1898 bestand sie das Examen als Schulvorsteherin und begab sich auf einen langeren Studienaufenthalt nach Paris. Von dort kehrte sie 1900 nach Dortmund zuruck. Zunachst gab sie Stunden an einer Privatmadchenschule und unterrichtete dort Tochter wohlhabender Eltern, die ihren Kindern eine hohere Schulbildung als die Volksschule geben wollten. Sie erkannte dabei die Notwendigkeit der Bildungsmoglichkeit fur Madchen aus den mittleren burgerlichen Schichten, die es ihnen ermoglichen sollte, mittlere und gehobene Berufe zu erlernen. = Schulgrundung = Am 29. April 1901 grundete Marie Reinders unter Einsatz ihres gesamten Privatvermogens in der damaligen Schwarze-Bruder-Straße 14, gegen den Widerstand kirchlicher Institutionen, die erste Madchen-Mittelschule Westfalens und wurde deren Leiterin. Das Haus, in dem zuvor Eier, Butter und Kase verkauft worden war, befand sich am Alten Markt und bestand aus drei Etagen, in denen sich je ein großes, luftiges Klassenzimmer befand. Zudem besaß es ein Besprechungszimmer, Ankleideraume und eine Wohnung fur die Schuldienerin. Das große Fenster im Erdgeschoss war zur Halfte mit weißer Farbe bestrichen worden und in den Pausen konnten die Madchen auf dem Platz, unter den Kastanienn, spielen. Zunachst besuchten zwolf Schulerinnen die Schule, nach einem Jahr, zu Ostern 1901 wurden bereits 61 Schulerinnen aufgenommen. Es wurde Unterricht in allgemeinbildenden, hauswirtschaftlich-gewerblichen und Handelsklassen gegeben. Unterrichtet wurde in den Fachern Religion, Deutsch, Franzosisch, Rechnen, Erdkunde, Geschichte, Naturkunde, Zeichnen, Schreiben, Handarbeit, Singen und Turnen. Im Rechenunterricht wurden den Schulerinnen die Rechenarten beigebracht, die sie fur eine spatere kaufmannische Tatigkeit benotigten, auch gab es zusatzlichen Unterricht in Buchfuhrung. Dieses Fach war nicht obligatorisch, sollte jedoch Fahigkeiten in der Handelskorrespondenz und einfachen Buchfuhrung vermitteln. In mehreren Zeitungsberichten bewarb und erklarte Marie Reinders das Konzept ihrer Schule. Zu ihrem Konzept gehorte es auch, den Eltern zu ermoglichen, die Schule kennenzulernen. Sie lud die Eltern ein, dem Unterricht beizuwohnen, fuhrte Elternabende ein, dies war eine absolute padagogische Neuerung und nur eine ihrer fortschrittlichen Erziehungs- und Bildungsmethoden und fur ihre Lehrkrafte ordnete sie an, dass sie jede Woche eine Stunden hospitieren mussten. Dafur wurde die Zahl der Unterrichtsstunden um eine reduziert. Zu Ostern 1902 hatte die Schule bereits 151 Schulerinnen und Marie Reinders beschloss ein neues Schulhaus zu bauen. Sie bekam Unterstutzung durch die Stadt, die erkannt hatte, dass sich eine Madchen-Mittelschule auch in anderen Stadten erfolgreich etabliert hatte. Dies auch gegen den Widerstand einiger Ratsmitglieder, die argumentierten, dass eine weitere Schule nicht erforderlich sei, da sie nur der Volksschule die Schulerinnen wegnahme und es bereits genugend Damen gabe, aber nicht ausreichend Magde. Frauen wurden hinter den Kochtopf gehoren und sie sollten in einer Schule nicht Dinge lernen, mit denen sie Mannern Konkurrenz machen konnten. Zunachst solle erst mal fur die mannliche Jugend gesorgt werden und eine obligatorische Fortbildungsschule eingerichtet werden. In der Debatte gab jedoch der Burgermeister Lichtenberg den Ausschlag, der sich neben anderen Ratsmitgliedern fur die Schule einsetzte. So erhielt Marie Reinders fur den Bau ihrer neuen Schule einen Kredit in Hohe von 60.000 Mark und Zusagen uber weitere 30.000 Mark durch die Stadtische Sparkasse und die Verwaltung des Armenwesens. Die deckte den Großteil des benotigten Kapitals. Mit dem Geld wurde in der Lindenstraße 51, auf einem Grundstuck, welches Marie Reinders zuvor gekauft hatte, durch die Architekten Duchting und Janisch ein Neubau errichtet, der am 6. November 1902 eingeweiht wurde. Er bestand aus acht Klassenzimmer, eine kleine Aula und mehreren Nebenraumen. Mit der Stadt Dortmund schloss Marie Reinders einen Vertrag, in dem eine Option fur die Ubernahme durch die Stadt Dortmund der Schule ermoglicht wurde und bei der sie dann ebenfalls von der Stadt Dortmund ubernommen und angestellt werden sollte. Die Schule wuchs weiter, 1904 besuchten in bereits 390 Schulerinnen den Unterricht. Der innere Aufbau der Schule war abgeschlossen. Sie gliederte sich in sechs Klassen, es gab 12 Lehrkrafte und einen Lehrplan, der von Marie Reinders ausgearbeitet worden war. Dabei legte sie besonderen Wert auf die Abschlussklassen, die mit ihrer dreifachen Gliederung einen allgemeinbildenden, einen hauswirtschaftlich-gewerblichen Zweig und in eine Handelsklasse anboten. Um die erneut entstandene Raumnot zu beheben, kaufte Marie Reinder den angrenzenden Femegarten, in dem zusatzliche Barracken errichtet wurden. Uber Marie Reindes sagte ihre Freundin Elisabeth Cordes, von der viele der Informationen zu Marie Reinders stammen, dass sie eifriges Mitglied im Turnverein und eine gute Schwimmerin gewesen sei. Sie ging gerne wandern und bewunderte auf großeren Reisen die Schunheit anderer Lander. Im Jahr 1906 bereiste sie in den großen Ferien Italien und kehrte von dort begeistert zuruck. Ihren 40. Geburtstag feierte sie am 27. Februar 1907 mit ihren Lehrkrafte und Freundinnen in großer Runde. Im Marz 1907, kurze Zeit nach ihrem 40. Geburtstag, erkrankte Marie Reinders schwer. Aus unerklarlichen Grunden waren ihre Beine plotzlich gelahmt. Die Ursache dieser Lahmung konnte nicht herausgefunden werden. Sie wurde uber Wochen im Krankenhaus behandelt, bekannte Arzte und Professoren wurden konsultiert, sogar eine Operation wurde versucht, jedoch konnte keine Besserung ihres Zustandes herbeigefuhrt werden. Mit ihrer Mutter ging Marie Reinders nach Repelen, dort ließ sie sich vom damals bekannten „Lehmdoktor“ Pastor Felke behandeln. Auch diese Kur blieb erfolglos. Hinzu kamen wirtschaftliche Probleme. Bereits im Jahr 1905 und erneut am 6. Februar 1906 hatte sie einen Antrag auf Unterstutzung durch den stadtischen Etat gestellt. Durch den notwendigen Erwerb der großen Grundstucke und den Bau der Schule sowie die Beschaffung der Lehrmittel und die Anstellung tuchtiger Lehrkrafte war der Unterhalt der Schule so teuer geworden, dass sie sich als Privatperson nicht mehr in der Lage sah, dies zu finanzieren. Die Stadt Dortmund reagierte jedoch erst zwei Jahre spater, nachdem klar war, dass Marie Reinders nicht mehr in den Schulbetrieb zuruckkehren konnte. Nach Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 18. Juli 1907 erwarb sie die Schule und wandelte sie von einer evangelischen Schule in eine paritatische um. Die Ubernahme wurde am 26. Marz 1908 durch die Regierung in Arnsberg genehmigt und die stadtische Madchen-Mittelschule I wurde am 1. Apri. 1908 eroffnet. Dabei wurden die Lehrkrafte ubernommen, jedoch Marie Reinders aufgrund ihrer Krankheit nicht eingestellt, obwohl dies fur den Fall einer Schulubernahme durch die Stadtgemeinde in einem Vertrag vom 23. Dezember 1902 vorgesehen war. Neuer Leiter der Schule wurde nun erstmals ein Mann. Nachdem die Schule weiter angewachsen war, zog sie 1909 in die Hansastraße 104, in das Gebaude der ehemaligen Nikolai-Schule. Dieses Hauptgebaude wurde in den folgenden zwanzig Jahren um weitere Gebaude erweitert. Die benachbarte Schmiede, zwei Patrizierhausern an der Prinzenstraße und im Rosental 25 kamen als Schulgebaude hinzu. Zudem gab es Filialen in sechs Dortmunder Volksschulen. Wahrend des Zweiten Weltkriegs wurden die 700 Schulerinnen mit Lehrpersonal nach Heilbrunn in Oberbayern im Rahmen der „Kinderlandverschickung“ ausgelagert und bei darauf folgenden Bombenangriffen wurden die Gebaude vollstandig zerstort. Nach dem Krieg erfolgte von 1946 bis 1948 Unterricht in der Droste-Hulshof-Schule, der damals einzigen Mittelschule fur Madchen und ab 1948 gab es drei Standorte, die Reichshofschule in Brackel mit 8 Raumen, die Augustinusschule in Brackel mit 3 Raumemn und die Hellwegschule in Asseln mit weiteren 4 Raumen. 1951 erfolgte der Umzug in die ehemalige Luisenschule in Horde an der Hochofenstraße, wo sich die Schule, inzwischen als stadtische Gemeinschaftsschule noch heute befindet. Sie tragt heute den Namen „Marie-Reinders-Realschule“. Marie Reinders hat den großen Erfolg ihrer Schule nicht mehr erleben konnen. Sie starb vollig verarmt am 21. Marz 1911 kurz nach ihrem 44. Geburtstag und wurde auf dem Ostenfriedhof in der Grabstatte ihrer Eltern beigesetzt. Ehrungen Die Marie-Reinders-Realschule in Horde erinnert an Marie Reinders. Am 1. Oktober 2024 wurde Marie Reinders ein FrauenOrt NRW in Dortmund gewidmet. Dazu wurde eine Gedenktafel an der Hansastraße aufgestellt, die an ihre wegweisende Madchenschule erinnert. Einzelnachweise Weblinks Marie Reinders auf FrauenOrte NRW Marie Reinders auf nexxessaire.com Marie Reinders auf Marie-Reinders-Realschule Marie Reinders auf Stadt Dortmund Marie Reinders Ausstellung (DPF)
Wilhelmine Ernestine Klara Marie Reinders (* 27. Februar 1867 in Dortmund; † 21. Marz 1911 ebenda) war eine deutsche Padagogin. Ihr wurde ein FrauenOrt in Dortmund gewidmet.
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c-214
Franz Kroll (* 1952/1953; † 25. Juni 2010 in Graz) war ein osterreichischer Polizeioffizier. Als Mitarbeiter des Bundeskriminalamts Wien war er Leiter der Sonderkommission Natascha Kampusch, die den Entfuhrungsfall Natascha Kampusch untersuchte. Kroll kritisierte den Abschlussbericht und die These einer Einzeltaterschaft des Entfuhrers Wolfgang Priklopil, was ihn landesweit bekannt machte. Laufbahn Kroll trat 1976 in den Polizeidienst in Graz ein und wurde 1982 zum Bezirksinspektor des Kriminaldienstes ernannt. Im Januar 1988 wurde er schließlich zur Offiziersausbildung nach Wien versetzt, bevor er nach zwei Jahren als Oberleutnant zuruckkehrte. Kroll ermittelte haufig im Rotlichtmilieu und auch gegen prominente Personlichkeiten, wobei er den Ruf eines unabhangigen und kompetenten Ermittlers genoss. Er wurde aufgrund seiner erfolgreichen Arbeit 1999 zum Leiter der Kripo in Leoben befordert, ermittelte jedoch auf Zuteilung auch bei großen Kriminalfallen in Wien. 2005 wurde er nach einer Polizeireform dem Landeskriminalamt Steiermark zugeteilt. Er wechselte jedoch schon bald darauf zum Bundeskriminalamt Wien. Kroll wurde zweimal geschieden; er war Vater einer Tochter aus zweiter Ehe. Ermittlungen im Fall Natascha Kampusch Nachdem der acht Jahre lang gefangen gehaltenen Natascha Kampusch 2006 die Flucht gelungen war und ihr Entfuhrer Wolfgang Priklopil mutmaßlich Suizid begangen hatte, leitete Kroll ab Februar 2008 zunachst das polizeiliche Unterstutzungsteam der Evaluierungskommission, die unter Leitung von Ludwig Adamovich junior den Fall untersuchte. Im Dezember 2008 wurde er dann Leiter der polizeilichen Sonderkommission. Als Chefermittler lehnte Kroll die Idee einer Alleintaterschaft Priklopils ab und verdachtigte Ernst Holzapfel, einen langjahrigen Freund und Geschaftspartner von Priklopil, in die Tat verstrickt zu sein. Durch die Ermittlungen von Kroll, der zahlreiche Widerspruche feststellte, war Holzapfel gezwungen, seine Version der Geschehnisse vor Gericht immer wieder zu verandern. Kroll stellte zahlreiche Fehler in der Untersuchung fest, darunter das Ignorieren von Spuren und die Entfernung von Beweismaterialien. Außerdem durfte Kroll nur fur sechs Stunden die geheimen Zeugenaussagen von Natascha Kampusch sichten und lediglich Notizen, jedoch keine Kopien machen, nachdem ihm der Zugang lange verweigert worden war. Von der Staatsanwaltschaft soll er unter Druck gesetzt worden sein, die Einzeltaterthese zu unterstutzen. Kroll weigerte sich aufgrund seiner Bedenken, im Janner 2010 an der „Abschlusspressekonferenz“ von Staatsanwaltschaft und Polizei teilzunehmen. Er soll dazu gesagt haben, er setze sich nicht hin und luge allen ins Gesicht. Laut seinem Bruder wurde er aufgrund seiner offentlichen Kritik an dem Abschlussbericht zur Causa Kampusch gemobbt und zur Strafe in den Innendienst versetzt. Nach Abschluss der Ermittlungen recherchierte Kroll zu dem Fall privat weiter, wobei er seine Ermittlungsergebnisse schriftlich festhielt. Tod Am 25. Juni 2010 wurde Kroll auf der Terrasse vor seiner Wohnung in Graz durch einen Kopfschuss getotet und einen Tag spater von seiner geschiedenen Frau (die ebenfalls Polizistin war) gefunden. Der Tod wurde als Suizid eingestuft, da Kroll durch seine berufliche Situation und Versetzung deprimiert gewesen sei. Trotz einiger Unklarheiten wurde keine Obduktion der Leiche angeordnet. Krolls Bruder zweifelte die Selbstmordthese an. Er hielt es fur unwahrscheinlich, dass sich Kroll als Rechtshander mit seiner linken Hand erschossen habe, und der vorhandene Abschiedsbrief sei in ungewohnter Handschrift und mit untypischer Unterschrift verfasst worden. Ein Notizheft von Kroll, das moglicherweise seine Notizen zum Kampusch-Fall enthielt, soll vom Tatort verschwunden sein. Ein von Krolls Bruder in Auftrag gegebenes Gutachten des Grazer Gerichtsmediziners Peter Leinzinger widersprach der Selbstmordthese, wie im November 2013 bekannt wurde. Einzelnachweise
Franz Kroll (* 1952/1953; † 25. Juni 2010 in Graz) war ein osterreichischer Polizeioffizier. Als Mitarbeiter des Bundeskriminalamts Wien war er Leiter der Sonderkommission Natascha Kampusch, die den Entfuhrungsfall Natascha Kampusch untersuchte. Kroll kritisierte den Abschlussbericht und die These einer Einzeltaterschaft des Entfuhrers Wolfgang Priklopil, was ihn landesweit bekannt machte.
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c-215
Refugiados (spanisch: Fluchtlinge) ist ein Denkmal am Paseo de Recoletos in der spanischen Hauptstadt Madrid. Es soll Respekt und Hilfe fur das Schicksal von Migranten und Fluchtlingen bekunden sowie zum Nachdenken uber ihre Situation anregen. Geschichte Der Vorschlag, ein Denkmal fur Gefluchtete zu errichten, wurde 2018 von der Stadtverwaltung unter Fuhrung der Burgermeisterin Manuela Carmena genehmigt. Nach ihren Worten solle damit „dauerhaft an einem symbolischen Ort und fur die ganze Stadt die Umarmung Madrids von Migranten und Fluchtlingen gezeigt werden“. Das Werk des brasilianischen Kunstlers Alberto Jose Costa Borba – in seiner Heimat als der „Picasso do Povo“ („Picasso des Volkes“) bezeichnet – ist eine Reproduktion seines zuvor auf der Biennale von Montreux 2017 ausgestellten Stucks Allons sur mars („Lasst uns zum Mars fliegen“), das dem Physiker Stephen Hawking gewidmet war. Der Titel bezieht sich auf dessen Aussage vom Mai 2017, dass die Menschheit wegen des Klimawandels, der Ubervolkerung und Epidemien nur noch 100 Jahre Zeit habe, um die Erde zu verlassen. Beschreibung Das Werk stellt 16 Personen dar, darunter auch eine Mutter mit ihrem Baby im Arm, die mit einer Rettungsweste bekleidet auf einem Sockel sitzen und auf Hilfe warten. Sie sind alle barfußig und haben keinerlei Gepack. Von der Straße aus sind jedoch nur die am Rand Platzierten zu sehen. Die innen hohlen Figuren sind aus Bronze gegossen. Jede Figur wurde individuell angefertigt. Die Gesichtszuge drucken Angst, Traurigkeit, Ungewissheit uber ihr Schicksal oder Resignation aus. Der Sockel (180 × 100 × 280 cm) besteht aus Beton und teilweise aus Granit. Die Skulptur hat ein Gewicht von 960 kg. Ein Prototyp aus Holz wurde ursprunglich in einem Wasserbassin auf dem Paseo Recoletos No. 1 aufgestellt. Er sollte die Reise der Fluchtlinge uber das Meer symbolisieren. Das Denkmal wurde dann aber im Mai 2019 aufgrund des Gewichts neben dem Becken installiert und um einen Meter erhoht. Der Kunstler erhielt fur das Werk und die Installation von der Stadt 299.000 €, davon 207.000 € fur sich selbst und 537 € fur die Aufbauarbeiter, wahrend 33.000 € an Steuern und 12.000 € fur indirekte Kosten anfielen. Fur die Arbeit benotigte er drei Monate. Sowohl der Kunstler als auch das Denkmal erhielten internationale Anerkennung in Bezug auf die Qualitat. Die Balance zwischen Symbolik und Realitat mache auf den ersten Blick dessen Intention verstandlich und das benutzte Material wurde als optimal fur eine Installation im offentlichen Raum betrachtet. Weblinks Einzelnachweise
Refugiados (spanisch: Fluchtlinge) ist ein Denkmal am Paseo de Recoletos in der spanischen Hauptstadt Madrid. Es soll Respekt und Hilfe fur das Schicksal von Migranten und Fluchtlingen bekunden sowie zum Nachdenken uber ihre Situation anregen.
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c-216
Ida Jauch (* 16. Oktober 1886 in Zorbig, Kreis Bitterfeld (Provinz Sachsen); † 9. September 1944 in Berlin-Lichtenberg) war eine deutsche Textilhandlerin. 2011 wurde sie fur ihr mutiges Handeln bei der Rettung des spateren Fernsehmoderators Hans Rosenthal posthum von der israelischen Gedenkstatte Yad Vashem als „Gerechte unter den Volkern“ anerkannt. Leben Ida Jauch wurde als Tochter des Zurichters Gustav Jauch und dessen Ehefrau Friederike geborene Wienke in der preußischen Provinz Sachsen geboren. Sie betrieb einen kleinen Textilhandel und lebte in bescheidenen Verhaltnissen in der Berliner Kleingartenanlage „Dreieinigkeit“ im Bezirk Lichtenberg, heute Ortsteil Berlin-Fennpfuhl. Im Marz 1943 wandte sich der 17-jahrige Hans Rosenthal, dessen 1932 geborener Bruder Gert im Oktober 1942 mit dem 21. Osttransport nach Riga deportiert und ermordet worden war, als Vollwaise an seine „arische“ Großmutter Anna Rosenthal, weil er als Jude untertauchen musste. Da er bei ihr nicht bleiben konnte, ohne entdeckt zu werden, vermittelte Anna Rosenthal ihn an ihre Freundin Ida Jauch weiter, bei der Rosenthal schließlich am Abend des 27. Marz 1943 um Hilfe bat. Jauch nahm Rosenthal ohne Zogern auf und versteckte ihn in ihrer Laube hinter einer Tapetentur in einem winzigen Verschlag von vier Quadratmetern, der fruher als Huhnerstall gedient hatte. Hans Rosenthals Kammer war lediglich mit einer Matratze auf vier Holzklotzen, einem Tisch, einem Stuhl und einem Nachttopf ausgestattet, den Ida Jauch jeweils heimlich in der Dunkelheit leerte, um Hans tagsuber vor Entdeckung zu schutzen. Ida Jauch war unverheiratet, evangelischen Glaubens und eine tief glaubige Bibelforscherin. Sie las ihm aus dem Alten Testament vor, teilte mit ihm ihre Lebensmittelkarten und kargen Lebensmittelvorrate und behandelte ihn wie einen eigenen Sohn. Im September 1944 starb Ida Jauch unerwartet nach kurzer Krankheit im Alter von 57 Jahren im Oskar-Ziethen-Krankenhaus in Berlin-Lichtenberg an den Folgen eines eingeklemmten Schenkelbruchs und Darmbrand. Hans Rosenthal vertraute sich nunmehr Maria Schonebeck (1901–1950), einer weiteren Laubenbewohnerin, an und bat sie um Hilfe. Ida Jauch hatte Hans Rosenthal zuvor als ihren Neffen vorgestellt und noch wahrend ihrer Krankheit dafur gesorgt, dass er nach ihrem Ableben bei Maria Schonebeck unterkommen konnte. Schonebeck nahm Hans Rosenthal bei sich auf und versteckte ihn bis zur Einnahme Berlins durch die Rote Armee Ende April 1945. Rosenthal ging nach dem Zweiten Weltkrieg zum Rundfunk und war fast 20 Jahre lang Leiter der Abteilung Unterhaltung des RIAS. Einer breiten Offentlichkeit wurde er als Moderator und Showmaster im RIAS und im ZDF bekannt. 2011 wurden Ida Jauch und Maria Schonebeck posthum von der israelischen Gedenkstatte Yad Vashem als „Gerechte unter den Volkern“ anerkannt. Zur Ubergabe der Urkunde und der Medaille fur Ida Jauch fand im Oktober 2015 eine Feierstunde im Funkhaus von Deutschlandradio Kultur, dem ehemaligen RIAS-Gebaude, statt, an der auch Hans Rosenthals Sohn Gert (* 1958) teilnahm. Der Gesandte der israelischen Botschaft in Berlin, Avi Nir-Feldklein, ubergab die Urkunde und die Medaille Manfred Jahn, einem Großneffen von Ida Jauch. Im September 2011 wurde vor der Grundschule am Roederplatz in der Bernhard-Bastlein-Straße in Berlin-Fennpfuhl vom „Lichtenberger Fonds fur Erinnerungskultur“ ein Informations- und Gedenkort fur die „drei mutigen Laubenbewohnerinnen“ Ida Jauch, Maria Schonebeck und Emma Harndt (1898–1977), eine uberzeugte Kommunistin, die Hans Rosenthal ein Detektorradio, das ohne Strom funktionierte, und taglich ihre gelesene Ausgabe der Berliner Morgenpost uberließ, sowie fur den von ihnen geretteten Hans Rosenthal eingeweiht. In der TV-Filmbiografie Rosenthal (2025) wurde Ida Jauch von der Berliner Schauspielerin Rike Eckermann dargestellt. Weblinks Ida Jauch (Biografie), Gedenkstatte „Stille Helden“ Einzelnachweise
Ida Jauch (* 16. Oktober 1886 in Zorbig, Kreis Bitterfeld (Provinz Sachsen); † 9. September 1944 in Berlin-Lichtenberg) war eine deutsche Textilhandlerin. 2011 wurde sie fur ihr mutiges Handeln bei der Rettung des spateren Fernsehmoderators Hans Rosenthal posthum von der israelischen Gedenkstatte Yad Vashem als „Gerechte unter den Volkern“ anerkannt.
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c-217
Der sogenannte „franzosische“ Stadtbrand in Prag verwustete am 21. Juni 1689 die Judenstadt und die nordlichen Teile der Prager Alt- und Neustadt. Da die osterreichischen Habsburger zu dieser Zeit gegen Frankreich unter Ludwig XIV. kampften, wurde der Brand franzosischen Agenten zugeschrieben, von denen einige verurteilt und hingerichtet wurden. Obwohl die Theorie der vorsatzlichen Brandstiftung sich als Fortsetzung der damaligen franzosischen Taktik der verbrannten Erde interpretieren lasst, wird die Schuld der Franzosen heute in Frage gestellt. Der Brand wurde auch als der großte Terroranschlag in der Geschichte Prags bezeichnet. Politische Situation Nach dem Ende des Hollandischen Krieges (1678) setzte Frankreich unter dem „Sonnenkonig“ Ludwig XIV. seine aggressive Expansionspolitik fort und beanspruchte Gebiete in der Pfalz. Im September 1688 drangen franzosische Truppen mit etwa 40.000 Mann ins Rheinland ein, belagerten die Festung Philippsburg und eroberten sie nach uber einem Monat. Die franzosische Armee setzte ihren Vormarsch fort und nahm in rascher Folge zahlreiche weitere Stadte ein. Dieser Konflikt wird als Pfalzischer Erbfolgekrieg oder Neunjahriger Krieg bezeichnet. Auf Anraten seines Kriegsministers Louvois zog sich Ludwig XIV. im Winter 1688/1689 zuruck und wahlte die Taktik der verbrannten Erde, bei der die geraumten Gebiete verwustet wurden. Zwischen Dezember 1688 und Juni 1689 zerstorten die Franzosen rund 20 Stadte, darunter Speyer, Mannheim und Worms, sowie zahlreiche kleinere Siedlungen im Rheinland und in der Pfalz. Diese systematischen Zerstorungen, Brandschatzungen und die Graueltaten an der Bevolkerung wurden vor allem dem franzosischen General Ezechiel de Melac zugeschrieben und als Ausdruck schlimmster Barbarei empfunden. In Deutschland, Osterreich und Bohmen wuchs die antifranzosische Stimmung und der Franzose wurde fur viele zum Inbegriff des Barbaren und Brandstifters. Zeitgenossische tschechische Flugblatter warnten vor der Bedrohung durch franzosische Agenten oder tschechische Agenten im Dienst der Franzosen. Im heißen Fruhjahr und Sommer 1689 kam es in mehreren bohmischen Stadten zu Branden, die oft franzosischen Agenten zugeschrieben wurden. Die Prager Ordinari Post Zeitung bezeichnete die Franzosen als „Mordbrenner“ und machte den franzosischen General Melac, den sie als „Mordbrenner Melac“ titulierte, fur die Plane verantwortlich, nicht nur deutsche, sondern auch bohmische Stadte in Brand zu stecken. Verlauf des Brandes Das verheerende Feuer brach am fruhen Nachmittag des 21. Juni 1689 im Gasthaus U cerneho orla (Zum Schwarzen Adler) aus, das an der Ecke der Straßen Kaprova und Valentinska in der Prager Altstadt gegenuber der heute nicht mehr existierenden Kirche St. Valentin lag. Wegen des starken Windes griffen die Flammen schnell auf die Nachbargebaude und eine Tischlerei auf der gegenuberliegenden Straßenseite uber. Der Kantor der Kirche St. Valentin bemerkte das Feuer und lautete sofort Alarm. Die Menschen eilten herbei, um den Brand zu loschen, aber es stellte sich heraus, dass die damals geltenden Brandschutzvorschriften, nach denen in jedem Haus Wassereimer fur den Brandfall bereitgehalten werden mussten, von den meisten Hausbesitzern missachtet worden waren. Auch die Fasser an den stadtischen Brunnen waren haufig leer, so dass Loschwasser nur verzogert herbeigeschafft werden konnte. Den Prager Burgern gelang es nicht, das Feuer unter Kontrolle zu bringen. Vom Wind getrieben breitete sich das Feuer schnell von der Kaprova-Straße in ostlicher Richtung durch das judische Ghetto zur Dlouha-Straße und zum Hastal-Platz aus und weiter in die Neustadt zur St.-Clemens-Kirche (Kostel svateho Klimenta) und zur Neustadtbefestigung in Tesnov. Die sudlichen Teile der Alt- und Neustadt blieben verschont. Der Brand wutete zwei Tage lang und verwustete vor allem das Teyn- und das Nikolausviertel in der Altstadt sowie das Petersviertel in der Neustadt. Das judische Ghetto mit seinen zahlreichen Holzhausern und den engen, verwinkelten Gassen brannte in nur zwei Stunden vollstandig nieder. Hier wurden 318 Wohnhauser zerstort, und von den dreizehn Synagogen blieben nur drei oder vier stehen. In der Altstadt wurden etwa 300 Hauser zerstort oder schwer beschadigt, in der Neustadt waren es rund 150 Gebaude. Insgesamt fielen fast 800 Wohngebaude den Flammen zum Opfer, was etwa einem Drittel der Wohnhauser auf der rechten Seite der Moldau entsprach. Auch zahlreiche kirchliche und stadtische Gebaude wurden ein Raub der Flammen, darunter in der Altstadt die Heiliggeistkirche (Kostel svateho Ducha), die St.-Salvator-Kirche mit dem Paulanerkloster, die Basilika St. Jakob (Bazilika svateho Jakuba Vetsiho) mit dem Franziskanerkloster, die St.-Kastulus-Kirche (Kostel svateho Hastala), ein Teil des Agnesklosters sowie das erzbischofliche Priesterseminar im Konigshof am Pulvertor. In der Neustadt wurden die St.-Clemens-Kirche sowie die Stadtmuhlen mit Sage- und Wasserwerk zerstort. Mehrere Dutzend Altstadtbewohner kamen ums Leben. Die schlimmste Tragodie ereignete sich in einer der Synagogen des judischen Ghettos, in der nach unterschiedlichen Quellen 150 bis 174 Menschen verbrannten, die dort Schutz vor den Flammen gesucht hatten. Viele Juden flohen zur Moldau oder in die Altstadt, wo, wie der Historiker Josef Svatek berichtete, „der Prager Mob, wie in ahnlichen Fallen seit jeher ublich, uber sie herfiel und sie ihrer letzten Habseligkeiten beraubte“. Die Stadtwache musste eingreifen, um die Juden zu schutzen. Ermittlungen und Gerichtsprozesse Unmittelbar nach dem Brand verbreitete sich in Prag die Uberzeugung, dass ein solch verheerender Brand kein Zufall sein konne. Am Tag nach dem Brand berichtete die Prager Ordinari Post Zeitung anschaulich uber die barbarischen Taten der franzosischen Soldaten, die Speyer niedergebrannt hatten, und bezeichnete sie als „hollische Furien“, die mit „unvorstellbarer Brutalitat“ gegen die Bewohner vorgegangen seien. Am 1. Juli 1689 teilte das Prager Appellationsgericht dem Kaiser mit, dass Prag zweifellos von Franzosen niedergebrannt worden sei. Ein Verdachtiger, Benoit Durez aus der Nahe von Lyon, sei verhaftet worden und habe die Tat gestanden. Er wurde am 29. Juli 1689 hingerichtet. Im Oktober 1689 wurden zwei weitere Manner, Matej Sobinsky und Vavrinec Prochazka, wegen Brandstiftung verurteilt und ebenfalls hingerichtet. Die Prozesse wurden vom Rat des Appellationsgerichts, Vaclav Jan Rosa, geleitet, der jedoch vor Abschluss des Verfahrens starb. Am 13. Juli 1689 erließ Kaiser Leopold I. ein Reskript uber die Vertreibung aller nicht ansassigen Fremden, insbesondere der Franzosen, aus dem Konigreich, damit „die von den im Konigreich umherziehenden franzosischen Brandstiftern gelegten Brande sich nicht weiter ausbreiten (...), damit die Franzosen, die sich im Konigreich aufhalten oder in Zukunft einreisen werden, namlich die mutmaßlichen Brandstifter, desto eher gefasst und gebuhrend bestraft werden, und so kunftige Verwustungen des Landes abgewendet werden“. Das Dekret sah mehrere Praventivmaßnahmen vor, darunter die Kontrolle der Passe von Auslandern an den Grenzen, ahnlich wie in Seuchenzeiten. Verdachtige Franzosen und Landstreicher sollten nach brennbaren Stoffen, auslandischem Geld oder verdachtigen Schriftstucken durchsucht werden. In Prag kam es zu Festnahmen und anschließenden Ausweisungen von Franzosen. Die antifranzosische Hysterie richtete sich auch gegen Menschen, die schon seit vielen Jahren in Bohmen lebten und arbeiteten. Nach der Uberzeugung des Historikers Josef Svatek (1835–1897) hatte der franzosische Kriegsminister Louvois den Plan gefasst, wichtige bohmische Stadte ahnlich wie die Stadte in der Pfalz und am Rhein niederbrennen zu lassen, um Kaiser Leopold I. die Mittel zur Kriegsfuhrung zu entziehen. Nach der Eroberung von Philippsburg im Jahr 1688 rekrutierte Louvois Brandstifter aus den Reihen der Kriegsgefangenen der kaiserlichen Garnison und schickte sie auf Befehl des Generals Melac gegen gute Bezahlung in bohmische Stadte. Vavrinec Prochazka, ein Soldat eines kaiserlichen Regiments, soll seine Kameraden zu dieser Aufgabe uberredet haben, um sich fur ausstehenden Sold zu rachen. Eine Gruppe von etwa 30 Brandstiftern unter dem Kommando des Hauptmanns Sedmihradsky wurde mit Brandgranaten ausgerustet und nach Prag geschickt. Von Philippsburg aus sollen im Fruhjahr 1689 weitere Gruppen, insgesamt etwa 150 angeheuerte Brandstifter, in verschiedene bohmische Stadte geschickt worden sein. Josef Svatek berichtet in seinem Werk Dejiny Cech a Moravy nove doby (Neuzeitliche Geschichte Bohmens und Mahrens), dass die Brandstifter Ende Mai nach Prag kamen. Sie betraten die Stadt durch das Strahover Tor und zeigten der Militarwache ihre gefalschten Dokumente. In den Uniformen des Kaisersteiner Regiments, das die Stadtgarnison bildete, erweckten sie den Eindruck, zur Rekrutierung von Soldaten gekommen zu sein. Am nachsten Tag brachte Hauptmann Sedmihradsky einige Manner, darunter auch Vavrinec Prochazka, in die Altstadt in das Gasthaus U cerneho orla in der Kaprova-Straße, die anderen verteilte er in Gruppen von drei bis vier Mann auf andere Gasthauser und Wohnungen. Sedmihradsky selbst zog in das Gasthaus U tri zvonku (Zu den drei Glocken) auf der Kleinseite, wo nur drei Manner bei ihm blieben, um im Keller neue Brandgranaten herzustellen. Einige Tage spater zog er in ein Nachbarhaus zu Maximilian Septier, einem geburtigen Franzosen, wo sich die franzosische Gemeinde haufig traf, um heimlich die Siege des franzosischen Konigs zu feiern. Nach dreiwochigen Vorbereitungen beschloss Sedmihradsky, mit dem Niederbrennen der Alt- und Neustadt zu beginnen. Jedem der Manner wurden bestimmte Hauserreihen zugewiesen, wo sie ihre Brandsatze auf die Holzdacher und in offene Schuppen oder Keller werfen sollten. Laut Josef Svatek wurde fur den 21. Juni die offentliche Verbrennung eines geheimen Briefes an den Prager Statthalter angekundigt, in dem General Melac dem Kaiser mitteilte, dass er mit seiner Armee in Bohmen einmarschieren und den franzosischen Dauphin zum Konig von Bohmen kronen wolle. Auf Befehl des Kaisers sollte dieser Brief auf dem Altstadter Ring durch den Henker offentlich verbrannt werden. Diese „Hinrichtung“ zog Tausende von Schaulustigen an, und Hauptmann Sedmihradsky vereinbarte mit seinen Komplizen, die Verbrennung des Briefes als Signal fur den Beginn ihrer Brandstiftungen zu benutzen. Ein Zeuge soll spater berichtet haben, dass der Anfuhrer der Brandstifter in diesem Moment rief: „Dieses kleine Feuer wird ein großes Feuer zur Folge haben!“ Auf dieses Signal hin gingen die Verschworer in ihre geheimen Unterkunfte, holten die Brandgranaten und eilten zu den ihnen zugewiesenen Orten in den Straßen Prags, um die Brande zu legen. Die Historikerin Jana Pazoutova argumentiert hingegen, dass es zwar belegt sei, dass ein Brief, der vermutlich Drohungen der Franzosen enthielt, dessen Inhalt aber unbekannt ist, auf Anordnung des Kaisers in Prag verbrannt werden sollte. Es sei aber unklar, wann dies geschehen sei. Sie halt es fur wenig wahrscheinlich, dass diese Aktion mit dem Prager Stadtbrand zusammenhing. Die Verurteilten In den Protokollen des Prager Appellationsgerichts sind vier Verurteilungen im Zusammenhang mit dem Stadtbrand dokumentiert: Benoit (Benedikt) Durez, ein Franzose aus der Nahe von Lyon, wurde am 1. Juli 1689 verhaftet, gestand unter Folter die Brandstiftung und wurde am 29. Juli 1689 durch Verbrennen hingerichtet. Matej Sobinsky wurde am 2. Oktober 1689 durch Verbrennen hingerichtet. Vavrinec Prochazka, ein Schafer aus der Gegend von Rokycany und Soldat der osterreichischen Garnison in Philippsburg, geriet dort nach eigener Aussage in franzosische Gefangenschaft, wurde als Brandstifter rekrutiert und als Mitglied der Gruppe um Sedmihradsky nach Prag geschickt. Er wurde am 15. Juli 1689 verhaftet, wegen Brandstiftung verurteilt und am 9. Oktober 1689 durch Verbrennen hingerichtet. Vaclav Pechovsky wurde am 17. November 1689 wegen fahrlassigen Umgangs mit Feuer und des darauffolgenden Brandes am 21. Juni 1689 im Gasthaus U cerneho orla in der Kaprova-Straße verurteilt. Er erhielt als Strafe eine Stunde am Pranger und wurde aus Prag ausgewiesen. Uber ihn ist nichts Weiteres bekannt. Zwei weitere Personen wurden verhaftet und wieder freigesprochen: Maxmilian Septier, ein franzosischstammiger Burger der Prager Kleinseite, wurde im Juni 1689 unter dem Verdacht, die Brandstifter beherbergt und unterstutzt zu haben, verhaftet, im Februar 1691 freigelassen und aus Prag ausgewiesen. Peter La Fleur, Kapitan des franzosischen Bataillons in Landau, geriet im September 1689 in Gefangenschaft und wurde angeklagt, die Brandschatzungen in Bohmen organisiert zu haben. Die Anklage wurde fallengelassen und er wurde im August 1690 als Kriegsgefangener nach Amberg uberstellt. In ihrer Monografie Francouzsky pozar Prahy (1689) (Franzosischer Brand in Prag (1689)) argumentiert Jana Pazoutova, dass die geringe Zahl der tatsachlich verurteilten Manner gegen die Theorie einer groß angelegten franzosischen Verschworung spreche. Der Fall von Vaclav Pechovsky lege zudem nahe, dass das Feuer auch durch Unachtsamkeit entstanden sein konnte. Ihrer Meinung nach ist die ganze franzosische Verschworung lediglich eine Fiktion, die aus der antifranzosischen Stimmung damaliger Zeit entstand. Vavrinec Prochazka habe seine Aussage wahrscheinlich nur unter Druck erfunden oder sie sei ihm von den Ermittlern untergeschoben worden. Seine Zeugenaussage vor dem Appellationsgericht ist die einzige, die aus dem Prozess uberliefert ist. Nur von ihm stammt der detaillierte Bericht uber die Rekrutierung der Brandstifter, uber den Hauptmann Sedmihradsky, uber den Prager Franzosen, der die Brandstifter versteckte, und uber den Ablauf der Aktion in Prag. Prochazka anderte seine Aussage mehrmals (vermutlich unter Druck der Ermittler), und viele seiner Behauptungen wurden bereits vom Appellationsgericht angezweifelt; einige wurden widerlegt oder sind widerspruchlich. Wiederaufbau Der Stadtbrand von 1689, der große Teile des judischen Ghettos in Schutt und Asche legte, war zugleich der Ausloser fur den Versuch, die judische Minderheit aus dem Stadtgebiet zu verbannen. Als dies nicht gelang, beschloss man, das Ghetto zumindest zu reglementieren: Die Zahl der Bewohner und der Hauser sollte begrenzt, die Straßen verbreitert und Brandmauern errichtet werden. Doch die judische Gemeinde wehrte sich vehement, und die Verhandlungen uber die kunftige Gestaltung des Viertels zogen sich so lange hin, dass viele Bewohner ihre Hauser zwischenzeitlich auf den alten Fundamenten „schwarz“ in Eigenregie wieder aufbauten. Das judische Viertel entstand mehr oder weniger im gleichen Zustand, wie es vor dem Brand war. Ein wesentlicher Grund fur das Drangen der judischen Bewohner auf einen raschen Wiederaufbau war das problematische Zusammenleben mit den Christen: Wohlhabendere judische Familien wohnten oft zur Untermiete in christlichen Hausern, was neben zahlreichen Ausschreitungen besonders unter der Jugend auch zu erheblichen Anfeindungen seitens kirchlicher Amtstrager, insbesondere des Prager Erzbischofs Johann Friedrich von Waldstein, fuhrte. Er versuchte, den Christen das Wohnen mit Juden im gleichen Haus zu verbieten. Der armere Teil der judischen Bevolkerung war hingegen gezwungen, in provisorischen Baracken außerhalb der Stadt zu leben, die ihnen von der Stadtverwaltung zugewiesen wurden. Der Stadtbrand von 1689 gab zudem den Anstoß fur den großflachigen barocken Umbau der zerstorten Teile von Alt- und Neustadt. Die beschadigten weltlichen und kirchlichen Gebaude wurden durch Neubauten im barocken Stil ersetzt und die Holzhauser weitgehend durch solide Burgerhauser aus Stein und Ziegel abgelost. In den Straßen Prags sind bis heute zahlreiche Bauten aus dem spaten 17. und fruhen 18. Jahrhundert erhalten geblieben. Belletristik Die dramatischen Ereignisse rund um den „franzosischen“ Stadtbrand in Prag 1689 gaben den Anstoß zu einigen historischen Romanen: Josef Svatek: Posledni Budovec. Historicky roman ze 17. stoleti, Praha 1894. Otomar Dvorak: Horici lilie, 2007 Jana Pazoutova: Ohniva mise, Praha 2019 Siehe auch Stadtbrand in Prag 1541 Literatur Jana Pazoutova: „Francouzsky“ pozar Prahy (1689). Scriptorium, Praha 2011, ISBN 978-80-87271-45-2 (tschechisch, 191 S., databazeknih.cz – deutsch: „Franzosischer“ Stadtbrand in Prag (1689). Deutsche Zusammenfassung auf Seiten 189–191). Josef Svatek: Dejiny Cech a Moravy nove doby, Kniha 3., Dil II. Kapitel 35 (S. 266–275) und Kapitel 36 (S. 275–290). I. L. Kober, Praha 1894, ISBN 80-87271-45-9 (tschechisch, 451 S., archive.org – deutsch: Neuzeitliche Geschichte Bohmens und Mahrens). Jana Pazoutova: Ohniva mise. 1. Auflage. Olympia, Praha 2019, ISBN 978-80-7376-548-4 (tschechisch, 464 S., databazeknih.cz). Otomar Dvorak: Horici lilie. 1. Auflage. Knizni klub, 2007, ISBN 978-80-242-1737-6 (tschechisch, 271 S., databazeknih.cz). Weblinks Veronika Kindlova: 21. cervna 1689: Francouzsky pozar Prahy. Anebo ne? Cesky rozhlas, 8. Juni 2019; abgerufen am 3. Marz 2025 (tschechisch). Einzelnachweise
Der sogenannte „franzosische“ Stadtbrand in Prag verwustete am 21. Juni 1689 die Judenstadt und die nordlichen Teile der Prager Alt- und Neustadt. Da die osterreichischen Habsburger zu dieser Zeit gegen Frankreich unter Ludwig XIV. kampften, wurde der Brand franzosischen Agenten zugeschrieben, von denen einige verurteilt und hingerichtet wurden. Obwohl die Theorie der vorsatzlichen Brandstiftung sich als Fortsetzung der damaligen franzosischen Taktik der verbrannten Erde interpretieren lasst, wird die Schuld der Franzosen heute in Frage gestellt. Der Brand wurde auch als der großte Terroranschlag in der Geschichte Prags bezeichnet.
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c-218
Rosemary Desmond Bowell Tonks (* 17. Oktober 1928 in Gillingham; † 15. April 2014 in Bournemouth), verheiratete Lightband, war eine britische Dichterin und Schriftstellerin. In den 1960er Jahren als Autorin der Londoner Boheme bekannt geworden, verschwand sie Ende der 1970er Jahre spurlos aus dem Blick der Offentlichkeit. Erst nach ihrem Tod wurde bekannt, dass Tonks nach mehreren gesundheitlichen und personlichen Krisen zum fundamentalistischen Christentum konvertiert war und ein zuruckgezogenes Leben in Bournemouth gefuhrt hatte. Leben = Anfange = Rosemary Tonks kam im Oktober 1928 in Gillingham in Kent als Tochter des Maschinenbauingenieurs Desmond Tonks und seiner Ehefrau Gwendoline, geborene Verdi, zur Welt. Ihr Großonkel war der renommierte Arzt und Maler Henry Tonks (1862–1937). Da Rosemarys Vater noch vor ihrer Geburt in Afrika an Malaria starb, wurde sie von ihrer Mutter allein großgezogen und auf das Wentworth College in Bournemouth geschickt, wo sie bereits als Jugendliche erste Geschichten verfasste. Eines ihrer fruhen Werke wurde 1946 von der BBC furs Radio adaptiert; 1948 publizierte sie ein erstes Kinderbuch. 1949 heiratete sie den Ingenieur und spateren Finanzier Michael Lightband, mit dem sie zunachst einige Jahre in Asien lebte, wo ihr Ehemann im fruheren Britisch-Indien berufliche Verpflichtungen zu erfullen hatte. Dort erkrankte Tonks zunachst an Paratyphus und spater an Poliomyelitis; beides uberlebte sie, doch konnte sie ihre rechte Hand fortan nur noch eingeschrankt benutzen. Fortan pflegte sie diese Hand mit einem schwarzen Handschuh zu bedecken. Hinzu kamen Augenprobleme, an denen sie seit ihrer Kindheit litt und die sich in Schielen, Schwachsichtigkeit und einer beidseitigen Hornhautverkrummung außerten. = Laufbahn als Dichterin und Schriftstellerin = Derweil zog das Ehepaar Lightband Ende 1952 nach Paris, ehe es einige Monate spater nach England zuruckkehrte. Dort zogen die beiden nach Downshire Hill im vornehmen Londoner Stadtteil Hampstead, wo Tonks bald Zugang zu der lokalen Gesellschaft von Literaten und Kunstlern fand, zu denen unter anderem Edith Sitwell gehorte. Bereits in Asien hatte Tonks begonnen, erste Gedichte zu schreiben. Wahrend Tonks hauptberuflich bei der BBC arbeitete, begann sie zunehmend, selbst eine Karriere in der Literatur ins Auge zu fassen. Als einige der wenigen Frauen ihrer Zeit nahm sie bald eine gewichtige Rolle im Londoner Literaturleben ein. 1963 und 1967 publizierte sie zwei Bande mit Gedichten, die sich mit dem hedonistischen Leben der Boheme im Nachtleben des Londons der 1960er Jahre auseinandersetzten. Stilistisch war ihr Werk von der franzosischen Lyrik beeinflusst und zeigte ferner orientalistische Elemente. In einem Interview 1967 nannte sie die franzosischen Modernisten Charles Baudelaire und Arthur Rimbaud als ihre literarischen Vorbilder; beide Dichter setzten sich in ihrem Werken wesentlich mit dem Leben in der modernen Stadt auseinander. Implizit positionierte sich Tonks als Poete maudit, die fur ihre Beschreibungen der Gesellschaft oftmals Bilder der Dekadenz nutzte, gepaart mit englischen Vulgaritaten und vereinzelten Anspielungen auf die griechische Mythologie, insbesondere auf Figuren mit Bezug zur Unterwelt wie Charon oder Orpheus. Explizit versuchte sie, mit ihren Gedichten hauptsachlich die Sinne der Leserschaft anzusprechen. Als sie angab, dass insbesondere ihr zweiter Gedichtband starke autobiografische Bezuge habe, vergroßerte sich auch das mediale Interesse an der modernen Dichterin. Daneben publizierte sie auch sechs Romane, die hauptsachlich satirisch angelegt sind; auch sie griffen Elemente ihres Lebens in London auf: The Bloater (1968) war zum Beispiel von ihrer Arbeit bei der BBC inspiriert, wahrend sie in Businessmen as Lovers das Gebaren von Investoren wie ihrem Ehemann karikierte. Parallel arbeitete sie auch als Rezensentin fur verschiedene Zeitungen und Magazine. = Lebenskrise und Ruckzug = Als 1968 Tonks’ Mutter bei einem Unfall ums Leben kam, begann Tonks, ihr Leben zu hinterfragen. Sie gab der Kirche eine moralische Mitschuld an dem Tod ihrer Mutter und wandte sich vom Christentum ab. Unter anderem testete sie fur sich den Spiritismus aus und stand zeitweise einem Sufi, einem chinesischen Glaubenslehrer und einem US-amerikanischen Yogaguru nahe, ohne aber fur sich den rechten Glauben zu finden. Nach wie vor arbeitete sie allerdings als Schriftstellerin. Nach dem Auseinanderbrechen ihrer Ehe zog sich Tonks zunehmend aus dem Gesellschaftsleben zuruck und wandte sich nun dem Daoismus zu, wahrend sie an einem neuen Roman arbeitete. Bald kamen jedoch weitere Unruhefaktoren hinzu, darunter ein Einbruch, ein kostspieliger Gerichtsprozess und eine Neuritis, die nun auch ihren gesunden linken Arm beeintrachtigte. 1977 erlebte sie eine weitere Zasur, als sie wegen einer beidseitigen Netzhautablosung notoperiert werden musste und fortan an signifikanten Sehbeeintrachtigungen litt, die sie nicht nur physisch einschrankten, sondern auch psychisch erschutterten. Nachdem sie zwei Jahre kaum ihr Londoner Zuhause verlassen hatte, zog sie 1979 zu einer Tante an den Kustenort Bournemouth, wo sich ihr Sehsinn langsam verbesserte. Erneut suchte sie Rettung im Glauben und wandte sich zunachst dem charismatischen Christentum und der Pfingstbewegung zu. Als sie jedoch in der Lage war, mit einigen Einschrankungen große Teile des Neuen Testamentes zu lesen, entwickelte sie ein eigenes, fundamentalistisch-christliches Glaubensbild. Nicht zuletzt hatte sie diesen Weg gewahlt, da ihr jegliche Glaubensbewegungen zunehmend manipulativ erschienen. 1980 zog Tonks dauerhaft nach Bournemouth; im Oktober 1980 reiste sie nach Jerusalem und ließ sich am Jordan taufen. Zu dieser Zeit verbrannte sie ein unveroffentlichtes Romanmanuskript und andere Andenken an ihr fruheres Leben, da sie diese als falsche Idole zu erkennen meinte. Dies galt auch fur die Literatur im Allgemeinen, die sie schon wahrend ihrer aktiven Laufbahn fur ihre Intrigen und Machtspiele, ihren Materialismus und ihre falschen Werte zunehmend verachtet hatte. Tonks bemuhte sich so beispielsweise, ihre Gedichte aus einigen geplanten Anthologien zuruckzuziehen. Fur die Offentlichkeit schien es, dass sich die Dichterin Tonks aus der Boheme Londons in Luft aufgelost habe. Tatsachlich nutzte Tonks fortan ausschließlich ihren Ehenamen und verweigerte jeglichen Kontakt zu Familienmitgliedern und alten Freunden, ganz zu schweigen von Verlegern und Herausgebern. Viele Jahrzehnte lebte sie so ein zuruckgezogenes Leben; nur einige Familienmitglieder kannten ihren Aufenthaltsort. In der Literaturwelt war unbekannt, ob Tonks noch lebte oder bereits verstorben war und wer uberhaupt die Urheberrechte an ihrem Werk besaß. Obgleich seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr aktiv, erfreuten sich viele ihrer Texte nach wie vor einiger Beliebtheit in Großbritannien, insbesondere in jungeren Generationen. Nach einigen Publikationen ihrer Gedichte wiesen Tonks’ Cousins den Verleger und Schriftsteller Neil Astley auf Tonks Aufenthaltsort hin, doch auch Astleys Bemuhungen um eine Kontaktaufnahme scheiterten. Anfragen fur Neuauflagen ihrer Werke ließ sie unbeantwortet; Schecks fur die von Astley zuvor publizierten Gedichte loste Tonks nie ein. Auf Bitte ihrer Familie behielt Astley sein Wissen ebenfalls fur sich. 2009 griff der Dichter Brian Patten das scheinbar spurlose Verschwinden von Tonks in einem Radiobeitrag in der Reihe Lost Voices auf BBC Radio 4 auf. Zu diesem Zeitpunkt kursierten diverse Theorien uber Tonks’ Verbleiben, die sie unter anderem als Nonne, auf Kuba oder in Armut in einer Gartenlaube lebend imaginierten. Erst 2012 kontaktierte Tonks aus eigenen Stucken einen Cousin, dem gegenuber sie davon sprach, dass ihre „Entscheidungen“ „falsch, unmenschlich und entsetzlich“ gewesen und unter „psychischem Druck“ entstanden seien. Ihrer Ankundigung, dies genauer ausfuhren zu wollen, kam sie nicht nach. Im Sommer 2013 zog sie in ein Apartment in der Nahe des Strandes von Bournemouth; fast alle ihrer Besitztumer vernichtete sie in dieser Zeit oder gab sie weg. Im Fruhling 2014 zog sie in ein lokales Pflegeheim, wo sie kurze Zeit spater an den Folgen von Eierstockkrebs verstarb. Auf eigenen Wunsch wurde sie ohne religiose Zeremonie in Warblington, Hampshire, nahe ihrer Mutter beigesetzt. Danach machte Neil Astley Tonks’ Geschichte der Offentlichkeit bekannt. Da nun die Urheberrechte an ihre Cousins ubergegangen waren, publizierte Astley in seinem Verlag eine Werkssammlung aller Gedichte von Tonks, zusammen mit einigen Exzerpten ihrer Prosa. 2022 wurde auch ihr Roman The Bloater, der ursprunglich 1968 erschienen war, neu aufgelegt. Veroffentlichungen Lyrik Notes on Cafes and Bedrooms. Putnam, London 1963. Iliad of Broken Sentences. The Bodley Head, London 1967. Romane Opium Fogs. Putnam, London 1963. Emir. ADAM Books, London 1963. The Bloater. The Bodley Head, London 1968. Der Koder. Aus dem Englischen von Eva Bonne. Marz Verlag, Berlin 2024, ISBN 978-3-7550-0033-4. Businessmen as Lovers. The Bodley Head, London 1968. The Way Out of Berkeley Square. The Bodley Head, London 1970. The Halt During the Chase. The Bodley Head, London 1972. Kinderliteratur On Wooden Wings: The Adventures of Webster. Illustriert von der Autorin. John Murray, London 1948. Wild Sea Goose. Illustriert von der Autorin. John Murray, London 1951. Werksausgaben Neil Astley (Hrsg.): Bedouin of the London Evening: Collected Poems. Bloodaxe Books, Hexham 2014. ISBN 978-1-78037-361-4. Einzelnachweise
Rosemary Desmond Bowell Tonks (* 17. Oktober 1928 in Gillingham; † 15. April 2014 in Bournemouth), verheiratete Lightband, war eine britische Dichterin und Schriftstellerin. In den 1960er Jahren als Autorin der Londoner Boheme bekannt geworden, verschwand sie Ende der 1970er Jahre spurlos aus dem Blick der Offentlichkeit. Erst nach ihrem Tod wurde bekannt, dass Tonks nach mehreren gesundheitlichen und personlichen Krisen zum fundamentalistischen Christentum konvertiert war und ein zuruckgezogenes Leben in Bournemouth gefuhrt hatte.
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c-219
Dario Agustin Tapia Nievas (* 24. Juli 1999 in San Fernando del Valle de Catamarca) ist ein argentinischer Padelspieler. Ende 2023 belegte er den ersten Platz in der World-Padel-Tour-Rangliste und den sechsten Platz in der Rangliste der International Padel Federation (FIP). Er ist Rechtshander und spielt auf der linken Seite, mit Arturo Coello auf der rechten Seite. Beide bilden das aktuell beste Padel-Paar der Welt. Aufgrund seines angeborenen Talents und seines eleganten und exquisiten Spielstils ist er in der Welt des Padel als „Der Mozart von Catamarca“ oder „Der Mozart des Padel“ bekannt. Biographie Tapia begeisterte sich schon in jungen Jahren fur Padel und wurde von einem anderen Argentinier, Fernando Belasteguin (einer der besten Spieler aller Zeiten, der 16 Jahre lang den ersten Platz in der Rangliste belegte), beeinflusst. Im Alter von 15 Jahren verließ er sein Dorf, um sich in Rosario ganz dem Padel zu widmen, bevor er mit 17 Jahren sein Land Richtung Spanien verließ, nachdem er den ersten Platz in der Rangliste auf der argentinischen Padeltour erreicht hatte. In Verbindung mit seinem Idol Belasteguin wurde er 2020 mit 21 Jahren der jungste Spieler, der ein Masters-Finale der World Padel Tour gewann. Anfang 2023 schloss er sich mit dem Spanier Arturo Coello zusammen und erreichte 2023 erstmals den ersten Platz in der Rangliste der World Padel Tour und trat damit die Nachfolge des Doppelpaars Juan Lebron/Alejandro Galan an, das diesen Platz drei Jahre lang besetzt hatte. Tapia wurde 2024 zum Most Valuable Player (MVP, englisch wertvollsten Spieler) gewahlt. Dieser MVP-Titel wird bei den Padel Honors verliehen. Fans stimmten 2025 daruber ab, wer die Auszeichnung als MVP, als bester Angreifer, als bester Verteidiger und als bester Rookie (englisch Aufsteiger) erhalt. Zudem erhielt das Paar Tapia/Coello die Auszeichnung fur den besten gewonnenen Ballwechsel des Jahres (vergleichbar mit dem Tor des Jahres im Fußball). Titel = Weltmeister im Padel = = Siege im Premier Padel = Weblinks Spielerprofil bei der International Padel Federation (englisch) 40 Times Agus Tapia SHOCKED The Crowd, YouTube-Video Einzelnachweise
Dario Agustin Tapia Nievas (* 24. Juli 1999 in San Fernando del Valle de Catamarca) ist ein argentinischer Padelspieler. Ende 2023 belegte er den ersten Platz in der World-Padel-Tour-Rangliste und den sechsten Platz in der Rangliste der International Padel Federation (FIP). Er ist Rechtshander und spielt auf der linken Seite, mit Arturo Coello auf der rechten Seite. Beide bilden das aktuell beste Padel-Paar der Welt. Aufgrund seines angeborenen Talents und seines eleganten und exquisiten Spielstils ist er in der Welt des Padel als „Der Mozart von Catamarca“ oder „Der Mozart des Padel“ bekannt.
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c-220
Down by the River ist ein Rocksong von Neil Young und seiner neu formierten Band Crazy Horse. Der Titel erschien 1969 auf dem ersten gemeinsamen Studioalbum Everybody Knows This Is Nowhere. Entstehung Wie sich Young im 49. Kapitel seiner Autobiografie erinnert, entstand Down by the River am selben Tag wie Cinnamon Girl und Cowgirl in the Sand. Seine neue Band Crazy Horse war damals gerade erst seit zwei Wochen zusammen. Neil lag mit einer Grippe im Bett und hatte Fiebertraume; im Begleittext zur Kompilation Decade hielt er fest: „wrote this with 103° fever in bed in Topanga“. In lichten Momenten probierte er verschiedene Gitarrenstimmungen aus: D-modal fuhrte zu Cinnamon Girl, e-Moll zu Down by the River und a-Moll zu Cowgirl in the Sand: „Das war ziemlich einmalig, drei Songs in einem Rutsch, und ich bin ziemlich sicher, dass mein rauschhafter Zustand eine Menge damit zu tun hatte.“ Die Grundlage fur Down by the River war angeblich der Soulhit Sunny von Bobby Hebb, den Neil beim Kauf eines Grippemittels im Drugstore an der Ecke Fairfax Avenue/Sunset Boulevard aufgeschnappt hatte. Die gangige Melodie wurde in seinem Kopf zu einer Endlosschleife und entwickelte ein Eigenleben. Wieder im Bett, nahm Young die Gitarre zur Hand, anderte die Akkordfolge „und schon wurde Down by the River daraus.“ Billy Talbot, Bassist bei der Rockband The Rockets, aus denen Crazy Horse hervorgegangen ist, nennt eine andere Vorlage fur den Song: „Man braucht sich bloß Let Me Go auf dem Album der Rockets anzuhoren, und schon hat man den Ursprung von Down by the River.“ Mitwirkende Neil Young: Elektrische Leadgitarre, Gesang Danny Whitten: Elektrische Rhythmusgitarre Billy Talbot: E-Bass Ralph Molina: Schlagzeug Inhalt Das Lied hat trotz seiner Uberlange lediglich drei Strophen, die jedoch durch ausufernde Gitarrenimprovisationen voneinander abgetrennt sind, wodurch eine Gesamtspieldauer von 9 Minuten zustande kommt. Wie schon Hey Joe, das in den 1960er Jahren ein gern und haufig interpretierter Titel war, behandelt Down by the River ein Eifersuchtsdrama. Laut Young geht es „um einen Typen, der große Schwierigkeiten hat, sich zu beherrschen.“ Der Mann lasst seiner dunklen Seite freien Lauf und totet aus Eifersucht unten am Fluss seine Freundin, obwohl er sie sehr liebt („she could drag me over the rainbow“). Der Fluss ist hierbei sowohl Tatort als auch Metapher fur etwas Trennendes („be on my side or be on your side, baby“). Aufnahmen (Auswahl) Neil Young hat den Song mehrmals live aufgefuhrt und aufgenommen, sowohl solo-akustisch als auch mit elektrisch verstarkter Band. Aufnahmen von Down by the River gibt es auf den Alben: 1969: Everybody Knows This Is Nowhere (von Neil Young mit Crazy Horse) 1969: Live at Fillmore East, 1969 (von Crosby, Stills, Nash & Young) 1970: Carnegie Hall 1970 1970: Live at Fillmore East (von Neil Young & Crazy Horse) 1970: 4 Way Street (von Crosby, Stills, Nash & Young) 1970: Live at the Cellar Door 1971: Live at Massey Hall 1971 1971: Young Shakespeare 1971: Royce Hall 1971 Coverversionen Die Komposition wurde recht zeitnah von anderen Musikern interpretiert, erstaunlicherweise vor allem aus der Black Community, besonders aus dem Funk- und Reggae-Bereich. Bereits im Juni 1970 erschien auf dem Album Them Changes (Mercury) die Version des Blues- und Funk-Schlagzeugers Buddy Miles. Die Band Inner Circle aus Jamaika veroffentlichte eine Reggae-Version auf ihrem Album Hard & Heavy (1971). Auch der jamaikanische Sanger Ken Boothe nahm eine Reggae-Version auf; sie entstand 1974 wahrend der Zusammenarbeit mit dem Produzenten Lloyd Charmers und ist auf der Kompilation Everything I Own - The Lloyd Charmers Sessions 1971-1976 (Trojan, 2016) enthalten. Die US-amerikanische Funkband The Undisputed Truth nahm eine psychedelische Soulversion auf, enthalten auf dem Album Cosmic Truth (Motown, 1975). Die Funkband The Meters nahm Mitte der 1980er Jahre eine Version auf, die jedoch erst 2001 auf dem Album Kickback erschienen ist. Der Sanger Michael McDonald veroffentlichte im Jahr 2000 seine Version auf dem Album Blue Obsession. Literatur Neil Young: Waging Heavy Peace: A Hippie Dream. Blue Rider Press, New York 2012, ISBN 978-0-399-15946-6 (englisch). Neil Young: Ein Hippie-Traum. Aus dem Englischen von Stefanie Jacobs, Michael Kellner und Hans-Ulrich Mohring. Koln 2012, ISBN 978-3-462-04477-5. Weblinks Down by the River bei Discogs Down by the River bei Secondhandsongs Eigeninterpretationen Neil Young: Down by the River (Official Audio) auf YouTube Neil Young: Down by the River (Official Music Video) auf YouTube Crosby, Stills, Nash & Young: Down by the River (Live at Fillmore East, 1969) auf YouTube Crosby, Stills, Nash & Young: Medley: The Loner/Cinnamon Girl/Down by the River (Live, 1970) auf YouTube Coverversionen Buddy Miles: Down by the River auf YouTube Ken Boothe: Down by the River auf YouTube The Undisputed Truth: Down by the River auf YouTube The Meters: Down by the River auf YouTube Michael McDonald: Down by the River auf YouTube Einzelnachweise
Down by the River ist ein Rocksong von Neil Young und seiner neu formierten Band Crazy Horse. Der Titel erschien 1969 auf dem ersten gemeinsamen Studioalbum Everybody Knows This Is Nowhere.
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c-221
Ronit Baranga (hebraisch רונית ברנגה, * 4. April 1973 in Haifa) ist eine israelische zeitgenossische bildende Kunstlerin, die als Bildhauerin und Installationskunstlerin tatig ist. Werdegang Ronit Baranga wurde 1973 in Haifa geboren. Sie studierte von 1994 bis 1997 Psychologie und hebraische Literatur an der Universitat Haifa und schloss das Studium mit einem B.A. in diesen Fachern ab. Von 1999 bis 2000 studierte sie Kunstgeschichte an der Universitat Tel Aviv und von 2000 bis 2004 Bildende Kunst am HaMidrasha des Beit Berl College in Beit Berl, Kfar Saba. Um 2010 kam ihre Tochter zur Welt. Ronit Baranga lebt und arbeitet in Zichron Jaʿakov in Israel. 2011 wurde Ronit Baranga mit dem „Honorable Mention Award“ des China Kaolin Grand Prix for International Ceramic Art ausgezeichnet, erhielt 2012 den „Juror’s Recommendation Prize“ der Taiwan Ceramics Biennale und wurde 2016 mit dem „Israeli Ministry of Culture Award“ geehrt. Werk Ronit Baranga schafft figurative und teils hyperrealistische Skulpturen und Keramiken. Ihr bevorzugter Werkstoff ist Ton, den sie nach dem Brennen mit Acrylfarben bemalt. Sie arbeitet parallel an mehreren Werken, die sich meist in unterschiedlichen Stadien der Fertigstellung befinden. Die Werke entstehen in Serien, die sich aufeinander beziehen. In ihrem Werk spielen die Hande, insbesondere die Finger, eine wichtige Rolle, ebenso wie weit „geoffnete Munder, die Ausdruckskraft und Erotik ausstrahlen“. Ein Reiz ihrer Werke ist „der verstorende Widerspruch, sowohl Anziehung aufgrund ihrer Sinnlichkeit als auch Abstoßung aufgrund der Seltsamkeit zu erfahren, die die von der Kunstlerin geschaffenen Situationen pragt.“ Ihre Werksammlung All Things Sweet and Painful zeigt „Alltagsgegenstande wie Teller, Schusseln, Teetassen, Cupcakes und Kuchen, sind jedoch mit Mundern uberwuchert und vermenschlicht, wobei Finger nach der sonst gewohnlichen Kontur des Objekts greifen.“ Bei ihren Geschirrskulpturen wird der Gebrauch unmoglich, da „sie nun einen eigenen Willen, eigene Bedurfnisse und Wunsche haben“. Ihre Skulptur My Artemis der griechischen Jagdgottin tragt eine Gruppe aus mit Mundern versehenen Brusten, bei denen sich nicht feststellen lasst, ob diese mit ihrem Korper verbunden oder davon getrennt sind. Sie fertigt auch realistische menschliche Figuren, die mit zusatzlichen Mundern oder Gliedmaßen ausgestattet sind. In ihren Baby-Skulpturen greift sie das Thema Mutterschaft auf. Ausstellungen (Auswahl) 2022/2023: Breaking the Barriers of Material – Highlights from the Tel Aviv Biennale of Craft & Design. Yingge Ceramics Museum, Taipeh 2022: Esprits Libres, Ceramiques en Resistance. Fondation Bernardaud, Limoges 2022: All Things Sweet and Painful. Beinart Gallery, Brunswick, Australien 2021: The Tel Aviv Crafts and Design Bienalle 2020. Eretz Israel Museum, Tel-Aviv 2019: Fake News – Fake Truth. Haifa Museum of Art, Haifa 2019: The Child Within Me: A Selection from the Omer Koc Collection. Abdul Mecid Efendi Museum, Istanbul 2019: And the Ship Still Sails. Zaritsky Artists House, Tel Aviv 2019: First Offerings. Kfar-Saba Municipal Gallery, Kfar Saba 2017/2018: We Hearby Declare. MoBY-Museums, Bat Yam 2017/2018: Tree of Life in Chana Orloff: Feminist Sculpture in Israel. Mane-Katz Museum, Haifa 2017: Gross Anatomies. Akron Art Museum, Akron 2016/2017: Flying Baby in Rock Paper Scissors. Haifa Museum of Art, Haifa 2015: Wet-Fired – 8. Biennale fur israelische Keramik. Eretz Israel Museum, Tel-Aviv 2015: Dismaland. Weston-super-Mare, Somerset 2015: International Ceramic Triennial UNICUM. Slowenisches Nationalmuseum, Ljubljana Weblinks Website Ronit Baranga Einzelnachweise
Ronit Baranga (hebraisch רונית ברנגה, * 4. April 1973 in Haifa) ist eine israelische zeitgenossische bildende Kunstlerin, die als Bildhauerin und Installationskunstlerin tatig ist.
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c-222
Salamo-Konzert (auch Salamo oder Konzertbesuch) ist ein Sketch des deutschen Humoristen Loriot. Er zeigt einen Mann bei einem im Preisausschreiben gewonnenen Konzertbesuch, bei dem er sich danebenbenimmt. Der Sketch ist Teil der sechsten und letzten Folge der Sendereihe Loriot, die erstmals im Dezember 1978 ausgestrahlt wurde. 1981 erschien der Text des Sketches auch in gedruckter Form. Handlung Ein Mann sitzt in einem Konzertsaal und fragt seinen Sitznachbarn, ob es heute nur Musik oder auch noch etwas anderes gebe. Der Angesprochene weist den Fragenden darauf hin, dass er sich in einem Konzert befinde. Dieser steckt sich einen Bonbon in den Mund und berichtet dann seinen beiden Sitznachbarn stolz, dass er die Konzertkarte bei einem Preisausschreiben der Bratfettfirma Salamo gewonnen habe. Dabei habe er die Silben des Werbespruchs „Brat fettlos mit Salamo ohne“ in die richtige Reihenfolge gebracht, was gar nicht so einfach gewesen sei. Es erscheint ein weiterer Mann und erklart dem Preisausschreibengewinner, dass er auf dem falschen Platz sitze. Sein richtiger Platz sei in der Reihe davor. Der Gewinner versucht, uber die Sitzreihe zu klettern, bleibt aber mit seiner Hose an etwas hangen. In dieser misslichen Lage erlebt er den Beginn des Klavierkonzerts. Seiner neuen Sitznachbarin stellt er sich erneut flusternd als Gewinner des Salamo-Preisausschreibens vor. Sie ist irritiert, dass er in einem Konzert isst. Bei einem starken Klavierakkord verschluckt sich der Mann an seinem Bonbon und hustet ihn auf die dekolletierte Schulter der Frau. Er steckt ihn zuruck in seinen Mund und bietet ihr einen frischen an. Auf ihr emportes „Ich bitte Sie!“ versucht er die Bonbontute aus seiner Jacke zu holen, verschuttet dabei aber den Inhalt zwischen den Reihen. Er verliert das Gleichgewicht und fallt mit dem Schlussakkord des Pianisten auf seinen Platz. Als das Publikum dem Musiker applaudiert, erhebt sich der Gewinner und verbeugt sich nach allen Seiten. Produktion und Veroffentlichung Salamo-Konzert entstand fur die sechste und letzte Folge der von Radio Bremen produzierten Sendereihe Loriot. Der Sketch wurde 1978 gemeinsam mit dem Flotenkonzert aufgenommen, bei dem das Publikum durch das Nachrucken auf freie Sitzplatze den Beginn eines klassischen Konzerts verhindert. Fur den Dreh wurde im Atelier ein Konzertsaal aufgebaut und mit Komparsen besetzt. Im Salamo-Konzert ubernahm Loriot die Rolle des Preisausschreibengewinners, die Sitznachbarin, der er seinen Bonbon auf die Schulter hustet, spielte Evelyn Hamann. Rudolf Kowalski spielte den Besucher, auf dessen Platz der Gewinner sitzt, einen weiteren Konzertbesucher stellte Heinz Meier dar. Außerdem haben einige weitere nicht im Abspann genannte Darsteller Sprechrollen, unter ihnen Hanni Nitsch, die vorher unter anderem im Sketch Schmeckt’s? auftrat. Am Flugel saß wie beim Flotenkonzert Bruno W. Pannek. Die Musik stammte von Loriots Assistenten Stefan Lukschy. Da Loriot und Lukschy keine zeitlich passende Musik fanden und kein klassisches Werk zurechtschneiden wollten, improvisierte Lukschy selbst passende Klaviermusik. Die Aufnahmen der Musik fanden im Haus von Loriots Freunden Johano Strasser und Franziska Sperr statt. Die sechste Folge von Loriot wurde am 7. Dezember 1978 im Ersten Programm ausgestrahlt. Salamo-Konzert ist darin als einziger Sketch nicht Teil der durchgangigen Handlung um die Familie Hoppenstedt und den Staubsaugervertreter Jurgens. Auf die Ausstrahlung vom Flotenkonzert wurde verzichtet, sie wurde erst 1983 in der Sendung Loriots 60. Geburtstag nachgeholt. 1997 ordnete Loriot sein Fernsehwerk neu und machte aus den ursprunglich sechs 45-minutigen Loriot-Folgen, erganzt um weiteres Material, vierzehn 25-minutige Folgen. Der Sketch Salamo-Konzert ist Teil der dritten Folge Von Mensch und Musik, Bett, Bratfett und Geselligkeit, die am 6. Mai 1997 erstmals im Ersten gezeigt wurde. Daneben war der Sketch wie das Flotenkonzert in Loriots 60. Geburtstag zu sehen. Der Text von Salamo-Konzert erschien 1981 in gedruckter Form im Sammelband Loriots dramatische Werke. Darin ist er dem Kapitel Kultur und Fernsehen zugeordnet. Seitdem wurde er in einige weitere Sammelbande von Loriot aufgenommen. Analyse und Einordnung Fur den Germanisten Stefan Neumann, der seine Dissertation zum Leben und Werk Loriots verfasste, zieht der Sketch seine Komik vor allem aus den Tabubruchen des Protagonisten, der ein Storenfried sei. Damit ahnele er Herrn Moosbach aus dem Sketch Skat, der durch seine Unwissenheit seine Mitspieler gegen sich aufbringt, sowie dem Rentner aus Feuergeben, der einem Passanten ungefragt Details aus seinem Leben erzahlt. Neumanns Fachkollege Felix Christian Reuter sieht beim Protagonisten nur geringe soziale Kompetenzen. So sei ihm offenbar nicht klar, dass es unangemessen ist, in einem Konzertsaal uber die Sitzreihen zu steigen. Sein Verhalten habe schon fast autistische Zuge, da er sich der Gefuhle der anderen Menschen gar nicht bewusst zu sein scheint. So bemerke er nicht, dass sie nicht an seinem Preisratsel interessiert seien. Dessen banaler Inhalt bilde zudem einen starken Kontrast zum zur Hochkultur gehorenden klassischen Konzert, denn Bratfett gehort fur Reuter zu den „alltaglichsten und unastethischsten Dingen“. Neumann sieht dadurch Ahnlichkeiten zum Fluggast im Sketch Flugessen, dessen plumpe Einwurfe im Kontrast zur von den anderen Fluggasten rezitierten Lyrik Rilkes stehen. Das unangemessene Verhalten des Protagonisten im Salamo-Konzert setzt sich laut Reuter gegenuber der Frau, der er einen Bonbon auf die nackte Schulter gespuckt hat, fort. Es sei mehr als taktlos, ihr danach einen frischen Bonbon anzubieten und ihr emportes „Ich bitte Sie!“ als Zustimmung zu interpretieren. Ubermaßig ichbezogen zeige sich der Mann, als er den Schlussapplaus auf die Befreiung aus seiner misslichen Lage und nicht auf den Musiker bezieht. Neben seiner sozialen Inkompetenz zeigt sich der Protagonist laut Reuter als Kunstbanause. So suggerierten seine Aussagen, dass er ohne den Gewinn nie in das Konzert gegangen ware und Musik wenig schatze. Auch andere Konzertbesucher hatten offenbar wenig Ahnung von Musik, obwohl sie sich im Gegensatz zum Protagonisten vordergrundig daran interessiert zeigten. So fragt eine Frau ihren Sitznachbarn „Ist das Schubert?“; sie wisse also offenbar nicht, von wem die Musik stammt, die gerade gespielt wird. Ihr Sitznachbar sei, was Musik angeht, auch wenig gebildet, denn er bezieht die Frage nach Schubert nicht auf den Komponisten Franz Schubert, sondern auf den anderen Konzertbesucher, wenn er antwortet: „Nein, irgend jemand von einem Bratfett-Preisausschreiben…“ Das Verhalten der Konzertbesucher ist typisch fur die Loriot’schen Szenen, die sich mit Bildung und Kultur beschaftigen. Gezeigt werden scheinbare Bildungsburger, deren kulturelles Interesse aber vor allem im Streben nach sozialem Aufstieg und Ansehen begrundet ist. Letztlich scheitern die Figuren bei Loriot jedoch in ihren Bemuhungen, anstelle wirklicher Bildung tritt nur eine Scheinbildung, wie etwa in Die Jodelschule. Bildtontrager Loriots Vibliothek. Band 2: Wo laufen sie denn? und andere Probleme des gehobenen Lebensstils. Warner Home Video, Hamburg 1984, VHS Nr. 2. Loriot – Sein großes Sketch-Archiv. Warner Home Video, Hamburg 2001, DVD Nr. 1 (als Teil von Loriot 3). Loriot – Die vollstandige Fernseh-Edition. Warner Home Video, Hamburg 2007, DVD Nr. 4 (als Teil von Loriot VI). Textveroffentlichungen (Auswahl) Loriots dramatische Werke. Diogenes, Zurich 1981, ISBN 3-257-01004-4, S. 270–273. Das Fruhstucksei. Diogenes, Zurich 2003, ISBN 3-257-02081-3, S. 255–258. Gesammelte Prosa. Diogenes, Zurich 2006, ISBN 978-3-257-06481-0, S. 409–413. Literatur Stefan Neumann: Loriot und die Hochkomik. Leben, Werk und Wirken Vicco von Bulows. Wissenschaftlicher Verlag Trier, Trier 2011, ISBN 978-3-86821-298-3. Felix Christian Reuter: Chaos, Komik, Kooperation. Loriots Fernsehsketche (= Oliver Jahraus, Stefan Neuhaus [Hrsg.]: FILM – MEDIUM – DISKURS. Band 70). Konigshausen & Neumann, Wurzburg 2016, ISBN 978-3-8260-5898-1 (zugleich Dissertation an der Universitat Trier 2015). Einzelnachweise
Salamo-Konzert (auch Salamo oder Konzertbesuch) ist ein Sketch des deutschen Humoristen Loriot. Er zeigt einen Mann bei einem im Preisausschreiben gewonnenen Konzertbesuch, bei dem er sich danebenbenimmt. Der Sketch ist Teil der sechsten und letzten Folge der Sendereihe Loriot, die erstmals im Dezember 1978 ausgestrahlt wurde. 1981 erschien der Text des Sketches auch in gedruckter Form.
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Der Emscherkunstweg ist im Ruhrgebiet ein 101 Kilometer langer permanenter Skulpturenweg von kunstlerischen Arbeiten im offentlichen Raum. Kunstweg Der Emscherkunstweg ist eine Sammlung von Kunst im offentlichen Raum entlang der Emscher von ihrer Quelle in Holzwickede bis Duisburg-Bruckhausen. Die Kunstwerke in der Emscherzone sind an ungewohnlichen Orten entlang der Emscher positioniert, etwa auf ehemaligen Industriebrachen, an fruheren Klaranlagen und in Naturraumen. Ein Großteil von ihnen befindet sich auf der Emscherinsel. Die Werke nehmen thematisch Bezug auf den Strukturwandel im Ruhrgebiet, die Emscher und ihre Renaturierung. Die Sammlung ist im Rahmen der Emscherkunst entstanden und wurde seit 2019 als Kooperationsprojekt von Urbane Kunste Ruhr, der Emschergenossenschaft und dem Regionalverband Ruhr unter der Kunstlerischen Leitung von Britta Peters als Emscherkunstweg verstetigt und erweitert. Er steht unter der Schirmherrschaft der Ministerin fur Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen Ina Brandes und wird vom Ministerium fur Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen gefordert. Geschichte Der Emscherkunstweg entstand aus dem Kunstprojekt Emscherkunst, das seit 2010 den Umbau des Emschersystems durch die Emschergenossenschaft begleitete. Es wurde anlasslich der RUHR.2010 – Kulturhauptstadt Europas initiiert, die das Ruhrgebiet im Jahr 2010 als Europaische Kulturhauptstadt prasentierte. Anschließend wurde es 2013 und 2016 als Triennale weitergefuhrt mit dem Ziel, eine Sammlung kunstlerischer Arbeiten im offentlichen Raum aufzubauen. Kunstwerke auf der Route Wahrend nach Ende der Emscherkunst.2010 viele Kunstwerke permanent verblieben, entstanden 2013 und 2016 hauptsachlich temporare Werke fur eine jeweils dreieinhalbmonatige Ausstellungsdauer. Seit 2019 ist der Emscherkunstweg ein permanenter Skulpturenweg, der seitdem erweitert wird. Zusatzlich zu den im Rahmen der drei Emscherkunst-Ausstellungen zwischen 2010 und 2016 vor Ort verbleibenden 18 Kunstwerken, die teilweise von den Kunstlerinnen und Kunstlern uberarbeitet wurden, wurde der Emscherkunstweg bis Ende Marz 2025 um sechs Werke erganzt. Dazu gehoren die funf Installationen Neustadt und Emscher Folly in Duisburg, Konigsgrube in Herne, Pool Lines und Public Hybrid in Dortmund sowie die Schlafrohren dasparkhotel_inside-outsite in Castrop-Rauxel, die einen zweiten Standort zu den Rohren das_parkhotel im BernePark in Bottrop bilden. = Holzwickede = The Insect Societies (Part I) The Insect Societies (Part I): Das Werk besteht aus zwei kubusformigen Objekten aus feuerverzinktem und in Weiß pulverbeschichtetem Stahlrohr mit je fast dreieinhalb Meter Kantenlange. Sie sind in etwa 26 Metern Abstand voneinander auf einem 2000 Quadratmeter großen Feld aufgestellt, auf dem als Bienennahrung heimische Wildblumenarten ausgesat wurden. In jeweils acht Hohlraume der Plastiken wurden holzerne Honigbienenbeuten und Wildbienenkuben eingesetzt. Kunstler: Henrik Hakansson, 2016. Am Rand des Feldes fuhrt ein gepflasterter, mit Metall eingefasster Weg entlang, der den Verlauf der Emscher von der Quelle bis zur Mundung abbildet. Lage: Emscherquellhof, Quellenstraße 2, Hixterwald, Holzwickede (Weitere Ansichten) = Dortmund = Pool Lines Pool Lines: Das Kunstwerk besteht aus hufthohen und ein Meter breiten Betonmauern. Die Mauern bilden auf einer Wiese zwei liegende Dreiecke mit den Maßen 19 × 34 Meter und sind vollstandig mit kleinen in verschiedenen Gruntonen schimmernden Mosaikfliesen aus Keramik verkleidet, die an die Fliesenpflasterung in Hallenbadern erinnern. Das Innere weist denselben Gras- und Wildbewuchs wie die umgebende Landschaft auf. Zur Mitte hin sind die Mauern geoffnet und abgeflacht und zwischen ihnen verlauft ein Weg. Kunstlerin: Sofia Taboas, 2023. Lage: Ringofenstraße 45A, Schuren (Weitere Ansichten) Public Hybrid Public Hybrid: Das Werk besteht aus mehreren Skulpturen entlang des Emscher-Wegs, die durch ihre amorphen Formen auf den ersten Blick einem Naturdenkmal ahneln. Die einzelnen Objekte sind aus gebrochenem Ruhrsandstein aus dem nahegelegenen Sprockhovel und 3D-Druckelementen aus recyceltem, in Farbverlaufen von Rot-Lila bis Gelb-Turkis-Blau farbigem Kunststoff zusammengesetzt. Dazu wurden insgesamt 27 Steine gebrochen und anschließend gescannt, um die passenden Kunststoffgegenstucke zu fertigen, auf denen die Steine ruhen. Kunstler: David Jablonowski, 2021. Lage: Emscher-Weg, Nahe Adelenstraße, Schuren (Weitere Ansichten) Spirits of the Emscher Valley. „Vogelfrau“ und „Totem mit Elster“ Spirits of the Emscher Valley. „Totem mit Elster“ und „Vogelfrau“: Die vier Meter hohe „Totem“-Figur aus Aluminium zeigt drei Kinder, die sich gegenseitig auf den Schultern tragen. Ganz oben sitzt auf der Hand des kleinsten Jungen ein Vogel. Die „Vogelfrau“ stellt eine geflugelte Frauenfigur dar, deren weit geoffnete Flugel-Arme an den mythologischen Feuervogel Phonix erinnern. Die Vogelfrau verbindet symbolisch die fruher durch ein Viadukt („Hympendahlbrucke“) verbundene Ost- und Westseite des Phoenix-Areals. Diese Skulpturen stehen dauerhaft am neuen Standort in Horde am Fuß- und Radweg der Eliasbahntrasse nordlich des Phoenix-Gymnasiums und nordlich des ehemaligen Magazingebaudes der Hermannshutte. Kunstlerkollektiv Studio Orta: Lucy Orta, Jorge Orta, 2016. Lage: Emscher-Weg, Horde, Vogelfrau, Totem mit Elster (Weitere Ansichten Totem mit Elster), (Weitere Ansichten Vogelfrau) Zur kleinen Weile Zur kleinen Weile: begehbare Skulptur mit den Maßen 920 × 540 × 550 cm aus armierten Stahlbetonfertigteilen mit einem Spritzbetonaufbau, die dadurch eine amorphe spitz zulaufende Form erhalt. Das Innere besteht aus einem golden angestrichenen kugelformigen Raum, der durch kleinere Offnungen unten und eine große runde Offnung oben eine besondere Akustik aufweist. Der Raum wird durch einen kleinen Lichtschacht erhellt, bei Dunkelheit durch elektrisches Licht. Der leicht erhohte Raum ist uber eine Rampe betretbar. Kunstlerkollektiv raumlabor: Andrea Hofmann, Axel Timm, Benjamin Foerster-Baldenius, Christof Mayer, Florian Stirnemann, Francesco Apuzzo, Frauke Gerstenberg, Jan Liesegang, Markus Bader, 2016. Lage: Emscher-Weg, Huckarder Straße 260, Dorstfeld (Weitere Ansichten und Tonaufnahme) Kunstpause Kunstpause: Die Installation wurde in einem großen, verwilderten Haselnusshain aufgebaut. Bei der landschaftsgartnerischen Gestaltung wurde der ursprungliche Charakter des Ortes erhalten, wobei gezielt Bewuchs entfernt wurde und an anderen Stellen Neupflanzungen angelegt wurden. Die Flache im Waldstuck wurde außerdem mit holzernen Stegen, Plattformen und Terrassen aus Larchenholz und Staketenzaunen strukturiert. Im August 2024 wurde die Installation wegen eines Pilzbefalls des Holzes abgebaut. Der Haselnusshain ist weiterhin begehbar. Kunstlerkollektiv atelier le balto: Veronique Faucheur, Marc Pouzol, Nil Lachkareff, Marc Vatinel, Lilith Unverzagt, 2016. Lage: Emscher-Weg, Huckarder Straße 197, Huckarde (Weitere Ansichten) Vogel Vogel: Ausgangspunkt fur die Installation war ein bereits seit mehreren Jahren leerstehendes und mit Graffiti bespruhtes Haus. Oberhalb des nicht mehr genutzten Ladenlokals befand sich eine nur noch teilweise erhaltene senkrecht angeordnete alte Leuchtreklame, die wahrscheinlich den Schriftzug „Mobel“ bildete. Vom Schriftzug waren nur die Buchstaben „O“ und „L“ mit dazwischenliegenden Leerstellen erhalten, die mit den handgefertigten und bewusst von der originalen Typografie abweichenden neuen Neon-Buchstaben „v“, „g“ und „e“ erganzt wurden, so dass die einstige Werbebotschaft zum Wort „Vogel“ wurde. Die zur Emscherkunst 2016 in Betrieb genommene Lichtinstallation ist außer Betrieb. Kunstler: Samuel Treindl, 2016. Lage: Rheinische Straße 131, Dorstfelder Brucke, Innenstadt-West (Weitere Ansichten) = Castrop-Rauxel = dasparkhotel_inside-outsite dasparkhotel_inside-outsite: Die drei Schlafrohren zur Ubernachtung mit elektronischem Zugangssystem, Bettzeug und -wasche und Wandmalerei stehen am Rand des Gelandes um den Hof Emscher-Auen (fruherer Name: Hof Emschertal). Das Areal gehort der Emschergenossenschaft. Die Schlafkabinen sind aus ausgebauten, industriell gefertigten Kanalrohren aus Beton hergestellt. Bereits 2005 entstand in Osterreich ein „dasparkhotel“, gefolgt von einem weiteren im Bottroper BernePark 2010. Kunstler: Andreas Strauss, 2022. Lage: Hof Emscher-Auen, Rittershofer Straße 170, Castrop-Rauxel (Weitere Ansichten) Vogelbeobachtungsstation inside-outsite Zusatzlich wurde ein halbrunder Pavillon aus Wellstahl in einem kunstlich aufgeschutteten Erdhugel zur Natur- und Vogelbeobachtung angelegt. Die Ruckwand des Pavillons besteht aus einem Stahlzaun, der bis auf vier Sichtfenster mit Weidengeflecht geschlossen wurde. Kunstler: Andreas Strauss, 2022. Lage: Hof Emscher-Auen, Rittershofer Straße 170, Castrop-Rauxel (Weitere Ansichten) Black Circle Square Black Circle Square: In die weitlaufige Landschaft um das Hochwasserruckhaltebecken am Hof Emscher-Auen ist eine weiße quadratische Betonflache von 10,5 × 10,5 Metern Kantenlange gebaut, die von einer kleinen weißen Mauer eingefasst ist. In deren Mitte befindet sich ein kreisrunder Pool mit einem Durchmesser von 7,83 Metern und 4,20 Meter Wassertiefe. Gleichzeitig dient das Wasserbecken als Loschteich fur den benachbarten Hof. Da das Wasserbassin schwarz beschichtet ist, entsteht von oben betrachtet ein schwarzer Kreis auf einem weißen Quadrat. Das Kunstwerk bezieht sich auf die Bilder „Das Schwarze Quadrat auf weißem Grund“ und „Schwarzer Kreis“ des Malers Kasimir Sewerinowitsch Malewitsch. Kunstler: Massimo Bartolini, 2016. Lage: Hof Emscher-Auen, Rittershofer Straße 170 (Weitere Ansichten) = Recklinghausen = Walkway and Tower Walkway and Tower: Der 12 Meter hohe Aussichtsturm besteht aus einer Stahlkonstruktion und Larchenholz. Er bildet eine Landmarke auf einer Anhohe am Emscher-Weg und wird uber einen im Zickzack verlaufenden ca. 120 Meter langen Holzsteg erreicht. Von der Turmspitze bietet sich statt eines spektakularen Panoramas die Sicht auf eine ruhige und eher dunn besiedelte Gegend. Der Turm steht unweit des Wasserkreuzes von Emscher und Rhein-Herne-Kanal am ostlichen Ende der Emscherinsel, die auf uber 34 Kilometern zwischen Fluss und Kanal verlauft. Im Rahmen von Restaurierungsmaßnahmen wurde der Verlauf des Holzsteges im Jahr 2019 vom Kunstler verlangert und gestalterisch leicht verandert. Kunstler: Tadashi Kawamata, 2010. Lage: Emscher-Weg, Nahe Emscher-Duker, Hohe Emschertalweg 62, Suderwich (Weitere Ansichten) = Herne = reemrenreh (kaum Gesang) reemrenreh (kaum Gesang): Das Kunstwerk befindet sich am Ende einer Mole an der Schleuse Herne-Ost des Rhein-Herne-Kanals im „Herner Meer“. Ruckwarts gelesen ergibt sich der Titel des Werks. Das Ensemble besteht aus einer 23 Meter hohen Konstruktion gelber, lochriger, zylindrischer und kegelformiger Hohlkorper sowie einer kleineren 7,6 Meter hohen Skulptur in Grau. Die Saulen bestehen aus lackiertem Aluminiumblech, Aluminiumguss und Stahl. Durch die Locher in den gelben Elementen entstehen bei Wind unterschiedliche pfeifende Tone. Nachts wird die Figurengruppe von einer 16 Meter hohen Lichtquelle beleuchtet, die wie eine Straßenlaterne gestaltet ist. Kunstler: Bogomir Ecker, 2010. Lage: „Herner Meer“, Nahe Gneisenaustraße 204, Horsthausen (Weitere Ansichten) Gluckauf. Bergarbeiterproteste im Ruhrgebiet Gluckauf. Bergarbeiterproteste im Ruhrgebiet: Das Kunstwerk besteht aus dem entkernten Faulturm der ehemaligen Klaranlage Herne, die neben dem BernePark und dem ehemaligen Klarwerk Lappkes-Muhlenbach eine von drei stillgelegten Klaranlagen zwischen Emscher und Rhein-Herne-Kanal ist, die als offentlich zugangliche Orte erhalten werden. Auf die Außenhulle wurde ein 66,6 × 9,3 Meter großes Mosaik aus etwa 5,8 Millionen Glasmosaiksteinen mit je 10 × 10 mm Große aufgebracht. Das Wandmosaik zeigt auf Archiv- und Zeitungsfotos basierende Motive und Schlagworte aus der Protestbewegung der Bergarbeiter im Ruhrgebiet und ihrer Geschichte von 1889 bis 2007. Die monochrome blau-weiße Farbgebung ist an die Fliesen der Waschkauen und Grubentucher der Bergleute angelehnt. Im Jahr 2021 wurde das nebenstehende Betriebsgebaude mit der „Protestzeitung“ plakatiert, die 2010 im Rahmen der Emscherkunst.2010 entstand und die Chronik der Bergarbeiterproteste ausfuhrlicher erlauterte. Zudem wurde das Wandmosaik restauriert, der Sockelbereich des Faulbehalters neu verputzt und der Boden gepflastert. Kunstlerin: Silke Wagner, 2010. Lage: Ehemalige Klaranlage Herne, Vockenhof 1, Baukau-Ost (Weitere Ansichten) Konigsgrube Konigsgrube: Die Installation bezieht auf einer Flache von 24,90 × 21,60 Metern ein ehemaliges Pumpwerk der Emschergenossenschaft ein, indem Fragmente und Bauteile des stillgelegten und bis auf Restmauern abgebrochenen Betongebaudes aus den 1960er Jahren weiterverwendet oder integriert wurden. Selbst die Gitter des alten Pumpwerks wurden wiederverwendet und das originale Telefon aus der Pumpstation ist in der Offnung des hochsten Rohres angebracht. Das Pumpwerk Konigsgrube leitete die Abwasser der umliegenden Gemeinden in den Huller Bach und von dort in die Emscher. Auf dem teils verfullten Unterbau bleibt ein Teil einer Treppe erhalten. Drei ehemalige bis zu funf Meter hohe Pumprohre bilden einen solarbetriebenen Brunnen, aus dem abhangig vom Niederschlag Wasser und durch eine Soundinstallation die Klange des ehemaligen Pumpwerks kommen. Auf dem befestigten Vorplatz wird Regenwasser uber Rinnen in einer Zisterne aufgefangen und ermoglicht zusammen mit der auf dem Dach der holzernen Pergola montierten Photovoltaikanlage einen autarken Betrieb. Uber dem 12,5 Meter tiefen verfullten ehemaligen Klarbecken wurde ein 13,10 × 11,70 Meter großer Bruchwald aus sieben vorgezogenen Schwarzerlen, Segge, Farn, Minze und weiteren Pflanzenarten gepflanzt. Kunstler: Markus Jeschaunig, 2025. Lage: Hofstraße 24, Rohlinghausen (Weitere Ansichten und Tonaufnahmen) = Gelsenkirchen = Monument for a forgotten future Monument for a forgotten future: Das Kunstwerk befindet sich in der Nahe der Schleuse in Gelsenkirchen zwischen Emscher und Rhein-Herne-Kanal. Es besteht aus einer kunstlichen Felsformation aus einem Stahlgerust mit einem armierten Spritzbetonaufbau und ist etwa 10 × 9 × 17 Meter groß. Im Inneren ist eine Soundanlage eingebaut, die in den Sommermonaten das fur das Kunstwerk komponierte 23-minutige Musikstuck „Monument for a forgotten future (The singing mountain)“ der schottischen Band Mogwai in Dauerschleife spielt. Der Berg ist eine originalgetreue Nachbildung einer Felsformation aus dem Joshua-Tree-Nationalpark bei Los Angeles. Kunstler: Olaf Nicolai, Douglas Gordon, Mogwai, 2010. Lage: Emscher-Weg, Hohe An den Schleusen 1–29, Gelsenkirchen-Horst (Weitere Ansichten) = Essen = Carbon Obelisk Carbon Obelisk: Das Kunstwerk besteht aus einem 14 Meter hohen, glanzend schwarzen Obelisken mit einer Hulle aus rautenformig ubereinandergelegten Karbonfasern auf einer Stahlkonstruktion. Aus der Ferne wirkt der Obelisk nur schwarz, aus der Nahe fallt das komplizierte, feinstrukturierte Muster auf. Im Jahr 2021 wurde die Karbon-Beschichtung erneuert. Der Obelisk steht an einer Kreuzung mehrerer Wege zwischen Emscher und Rhein-Herne-Kanal. Kunstlerin: Rita McBride, 2010. Lage: Schurenbachhalde, Emscher-Weg, Hohe Karnaper Straße 30, Altenessen (Weitere Ansichten) = Bottrop = Gesellschaft der Amateur-Ornithologen Gesellschaft der Amateur-Ornithologen: Das Kunstwerk besteht aus einem alten Gastank vom Gelande der ehemaligen Klaranlage Herne, das zu einer Art Vogelbeobachtungsstation umgebaut wurde. Neben einer Eingangstur mit uberdachter Treppe wurden eine seitliche große Fensteroffnung eingebaut und zwei Deckenfenster, wo sich die ehemaligen Anschlussstellen der Zuleitungen befanden. Das Dach wurde mit einer kleinen Aussichtsplattform erganzt. Das Innere des Tanks ist im Stil des 19. Jahrhunderts detailreich ausgestaltet mit alten Teppichen, antikem Mobiliar wie Sofa und Sekretar und ornithologischen Objekten wie Fernrohre und Bucher von regionalen Flohmarkten. Zusammen mit Accessoires wie mit Bonbons gefullten Kristallschalen entsteht der Eindruck, als hatte ein Hobby-Ornithologe die Forschungsstation nur kurz verlassen. Alle Gegenstande der Station sind dazu gedacht, von Besuchern benutzt zu werden. Die Station wurde 2010 erstmals am „Herner Meer“ in der Nahe des Herner Yachthafens aufgestellt, stand zur Emscherkunst-Ausstellung 2013 auf der Hubbrucke in Duisburg-Walsum und 2016 am Hochwasserruckhaltebecken am Hof Emscher-Auen in Castrop-Rauxel/Dortmund-Mengede. Kunstler: Mark Dion, 2010. Lage: Klaranlage Bottrop, In der Welheimer Mark 190, Welheim (Weitere Ansichten) BernePark: Theater der Pflanzen Theater der Pflanzen: Das Kunstwerk besteht aus der landschaftsarchitektonischen Gestaltung der beiden ehemaligen Klarbecken. Die ehemalige Klaranlage wird einerseits als Industriedenkmal erhalten als auch mit einer neuen Funktion als Parkanlage genutzt. Von den zwei fruheren runden Klarbecken mit einem Durchmesser von je 73 Meter blieb eines mit Wasser gefullt. Eine im Zentrum angelegte kreisrunde Holzplattform ist uber eine Stegbrucke erreichbar. Das andere Becken verfugt ebenfalls uber eine Stegbrucke und wurde in einen begehbaren Senkgarten umgeformt. Dazu wurde es mit Erde verfullt und 21.000 mehrjahrige Pflanzen wurden angepflanzt. Die Beete sind in Gruppierungen verschiedener Staudenarten und Graser angelegt. Wege und Sitzgelegenheiten strukturieren den Garten zu einer Art Labyrinth. Kunstler: Piet Oudolf, Gross Max, 2010. Lage: BernePark, Ebelstraße 25a, Ebel (Weitere Ansichten Bernepark) BernePark: Catch as catch can Catch as catch can: Die Kunstinstallation besteht aus den Leuchtarbeiten zweier Kunstler. Auf dem Hauptgebaude der umgenutzten 1997 stillgelegten Klaranlage im Stadtteil Bottrop-Ebel wurde auf einem leichten Drahtgeflecht der beleuchtete Schriftzug „Catch as catch can“ (Nimm es, wie es kommt) gezeigt. Aufgrund der Restaurierung des denkmalgeschutzten Gebaudes befindet sich das Objekt seit 2020 auf dem Flachdach des halbrunden Vorbaus. Eine zweite Lichtinstallation aus LED-Bandern ist umlaufend um die Beckenrander der ehemaligen Klarbecken installiert. Bei Dunkelheit umrundet jeweils synchron im Uhrzeigersinn ein neutralweißer etwa 4 Meter langer Streifen die Becken. Kunstler: Mischa Kuball, Lawrence Weiner, 2010. Lage: BernePark, Ebelstraße 25a, Ebel BernePark: das_parkhotel das_parkhotel: Die funf Schlafkabinen aus herkommlichen Betonrohren sowie ein Sanitarcontainer wurden 2010 sowohl als Kunstinstallation als auch als Ubernachtungsmoglichkeit zur Emscherkunst.2010 in Betrieb genommen. Sie sind etwas erhoht mit Blick auf das Theater der Pflanzen aufgestellt. Nach der Buchung kann die Rohre per elektronischer Codeschließanlage individuell bezogen werden. Die Rohren mit den Maßen 2,40 × 2,40 × 3,21 Meter sind mit je einem Bett fur bis zu zwei Personen, Bettzeug und -wasche, Stauraum und Nachttischlampe sowie einem Fenster ausgestattet und an den Ruckwanden mit einem individuellen Wandgemalde versehen. 2019 wurde die Kunstinstallation in den Bestand des Emscherkunstwegs ubernommen. Kunstler: Andreas Strauss, 2010. Lage: BernePark, Ebelstraße 25a, Ebel = Oberhausen = Zauberlehrling Zauberlehrling: Die 35 Meter hohe Skulptur des Zauberlehrlings auf einem Feld neben dem Rhein-Herne-Kanal und der Emscher aus insgesamt 24,4 Tonnen oberflachenbeschichtetem Stahl orientiert sich in Große und Bauweise an dem Typ eines Bahnstrommasts. Fur die spezielle Konstruktion wurden alle Elemente extra gezeichnet und hergestellt, um die geschwungene Form zu erzeugen. Besonders deutlich ist der tanzende, spielerische Charakter in der Ansicht von Westen zu sehen, von wo aus die Skulptur mit anderen unterschiedlichen Hochspannungsmasten betrachtet werden kann. Zwischen 2017 und 2019 musste die Skulptur wegen statischer Probleme erneuert werden. Die daraus resultierende etwas begradigte Kontur veranlasste das Kunstlerkollektiv zur Entwicklung einer neuen Farbgebung. Im September 2019 wurde das Kunstwerk an den Regionalverband Ruhr ubergeben. Kunstlergruppe: Inges Idee, 2013/2019. Lage: Geholzgarten Ripshorst von Haus Ripshorst, Ripshorster Straße 306, Borbeck (Weitere Ansichten) Slinky Springs to Fame Slinky Springs to Fame: Die Spannbandbrucke aus Stahl mit 496 Aluminiumbogen fuhrt an Stelle einer fruheren Brucke uber den Rhein-Herne-Kanal und verbindet die Emscher-Insel mit dem historischen Kaisergarten von Schloss Oberhausen. Aufgrund des Containerschiffsverkehrs auf dem Kanal betragt die Hohe uber dem Wasser 8,5 bis 10 Meter. An beiden Enden verlauft die 406 Meter lange Brucke in großen Bogen. Sie ist mit Tartanboden in 16 verschiedenen Farbfeldern belegt. Nachts wird die Brucke durch den mit 406 Meter LED-Leuchtschienen bestuckten Handlauf sowie durch 293 weitere LEDs, die unten in die Spiralwinden eingebaut sind, beleuchtet. Das Kunstwerk ist inspiriert durch das Kinderspielzeug Slinky. Kunstler: Tobias Rehberger, 2010. Lage: Kaisergarten, Emscher-Weg, Hohe Konrad-Adenauer-Allee 46, Marienviertel (Weitere Ansichten) Play_Land: Der Jugendtreff mit Spielplatz ersetzt den im Zuge des Emscherumbaus 2013 abgerissenen Vorgangerbau an anderer Stelle. Das gesamte Gelande ist mit einem begrunten Erdhugel gegenuber dem Wohngebiet abgeschirmt. Im Hugel ist der Jugendtreff mit Cafebereich, Aufenthaltsgelegenheiten und Fahrradwerkstatt untergebracht. Die klar gegliederte Fassade aus Betonwanden lauft weiter bis zur Straße und mundet in eine 600 Quadratmeter große Skatebahn. Hinter dem Gebaude schließt sich ein Spielplatz mit farbigen bespielbaren Kanalrohrelementen an. Kunstlerin: Apolonija Sustersic, 2013. Lage: Jugend- und Kulturzentrum emscherdamm, Bahnstraße 196/Flugstraße 1, Holten = Duisburg = Neustadt Neustadt: Das Kunstwerk zeigt eine fiktive Stadt, die sich aus 23 Hausmodellen im Maßstab 1 : 25 zusammensetzt. Die Hauser sind Miniaturen verschiedener realer Gebaude, die seit der Jahrtausendwende im Ruhrgebiet abgerissen wurden und zeigen einen zeitlichen und architektonischen Querschnitt des lokalen Stadtebaus. Dazu gehoren unter anderem ein Essener Mietshaus aus der Grunderzeit, das Hochhaus Goliath Marl aus dem Jahr 1973, Wohneinheiten im Plattenbaustil aus den 1970er Jahren, die Paulskirche aus Duisburg oder die Kirchen St. Josef und St. Stephanus aus Essen, ebenso wie Industriebauten, unter anderem das Kraftwerk Gustav Knepper. Die Skulpturen bestehen aus Beton, Stahl, Edelstahl und Acrylglas. Ihre Einbettung und allmahliche Uberwucherung durch die sie umgebenden Pflanzen ist Teil des kunstlerischen Konzeptes. Sie stehen auf einer baumbestandenen Grunflache zwischen der Alten Emscher, dem Fahrradweg „Gruner Pfad“ und der A 42. Kunstler: Julius von Bismarck, Marta Dyachenko, 2019. Lage: Landschaftspark Duisburg-Nord, Emscherstraße 71, Meiderich (Weitere Ansichten) Emscher Folly Emscher Folly: Die Installation besteht aus einem dreieckigen Betonfundament, auf dem uber funfzig bunte Fahrrader angeordnet sind. Sie sind dauerhaft an eine geschwungene, in Bogen verlaufende rostfreie Stahlkonstruktion angeschweißt. Das Werk steht auf einer Flache zwischen der Klaranlage Duisburg Alte Emscher und dem Huttenwerk Bruckhausen an der Alten Emscher und der Halde Alsumer Berg. In der Nahe mundete die Emscher ursprunglich in den Rhein. Der Name des Kunstwerks ist inspiriert vom Begriff „Folly“ als ein ungewohnliches, nutzloses Kuriosum. Nachdem Vogel auf der Suche nach Nistmaterial die Fahrradsattel aufpickten, wurden diese durch robustere Sattel ersetzt. Kunstlerin: Nicole Wermers, 2022. Lage: Klaranlage Duisburg Alte Emscher, Alsumer Straße 215, Hamborn Literatur Vera Battis-Reese, Karola Geiß-Netthofel, Ulrich Paetzel, Britta Peters: Emscherkunstweg. Hatje Cantz 2023, ISBN 978-3-7757-5569-6. (eingeschrankte Buchvorschau) Weblinks Website des Emscherkunstwegs Einzelnachweise
Der Emscherkunstweg ist im Ruhrgebiet ein 101 Kilometer langer permanenter Skulpturenweg von kunstlerischen Arbeiten im offentlichen Raum.
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Richard Philipp Krieger (* 30. Oktober 1876 in Kitzingen; † 12. Februar 1960 in Wiesloch) war ein deutscher Chirurg und SS-Arzt im Rang eines Sturmbannfuhrers in zahlreichen Konzentrationslagern. Er war an Menschenversuchen beteiligt und Beisitzer in Erbgesundheitsverfahren. Leben Krieger war der Sohn des Kitzinger Arztes Kaspar Krieger und dessen Ehefrau Elisabeth geb. Schumann. Die Schulzeit verbrachte er in Wurzburg, wo er am humanistischen Gymnasium 1895 das Abitur bestand. Nach einer sechsmonatigen Militarausbildung studierte er Medizin an der Universitat Wurzburg mit Promotion und Approbation im Jahr 1900. Als Assistent arbeitete er in Munchen, Wiesbaden und Freiburg. Als Facharzt fur Chirurgie konnte er in Rosenheim nicht Fuß fassen und arbeitete als Allgemeinarzt in Langenbrucken. Im Ersten Weltkrieg wurde er an der West- und Ostfront als Stabsarzt der Reserve und Chirurg eingesetzt. SS-Karriere Im August 1932 wurde er SS-Mitglied (Mitgliedsnummer 144.232) und zum 1. November 1932 NSDAP-Mitglied (Mitgliedsnummer 1.355.645). Es wird aufgrund der germanophilen Vornamen seiner Kinder angenommen, dass das Ehepaar Krieger schon zuvor in volkisch-nationalen Kreisen verkehrt hatte. Er wurde Kreisamtswalter im Amt fur Volksgesundheit, gehorte dem Lebensborn e.V. an und war Bezirksobmann im Nationalsozialistischen Arztebund sowie Beisitzer im Erbgesundheitsgericht Bruchsal. Er wurde als lokaler Experte im Themenfeld Rassenkunde und Erbbiologie angesehen. Im Oktober 1939 wurde er 63-jahrig zu den SS-Totenkopfverbanden einberufen. Zunachst diente er vermutlich als Wachmann und spater als Lager- und Standortarzt im KZ Mauthausen. Am 1. Dezember 1940 wurde er ans KZ Sachsenhausen versetzt, wo er die chirurgische Abteilung leitete und nach seiner Beforderung zum SS-Sturmbannfuhrer der Reserve auch Standortarzt war. Dort bevorzugte er die konsequente Anwendung der Sterilisations- und Kastrationsgesetzgebung auf Kosten der chirurgischen Betreuung der Haftlinge. Am 19. April 1941 wurde er ans SS-Genesungsheim Winterberg und im Dezember 1942 ans KZ Niederhagen versetzt, wo er auch Standortarzt von Wewelsburg wurde. Ab Mai 1943 diente er im KZ Bergen-Belsen, von wo er im September oder Oktober 1943 ans KZ Natzweiler-Struthof versetzt wurde und dort laut Zeugenaussagen an den todlichen Kampfstoffversuchen von Otto Bickenbach beteiligt war. Von April 1944 war er im KZ Dachau, unterbrochen von einem Kurzeinsatz im KZ Buchenwald. Ab dem 11. Dezember 1944 war er bis zur Auflosung im SS-Lazarett des KZ Auschwitz tatig. 1945 war er dann noch als leitender Arzt beim SS-Hauptamt Berlin und am Kriegsende beim SS-Genesendenbataillon in Langenau. Nach Angaben des ehemaligen Haftlings Stanisław Dobosiewiecz ermordete Krieger im Krankenrevier des Mauthausener Teillagers Gusen am 8. August 1940 zwolf kranke Haftlinge mittels Phenolinjektionen. Zeugenaussagen legen nahe, dass er Haftlinge wegen ihres vollstandigen Gebisses getotet habe, da Totenkopfe begehrte Schreibtischdekorationen waren. Im Fruhjahr 1941 soll er aktiv an der Euthanasieaktion 14f13 teilgenommen haben. In seiner Zeit in Natzweiler soll er aufs Operieren erpicht, aber bereits senil gewesen sein und riesige, schwer heilende Schnitte an den Haftlingen hinterlassen haben. Er zahlte zu den altesten SS-Arzten mit veralteten Fachkenntnissen, die im System der Konzentrationslager eingesetzt wurden, was auf einen eklatanten Mangel an SS-Fachchirurgen in den Konzentrationslagern hindeutet. Wegen seiner erbgesundheitlichen Tatigkeiten wird er als „Uberzeugungstater“ angesehen. Altersbedingt wurde er auch Papa Krieger genannt. Nachkriegszeit Krieger konnte sich reibungslos in die Nachkriegsgesellschaft integrieren und wirkte als Praktischer Arzt in Bad Langenbrucken. Am 15. Juni 1954 wurde er wegen seiner Beteiligung an Verbrechen im KZ Natzweiler-Struthof in Metz von einem franzosischen Militargericht in Abwesenheit zum Tode verurteilt, war aber vor einer Auslieferung durch Art. 16 Abs. 2 des Grundgesetzes fur die Bundesrepublik Deutschland in der bis 2000 geltenden Fassung geschutzt. Er verstarb 83-jahrig im Jahr 1960 in Wiesloch, ohne zu seiner Tatigkeit als SS-Lagerarzt vernommen worden zu sein. Familie Krieger hatte 1907 geheiratet, dem Paar wurden bis 1920 funf Kinder geboren. Seine Frau gehorte der NSDAP, der Nationalsozialistischen Frauenschaft und der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt an. 1936 trat er aus der katholischen und seine Frau aus der evangelischen Kirche aus. Literatur Marco Pukrop: SS-Mediziner zwischen Lagerdienst und Fronteinsatz. Die personelle Besetzung der Medizinischen Abteilung im Konzentrationslager Sachsenhausen 1936–1944. Dissertation. Leibniz-Universitat, Hannover 2015, S. 389–399, doi:10.15488/8553. online Einzelnachweise
Richard Philipp Krieger (* 30. Oktober 1876 in Kitzingen; † 12. Februar 1960 in Wiesloch) war ein deutscher Chirurg und SS-Arzt im Rang eines Sturmbannfuhrers in zahlreichen Konzentrationslagern. Er war an Menschenversuchen beteiligt und Beisitzer in Erbgesundheitsverfahren.
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c-225
Judy (* Februar 1936 in Shanghai, China; † 17. Februar 1950 in Tansania) war eine leberbraun-weiße English-Pointer-Hundin. Sie diente im Pazifikkrieg als Maskottchen auf Schiffen der Royal Navy und wurde als einziger Hund im Zweiten Weltkrieg offiziell als Kriegsgefangene registriert. 1946 wurde sie mit der Dickin Medal ausgezeichnet. Leben Judy wurde im Februar 1936 in Shanghai, China, geboren und war eine leberbraun-weiße English-Pointer-Hundin. Ende 1936 wahlte die HMS Gnat, ein auf dem Jangtsekiang stationiertes Schiff der Royal Navy, Judy zu ihrem Maskottchen. An Bord wurde die Hundin vom Metzger des Schiffes betreut, der den Titel „Keeper of the Ship’s Dog“ („Huter des Schiffshundes“) erhielt. Mitte 1939 wechselten einige Angehorige der Gnat-Besatzung mit Judy zur HMS Grasshopper. Auf diesem Schiff befand sich die Hundin nach dem Angriff auf Pearl Harbor und bei Ausbruch des Krieges gegen Japan im Dezember 1941. Anfang 1942 unterstutzte die HMS Grasshopper den Ruckzug der alliierten Streitkrafte vor den vorruckenden japanischen Truppen von Malaya nach Singapur. Kurz vor der Kapitulation von Singapur machte sich die Grasshopper auf den Weg nach Niederlandisch-Indien. Unterwegs wurde sie von japanischen Flugzeugen bombardiert, und die Besatzung musste das sinkende Schiff verlassen. Als sie zwei Tage auf einer unbewohnten Insel ohne Wasser festsaß, gelang es Judy, Sußwasser zu finden. Nachdem die Manner eine chinesische Dschunke requiriert hatten, fuhren sie damit einen Fluss auf Sumatra hinauf und wanderten dann 200 Meilen uber die Insel. Auf dem funfwochigen Marsch durch den Dschungel wurde Judy von einem Krokodil gebissen und erlitt eine funf Zentimeter lange Wunde uber dem linken Auge. Die Gruppe wurde von japanischen Truppen gefangen genommen und in das Gloegoer-Lager in Medan im Norden gebracht. Im Lager wurde Judy zunachst vor den Wachen versteckt. Auf Bitten des Flugzeugfuhrers Frank Williams wurde die Hundin vom japanischen Lagerleiter als Kriegsgefangene registriert und erhielt die Nummer 81A Gloegoer Medan, was ihr eine eigene Essensration sicherte. Sie war der einzige Hund, der wahrend des Zweiten Weltkriegs diesen offiziellen Status erhielt. Im Lager soll sie Schlangen und Skorpione abgewehrt haben, auf Nahrungssuche gegangen sein und die Wachen des Lagers bei Bedarf abgelenkt haben. Wenn Gefangene geprugelt wurden, ging sie dazwischen und bellte die Wachen an. Nach Berichten hat sie mindestens einmal Junge geworfen. Mitte 1944 wurden 700 Kriegsgefangene auf dem „Hollenschiff“ Harugiku Maru von Medan nach Singapur gebracht. Williams schmuggelte die Hundin in einem Reissack an Bord. Die Harugiku Maru wurde vom britischen U-Boot HMS Truculent torpediert – 180 Menschen starben. Williams konnte sich und auch Judy retten. Wahrend sie im Wasser war, versuchte sie, mehrere Nichtschwimmer und Verwundete in Sicherheit zu bringen. Williams wurde erneut gefangen genommen, wusste aber nicht, ob Judy uberlebt hatte. Nach einem Monat tauchte das abgemagerte Tier in seinem Lager auf. Frank Williams und Judy verbrachten das nachste Jahr zusammen mit anderen Kriegsgefangenen damit, die Thailand-Burma-Eisenbahnstrecke zu bauen. Das Essen war knapp, und es grassierten Krankheiten; insgesamt kamen beim Bau dieser Strecke geschatzt bis zu 90.000 Menschen ums Leben, darunter rund 13.000 Kriegsgefangene verschiedener Nationalitat. Im August 1945 kapitulierten die japanischen Streitkrafte, und die Kriegsgefangenenlager wurden befreit. An Bord des Truppenschiffes Antenor wurde Judy versteckt nach England transportiert, anschließend verbrachte sie sechs Monate in London in Quarantane. Am 30. April 1946 gab die People’s Dispensary for Sick Animals (PDSA) bekannt, dass Judy mit der Dickin Medal fur tapfere Tiere im Kriegseinsatz ausgezeichnet werde: „Fur großartigen Mut und Ausdauer in japanischen Gefangenenlagern, die dazu beitrugen, die Moral unter ihren Mitgefangenen aufrechtzuerhalten, und auch dafur, dass sie durch ihre Intelligenz und Wachsamkeit viele Leben rettete.“ Diese Medaille wurde gelegentlich als Aquivalent des Victoria Cross fur Tiere bezeichnet. Die Abkurzung V. C. findet sich sogar als Namenszusatz auf ihrem Grabstein. Die beiden Punkte entsprechen jedoch nicht der offiziellen Abkurzung VC fur das Victoria-Kreuz. Der Zusatz canine (lateinisch canis = Hund) weist auf die Sonderregelung fur Hunde hin. Außerdem erhielt sie den Pacific Star, den 1939–1945 Star und die Defence Medal; deswegen auch die Abkurzung D.M. auf der abgebildeten Gedenktafel. Die PDSA Dickin Medal wurde nicht als DM abgekurzt. Frank Williams wurde mit dem White Cross of St Giles der PDSA ausgezeichnet. Williams und sein Hund lebten nach dem Krieg zunachst in Portsmouth und spater in Tanganjika, wo er 1948 eine Stelle bei der britischen Regierung antrat. Zwei Jahre spater, am 17. Februar 1950, starb Judy. Sie wurde dort mit einer Jacke der Royal Air Force beerdigt, und Williams ließ ihr zu Ehren einen Gedenkstein errichten. 2006 vermachte die Familie Williams dem Imperial War Museum die Dickin Medal von Judy. Literatur Edwin Varley: Judy Story: The Dog with Six Lives. Hrsg.: Wendy James. Souvenir Press, London 1973, ISBN 978-0-285-62121-3 (archive.org). Weblinks AnimalWised: The Puppy That Became a Prisoner of War (Judy) auf YouTube, 7. Februar 2021, abgerufen am 18. Marz 2025 (Laufzeit: 3:23 min). Einzelnachweise
Judy (* Februar 1936 in Shanghai, China; † 17. Februar 1950 in Tansania) war eine leberbraun-weiße English-Pointer-Hundin. Sie diente im Pazifikkrieg als Maskottchen auf Schiffen der Royal Navy und wurde als einziger Hund im Zweiten Weltkrieg offiziell als Kriegsgefangene registriert. 1946 wurde sie mit der Dickin Medal ausgezeichnet.
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c-226
Marie Rosine Strauß, geborene Hemmann, geschiedene Strauß (geboren 1817 oder 1818; gestorben 21. Oktober 1864 in Dolau), war die letzte zum Tode verurteilte Person in Deutschland, die offentlich hingerichtet wurde. Der Mord Marie Strauß war Hefehandlerin und lebte in Leiningen, einem Dorf mit etwa 120 Einwohnern. Von ihrem Ehemann, dem Webermeister Strauß, war sie seit 1852 geschieden und hatte aus einer Verbindung mit Christian Sollner eine Tochter. Dieser verließ sie bald. 1856 nahm der Webermeister Friedrich Traugott Feustel, der schon vor deren Ehe Interesse an Marie Strauß bekundet hatte, wieder Kontakt zu ihr auf. Es entwickelte sich ein Liebesverhaltnis zwischen den beiden. Friedrich Feustel bot Marie Strauß und ihrer Tochter an, zusammen mit ihm, seiner Frau Christiane Karoline Feustel und deren Kindern in seinem Haus Nr. 16 in Leiningen zu wohnen. Marie Strauß nahm an und lebte mit Unterbrechungen bis zum Mord dort. Aus dem Verhaltnis von Strauß und Feustel ging ein Sohn hervor. Am 17. Dezember 1861 erdrosselte Marie Strauß die Ehefrau ihres Liebhabers mit einem Strick. Sie tarnte die Tat als Selbstmord und behauptete, sie habe die Weberin am Streichriegel des Webstuhls, einem quer liegenden Balken, hangend vorgefunden. Haft und Prozess Monatelang blieben Marie Strauß und Friedrich Feustel bei ihrer Behauptung, an dem Tod von Karoline Feustel nicht beteiligt gewesen zu sein. Es lagen gegenteilige Indizien und eine Zeugenaussage der Tochter von Marie Strauß vor. Erst Mitte 1862 gestand Marie Strauß, sie habe Karoline Feustel vorsatzlich getotet, um ihr Verhaltnis mit deren Mann ungehindert fortsetzen zu konnen. Er habe finanzielle Sicherheit bieten konnen, die sie fur die Zukunft ihrer beiden Kinder gebraucht hatte, und er habe sie zu dem Mord angestiftet. Friedrich Feustel gestand dies. Das Kriminalverfahren am Kriminalgericht Greiz dauerte eineinhalb Jahre. Die Verteidiger der beiden Angeklagten zogen die Schuldfahigkeit ihrer Mandanten in Zweifel. Als die Akten geschlossen waren, schickte die Greizer Regierung sie an die juristische Fakultat in Jena, deren Juristen in einem Gutachten die Strafen festzusetzen hatten. Das Furstentum Reuß alterer Linie wandte namlich noch bis weit ins 19. Jahrhundert hinein die Constitutio Criminalis Carolina an; das offentliche Schwurgerichtsverfahren wie in den Nachbarstaaten hatte sich hier noch nicht etabliert. Gemaß den Vorschriften der Carolina pladierten die Juristen aus Jena fur die Todesstrafe fur Marie Strauß, fur Friedrich Feustel als Anstifter fur eine geringere Strafe. Auf der Basis dieses Gutachtens verurteilte die furstliche Landesregierung in Greiz Marie Strauß zum Tod durch Enthauptung und den Anstifter Feustel zu einer lebenslangen Zuchthausstrafe; damals bestand im Furstentum Reuß alterer Linie noch keine Trennung zwischen Exekutive und Judikative. Einer der Anwalte legte Berufung beim Oberappellationsgericht in Jena ein, dem hochsten Gerichtshof fur die reußischen und sachsen-ernestinischen Staaten. Er vertrat die Meinung, Friedrich Feustel sei der eigentliche Urheber des Mordes, und Marie Strauß habe unter seinem Einfluss gestanden. Die Verurteilte war mit dieser Verzogerung nicht einverstanden; sie betrachtete ihre Strafe als wohlverdient. Erst nach langer Zeit bestatigte das Thuringer Gericht die Urteile gegen Marie Strauß und Friedrich Feustel. Furstin Caroline von Hessen-Homburg unterschrieb das Todesurteil. Sie wies aber die Landesregierung an, die Hinrichtung auszusetzen, wenn Marie Strauß um ihr Leben bitten wurde. Doch diese nahm die Entscheidung der Furstin dankbar an und bereitete sich mit ihrem Geistlichen auf ihren Todestag vor. Die Hinrichtung Als Henkersmahlzeit bestellte Marie Strauß eineinhalb Pfund Himbeeren, eineinhalb Flaschen Malaga-Sußwein und einen Pfefferminz-Schokoladen-Kuchen. Leiningen gehorte damals zu dem kleinen thuringischen Furstentum Reuß alterer Linie, das von knapp uber 40.000 Menschen bewohnt wurde. Seine Rechtsordnung sah damals auf der Grundlage einer Strafprozessordnung aus dem Spatmittelalter noch die offentliche Bestrafung fur Mord vor. Wahrend die meisten deutschen Staaten zu dieser Zeit keine offentlichen Hinrichtungen mehr vornahmen, hielten die beiden reußischen Lande und Kurhessen daran fest. Haufig war sie jedoch nicht mehr: Die letzte offentliche Hinrichtung vor dem Fall von Marie Strauß lag uber zwanzig Jahre zuruck. Am 2. August 1843 war in Schleiz im Herrschaftsbereich des Furstentums der jungeren reußischen Linie der Gastwirt Johann Wilhelm Oswald enthauptet worden. Er war schuldig gesprochen worden, mehrere seiner Verwandten vergiftet zu haben. Als Hinrichtungsstatte hatte das Gericht den sogenannten Schaltisacker im Elstertal zwischen Kleingera und Dolau festgelegt. Es wurden eine Tribune fur das Gerichtspersonal und gegenuber ein hohes Schafott mit schwarzem Gelander und rotem Fußboden aufgebaut. Der Richtplatz war mit Barrieren abgegrenzt. Die Zahl der Schaulustigen ging in die Tausende. 130 Mann Greizer Militar sollte fur die Aufrechterhaltung der Ordnung sorgen. Marie Strauß sollte mit dem Richtbeil enthauptet werden, aber der Greizer Scharfrichter konnte nur mit dem Richtschwert umgehen. Daher kam im Zuge der Amtshilfe, um die man die Regierung der preußischen Provinz Sachsen gebeten hatte, der erfahrene Scharfrichter Emanuel Hamel aus Sangerhausen. Zusammen mit seinen Gehilfen erwartete er auf dem Schafott die Verurteilte. Der Todeszug setzte sich um 8 Uhr vom ersten Hof des Oberen Schlosses aus in Bewegung: Im ersten Wagen befanden sich drei Beamte des Kriminalgerichts, dahinter gingen Vertreter anderer Behorden. Im zweiten Wagen, der von reitenden Soldaten eskortiert wurde, saßen die Verurteilte, ein Gerichtsdiener und zwei Geistliche. Da der Zug sich nur im Schritttempo bewegte, dauerte es uber eine Stunde, bis er an der Richtstatte ankam. Die drei Kriminalbeamten nahmen auf der Tribune Platz. Sodann stieg die Verurteilte aus, grußte die Beamten und bat die beiden Geistlichen, der Furstregentin fur die Bestatigung des Urteils zu danken. Das schwarze Tuch, das sie um die Schultern trug, bat sie, ihrer Tochter zu geben, damit diese es sich an ihrem Konfirmationstag umbinden konne. Mit den beiden Geistlichen stellte sich Marie Strauß dann auf einen Holztritt, der zwischen Tribune und Schafott aufgebaut worden war. Der Gerichtsvorsitzende hielt eine kurze Rede zur Tat und verlas das Todesurteil und die Bestatigung durch die Landesherrin. Im Anschluss ubergab er die Verurteilte an den Scharfrichter. Zusammen mit ihr knieten die Geistlichen nieder und beteten laut mit ihr das Vaterunser. Dann standen sie wieder auf und segneten die Frau durch Handauflegung. In einem Anfall von Angst rief sie: „Jetzt stehe ich da allein, ich weiß nicht, wie mir wird“, und einer der Geistlichen rief ihr Vers 4 aus Psalm 23 zu. Dann verband ihr Hamel mit einem weißen Tuch die Augen und ubergab sie den Gehilfen, die sie die Stufen zum Schafott hinauffuhrten. Oben rief sie den Zuschauern zu, sie sei eine reuige Sunderin. Vor dem Richtblock wurde ihre Augenbinde etwas gelockert und das Sterbekleid am Hals aufgeknopft, damit der Nacken frei war. Mit dem Kopf in Richtung auf die Tribune kniete sie nieder und ließ sich an den Block schnallen. Da ihr das Kleid in den Hals schnitt, hob sie kurz den Kopf, woraufhin die Gehilfen den Druck losten. Dann legte sie den Kopf auf den Block, sprach: „Moge Gott mich gnadig annehmen“, und wurde um 9.30 Uhr enthauptet. Rumpf und Kopf legte man dann in einen schwarz gestrichenen Sarg aus Holz, der sich im Inneren des Schafotts befand. Wahrend die Geistlichen still beteten, ließ man den Sarg in eine Grube hinunter, die neben dem Schafott ausgehoben worden war, und die Zuschauer entfernten sich. Einzelnachweise
Marie Rosine Strauß, geborene Hemmann, geschiedene Strauß (geboren 1817 oder 1818; gestorben 21. Oktober 1864 in Dolau), war die letzte zum Tode verurteilte Person in Deutschland, die offentlich hingerichtet wurde.
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c-227
Der Große Armmolch (Siren lacertina) ist ein Lurch aus der Gattung Siren, die im Osten der Vereinigten Staaten verbreitet ist. Anatomisch auffallig ist, dass die Art ausschließlich Vorderbeine und auch im ausgewachsenen Stadium Kiemen aufweist. Merkmale Adulte Große Armmolche haben meist eine Lange von 50 bis 75 cm, konnen aber auch bis zu 95 cm erreichen. Er ist die großte Art der Gattung Siren und eine der großten Amphibien Nordamerikas. Der Art fehlen hintere Extremitaten und der Beckengurtel. Sie hat kleine Vorderbeine mit vier Fingern. Auffallig sind die außeren Kiemenaste, die sich bei erwachsenenen Tieren nicht zuruckbilden, da sie padomorph sind. Dieser Zustand des dauerhaften Larvenstadiums, in dem sie dennoch fortpflanzungsfahig sind, wird als Neotenie bezeichnet. Die Schnauze des Großen Armmolchs ist breit und abgerundet. Die Nasenlocher auf der Unterseite der Schnauze sind klein und haben einen großen Abstand zueinander. Am breitesten ist der Kopf direkt vor den Kiemen. Diese bestehen aus drei Hauptasten auf beiden Seiten, die sich weiter verzweigen. Der Korper ist aalartig, dabei aber kraftig. Der Rumpf wird durch 36 bis 40 Rippenfurchen segmentiert. Der Große Armmolch hat an der Ober- und Unterseite des Schwanzes jeweils einen Flossensaum. Dieser ist auf der Bauchseite schmaler als auf der Ruckenseite. Der Flossensaum nimmt ungefahr 60 % der Lange von der Schwanzspitze bis zur Kloake ein. Der Schwanz ist vertikal abgeflacht. Die Ruckenseite ist olivgrun bis grau gefarbt, teilweise befinden sich im Kopfbereich dunkle Flecken. An den Flanken ist die Farbung heller als am Rucken und hier sind unscheinbare graulich-gelbe Striche und Flecken. Der Bauchbereich zeigt ein blauliches Grau, worauf sich teilweise kleine grunlich-gelbe Flecken oder blassgrune Punkte befinden. Die Kiemen sind grunlich, die Zehen sind gelblich mit schwarzen Spitzen und die Schnauze ist gelb oder hellbraun. = Merkmale der Larven = Beim Schlupf sind die Larven vom Vorderende bis zur Kloake 13 mm lang, insgesamt haben sie eine Lange von 16 mm. Der breite Flossensaum am Rucken beginnt hinter dem Kopf, auf der Bauchseite geht der Saum bis zur Kloake. Der Kopf ist klein, aber breiter als der Korper. Die Kiemen haben eine ahnlich Lange wie der Kopf. Die Larven haben beim Schlupf keine Gliedmaßen. Frisch geschlupfte Larven und Jungtiere haben einen gelblichen Streifen an der Korperseite und die Ruckenflosse ist hell gefarbt. Außerdem haben sie jeweils einen braunlichen Streifen hinter den Augen. Der Kopf- und Halsbereich ist gelbbraun gefarbt. Die farblichen Charakteristika der Larven verschwinden im ersten Lebensjahr. Lebensweise Im Gegensatz zu vielen Schwanzlurchen verbringt der einzelgangerische Große Armmolch sein gesamtes Leben im Wasser und nie an Land. Wenn die Gewasser austrocknen, grabt sich der Molch in den Schlamm und tritt dort in einen Zustand der Sommerruhe, um Austrocknung zu vermeiden. Vor Eintritt der Sommerruhe bildet er einen Kokon aus Sekreten und abgestorbenen Epithelzellen. = Ernahrung = Da im Verdauungssystem des Großen Armmolchs Algen gefunden wurden, konnte es sein, dass die Art omnivor lebt. Die Art kann am Gewassergrund Nahrung aus dem Detritus herausfiltern. Außerdem ernahrt sich der Molch auch carnivor von verschiedenen Wasserorganismen, wie Insekten, Spinnen, Krebstieren, Muscheln, Schnecken und kleinen Fischen. Aufgrund der geringen Sichtweite im truben Gewasser, in dem der Große Armmolch lebt, nutzt er vermutlich bei der Nahrungssuche das Jacobson-Organ, anstatt auf Sicht zu jagen. = Fortpflanzung = Uber die Fortpflanzung des Großen Armmolchs ist wenig bekannt. Mit zwei bis drei Jahren erreicht das Tier die Geschlechtsreife. Die Anatomie des Lurchs legt nahe, dass der Laich bei dieser Art außerhalb des Korpers befruchtet wird, jedoch wurde der Vorgang nie in der Natur beobachtet. Auch Eier und Larven werden im naturlichen Lebensraum des Molchs selten gefunden, da sie moglicherweise in Pflanzen und Schlamm versteckt sind. In Gefangenschaft wurden die Eier einzeln oder in kleinen Paketen gelegt. Zwischen Februar und Marz legt das Weibchen bis zu 500 Eier. Die Eier weisen eine braunliche Ober- und eine weiße Unterseite auf und sind von drei Gelhullen umgeben. Der Durchmesser betragt 9 mm. Nach ungefahr zwei Monaten schlupfen die Larven. Da sich die Fortpflanzung in Gefangenschaft und im naturlichen Habitat unterscheiden konnen, sehen sich Forscher vor, die Erkenntnisse von Individuen im Aquarium auf die Wildpopulationen zu ubertragen. = Fressfeinde = Zu den naturlichen Fressfeinden des Großen Armmolchs gehoren die Schlammnatter und der Alligator, in deren Magen Uberreste des Molchs gefunden wurden. Auch die erfolgreiche Jagd des Kanadareihers wurde dokumentiert. Der Große Armmolch kann eine Vielzahl an Tonen produzieren, die vermutlich der Feindabwehr dienen. Zu diesen Tonen gehoren ein Jaulen, ein Ton, der an den Ruf des Karolina-Laubfroschs erinnert, und ein Ruf, der dem Gerausch von Entenkuken ahnelt. Außerdem kann der Molch bei Storung schnell wegschwimmen. Der Biss des Armmolchs wird als sehr schmerzhaft beschrieben, so dass er hierdurch mogliche Fressfeinde ebenfalls abschrecken kann. Lebensraum und Verbreitung Die Art ist in den Kustengebieten entlang der sudostlichen Kustenregion der Vereinigten Staaten verbreitet. Das Gebiet erstreckt sich von Washington, D.C. uber Florida bis ins sudliche Alabama. Der Lebensraum des Großen Armmolchs besteht aus schlammigen und unkrautuberwucherten Gewassern, wie flachen Graben, Reisfeldern, Sumpfen, Teichen, Seen und Bachen. Die Art ist nachtaktiv und tagsuber findet man sie in und unter Baumstammen, in Abflussrohren und unter Felsen, sie grabt sich aber auch im Schlamm ein oder sitzt unter dichter Vegetation. Die Larven findet man oft zwischen den Wurzeln von Wasserhyazinthen. = Fossile Funde = Vom Großen Armmolch sind Funde aus dem Pleistozan in Florida bekannt. = Gefahrdung = Er wird wegen seiner stabilen Populationsgroße und wegen seiner Haufigkeit in Florida, Georgia und South Carolina von der IUCN als Least Concern („nicht gefahrdet“) eingestuft. Einzig im US-Bundesstaat Maryland wird die Art als endangered („gefahrdet“) gefuhrt. Etymologie Das Artepitheton lacertina kommt aus dem Latein und bedeutet „den Eidechsen zugehorig“, was sich auf den schlangelnden Korper bezieht. Systematik Das Schwesterntaxon des Großen Armmolchs ist der Kleine Armmolch. Die beiden Arten lassen sich in der Natur teilweise schwierig auseinanderhalten, da sie sowohl bei ihren Merkmalen als auch im Lebensraum große Gemeinsamkeiten aufweisen und weil die Große sich nur bei ausgewachsenen Tieren unterscheidet. Genetische Untersuchungen zeigen jedoch, dass es sich um zwei unterschiedliche Arten handelt. Kladogramm fur die systematisch nah verwandten Arten des Großen Armmolchs: Weblinks Greater Siren in der Roten Liste gefahrdeter Arten der IUCN 2024.1. Eingestellt von: IUCN SSC Amphibian Specialist Group, 2019. Abgerufen am 12. September 2024. Einzelnachweise
Der Große Armmolch (Siren lacertina) ist ein Lurch aus der Gattung Siren, die im Osten der Vereinigten Staaten verbreitet ist. Anatomisch auffallig ist, dass die Art ausschließlich Vorderbeine und auch im ausgewachsenen Stadium Kiemen aufweist.
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c-228
Wir sind anders, als ihr denkt: Der arabische Feminismus ist der Titel eines feministischen Sachbuches der Autorin Claudia Mende. Das Buch erschien im September 2024 im Westend Verlag. Inhalt Die Gesellschaften der arabischen Welt befinden sich in einem massiven Wandel, der auch Frauen, ihre Rolle in der Gesellschaft und in der Familie betrifft. Mende fuhrt zahlreiche Interviews und lasst die Frauen selbst zu Wort kommen, sie zeigt ihre Lebenswelt und ihren Kampf fur Freiheit und Gleichberechtigung. In allen arabischen Landern sind Frauen im offentlichen Raum immer starker prasent und fordern ihre Rechte ein. Es gibt aber nicht die eine arabische Welt, jedes arabische Land hat seine Eigenheiten, seine eigenen Gesetze, gesellschaftlichen Gegebenheiten und seine wirtschaftliche Kraft – die hochst unterschiedlich sein konnen. So ist in Tunesien die rechtliche Gleichstellung beinahe erreicht, wahrend die Gesetze Saudi-Arabiens Frauen betrachtlich diskriminieren. Das Buch gliedert sich in mehrere Kapitel: Kapitel 1. Die Anfange: Hoda Shaarawi und der Aufbruch der Frauen In diesem Kapitel wird die bereits 100-jahrige Geschichte des arabischen Feminismus vor allem in Agypten beschrieben und ihre wesentlichen Protagonistinnen wie Shaarawi. Es wird aufgezeigt, welche Rechte Frauen sich Schritt fur Schritt erkampft haben. Kapitel 2. Staatsfeminismus: Frauenrechte von oben Nach der Unabhangigkeit hatten einige Staaten das Bedurfnis, sich grundlegend zu modernisieren, darunter auch die gesetzlichen Regelungen, die Frauen betreffen. Besonders in Tunesien war zu beobachten, dass ausgehend vom Machthaber viele frauenfreundliche Gesetze erlassen wurden. Wenn diese aber im Gegensatz zu den Wunschen von Frauen standen, konnten die Autokraten auch hart durchgreifen. Kapitel 3. Die Arabellion von 2011 – eine neue Etappe Frauen spielten in den Aufstanden des arabischen Fruhlings eine entscheidende Rolle, und das obwohl sie ein noch großeres Risiko als die Manner eingingen. Mende portratiert einige Frauen, ihre Vorstellungen und ihren Kampf in der Arabellion, aber auch die Veranderung in den Frauenrechten, die angestoßen wurden. Kapitel 4. Knackpunkt Familienrecht Das Familienrecht in arabischen Landern ist ein Mix aus dem Code Napoleon und den Vorschriften des islamischen Rechts. Welche Rechtsauslegung wichtiger ist, ist von Land zu Land unterschiedlich. Dieses Recht betrifft Frauen besonders bei Heirat, Scheidung oder Sorgerecht. Dies betrifft nicht nur Musliminnen, auch arabische Christinnen sind von der konservativen Rechtsauslegung ihrer Kirchen betroffen. Auch die Kirchen orientieren sich an einer sehr konservativen Auslegung, die Manner begunstigt. In konservativeren Landern ist auch durchaus noch der (mannliche) Vormund fur Frauen ublich. Das Erbrecht ist auch mannlich orientiert. Kapitel 5. Sexuelle Selbstbestimmung Sexualitat ist in der arabischen Welt stark tabuisiert, das betrifft Frauen besonders: Jungfraulichkeit vor der Ehe ist noch immer wichtig, Abtreibung in nahezu allen Landern verboten, und offen homosexuell zu leben steht in den meisten arabischen Landern unter Strafe. Die gesellschaftliche Achtung kann immens sein. Dies betrifft Musliminnen genauso wie Christinnen. Das war aber nicht immer so: Bis weit in das 19. Jahrhundert war die arabische Welt deutlich liberaler als Europa, hat dann aber die konservativen Normen der Kolonialisten ubernommen und seitdem beibehalten. Kapitel 6. Gewalt gegen Frauen Gewalt gegen Frauen ist weit verbreitet. Sie reicht von sexistischen Spruchen, strukturellen Benachteiligungen, Zwangsarbeit, Vergewaltigung und sexuellem Missbrauch bis zu Gewalt in Familien und Ehrenmorden. Aber auch hier regt sich Widerstand: Besonders in Jordanien und Agypten ist das Thema kein Tabu mehr, und die Gesetze andern sich langsam. Kapitel 7. Feministischer Islam Viele arabische Frauen sind Muslima und Feministin – das ist fur sie kein Widerspruch. Mehr und mehr kampfen sie dafur, den Islam feministisch zu interpretieren und den Koran aus Frauensicht zu lesen. Viele junge Menschen wollen ihren Glauben mit einem modernen Leben vereinbaren. Es gibt auch vereinzelt bereits Predigerinnen in den Moscheen, allerdings nur fur Frauen. Kapitel 8. Der Westen und die Frauenrechte: Koloniale Lasten Das Motiv der „Befreiung“ der ostlichen Frau spielte eine zentrale Rolle im Kolonialismus und wurde haufig als Feigenblatt benutzt, um die Unterwerfung der Volker zu legitimieren. Oft ging es dabei um die Kopfbedeckung, in Bildung und Frauenrechte wurde nicht investiert, damit war der Nutzen fur Frauenrechte limitiert. Portratierte Frauen bestatigen, dass Frauenrechte aus dem Inneren der Gesellschaft wachsen und die Unterstutzung ihrer Gesellschaften haben mussen, um langfristig erfolgreich zu sein, und nicht von außen verordnet werden konnen. Kapitel 9. Veranderte Lebenswelten: Frauen auf dem Vormarsch – und was ist mit den Mannern? Frauen, vor allem junge Frauen, verandern sich bereits stark, wahrend viele Manner noch im konservativen Denken verhaftet sind. Mende vergleicht die heutigen Verhaltnisse und den Status der Frauen in der arabischen Welt mit den Denkweisen der 1950er und 1960er Jahre in Europa. Wirkung und Rezeption Abdul-Ahmad Rashid meinte im Deutschlandfunk, dass Claudia Mende ein spannendes und informatives Buch uber den Feminismus in der arabischen Welt geschrieben hat. Mende fuhre ihre Leser in diese Welt ein, zeige deren Geschichte auf, aber auch wie heterogen die unterschiedlichen Lander Arabiens in Bezug auf Frauenrechte und Kultur sind. Die Frauen in der arabischen Welt wurden ihren Kampf fur ihre Rechte und ihre Freiheiten auf zwei Ebenen fuhren: erstens gegen ihre eigenen Gesellschaften und deren patriarchale Strukturen, die Gewalterfahrungen und die sexuelle Unterdruckung, zweitens auch gegen die Vorstellungen des Westens und deren eingeschrankte Sicht auf arabischen Frauen. Ulrike Timm schrieb im DF Kultur, Mende zeige viele Begegnungen mit Frauen der arabischen Welt und auch wie schief das westliche Bild ist. Frauen seien keine Duckmauser unter dem Kopftuch, sondern selbstbewusste Aktivistinnen. In der Frankfurter Rundschau stellte Ursula Russmann fest, es gehe in dem Buch um Geschlechtergerechtigkeit in vielen Facetten, wie Bildungszugang, sexuelle Selbstbestimmung, Erbrecht und Ahnliches. Viele engagierte Frauen wurden in der arabischen Welt fur ihre Rechte selbstbewusst kampfen, diese Frauen warten keineswegs darauf, dass der Westen sie erlose. Martina Scherf ist in der Suddeutschen Zeitung der Auffassung, dass Mende in ihrem Buch uberraschende Perspektiven bietet, sie schreibe von Anwaltinnen, Richterinnen, Burgermeisterinnen, Parlamentsabgeordneten, Wissenschaftlerinnen, Sozialarbeiterinnen und Bloggerinnen im arabischen Raum und nicht von den Stereotypen, die hierzulande uber arabische Frauen vorherrschen. Der gesellschaftliche Wandel finde statt, wenn auch langsam. Arabische Frauen wurden fur ihre Rechte eintreten und langsam Justizreformen in ihren Landern anstoßen. Christine Tragler meint im Sudwind Magazin, dass uberall auf der Welt Frauen gegen mannliche Dominanz aufbegehren, so auch im arabischen Raum. Je nach Land waren die Strategien unterschiedlich und so vielfaltig wie die einzelnen arabischen Gesellschaften. Der arabische Feminismus blicke auf eine mehr als hundertjahrige Gesellschaft zuruck, Mende gebe dazu einen guten Uberblick. Seit dem Arabischen Fruhling finde in allen Landern ein massiver gesellschaftlicher Wandel statt, so auch fur die Frauen. Der Westfalische Anzeiger sagt, dass Mende in ihrem Buch nicht uber arabische Frauen berichtet, sondern diese selbst zu Wort kommen lasst. Ausgaben Claudia Mende: „Wir sind anders, als ihr denkt“: Der arabische Feminismus. 1. Auflage. Westend Verlag, Frankfurt am Main 2024, ISBN 978-3-86489-463-3. Weblinks Rezensionsnotizen zu Wir sind anders, als ihr denkt: Der arabische Feminismus bei Perlentaucher Einzelnachweise
Wir sind anders, als ihr denkt: Der arabische Feminismus ist der Titel eines feministischen Sachbuches der Autorin Claudia Mende. Das Buch erschien im September 2024 im Westend Verlag.
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c-229
Anna Yolanda Cramling Bellon (geboren am 30. April 2002 in Malaga, Spanien) ist eine spanisch-schwedische Schachspielerin und Streamerin auf Twitch und YouTube. Bei den Schacholympiaden 2016, 2022 und 2024 trat sie fur Schweden an. Sie halt den Titel einer FIDE-Meisterin der Frauen (WFM) im Schachspiel. Im Jahr 2024 gewann sie einen Streamer Award. Leben Anna Cramling wuchs in einer Familie von Schachspielern auf. Ihre Mutter Pia Cramling ist schwedische Schachgroßmeisterin, ihr Vater Juan Manuel Bellon Lopez spanischer Großmeister. Sie wuchs in Spanien auf und lernte mit drei Jahren das Schachspiel. Sie begleitete ihre Eltern oft zu Schachturnieren. Im Alter von elf Jahren zog ihre Familie nach Schweden. Unmittelbar danach stieg ihre Elo-Zahl um 300 Punkte auf 1900. Als 14-Jahrige uberschritt sie die Elo-Marke von 2000. Ihre Lieblingseroffnung ist das Damenbauernspiel. In einem Interview sagte sie, ihre Eroffnungsstrategie habe sie von ihrer Mutter, ihr aggressives Mittelspiel von ihrem Vater. Endspiele wurden ihr nicht gefallen. Im Jahr 2020 startete Anna Cramling einen Kanal auf Twitch. Ihr YouTube-Kanal begann mit am Straßenrand aufgenommenen Schachspielen gegen Gegner, die Cramling tendenziell unterschatzen – und meist verlieren. Spater spielten Wettbewerbe, an denen sie teilnahm, die Hauptrolle. Viele Spiele werden von Cramlings Mutter in englischer Sprache live kommentiert. Wahrend der Spiele ordnet Anna Cramling die Partien analytisch ein. Ihr Youtube-Kanal wurde 2024 der elfte mit Schachthema, der eine Million Abonnenten erreichte. Sie wurde 2024 mit dem Streamer Award in der Kategorie Best Strategy Game Streamer ausgezeichnet. Anfang 2025 ubertraf sie an Abonnenten auch den Youtube-Kanal des Weltranglisten-Ersten und ehemaligen Weltmeisters Magnus Carlsen. Anna Cramling lebt in Stockholm. Weblinks Anna Cramling auf Youtube Anna Cramling auf Twitch Einzelnachweise
Anna Yolanda Cramling Bellon (geboren am 30. April 2002 in Malaga, Spanien) ist eine spanisch-schwedische Schachspielerin und Streamerin auf Twitch und YouTube. Bei den Schacholympiaden 2016, 2022 und 2024 trat sie fur Schweden an. Sie halt den Titel einer FIDE-Meisterin der Frauen (WFM) im Schachspiel. Im Jahr 2024 gewann sie einen Streamer Award.
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c-230
Das Wollstonecraft-Dilemma beschreibt den Zielkonflikt zwischen der Forderung nach rechtlicher Gleichstellung von Frauen und der Forderung nach gleichberechtigter Wertschatzung der Talente, Bedurfnisse und Betreuungsfahigkeiten von Frauen. Die patriarchalen Strukturen des Wohlfahrtsstaats setzen voraus, dass notwendige Sorgearbeit unentgeltlich in den Familien, in der Regel von Frauen, geleistet wird. Gleichzeitig konnen aber nur diejenigen die „volle“ Staatsburgerschaft erreichen, die bezahlter Arbeit nachgehen. Die britische Politikwissenschaftlerin Carole Pateman beschrieb das Dilemma 1988 in ihrer Analyse der patriarchalen Strukturen des Wohlfahrtsstaats. Sie benannte das Dilemma nach Mary Wollstonecraft, die in ihrer Schrift Verteidigung der Rechte der Frau von 1792 sowohl Gleichberechtigung als auch die Anerkennung der Besonderheiten der Frau forderte. Vorgeschichte Obwohl in der westlichen Welt seit dem 18. Jahrhundert gegen die Benachteiligung von Frauen gekampft wird, gibt es keinen Konsens im Hinblick auf das Ziel „Geschlechtergerechtigkeit“. Die feministische Debatte dazu schlug sich schon in den ersten Schriften, die am Anfang der Bewegung veroffentlicht wurden, nieder. Olympe de Gouges’ Erklarung der Rechte der Frau und Burgerin (1791) forderte die Rechtsgleichheit der Frauen ein, wahrend Mary Wollstonecrafts Verteidigung der Rechte der Frau (1792) betonte, dass Geschlechtergerechtigkeit die Berucksichtigung der Geschlechterdifferenz erforderte. Die Argumentationen stehen fur zwei gegensatzliche Positionen im Feminismus: Gleichheitsfeminismus und Differenzfeminismus. Wahrend beide Stromungen im Feminismus immer vorhanden waren, standen der Gleichheitsfeminismus und der Kampf um gleiche Rechte und die Einbeziehung von Frauen in die offentliche Sphare lange im Vordergrund. Gerade die Erfolge in dieser Beziehung fuhrten dazu, dass die strukturellen Ungleichgewichte zwischen den Geschlechtern offensichtlich wurden. In den 1980er Jahren wurden diese vermehrt diskutiert und differenzfeministische Ansatze vermehrt propagiert. Diese Ansatze betonen den Wert aller Attribute, Verhaltensweisen und Werte, die traditionell als typisch weibliche Eigenschaften unterschatzt wurden. Beschreibung 1988 analysierte Carole Pateman die patriarchalen Strukturen des Wohlfahrtsstaats und die Grunde dafur, warum Frauen noch in keinem Wohlfahrtsstaat die „volle“ Staatsburgerschaft erreicht hatten. Ihr Ausgangspunkt war das Dilemma, das Hegel in den Grundlinien der Philosophie des Rechts (1821) beschrieben hatte, wie von J. Donald Moon interpretiert. Hegel hatte festgehalten, dass die Organisation des okonomischen Lebens durch den Markt notwendigerweise große Armut neben großem Wohlstand erzeuge. Daraus ergibt sich nach Hegel das Dilemma, dass die Armen zwar (wie die Wohlhabenden) Bedurfnisse wie Bildung, Gerechtigkeit, Gesundheitsversorgung usw. hatten, doch die Armut deren Befriedigung verhindere. Die Rechtfertigung fur die Organisation des Wirtschaftslebens durch den Markt beruhe aber auf der Vorstellung von Individuen, die in der Lage sind, Optionen abzuwagen und Entscheidungen zu treffen, und zudem Anspruch auf bestimmte Rechte und respektvolle Behandlung hatten. Armut stelle daher so einen unverdienten Ausschluss aus der Gesellschaft dar. Wenn es dafur keinen Ausgleich gabe, hatten in Armut lebende Individuen daher nicht die volle Staatsburgerschaft. Die moralische Basis des Wohlfahrtsstaats beruhe aber darauf, die sozialen Rechte aller zu gewahrleisten. Pateman erganzte, dass es eine weitere Personengruppe gabe, die in der Logik von Hegel und weiterer westlicher Denker seiner Zeit nicht Teil der burgerlichen Gesellschaft waren. Dies waren die Frauen, da sie von ihrer Natur her nicht die Eigenschaften und Fahigkeiten hatten, um in der Offentlichkeit zu agieren und ihre Arbeitskraft verkaufen zu konnen. Deswegen waren sie von der Staatsburgerschaft ausgeschlossen. Hegels Losung war, die Frauen nicht als Staatsburgerinnen, sondern als Familienmitglieder in den Staat zu integrieren. Die Familie bzw. das Private wurde als eine von der Offentlichkeit getrennte Sphare gesehen, die der Fuhrung und Herrschaft des mannlichen Familienoberhaupts unterworfen sei. Ab dem 20. Jahrhundert hatten Frauen die rechtliche Staatsburgerschaft trotzdem erlangt. Dennoch wurde, so Pateman, die „patriarchale“ Trennung in private Familie und offentliche Gesellschaft aufrechterhalten. Die offentliche Gesellschaft ist eine Verbindung von freien und gleichen Individuen, eine Sphare von Eigentum, Rechten und Vertragen. Dagegen ist die Familie eine Verbindung von Individuen, die auf Liebe und Zuneigung, Verwandtschaft, „naturlicher“ Unterwerfung und Besonderheit beruhe. Die Trennung von privater und offentlicher Sphare sei nicht geschlechtsneutral, sondern wirke sich geschlechtsspezifisch aus. Die geschlechtliche Arbeitsteilung fuhre dazu, dass Frauen im Wohlfahrtsstaat das zentrale Kriterium fur Staatsburgerschaft – rechtliche und okonomische Unabhangigkeit – nicht erreichen und damit keine volle Staatsburgerschaft haben. Der Wohlfahrtsstaat wurde auf der Annahme aufgebaut, dass bestimmte Aspekte der Wohlfahrt (bzw. Sorgearbeit) in der Familie abgedeckt werden. Diese Sorgearbeit wird von Frauen geleistet, aber ohne Entgelt. Daraus hat sich laut Pateman ein Dilemma fur die Frauen im Hinblick auf Staatsburgerschaft ergeben. Einerseits forderten sie, dass ihnen das Ideal der Staatsburgerschaft zu gleichen Bedingungen wie Mannern zugesprochen wird. In einer universalistischen, geschlechtsneutralen sozialen Welt ist das mit bezahlter Arbeit verknupft. Andererseits bestanden sie oft auch darauf, dass sie als „Frauen“ bestimmte Eigenschaften, Fahigkeiten, Bedurfnisse und Anliegen hatten, so dass die Auspragung ihrer Staatsburgerschaft sich von der der Manner unterscheide. Oftmals hatten sie diese sich widersprechenden Forderungen gleichzeitig vertreten, wie zum Beispiel Wollstonecraft in Verteidigung der Rechte der Frau. Pateman fuhrte aus: Diesem Dilemma gab Pateman den Namen „Wollstonecraft-Dilemma“. Aus ihrer Sicht verscharft sich das Dilemma mit der zunehmenden Kommodifizierung weiter Teile des menschlichen Lebens und der Ausbreitung von Marktlogiken. In einer spateren Veroffentlichung spitzte Pateman 1992 das Dilemma zu einer Wahl zwischen Gleichheit und Mutterschaft zu. Wirkungsgeschichte Schon in einer fruhen Rezension wurde vorhergesagt, dass Patemans Aufsatz sich zu einem Klassiker entwickeln wurde. Inzwischen gilt er als bahnbrechende Arbeit uber den patriarchalen Wohlfahrtsstaat. Das Wollstonecraft-Dilemma, wie von Pateman formuliert, wurde ein Ausgangspunkt fur die Theorie der geschlechtsspezifischen Staatsburgerschaft. In der Forschung wurde das Konzept weiter ausgearbeitet, angefochten und neu formuliert. Die meisten feministischen Wissenschaftlerinnen sind sich einig, dass Wollstonecrafts Dilemma unlosbar ist. Ruth Lister schrieb, dass Patemans Konzeption des Dilemmas zwar theoretisch erhellend sei, jedoch auf den ersten Blick politisch lahme. Mitchell Dean bezeichnete es als Patemans eigenes Dilemma, dass sie zwar gerne fur eine Politik pladieren wollte, die die sexuelle Differenz betont und die Strategien des liberalen Feminismus ablehnt. Doch ihre eigene Theorie liefere keinen Grund fur die Uberlegenheit der einen oder der anderen Seite. In Reaktion darauf verzichteten etliche feministische Wissenschaftlerinnen auf „normative Theoretisierungen“ und beschrankten sich (so die US-amerikanische Politikwissenschaftlerin Nancy Fraser) auf Kulturpositivismus, stuckweise Reformen oder postmodernen Antinomismus. Fraser lehnte diesen Ruckzug von der Theorie ab. Sie schlug vor, Geschlechtergerechtigkeit nicht mit einem einzigen Wert oder einer einzigen Norm zu identifizieren, sei es nun Gleichheit, Unterschiedlichkeit oder etwas anderes. Stattdessen sollte sie als komplexer Begriff behandeln werden, der eine Vielzahl unterschiedlicher normativer Grundsatze umfasst. Erik Christiensen warnte, dass Gleichheit/Differenz ein falscher Gegensatz sei. Die Antithese zur Gleichheit sei Ungleichheit und nicht die Differenz, und die Antithese zur Differenz Einheitlichkeit oder Identitat, nicht Gleichheit. Die Darstellung von Gleichheit/Differenz als dichotome Wahlmoglichkeit mache es Feministinnen unmoglich, eine Wahl zu treffen. Emanuela Lombardo propagierte einen ganzheitlichen Ansatz, der die sozial konstruierten Unterschiede zwischen Frauen und Mannern und die patriarchalen Strukturen nicht als gegeben hinnimmt. Maßnahmen sollten nicht „fur Frauen“ ausgelegt werden, sondern auf die bestehenden verfestigten Raume mannlicher Macht auf allen Ebenen. Zum Beispiel sollte die Aufteilung von Arbeit und Haushaltspflichten zwischen den Geschlechtern aktiv gefordert werden. So wird versucht, mit dekonstruktivistischen Geschlechterkonzepten das Wollstonecraft-Dilemma aufzulosen. Das bedeutet, als Grundlage politischer Forderungen sollten eben nicht Frauen als einheitliche Gruppe konstruiert werden. Die Unterschiede zwischen den Frauen sollten wahrgenommen sowie der Geschlechterdualismus durchbrochen werden, indem das biologische Geschlecht (sex) als diskursiv hergestelltes begriffen wurde. Literatur Carol Pateman: The Patriarchal Welfare State. In: Amy Gutmann (Hrsg.): Democracy and the Welfare State (= Studies from the Project on the Federal Social Role). Princeton University Press, Princeton, N.J. 1988, ISBN 0-691-21795-5, S. 231–260 (jhu.edu). Carole Pateman: The Patriarchal Welfare State. In: The Disorder of women. Democracy, feminism and political theory. Polity Press, Cambridge 1989, ISBN 0-7456-0572-9, S. 179–209. Carole Pateman: Gleichheit, Differenz, Unterordnung. Die Mutterschaftspolitik und die Frauen in ihrer Rolle als Staatsburgerinnen. In: Feministische Studien. Band 10, Nr. 1, 1. Mai 1992, ISSN 2365-9920, S. 54–69, doi:10.1515/fs-1992-0106 (englisch: Equality, difference, subordination: the politics of motherhood and women's citizenship. 1992.). Einzelnachweise
Das Wollstonecraft-Dilemma beschreibt den Zielkonflikt zwischen der Forderung nach rechtlicher Gleichstellung von Frauen und der Forderung nach gleichberechtigter Wertschatzung der Talente, Bedurfnisse und Betreuungsfahigkeiten von Frauen. Die patriarchalen Strukturen des Wohlfahrtsstaats setzen voraus, dass notwendige Sorgearbeit unentgeltlich in den Familien, in der Regel von Frauen, geleistet wird. Gleichzeitig konnen aber nur diejenigen die „volle“ Staatsburgerschaft erreichen, die bezahlter Arbeit nachgehen. Die britische Politikwissenschaftlerin Carole Pateman beschrieb das Dilemma 1988 in ihrer Analyse der patriarchalen Strukturen des Wohlfahrtsstaats. Sie benannte das Dilemma nach Mary Wollstonecraft, die in ihrer Schrift Verteidigung der Rechte der Frau von 1792 sowohl Gleichberechtigung als auch die Anerkennung der Besonderheiten der Frau forderte.
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c-231
Francois Nordmann (* 1942 in Freiburg im Uechtland; heimatberechtigt in Freiburg und Seuzach) ist ein Schweizer Diplomat. Nordmann gilt nach Meinung der NZZ als «Koryphae der Schweizer Diplomatie». Familie und Arbeit Die Familie Nordmann stammt aus dem elsassischen Hegenheim und ist seit Ende des 19. Jahrhunderts mit mehreren Zweigen in Biel, Genf, Olten und Freiburg in der Schweiz vertreten. Vorfahren seiner Familie hatten wichtige Amter innerhalb des Rabbinats Hegenheim inne. Er ist Sohn von Jean Nordmann, Prasident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes, des Dachverbands der Swiss Federation of Jewish Communities, und der Bluette Otschakowsky (1919 bis 2010). Francois hat einen Bruder namens Claude. Nordmann ging zunachst auf das Kollegium St. Michael in Freiburg, um dann Jura zu studieren, zuerst an der heimatlichen Universitat Freiburg, anschliessend am Hochschulinstitut fur internationale Studien und Entwicklung in Genf. Er schloss sein Studium mit dem Lizenziat der Rechte ab. Ab Mai 1971 war er beim Eidgenossischen Departement fur auswartige Angelegenheiten angestellt. Seine ersten Einsatzorte als Stagiaire waren Bern und London. In den spaten 1970er Jahren war er Mitarbeiter des Politischen Sekretariats, dann diplomatischer Sekretar. 1980 erhielt er als Botschaftsrat der Standigen Beobachterkommission das Mandat bei den Vereinten Nationen in New York. Ab 1984 war er Botschafter der Schweiz in Mittelamerika fur Guatemala, Costa Rica, Honduras, Nicaragua, El Salvador und Panama. Ab 1987 war er wieder in Europa, wo er zunachst zum Chef der Standigen Delegation der Schweiz bei der UNESCO in Paris ernannt wurde. Es folgten die Stationen als Direktor der Direktion fur Internationale Organisationen, 1994 Botschafter in Grossbritannien, 1999 Botschafter und Chef der Standigen Mission der Schweiz bei den Internationalen Organisationen in Genf und ab 2002 Botschafter in Frankreich. 2007 schied Nordmann aus dem aktiven Dienst aus. In seiner Funktion bei der UNESCO setzte er sich 1994 fur die Einrichtung des Sitzes des GATT in Genf statt in Bonn und sechs Jahre spater fur die Aufrechterhaltung dieses Sitzes in Genf ein. Ruhestand Auch nach seiner aktiven Dienstzeit engagiert sich Nordmann weiter fur die Zivilgesellschaft. Neben anderen Aufgaben war er 2016 bis 2018 Prasident des Internationalen Filmfestivals Freiburg. Ihm folgte Mathieu Fleury. Daruber hinaus schreibt er in der Tageszeitung Le Temps uber die Europapolitik der Schweiz und zur auslandischen Politik. Er ist ein Verfechter des Konzepts einer geregelten Weltordnungspolitik. Am 15. November 2021 wurde er mit dem Ehrendoktortitel der Philosophischen Fakultat der Universitat Freiburg geehrt. Er ist Prasident der Jean und Bluette Nordmann Stiftung, die das Andenken seiner Eltern ehrt. Diese Stiftung vergibt Stipendien fur den Austausch zwischen den beiden Universitaten in Freiburg und der Hebraischen Universitat Jerusalem. Schriften La Suisse et l’ONU au XXIe siecle. Editions du Tricorne, Genf 2002, ISBN 2-8293-0235-4. Face a la malice des temps. Un regard lucide sur l’action diplomatique (= Quaderni di Dodis – memorie. Band 24). Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bern 2025, ISBN 978-3-907261-51-4 (online). Weblinks Francois Nordmann in der Datenbank Dodis der Diplomatischen Dokumente der Schweiz Einzelnachweise
Francois Nordmann (* 1942 in Freiburg im Uechtland; heimatberechtigt in Freiburg und Seuzach) ist ein Schweizer Diplomat. Nordmann gilt nach Meinung der NZZ als «Koryphae der Schweizer Diplomatie».
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Cristofer Benitez Hernandez (* 1990 in Santa Cruz de Tenerife) ist ein spanischer Rhythmischer Sportgymnast und Trainer. Er setzt sich fur die gleichberechtigte Teilnahme von Mannern in diesem Sport ein. Sportlicher Werdegang Christofer Benitez probierte zunachst mehrere andere Sportarten aus, darunter Karate, Basketball und Gymnastik. Im Alter von 14 Jahren begann er mit der Rhythmischen Sportgymnastik, weil er fasziniert war von der Technik mit bunten Objekten wie Bander und Reifen. Anfangs sei es schwierig gewesen, da er belachelt und von einigen Trainern und Verbanden nicht akzeptiert, von einigen Trainerinnen gar angegangen und beleidigt worden sei. Ihm sei damals nicht bewusst gewesen, dass er kunftig fur die Gleichberechtigung in diesem Sport werde kampfen mussen. 2009 nahm er erstmals an spanischen Meisterschaften fur Manner in dieser Sportart teil. Zu seinen Erfolgen gehort unter anderem der zweite Platz bei den spanischen Meisterschaften 2022 sowie die kanarische Meisterschaft. Sein „großter Kampf“ ist der Einsatz fur die Gleichberechtigung in der Rhythmischen Sportgymnastik, die von Mannern insbesondere in Japan und Spanien ausgeubt wird. Seit der Ermordung von Samuel Luiz im Jahr 2021 aus Homophobie setze er sich ebenfalls gegen „LGBT“-Phobie im Sport ein und trage ein Regenbogenemblem an seinem Trikot, so Benitez. 2006 und 2008 war es ihm moglich, an den spanischen Meisterschaften der Frauen teilzunehmen, wofur eine eigene Kategorie geschaffen wurde. Als der spanische Verband 2008 die kunftige Teilnahme von Mannern an Meisterschaften fur Frauen strich, wurden „nach zahlreichen Demonstrationen und großem Medienrummel“ eigene Meisterschaften fur Manner erstritten, 2021 die einzigen weltweit. Auch engagiert sich Benitez fur die Einfuhrung gemischter Wettbewerbe. 2021 sorgte Tatjana Nawka, Olympiasiegerin von 2006 im Eistanz und Ehefrau des Kremlsprechers Dmitri Peskow, mit einem homophoben Video von Benitez auf ihrem Instagram-Account fur Negativschlagzeilen. Sie erntete Widerspruch, unter anderem von der mehrfachen Eiskunstlauf-Weltmeisterin Gabriella Papadakis aus Frankreich, die sagte, dass auch Frauen fur ihr Recht kampfen mussen, um in Disziplinen anzutreten, die ursprunglich als Mannersport angesehen wurden. Auch Gana Maksimowa, Trainerin des russischen Mix-Synchronschwimm-Paares, kritisierte Nawka und fragte, ob jemand deren Kinder dazu zwingen wurde, sich so einen „Kulturschock“ anzuschauen. Tatsachlich gibt es auch in Russland offizielle Wettbewerbe fur Manner in diesem Sport, und schon 2005 wurde ein Russe inoffiziell Weltmeister. Offizielle spanische Institutionen wie das Ministerium fur Kultur und Sport, der spanische Gymnastikverband und der oberste Sportrat distanzierten sich ebenfalls von der Kritik und verteidigten Benitez. Spanien sei Pionier in Sachen einer offenen und inklusiven Gesellschaft, auch im Sport. Inzwischen ist Benitez auch als Trainer fur Rhythmische Sportgymnastik in einem Sportclub in Santa Cruz tatig. Weblinks Deportes TVCanaria: Reportaje „Canarias es Deporte“ - Cristofer Benitez, abanderado de la Gimnasia Ritmica masculina. auf YouTube, 22. November 2021, abgerufen am 11. Marz 2025 (Laufzeit: 3:51 min). (spanisch) Alicia Mino (LittleGymnast): Cristofer Benitez, Cto. Ritmica Masculina Euskalgym 2022 auf YouTube, 9. November 2022, abgerufen am 11. Marz 2025 (Laufzeit: 1:59 min). Juanma Pardellas: «Ha sido un camino que batallar» - Interview mit Benitez. In: revistabinter.com. 1. Juli 2023, abgerufen am 11. Marz 2025 (spanisch). Einzelnachweise
Cristofer Benitez Hernandez (* 1990 in Santa Cruz de Tenerife) ist ein spanischer Rhythmischer Sportgymnast und Trainer. Er setzt sich fur die gleichberechtigte Teilnahme von Mannern in diesem Sport ein.
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c-233
Der Insel-Flughund (Pteropus hypomelanus) ist ein in Sudostasien und in der Region Australis verbreitetes Fledertier in der Familie der Flughunde. Er zahlt innerhalb der Gattung Pteropus zu einer Artengruppe mit 11 Mitgliedern. Diese ist in Walker’s Mammals of the World nach ihm selbst und in Mammal Species of the World (2005) nach dem Kleinen Maskarenen-Flughund (Pteropus subniger) benannt. Der Status der bis zu 16 beschriebenen Unterarten ist umstritten. Das Typusexemplar stammt von der Insel Ternate innerhalb der Molukken. Der Artzusatz im wissenschaftlichen Namen ist aus den altgriechischen Worten hypo (unter) und melan (schwarz, dunkel) gebildet. Die Art hat in ihrem Verbreitungsgebiet viele verschiedene Trivialnamen, wie Kluang Kechil, Kecil, Memboi oder Udawed. Auch der international fur Pteropus vampyrus ubliche Name Kalong wird verwendet. Merkmale Je nach Region erreicht die Art eine Kopf-Rumpf-Lange von 194 bis 224 mm, eine Unterarmlange von 125 bis 145 mm und ein Gewicht von 300 bis 420 g. Ein Schwanz fehlt, die Hinterfuße sind 52 bis 68 mm lang und die Lange der Ohren betragt 24 bis 27 mm. Das Fell ist uberwiegend kurz mit Ausnahme der Ruckenmitte und das Schienbein ist nackt. Der Insel-Flughund besitzt braune Flughaute. In ostlichen Regionen hat das Fell oberseits eine dunkelbraune Farbe, wahrend die Unterseite heller ockerfarben ist. Bei der ostlichsten Population ist der Rucken im vorderen und hinteren Bereich heller als in der Mitte. Bei westlichen Populationen sind graue, goldgelbe oder kastanienbraune Flecken vorhanden. Populationen vor Myanmar und der Malaiischen Halbinsel besitzen zwei Morphen, wobei eine eher grauschwarz mit eingemischten bunten Farben und die andere mehr einheitlich braun ist. Um den Hals gibt es einen Mantel, der in ostlichen Populationen gelbbraun und weiter westlich dunkler braun ist. Die Zahnformel lautet I 2/2, C 1/1, P 3/3, M 2/3, was 34 Zahne im Gebiss ergibt. Typisch sind leicht gebogene Eckzahne, die von den Schneidezahnen durch eine Lucke (Diastema) getrennt sind. Der außere Pramolar pro Seite im Oberkiefer ist winzig oder fehlt ganz. Der diploide Chromosomensatz wird aus 38 Chromosomen (2n=38) gebildet. Verbreitung Dieser Flughund ist von Inseln des ostlichen Bereichs des Golfs von Bengalen uber kleine Inseln Sudostasiens bis zum Bismarck-Archipel und zu Inseln ostlich von Neuguinea verbreitet. Bewohnte großere Inseln sind Sulawesi, Inseln der Philippinen, Halmahera, das nordostliche Neuguinea und Neubritannien. Die Art erreicht im Hugelland 900 Meter Hohe. Als Habitat dienen Mangrovensumpfe und tropische Regenwalder. Er besucht gelegentlich Garten und Palmenplantagen. Lebensweise Der Insel-Flughund bildet Kolonien mit einigen hundert bis etwa 5000 Mitgliedern. Diese ruhen in den Kronen hoher Baume. Wahrend der Aufzucht der Nachkommen findet keine Trennung zwischen den Geschlechtern statt. Auf Nahrungssuche wird ofter das Meer uberflogen. Ruheplatze auf dem Festland werden nur genutzt, wenn starke Winde den Ruckflug zu Inseln verhindern. Gemischte Kolonien mit anderen Vertretern der Gattung Pteropus kommen gelegentlich vor. In einer Nacht konnen die Tiere 30 bis 50 km fliegen, jedoch entfernen sie sich selten von bekannten Verstecken. Die Exemplare ernahren sich von Fruchten, Nektar und anderen Blumenteilen. Es uberwiegen wilde Feigen, die mit Fruchten aus Plantagen komplettiert werden. An Blutenpflanzen zahlen Vertreter der Gattungen Ceiba, Durianbaume, Kokospalmen, Pouteria und Eukalypten zur Nahrung. Die Suche nach Bluten erfolgt meist allein oder im Paar. Der Insel-Flughund verlasst sein Versteck zu Beginn der Abenddammerung und ist vor der Morgendammerung zuruck. An warmen Tagen bewegen die Flughunde ihre Flugel und lecken ihre Brust und die Flugel, wenn sie ruhen. Sie wickeln sich an kalten Tagen oder Regentagen fast vollstandig in ihre Flugel ein. Wird nach dem Flug ein Ast erreicht, so wird dieser in aufrechter Position angesteuert und nachdem die Fuße den Ast umklammert haben, eine Kopfuber-Position eingenommen. Fruchte konnen in beiden Positionen gefressen werden. Die Geschlechtsreife tritt bei beiden Geschlechtern nach etwa einem Jahr ein. Weibchen gebaren einmal jahrlich zwischen April und August, mit Variationen zwischen den Populationen, ein Jungtier. Dieses wird etwa 100 Tage gesaugt. Bei in Gefangenschaft gehaltenen Insel-Flughunden gab es keine jahreszeitabhangige Paarungszeit. Ein eingefangenes Tier lebte etwa 9 Jahre. Gefahrdung In Sudostasien wirken sich Waldrodungen zur Schaffung von Ackerflachen oder touristischen Zentren negativ aus. Die Jagd auf den Flughund zur Gewinnung von Wildfleisch ist nur von Mindanao und wenigen anderen Bereichen der Philippinen sowie von einzelnen Inseln Melanesiens bekannt. In Malaysia werden einige Exemplare als Fruchtrauber bekampft. Die IUCN schatzt, dass die Gesamtpopulation in den 24 Jahren vor 2018 um etwa 25 Prozent abgenommen hat, und listet die Art in der Vorwarnliste (near threatened). Einzelnachweise Weblinks
Der Insel-Flughund (Pteropus hypomelanus) ist ein in Sudostasien und in der Region Australis verbreitetes Fledertier in der Familie der Flughunde. Er zahlt innerhalb der Gattung Pteropus zu einer Artengruppe mit 11 Mitgliedern. Diese ist in Walker’s Mammals of the World nach ihm selbst und in Mammal Species of the World (2005) nach dem Kleinen Maskarenen-Flughund (Pteropus subniger) benannt. Der Status der bis zu 16 beschriebenen Unterarten ist umstritten. Das Typusexemplar stammt von der Insel Ternate innerhalb der Molukken. Der Artzusatz im wissenschaftlichen Namen ist aus den altgriechischen Worten hypo (unter) und melan (schwarz, dunkel) gebildet. Die Art hat in ihrem Verbreitungsgebiet viele verschiedene Trivialnamen, wie Kluang Kechil, Kecil, Memboi oder Udawed. Auch der international fur Pteropus vampyrus ubliche Name Kalong wird verwendet.
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c-234
Der Begriff Enshittification (englisch, wortlich etwa Verscheißigung), auch bekannt als Crapification oder Platform decay (deutsch Plattformverfall), beschreibt ein Muster, bei dem Onlinedienste und -plattformen mit der Zeit an Qualitat verlieren, was durch einen Interessensgegensatz zwischen Betreibern und Nutzern verursacht wird. Als Beispiele fur Enshittification wurden die abnehmende Qualitat der Suchergebnisse bei zunehmender Werbung auf Google, „geboostete“ und algorithmisch optimierte Inhalte auf Facebook, TikTok, Instagram oder Fake-Produkte mit Fake-Bewertungen auf Amazon und anderen Onlinehandlern genannt. Auch die Entwicklung von X (ehemals Twitter) nach der Ubernahme von Elon Musk wurde mit dem Phanomen der „Enshittification“ in Verbindung gebracht. Ein weiteres jungeres Problem wird durch sogenannten AI Slop verursacht, mithilfe von kunstlicher Intelligenz massenhaft generierte Texte und Bilder, die das Internet „vermullen“ wurden. Geschichte Das Wort Enshittification wurde erstmals von Cory Doctorow in einem Blogpost auf Medium vom November 2022 verwendet, der drei Monate spater in Locus veroffentlicht wurde. In einem weiteren Blogpost, der in der Januarausgabe 2023 von Wired veroffentlicht wurde, erweiterte er sein Argument. Doctorow schreibt, dass neue Plattformen nutzliche Produkte und Dienstleistungen mit Verlusten anbieten, um neue Nutzer zu gewinnen. Sobald die Nutzer gebunden sind, verschiebt die Plattform die Uberschusse der Nutzer zu den Aktionaren. Wenn Nutzer an die Plattform gebunden sind und keine Alternative haben, hat die Plattform keinen Anreiz mehr, die Qualitat aufrechtzuerhalten. Er bringt dies mit dem Konzept des Rent-seeking in Verbindung, die durch Monopole wie Google im Bereich der Suchmaschinen ermoglicht werden. Er schlug fur dieses Problem zwei Losungsansatze vor. Der erste ist das End-to-End-Prinzip, bei dem die Aufgabe einer Plattform darin besteht, Daten von bereitwilligen Absendern an bereitwillige Empfanger zuverlassig zu ubermitteln. Auf Plattformen angewandt, bedeutet dies, dass die Nutzer das erhalten, was sie angefordert haben, und nicht das, was die Plattform bevorzugt prasentiert, um ihre eigenen Profite zu maximieren. Der zweite ist ein „Ausstiegsrecht“ fur digitale Plattformen, bei dem die Nutzer einer Plattform problemlos zu einer anderen wechseln konnen, wenn sie mit ihr unzufrieden sind. Fur die sozialen Medien erfordert dies Interoperabilitat und die problemlose Datenubertragung, um den Netzwerkeffekten entgegenzuwirken, die die Nutzer „einschließen“, was einen fairen Wettbewerb zwischen den Plattformen verhindert. Doctorows Konzept wurde von verschiedenen Wissenschaftlern und Journalisten als Rahmen fur das Verstandnis des Qualitatsverlusts von Online-Plattformen herangezogen. Diskussionen uber Enshittification sind in zahlreichen Medien erschienen, darunter auch Analysen daruber, wie Tech-Giganten wie Facebook, Google und Amazon ihre Geschaftsmodelle dahingehend verandert haben, dass sie Gewinne auf Kosten der Nutzererfahrung priorisieren. Der Begriff wurde dadurch zu einem Modewort in der Anglosphare und kam auch im deutschsprachigen Raum an, wo Die Zeit ihn als „Verschlimmscheißerung“ ubersetzte. Die American Dialect Society wahlte Enshittification 2023 zum Wort des Jahres. 2024 wurde der Begriff auch von dem australischen Worterbuch Macquarie Dictionary zum Wort des Jahres gewahlt. Weblinks The ‘Enshittification’ of TikTok: Or how, exactly, platforms die. Cory Doctorow auf Wired Die Verschlimmscheißerung des Internets Cory Doctorow auf Zeit Online Die Mechanik der Enshittification Netzlabor Einzelnachweise
Der Begriff Enshittification (englisch, wortlich etwa Verscheißigung), auch bekannt als Crapification oder Platform decay (deutsch Plattformverfall), beschreibt ein Muster, bei dem Onlinedienste und -plattformen mit der Zeit an Qualitat verlieren, was durch einen Interessensgegensatz zwischen Betreibern und Nutzern verursacht wird. Als Beispiele fur Enshittification wurden die abnehmende Qualitat der Suchergebnisse bei zunehmender Werbung auf Google, „geboostete“ und algorithmisch optimierte Inhalte auf Facebook, TikTok, Instagram oder Fake-Produkte mit Fake-Bewertungen auf Amazon und anderen Onlinehandlern genannt. Auch die Entwicklung von X (ehemals Twitter) nach der Ubernahme von Elon Musk wurde mit dem Phanomen der „Enshittification“ in Verbindung gebracht. Ein weiteres jungeres Problem wird durch sogenannten AI Slop verursacht, mithilfe von kunstlicher Intelligenz massenhaft generierte Texte und Bilder, die das Internet „vermullen“ wurden.
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The National Covid Memorial Wall ist eine auf private Initiative entstandene Gedenkstatte fur die Opfer der COVID-19-Pandemie im Vereinigten Konigreich. Sie liegt im Zentrum Londons am sudlichen Ufer der Themse, dem Palace of Westminster gegenuber, und ist in Form eines Wandgemaldes gestaltet. Lage The National Covid Memorial Wall befindet sich auf der Außenseite einer Mauer, die das Grundstuck des St Thomas’ Hospital zur Themse hin begrenzt. Sie liegt im Londoner Stadtbezirk Lambeth am sudlichen Flussufer (South Bank) zwischen der Westminster Bridge und der Lambeth Bridge und erstreckt sich uber eine Lange von etwa 500 Metern. Zwischen der Mauer und der Themse liegt ein breiter, vielfach genutzter Fußweg, der sich sudlich an den Queen’s Walk anschließt und dem Albert Embankment zugeordnet wird. The National Covid Memorial Wall schließt auch eine altere Gedenktafel ein, die zur Erinnerung an die Opfer des BSE-Ausbruchs der Jahre 1994 bis 1996 an dieser Wand angebracht ist. Beschreibung Das Denkmal besteht aus mehr als 240.000 einzelnen auf die Mauer des Krankenhausgrundstucks gemalten Herzen (Stand Juli 2024), von denen jedes fur ein Opfer der COVID-19-Pandemie steht. Die Form der Herzen ist nicht standardisiert. Sie wurden in roter oder rosa Farbe von Hand einzeln gemalt und weichen in Form und Große stark voneinander ab. Zunachst hatten Freiwillige einfache Posca-Stifte verwendet, deren Farbe Witterungseinflussen nicht dauerhaft standhielt. Nach und nach wurde jedes einzelne Herz mit wetterfester Wandfarbe erneuert. Die Herzen sind mittlerweile vielfach individualisiert, indem auf ihnen jeweils der Name eines COVID-19-Opfers eingetragen ist, manchmal auch in Verbindung mit einer personlichen Botschaft von Hinterbliebenen. Auf einzelnen Herzen wird daruber hinaus den Mitarbeitern des National Health Service (NHS) gedankt. Entstehungsgeschichte = Initiatoren = Die Initiative zur Errichtung der Gedenkstatte geht auf die Vereinigung Covid-19 Bereaved Families for Justice zuruck. Die privat organisierte Interessengruppe von Angehorigen britischer Pandemieopfer hatte sich wahrend der ersten Corona-Welle gegrundet, um ihre Unzufriedenheit mit der britischen Regierung, deren Umgang mit der Pandemie und der fehlenden Wertschatzung der Verstorbenen und ihrer Hinterbliebenen zum Ausdruck zu bringen. Im Herbst 2020 erhielt die Gruppe Unterstutzung durch die 2019 gegrundete Anti-Brexit-Bewegung Led By Donkeys (deutsch: „Von Eseln angefuhrt“). Die britische Regierung sah zu dieser Zeit keinen Anlass fur ein offentliches oder offizielles Gedenken an die Covid-Opfer. Nachdem im Januar 2021 in Großbritannien die Marke von 100.000 Todesfallen uberschritten worden war, kundigte der damalige Premierminister Boris Johnson an, „ein angemessenes und dauerhaftes Denkmal“ fur die Opfer der Covid-Pandemie erst dann errichten zu lassen, wenn die Krise uberstanden sei. Covid-19 Bereaved Families for Justice sah darin eine Verweigerungshaltung und entwickelte daraufhin zusammen mit Led By Donkeys die Idee eines unabhangig von der Regierung zu errichtenden Erinnerungsorts. = Ziele = Ziel war es, mit der konkreten Ausgestaltung der Gedenkstatte moglichst breit und dauerhaft in der Offentlichkeit prasent zu sein. Das ließ sich mit dem gewahlten Standort – einem stark von Einheimischen und Touristen frequentierten Weg – leicht erreichen. Durch die Wahl der Mauer eines Krankenhausgrundstucks wurde außerdem der Bezug zur medizinischen Seite des Themas hergestellt. Die Lage unmittelbar gegenuber dem Parlament soll eine Ermahnung an die Parlamentarier sein, aus ihren Fehlern zu lernen. Schließlich ging es darum, der Individualitat und dem einzigartigen Wert des jeweiligen Lebens der Opfer Rechnung zu tragen. Daraus erklart sich die Idee, anstelle einer pauschalen Gedenktafel fur alle Opfer jeder verstorbenen Person ein einzelnes, von Hand gemaltes Herz zu widmen. = Verwirklichung = Die Gedenkstatte entstand ohne Vorankundigung und ohne Genehmigung. Freiwillige der Initiative begannen am 29. Marz 2021, die Krankenhausmauer mit Herzen zu bemalen. An diesem Tag hatte die britische Regierung die Beschrankungen des dritten Lockdowns so weit gelockert, dass wieder sechs Personen zusammenkommen durften. Nach etwa zwei Wochen waren 150.000 Herzen an die Wand gemalt, was dem damaligen Stand der an den Folgen von COVID-19 gestorbenen Menschen in Großbritannien entsprach. Die Gedenkstatte wird auch funf Jahre nach Ausbruch der Pandemie weiter betreut; nach wie vor kommen Herzen fur weitere COVID-19-Opfer hinzu. Die Arbeit ubernimmt die Freiwilligenorganisation Friends of The Wall. Rezeption Die Arbeiten am National Covid Memorial Wall wurden unmittelbar nach der Aufnahme offentlich wahrgenommen. Der damalige Oppositionsfuhrer Keir Starmer besuchte die Mauer bereits am ersten Tag und sprach mit Vertretern der Initiatoren. Der amtierende Premierminister Johnson lehnte in den ersten Wochen Einladungen zu einem Besuch der entstehenden Gedenkstatte mehrfach ab. Er kam erst Ende April unangekundigt und am spaten Abend an die Mauer; dabei traf er keine Vertreter von Covid-19 Bereaved Families for Justice. Die Initiatoren kritisierten die Form seines Besuchs. The National Covid Memorial Wall erhielt in der Offentlichkeit breite Zustimmung. Fotografien der bemalten Mauer dienen zahlreichen Buchern, die sich mit der COVID-19-Pandemie beschaftigen, als Coverillustration. Zukunft Zur Zukunft der formal nicht genehmigten Gedenkstatte gab es im Laufe der Jahre unterschiedliche Ideen. Anfanglich hieß es, die Herzen sollten zu gegebener Zeit – moglicherweise nach Errichtung einer offiziellen Gedenkstatte – entfernt werden. Mittlerweile gibt es Gesprache mit den Behorden und mit dem Krankenhaus, zu dessen Gelande die Mauer gehort, uber Moglichkeiten, die Zeichnungen dauerhaft zu erhalten. Anfang 2025 erklarte ein Vertreter des Department for Culture, Media and Sport, die Regierung erkenne die Bedeutung der Gedenkstatte an; sie arbeite mit den Initiatoren und ortlichen Vertretern an Moglichkeiten einer langerfristigen Bewahrung. Literatur Orli Fridman, Sarah Gensburger: The COVID-19 Pandemic and Memory. Remembrance, Commemoration, and Archiving in Crisis. Springer International Publishing, 2023, ISBN 978-3-031-34596-8. Weblinks www.nationalcovidmemorialwall.org Einzelnachweise
The National Covid Memorial Wall ist eine auf private Initiative entstandene Gedenkstatte fur die Opfer der COVID-19-Pandemie im Vereinigten Konigreich. Sie liegt im Zentrum Londons am sudlichen Ufer der Themse, dem Palace of Westminster gegenuber, und ist in Form eines Wandgemaldes gestaltet.
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People Love Dead Jews: Reports from a Haunted Present (deutsch: „Menschen lieben tote Juden: Berichte aus einer gespenstischen Gegenwart“) ist ein Essayband der US-amerikanischen Autorin Dara Horn, der 2021 im Norton Verlag erschienen ist. Der Essayband, der die Darstellung von Judinnen und Juden sowie die Erinnerung an den Holocaust thematisiert, wurde fur seine kritische Auseinandersetzung mit Antisemitismus und der Kommerzialisierung judischer Geschichte gelobt. Inhalt Dara Horn, die judische Literatur an der Harvard University und der Yeshiva University in New York gelehrt hat, befasst sich in ihrem Essayband mit der internationalen gesellschaftlichen Wahrnehmung von Judinnen und Juden als Opfer der Geschichte. In den 12 Essays sind der gesellschaftliche Umgang mit der vielschichtigen judischen Geschichte, insbesondere der Erinnerung an den Holocaust und andere Gewalterfahrungen, zentrale Themen. Ein Kritikpunkt ist die gesellschaftliche Wahrnehmung von Judinnen und Juden. Haufig wird ihnen eine Opferrolle zugeschrieben, wahrend ihre lebendige Kultur und ihr gegenwartiges Leben oft ignoriert oder marginalisiert werden. Horn analysiert die Darstellung des Holocaust in Museen und die Art und Weise, wie judische Geschichte in der Popkultur dargestellt wird. Dabei thematisiert sie aktuelle Formen des Antisemitismus, die oft relativiert und verharmlost werden. Ein zentrales Thema ihrer Kritik ist, dass moderne Formen des Antisemitismus haufig mit dem Holocaust verglichen und als weniger gravierend abgetan werden, was den tatsachlichen Fortbestand von Judenfeindschaft verschleiert. Horn hinterfragt die nichtjudische Wahrnehmung von Judinnen und Juden und betrachtet dabei auch globale Phanomene. So untersucht sie das Anne-Frank-Haus in Amsterdam, die digitale Rekonstruktion zerstorter Synagogen im Nahen Osten und das Judische Museum in Harbin. Anhand dieser Beispiele stutzt sie ihre These, dass die Erinnerung an judische Geschichte oft kommerzialisiert und vereinnahmt wird, ohne dass ein aktives judisches Leben oder die gegenwartigen Herausforderungen der judischen Gemeinschaft berucksichtigt werden. Besonders kritisiert sie die Darstellung des Holocausts als abgeschlossene Tragodie, die realitatsfern ist und den weiterhin bestehenden Antisemitismus ausklammert, ohne die schwerwiegenden Folgen fur die fortwahrende Bedeutung judischer Identitat und Kultur zu berucksichtigen. Rezeption Der Autor Yaniv Iczkovits schrieb fur die New York Times: „Auch wenn jedes Kapitel einen anderen blinden Fleck in unserem kollektiven Gedachtnis offenbart – von Horns Besuch im Museum of Jewish Heritage in Downtown Manhattan bis hin zu ihrer Reise zu den judischen Statten in Harbin in China – zeigen alle Essays in diesem Buch, dass wir, wenn wir lernen, uns an bestimmte Dinge auf bestimmte Weise zu erinnern, die Grenzen dessen setzen, was gesagt werden kann und was nicht, selbst wenn wir den Drang haben, es zu sagen. Horn ist der Meinung, dass es an der Zeit ist, es zu sagen, und deshalb ist ihr Buch gleichzeitig so notwendig und so beunruhigend. People Love Dead Jews ist ein herausragendes Buch mit einer kuhnen Mission. Es ubt Kritik an Menschen, Kunstwerken und offentlichen Einrichtungen, die nur wenige andere zu hinterfragen wagen.“ Fur die Die Tageszeitung kam der Historiker Philipp Lenhard zu dem Urteil: „In einer Zeit, da in Deutschland vermehrt geschichtspolitische Debatten uber angeblich nicht mehr „zeitgemaße“ Formen des Erinnerns aufbrechen, sind Horns Essays ein wichtiges Korrektiv. Sie zeigen, dass Judinnen und Juden in der globalen Gedenkkultur nur mehr als Gespenster vorkommen. ‚Die Leute lieben tote Juden – lebende nicht so sehr.‘ Dara Horns Buch zeigt, dass das Hauptproblem der globalen Gedenkkultur nicht die Konkurrenz von Opfernarrativen ist, sondern die Instrumentalisierung der judischen Geschichte fur allerlei Gutwerdungserzahlungen.“ Die Professorin fur Judische Studien und Autorin Pamela S. Nadell referierte in einer Rezension fur die Washington Post: „Horn schreibt, dass sie zu dem Zeitpunkt, als im Dezember 2019 in dem koscheren Supermarkt in New Jersey funf Menschen (einschließlich der beiden Schutzen) getotet wurden, erkannt hatte, dass mit dem Absterben der Nichtjuden, die den Schock des Holocaust miterlebt hatten, ‚auch die offentliche Scham, die mit der Außerung von Antisemitismus verbunden war, abnahm. Mit anderen Worten: Juden zu hassen war normal.‘ […] Die Hinwendung zu den alten Worten in einer zerbrochenen Welt bringt Horn in eine Gemeinschaft von lebendigen Juden. Sie beendet dieses fesselnde, großartig geschriebene Buch so, wie es Juden uber die Jahrtausende hinweg getan haben: indem sie sich mit der Vergangenheit auseinandersetzen, die Gegenwart umarmen und in die Zukunft blicken.“ Die Kritikerin Elaine Margolin fuhrte in der von der University of Toronto herausgegebenen Fachzeitschrift Women in Judaism vom Standpunkt einer „sakulare[n] atheistische[n] Zionistin“ aus, dass sie die Lekture von Horns Text zwar sehr interessant gefunden, jedoch „ein Muster der Verleugnung und Unglaubwurdigkeit, das sich durch die dicht geschriebenen Seiten zu ziehen scheint“, bemerkt habe. Die Argumentation der Autorin „schien sich nur an diejenigen zu richten, die religios orientiert und im judischen Recht bewandert sind, was [sie] und Millionen anderer Juden in gewisser Weise aus ihren Gleichungen entfernte.“ Ihr „Versuch, die vielen Wege, die nicht-religiose Juden gefunden haben, um sich mit ihrem Judischsein zu solidarisieren, zu kritisieren“, sei „destruktiv, engstirnig und elitar“. Horn biete „nur wenige Antworten auf aktuelle Dilemmata, außer ihrem eigenen Ausflug in die Daf Jomi“. Rob Eshman schrieb in The Forward, dass die Pramisse des Buches falsch sei. Laut ihm waren negative Gefuhle gegenuber Juden in denjenigen Jahren, die Horn als normal betrachtete, sogar noch starker verbreitet. Er verweist auf eine Umfrage des Pew Research Forum aus dem Jahr 2017, in der Amerikaner gefragt wurden, welcher Glaubensgruppe sie sich am meisten verbunden fuhlen. 67 % gaben an, dass dies Juden seien – mehr als jede andere Gruppe. Laut Eshman sei es im Amerika des Jahres 2022 zutiefst abnormal, Juden zu hassen. Auszeichnungen (Auswahl) People Love Dead Jews erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter der Myra H. Kraft Memorial Award fur zeitgenossisches judisches Leben des Jewish Book Council gewurdigt. Dara Horns Buch People Love Dead Jews wurde in die Liste der „100 Notable Books of 2021“ aufgenommen, die von den Herausgebern des New York Times Book Review zusammengestellt wird. 2021: Gewinner beim Nation­al Jew­ish Book Award (Myra H. Kraft Memorial Award) 2021: Aufnahme in die 100 Notable Books of 2021 Natan Notable Books Fall 2021 Winner 2021: Aufnahme in die Liste der „Best Books of 2021“ von Publishers Weekly 2022: Aufnahme in die Liste des Notable Books Council Originalausgabe Dara Horn: People Love Dead Jews. Reports from a Haunted Present. W. W. Norton & Company, New York 2021, ISBN 978-0-393-53156-5. Weblinks People Love Dead Jews auf der Internetseite von Dara Horn Dara Horns Podcast Adventures with Dead Jews People love to talk about dead Jews. Here’s why it can hurt living ones. Dara Horn in The Washington Post vom 27. Januar 2022 Einzelnachweise
People Love Dead Jews: Reports from a Haunted Present (deutsch: „Menschen lieben tote Juden: Berichte aus einer gespenstischen Gegenwart“) ist ein Essayband der US-amerikanischen Autorin Dara Horn, der 2021 im Norton Verlag erschienen ist. Der Essayband, der die Darstellung von Judinnen und Juden sowie die Erinnerung an den Holocaust thematisiert, wurde fur seine kritische Auseinandersetzung mit Antisemitismus und der Kommerzialisierung judischer Geschichte gelobt.
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p4 Der Phare du Bout du Monde (deutsch Leuchtturm am Ende der Welt) ist ein Leuchtturm nahe La Rochelle im franzosischen Departement Charente-Maritime. Dieses Steuerbord-Schifffahrtszeichen ist seit dem Jahr 2000 in Betrieb und erleichtert Schiffen die Ansteuerung des Vieux-Port de La Rochelle. Das Bauwerk gilt als Landmarke der maritimen Ansicht von La Rochelle. Es ist der Nachbau eines historischen Leuchtfeuers auf Feuerland, an dessen Originalposition sich eine zu der in La Rochelle identische Nachbildung befindet. Der Name ist dem gleichnamigen Roman von Jules Verne entlehnt. Beschreibung Dieses achteckige, gedrungene Bauwerk steht etwa zwei Kabellangen vor der Kustenlinie von der Huk Les Minimes auf acht Pfosten dauerhaft im Wasser. Es hat eine Hohe von 8 m uber der Wasserlinie und sendet grunes und weißes Licht aus. Die Tragweite betragt 5 bzw. 8 Seemeilen. Die Kennung lautet Fl.(3) W.G. Der Oberbau, d. h. die Nachbildung des sudamerikanischen Originalbaus, ist eine Holzkonstruktion mit Dach aus Zinkblech und besitzt eine umlaufende Galerie. Zuvor stand an dieser Position eine zweifarbige Bake, ahnlich der Backbord-Tourelle Le Lavardin aus dem Jahr 1841, etwa 3 sm westlich. Die Registrierungsnummer des United Kingdom Hydrographic Office (UKHO) lautet 1253. Hintergrund Der Phare du Bout du Monde ist die Nachbildung eines Leuchtfeuers auf der Isla de los Estados vor Feuerland an der Sudspitze Argentiniens. Das Bauwerk am Originalstandort ist unter demselben Namen bzw. seiner spanischsprachigen Entsprechung Faro del Fin del Mundo sowie unter der offiziellen Bezeichnung Faro de San Juan de Salvamento bekannt. Es befindet sich nahe dem nordostlichen Ende der Isla de los Estados (Lage). In den Jahren 1886 bis 1902 war dies der erste Leuchtturm, der diese schwierige Passage fur die Schifffahrt unterstutzte, bevor 1902 auf der vorgelagerten, zum Archipel der Islas Ano Nuevo (Neujahrsinseln) gehorigen Isla Observatorio das deutlich großere Leuchtfeuer Faro Ano Nuevo erbaut wurde. Spater wurde dort ein Gefangenenlager errichtet. Im Dezember 1902 sollten die Haftlinge von der Isla de los Estados nach Ushuaia auf die Hauptinsel von Feuerland verlegt werden. Daraufhin flohen 51 Gefangene in zwei Walfangerbooten, nachdem sie zwei Gefangniswarter umgebracht hatten. Die in der internationalen Presse uber mehrere Wochen behandelte Flucht war die Grundlage fur Jules Vernes Roman Der Leuchtturm am Ende der Welt. Das Leuchtfeuer wurde anschließend nicht wieder in Betrieb genommen und verfiel langsam. Das Manuskript der von Vernes Verleger Pierre-Jules Hetzel herausgegebenen Fortsetzungsgeschichte wurde erst nach dessen Tod von seinem Sohn Michel Verne gefunden, uberarbeitet und als Buch veroffentlicht. Ein Exemplar der Erstausgabe ist im Besitz des Museums von Ushuaia. Dort befindet sich im Hof des Museums – einst jenes Gefangnis, in das die Haftlinge von der Isla de los Estados verbracht werden sollten – auch eine Nachbildung des Leuchtturms. Tatsachlich entspricht die Zeichnung/Beschreibung des Leuchtturms im Buch dem Aussehen des Originals in keiner Weise. Wahrend das Bauwerk auf der Insel ebenerdig ist und eine gedrungene Bauweise mit einem flachgeneigten Dach aufweist, ist auf der Abbildung im Buch von Grafiker George Roux ein schlanker, hoher Turm zu sehen. Eine originalgetreue Nachbildung wurde in den 1990er Jahren auf Initiative des Segelweltmeisters, Weltenbummlers sowie Abenteurers Andre Bronner (* 1953) aus La Rochelle und mit Unterstutzung des Vereins Asociacion del Faro del fin del mundo am Standort des ursprunglichen Leuchtturms auf der Isla de los Estados errichtet. Der Verein hatte sich unter anderem in der Absicht gegrundet, den kulturellen Austausch zwischen den beiden Landern zu fordern. Zusammen mit gleichgesinnten Handwerkern schuf Bronner aus 15 t Material in den ersten beiden Monaten des Jahres 1998 an Ort und Stelle einen Nachbau, der am 26. Februar desselben Jahres in Betrieb genommen wurde. Eine weitere Nachbildung dieses Baukorpers ist der kurz darauf errichtete Leuchtturm von Les Minimes in Frankreich. Sein Bau wurde ebenfalls von Bronner und seinen Mitstreitern veranlasst. Die ursprunglich fur den 1. Januar 2000 vorgesehene Einweihung konnte aufgrund sturmischen Wetters am Jahresende 1999 erst am 23. Februar 2000 stattfinden. Rezeption Am 3. Januar 2000 gab die franzosische Post aus Anlass der Eroffnung des Phare du Bout du Monde eine Sondermarke mit dem Bauwerk als Motiv und einem Wert von 3 FF heraus. Im Vorverkauf war sie an Sonderschaltern im Centre Pompidou in Paris und La Rochelle zu erwerben. Sie zeigt sowohl das Original als auch den Neubau vor der franzosischen Kuste. Es war die zweite Abbildung eines Leuchtturms als Hauptmotiv auf einer franzosischen Briefmarke. Weblinks L’association „Phare du bout du monde“ a La Rochelle, Videoclip von France 3 Nouvelle-Aquitaine auf YouTube (2:00’, franz.) Einzelnachweise
p4 Der Phare du Bout du Monde (deutsch Leuchtturm am Ende der Welt) ist ein Leuchtturm nahe La Rochelle im franzosischen Departement Charente-Maritime. Dieses Steuerbord-Schifffahrtszeichen ist seit dem Jahr 2000 in Betrieb und erleichtert Schiffen die Ansteuerung des Vieux-Port de La Rochelle. Das Bauwerk gilt als Landmarke der maritimen Ansicht von La Rochelle. Es ist der Nachbau eines historischen Leuchtfeuers auf Feuerland, an dessen Originalposition sich eine zu der in La Rochelle identische Nachbildung befindet. Der Name ist dem gleichnamigen Roman von Jules Verne entlehnt.
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Katja Jerabek, geborene Bernet (* 1971 in Konstanz), ist eine deutsche Stuntfrau und Stunt-Koordinatorin. Sie hat seit 2000 in zahlreichen nationalen und internationalen Filmen und Fernsehproduktionen mitgewirkt. Leben Jerabek wurde 1971 in Konstanz geboren. Sie studierte Grafikdesign und hat einen Abschluss als Kommunikationsdesignerin. Schon wahrend des Studiums beschaftigte sie sich vor allem mit bewegten Bildern. So kam sie 1995 in Beruhrung mit der Filmbranche und arbeitete nach Beendigung ihres Studiums als Regieassistentin bei einem Kinofilm. Jerabek war schon in jungen Jahren sportlich und trainierte viel, unter anderem liebte sie Kitesurfen und Fallschirmspringen. Deshalb ging sie auch beim Film mit den Stuntleuten zum Training und eignete sich so die ersten Stunts an. Sie lernte schnell, auch kompliziertere Stunts auszufuhren. Da es damals nur wenige Stuntfrauen gab und Jerabek bereits Filmerfahrung hatte, war sie bald als Stuntfrau gefragt. Sie bezeichnet sich selbst als „Allrounder“, also als eine Person, die sehr unterschiedliche Stunts beherrscht. Dies sei eine Notwendigkeit, weil die Nachfrage in Deutschland relativ klein sei, um genugend Auftrage zu bekommen. In den 2000er-Jahren wurde sie auch international tatig und wirkte in bedeutenden Produktionen mit. Sie war das Double bekannter Stars wie Anke Engelke, Alexandra Maria Lara, Karoline Herfurth, Nora Tschirner und auch von Mannern wie Tom Schilling oder Dirk Bach. Jerabek ist bekannt dafur, dass sie auch ungewohnliche Auftrage annimmt: So doubelte sie einmal den „Problembaren Bruno“, und einer ihrer ersten Stunts war, eine Erfrierende darzustellen, ohne zittern zu durfen. Da Jerabek eine sportliche und zierliche Figur hat, wird sie oft als Double fur Kinder gebucht. Sie ubernahm aber ebenso kritische und gefahrliche Auftrage, die nur eine relativ kleine Anzahl von Stuntleuten ausfuhren. Trotzdem verletzte sie sich erst ein einziges Mal, bei einer Live-Fernsehshow. Sie legt großen Wert auf eine sorgfaltige Vorbereitung und gute Technik, um das Risiko zu minimieren. Wichtiger als die korperlichen Fahigkeiten sei das „Mindset“, die Konzentration und Willenskraft, um einen gefahrlichen Dreh zu bestehen. Jerabek arbeitet mittlerweile vor allem als Stuntkoordinatorin. Diese hat die Aufgabe, den Stunt zu planen und den kreativsten, besten mit dem vorhandenen Budget realisierbaren Stunt zu erstellen. Stuntkoordinatoren betreuen ein Projekt von der Idee bis zur Umsetzung und Kostenabrechnung. Das Stuntdouble ist dann diejenige, die den Stunt ausfuhrt. Jerabek ubernimmt beide Rollen, arbeitet aber zunehmend mehr als Vermittlerin fur Stuntleute, als Koordinatorin in der Organisation und hinter der Kamera. Jerabek ist Geschaftsfuhrerin des Unternehmens Face Off in Seeshaupt, das Stunts vermittelt, sie koordiniert, ausfuhrt und die notige Technik dafur liefert. Sie betreibt außerdem die Skywalker Systems GmbH, mit deren 3D-Windensystemen sie Kameras, Gegenstande und Menschen fliegen lassen kann. Jerabek ist Mutter von drei Kindern. Filmografie (Auswahl) Auszeichnungen 2023: nominiert von der Deutschen Akademie fur Fernsehen in der Kategorie Bester Stunt fur den Film Luden: Konige der Reeperbahn Weblinks Katja Jerabek bei IMDb Katja Bernet bei filmportal.de Website der Firma Jerabeks Einzelnachweise
Katja Jerabek, geborene Bernet (* 1971 in Konstanz), ist eine deutsche Stuntfrau und Stunt-Koordinatorin. Sie hat seit 2000 in zahlreichen nationalen und internationalen Filmen und Fernsehproduktionen mitgewirkt.
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Der Leipziger Frauenbildungsverein (FBV) war eine Einrichtung der Frauenbewegung in Leipzig im 19. und fruhen 20. Jahrhundert. Gegrundet wurde er am 24. Februar 1865 von engagierten Frauen, die sich fur eine bessere Bildung und soziale Teilhabe von Frauen einsetzten. Der Verein spielte eine zentrale Rolle bei der Forderung der Frauenbildung und schuf wichtige Grundlagen fur die Gleichberechtigung der Geschlechter im Bildungswesen. Im Zusammenhang mit dem Verein stand der am 18. Oktober 1865 in Leipzig gegrundete Allgemeine Deutsche Frauenverein (ADF). Entstehung und Ziele Die Mitte des 19. Jahrhunderts war gepragt von gesellschaftlichem Wandel, Industrialisierung und wachsendem Bildungsbewusstsein. Frauen hatten jedoch nach wie vor kaum Zugang zu hoheren Bildungseinrichtungen oder akademischen Berufen. Die Frauenbildung galt nach der Konfirmation, also im Alter von 14 Jahren, als beendet und es gab keine Berufsausbildung. Damit waren Frauen der burgerlichen Stande vom Erwerbsleben ausgeschlossen. Vor diesem Hintergrund entstand der Leipziger Frauenbildungsverein mit dem Ziel, Madchen und Frauen den Zugang zu Bildung zu ermoglichen und sie auf ein selbstbestimmtes Leben vorzubereiten. „Der Frauenbildungsverein lud zu Vortragen, musikalischen und rezitatorischen Darbietungen ein, grundete eine Sonntags- und Fortbildungsschule fur konfirmierte Madchen, ein Buro fur Abschreiberinnen und Stellenvermittlung, eine Kochschule und Speiseanstalt fur Frauen, eine Sonntagsschule fur junge Madchen und eine Bibliothek fur unbemittelte Frauen und forderte die Bildung von Volkskindergarten.“ Durch diese Angebote wollte der Verein Frauen befahigen, unabhangig zu werden und aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Bedeutende Personlichkeiten Der Leipziger Frauenbildungsverein wurde von namhaften Personlichkeiten der Frauenbewegung unterstutzt. Louise Otto-Peters, eine der fuhrenden Vertreterinnen der deutschen Frauenbewegung, spielte eine wichtige Rolle bei der Grundung und Entwicklung des Vereins. Otto-Peters trat fur die Gleichberechtigung der Frauen ein und betonte immer wieder, dass Bildung der Schlussel zur gesellschaftlichen Emanzipation sei. „Vergegenwartigt man sich die seinerzeit unermudlich propagierte burgerliche Geschlechter- und Familienideologie und die damit einhergehende Rechtlosigkeit von Frauen in vielen Bereichen, lasst sich ermessen, wie herausfordernd und brisant, zugleich jedoch innovativ diese Vorstellungen im 19. Jahrhundert wirkten.“ Weitere Grundungsmitglieder waren beispielsweise die Lehrerinnen Ottilie von Steyber und Auguste Schmidt, die ebenfalls einen großen Beitrag zur Frauen- und Madchenbildung ihrer Zeit leisteten. Erfolge und Auswirkungen Madchen und Frauen erhielten durch den Verein bessere Bildungschancen. Aus dem Verein gingen „Innovationen mit uberlokaler Reichweite“ hervor. Durch diesen emanzipatorischen Ansatz und durch die erworbenen Kenntnisse fanden viele Madchen und Frauen Arbeit. Gleichzeitig wurde durch die kollektive Organisation in einem Verein geschlossen der dominierenden Mannerwelt entgegengetreten und das hierarchische Gesellschaftsdenken mit Mannern in den fuhrenden Rollen nicht langer akzeptiert. Niedergang und Nachwirkung Die deutsche Frauenbewegung differenzierte sich im Laufe der Zeit immer weiter aus, und neue Emanzipationsbewegungen kamen hervor. Der Leipziger Frauenverein verlor nach und nach an Bedeutung, da sich im Laufe der Zeit auch die Schwerpunkte der Bewegung anderten. Bedeutung hatte der Verein durch die fruhen Kampfe um Bildungsgerechtigkeit. Er ist ein zentraler Teil der Leipziger Stadtgeschichte und der deutschen Frauenbewegung. Einzelnachweise
Der Leipziger Frauenbildungsverein (FBV) war eine Einrichtung der Frauenbewegung in Leipzig im 19. und fruhen 20. Jahrhundert. Gegrundet wurde er am 24. Februar 1865 von engagierten Frauen, die sich fur eine bessere Bildung und soziale Teilhabe von Frauen einsetzten. Der Verein spielte eine zentrale Rolle bei der Forderung der Frauenbildung und schuf wichtige Grundlagen fur die Gleichberechtigung der Geschlechter im Bildungswesen. Im Zusammenhang mit dem Verein stand der am 18. Oktober 1865 in Leipzig gegrundete Allgemeine Deutsche Frauenverein (ADF).
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c-240
Annamaria Iagnocco (* 1961 in Latina) ist eine italienische Arztin, Rheumatologin, Wissenschaftlerin und Hochschullehrerin. Sie ist Professorin im Fachbereich klinische und biologische Wissenschaften und Lehrstuhlinhaberin fur Rheumatologie an der Universitat Turin sowie Direktorin der universitaren Fachabteilung fur Rheumatologie im Krankenhaus „Mauriziano“ in Turin. Leben Annamaria Iagnocco studierte Medizin an der Universitat La Sapienza in Rom, wo sie 1986 mit Auszeichnung approbiert und promoviert wurde. An der rheumatologischen Klinik der Universitat Sapienza absolvierte sie auch ihre Weiterbildung und erwarb dort 1991 die Facharztanerkennung im Fach Rheumatologie sowie 1998 auch in physikalischer Therapie und Rehabilitation. Von 1990 bis 2016 war Iagnocco Assistenzprofessorin und außerordentliche Professorin fur Rheumatologie an der Universitat La Sapienza. 2016 wurde sie als Universitatsprofessorin und Lehrstuhlinhaberin an die Universitat Turin berufen. Seit 2016 war sie Mitglied des Beirats des Fachbereich klinische und biologische Wissenschaften der Universitat, seit 2024 ist sie Mitglied des Vorstands. Seit 2024 gehort sie auch zum Beirat der "Scuola die Medicina" der Universitat. Als Rheumatologin engagierte Iagnocco sich nicht nur auf nationaler, sondern auch auf internationaler Ebene fur die Weiterentwicklung ihres Fachs. Von 2004 bis 2020 wirkte sie intensiv bei der internationalen Arbeitsgemeinschaft von Rheumatologen OMERACT (Outcome Measures in Rheumatology) mit. 2017 wurde Iagnocco Mitglied des Vorstands der European Alliance of Associations for Rheumatology (EULAR), des europaischen Dachverbandes der Rheumatologie mit Sitz in der Schweiz. Von 2017 bis 2019 wirkte sie als Schatzmeisterin, von 2021 bis 2023 war sie Prasidentin. EULAR ist eine gemeinnutzige Organisation, die Menschen mit rheumatischen und muskuloskelettalen Erkrankungen, rheumatologische Fachkrafte, Rheumatologen, Forscher und wissenschaftliche Gesellschaften auf dem Gebiet der Rheumatologie aus allen europaischen Landern vertritt. Iagnocco war bei ihrer Amtsubernahme die erste Italienerin und erst die zweite Frau uberhaupt im Prasidentenamt seit Grundung der Gesellschaft im Jahr 1947. Sie verantwortete unter anderem das 75-jahrige Jubilaum der EULAR im Jahr 2022 und die Entwicklung der EULAR Strategie 2024–2028. Im Jahr 2023 ubernahm Iagnocco den Vorsitz des "Education Committee" der BioMedical Alliance in Europe, eines gemeinnutzigen Dachverbandes europaischer medizinischer Fachgesellschaften mit Sitz in Brussel. Seit Januar 2025 ist Iagnocco Mitglied des Boards der BioMedical Alliance in Europe. Die BioMedical Alliance vertritt Hunderttausende von Arzten, Wissenschaftlern und Gesundheitsexperten in der Medizin. Die Organisation setzt sich insbesondere fur die Fortentwicklung und Harmonisierung von medizinischer Forschung, Fortbildung und der Regulierung von klinischen Studien in Europa ein. Annamaria Iagnocco ist Chefredakteurin von Frontiers in Musculoskeletal Disorders, einer von Experten begutachteten (Peer Review), frei zuganglichen (Open Access), multidisziplinaren medizinischen Fachzeitschrift, die alle Aspekte von Erkrankungen des Bewegungsapparats abdeckt und von Frontiers Media herausgegeben wird. Sie ist außerdem Mitglied der Redaktionsausschusse weiterer, von Experten begutachteten medizinischen Fachzeitschriften wie EULAR Rheumatology Open (ERO), Clinical and Experimental Rheumatology oder Medical Ultrasonography. Sie ist Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von Reumatismo, der offiziellen Zeitschrift der Italienischen Gesellschaft fur Rheumatologie. Wirken Annamaria Iagnoccos Schwerpunktinteressen umfassen die Bereiche Fort- und Weiterbildung, klinische Forschung, Therapieuberwachung und Bildgebung in der Rheumatologie. Ihre Publikationen betreffen die Krankheitsbilder Rheumatoide Arthritis, Psoriasisarthritis, Arthrose, Therapie-Monitoring und Bildgebung rheumatischer Erkrankungen, mit einem speziellen Schwerpunkt auf der Ultraschalluntersuchung und Bewertung der Entzundung. Seit dem Jahr 2000 ist sie Mitglied des Expertenteams, das die Fortbildungsinhalte der EULAR Ultraschall- und Bildgebungskurse festlegt und fortlaufend aktualisiert. Als wissenschaftliche Leiterin und Organisatorin von rheumatologischen Ultraschallkursen in ganz Europa hat sie Generationen von jungen Rheumatologen in dieser Technik ausgebildet. Sie ist in nationale und internationale klinische Studien und spezielle Studien zur Bildgebung bei rheumatischen Erkrankungen eingebunden. Publikationen Annamaria Iagnocco hat als Autorin oder Co-Autorin mehr als 370 Publikationen veroffentlicht, davon mehr als 200 in Zeitschriften mit Peer Review. Sie war an der Entwicklung zahlreicher EULAR Recommendations beteiligt, das sind nach einer qualitatsgesicherten Methodik entwickelte Empfehlungen der EULAR, die weltweit die Standards in Diagnose, Therapie und Vorbeugung von rheumatischen und muskuloskelettalen Erkrankungen pragen. Iagnocco wirkte als Autorin an verschiedenem EULAR Textbooks mit; das sind von EULAR herausgegebene rheumatologische Lehrbucher. Sie ist Co-Herausgeberin des EULAR Textbook on Musculoskeletal Ultrasound in Rheumatology und Co-Autorin des Kapitels zum Thema Bildgebung im EULAR Textbook on Rheumatic Diseases. Weblinks Annamaria Iagnocco - Dipartimento di Scienze Cliniche e Biologiche - Universita degli Studi di Torino Homepage | EULAR Home - Biomedical Alliance in Europe Veroffentlichungen von und uber Annamaria Iagnocco auf dem Dokumentenserver Researchgate Veroffentlichungen von Annamaria Iagnocco im OPAC des Servizio Bibliotecario Nazionale (SBN) Normeintrag im OPAC des SBN Einzelnachweise
Annamaria Iagnocco (* 1961 in Latina) ist eine italienische Arztin, Rheumatologin, Wissenschaftlerin und Hochschullehrerin. Sie ist Professorin im Fachbereich klinische und biologische Wissenschaften und Lehrstuhlinhaberin fur Rheumatologie an der Universitat Turin sowie Direktorin der universitaren Fachabteilung fur Rheumatologie im Krankenhaus „Mauriziano“ in Turin.
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c-241
Jean-Louis Pisuisse (* 6. September 1880 in Vlissingen/Provinz Zeeland; † 26. November 1927 in Amsterdam) war ein niederlandischer Journalist, Kabarettist und Sanger. Er gilt als der Begrunder der niederlandischen Kleinkunst. 1927 wurden er und seine Frau Jenny Gilliams von einem eifersuchtigen Nebenbuhler auf offener Straße in Amsterdam erschossen. Biographie = Beruflicher Werdegang = Jean-Louis Pisuisse war ein Sohn des Lotseninspektors Jacobus Servaas Pisuisse (1836–1904) und von Wilhelmina Jacoba Schipper (1845–1928), Tochter eines Klempners. Jean-Louis war der einzige Sohn; er hatte funf Schwestern. Er verbrachte seine Kindheit in Vlissingen und Middelburg, wo er die Hogereburgerschool besuchte. Durch die Vermittlung seines Onkels, der bei der Middelburgsche Courant arbeitete, konnte Pisuisse seine ersten Artikel veroffentlichen. Im Alter von 20 Jahren ging er nach Amsterdam, um als Reporter fur die Amsterdamsche Courant und spater fur das Algemeen Handelsblad zu arbeiten. Von 1903 bis 1906 war er als Korrespondent in London tatig. Im Mai 1903 heiratete er Jacoba Smit (1877–1933); die Eheleute bekamen den Sohn Jacques Servais Louis (1904–1973) und die Tochter Eline (1905–1949), die spater ebenfalls Kabarettistin wurde. 1912 wurden sie geschieden. Zuruck in den Niederlanden tourte Pisuisse mit seinem Kollegen Max Blokzijl (1884–1946) als „italienische Straßensanger“ verkleidet und mit Gitarre, Orgel und Mandoline ausgestattet durch das Land. Ihre Erlebnisse wurden als Buch veroffentlicht, und anschließend traten sie auf der Buhne auf. Als „journalistische Chansonniers“ unternahmen sie eine Reise nach Niederlandisch-Indien. Sie machten Aufenthalt in Paris, wo sie das neuartige „cabaret artistique“ Le Chat Noir besuchten, das Pisuisse fortan als kunstlerisches Vorbild diente. 1908 lernte er in Surabaya die Schauspielerin Fie Carelsen kennen, die Mitglied in seinem ersten Kabarett-Ensemble „De Kattebel“ wurde. Mit Blokzijl setzte er seine Reise uber Japan, China, Russland und Deutschland fort. Im Sommer 1911 kehrten die beiden Manner in die Niederlande zuruck. In Zusammenarbeit mit dem Impresario Max van Gelder eroffnete Pisuisse 1912 das Cabaret Artistique im Kurhaus Scheveningen. Im Jahr darauf heiratete er Fie Carelsen und tourte erneut durch Niederlandisch-Ostindien. Dabei moderierte und sang er in mehreren Sprachen. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914 wurde Blokzijl zum Militar eingezogen, und Pisuisse wurde Kriegsberichterstatter fur De Telegraaf in Belgien, und er schrieb Briefe fur das Algemeen Handelsblad. In den folgenden Jahren musste Pisuisse mitunter mehrere Monate dienen und trat zusammen mit seinem neuen Begleiter Jan Hemsing im Kurhaus oder anderen Theatern in den Niederlanden auf. Auch spielte er zusammen mit Fie Carelsen vor Soldaten. Mit großem Erfolg brachte er die ersten Lieder des Komponisten Dirk Witte heraus, die als kabarettische Klassiker gelten, wie etwa das bekannteste Mensch, durf te leven (Mensch, trau dich zu leben), sowie Lieder von Aristide Bruant. „Mit seiner Stimme, die wie eine drohende Fanfare klang, erschreckte Jean-Louis die langweiligen Reihen zu seinen Fußen, die wurdevollen Herren, die adretten Damen, und erweckte in ihnen ein Lebensgefuhl, wie es sein Kunstlerherz kannte und bekannte: erschreckend schon und elend“, schrieb die Journalistin Top Naeff im De Groene Amsterdammer. Bei seinen Auftritten begleitete er sich selbst auf der Laute oder der Gitarre und wurde von einem Pianisten unterstutzt. Hin und wieder schrieb er auch selbst Kabarettlieder. Pisuisse holte neue Mitglieder in sein Kabarett-Ensemble, darunter Lola Cornero, Stella Fontaine, Paul Collin, Louis Davids und Margie Morris. Im Januar 1917 lernte er die flamische Sangerin Joanna Jacoba „Jenny“ Gilliams (* 1892) kennen. Am 19. Juli 1918 verlobten sich die beiden, und 1920 wurde ihre Tochter Jenneke geboren. Die offizielle Scheidung von Fie Carelsen erfolgte erst 1925, die Heirat mit Jenny Gilliams im Jahr 1927; Pisuisse soll die Beziehungen parallel gefuhrt haben. Die Lieder, die er zuvor mit Fie Carelsen gesungen hatte, trug er nun mit Jenny Gilliams vor. Von 1925 bis Januar 1927 unternahmen sie eine weitere Tournee durch Niederlandisch-Indien. = Die Ermordung = Im August 1927 gab der lyrische Tenor Tjakko Kuiper (* 22. Dezember 1898) sein Debut mit dem Pisuisse-Ensemble. Pisuisse hatte ihn fur romantische Duette mit Gilliams engagiert, die er fur sich selbst nicht mehr fur altersgemaß hielt. Gilliams und Kuiper verliebten sich ineinander. Die Spannungen wurden so groß, dass Pisuisse Kuiper Anfang Oktober 1927 entließ. Kuiper loste seine Verlobung mit einer Britin auf und wollte mit Jenny Gilliams nach Belgien gehen, doch diese entschied sich letztlich fur ihren Mann. Kuiper wollte sich damit nicht abfinden: Er verfolgte die Truppe und schrieb zahlreiche Briefe an Gilliams. Am 26. November 1927 schoss Kuiper auf dem Rembrandtplein in Amsterdam einmal auf Jenny Gilliams und – als Pisuisse sich schutzend vor seine Frau stellte – zwei Mal auf ihn. Mit einer weiteren Kugel totete er sich selbst. Pisuisse und Gilliams waren nicht auf der Stelle tot, starben aber noch am selben Tag. Der Trauerzug fur die Eheleute am 1. Dezember 1927 in Amsterdam fuhrte vom Krankenhaus zum Concertgebouw, wo ein Gottesdienst ausgerichtet wurde. Er fand unter großer offentlicher Teilnahme statt, darunter zahlreiche Kolleginnen und Kollegen des Ehepaars. Anschließend wurden die beiden Sarge in einer Kolonne von rund 30 Wagen (zeitweise im Schritttempo) zum Friedhof Oud Eik en Duinen in Den Haag gebracht, wo sie im selben Grab bestattet wurden. Dort seien die Straßen „schwarz vor Menschen“ gewesen, schrieb der Nieuwe Haarlemsche courant. Trauerzug und Bestattung sind filmisch dokumentiert. Nach Meinungsverschiedenheiten zwischen den Familien wurde Gilliams im Jahr darauf exhumiert und in einem Nachbargrab bestattet. Kuiper war auf dem Stadskanaal Noorderbegraafplaats in Amsterdam beerdigt worden. Pisuisses geschiedene zweite Ehefrau Fie Carelsen uberlebte ihren Ex-Mann um 48 Jahre. 1975 wurde sie gemaß ihrem letzten Willen im Grab von Pisuisse, fur das sie die Eigentumsrechte erworben hatte, beerdigt. Pisuisses Freund Max Blokzijl arbeitete weiterhin als Journalist. Wahrend der deutschen Besatzung der Niederlande im Zweiten Weltkrieg diente er den Besatzern als Pressewachter sowie Propagandasprecher im Radio und warb fur den Nationalsozialismus. Als einziger niederlandischer Journalist wurde er nach Kriegsende 1946 wegen Landesverrats hingerichtet. Rezeption Der niederlandische Kabarett-Historiker Wim Ibo attestierte Pisuisse, die wichtigste Rolle in der Entwicklung des niederlandischen Kabaretts gespielt zu haben: „Seine Gelehrsamkeit, seine internationale Ausrichtung und seine Fuhrungsqualitaten machten ihn zu einer außergewohnlichen Kabarettpersonlichkeit, deren Arbeit und Vision einen nicht zu unterschatzenden Einfluss auf zahllose von ihm entdeckte oder angeregte Kunstler ausgeubt hat.“ Er habe neben neuen niederlandischen Liedern junger Autoren und Komponisten auch die Werke auslandischer Kollegen vorgestellt. Seine eigene Darbietung habe sich durch eine „kraftvolle Gesangsstimme, eine eindringliche Rezitation und einen einnehmenden Charme“ ausgezeichnet. Ehrungen und Erinnerungen 1976 wurde aus dem Vermachtnis von Fie Carelsen der Pisuisse Prijs fur die beste Theaterauffuhrung eines Schulers der Academie voor Theater en Dans ins Leben gerufen und bis 1999 vergeben. Letzte Preistragerin war die spater populare Schauspielerin Carice van Houten. 1979 schrieb der niederlandische Autor Gerben Hellinga das Theaterstuck Mensch durf te leven, das im Jahr darauf mit Jules Croiset in der Hauptrolle unter der Regie von Dimitri Frenkel Frank verfilmt wurde. Kurz nach der Beerdigung im Jahre 1927 schuf der Maler (und spatere Kunstfalscher) Han van Meegeren ein Portrat von Jean-Louis Pisuisse, das dessen Tochter Eline dem Kurhaus Scheveningen schenkte. Als die Enkelin von Pisuisse, Jeanne-Louise van der Linden (1920–2022), dort ihren 95. Geburtstag feiern wollte, war das Bild nicht auffindbar; es war offenbar bei einem Umbau 1973 entfernt worden. Wenig spater tauchte es im Katalog eines Auktionshauses auf, das das Bild unentgeltlich zuruckgab. Es wurde restauriert und im Dezember 2023 erneut im Kurhaus enthullt. 1967 nahm der niederlandische Chansonnier Ramses Shaffy das popularste Lied von Jean-Louis Pisuisse und Dirk Witte Mensch, durf te leven neu auf. In Beverwijk, Den Haag, Hengelo und Rotterdam sind Straßen nach Jean-Louis Pisuisse benannt, in Utrecht eine Allee. An seinem Geburtshaus in der Waalstraat 27 in Vlissingen erinnert eine Gedenktafel an ihn. Es gibt keine nach ihm benannte Straße in seinem Geburtsort, hingegen eine „Fie Carlesenlaan“. Plane, ein Denkmal fur ihn in Vlissingen zu errichten, kamen nicht zur Ausfuhrung. Publikationen (Auswahl) De franc-tireur van Warsage. Scheltens & Giltay, Amsterdam 1914. De schipbreuk van de 'Berlin' 21 Februari 1907. (gutenberg.org). mit Max Blokzijl: Avonturen als straatmuzikant. Becht, Amsterdam 1908. Ein Augenzeuge uber die Eroberung von Luttich. In: Neues Wiener Journal, 16. August 1914, S. 4 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nwj Chansons internationales : repertoire Pisuisse et Blokzijl. B. van Mantgem Hofl, Amsterdam 1916. Honderd liederen uit het Duitsch, Engelsch en Fransch repertoire van Jean-Louis Pisuisse. 1918. Literatur Die Tragodie des Ehepaares Pisuisse. In: Neues Wiener Journal, 29. November 1927, S. 7–8 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nwj Wim Ibo: En nu de moraal van dit lied : overzicht van 75 jaar Nederlands cabaret. Amsterdam 1970, ISBN 90-218-2644-5 (niederlandisch). Fie Carelsen: Ik heb ze gekend: Mijn gouden uren bij het Nederlandse toneel. Den Haag Stok z.j, Den Haag 1970, ISBN 90-235-8042-7 (niederlandisch). Jenny Pisuisse: Jean-Louis Pisuisse, de vader van het nederlandse cabaret. De Gooische Uitgeverij, 1977, ISBN 90-269-8401-4 (niederlandisch). Anke Hamel (Hrsg.): Mijn liefste lief : brieven van Jean-Louis Pisuisse aan Fie Carelsen. SDU, 's-Gravenhage 1989, ISBN 90-12-06310-8 (niederlandisch). Weblinks Jean-Louis Pisuisse - TheaterEncyclopedie. In: theaterencyclopedie.nl. 21. Marz 2025, abgerufen am 25. April 2025 (niederlandisch). Jean-Louis Pisuisse (1880–1927) – Find a Grave. In: de.findagrave.com. Abgerufen am 25. April 2025. Einzelnachweise
Jean-Louis Pisuisse (* 6. September 1880 in Vlissingen/Provinz Zeeland; † 26. November 1927 in Amsterdam) war ein niederlandischer Journalist, Kabarettist und Sanger. Er gilt als der Begrunder der niederlandischen Kleinkunst. 1927 wurden er und seine Frau Jenny Gilliams von einem eifersuchtigen Nebenbuhler auf offener Straße in Amsterdam erschossen.
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2000 Meters to Andriivka ist ein Dokumentarfilm von Mstyslaw Tschernow. Darin zeigt der ukrainische Fotograf, Kriegskorrespondent und Filmemacher, wie Soldaten der 3. ukrainischen Sturmbrigade 2023 bei ihrem Versuch, das strategisch wichtige Dorf Andrijiwka nach dem russischen Uberfall auf die Ukraine zuruckzuerobern, eine Strecke von 2000 Metern bewaltigen mussen. 2000 Meters to Andriivka feierte Ende Januar 2025 Premiere beim Sundance Film Festival, wo Tschernow mit dem Directing Award ausgezeichnet wurde. Inhalt Die Soldaten der 3. ukrainischen Sturmbrigade versuchen, das Dorf Andrijiwka zuruckzuerobern, das auf einer wichtigen russischen Versorgungslinie liegt und als entscheidend fur die Ruckeroberung der Donezker Stadt Bachmut gilt, die zu Beginn des Krieges 2022 an die Russen gefallen war. Wahrend ihres letzten Vormarsches im September 2023 werden sie uber mehrere Wochen hinweg von Tschernow begleitet. Bei ihrem Einsatz mussen die Soldaten der Eliteeinheit einen schmalen, 2000 Meter langen Waldabschnitt zwischen zwei Minenfeldern durchqueren, der vor dem Dorf liegt. Er bietet ihnen zwar Deckung, gibt aber auch den Russen die Moglichkeit, sich in ihren Schutzengraben vor ihnen zu verschanzen. Das Durchkammen des Waldes bedeutet einen Kampf um Zentimeter, in dem die Ukrainer kriechen mussen, um nicht vom Feind gesehen zu werden. Das Zurucklegen dieser 2000 Meter sollte Tage dauern. Tschernow versah die mit den Soldaten gefuhrten Gesprache mit seinem eigenen Voiceover, in dem er im Abstand von einigen Monaten von menschlichen Verlusten bei dem Einsatz erzahlt. Der Regisseur nahm auch an der Beerdigung eines der Soldaten in dessen Heimatstadt teil, bei der die gesamte Gemeinde zusammenkam, um dem gefallenen Helden die letzte Ehre zu erweisen. Produktion Regie fuhrte der ukrainische Fotograf, Kriegskorrespondent und Filmemacher Mstyslaw Tschernow. Sein Dokumentarfilm 20 Tage in Mariupol wurde bei der Oscarverleihung 2024 als Bester Dokumentarfilm ausgezeichnet. Als Kriegskorrespondent der Associated Press war Tschernow an verschiedenen Kriegsschauplatzen weltweit unterwegs, bevor Russland sein Heimatland uberfiel. 2000 Meters to Andriivka wurde großtenteils aus Body-Cam-Aufnahmen ukrainischer Soldaten im Kampf zusammengeschnitten. Fur weitere Aufnahmen arbeitete Tschernow mit Alex Babenko zusammen, einem seiner Kollegen von Associated Press. Den Filmschnitt ubernahm die US-Amerikanerin Michelle Mizner, mit der Tschernow bereits fur 20 Tage in Mariupol zusammenarbeitete. Die Weltpremiere des Films fand am 23. Januar 2025 beim Sundance Film Festival statt. Ende Marz 2025 wurde er bei CPH:DOX gezeigt. Im Juni 2025 wird er beim Sydney Film Festival vorgestellt. Im Juli 2025 sind Vorstellungen beim Internationalen Filmfestival Karlovy Vary geplant. Rezeption = Kritiken = Von den bei Rotten Tomatoes aufgefuhrten Kritiken sind 95 Prozent positiv. Christian Blauvelt schreibt in seiner Kritik fur IndieWire, 2000 Meters to Andriivka sei ein Kriegsfilm, der einen mitreiße wie kein anderer und eine der eindringlichsten und erlebnisreichsten Darstellungen von Kriegshandlungen zeige, die je in einem Dokumentarfilm festgehalten wurden. Gleichzeitig sei er ein Antikriegsfilm, der die Sinnlosigkeit von Kriegshandlungen deutlich mache, wie die Zuschauer sie wahrscheinlich noch nie zuvor gesehen haben. Tschernow verstehe es außerordentlich gut, diese Nuance einzufangen, so Blauvelt. In den ruckelnden Aufnahmen sehe man, was die Soldaten sehen, und ahnlich wie bei dem ebenfalls großtenteils aus Ich-Perspektiven gedrehten Film Die Nickel Boys konne man sich so noch starker mit der Person identifizieren, durch deren Augen man sieht. Durch die von der Body-Cam eingefangene Egoperspektive fuhle sich 2000 Meters to Andriivka oft wie ein Ego-Shooter-Videospiel an. Der Film sei erschutternd und repetitiv bis zur Betaubung und zeige den Krieg alles andere als spannend, sondern in seiner Eintonigkeit lahmend. = Auszeichnungen = CPH:DOX 2025 Auszeichnung mit dem F:ACT Award (Mstyslaw Tschernow) Nominierung fur den Human Rights Award (Mstyslaw Tschernow) Sundance Film Festival 2025 Nominierung fur den Grand Jury Prize – World Cinema: Documentary (Mstyslaw Tschernow) Auszeichnung mit dem Directing Award – World Cinema: Documentary (Mstyslaw Tschernow) Weblinks 2000 Meters to Andriivka bei IMDb 2000 Meters to Andriivka im Programm des Sundance Film Festivals (englisch) Einzelnachweise
2000 Meters to Andriivka ist ein Dokumentarfilm von Mstyslaw Tschernow. Darin zeigt der ukrainische Fotograf, Kriegskorrespondent und Filmemacher, wie Soldaten der 3. ukrainischen Sturmbrigade 2023 bei ihrem Versuch, das strategisch wichtige Dorf Andrijiwka nach dem russischen Uberfall auf die Ukraine zuruckzuerobern, eine Strecke von 2000 Metern bewaltigen mussen. 2000 Meters to Andriivka feierte Ende Januar 2025 Premiere beim Sundance Film Festival, wo Tschernow mit dem Directing Award ausgezeichnet wurde.
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Ein Rangiererwagen, englisch shunters truck, shunters’ truck, chariot ‚Streitwagen‘ oder shunters gig, ist ein kleiner Eisenbahnwagen, der in britischen Guterbahnhofen verwendet wurde, um Rangierer und ihre Geratschaften zu transportieren. Die von der Great Western Railway (GWR) eingefuhrten Wagen boten den Rangierarbeitern bei der Arbeit eine Mitfahrgelegenheit. Verwendung Die Rangierer mussten in den Guterbahnhofen oft lange Distanzen zwischen den einzelnen Arbeitsstellen zurucklegen. Eine Mitfahrt im sehr kleinen Fuhrerhaus der Rangierlokomotive war meist nicht moglich, weil neben Lokfuhrer und Heizer keine dritte Person darin Platz fand. Somit blieb den Rangierern nur die Moglichkeit, entweder zu Fuß zu gehen oder an Wagen oder Lokomotiven hangend mitzufahren. Die Mitfahrt war jedoch gefahrlich, da das Rollmaterial der britischen Bahnen anfangs noch nicht mit Rangiertritten ausgestattet war. Dadurch bestand die Gefahr, dass die Rangierer wahrend der Fahrt den Halt verloren, sturzten und sich verletzten oder gar von den Fahrzeugen uberrollt wurden. Um diesem Missstand zu begegnen, fuhrte die Great Western Railway (GWR) als erste Bahn Rangiererwagen ein, die den Rangierarbeitern eine Mitfahrt ermoglichten. Die Rangierarbeiter fuhren dabei stehend auf den Trittbrettern des Rangierwagens mit und hielten sich an den Handstangen des Wagens fest. Gleichzeitig transportierte der Wagen auch die Werkzeuge der Rangierer sowie kleine Ersatzteile. Der Rangiererwagen war dauerhaft an die Rangierlokomotive gekuppelt. Die Rangiererwagen hatten anfangs Handbremsen, die die Rangierer selbst anlegten. Spater wurden sie mit Vakuumbremsen ausgestattet, die von der Lokomotive aus bedient werden konnten, sodass bei Rangierbewegungen mit vielen Wagen mehr Bremskraft zur Verfugung stand. Bei Rangierfahrten wurde die durchgehende Bremse nicht genutzt; nur die Lokomotive und der Rangierwagen konnten Bremskraft fur den Zug aufbringen. Trotz ihrer Nutzlichkeit waren die Rangiererwagen nicht unproblematisch. Ihre geringe Lange und ihr geringes Gewicht fuhrten oft zu Entgleisungen. Weiter musste der Lokfuhrer beim Rangieren die zusatzliche Lange des Wagens beachten. Obwohl die Rangiererwagen eine große Verbesserung fur die Rangierer waren, war die Mitfahrt an der Seite der Wagen immer noch gefahrlich. Ein plotzlicher Ruck der Lokomotive oder vom Regen rutschig gewordene Holzplanken konnten die Rangierer zu Fall bringen. Der Nutzen der Wagen machte aber die Mangel mehr als wett. Geschichte Die ersten Rangiererwagen wurden bei der GWR aus alten Breitspurwagen umgebaut und existierten mit Sicherheit bereits in den spaten 1870er Jahren. Ab 1895 wurden die ersten Rangiererwagen eingefuhrt, die speziell fur diesen Zweck gebaut wurden. Bis 1904 gab es bei der GWR 143 Rangiererwagen der Bauart M1. Bis 1912 kamen weitere 33 der Bauart M2 hinzu und bis 1948 nochmals 130 der Bauarten M3, M4 und M5, als die Bahn verstaatlicht wurde. Selbst British Railways baute noch Rangiererwagen; bis 1953 entstanden drei Stuck, der letzte bekannte Umbau stammt von 1960. Die Anzahl Rangiererwagen pro Guterbahnhof war unterschiedlich. Normalerweise war pro arbeitender Rangierlokomotive ein Rangiererwagen vorhanden. Die kleinen Wagen, die nur etwa funf Meter lang waren, verließen normalerweise ihren Heimatbahnhof nicht. Auch die London, Midland and Scottish Railway (LMS) und die Southern Railway (SR) verwendeten Rangiererwagen. Sie wurden aber meist nicht neu gebaut, sondern entstanden durch Umbauten von alten Guterwagen und Schlepptendern. Die Rangiererwagen blieben auch noch Jahre nach der Verstaatlichung der Bahnen bei British Railways im Einsatz und wurden auch noch zusammen mit Diesellokomotiven eingesetzt. Die Nutzung der Rangiererwagen endete erst mit der Inbetriebnahme der Diesellokomotiven der BR-Klassen 08 und 09, die mit Rangiertritten und Handstangen in der Nahe des vorderen Fahrzeugendes ausgerustet waren, sodass die Rangierer auf der Lokomotive mitfahren konnten. Den Nachteil, dass dort keine Werkzeugkiste fur die Geratschaften der Rangierer Platz fand, konnten die meisten Rangierer hinnehmen, zumal nur die ehemaligen GWR-Wagen eine aufgebaute Werkzeugkiste hatten. Mit der faktischen Einstellung des Einzelwagenladungsverkehrs nach der Containerisierung des Guterverkehrs in den 1970er und 1980er Jahren wurden die Rangiererwagen nicht mehr benotigt und ausgemustert. Erhaltene Rangiererwagen Eine Handvoll Rangiererwagen ist erhalten geblieben und wird bei verschiedenen Museumsbahnen in ganz Großbritannien gezeigt. Dazu gehoren: Dean Forest Railway: Nr. DW 41152, Bauart M4, Baujahr 1944 Severn Valley Railway: Nr. W 41736, Bauart M3, Baujahr 1913 Bodmin and Wenford Railway: W Nr. 41799, Bauart M1, Baujahr 1902 South Devon Railway: Nr. GW 41873, Bauart M1, Baujahr 1896 Tyseley Locomotive Works: Nr. DW 43958, Bauart M1, Baujahr 1899 Swindon Steam Railway Museum: Nr. W 94988, Bauart M4, Baujahr 1914, Besitzer National Railway Museum Fawley Hill Railway: Nr. W 96845, Umbau aus einem gedeckten Guterwagen der Bauart V16 (Mink A), Baujahr 1960 Didcot Railway Centre: Nr. 100377, Bauart M5, Umbau aus einem gedeckten Guterwagen der Bauart V14 (Mink A), Baujahr 1953 Technik Die Rangiererwagen waren zweiachsig. Trittbretter und Handstangen boten den Rangierern eine relativ sichere Mitfahrgelegenheit. Meist war in der Mitte des Wagens eine Werkzeugkiste vorhanden, die die von den Rangierern benutzten Geratschaften enthielt, wie Entkupplungsstange, Bremsstab, Hemmschuhe und Aufgleisschuhe, aber auch kleinere Ersatzteile. Auf ihr war meist auch der Heimatbahnhof des Wagens angeschrieben. Die Speichenrader waren mit seitlichen Abdeckungen versehen, um zu verhindern, dass sich Kleidung und Ausrustung in den Radern verfangen konnten. Weblinks Einzelnachweise
Ein Rangiererwagen, englisch shunters truck, shunters’ truck, chariot ‚Streitwagen‘ oder shunters gig, ist ein kleiner Eisenbahnwagen, der in britischen Guterbahnhofen verwendet wurde, um Rangierer und ihre Geratschaften zu transportieren. Die von der Great Western Railway (GWR) eingefuhrten Wagen boten den Rangierarbeitern bei der Arbeit eine Mitfahrgelegenheit.
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Gerarda Alida „Atie“ Ridder-Visser (* 23. Juli 1914 in Rotterdam; † 20. August 2014 ebenda) war eine niederlandische Widerstandskampferin im Zweiten Weltkrieg. Kindheit, Jugend und Ausbildung Atie Visser wurde als Tochter des Schiffskapitans bei der Koninklijke Rotterdamsche Lloyd Corstiaan Willem Visser und von Johanna Cornelia Bos (1883–1952) geboren und wuchs als mittleres von drei Kindern in einer liberalen protestantischen Familie in Rotterdam auf. Nach dem Abitur studierte sie Handelswissenschaften an der Nederlandsche Handels-Hoogeschool und schloss das Studium im Mai 1934 mit dem Bachelor ab. Etwa zu dieser Zeit schloss sie sich spontan den Kommunisten an. Diese politische Entscheidung fuhrte zu einem vorubergehenden Bruch mit ihrem Vater und ihrem Auszug aus dem Elternhaus am Beukelsdijk 47b. 1937 zog Atie Visser nach Amsterdam. Nach einigen vorubergehenden Adressen wohnte sie in einem Madchenwohnheim an der Prinsengracht 997. Da dort bereits eine junge Frau gleichen Namens lebte, nannte sie sich Karin. Sie arbeitete in verschiedenen Burojobs, darunter bei den judischen Tabakhandlern Rothschild und Blum, und besuchte einmal im Monat ihre Eltern in Rotterdam, nachdem sie sich mit ihrem Vater ausgesohnt hatte. Widerstandstatigkeit im Krieg Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges und der Besetzung der Niederlande begann Atie Visser sich im Widerstand zu engagieren. Im Jahr 1942 zog sie zuruck nach Rotterdam, als sie als Stenotypistin bei Unilever eine Anstellung fand. Wahrend ihrer Arbeitszeit vervielfaltigte und verbreitete sie Artikel aus den Widerstandszeitungen Het Parool und Trouw, indem sie sie in sieben Durchschlagen abtippte und wahrend ihrer Mittagspause an zufallig ausgewahlte Adressen in der Gegend verteilte. Sie arbeitete ab dem Fruhjahr 1944 als Kurierin fur die Widerstandsgruppe von Marinus Post und nahm bald an deren bewaffnetem Widerstand teil. Die Gruppe unter der Fuhrung des Drenther Landwirts Marinus „Evert“ Post gehorte zu den Landelijke Knokploegen und organisierte vom Zigarrenladen von Dick Spoor in Leiden aus Uberfalle auf die Ausgabestellen, um Lebensmittelmarken und Papiere fur Untergetauchte zu erbeuten. Nachdem Atie Visser unter dem Decknamen Karin bei der Liquidierung eines Verraters dabei war, bekam sie eine eigene Schusswaffe (FN 7,65 mm), die sie bei einer erfolgreichen Raububerfallserie auf Ausgabestellen in Elburg, Wezep, Dedemsvaart und Gramsbergen im Sommer 1944 benutzte. Bei dem Raububerfall in Dedemsvaart erhielt sie Unterstutzung durch ihre Namensvetterin und fruhere Mitbewohnerin Atie aus Amsterdam, die in der Vertriebsabteilung arbeitete. In Wezep konnte sich die Gruppe 17.000 Lebensmittelkarten und 28.000 Lebensmittelmarken aneignen. Die Gruppe versteckte sich in Nunspeet, Vroomshoop und auf dem Bauernhof von Marinus’ Bruder Johannes „Jans“ Post in Nieuwlande in der Provinz Drenthe. In ihren Kriegserinnerungen beschrieb Atie Visser spater ihre „Besessenheit“, Raububerfalle zu begehen, und die fur sie als begluckend empfundene Kameradschaft innerhalb der Widerstandsgruppe. Nach dem Dolle Dinsdag am 5. September 1944, als mit dem Vormarsch der Alliierten Geruchte uber die baldige Befreiung die Runde machten, ging Atie Visser mit Marinus Post nach Amsterdam, um auf die bald erwartete Befreiung zu warten. Sie tauchten in Amsterdam-Zuid unter und hielten sich spater tagsuber meist bei einer Freundin an der Amstel 93 auf. Das Gebaude wurde von einem Informanten des Sicherheitsdienstes (SD) beobachtet. Der SD durchsuchte das Haus und verhaftete Marinus Post, doch Atie Visser entkam. Einen Monat spater erhielt sie die Nachricht, dass Post, zu dem sie aufgeschaut hatte, am 17. November 1944 zusammen mit vier anderen Widerstandskampfern in Alkmaar erschossen worden war. Nach seinem Tod wurde die Gruppe von Dick Spoor geleitet. Nach dem Krieg Nach der Befreiung der Niederlande arbeitete Atie Visser Mitte Mai 1945 bei den Binnenlandse Strijdkrachten in Rijnsburg. Anschließend wohnte sie in verschiedenen Zimmern in Leiden. Sie wurde fur den Politieke Opsporingsdienst (POD) tatig, der fur die Suche und Verhaftung von Kollaborateuren, Mitgliedern der Nationaal-Socialistische Beweging (NSB) und Schwarzhandlern zustandig war, und untersuchte Falle von Kollaboration wahrend des Krieges. = Ermordung von Felix Gulje = Der ehemalige Leiter der Widerstandsgruppe, Dick Spoor, der nach Posts Tod im Jahr 1944 die Leitung der Gruppe ubernommen hatte, erzahlte Atie Visser von einer strategisch wichtigen Mautbrucke zwischen Oegstgeest und Warmond, die vom Widerstand sabotiert, aber von Felix Guljes Unternehmen Hollandsche Constructie Werkplaatsen (HCW) repariert worden war. In Widerstandskreisen kursierten Vorwurfe, Gulje sei als Kollaborateur anzusehen. Wahrend des Krieges erhielt das Unternehmen regelmaßig Auftrage der deutschen Besatzer und unter den Mitarbeitern des Unternehmens waren zahlreiche Mitglieder der NSB, darunter Personen in Schlusselpositionen. Der Ingenieur Felix Gulje war Direktor der Leidener HCW und der Nederlandsche Electrolasch Maatschappij (NEM) sowie Bundesvorsitzender der Algemene Katholieke Werkgevers Vereeniging (Allgemeine Katholische Arbeitgeberverband) (AKWV). Im August 1945 wurde er vom POD verhaftet und in der „Doelenkazerne“ in Leiden interniert, nach etwa zwei Monaten aber wieder freigelassen. Da Felix Gulje einer Verurteilung zu entgehen schien, beschlossen Atie Visser und Dick Spoor, ihn zur Rechenschaft zu ziehen und zu „liquidieren“. Am Abend des 1. Marz 1946 klingelte Visser an Guljes Tur in der Van Slingelandtlaan 8 in Leiden. Als Guljes Ehefrau die Tur offnete, sagte Visser, sie habe einen Brief fur ihren Mann. Als Gulje selbst zur Tur kam, schoss Visser ihm in die Brust. Der 52-jahrige Gulje starb auf dem Weg ins Krankenhaus. Anschließend kehrte Atie Visser in ihr gemietetes Zimmer am Witte Singel in Leiden im Haus von Johan Knuttel, einem bekannten niederlandischen Sprach- und Literaturwissenschaftler und Berater der Communistische Partij van Nederland (CPN), zuruck. Obwohl der Verdacht bestand, dass die Taterschaft im Umfeld des ehemaligen Widerstands zu suchen sei, blieb der Fall jahrzehntelang ungelost. Erst spater wurde bekannt, dass Gulje Familien, die Untergetauchte aufgenommen hatten, finanziell unterstutzt hatte. Daruber hinaus hatte er weiterhin illegal den Vorstand des von den Besatzern aufgelosten Allgemeinen Katholischen Arbeitgeberverbandes gefuhrt, dessen Treffen in seinem Haus stattfanden. = Weiteres Leben = Atie Visser ließ sich 1947 in Indonesien nieder. Dort lernte sie den Handelsvertreter Herman Pieter Jan Ridder (1900–1983) kennen und heiratete ihn am 6. November 1948 in Jakarta. Im Jahr 1949 kehrte das Ehepaar Ridder-Visser nach Rotterdam zuruck und zog 1955 nach Hengelo, wo Atie Visser eine Anstellung als Chefsekretarin bei AkzoNobel fand. Nach zwei Jahren in Spanien von 1967 bis 1969 ließen sie sich wieder in Rotterdam nieder. Das Paar unternahm außerdem zwei Weltreisen. Nach dem Tod ihres Mannes Herman besuchte Atie Visser China, Japan, Australien, Agypten und die Vereinigten Staaten. In den 1980er Jahren nahm Atie Visser wieder Kontakt zu ihren Freunden aus dem Widerstand auf. Am 5. Mai 1982 wurde sie im Rathaus von Leiden von Burgermeister Goedkoop mit dem „Verzetsherdenkingskruis“ (Widerstands-Gedenkkreuz) ausgezeichnet. Um 1990 bat Marinus Posts Tochter Henny sie, die Rolle der Karin im Aufklarungsfilm Wanda wil bij het verzet zu ubernehmen. Als Mitglied der „Vereniging voormalig verzet Zuid-Holland“ (Vereinigung ehemaliger Widerstandskampfer in Sudholland) schrieb sie Artikel uber Marinus Post und ihre Zeit bei der Widerstandsgruppe, die 1999 unter dem Titel Marinus Post alias Evert: oorlogsherinneringen uit 1944 veroffentlicht wurden. Im Jahr 2011 veroffentlichte der Leidener Burgermeister Henri Lenferink einen Brief Atie Vissers, in dem sie gestand, Felix Gulje 1946 erschossen zu haben. Sie war der Ansicht, dass die Familie Gulje ein Recht darauf habe, die Wahrheit uber den Mord zu erfahren, uber den verschiedene Verschworungstheorien kursierten. Sie traf sich mit den Enkeln und sagte, sie habe ihr Handeln im Nachhinein bereut – Gulje habe zwar wirtschaftlich mitgewirkt, soll aber auch versteckte Juden bei sich aufgenommen haben. Obwohl es lange her war, konnten Kreise des ehemaligen Widerstands fur Atie Vissers damalige Selbstjustiz wenig Verstandnis aufbringen. Es gab Forderungen nach der Aberkennung des ihr 1982 verliehenen Widerstands-Gedenkkreuzes, doch dies erwies sich als nur auf freiwilliger Basis moglich. Das Innenministerium teilte mit, dass es keine Regelung zur Ruckforderung der Auszeichnung gebe. Der Mord war bereits verjahrt, so dass sie auch nicht strafrechtlich verfolgt wurde. Kurz vor ihrem 100. Geburtstag sagte sie in der Trouw vom 3. Mai 2014, sie sei damals davon uberzeugt gewesen, das Richtige zu tun. Sie starb wenige Monate spater im August 2014 in einem Rotterdamer Pflegeheim, wo sie ihre letzten Jahre verbracht hatte. Weblinks Gerarda Alida Visser. In: Biografisch portaal van Nederland (Digitalisat) Einzelnachweise
Gerarda Alida „Atie“ Ridder-Visser (* 23. Juli 1914 in Rotterdam; † 20. August 2014 ebenda) war eine niederlandische Widerstandskampferin im Zweiten Weltkrieg.
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c-245
Der Korant oder Kurent ist eine Gestalt der slowenischen Folklore. Der in ein Schafsfell gehullte, gutgesinnte Damon soll ahnlich den alpenlandischen Perchten den Winter austreiben. Seine Maske ist heute eng mit der ostslowenischen Stadt Ptuj verbunden, wo jahrlich das Faschingsfest Kurentovanje stattfindet. Das traditionelle Ziehen von Tur zu Tur durch die Korant wurde 2017 von der UNESCO als immaterielles Kulturerbe anerkannt. Ursprung Der Ursprung der beliebten Faschingsmaske ist nicht eindeutig geklart. Laut ethnographischer Forschung konnte sie bereits aus keltisch-illyrischer Zeit stammen oder im 6. Jahrhundert mit den Slawen in die Gegend um Ptuj gekommen sein. Anderen Theorien zufolge handelt es sich dabei um eine Uberlieferung von Uskoken, welche das Draufeld im 15. und 16. Jahrhundert besiedelten. Wieder andere vermuten darin eine authentische Maske aus dem Draufeld. Der Ethnologe Niko Kuret sieht den Korant in einer Reihe mit rund 100 verschiedenen anderen Fellmasken im Raum zwischen Bulgarien und Suddeutschland bzw. der Schweiz. Vergleichbare Brauchtumsmasken werden etwa in der Međimurje (Lampe), in Mohacs (Busojaras) und in Bulgarien (Kukeri) getragen. Die altesten bekannten Korant-Darstellungen finden sich an zwei Gebauden in der Jadranska ulica in der Altstadt von Ptuj. Die Fassade beider im spaten 18. Jahrhundert errichteten Hauser zieren insgesamt elf weiß gestrichene Pilaster aus Stuck, die von stilisierten Masken gestutzt werden. Der ursprungliche, von Ethnologen bevorzugt verwendete Begriff Korant entwickelte sich mit der zunehmenden Verlagerung des Brauchtums von den Dorfern des Draufeldes in die Stadt Ptuj und der Entstehung des Kurentovanje zu Kurent. Maske Das typische Gewand des Korant heißt Korantija oder Kurentija und besteht im Wesentlichen aus hellem Schafsfell und einer Kopfbedeckung mit Gesichtsmaske. Der Kopfschmuck war bis um 1930 von Lederohren gepragt, die spater durch Truthahn- oder Gansefedern ersetzt wurden. Große Horner aus Leder oder Filz wichen zwei senkrechten Staben, die mit bunten Papierbandern umflochten sind. Dazu werden hohe schwarze Schuhe oder Stiefel mit roten oder grunen Gamaschen oder Wollsocken getragen. Die Gesichtsmaske aus Leder verfugt uber ausgeschnittene Mund- und Augenoffnungen, die mit roter und gelber Farbe umrahmt sind. Darauf aufgenaht sitzen eine lederne Russelnase und ein Schnurrbart aus Borsten oder Reisig. Die Zahne bestehen aus aufgefadelten weißen Bohnen, eine lange rote Zunge aus Stoff oder Leder. An einer Kette um die Taille tragt der Korant bis zu funf Kuhglocken, traditionell gehort auch eine mit Igelhaut bespannte Holzkeule zur Ausstattung. Insgesamt entwickelte sich das Erscheinungsbild der Maske mit der Zeit vom Damonisch-Erschreckenden hin zum Freundlich-Verspielten. Heute beherrschen bloß noch wenige Meister die Anfertigung einer Korantija, die ublicherweise per Hand erfolgt und mehrere Wochen in Anspruch nehmen kann. Je nach Materialwahl, Felldichte und Große der Glocken kann das Kostum mehr als 40 Kilogramm wiegen. Brauchtum Seine Aufgabe als Vertreiber boser Geister und des Winters sowie als Bringer von Fruhling und Fruchtbarkeit erfullt der Korant in Gruppen, die in der Zeit zwischen Maria Lichtmess und Aschermittwoch von Haus zu Haus ziehen. Dabei bilden die Korant mit einem oder mehreren Teufeln einen Kreis um die Hausbesitzer, springen und tanzen und lauten mit ihren Glocken. Die Besuchten beschenken ihre Glucksbringer mit Speisen wie hausgemachter Wurst, Madchen stecken ihnen als Zeichen der Ehrerbietung Taschentucher an die Verkleidung. Dieses Brauchtum entstand in den Dorfern des Draufeldes, im Haloze und in den Windischen Buheln und hielt spater Einzug in das regionale Zentrum Ptuj. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg war es jungen, unverheirateten Mannern vorbehalten und fuhrte vor dem Hintergrund des Korant als Trager lokaler Identitat und der Verbruderung innerhalb einzelner Dorfer nicht selten zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. An eine solche gemahnt etwa das Bild Mrtvi kurent („Toter Kurent“, 1955) des bekannten Kunstlers France Mihelic. Nachdem der Korant langst zum bekanntesten Maskottchen der Stadt Ptuj geworden war, wurde das Brauchtum der „Tur-zu-Tur-Runden“ im Dezember 2017 im Rahmen einer UNESCO-Tagung auf Jejudo als immaterielles Kulturerbe anerkannt. Hervorgehoben wurden dabei sein „Beitrag zur Starkung zwischenmenschlicher Beziehungen“ und seine „Schlusselrolle bei der Schaffung der regionalen Identitat“. Die Mitarbeit von Kindergarten und Grundschulen sorge außerdem dafur, dass bereits den Kleinsten Respekt vor dem Brauchtum beigebracht wird. Uber die Anforderungen an einen Korant sagte Ales Ivancic, Vorsitzender des Verbandes der Kurent-Vereine (Zveza drustev kurentov), Folgendes: Kurentovanje Seine internationale Bekanntheit verdankt der Korant dem seit 1960 in Ptuj stattfindenden Faschingsfest Kurentovanje. Wurde anfangs nur ein Umzug am Faschingssonntag veranstaltet, weitete sich das Fest im Laufe der Jahrzehnte auf zehn Tage aus. Heute zahlt es bis zu 100.000 Besucher und gilt als meistbesuchte Karnevalsveranstaltung im erweiterten Alpenraum. Neben den traditionellen Korant, denen ublicherweise eine Woche vor Aschermittwoch ein eigener Tag gewidmet ist, treten dabei zahlreiche weitere Masken in Erscheinung. Literatur Andrej Brence & Ales Gacnik: Traditional Carnival Masks in the Region of the Ptuj and the Drava Plain and Haloze. In: Tales of Traditional Carnival Masks. Pokrajinski muzej, Znanstvenoraziskovalno sredisce Bistra, Ptuj 1998, S. 23–51 (englisch). Ales Gacnik: Moc tradicije: kurentovanje in karneval na Ptuju. Pokrajinski muzej, Znanstvenoraziskovalno sredisce Bistra, Ptuj 2000, ISBN 978-961-6253-01-7 (slowenisch, 223 S.). Ales Gacnik: Dediscina Kurenta med tradicijo in inovacijami. In: O pustu, maskah in maskiranju. Institut za slovensko narodopisje ZRC SAZU, Ljubljana 2003 (slowenisch, 125–146 S.). Ales Gacnik: Dediscina kurenta v kulturi Evrope. Pokrajinski muzej, Znanstvenoraziskovalno sredisce Bistra, Ptuj 2004, ISBN 978-961-6253-19-2 (slowenisch, 438 S.). Andrej Brence: Kurentovanje. Mestna obcina Ptuj, Ptuj 2010, ISBN 978-961-6791-05-2 (55 S., slowenisch: Kurentovanje. Ubersetzt von Sandra Travnikar). Weblinks Kurentova hisa (slowenisch) Foto- und Videoserie des Verbandes der Kurent-Gesellschaften Einzelnachweise
Der Korant oder Kurent ist eine Gestalt der slowenischen Folklore. Der in ein Schafsfell gehullte, gutgesinnte Damon soll ahnlich den alpenlandischen Perchten den Winter austreiben. Seine Maske ist heute eng mit der ostslowenischen Stadt Ptuj verbunden, wo jahrlich das Faschingsfest Kurentovanje stattfindet. Das traditionelle Ziehen von Tur zu Tur durch die Korant wurde 2017 von der UNESCO als immaterielles Kulturerbe anerkannt.
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Alexander Terry Lovy (2. September 1913 in Passaic, New Jersey – 14. Februar 1992 in Valencia, Kalifornien) war ein US-amerikanischer Animator, Regisseur und Produzent von Zeichentrickfilmen. Alex Lovy arbeitete fur Walter Lantz Productions, Screen Gems/Columbia Pictures, Hanna-Barbera und Warner Bros. und schuf dabei Zeichentrickfiguren wie Cool Cat und Colonel Rimfire sowie Merlin the Magic Mouse und dessen Sidekick Second Banana. Im Laufe seiner Karriere war Lovy verantwortlich fur Zeichentrickproduktionen mit Oswald dem lustigen Hasen, Andy Panda, Woody Woodpecker, Chilly Willy, Daffy Duck, Speedy Gonzales, Scooby-Doo, Fenn – Hong Kong Pfui, Familie Feuerstein, Die Jetsons und Yogi Bar. Werdegang Alexander Lovy wurde im 20 Kilometer von Manhattan entfernten Passaic, New Jersey, geboren. Im Jahr 1933 wurde Alex Lovy Animator in den New Yorker Van Beuren Studios, die bis 1936 kurze Zeichentrickfilme fur das Kinovorprogramm produzierten, darunter Felix the Cat. Zwischen 1936 und 1937 arbeitete Lovy als Zeichner fur National Comics (spater: DC Comics) und zeichnete Comic-Serien wie Slim and Tex, Dale Daring, Lieutenant Leeds und Hope Hazard G-Women. Ab 1937/38 arbeitete Lovy fur Walter Lantz. Er machte Skizzen fur den Drehbuchautor Victor McLeod und koordinierte Feed the Kitty, den letzten Cartoon mit der in den Walter-Lantz-Studios weitergefuhrten Walt-Disney-Figur Oswald the Lucky Rabbit. Zusammen mit Lantz entwickelte er den Trickfilmcharakter Andy Panda und fuhrte Regie bei dessen Filmdebut Life Begins for Andy Panda, die Kinopremiere war am 9. Oktober 1939. Ebenso war er an der Gestaltung des Helmspechts Woody Woodpecker beteiligt, zu sehen in Pantry Panic von 1941. Ab der vierten Folge, The Hollywood Matador (1942), ubernahm er von Lantz die Regie der erfolgreichen Woody-Woodpecker-Cartoons. Es folgten Ace in the Hole, The Loan Stranger, The Screwball und The Dizzy Acrobat; letzterer brachte den Studios eine Oscar-Nominierung ein. Bereits im November 1942 wurde Lovy zur US-Navy eingezogen, wo er bis 1945 im Einsatz war. Mit Ende des Zweiten Weltkrieges arbeitete er kurzzeitig fur Screen Gems, die Cartoon-Abteilung von Columbia Pictures. Er verantwortete funf Zeichentrickfilme der Reihe Color Rhapsodies, bevor die Abteilung 1946 aus finanziellen Grunden geschlossen wurde. Im Jahr 1955 kehrte Lovy zu Walter Lantz Productions zuruck und beendete einige Cartoons mit dem Pinguin Chilly Willy, die sein Kollege Tex Avery bei einem kurzen Intermezzo in den Lantz-Studios begonnen hatte. Dazu gehoren die Kurzfilme Hot and Cold Penguin, Room and Wrath und Hold That Rock. Mit dem Cartoon The Tree Medic vom 9. Dezember 1955 setzte Lovy seine Arbeit an Woody Woodpecker fort. Als sich die Tom-und-Jerry-Erfinder William Hanna und Joseph Barbera mit ihrem eigenen Studio Hanna-Barbera von MGM unabhangig machten, stieß Lovy 1959 als Regisseur, Produzent und Storyboard-Animator dazu. Nach funf Jahren Pause offneten Warner Bros. 1967 ihre Cartoon-Abteilung erneut, und Lovy ubernahm fur ein Jahr die Regie zu mehreren Zeichentrickfilmen der Reihen Looney Tunes und Merrie Melodies. Neben Filmen mit den bereits etablierten Figuren Daffy Duck und Speedy Gonzales konnte er auch einige Projekte mit eigenen Charakteren wie Cool Cat, Colonel Rimfire, Merlin the Magic Mouse und Second Banana entwickeln. Bereits 1968 kehrte er als Produzent zu Hanna-Barbera zuruck, wo er bis zu seinem Lebensende 1992 verblieb. Lovy war Linkshander und besaß die Fahigkeit der Beidhandigkeit (Ambidextrie), das bedeutet, er konnte mit beiden Handen gleichzeitig schreiben und zeichnen. Familie Alex Lovy war zweimal verheiratet. Am 15. Mai 1938 ehelichte er die Kellnerin Monte Maxine Lovy, doch bereits anderthalb Monate spater trennte sich das Paar, da Alex Lovy laut Los Angeles Times in der Ehe „unzufrieden“ war. Im Juli 1947 heiratete er die Cartoon-Zeichnerin Vivian Jean. Ihre gemeinsame Tochter Nicki arbeitete ab 1966 bei Hanna-Barbera sowie weiteren Studios. Auszeichnungen Zwei seiner Regiearbeiten wurden fur einen Oscar in der Kategorie „Bester animierter Kurzfilm“ nominiert. Lovys Film Juke Box Jamboree war 1943 nominiert, konnte sich jedoch nicht gegen Der Fuehrer’s Face durchsetzen. The Dizzy Acrobat war 1944 nominiert, konnte sich jedoch nicht gegen Tom spielt Feuerwerker behaupten. Im Jahr 1988 erhielt Lovy den Motion Picture Screen Cartoonists Awards. Filmografie = Animator = Feed the Kitty (mit Oswald the Lucky Rabbit; Walter Lantz Productions, 1938) Movie Phoney News (Walter Lantz Productions; 1938) Pantry Panic (mit Woody Woodpecker; 24. November 1941) $21 a Day (Once a Month) (Swing Symphony; 1. Dezember 1941) The Hams That Couldn’t Be Cured (Swing Symphony; 4. Marz 1942) = Regie = Walter Lantz Productions (1937–1942) = Produzent = Literatur Jeff Lenburg: Who’s Who in Animated Cartoons: An International Guide to Film & Television’s Award-winning and Legendary Animators. Applause Theatre & Cinema Books, New York 2006, ISBN 978-1-55783-671-7, S. 215–216. Weblinks Alex Lovy bei IMDb Alex Lovy bei Lambiek Comiclopedia (englisch) Alex Lovy im Walter Lantz Wiki (englisch) Alex Lovy im Looney Tunes Wiki (englisch) Alex Lovy im Hanna-Barbera Wiki (englisch) Videobeispiele Alex Lovy zeigt, wie ein Zeichentrickfilm entsteht auf YouTube Woody Woodpecker: Pantry Panic (1941) auf YouTube Einzelnachweise
Alexander Terry Lovy (2. September 1913 in Passaic, New Jersey – 14. Februar 1992 in Valencia, Kalifornien) war ein US-amerikanischer Animator, Regisseur und Produzent von Zeichentrickfilmen. Alex Lovy arbeitete fur Walter Lantz Productions, Screen Gems/Columbia Pictures, Hanna-Barbera und Warner Bros. und schuf dabei Zeichentrickfiguren wie Cool Cat und Colonel Rimfire sowie Merlin the Magic Mouse und dessen Sidekick Second Banana. Im Laufe seiner Karriere war Lovy verantwortlich fur Zeichentrickproduktionen mit Oswald dem lustigen Hasen, Andy Panda, Woody Woodpecker, Chilly Willy, Daffy Duck, Speedy Gonzales, Scooby-Doo, Fenn – Hong Kong Pfui, Familie Feuerstein, Die Jetsons und Yogi Bar.
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Die Menimane-Tracht, auch Menimane Ensemble, ist ein Kleidungsstil der keltischen Frauen an Mosel, Mittel- und Oberrhein aus der Zeit um das 1. Jahrhundert. Benannt wurde sie nach Menimane, die auf dem Grabstein des Blussus und der Menimane in dieser aufwendigen Kleidung abgebildet ist. Kennzeichnend ist ein engeres Unterkleid, auf dem mit mehreren Fibeln ein gerafftes Obergewand festgesteckt wird, sowie ein rechteckiger Mantel. Dazu wurden Armreife und ein auffalliger Halsschmuck getragen. Einordnung und Benennung Der Grabstein des Blussus und der Menimane aus der Zeit von ca. 50 n. Chr., der 1848 im heutigen Weisenau nahe des romischen Mogontiacum gefunden wurde, stellt ein wohlhabendes, keltisches Schiffer-Ehepaar detailreich dar. Der Stein wurde im Auftrag der Menimane noch zu ihren Lebzeiten gefertigt. Der Brauch der Grabsteingestaltung mit der Abbildung der Verstorbenen entspringt der romischen Tradition, wahrend die sitzende Abbildungsweise des Paares keltischen Ursprung hat. Menimane und Blussus sind beide in keltischer Art gekleidet. Der Stil der abgebildeten Frauentracht, die in ahnlicher Form in der Region von Mittel- und Oberrhein sowie an der Mosel zu finden ist, wurde nach Menimane benannt. Uber die genaue zeitliche Einordnung der Frauenkleidung besteht in der wissenschaftlichen Bewertung noch keine Einigkeit. Vermutlich ist eine Zuordnung in die tiberisch-claudische bis in die neronische Zeit angemessen. Grabfunde von Fibeln nehmen ab dem Ende des 1. Jahrhunderts rapide ab, was auf eine Veranderung der Kleidung schließen lasst. Die Mehrheit der Frauenkleidung auf Steinen des 2. Jahrhunderts und fruhen 3. Jahrhunderts scheint keine Fibeln zu erfordern. Beschreibung Menimane tragt auf dem Grabstein, der im Landesmuseum Mainz ausgestellt wird, ein dreiteiliges Kleidungsstuck. Es wurde von Astrid Bohme-Schonberger wissenschaftlich beschrieben. = Kleidung = Allgemeines Das Unterkleid bildet ein hemdahnliches Kleidungsstuck aus weich fließendem Stoff mit langem Arm. Es liegt am Oberkorper und an den Armen eng an, so dass zum Be- und Entkleiden ein uber der Brust liegender, vertikaler Schlitz vorhanden ist. Dieser wird mit einer waagerecht eingesteckten Fibel zusammengehalten, der auf dem Grabstein direkt unterhalb der Schmuckscheibe zu sehen ist. Der enge Schnitt unterscheidet das Kleidungsstuck von einer romischen Tunika. Astrid Bohme-Schonberger vermutet, dass das Kleidungsstuck nicht tiefer als bis an die Oberschenkel reichte, und argumentiert mit der sich ergebenden großeren Bewegungsfreiheit. Sie sieht darin deshalb eine Ahnlichkeit zu einer Bluse. Die Uberlange der Armel wurde umgeschlagen und bildet eine Art Manschette. Daruber tragt Menimane ein knochellanges Gewand, das Bohme-Schonberger mit einem griechischen Peplos vergleicht. Die Vorder- und Ruckseite eines weiten Stoffschlauchs sind mit zwei senkrecht angeordneten Fibeln uber den Schultern zusammengesteckt. Der Teil des Schulterstuckes, der Menimane uber die linke Schulter gerutscht ist, zeigt nach Bohme, dass der Schulterbereich nicht am Untergewand festgesteckt war. Vielmehr wurde das Obergewand mit einer vierten Fibel vor der Brust am Untergewand befestigt. Da der Schlauch weit geschnitten war, bildet sich ein Faltenwurf. Der Gurtel ist nicht sichtbar, da er unter dem weiten Stoff des Oberteils liegt. Als Mantel oder Umhang wurde ein rechteckiges Tuch unter Menimanes linkem Arm bis auf die rechte Schulter gefuhrt und mit einer Bugelfibel zusammengesteckt. Bohme-Schonberger bemerkt, dass ungewohnlicherweise die Spiralkonstruktion der Spange nach außen gedreht sei, und fragt deshalb, ob der Umhang ublicherweise uber der anderen Schulter getragen wurde. In dem Fall ware die Spange beim Wechsel der Seite nicht umgesteckt worden. Vergleichbare Abbildungen einer gedrehten Spange fehlen bisher auf ahnlichen Darstellungen. Ursula Rothe beschreibt insgesamt acht unterschiedliche Arten, den Mantel zu tragen. Die Krause am Hals interpretiert Bohme als Schal, der moglicherweise durch die Spange des Unterkleides gehalten wird. Farbigkeit und Textur Grabdarstellungen sagen wenig uber Textilien, Webarten und Farben aus. Textilfunde aus nahen Regionen zeigen, dass Wolle der am haufigsten verwendete Stoff war. Daneben wurde Leinen und Hanf, Brennnessel, Seide und Baumwolle ebenfalls gefunden. Es gab eine breite Palette von Farben, Mustern, Webarten und Verzierungen. Auf dem Grabstein des Blussus und der Menimane sind die ursprunglichen Farben nicht mehr erkennbar. Auf einem in Ingelheim entdeckten Grabstein war das Untergewand grun gefasst, das Obergewand orangerot und der Mantel dunkel, vermutlich in Braun oder Schwarz, dargestellt. = Kopfbedeckung und Haare = Rothe erkennt bei Menimane eine Haube, wahrend Walburg Boppert aufgebauschtes oder geflochtenes Haar sowie im Nacken eine breite Zopfschlaufe sieht, die von einem grobmaschiges Netz oder einer Haube bedeckt werden. = Fibeln und Schmuck = In der Regel wurden Distel- oder Kragenfibeln genutzt, um die Menimane-Tracht zusammenzustecken. Auf dem Grabstein des Blussus und der Menimane sind Kragenfibeln abgebildet. Andere Darstellungen auf Grabmalern der Zeit zeigen Distelfibeln. Beide Varianten sind ebenso aus Brandgrabern bekannt. Drei Fibeln halten auf dem Menimane-Denkmal das Oberkleid zusammen. Eine Spange dient als Schließe des Schlitzes im Untergewand. Der Umhang wird mit einer weiteren Spange verbunden. Damit dienen die Fibeln der Menimane-Tracht zur Formgebung und zum Verbinden der Kleidung, wahrend bei stadtromischer Kleidung der Zeit Metallschmuck als Zierrat genutzt wurde. Menimane tragt eine große Schmuckscheibe mit einer Kette um den Hals. Varianten der Tracht auf anderen Steindenkmalern zeigen statt des Anhangers einen Halsreif (Torques). Schmale, paarweise getragene Armbander gibt es nahezu auf jeder Abbildung der Menimane-Tracht. = Schuhwerk = Auf Grund der langen Kleidung sind die Schuhe der Menimane nicht identifizierbar. Astrid Bohme-Schonberger schließt Nagelschuhe oder Sandalen aus. Sie halt Bundschuhe oder romische Damenschuhe (caleei muliebres) fur moglich. Weitere Zeugnisse der Menimane-Tracht (Auswahl) Bei einem Grabmal, das in Ingelheim aufgefunden wurde, findet sich sowohl romische als auch keltische Kleidung. Die mannliche Figur tragt die romische Toga. Die beiden Frauen tragen dagegen die keltische Menimane-Tracht mit Distelfibeln. Eine der Frauen tragt einen torquesahnlichen Halsreif. Ihren keltischen Mantel drapieren beide in der Art einer Palla. Auf dem Grundstuck des ehemaligen Klosters der Weißen Schwestern in der Bernhardstraße Nr. 11/13 in Trier entdeckte die Landesarchaologie Rheinland-Pfalz die Sitzstatue einer Frau in Menimane-Tracht. Zwei Besonderheiten verbinden sie mit Menimane aus Weisenau: Beide Frauen sitzen, und beide zeigen eine auffallige Drapierung des auf dem linken Oberarm herabgerutschten Obergewandes. In Gegensatz zu Menimane tragt die Frau aus Trier den Mantel uber dem linken Arm. Katrin Roth-Rubi sieht in dem abgerutschten Trager ein Venus-Zitat, einen Hinweis auf die Stammmutter des romischen Volkes (Venus genetrix) sowie eine Aneignung von Standessymbolen hoherer Klassen im Zuge der Romanisierung. Auf dem Pfeilerdenkmal eines Ehepaares aus der Mitte des 1. Jahrhunderts, dessen Teile 1926/27 und 1955 in der Eleonorenstraße in Mainz-Weisenau gefunden wurden, ist der Mann sitzend in keltischer Kleidung dargestellt. Die stehend dargestellte Frau tragt teils romische und teils einheimische Kleidung. Uber einem bodenlangen, in romischem Stil fibellos getragenen Gewand liegt eine Palla. Die Zierscheibe an der Halskette und der Armreif ahneln dem Schmuck der Menimane stark. Aus einem Grabfund bei Bonn ist das 10 cm große Original einer Schmuckscheibe aus Silber bekannt. Auf einem Familiengrabstein aus Selzen ist der Vater in Tunika und Mantel uberproportional groß dargestellt. Rechts steht die Hausherrin in Menimane-Tracht. Eine zweite weibliche Figur tragt Tunika und Mantel. Bohme-Schonberger ordnet vier Distelfibeln aus Bronze und zwei kleinere Scheibenfibeln aus einem unversehrten Brandgrab in Rohrbach bei St. Ingbert ebenfalls der Menimane-Tracht zu. Literatur Astrid Bohme: Schmuck der romischen Frau (= Kleine Schriften zur Kenntnis der romischen Besetzungsgeschichte Sudwestdeutschlands. Band 11). Gesellschaft fur Vor- und Fruhgeschichte in Wurttemberg und Hohenzollern, Stuttgart 1974. Astrid Bohme: Das fruhkaiserzeitliche Brandgrab von Rohrbach als Zeugnis der keltischen Menimane-Tracht. In: Archaologisches Korrespondenzblatt. Band 8, 1978, S. 209–213. Astrid Bohme-Schonberger: Tracht- und Beigabensitten in den germanischen Provinzen und der Belgica. In: Hildegard Temporini, Wolfgang Haase (Hrsg.): Aufstieg und Niedergang der Romischen Welt (ANRW) Band II 12,3 1985, S. 423–455. Auszug Walburg Boppert: Der Blussusstein – Das Grabmal eines einheimischen Aufsteigers. In: Mainzer Zeitschrift. Mittelrheinisches Jahrbuch fur Archaologie, Kunst und Geschichte. Jahrgang 87/88, 1992/1993, S. 345–378. Astrid Bohme-Schonberger: Das Mainzer Grabmal von Menimane und Blussus als Zeugnis des Romanisierungsprozesses. In: Wolfgang Czysz u. a. (Hrsg.): Provinzialromische Forschungen. Festschrift fur Gunter Ulbert zum 65. Geburtstag. Leidorf, Espelkamp 1995, ISBN 3-89646-000-5, S. 1–11. Astrid Bohme-Schonberger: Menimane, Blussus und das Madchen vom Frauenlobplatz. Sind sie einheimisch-keltisch, romanisiert oder…? In: Peter Noelke (Hrsg.): Romanisation und Resistenz in Plastik, Architektur und Inschriften der Provinzen des Imperium Romanum. Zabern, Mainz 2004, ISBN 978-3-8053-3089-3, S. 285–290. Karl Klein: Abbildungen von Alterthumern des Mainzer Museums - I. Grabstein des Blussus. Mainz, Seifert’sche Buchdruckerei 1848 (siehe dazu das Digitalisat beim MDZ) Max und Stefanie Martin-Kilcher: Schmuck und Tracht zur Romerzeit (= Augster Blatter zur Romerzeit 2). Romermuseum Augst, Augst 1979, ISBN 3-7151-2102-5, S. 7f. (Digitalisat). Ursula Rothe: Dress and cultural identity in the Rhine-Moselle region of the Roman Empire (= British archaeological reports. International series. Band 2038). Archaeopress, Oxford 2009, ISBN 978-1-4073-0615-5 (Menimane-Tracht S. 61–62). Weblinks How-To-Dress. Eine Frau namens Menimane, Archaologisches Museum Colombischlossle bei facebook.com Frau in Menimane-Tracht, Verein Raetici Romani, Veterani Rapacis et Primigeniae e. V. Blussus und Menimane, Pliezhausener Arbeitsgruppe Vexillatio Legionis VIII Augustae Einzelnachweise
Die Menimane-Tracht, auch Menimane Ensemble, ist ein Kleidungsstil der keltischen Frauen an Mosel, Mittel- und Oberrhein aus der Zeit um das 1. Jahrhundert. Benannt wurde sie nach Menimane, die auf dem Grabstein des Blussus und der Menimane in dieser aufwendigen Kleidung abgebildet ist. Kennzeichnend ist ein engeres Unterkleid, auf dem mit mehreren Fibeln ein gerafftes Obergewand festgesteckt wird, sowie ein rechteckiger Mantel. Dazu wurden Armreife und ein auffalliger Halsschmuck getragen.
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c-248
Der Vertrag von Lagos (englisch Treaty of the Economic Community of West African States, ECOWAS; franzosisch Traite de la Communaute economique des Etats de I’Afrique de l’Ouest, CEDEAO) ist die Vereinbarung, mit der die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft am 28. Mai 1975 gegrundet wurde. An der maßgeblichen Konferenz in Lagos nahmen Vertreter aller 16 Westafrika zugerechneten Staaten teil. Mit Ausnahme von Mauretanien bestatigten die Parlamente der teilnehmenden Lander anschließend den Vertrag. Der Vertrag gilt als wichtiger Meilenstein im Verstandnis der jungen Nationen kurz nach ihrer Entlassung aus der kolonialen Abhangigkeit. Schon kurz nach der Vertragsunterzeichnung am 28. Mai 1975 wurde er im Juli von sieben Mitgliedern ratifiziert, hatte also juristische Handlungsfahigkeit erlangt. Mauretanien unternahm keine weiteren Bemuhungen um seine Mitgliedschaft, Kap Verde trat erst ein Jahr spater bei, im gleichen Jahr, in dem das erste Treffen der Staatsoberhaupter und Außenminister stattfand und sie ihre Tatigkeit formal aufnahmen. Geschichte Fur die aus dem Kolonialismus entlassenen Staaten war mit ihrer Eigenstandigkeit ein neues Zeitalter angebrochen, so der brasilianische Geschichtswissenschaftler Pio Penna Filho: Die Ziehung der Staatsgrenzen durch die ehemaligen Kolonialherren geschah vielfach willkurlich, bei der Ethnien geteilt und kleinraumige Wirtschaftsbeziehungen zerstort wurden. Das Schicksal der Unterdruckung und das erduldete Leid waren eine integrative Kraft, die die regionale Integration und den Wunsch eines formalen Zusammenschlusses der Lander kennzeichnete. Schon vor dem Vertrag von Lagos gab es einzelne Zusammenschlusse, die wirtschaftliche Beziehungen zwischen Landern herstellten, die von den gleichen europaischen Machten fremdbestimmt worden waren und die auch dadurch ihr Bemuhen um vollstandige Unabhangigkeit schneller erreichen konnten. Im Vergleich zum sudlichen Afrika, bei dem ebenfalls 16 Lander der Entwicklungsgemeinschaft des sudlichen Afrika (SADC) angehoren, hat ein anderer Prozess stattgefunden. Hier gab es keine durch die Kolonialmachte erzeugte Klammer, die ein Zusammenwachsen durch kulturelle Gemeinsamkeiten gefordert hatte. Impetus war dort, der wirtschaftlichen Vormachtstellung Sudafrikas Einhalt zu gebieten und eine Unterstutzung der bis in die 1990er Jahre vorherrschenden Apartheid zu vermeiden. Beide genannten Regionen haben mit politischer Instabilitat, fehlender Aussicht auf wirtschaftliche Entwicklung, Korruption und massiven Schwierigkeiten internationaler Integration zu kampfen, doch funktionieren die regionalen Wirtschaftsblocke hinreichend. Weitere Zusammenschlusse in Afrika sind die Union des Arabischen Maghreb (UAM, 1989), Intergovernmental Authority on Development (IGAD, 1986) im Nordosten Afrikas und die Zentralafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECCAS, 1983). = Der Weg zur Gemeinschaft = Schon in den fruhen 1960er Jahren ist ein Bemuhen um Integration zwischen den Staaten zu erkennen. Eine erste Kooperation ist die 1959 gegrundete Westafrikanische Zollunion (Union Douaniere de l’Afrique de l’Ouest; UDAO), die 1966 erweitert und umgeformt wurde. Sie hieß fortan Zollunion westafrikanischer Staaten (Union Douaniere des Etats de l’Afrique de l’Ouest; UDEAO) und war, wie der Name vermuten lasst, auf vereinfachten wirtschaftlichen Austausch ausgerichtet. Motor hin zu dem Vertrag waren vier verschiedene Initiativen: das liberianische Modell: Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Politik Liberias vor allem durch Prasident William Tubman gepragt, der in den 1950er Jahren auslandische Investitionen fordert, was zur zweithochsten Wirtschaftswachstumsrate der Welt fuhrte. International gehorte das Land zu den Grundungsmitgliedern der Vereinten Nationen und war ein deutlicherer Kritiker der Apartheidspolitik. Tubman setzte sich fur die Unabhangigkeit Afrikas von den europaischen Kolonialmachten ein und wirkte als Unterstutzer des Panafrikanismus. Liberia half auch bei der Finanzierung der Organisation fur Afrikanische Einheit. die Konferenz zur Koordinierung der Industrie, die in Malis Hauptstadt Bamako stattfand und die sowohl von der Wirtschaftskommission fur Afrika als auch seitens der Ernahrungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (ECA/FAO-UN) gesponsert wurde. Sie zielte vor allem darauf ab, die Stahlindustrie in der Region aufzubauen. die Konferenz in Niamey in Niger, die ebenfalls von der Wirtschaftskommission fur Afrika (ECA/UN) unterstutzt wurde und das Ziel verfolgte, die regionale wirtschaftliche Integration zu fordern. Die englischsprachige, 1951 gegrundete Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (WAEC) bemuhte sich damit, ihre Arbeit der Normenkontrolle auf ehemalig-franzosischen Gebiete auszuweiten. Nigeria und Togo lancierten ein gemeinsames Projekt, das schließlich zur Grundung der ECOWAS fuhrte. 1972 schlugen General Yakubu Gowon aus Nigeria und General Gnassingbe Eyadema aus Togo die Schaffung einer regionalen Wirtschaftsintegrationszone vor und zogen damit die Aufmerksamkeit der fuhrenden Politiker der Region auf sich. Zwischen Juli und August 1973 bezeugten zwolf Staaten der Region ihr ernsthaftes Interesse. Seit 1964 hat Liberia auf einen wirtschaftlichen Zusammenschluss der Lander Westafrikas hingewirkt. Dieser Initiative folgend trafen sich 1968 in Monrovia die Staats- und Regierungschefs von neun Staaten, die die Notwendigkeit einer engeren Zusammenarbeit erkannt hatten. Mit dieser Bereitschaft zur Forderung der wirtschaftlichen Integration war der Grundstein zur Schaffung einer Wirtschaftsgemeinschaft gelegt. Doch noch gefahrdete das fehlende Interesse von vier Landern die bisherigen Bemuhungen. Neben dem ursprunglichen Mitinitiator Togo waren dies das Konigreich Dahomey, das spater in die Republik Benin uberging, Niger und vor allem die Elfenbeinkuste, die als das zweitwohlhabendste Land galt. Ihre Wirtschaftskraft wurde als maßgeblich fur die kunftige Gemeinschaft angesehen. In Monrovia waren die Vorbehalte zwischen den englisch- und franzosischsprachigen Landern noch deutlich geworden und gerade die Elfenbeinkuste gehorte zu den großten Widerstandlern. Der Biafra-Krieg in Nigeria und weitere Militarputsche wie in Ghana und Togo sowie weitere regionale, politische Krisen erschutterten die Region. So wurden innenpolitische Fragen als viel wichtiger wahrgenommen als internationale Kooperationen, insbesondere zu Zeiten von Militarregierungen. 1973, funf Jahre nach der Konferenz von Monrovia, fand in der Hauptstadt Togos, Lome, unter intensiver Mitwirkung der Regierungen Nigerias und Togos eine neue Konferenz der Außenminister der in Frage kommenden Lander statt. Vertreten waren 13 Staaten – ohne Gambia und Guinea, jedoch mit Guinea-Bissau, das sich noch nicht ganz von seiner Kolonialmacht getrennt hatte –, die schon einen konkreten Vertragsentwurf zur Grundung der ECOWAS vorliegen hatten. Weitere Diskussionsrunden in Accra und Niamey folgten 1974. Vertragstext = Inhalt = Der Vertrag umfasst 25 Schreibmaschinenseiten. Auf den letzten beiden Seiten sind die Unterschriften der 15 Staatsmanner verzeichnet. Praambel Kapitel 1: Grundsatze, Artikel 1–3 Kapitel 2: Anweisungen, Artikel 4–11 Kapitel 3: Zoll- und Handelsangelegenheiten, Artikel 12–26 Kapitel 4: Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit, Artikel 27 Kapitel 5: Industrielle Entwicklung und Harmonisierung, Artikel 28–32 Kapitel 6: Zusammenarbeit in der Landwirtschaft und den Bodenschatzen, Artikel 33–35 Kapitel 7: Zusammenarbeit in Wahrungs- und Finanzfragen, Artikel 36–39 Kapitel 8: Infrastrukturelle Verbindungen in den Bereichen Verkehr und Kommunikation, Artikel 40–47 Kapitel 9: Energie und Bodenschatze, Artikel 48 Kapitel 10: Soziale und kulturelle Angelegenheiten, Artikel 49 Kapital 11: Fonds fur Zusammenarbeit, Ausgleich und Entwicklung, Artikel 50–52 Kapitel 12: Finanzielle Bestimmungen, Artikel 53–55 Kapitel 13: Beilegung von Streitigkeiten, Artikel 56 Kapitel 14: Schlussbestimmungen, Artikel 57–65 = Unterzeichner = Lt.-Col. Mathieu Kerekou, President of the Republic of Dahomey Sir Dawda Jawara, President of the Republic of Gambia Lt.-Col. R. J. A. Felli, Commissioner for Economic Planning for and on behalf of the Head of State and Chairman of the National Redemption Council of the Republic of Ghana Dr. Lansana Beavogui, Prime Minister for and on behalf of the Head of State and Commander-in-Chief of the People's Revolutionary Armed Forces, President of the Republic of Guinea Mr. Luis Cabral, President of the Republic of Guinea-Bissau Mr. Felix Houphouet-Boigny, President of the Republic of lvory Coast Dr. William R. Tolbert, Jr., President of the Republic of Liberia Major Baba Diarra, Vice-Chairman for and on behalf of the Chairman of the Military Committee of National Liberation, President of the Republic of Mali Moktar Ould Daddah, President of the Islamic Republic of Mauritania Lt.-Col. Seyni Kountche, Head of State and President of the Supreme Military Council of the Republic of Niger General Yakubu Gowon, Head of the Federal Military Govemment, Commander-in-Chief of the Armed Forces of the Federal Republic of Nigeria Mr. Abdou Diouf, Prime Minister for and on behalf of the President of the Republic of Senegal Dr. Siaka Stevens, President of the Republic of Sierra Leone General Gnassingbe Eyadema, President of the Togolese Republic General A. Sangoule Lamizana, President of the Republic of Upper Volta Weblinks No. 14843. MULTILATERAL. Treaty of the Economic Community of West African States (ECOWAS). Concluded at Lagos on 28 May 1975 Pio Penna Filho: ECOWAS E SADC - AFRICA OCIDENTAL E AUSTRAL: Integracao Economica Regional e Instabilidade Politica., 31. Marz 2008 Einzelnachweise
Der Vertrag von Lagos (englisch Treaty of the Economic Community of West African States, ECOWAS; franzosisch Traite de la Communaute economique des Etats de I’Afrique de l’Ouest, CEDEAO) ist die Vereinbarung, mit der die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft am 28. Mai 1975 gegrundet wurde. An der maßgeblichen Konferenz in Lagos nahmen Vertreter aller 16 Westafrika zugerechneten Staaten teil. Mit Ausnahme von Mauretanien bestatigten die Parlamente der teilnehmenden Lander anschließend den Vertrag. Der Vertrag gilt als wichtiger Meilenstein im Verstandnis der jungen Nationen kurz nach ihrer Entlassung aus der kolonialen Abhangigkeit. Schon kurz nach der Vertragsunterzeichnung am 28. Mai 1975 wurde er im Juli von sieben Mitgliedern ratifiziert, hatte also juristische Handlungsfahigkeit erlangt. Mauretanien unternahm keine weiteren Bemuhungen um seine Mitgliedschaft, Kap Verde trat erst ein Jahr spater bei, im gleichen Jahr, in dem das erste Treffen der Staatsoberhaupter und Außenminister stattfand und sie ihre Tatigkeit formal aufnahmen.
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c-249
Der Gauß-Weber-Telegraf war ein im Jahr 1833 von den beiden deutschen Physikern Carl Friedrich Gauß (1777–1855) und Wilhelm Weber (1804–1891) konstruierter elektrischer Telegraf. Die damit in Gottingen ab 1833 betriebene Nachrichten­ubertragungs­strecke war die erste elektromagnetische Telegrafenlinie der Welt. Sie bestand zwolf Jahre lang, bevor sie bei einem Gewitter im Jahr 1845 durch Blitzeinschlag zerstort wurde. Hintergrund In der Geschichte der Menschheit geschah uber viele Jahrtausende die Fern­ubertragung von Nachrichten fast nur durch Uberbringung materieller Objekte (Schriftstucke, Briefe) durch Boten oder Kuriere, zuweilen auch zu Pferde bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts (siehe auch: Pony-Express) oder uber Brieftauben bis weit ins 20. Jahrhundert (siehe auch: Brieftaubendienst). Daneben gab es nur einige primitive Methoden der Telekommunikation, die auf der Akustik (Pfeifen, Fanfaren, Nachrichten­trommeln) oder der Optik (Leuchtfeuer, Rauchsignale, Winkzeichen) basierten. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurden letztere zur optischen Telegrafie verfeinert. Auch gab es erste Ansatze zur elektrischen Telegrafie, wie elektrostatische und elektrolytische Versuchsaufbauten. Grundlegend neue Moglichkeiten zur Telegrafie ergaben sich, nachdem 1820 Christian Ørsted die magnetische Wirkung des elektrischen Stromes und 1831 Michael Faraday die elektromagnetische Induktion entdeckte. Zu den ersten Wissenschaftlern der Welt, die diese neuen Moglichkeiten untersuchten und anwendeten, gehorten Gauß und Weber. Die beiden Physiker, die sich mit der experimentellen Erforschung des Magnetismus befassten und auch entsprechende Messgerate wie Magnetometer entwickelten und einsetzten, untersuchten auch die erst zwei Jahre zuvor entdeckte elektromagnetische Induktion. Hierzu verwendeten sie sogenannte „Multiplikatorspulen“, das sind Leiterspulen mit vielen Windungen. Diese hatte Webers Doktorvater, Johann Schweigger (1779–1857), im Jahr 1820 zur Steigerung der Messempfindlichkeit vorgeschlagen. Auch Paul Schilling (1786–1837), der Schweigger von gemeinsamen Experimenten gut kannte, verwendete solche mit Erfolg. Gauß und Weber benotigten bei ihrer Forschungsarbeit moglichst zeitgleiche Messungen des Erdmagnetfelds sowohl im Physikalischen Kabinett von Weber als auch im gut einen Kilometer davon entfernten Magnetischen Observatorium („Gauß-Haus“) im Garten der Sternwarte Gottingen. Da keine Sichtverbindung bestand, musste taglich ein Bote hin und her geschickt werden, um die Uhren an den beiden Orten prazise zu synchronisieren. Hier versprach eine elektrische Nachrichtenverbindung wesentliche Erleichterung. Wie sich schnell zeigte, war auf diese Weise nicht nur die Synchronisation der Zeit, sondern auch die Ubertragung von Nachrichten moglich. Der Telegrafenapparat Wie bei jeder Ubertragungsstrecke benotigt man fur jede der beiden Richtungen einen Sender und einen Empfanger (siehe auch: Zeichnung „Weber und Gauß beim Telegrafieren“ unter Weblinks). = Sender = Der Generator (Quelle) bestand aus einem Permanentmagneten, der innerhalb einer Spule von Hand bewegt wurde. Aufgrund elektromagnetischer Induktion entsteht elektrischer Strom. = Empfanger = Als Indikator (Empfanger) nutzte man die Fruhform eines Spiegel­galvanometers, einen in einem Holzrahmen befestigten Stabmagneten mit Spule, dessen Bewegung uber einen Spiegel durch ein Fernrohr beobachtet wurde. Gauß-Weber-Code Je nach Ablenkung des Magneten in die eine („+“) oder die andere Richtung („-“) entsprach jeder Stromimpuls einer anderen Information (in moderner Sprache: einem Bit). Gauß und Weber vereinbarten ein „Telegraphenalphabet“, das auf dem Binarcode basierte, und ordneten den Buchstaben des lateinischen Alphabets unterschiedliche Zeichenfolgen (Bitfolgen) zu. Aus dem Nachlass von Gauß ist ein originales Dokument erhalten. Darin finden sich zwei Varianten des Codes: = Erste Form = +++++ ++++- +++-+ +++-- ++-++ ++-+- ++--+ ++--- a b c d e f g h +-+++ +-++- +-+-+ +-+-- +--++ +--+- +---+ +---- i k l m n o p q -++++ -+++- -++-+ -++-- -+-++ -+-+- -+--+ -+--- r s t u v w x y --+++ --++- --+-+ --+-- z . ? / Wie man sieht, nutzt dieser Code einheitlich funf Bit. Außer den (25) Buchstaben gibt es bereits auch drei Satzzeichen. = Zweite Form = Kurz darauf entschieden sie sich fur einen vereinfachten Code: + - ++ +- -+ -- +++ ++- +-+ +-- -++ -+- --+ --- a b c d e f g h i/j k l m n o ++++ +++- ++-+ ++-- +-++ +-+- +--+ +--- -+++ -++- -+-+ p q r s t u v w x y z Dieser ist heute als der Gauß-Weber-Code bekannt. Zuweilen ist er als Zuschauer­spektakel am Gottinger Nachthimmel zu sehen. Dabei werden Nachrichten in diesem Code als Folge von kurzen und langen Laserimpulsen dargestellt. Die Telegrafenlinie Zur Verbindung der beiden Telegrafen­stationen, die eine in Webers Physikalischem Kabinett (Weber) nahe der Stadtmitte, die andere in der Sternwarte (Gauß), damals außerhalb Gottingens liegend weit im Sudosten, war es notig, diese beiden Orte mithilfe einer elektrischen Leitung zu verbinden. Gauß pragte fur diese den Begriff „Galvanische Kette“ (siehe auch: Galvanische Kopplung). Man entschied sich zunachst fur zwei nebeneinander gefuhrte unisolierte Drahte aus Kupfer. Anfang 1833 war Gauß 55 Jahre alt und Weber erst 28. Somit fiel es dem bedeutend Jungeren zu, die Leitungen uber die Dacher der Stadt und entlang der Turme zu verlegen, was er mit großem Eifer und Kletterkunsten auch selbst erledigte. Gauß schrieb hierzu am 13. Juni 1833 an Alexander von Humboldt (1769–1859): Die genannten „5000 Fuß“ entsprechen 1460 m, wenn man den Fuß zu 292,1 mm annimmt, wie er damals im Konigreich Hannover verwendet wurde, zu dem Gottingen ab 1823 gehorte. Die direkte Entfernung (Luftlinie) der beiden Stationen betragt etwa 1000 m. Da ein direktes Ziehen der Drahte jedoch nicht moglich war, ergab sich die entsprechend großere Lange der Leitung. „Wissen vor Meinen“ Die moglicherweise erste Nachricht, die ubertragen wurde, war: +--- +-+ ++-- ++-- -+ --+ +--+ W I S S E N V --- ++-+ -+- -+ +-+ --+ -+ --+ O R M E I N E N ++-- -+ +-+ --+ +--+ --- ++-+ S E I N V O R ++-- ++ ++- -+ +-+ --+ -+ --+ S C H E I N E N Zumindest findet sich diese in den Unterlagen unmittelbar nach der Definition der beiden Codes. In den Notizen von Gauß kann man weiter lesen: „30 Buchstaben 4½ Minuten“. Das entspricht einer Ubertragungsrate von knapp 7 Buchstaben pro Minute (BpM). Dabei benotigte ein einzelner Buchstabe (je nach Codelange) zwischen 1 s und 4 s. Die Pause zwischen den Buchstaben, auch zwischen den Wortern, wurde einheitlich zu 5 s gewahlt und war damit deutlich wahrzunehmen. Etwas spater gelang es durch Optimierung der Dampfung des Galvanometers, die Rate auf etwa 9 BpM zu steigern. „Michelmann kommt“ Uberliefert ist die folgende anekdotische Erzahlung: Kurz nach Ostern 1833 machte sich der Institutsdiener namens Michelmann weisungsgemaß auf den Fußweg vom Kabinett zur Sternwarte. Weber hatte ihn gebeten, Gauß einen ganz bestimmten Satz mundlich zu uberbringen. Zeitgleich sendete Weber uber die Apparatur an Gauß die Nachricht: „Michelmann kommt“ (Gottinger Platt). Gauß las diese Botschaft gerade mithilfe seines Fernrohrs vom Strommesser ab und notierte die einzelnen Buchstaben auf ein Stuck Papier, als Michelmann den Raum betrat und genau dies sagte. Gauß war begeistert uber dieses gelungene Experiment. Vermutlich ist dies jedoch nur eine Legende, denn man weiß, dass der Name des tatsachlichen „Aufwarters“ (Institutsdieners) im Physikalischen Kabinett Christian Gottlieb Lentzner lautete, der dort von 1832 bis zu seinem Tod 1839 arbeitete. Wilhelm Samuel Michelmann (1812–1892) wurde erst im April 1848 angestellt. Das Ende Die Gottinger Telegrafenlinie bestand zwolf Jahre lang von 1833 bis 1845. Sie wurde im Laufe der Zeit modifiziert, repariert und verbessert. Aufgrund sich andernder politischer Umstande im Konigreich Hannover und an der Uni Gottingen war sie nicht ununterbrochen in Betrieb. Die 1833 eingefuhrte liberale Verfassung im Konigreich wurde 1837 durch Ernst August I. aufgehoben. Dagegen gab es Proteste, insbesondere durch sieben Gottinger Professoren, die „Gottinger Sieben“, zu denen auch Weber gehorte. Sie wurden deshalb entlassen. Drei von ihnen wurden sogar des Landes verwiesen. Weber verlor sein Amt am 14. Dezember 1837, durfte zwar in Gottingen bleiben, aber lebte nun dort als Privatgelehrter oder befand sich auf langeren Reisen. Erst nach der Marzrevolution von 1848 konnte er ehrenvoll auf seine alte Stellung zuruckkehren. Die Telegrafenlinie existierte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr. Sie war bei einem Gewitter im Jahr 1845 durch Blitzeinschlag zerstort worden. Gauß hatte am 22. Dezember 1845 daruber in einem Brief berichtet: Nachwirkung Der Gauß-Weber-Telegraf diente als Vorbild fur den zweiten elektromagnetischen Telegrafen, den Carl August von Steinheil im Jahr 1837 in Munchen baute. Er entwickelte dazu auch einen eigenen Code, die Steinheilschrift, bei der mit zwei Stiften, die jeweils nur auf Strome einer Richtung ansprachen, auf einem Papierstreifen in zwei Zeilen diese positiven und negativen Impulse als Punkte aufgezeichnet wurden. Obwohl er damit uber eine große Distanz Nachrichten ubertragen konnte, erregte das Gerat nur akademisches Interesse. Der Gauß-Weber-Telegraf kann auch als Vorlaufer des Morseapparats von 1840 aufgefasst werden. Und der von Gauß und Weber ersonnene Telegrafencode sowohl als Vorlaufer des Morsecodes und dessen Vorform, des Amerikanischen Morsecodes, als auch des Baudot-Codes gesehen werden. Wie letzterer verwendete auch ihr Code (erste Form) bereits funf Bit zur digitalen Ubertragung von Zeichen. Gauß und Weber konnen somit auch als Erfinder des ersten 5‑Bit‑Telegrafen­codes der Welt angesehen werden. Literatur Horst Drogge: 150 Jahre elektromagnetische Telegrafie. In: Das Archiv. Nr. 2, Februar 1983, S. 73–99 (dgpt.org). Ernst Feyerabend: Der Telegraph von Gauß und Weber im Werden der elektrischen Telegraphie. Hrsg.: Reichspostministerium. Berlin 1933 (booklooker.de). Joseph Forsach: Handbuch der electrischen, galvanischen, magnetischen und electromagnetischen Telegraphie. Wien 1854. Roland Gorke: Der elektromagnetische Telegraph von Gauß und Weber aus dem Jahre 1833. Gottingen 1983 (Schriftliche Hausarbeit im Rahmen der fachwissenschaftlichen Prufung fur das Lehramt an Gymnasien). Magdalena Kersting: Der Gauß-Code. In: 275 Jahre Georgia Augusta. 2009 (measurement-valley.de [PDF]). Magdalena Kersting: Der Gauß-Weber-Telegraf. In: Sammlung und Physikalisches Museum Fakultat fur Physik. 2013 (uni-goettingen.de [PDF]). Markus Krajewski: „Michelmann kommt“ – Drei Perspektiven auf eine Schlusselszene der modernen Telekommunikation. In: Archiv fur Mediengeschichte. Universitatsverlag Weimar, 2006, ISBN 3-86068-292-X, S. 131 (unibas.ch). Fernando Martin-Rodriguez, Gonzalo Barrio Garcia, Maria Alvarez Lires: Technological archaeology – Technical description of the Gauss-Weber telegraph. In: Second Region 8 IEEE Conference on the History of Communications. Madrid 2010, S. 1–4, doi:10.1109/HISTELCON.2010.5735309 (englisch, ieee.org [PDF; 2,0 MB]). Arnulf Timm: Der elektromagnetische Telegraph von Gauß und Weber. In: Elmar Mittler (Hrsg.): „Wie der Blitz einschlagt, hat sich das Rathsel gelost“ – Carl Friedrich Gauß in Gottingen. 2005, ISBN 3-930457-72-5, S. 178 (gwdg.de [PDF]). Weblinks Zeichnung Weber und Gauß beim Telegrafieren. Nachbauten der Apparatur. Notizen von Gauß. Der Gauß-Weber-Code. Die erste Telegraphenstrecke in Gottingen. Abgerufen am 26. April 2025 The Gottingen astronomical observatory and the Gauss-Weber telegraph (1833). In: YouTube-Video. 22. August 2023; abgerufen am 29. April 2025. Manfred Lutz, DL1AWM: Umwandlung Gauß-Weber-Kode. (PDF) In: Measurement Valley. 6. September 2019; abgerufen am 25. April 2025 (Hier ist ein „+“ (Plus-Zeichen) als „·“ (Punkt) und ein „−“ (Minus-Zeichen) als „–“ (Strich) dargestellt). Einzelnachweise
Der Gauß-Weber-Telegraf war ein im Jahr 1833 von den beiden deutschen Physikern Carl Friedrich Gauß (1777–1855) und Wilhelm Weber (1804–1891) konstruierter elektrischer Telegraf. Die damit in Gottingen ab 1833 betriebene Nachrichten­ubertragungs­strecke war die erste elektromagnetische Telegrafenlinie der Welt. Sie bestand zwolf Jahre lang, bevor sie bei einem Gewitter im Jahr 1845 durch Blitzeinschlag zerstort wurde.
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Cosme McMunn (* 22. Februar 1901 in Mapimi, Durango, Mexiko; † 22. August 1980 in San Antonio, Texas), besser bekannt als Cosme McMoon, war ein mexikanisch-US-amerikanischer Pianist und Komponist. Bekanntheit erlangte er als musikalischer Begleiter der Amateur-Opernsangerin Florence Foster Jenkins. Leben und Karriere Cosme McMunn kam 1901 als Sohn der Mexikanerin Maria Valadez (1873–1960) und des irischstammigen Cosme McMunn (1860–1916) in Mexiko zur Welt. Im Zuge der Mexikanischen Revolution verließ die Familie das Land und ging nach San Antonio. McMunn erhielt ersten Musikunterricht von einer Cousine und zog um 1920 im Hinblick auf eine Laufbahn als Pianist nach New York City. Dort nannte er sich professionell McMoon, was der mexikanischen Aussprache seines Namens naherkam. Nach seiner Ausbildung arbeitete McMoon in New York als Konzertpianist. Noch in seinen Zwanzigern lernte er die Mazenin und fur ihr mangelndes Gesangstalent beruchtigte Florence Foster Jenkins kennen. Er folgte Edwin McArthur als ihr musikalischer Begleiter nach, nachdem dieser die Sangerin bei einem ihrer gemeinsamen Buhnenauftritte ausgelacht haben soll. Die beiden gaben zusammen etliche Konzerte und nahmen im Studio von Melotone Records mindestens zwei Schallplatten auf. Eine Aufnahme aus dem Jahr 1942 enthalt den Titel Charmant Oiseau aus der Oper La Perle du Bresil von Felicien David. Eine weitere Platte umfasst den Bell Song aus der Oper Lakme von Leo Delibes sowie die von McMoon verfassten The Musical Snuff Box und Like a Bird, letzteres mit einem Text von Foster Jenkins. Als Hohepunkt ihrer musikalischen Zusammenarbeit gilt ein Konzert in der bis auf den letzten Platz gefullten Carnegie Hall am 25. Oktober 1944 nur einen Monat vor Foster Jenkins’ Tod. Einen seiner weniger beachteten Soloauftritte hatte McMoon am 22. Marz 1936 in der Town Hall. Dabei spielte er Bachs Chromatische Fantasie und Fuge, Beethovens Klaviersonate Nr. 32, Debussys Toccata, Liszts Mephisto-Walzer, Schumanns Des Abends sowie verschiedene Stucke von Chopin und zwei Eigenkompositionen namens Amoreuse und El Redondel. Die Konzertkritik in der New York Times lobte seine Darbietungen der romantischen Komponisten Debussy und Schumann, nannte die Beethoven-Sonate allerdings ein fur ihn „vielleicht zu ehrgeiziges Unterfangen“. Nachdem er als Pianist weitgehend erfolglos geblieben war, arbeitete McMoon als Teilzeitkraft in einem Badehaus uber einem Fitnessstudio fur Bodybuilder. 1974 war er laut eigenen Angaben im Rahmen der Mr.-Olympia-Wahl als Juror tatig und ließ sich zusammen mit Arnold Schwarzenegger und Franco Columbu fotografieren. Als er an Bauchspeicheldrusenkrebs erkrankte, kehrte McMoon in seine Heimatstadt San Antonio zuruck, wo er am 22. August 1980 unverheiratet und kinderlos im Alter von 79 Jahren starb. In New York City hatte er zuletzt in einer Wohnung an der Upper West Side gelebt. Rezeption Im Gegensatz zu der stets „falsch“ singenden Florence Foster Jenkins galt Cosme McMoon als respektabler Musiker. In einem Nachruf fur den Boston Globe wurdigte Robert Taylor sein Klavierspiel, vor allem hinsichtlich seiner Fahigkeiten als musikalische Begleitung, mit folgenden Worten: Aufgrund eines falschen Radiokommentars am Ende eines 1991 erstmals auf KALW ausgestrahlten Interviews hielt sich langere Zeit das Gerucht, McMoon sei lediglich ein Pseudonym, das sich Foster Jenkins’ langjahriger Begleiter Edwin McArthur zugelegt habe, um seine Reputation zu wahren. Der 2007 veroffentlichte Dokumentarfilm Florence Foster Jenkins: A World of Her Own widerlegte diese Behauptung unter anderem mit einem Verweis auf McMoons Familie. Das KALW-Interview sei zwar authentisch, stamme aber tatsachlich von McMoon und nicht – wie vom Ansager behauptet – von McArthur. Außerdem wurden fur beide Pianisten eigene Todesanzeigen in der New York Times veroffentlicht. Im 2005 am Broadway uraufgefuhrten Buhnenstuck Souvenir: A Fantasia on the Life of Florence Foster Jenkins von Stephen Temperley verkorperte Donald Corren Cosme McMoon. In der elf Jahre danach erschienenen Filmbiografie Florence Foster Jenkins mit Meryl Streep in der Titelrolle spielt Simon Helberg den Pianisten, laut Catherine Shoard vom Guardian als „fleischgewordene Karikatur“, mit „fabelhaft ausdrucksstarkem Gesicht“. Helberg wurde fur diese Leistung fur einen Golden Globe Award als bester Nebendarsteller nominiert. Diskografie 1942: Charmant Oiseau (mit Florence Foster Jenkins) Bell Song/The Musical Snuff Box/Like a Bird (mit Florence Foster Jenkins) Weblinks Cosme McMoon bei Discogs Cosme McMoon in der Datenbank Find a GraveVorlage:Findagrave/Wartung/Gleiche Kenner im Quelltext und in Wikidata Einzelnachweise
Cosme McMunn (* 22. Februar 1901 in Mapimi, Durango, Mexiko; † 22. August 1980 in San Antonio, Texas), besser bekannt als Cosme McMoon, war ein mexikanisch-US-amerikanischer Pianist und Komponist. Bekanntheit erlangte er als musikalischer Begleiter der Amateur-Opernsangerin Florence Foster Jenkins.
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c-251
Dorothy Hale, geb. Dorothy Anderson Donovan (* 11. Januar 1905 in Pittsburgh, Pennsylvania; † 21. Oktober 1938 in New York City) war eine US-amerikanische Schauspielerin, die vor allem durch das Gemalde The Suicide of Dorothy Hale von Frida Kahlo bekannt wurde. Leben Dorothy Donovan wurde in Dunmoyle Place im East End von Pittsburgh geboren. Sie hatte mehrere Geschwister. Ihr Vater, James P. Donovan, war ein Immobilienunternehmer in Pittsburgh. Sie erhielt ihre Schulbildung in einem Kloster in Greensburg und studierte anschließend an der Schauspielschule des Carnegie Institute of Technology. Im Alter von 16 Jahren verließ sie ihr Elternhaus, um in New York City Karriere auf der Buhne zu machen. Dorothy Donovans Versuche, Anfang der 1920er Jahre eine Schauspielkarriere aufzubauen, beschrankten sich im Wesentlichen auf eine Rolle im Chor eines abendfullenden Broadway-Musicals. Nach dem Tod ihres zweiten Mannes, des Kunstlers Gardner Hale, im Jahr 1931 versuchte sie, ihre Karriere wieder in Gang zu bringen. Ihr auffalliges Aussehen verhalf ihr zu einem Film-Casting in Hollywood, das 1932 zu einem namenlosen Auftritt in Cynara unter der Regie von King Vidor und 1934 zu einer kleinen Rolle in Alexander Kordas Produktion The Rise of Catherine the Great fuhrte, doch diese Ausfluge in die Filmwelt fuhrten nicht zu weiteren Engagements in Hollywood. Hale kehrte bald nach New York zuruck, wo sie fur die regionalen Probevorstellungen von Clare Boothe Luce’ Theaterstuck Abide With Me engagiert wurde – fur die Premiere in New York wurde sie jedoch ersetzt. Nach diesem Engagement schien ihre Karriere ins Stocken geraten zu sein. Trotz ihrer beruflichen Enttauschungen blieb Dorothy Hale eine bekannte Figur in der New Yorker Gesellschaftsszene. Sie nahm die alternative Rolle der „gefeierten Schonheit“ ein und war mit bekannten Kunstlern, Politikern und Mitgliedern der High Society befreundet. Sie war zweimal verheiratet, in erster Ehe mit dem Millionar T. Gaillard Thomas II. Nach der Scheidung heiratete sie 1931 den Kunstler Gardner Hale, einen bekannten Freskenmaler, der jedoch kurz darauf bei einem Autounfall ums Leben kam. Der fruhe Tod ihres Mannes fuhrte zu finanziellen und emotionalen Krisen, und Hale musste von ihren Freunden finanziell unterstutzt werden, um ihren Lebensstil aufrechterhalten zu konnen. Trotz zahlreicher Freundschaften mit prominenten Personlichkeiten, darunter Clare Boothe Luce, kampfte Hale zunehmend mit Depressionen und Zukunftsangsten. Im Fruhling 1938 vertraute Hale Luce an, sie habe „die große Liebe ihres Lebens“, Harry Hopkins, einen Berater von Prasident Franklin D. Roosevelt, gefunden und die Verlobung werde bald bekannt gegeben. Zur Heirat kam es nicht, angeblich habe Roosevelt von Hopkins verlangt, die Affare mit Hale zu beenden. Das zentrale Element der Erzahlung rund um Dorothy Hales Suizid war die Party, die sie am Tag vor ihrem Tod veranstaltet hatte. Mehrere Presseberichte betonten, dass die Party auf irgendeine Weise misslungen sei – ein Autor ging sogar so weit zu behaupten, dass die Erfahrung dieser Party sie zum Suizid getrieben habe. In dieser Deutung war die Veranstaltung nicht bloß ein gesellschaftliches Treffen, sondern ein Versuch Hales, ihre Buhnenkarriere neu zu starten. Doch das Beisammensein erwies sich als „erbarmlich“, als „Misserfolg“, da „die bedeutendsten der eingeladenen Gaste fernblieben“. Die Berichte uber die Party stutzten den in der Presse vermittelten Gesamteindruck von Dorothy Hale als einer Frau, die in ihren Bemuhungen um Liebe, Arbeit oder gesellschaftliche Stellung enttauscht worden war. Gleichzeitig finden sich in diesen Berichten jedoch auch wiederholte Hinweise auf ihre luxuriose Wohnung, ihre opulente Garderobe, ihre glamourosen Freunde und ihren beneidenswerten Lebensstil – stets begleitet von großformatigen Fotos, die Hales Schonheit unterstrichen. Der Kontrast zwischen Mitleid und Neid – zwischen Liebeskummer, Schlaflosigkeit und Geldsorgen einerseits und Cocktails im Twenty-One Club mit Morgan Pierpont Hamilton andererseits – macht Hale in diesen Erzahlungen zu einer ratselhaften und fesselnden Figur. Auf ihrer Party trug Dorothy Hale ein Kleid, zu dem ihr ihre Freundin Clare Boothe geraten hatte: ein schwarzes Samtkleid, das sie „Madame X“ nannte, und das Hale schon seit einiger Zeit besaß. Es erhielt diesen Namen in Anlehnung an John Singer Sargents Portrat „Madame X“ (Virginie Gautreau) von 1884, das auf der Pariser Ausstellung wegen der freizugigen Darstellung des erotisierten Korpers der Dargestellten fur Aufsehen gesorgt hatte. Hale trug in der Nacht ihres Todes dieses Kleid. Am 21. Oktober sturzte Dorothy Hale im Alter von 33 Jahren aus dem Fenster ihres Apartments im 16. Stock des Hampshire House in New York City am Central Park. An das Dekollete ihres schwarzen Abendkleides war seitlich ein Ansteckstraußchen aus kleinen gelben Rosen geheftet, das der Bildhauer Isamu Noguchi ihr geschickt hatte. Die Polizei stufte den Fall als „Sturz oder Sprung, wahrscheinlich Suizid“ ein, was durch drei hinterlassene Abschiedsbriefe bestatigt wurde. Diese Briefe waren an ihren Anwalt John H. Vincent adressiert und datierten vom 14. September sowie vom 19. und 20. Oktober 1938. Laut ihrem Anwalt litt Dorothy Hale an einer wiederkehrenden Krankheit und war in den letzten funf Jahren mehrmals im Krankenhaus gewesen. In einem ihrer Abschiedsbriefe außerte sie den Wunsch, ihre Asche solle in Newport, Rhode Island, neben der ihres verstorbenen Mannes Gardner Hale beigesetzt werden. Der amerikanische Bildhauer und Landschaftsarchitekt Isamu Noguchi (1904–1988) ist eine wiederkehrende Figur in dieser Geschichte und wird unabhangig voneinander mit Dorothy Hale, Clare Boothe und Frida Kahlo in Verbindung gebracht. Er war nicht nur ein fruher Freund von Dorothy Hale, sondern hatte auch eine kurze Affare mit Frida Kahlo. Noguchi hatte 1933 den Auftrag erhalten, eine Buste von Clare Boothe aus weißem Marmor anzufertigen. Die Faden der Geschichte liefen 1934 zusammen, als Noguchi, Boothe und Hale in Buckminster Fullers Dymaxion-Auto zur Premiere von Gertrude Steins und Virgil Thomsons Oper Four Saints in Three Acts in Hartford, Connecticut, fuhren. Noguchi behauptete, er habe Dorothy Hale in der Nacht vor ihrem Tod gesehen, und ihre letzten Worte an ihn seien gewesen: „Nun, das ist das Ende des Wodkas. Es gibt keinen mehr.“ Karriere Hale begann als Chormadchen in dem Musical Lady, Be Good. Sie trat bei den Ziegfeld Follies auf, verließ die Show aber nach einer Verletzung. In Hollywood hatte sie einen kleinen Auftritt ohne Credit in Cynara unter der Regie von King Vidor (1932); zwei Jahre spater in Großbritannien eine deutlich großere, in den Credits erwahnte Nebenrolle als Herzogin in Alexander Kordas Historienfilm Katharina die Große. Weitere Filmrollen erhielt sie jedoch nicht. In New York wirkte Hale bei Probeauffuhrungen von Clare Boothe Luces Theaterstuck Abide With Me mit, wurde jedoch bei der Premiere ersetzt. Sie war bekannt fur ihre Schonheit, ihren Charme und ihre Eleganz, doch trotz ihrer Beziehungen und ihrer gesellschaftlichen Prasenz gelang es ihr nicht, eine erfolgreiche Schauspielkarriere zu starten. Laut Luce war Hale von „außergewohnlicher Schonheit“, hatte aber „sehr wenig Talent und kein Gluck“. Gemalde von Frida Kahlo Beruhmt wurde sie durch Frida Kahlos Gemalde The Suicide of Dorothy Hale (spanisch El Suicidio de Dorothy Hale) (1939). Das Gemalde war von Dorothy Hales Freundin Clare Boothe Luce in Auftrag gegeben worden, die es Hales Mutter schenken wollte. Ursprunglich hatte Clare Luce ein eher konventionelles Andenken an Dorothy Hale erwartet. Stattdessen schuf Kahlo ein dramatisches und expressives Werk, das in mehreren Szenen den Sturz Dorothy Hales aus dem Fenster eines Wolkenkratzers darstellt. Im oberen Teil des Bildes ist Dorothy Hale in einem eleganten schwarzen Kleid neben einem oberen Fenster des Gebaudes stehend und dann mitten im Sturz dargestellt. Ihr Korper erscheint wiederholt in verschiedenen Phasen des Sturzes, bis sie am unteren Bildrand mit offenen Augen in einer Blutlache auf dem Boden liegt. Durch die wiederholte Darstellung des Sturzes entsteht ein fast filmischer Ablauf, der die Tragik des Augenblicks verstarkt. Die Inschrift am unteren Bildrand beschreibt in spanischer Sprache die Umstande von Hales Tod. Die Handschrift Frida Kahlos verleiht dem Werk eine intime Qualitat. Frida Kahlos Gemalde El suicidio de Dorothy Hale ist eines der ungewohnlichsten Werke in der Kunstgeschichte. Dies liegt nicht nur am tragischen Thema, sondern auch an der eingesetzten malerischen Illusionstechnik, dem Trompe-l’œil-Effekt. Frida Kahlo nutzt diese Technik, um das Bild wie ein reales Objekt und nicht wie eine Darstellung erscheinen zu lassen. Ein Beispiel hierfur ist der gemalte Bilderrahmen. Das Ereignis ist von einer bemalten Umrahmung umgeben, auf der die Wolken scheinbar daruber hinausgehen. Papierband mit Text (Widmung): Am unteren Bildrand befindet sich ein gemaltes Papierband, das wie echtes Papier aussieht und eine handschriftliche Inschrift tragt. Es scheint, als ware dieses Band direkt auf das Bild geklebt. Ein Fuß von Dorothy Hale ragt daruber hinaus und verstarkt dadurch den illusionistischen Effekt. Symbolisch verbindet Kahlo Elemente des Surrealismus mit der mexikanischen Tradition des Totengedenkens. Das Blut und die Blumen, die Dorothy Hale umgeben, erinnern an die Vermischung von Leben und Tod in der mexikanischen Kultur. Die Wahl des schwarzen Kleides und die Hohe des Sturzes unterstreichen die soziale Isolation und Verzweiflung, die Hale empfand. Das Gemalde wurde nachtraglich von Frida Kahlo geandert. In der dritten Zeile der Bildunterschrift „Zu ihrem Gedenken wurde dieses Retablo von Frida Kahlo angefertigt“ wurde der Text „von Mrs. Clare Boothe Luce in Auftrag gegeben“ von Isamu Noguchi entfernt. Ein Engel am Himmel, der ein Banner trug, auf dem in Spanisch geschrieben stand, dies sei „Der Suizid von Dorothy Hale, gemalt auf Wunsch von Clare Boothe Luce, fur die Mutter von Dorothy“, wurde ubermalt. Luce war von der ursprunglichen Fassung entsetzt und wollte das Gemalde zerstoren. Sie ubergab es ihrem Freund Frank Crowninshield, dessen Sohn es nach Crowninshields Tod der Familie von Luce zukommen ließ. Das Gemalde befindet sich heute im Besitz des Phoenix Art Museum (Phoenix, Arizona, USA). Rezeption Das Leben von Hale und Frida Kahlos Gemalde The Suicide of Dorothy Hale waren 2007 Grundlage des Off-Broadway-Theaterstucks The Rise of Dorothy Hale von Myra Bairstow, die neben Selbsttotung auch Mord als Todesursache Hales fur moglich halt. Myra Bairstow betreibt außerdem einen Dorothy-Hale-Blog. Dort ist angegeben, dass Hales Mutter nach Bairstows Recherchen bereits gestorben sei, als Hale 16 Jahre alt war, was mit Clare Boothe Luce’ Darstellung der Entstehung von Frida Kahlos Gemalde nicht vereinbar ist. Auch Pamela Hamiltons Roman Lady Be Good: The Life and Times of Dorothy Hale basiert auf dem Leben von Dorothy Hale. Literatur Barbara Leaming: Dorothy Hale: Death of a Socialite. In: Katharine Hepburn. Crown Publishing Group, 1995. Myrna Oliver: Dorothy Hale’s Fall: Tragedy Remembered. In: Los Angeles Times, 30. Oktober 1997. Fiona Gregory: Actresses and Mental Illness. Routledge, London, 2018 Jonathan Lopez: The Woman Behind ‘The Suicide of Dorothy Hale’. In: The Wall Street Journal, 18. Oktober 2019 Pamela Hamilton: Lady Be Good: The Life and Times of Dorothy Hale. PLH Media LLC, 2021. Luis-Martin Lozano, Andrea Kettenmann, Marina Vazquez Ramos: Frida Kahlo – samtliche Gemalde (The complete paintings – Frida Kahlo). Taschen GmbH, Koln, 2021, Kat. Nr. 76- Weblinks Dorothy Hale bei IMDb Dorothy Hale in der Internet Broadway Database (englisch) Fiona Gregory – Death, Fashion, and Feeling: Reading around The Suicide of Dorothy Hale (1939) The Rise Of Dorothy Hale. Theaterstuck von Myra Bairstow Dorothy Hale and the Dymaxion Car Dorothy Hale in der Datenbank Find a GraveVorlage:Findagrave/Wartung/Wikidatakennung nicht gesetzt Einzelnachweise
Dorothy Hale, geb. Dorothy Anderson Donovan (* 11. Januar 1905 in Pittsburgh, Pennsylvania; † 21. Oktober 1938 in New York City) war eine US-amerikanische Schauspielerin, die vor allem durch das Gemalde The Suicide of Dorothy Hale von Frida Kahlo bekannt wurde.
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c-252
Hergolding (fruher: Hergenting) ist nach Bevolkerungsanzahl der kleinste Gemeindeteil der Gemeinde Vaterstetten im Landkreis Ebersberg, Bayern. Als einziger Gemeindeteil ist es kein Pfarr- oder Kirchdorf, da es uber keine eigene Kirche verfugt. Lage Das Dorf liegt zentral in der Gemeinde Vaterstetten, deren geografischer Mittelpunkt in Hergolding verortet wird. Durch Hergolding verlauft die Parsdorfer Straße, die als Gemeindeverbindungsstraße Parsdorf und Baldham-Dorf verbindet; unweit sudlich von Hergolding verlauft die Kreisstraße EBE 4, die Weißenfeld und Wolfesing verbindet. Ostlich von Hergolding befindet sich das Waldgebiet Parsdorfer Hart. Geschichte Das Dorf Hergolding geht auf ein um das Jahr 1000 von Herzog Heinrich IV. angelegtes Landgut zuruck, das den Namen predium maius Wizzinvelt (lateinisch fur „Groß-Weißenfeld“) trug. Spater wurde daraus die Schwaige Hergolding, die bis zur Sakularisation im Jahr 1810 zum Kloster Ebersberg gehorte. Die spatere Eigentumerfamilie Holly errichtete im 19. Jahrhundert das bis heute bestehende Brennereigebaude. Im Jahr 1926 erwarb der judische Kaufhausbesitzer Ernst Landauer aus Augsburg das 320 Hektar große Gut. Im NS-Staat wurde er 1934 gezwungen, es fur 360.000 Reichsmark an die Bayerische Bauernsiedlung GmbH Munchen zu verkaufen (obwohl es ein anderes, hoheres Kaufangebot gegeben hatte) und nach London ins Exil zu gehen. Die Bayerische Bauernsiedlung verteilte zwischen 1935 und 1937 an 13 Familien „arischer Abstammung“ mit Kindern sogenannte „Bauernscheine“, die zum Aufbau einer eigenen Hofstelle berechtigten. Drei Hofe wurden im vorhandenen Gutsgebaude errichtet, die ubrigen zehn wurden von dem Baumeister Max Ostermair neu gebaut. Außerdem wurden drei Hofe in Baldham (davon einer in Baldham-Dorf) errichtet. Die Familien stammten aus verschiedenen Gegenden Suddeutschlands. Die Brennerei kam 1937 durch Grundung einer Genossenschaft in das Eigentum der Neusiedler. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Landauer im Jahr 1949 aus dem Exil zuruck nach Deutschland und konnte 1960 den Differenzbetrag zu dem hoheren Kaufangebot einklagen. Er erhielt 60.000 DM von der Bayerischen Landessiedlung (ehemals Bauernsiedlung) sowie in Raten 30.000 DM von den Hergoldinger Hofbesitzern. Der Hergoldinger Franz Hollweck (* 28. Oktober 1898 in Soldenau, † 21. September 1990 in Hergolding) war von 1948 bis 1972 der erste frei gewahlte Burgermeister der Gemeinde Parsdorf. Im Jahr 1973 wurde er zum Ehrenburger ernannt, außerdem wurde nach ihm in Parsdorf die Burgermeister-Hollweck-Straße benannt. Auch die spateren Burgermeister Hermann Bichlmaier und Leonhard Spitzauer stammten aus diesem Gemeindeteil. Wahrend zur Zeit der Schwaige Hergolding ausschließlich Milchviehhaltung betrieben wurde, gab es im Jahr 2021 nur noch zwei Betriebe mit Tierhaltung. Das Brennereigebaude, das sich weiterhin in Genossenschaftsbesitz befand, wurde nach dem Ende des Branntweinmonopols ab dem Jahr 2014 entkernt und fur eine Wohn- und Gewerbenutzung umgebaut. Weblinks Hergolding in der Ortsdatenbank von bavarikon, abgerufen am 21. April 2025. Literatur Hans-Peter Uenze: Die Fruhzeit der Dorfer Vaterstettens. In: Gemeinde Vaterstetten (Hrsg.): Vaterstettener Hefte. Band 4. Kulturhistorische Sammlung Vaterstetten, Vaterstetten 2012, ISBN 978-3-9812388-1-5, S. 48–49. Ulrike Flitner, Brigitte Beyer: Hergolding. In: Gemeinde Vaterstetten (Hrsg.): Hofe, Hauser und Fluchtlingsfamilien im Gemeindegebiet Vaterstetten. Band 2. Vaterstetten 2021, ISBN 978-3-9812388-8-4. Einzelnachweise
Hergolding (fruher: Hergenting) ist nach Bevolkerungsanzahl der kleinste Gemeindeteil der Gemeinde Vaterstetten im Landkreis Ebersberg, Bayern. Als einziger Gemeindeteil ist es kein Pfarr- oder Kirchdorf, da es uber keine eigene Kirche verfugt.
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c-253
Territorio ArtLanza ist ein uber 25.000 m² großes architektonisches Kunstwerk in Quintanilla del Agua in der spanischen Provinz Burgos. Es ist ein aus recycelten Materialien nachgebautes mittelalterliches kastilisches Dorf des Kunstlers Felix Yanez und gilt als die großte Skulptur der Welt. Der Name leitet sich von dem Fluss Arlanza ab, an dem der Ort liegt, mit einem eingeschobenen T fur art (Kunst). Geschichte Der Bildhauer Felix Yanez (* 1960 in Quintanilla del Agua) trat nach dem Bachillerato (Abitur) in Burgos zunachst in die Fußstapfen seines Vaters, eines Maurers. Dann aber lernte er von einem Dorfnachbarn die Topferei und beschloss, lieber damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Er stellte Keramiken her und verkaufte sie auf Messen und Markten, die er 30 Jahre lang bereiste, bis das Geschaft durch die Weltfinanzkrise 2007–2008 einbrach. Bereits einige Jahre zuvor hatte Yanez begonnen, auf seinem Grundstuck alte Holzschuppen mit steinernen Fassaden, Bogen und anderen Ornamenten zu schmucken, was bei den Einwohnern auf große Aufmerksamkeit stieß. Daraufhin beschloss er, die Dekorationen zu erweitern, und begann, sich von den Schutthalden der umliegenden Dorfer Material wie Pfosten, Turen, Fenster oder Dach- und Lehmziegel zu beschaffen; Sand besorgte er sich vom Fluss. Je mehr er anbaute, umso mehr Besucher kamen vorbei. Einige dachten, er sei verruckt geworden, andere brachten ihm Werkzeuge und Gegenstande, die sie nicht mehr benotigten – darunter viele Antiquitaten. War das Projekt anfangs noch reine Improvisation, begann Yanez bald, das Material zu sortieren und programmatisch zu bauen. Um die strengen Bauvorschriften fur Gebaude umgehen zu konnen, wurde das gesamte Dorf von der Gemeindeverwaltung offiziell als „Skulptur“ klassifiziert. Beschreibung Er baute zunachst auf 200 m² eine typische kastilische Plaza mit ihren Kolonnaden aus Wacholder, die im Lauf der Zeit immer großer wurde und bald um eine Schule, eine Bodega, eine Taverne, einen Gasthof, einen Barbier, eine Backerei, eine Tischlerei, eine Schmiede, eine Apotheke, eine Schusterwerkstatt, eine Einsiedelei, einen Kerker sowie mehrere Wohnhauser erweitert wurde – die Letzteren bestehen jedoch nur aus Fassaden – und am Ende auch 15 Museen enthielt. Als er 7000 m² erreicht hatte, konnte er sein Werk schon als „die großte Skulptur der Welt“ bezeichnen. Er baute aber weiter. Auf hinzugekauften, sich bis an den Fluss Arlanza erstreckenden Nachbargrundstucken entstanden weitere Plazas, eine Kunstwerkstatt im neuromanischen Stil, in der seine Terrakotta-Skulpturen ausgestellt sind, eine didaktische Werkstatt fur Schulgruppen und ein kleines Theater im Stil des Corral de comedias (Komodienhof) von Almagro aus der Zeit des Siglo de Oro mit 120 Platzen, in dem in den Sommermonaten an Wochenenden auch ein Theaterfestival mit bekannten spanischen Schauspielern, Flamenco-Vorfuhrungen und Gedichtlesungen stattfinden, und ein weiteres Theater, in dem auch Filme gezeigt werden. Viele Besucher sind von der Detailtreue und dem Realismus der Anlage beeindruckt. Sie erinnern sich, dass ihre Großeltern noch genau so gelebt haben, ohne Wasser und Strom, mit dem Vieh in den Hausern, wie im Mittelalter. Yanez legte auch einen Bach mit einer Steinbrucke an. Die bisher letzte Erweiterung besteht aus dem Kinderdorf Bautoland mit kleinen bunten Hauschen, Miniatur-Marchenschloss, Riesenpilzen und lebensgroßen Comicfiguren wie Snoopy, Asterix und Obelix, Micky Maus, die Familie Feuerstein, SpongeBob, Peppa Wutz, Mafalda oder einige Minions. Die Besucher konnen sich beispielsweise auch neben Fred Feuerstein in dessen Steinzeitmobil setzen. Noch in Bau befindlich war 2022 eine 10 m hohe, bunte Version der Kathedrale von Burgos, die Yanez unter anderem mit der Trencadis-Technik des Kunstlers Antoni Gaudi aus Kachelstucken errichtet, die er aus Abrissbauten bezieht. Yanez hat es bisher abgelehnt, einen Eintrag in das Guinness-Buch der Rekorde zu beantragen, da er als Kunstler der Arte Povera nicht bereit ist, dafur jedes Jahr mehrere Tausend Euro an Gebuhren zu zahlen. Fur das Marketing haben seine drei Sohne Isra, Dario und Jose-Luis, die den Internetauftritt des Projekts leiten, sich den „plakativen“ Domainnamen laesculturamasgrandedelmundo.com („die großte Skulptur der Welt“.com) gesichert. Das Kunstwerk zieht jahrlich rund 50.000 Besucher an. Galerie Weblinks laesculturamasgrandedelmundo.com, Website zum Projekt Bilder vom Territorio ArtLanza Serie 1 Bilder vom Territorio ArtLanza Serie 2 Einzelnachweise
Territorio ArtLanza ist ein uber 25.000 m² großes architektonisches Kunstwerk in Quintanilla del Agua in der spanischen Provinz Burgos. Es ist ein aus recycelten Materialien nachgebautes mittelalterliches kastilisches Dorf des Kunstlers Felix Yanez und gilt als die großte Skulptur der Welt. Der Name leitet sich von dem Fluss Arlanza ab, an dem der Ort liegt, mit einem eingeschobenen T fur art (Kunst).
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Das Michigan-Tor (englisch Michigan Goal, auch bekannt als Michigan Move oder Lacrosse-Tor) ist ein Begriff aus dem Eishockey, der eine spezielle Art beschreibt, ein Tor zu erzielen. Ahnlich wie beim Bauerntrick (englisch wrap around) bewegt sich der Schutze direkt vor dem Abschluss hinter dem Tor, was das Abwehren des Torschusses fur den Torhuter besonders erschwert. Im Unterschied zum normalen Bauerntrick nimmt der Schutze den Puck allerdings mit der Kelle auf und befordert ihn mit einer schwungvollen Bewegung in den oberen Bereich des Tores unterhalb der Torlatte (daher auch der alternative englische Begriff high wrap). Entstehung und Verbreitung Das namensgebende Michigan-Tor schoss der kanadische College-Spieler Mike Legg im Marz 1996, als er fur die Michigan Wolverines, das Team der University of Michigan, im regionalen Halbfinale des NCAA-Division-I-Turniers gegen die Minnesota Golden Gophers traf. Legg hatte den Trick ursprunglich von Bill Armstrong gelernt, die beiden kannten sich aus ihrer Geburtsstadt London in Ontario. In den Folgejahren blieben Michigan-Tore auf dem hochsten Niveau selten, gelangen aber gelegentlich im internationalen Eishockey. So schoss Mikael Granlund ein solches Tor im Halbfinale der Weltmeisterschaft 2011 beim Spiel Finnland gegen Russland in Bratislava. Danach dauerte es weitere achteinhalb Jahre, bis das erste Michigan-Tor in der NHL fiel: Andrei Swetschnikow traf im Oktober 2019 im Spiel seiner Carolina Hurricanes gegen die Calgary Flames. Weitere Michigan-Tore in der NHL folgten noch in derselben Saison, zunachst wiederum durch Swetschnikow sowie spater durch Filip Forsberg von den Nashville Predators. Seitdem fallen Michigan-Tore in der NHL mit zunehmender Haufigkeit. So gelangen Trevor Zegras von den Anaheim Ducks gleich zwei Michigan-Tore in der Saison 2021/22 sowie ein weiteres im Dezember 2023. Im Fraueneishockey sind Michigan-Versuche bisher noch sehr selten: So schoss die US-Amerikanerin Abby Roque von den New York Sirens das erste Michigan-Tor in einem PWHL-Spiel im Marz 2025. Auch im deutschen Eishockey konnte man den erfolgreichen Kunstschuss schon mehrfach bewundern: Schon in den 2000er Jahren hat Yanick Dube fur den EC Bad Tolz in der 2. Eishockey-Bundesliga per Michigan-Tor getroffen, ebenso wie spater Yannic Bauer fur den Deggendorfer SC in der Eishockey-Oberliga Saison 2022/23 gegen die Passau Black Hawks. Das erste dokumentierte Michigan-Tor in der hochsten deutschen Spielklasse schoss Miks Indrasis im November 2022 fur die Schwenninger Wild Wings im Duell mit den Eisbaren Berlin. Siehe auch Handgelenkschuss Ruckhandschuss Schlagschuss Snap Shot Weblinks The Michigan: Ein Kunstwerk von einem Tor. 8. August 2021, abgerufen am 6. Mai 2025 Einzelnachweise
Das Michigan-Tor (englisch Michigan Goal, auch bekannt als Michigan Move oder Lacrosse-Tor) ist ein Begriff aus dem Eishockey, der eine spezielle Art beschreibt, ein Tor zu erzielen. Ahnlich wie beim Bauerntrick (englisch wrap around) bewegt sich der Schutze direkt vor dem Abschluss hinter dem Tor, was das Abwehren des Torschusses fur den Torhuter besonders erschwert. Im Unterschied zum normalen Bauerntrick nimmt der Schutze den Puck allerdings mit der Kelle auf und befordert ihn mit einer schwungvollen Bewegung in den oberen Bereich des Tores unterhalb der Torlatte (daher auch der alternative englische Begriff high wrap).
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Die Telegrafenlinie von Baltimore nach Washington war die erste in den Vereinigten Staaten von Amerika. Am 24. Mai 1844, im Kapitol der Hauptstadt sitzend, sendete Samuel Morse (Bild) uber diese das erste Telegramm der USA ins vierzig Meilen (64 km) entfernte Baltimore. Geschichte Im Jahr 1837 hatte Samuel Morse (1791–1872) einen elektro­magnetischen Schreib­telegrafen erfunden, der bald allgemein als „Morseapparat“ bekannt wurde. Sein Mitarbeiter Alfred Vail (1807–1859) entwickelte einen geeigneten Code, der eine effiziente Ubertragung von Textnachrichten ermoglichte. Im Jahr 1838 stellte Morse das System dem Kongress der Vereinigten Staaten vor. Dieser bewilligte ihm Anfang der 1840er-Jahre Bundesmittel, woraufhin der Bau der Telegrafenlinie vom nordostlich gelegenen Baltimore in die Hauptstadt moglich wurde. Im Oktober 1843 wurde in Baltimore mit der Verlegung eines vieradrigen Erdkabels begonnen, das von einem umhullenden Rohr geschutzt war. Dazu setzte man einen neuartigen Pflug ein, den der amerikanische Unternehmer Ezra Cornell (1807–1874) entwickelt hatte. Das von acht Maultieren gezogene Gerat riss einen etwa 50 cm tiefen und nur 5 cm breiten Graben ins Erdreich, verlegte im selben Arbeitsschritt das Kabel an dessen Grund und schuttete danach den Graben wieder zu. Die Arbeit ging zugig voran. Doch nachdem der Bautrupp im Dezember den etwa neun Meilen sudwestlich gelegenen Ort Relay erreicht hatte, stellte man fest, dass durch die bei der Verlegung erzeugte Warme die Kabelisolierung gelitten hatte und das Kabel unbrauchbar geworden war. Vor Ort in Relay gab es heftige Diskussionen zwischen Morse, Cornell, den Mitarbeitern und den Geldgebern, was nun zu tun sei. Schließlich entschied Morse, die unterirdische Verlegung abzubrechen und stattdessen die Leitung oberirdisch zu ziehen. Dazu stellte man nun Telegrafenmasten entlang der lokalen Eisenbahn­trasse auf, der Baltimore and Ohio Railroad (B&O). Rund 7 m hohe Stamme aus Kastanienholz wurden in durchschnittlich 90 m Abstand voneinander errichtet. Oben an diesen entlang zog man zwei Kupferdrahte von jeweils etwa 1,3 mm Durchmesser (16 gauge). Im Marz 1844 erreichte man die nordlichen Außenbezirke der Hauptstadt. Einige Probetelegramme zwischen Vail und Morse wurden Anfang Mai erfolgreich ausgetauscht. Schließlich, am 24. Mai 1844 morgens um 8:45 Uhr, sendete Samuel Morse vom Kapitol (Morse) aus feierlich das erste offizielle Telegramm der Vereinigten Staaten an Alfred Vail nach Baltimore (Vail), der sich im dortigen Bahnhofsgebaude Mount Clair Station aufhielt (heute das B&O-Museum). Um auszuschließen, dass die beiden einen vorab heimlich verabredeten Text austauschten, bat man Annie Ellsworth (1826–1900), die 18‑jahrige Tochter des anwesenden Leiters des US‑Patentamts, einen beliebigen Text vorzugeben (mehr Details und eine Anekdote hierzu unter Annie Ellsworths Leben). Sie schlug ein Bibelzitat vor: −−· ···· ·− − ···· ·− − ···· −−· · · −·· ·−− · ·· · · ··− −−· ···· − Nach dem Empfang sendete Vail den Text zur Kontrolle umgehend wieder nach Washington zuruck, wo er aufgezeichnet wurde. Sowohl beim Senden als auch beim Empfangen geschah dies mithilfe eines Streifenschreibers, bei dem, durch einen Elektromagneten gesteuert, drei Stahlstifte Punkt- und Strich-Markierungen auf einem langen Papierstreifen hinterließen. Insgesamt entstanden bei diesem Ereignis somit vier solche Streifen. Darauf sind noch heute die Markierungen zu erkennen, die dort aufgezeichnet worden waren. Einen dieser Streifen bekam Annie von Morse geschenkt. Er hatte darauf mit Bleistift die einzelnen Buchstaben des ubermittelten Textes erganzt und ihr zur Erinnerung eine Widmung verfasst. Sie selbst uberschrieb Morses Schrift mit einer Tuschefeder: Noch am selben Tag wurden Nachrichten zwischen Baltimore und Washington ausgetauscht, auch Borsenkurse, woruber die Presse umgehend berichtete. Das Ereignis wurde als „annihilation of space“ (deutsch „Ausloschung des Raumes“) gefeiert. Man druckte auch den zur Nachrichten­ubermittlung verwendeten Code ab. Knapp ein Jahr spater, am 1. April 1845 wurde unweit des Kapitols, in der 7. Straße, die erste offentliche Telegrafenstation der USA eroffnet. Literatur William G. Pierpont, NØHFF: Die Kunst der Radiotelegrafie. 19. Juli 2001, S. 132–152 (darc.de [PDF; 3,5 MB]). Alfred Vail: Early history of the electro-magnetic telegraph. Hrsg.: J. Cummings Vail. 1914 (englisch, princeton.edu [PDF; 2,1 MB] Eintrag zu Miss Ellsworth auf Seite 17). Weblinks Vollstandiger Papierstreifen des ersten Telegramms Portratfoto der 18‑jahrigen Annie Ellsworth Wie Samuel Morse das Morsen erfand. In: ARD alpha. 4. September 2022; abgerufen am 18. April 2025. Einzelnachweise
Die Telegrafenlinie von Baltimore nach Washington war die erste in den Vereinigten Staaten von Amerika. Am 24. Mai 1844, im Kapitol der Hauptstadt sitzend, sendete Samuel Morse (Bild) uber diese das erste Telegramm der USA ins vierzig Meilen (64 km) entfernte Baltimore.
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Als G-15 wird eine Gruppe von 15 Politikern und Militars bezeichnet, die im Fruhjahr 2001 in einem offenen Brief zu politischen Veranderungen in dem diktatorisch regierten ostafrikanischen Land Eritrea aufriefen. Elf Mitglieder der Gruppe sowie zahlreiche Personen aus ihrem Umfeld wurden im September 2001 in Eritrea inhaftiert und bislang nicht freigelassen. Kontakte zu den Inhaftierten waren und sind nicht moglich; es gibt keine offiziellen Auskunfte zu ihrem Verbleib. Augenzeugen zufolge wurden sie Opfer systematischer Folter. Allgemein wird vermutet, dass die meisten von ihnen im Laufe der Jahre in der Haft gestorben sind. Historischer Kontext Nach dem Zweiten Weltkrieg war Eritrea, das bis 1941 als italienische Kolonie ein Teil von Italienisch-Ostafrika gewesen war, zunachst in einer Foderation mit dem benachbarten Kaiserreich Abessinien (heute: Athiopien) verbunden, bevor es 1962 von Abessinien annektiert und zu einer abessinischen Provinz gemacht wurde. Die Eritreische Befreiungsfront (ELP) und ihr Ableger Eritreische Volksbefreiungsfront (EPLF) fuhrten 30 Jahre lang einen verlustreichen Unabhangigkeitskrieg gegen Athiopien, der 1993 mit der Souveranitat Eritreas endete. Erstes eritreisches Staatsoberhaupt wurde faktisch Isayas Afewerki, der bis dahin die EPLF angefuhrt hatte. In den folgenden Jahren fuhrte Afewerki mit der aus der EPLF hervorgegangenen Einheitspartei Volksfront fur Demokratie und Gerechtigkeit (PFDJ), deren Generalsekretar er ist, das Land autokratisch. Eritrea erhielt – und hat auch 2025 noch – keine Verfassung und keine regulare Gerichtsbarkeit; es wurden seit 1993 keinerlei Wahlen durchgefuhrt. 1998 fuhrte Afewerki das Land in einen blutigen Krieg mit Athiopien, der 2000 auf Vermittlung der UN mit einem Sieg Athiopiens endete. In der Spatphase des Krieges mit Athiopien kam es in Eritrea vermehrt zu Außerungen von Kritik an Afewerki. So forderte im Mai 2000 eine Gruppe von 13 Hochschullehrern und Juristen in einem offenen Brief Reformen. Die Gruppe verlangte die Auflosung von Sondergerichten, die Einfuhrung einer Verfassung und die innerparteiliche Demokratisierung der PFDJ. Im November 2000 kam es zu einem Gesprach zwischen Vertretern der Gruppe und Afewerki, das ergebnislos verlief. Zwar kundigte die PFDJ Anfang 2001 die Vorbereitung der ersten Wahlen seit Erlangung der Unabhangigkeit Eritreas an. Das Projekt kam aber bereits im Februar 2001 zum Erliegen, nachdem Afewerki den von ihm beauftragten Organisator der Wahlen abgesetzt und keinen Nachfolger benannt hatte. In dieser Phase setzten 15 hochrangige Politiker und Militarangehorige, die sich als G-15 bezeichneten, die Kritik an Afewerki fort. Mitglieder der G-15 Als Mitglieder der G-15 werden die 15 Personen angesehen, die im Fruhjahr 2001 in einem an Afewerki gerichteten offenen Brief Reformen in Eritrea verlangten. Alle Unterzeichner dieses Briefes waren Mitglieder des Zentralrats der PFDJ, der sie seit ihrer Grundung in den 1970er-Jahren angehorten. Bis 2001 bekleideten sie hohe politische oder militarische Amter in Eritrea sowie Funktionen in der Einheitspartei. Im Einzelnen bestand die G-15 aus folgenden Personen: Mahmoud Ahmed Sherifo (* 1948, † moglicherweise 2003 in Haft): bis 2001 Innenminister Haile Woldensae (* 1946, † moglicherweise 2018 in Haft): bis 2001 Handels- und Industrieminister Mesfin Hagos (* 1947): langjahriger Weggefahrte Afewerkis, bis 2001 Leiter der Regionalverwaltung Ogbe Abrha (* 1948, † moglicherweise 2002 in Haft): bis 1997 Handels- und Industrieminister und General Hamid Hamed (* 1955, † moglicherweise 2003 in Haft): bis 2001 Abteilungsleiter im Außen- sowie im Handels- und Industrieministerium und Diplomat Saleh Kekya (* 1950, † 2003 in Haft): bis 2001 Minister und Diplomat Estifanos Seyoum (* 1947): bis 2001 Leiter der staatlichen Finanzverwaltung Berhane Ghebrezgabiher (* 1947): bis 2000 General in der eritreischen Armee Aster Fissehatsion (* 1951, moglicherweise † 2003 in Haft): bis 2001 Direktorin im Arbeits- und Sozialministerium Mohammed Berhan Blata, ehemaliger Gouverneur des Gebiets um die Stadt Adi Keyh Petros Solomon (* 1951): bis 2001 Marineminister Germano Nati (* 1946, † wahrscheinlich 2009 in Haft): Verwaltungsleiter verschiedener eritreischer Provinzen Beraki Gebreselassie (* 1946, † 2017): bis 2001 Bildungs-, Informations- und Kulturminister Adhanom Ghebremariam († 2021 im Exil): hochrangiger Militar Haile Menkerios (* 1946): Diplomat. Offener Brief Nachdem bereits im Februar 2001 erste, zunachst nicht veroffentlichte Mitteilungen mit kritischem Inhalt an den Prasidenten gerichtet worden waren, verfassten die als G-15 auftretenden Funktionare im Mai einen offenen Brief an Afewerki. In ihm beschrieben die Autoren zunachst den Zustand des Landes als kritisch. Danach handele Prasident Afewerki eigenmachtig („free and as he pleased“) ohne Kontrolle durch demokratisch legitimierte Gremien. Er verweigere die Beratung mit anderen und den demokratischen Dialog. Dem Land fehlten effiziente Kontrolleinrichtungen und unabhangige Gerichte. Es gebe nur Sondergerichte, die dem Prasidenten direkt verantwortlich seien. Die Urteile der Gerichte seien willkurlich, weil rechtliche Grundlagen fehlten. Schließlich bemangelten die Autoren eine Vermischung von Partei- und Staatsvermogen und Demokratiemangel innerhalb der PFDJ: Mehr als 85 Prozent der planmaßigen Sitzungen des Exekutivkomitees seien ohne Angabe von Grunden ausgefallen; stattdessen habe Afewerki als Vorsitzender die wesentlichen Entscheidungen alleine getroffen. Afewerkis Verhalten habe das Vertrauen der PFDJ-Spitzen und auch das der Bevolkerung beeintrachtigt. Um das Vertrauen wiederherzustellen, forderten die Autoren die Verfassungsbindung der Regierung und des Prasidenten, die Vorbereitung freier und fairer Wahlen, die Wahrung der Menschenrechte, die Freiheit der Rede und des politischen Diskurses und die Einfuhrung innerparteilicher Demokratie. Dieser Brief wurde in mehreren eritreischen Tageszeitungen veroffentlicht, unter ihnen das Blatt Setit. Inhaftierung und weiteres Schicksal = Festnahme = Elf der 15 Unterzeichner des offenen Briefes wurden am 18. und 19. September 2001 in Eritrea verhaftet: Mahmoud Ahmed Sherifo, Haile Woldensae, Ogbe Abrha, Hamid Hmd, Saleh Kekya, Estifanos Seyoum, Berhane Ghebrezgabiher, Petros Solomon, Germano Nati, Beraki Gebreselassie sowie – als einzige Frau – Aster Fissehatsion. Lediglich Adhanom Ghebremariam, Mesfin Hagos und Haile Menkerios, die sich im Sommer 2001 in den USA aufhielten, entgingen der Festnahme; sie kehrten nicht mehr nach Eritrea zuruck. Mohammed Berhan Blata distanzierte sich von der G-15, erhielt wieder eine Funktion in der Regierung Eritreas, durfte spater ausreisen und lebte 2011 im schwedischen Exil. Zwischen der Publikation des offenen Briefes im Mai 2001 und den Verhaftungen seiner Autoren im September 2001 lagen vier Monate. Verschiedene Autoren halten das fur eine ungewohnlich lange Zeitspanne. Einige von ihnen sehen einen mittelbaren Zusammenhang mit den Terroranschlagen am 11. September 2001, die nur etwas mehr als eine Woche vor den Verhaftungen stattgefunden hatten. Teilweise wird vermutet, dass Afewerki die Ausrichtung der Weltoffentlichkeit auf diese Ereignisse nutzte, um seine innenpolitischen Gegner außerhalb der allgemeinen Aufmerksamkeit inhaftieren zu konnen. Der eritreische Regierungssprecher erklarte im Anschluss an die Verhaftungen, die Mitglieder der G-15 hatten sich des Verrats schuldig gemacht und einen Staatsstreich geplant. Entsprechend außerte sich Prasident Afewerki im Februar 2002 in einer offentlichen Rede: Die G-15-Mitglieder hatten die Werte und Prinzipien verraten, fur die das eritreische Volk gekampft habe; sie hatten Verbrechen gegen das Land und gegen das Volk begangen. = Verbleib = Uber das Schicksal der Verhafteten gibt es keine gesicherten Erkenntnisse. Offizielle Auskunfte von eritreischer Seite existieren nicht. Detaillierte Angaben machte 2011 ein ehemaliger eritreischer Gefangniswachter, der im Jahr zuvor geflohen war und in Europa Asyl erhalten hatte. Er berichtete Einzelheiten uber die Inhaftierten und die Haftbedingungen. Eine unabhangige Uberprufung seiner Angaben gibt es nicht. Dem Wachter zufolge wurden die festgenommenen G-15-Mitglieder von 2001 bis 2003 in einer als Trainingscamp bezeichneten Kasernen- oder Gefangnisanlage in Imbatikala untergebracht, einer Gemeinde, die an der Fernstraße P1 zwischen Asmara und Massaua liegt. Mahmoud Ahmed Sherifo, Ogbe Abraha sowie ein seit 2001 inhaftierter Journalist seien in Imbatikala gestorben. Im Juni 2003 seien die Uberlebenden in das abgelegene, neu errichtete Gefangnis Eiraeiro in der nordwestlichen Region Semienawi Kayih Bahri verlegt worden, wo sie hohen Temperaturschwankungen und limitiertem Wasserzugang ausgesetzt gewesen seien. Dort seien sie anfanglich in einzeln stehenden, je nach Quelle drei bis zehn Quadratmeter großen Zellen untergebracht worden, die aus Kunststoff hergestellt waren; spater seien gemauerte Zellen an ihre Stelle getreten. Die Gefangenen seien voneinander isoliert worden und hatten kaum medizinische Versorgung erhalten. Hamid Hamed, Saleh Kekiya, Aster Fissehatsion und Germano Nati seien bis 2010 in Eiraeiro gestorben. Inhaftierungen im G-15-Umfeld Im Zusammenhang mit der Festnahme der G-15-Mitglieder wurden hunderte weiterer Personen verhaftet. Dazu gehorten auch einige Journalisten, unter ihnen Yosuah Fessehaye sowie der schwedisch-eritreische Staatsangehorige Dawit Isaak, die gemeinsam die Zeitung Setit betrieben hatten, in der der offene Brief vom Mai 2001 abgedruckt worden war. Nach Angaben eines ehemaligen Gefangniswarters starb Fessehaye wahrend seiner Haft in Imbatikala durch Suizid. Von Dawit Isaak gab es bis 2005 einzelne Lebenszeichen sowie eine kurzzeitige vorubergehende Freilassung, an die sich eine neuerliche Inhaftnahme anschloss; sein weiteres Schicksal ist nicht offentlich bekannt. Weitere Auswirkungen Der offene Brief der G-15 hatte weitreichende Auswirkungen. Der britische Journalist Paul Kenyon beschreibt seine Veroffentlichung im Mai 2001 als ein Ereignis, „das den Lauf der Geschichte Eritreas nachhaltig anderte“. Im Zusammenhang mit den Inhaftierungen vom September 2001 wurde die eritreische Studentenbewegung gewaltsam zerschlagen. Unabhangige Medien wurden verboten, die regierungsnahen Medien, die sich zeitweise an der Kritik an Afewerki beteiligt hatten, wurden wieder gleichgeschaltet. Die Nationalwahlen wurden auf unbestimmte Zeit verschoben – bis 2025 wurden keinerlei Wahlen abgehalten –, und die Versuche einer politischen und gesellschaftlichen Liberalisierung endeten. Literatur Paul Kenyon: Dictatorland. The Men Who Stole Africa. Head of Zeus, London, 2018, ISBN 978-1-78497-214-1 Martin Plaut: The Birth of Eritrean Reform Movement. In: Review of African Political Economy. Band 29, Nr. 91, 2002, S. 119–124, JSTOR:4006865. Kjetil Tronvoll, Daniel Rezene Mekonnen: The African Garrison State. Human Rights & Political Development in Eritrea. James Currey, Suffolk 2014, ISBN 978-1-84701-069-8. Weblinks Der offene Brief vom Mai 2001 in englischer Ubersetzung Anmerkungen Einzelnachweise
Als G-15 wird eine Gruppe von 15 Politikern und Militars bezeichnet, die im Fruhjahr 2001 in einem offenen Brief zu politischen Veranderungen in dem diktatorisch regierten ostafrikanischen Land Eritrea aufriefen. Elf Mitglieder der Gruppe sowie zahlreiche Personen aus ihrem Umfeld wurden im September 2001 in Eritrea inhaftiert und bislang nicht freigelassen. Kontakte zu den Inhaftierten waren und sind nicht moglich; es gibt keine offiziellen Auskunfte zu ihrem Verbleib. Augenzeugen zufolge wurden sie Opfer systematischer Folter. Allgemein wird vermutet, dass die meisten von ihnen im Laufe der Jahre in der Haft gestorben sind.
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c-257
Der Untere Berggeistturm ist ein 2000 m u. NHN hoher Gipfel des Wettersteingebirges in den Ostalpen. Er liegt in Bayern, knapp nordlich der Grenze zu Tirol in Osterreich. Lage und Beschreibung Der Untere Berggeistturm ist ein Gipfel des Wettersteingebirges, der sich nordlich des Schusselkars und nordostlich des Unteren Schusselkarturms befindet. Das Schusselkar liegt zwischen dem Unteren Berggeistturm und dem Unteren Schusselkarturm. Der Gipfel liegt in der Verlangerung des Westgrates des Westgipfels der Partenkirchner Dreitorspitze (2633 m) und ist westlich und unterhalb des im selben Grat gelegenen Oberreintaldoms. Er offnet sich zum Oberreintal hin. Der im Talkessel des Oberreintals eher unauffallige Gipfel hatte ursprunglich keinen Namen. Am 4. Januar 1900 wurde das Alpenkranzchen „Berggeist“ gegrundet, die ersten Mitglieder waren bergsteigerisch begabte Menschen vom Sportclub „Terra Pila“. Den Namen schlug Max Schneider vor, einer der spateren Erstbesteiger. Der Obere (2250 m) und der Untere Berggeistturm erhielten spater durch diese alpinistische Vereinigung ihre Namen. Zugang und Erschließung Der wesentliche Talort ist Garmisch-Partenkirchen, und der Gipfel kann nur durch eine ca. 5-stundige Wanderung erreicht werden. Diese fuhrt durch die Partnachklamm und dann an der Partnach entlang durch das Reintal. Von diesem gelangt man in das Oberreintal. Da der Zugang eher lang ist, wird die Besteigung meist mit einer Ubernachtung in der Oberreintalhutte kombiniert. 1871 wanderte Hermann von Barth durch das Wettersteingebirge und erreichte auch das Oberreintal. In seinem 1874 erschienenen Buch Aus den Nordlichen Kalkalpen wird auch dieser Gipfel kurz erwahnt, es ist die erste nachgewiesene Erwahnung uberhaupt. Der Untere Berggeistturm ist ein beliebter Kletterberg, seine Wande sind nach Norden und Westen ausgerichtet. Alpinismus Der Untere Berggeistturm ist einer der am haufigsten besuchten Klettergipfel im Tal. Besonders zwei Touren gehoren zu den haufig begangenen Klassikern: Militarkante, auch Milka (UIAA 4, 180 m). Diese Route wurde fruher auch Sudwestkante genannt. Weder die Erstbegeher noch das Datum der Erstbegehung sind bekannt, die Route ist aber alt. Gelbes U (UIAA 6 oder 5,A0, 370 m), fruher auch Nordwestwand genannt, erstbegangen 1928 von Leo Ritter und Toni Schmid. Unterer Berggeistturm Literatur und Karten Alpenvereinskarte: 4/3 Wetterstein und Mieminger Gebirge, Ostliches Blatt (1:25.000). 2005 Stephan Beulke: Wetterstein. Ein Fuhrer fur Taler, Hutten und Berge (= Alpenvereinsfuhrer. Reihe: Nordliche Kalkalpen.). Verfasst nach den Richtlinien der UIAA. 4., unveranderte Auflage. Bergverlag Rother, Munchen 1996, ISBN 3-7633-1119-X. Charly Wherle: Wande, Grate, Dome: Kletterwelt Oberreintal. 1. Auflage. Panico-Alpinverlag, Kongen 1997, ISBN 978-3-926807-56-4. Rolf Gemza, Martin Oswald, Christian Pfanzelt: Wetterstein-Kletterfuhrer. Nord: Wetterstein Nord: Meilerhutte, Oberreintal, Reintal, Alpspitze, Waxensteinkamm / Rolf Gemza, Martin Oswald, Christian Pfanzelt (= Kletterfuhrer Alpin). 5. Auflage. Panico Alpinverlag, Kongen 2021, ISBN 978-3-95611-146-4. Weblinks Einzelnachweise
Der Untere Berggeistturm ist ein 2000 m u. NHN hoher Gipfel des Wettersteingebirges in den Ostalpen. Er liegt in Bayern, knapp nordlich der Grenze zu Tirol in Osterreich.
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c-258
Jane Kennaway (* 1955) ist eine britische Singer-Songwriterin und Gitarristin des Punk Rock, Post-Punk und New Wave. Sie wurde vor allem durch den Charthit IOU von 1981 bekannt, den sie gemeinsam mit ihrer Band Strange Behaviour veroffentlichte. Leben und Karriere = Vom Hausboot zur Punksangerin = Kennaway ist die jungste Tochter des Schriftstellers James Kennaway. Sie wuchs auf den Reisen ihres Vaters in verschiedenen Staaten auf, darunter Frankreich, Italien, die USA und Indien, wo die Familie auf einem Hausboot in Kaschmir lebte. Spater ging sie auf Internate in Edinburgh und Cheltenham. Mit 15 Jahren begann sie, nach dem Tode ihres Vaters, mit dem Schreiben von Songs. Mit ihrer Schwester Emma ging sie, nachdem sie aus dem Internat entlassen worden war, als Begleitung der Patrick Samson Band, einer Musikgruppe zweier libyscher Bruder, auf eine Italien-Tournee. In London, wo sie im Versandhandel von Lightning Records arbeitete, schloss sie sich einer Band namens Trigger Happy an, die sich bald aufloste. Im Jahr 1978 grundete sie eine erste eigene Punkband, The Sneaks, in der sie sang und Gitarre spielte. Sie selbst bezeichnete im Interview mit Smash Hits die Musik der Sneaks als „eine Art Jazz-Punk“ und nannte die Band Television als ihr großes Vorbild. Zur Gruppe gehorte der spatere Musikjournalist und Filmkritiker Tom Hibbert. Aufnahmen der Sneaks gibt es nicht. In dieser Zeit arbeitete Kennaway auch als Sessionsangerin, unter anderem fur Nana Love, die Members, New Musik sowie fur Werbung und Jingles. Ihr Management Deckstar versuchte parallel vergeblich, sie als Schauspielerin zu installieren. = Durchbruch mit Strange Behaviour = Im Jahr darauf riefen Kennaway und Deckstar die Band Strange Behaviour („Merkwurdiges Verhalten“) ins Leben. Schlagzeuger Andy Duncan (ehemals unter anderem bei der Band Linx) war hauptverantwortlich fur die weitere Auswahl der Mitglieder. Letztlich bestand die Gruppe neben Kennaway und Duncan aus Wims (Gitarre, vormals The Planets), Eugene Organ (Gitarre, Ex-Charlie) und Keith Wilkinson (Bassgitarre, zuvor bei Cafe Jacques). Kennaway und Band wurden im Oktober 1979 vom Musikverlag DinSong unter Vertrag genommen, einem Tochterunternehmen von Virgin Records, das auch das Label Dindisc begrundete (unter anderem mit den ersten Veroffentlichungen von Orchestral Manoeuvres in the Dark). DinSong ließ eine Promo-EP pressen, von der 1.000 Exemplare an Entscheider im Musikbusiness verteilt wurden. Dies sollte helfen, der Band einen Plattenvertrag zu beschaffen, der Versuch blieb jedoch vergebens. Auf dem Cover wurde die Platte Jane Kennaway & Limited Edition zugeschrieben, auf dem Label war jedoch nur Kennaway angegeben, die auch alle vier Songs geschrieben hatte, darunter einer namens Limited Edition. Ihren Durchbruch feierte die Band mit Auftritten im Londoner 100 Club. Drei ihrer Songs wurden auf Kompilations-Langspielplatten der clubeigenen Produktionsfirma veroffentlicht: im September 1980 das Lied Catch Cool auf Band’its at Ten O’Clock und einen Monat darauf sowohl Atmospheres of England als auch Scratching the Surface auf Live at the 101 – Warts ’n’ All. Catch Cool, das die zweite LP-Seite eroffnete, wurde von Bev Perry, dem Rezensenten des Record Mirror, hervorgehoben: „[Kennaways] sinnliche Stimme, die uber einem vulgaren Bluestrack liegt, macht wirklich Lust auf mehr.“ = Charterfolg mit IOU = Im November 1980 veroffentlichten Jane Kennaway & Strange Behaviour den Song IOU (Abkurzung fur I owe you, deutsch „ich schulde dir“, auch „Schuldschein“). Die Single mit der B-Seite Take Me Away kam zunachst in einer Auflage von 2.000 Stuck auf dem bandeigenen Label Growing Up In Hollywood mit der Katalognummer GROW1 heraus, „um fur einen Plattenvertrag zu werben“, so Kennaway in der Musikzeitschrift Smash Hits vom 5. Februar 1981. In einer Anzeigenkampagne warb das Management damit, dass die ersten 3.000 [frei verkauflichen] Exemplare zum Sonderpreis von 50 Pence zu erhalten seien. Produziert wurde IOU von Andy Duncan mit Unterstutzung der Band. IOU ist ein Lied, dessen Text dem Zeitgeist der Punk- und Post-Punk-Bewegung entspricht, jedoch nicht dem sozialen Hintergrund der Sangerin. Kennaway schrieb uber Armut und Schulden. „Wir sehen so viel, das wir haben wollen, und konnen uns doch so wenig leisten, wir sind nur Opfer der bosen weltweiten Inflation“, heißt es, und im Refrain „Auf dem Konto habe ich kein Geld, keine Bonitat, kein Geldfluss […] ohne Moos nix los“. Am 20. Dezember 1980 wurde die Single im Record Mirror besprochen. Rezensent Rob Russell listete IOU unter the best ones, den besten, auch wenn er nicht nur lobte: „Viel Stil, forsches und selbstbewusstes Auftreten, aber die Fassade kann den im Grunde schwachen Song nicht ganz verbergen. […] Er verspricht aber viel fur die nachsten Lieder.“ Mark Ellen urteilte in Smash Hits: „Strange Behaviour liefern geschmackvoll zuruckhaltenden Gitarrensound, als ob sich ihre Welt um Keith Richard drehen wurde. IOU ist gespickt mit schlimmen Wortspielen uber Janes knappes Bankguthaben, verdient es aber, ihr ein oder zwei Scheine einzubringen.“ IOU stieg, da noch auf dem Label der Band, zunachst in die Indie-Charts ein und wurde dort am 17. Januar 1981 fur eine Woche auf Platz 48 notiert. Mittlerweile hatte Deram, ein Label von Decca Records, die Band unter Vertrag und die Single (Katalognummer DM436) ubernommen. Sie wurde ab dem 24. Januar 1981 fur drei Wochen in den offiziellen Charts notiert, kam bis auf Platz 65. In der Woche des offiziellen Charteinstiegs setzte der Record Mirror Jane Kennaway auf sein Titelbild und widmete ihr zwei Seiten. Die Single wurde auch in Deutschland veroffentlicht, der Titel wurde jedoch mit Abkurzungspunkten versehen: I.O.U. = Zeit nach dem Erfolg = Noch Anfang 1981 wechselte Kennaway zur Agentur TBA Management. Im Marz des Jahres gab es die nachste Single. Die Songs Celia und Radio waren bereits auf der Promo-EP des Jahres 1979 veroffentlicht worden. Die Neuaufnahmen waren von Steve Lillywhite produziert; wie zuvor wurde lediglich Jane Kennaway als Interpretin genannt. Im Juli 1981 wurde Year 2000 veroffentlicht, ein Lied, das Kennaway mit Thomas Dolby geschrieben hatte, der es auch produzierte. Der Song schaffte es in die Radio 1 Playlist Charts, ohne jedoch in die offiziellen Top 100 einzusteigen. Kennaway legte eine fast zweijahrige Schaffenspause ein, in der sie sich offiziell sowohl von Strange Behaviour als auch von Deram trennte. Im August 1983 versuchte sie ein Comeback auf ihrem eigenen IOU-Label. Trotz dreimonatiger Promotion-Kampagne mit Anzeigen in der Fachpresse und einer Promotiontour konnte die Single I’m Missing You sich im Folgemonat nur in Indie-Airplay-Charts platzieren, da aber auf Platz eins. Im Interview mit der Debut LP/Zeitschrift erklarte sie den musikalischen Unterschied zu vorherigen Aufnahmen damit, dass sie nun „ganz einfach alles selbst gemacht“ habe. „Als ich noch meine Band hatte, wollte jeder mitmischen. […] Jetzt habe ich mit Gitarren und […] einem Synthesizer, alles alleine aufgenommen, zunachst zu Hause auf einer kleinen Vierkanal-Cassettenmaschine. Dann […] habe ich mir ein paar Studiomusiker ausgesucht […] und die richtige Aufnahme gemacht.“ In diesem Interview mit H. Hog kundigte sie fur das Fruhjahr 1984 ein Album an, das jedoch nie erschien. Nach Ankundigung einer Single mit dem Titel Don’t Do It im Oktober 1983 in der Musikpresse, kurz nach Geburt ihrer Tochter, beendete Kennaway ihre Solokarriere zu Gunsten des Familienlebens. Sie lebte spater lange in Frankreich, seit den 2010er-Jahren in Cornwall. Im Jahr 2011 veroffentlichte LTM Recordings eine Kompilation ihrer 1980er-Jahre-Werke. In der begleitenden Biographie beschrieb sie ihre musikalische Beschaftigung zu der Zeit: „Ich schreibe immer noch und trete auf und produziere. Ich arbeite als Musiklehrerin, mache Festival-Promotion, schreibe Lieder fur Beerdigungen, Geburtstage, Hochzeiten – sogar ein Jingle fur eine Regionalpartei in Essex.“ Als Sangerin trat sie 2012 wieder in Erscheinung, auf einer Single der Band Daytoner. Drei Jahre spater sang sie 2015 bei den Renegades of Jazz. Diskografie Singles und EPs 1979: Celia / Radio // Hamburger City / Limited Edition (Promo-EP, Dinsong) 1980: IOU / Take Me Away (Jane Kennaway & Strange Behaviour, Growing Up in Hollywood) 1981: IOU / Take Me Away (Jane Kennaway & Strange Behaviour, Deram) 1981: Celia / Radio (Deram) 1981: Year 2000 / 5 On 84th Street (Deram) 1983: I’m Missing You / The Way We Really Are (IOU) Alben 2011: IOU (CD-Kompilation, LTM) Weblinks Biographie von James Nice bei LTM Recordings IOU auf Youtube Anmerkungen und Nachweise
Jane Kennaway (* 1955) ist eine britische Singer-Songwriterin und Gitarristin des Punk Rock, Post-Punk und New Wave. Sie wurde vor allem durch den Charthit IOU von 1981 bekannt, den sie gemeinsam mit ihrer Band Strange Behaviour veroffentlichte.
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c-259
Das Franziskanerkloster Unserer Lieben Frau von den Engeln (kroatisch Franjevacki Samostan Gospe od Anđela) ist ein Franziskanerkloster im Ortsteil Podgorje der Gemeinde Orebic auf der Halbinsel Peljesac in Kroatien. Es ist der Mutter Jesu unter dem volkstumlichen Titel Maria von den Engeln gewidmet und wurde im 16. Jahrhundert im Stil der Gotik und Renaissance errichtet. Geschichte und Bauwerk Das Kloster geht auf einen Vertrag vom 20. August 1479 zuruck, in dem die Republik Ragusa den Baumeister Mihoca Radisic mit dem Bau einer Kirche beauftragte. Ein Beschluss des Senats von 1481 genehmigte das Vorhaben und stellte das benotigte Grundstuck bereit. Die Kirche wurde am 17. Mai 1534 vom Bischof von Ston, Nikola Nikonicic, geweiht. Schutzpatronin ist Maria von den Engeln. Die namensgleiche Basilika Santa Maria degli Angeli in Assisi ist erbaut uber der Portiuncula-Kapelle, in der der Ordensgrunder Franz von Assisi starb und die franziskanischen Orden ihren Ursprung nahmen. Das Kloster gehort innerhalb des Franziskanerordens zur Franziskanerprovinz des heiligen Hieronymus in Dalmatien, die es in Zusammenarbeit mit der Franziskanerprovinz Maria Himmelfahrt in Herzegowina betreibt. Nach kanonischem Recht gehort das Kloster zur romisch-katholischen Diozese Dubrovnik, die dem Erzbistum Split-Makarska als Suffragan untersteht. Wesentliches Bauwerk des Klosters ist eine einschiffige Kirche mit quadratischem Chor im Stil der Gotik und Renaissance. Zur ursprunglichen Ausstattung zahlen zwei Darstellungen der Gottesmutter mit Kind – ein Marmorrelief von Thomas Fiamberti und eine Skulptur von Niccolo di Giovanni Fiorentino –, ein Kruzifix von Juraj Petrovic sowie ein Altarbild Maria Himmelfahrt, das der venezianischen Schule zugerechnet und Maffeo Verona zugeschrieben wird. Weitere Altare sind unter anderem den Heiligen Franziskus, Antonius von Padua und Nikolaus von Myra sowie den Seelen im Fegefeuer gewidmet. Eine Wandmalerei uber dem Triumphbogen zeigt das Kloster mit vorbeiziehendem Segelschiff. Die heutigen Kreuzwegstationen stammen aus den 1960er-Jahren; altere Exemplare aus dem 18. Jahrhundert sind im Museum erhalten. Im 19. Jahrhundert wurde die Anlage umfassend instand gesetzt. Dabei wurden Dach, Glockenturm, Zisterne und Orgel erneuert sowie Raume fur ein Noviziat eingerichtet, das bis 1888 bestand. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Kloster bei einem Luftangriff am 14. Juni 1944 schwer beschadigt. Weitere Schaden verursachte das Erdbeben vom 6. Januar 1960. Seit 1963 steht die Anlage unter Denkmalschutz. Das Kloster liegt rund 152 m uber dem Meeresspiegel auf einer Anhohe oberhalb eines Steilhangs mit Blick auf den Peljesac-Kanal und die Insel Korcula. Umgeben ist es von Kiefernwald und einem Zypressenhain, die als Naturdenkmal geschutzt sind. Seefahrertradition und Kapitansfriedhof In der Vergangenheit grußten Kapitane aus Orebic das Kloster beim Vorbeifahren mit dreifachem Tonsignal, worauf die Franziskaner mit dem Glockengelaut des Kirchturms antworteten. Unmittelbar hinter der Kirche befindet sich der sogenannte Kapitansfriedhof. Dort steht das prunkvolle Mausoleum der Familie Mimbelli, gestaltet von dem kroatischen Bildhauer Ivan Rendic. Eine Marmorstatue eines Madchens mit einem umgedrehten Wasserkrug symbolisiert das Ende der Familienlinie – der Legende nach infolge einer verbotenen Liebesbeziehung des Kapitanssohns Baldo Mimbelli. Feiertage Wichtige liturgische Feste und Wallfahrtstage am Kloster sind: Montag nach Pfingsten: Fest „Maria, Mutter der Kirche“ (Gospa od Anđela) 15. August: Maria Himmelfahrt (Velika Gospa) 8. Dezember: Hochfest der unbefleckten Empfangnis (Bezgresno Zacece) Zu den Feierlichkeiten kommen Glaubige aus Orebic, Lumbarda, Korcula, Pupnat, Viganj und Kuciste. Historische Besucher und Erwahnungen Der osterreichische Prinz Philipp von Sachsen-Coburg und Gotha besuchte das Kloster 1905. Der britische Historiker und Publizist Robert William Seton-Watson hielt sich 1913 dort auf. Der deutsche Schriftsteller Ernst Junger besuchte das Kloster 1932 und schilderte es in seinem Reisetagebuch Dalmatinischer Aufenthalt, in dem er es nach dem italienischen Namen von Podgorje als Kloster Sottomonte bezeichnete. Weblinks Offizielles Klosterprofil. Franziskanerprovinz Dalmatien und Istrien; abgerufen am 23. Mai 2025 (kroatisch). Franziskanerkloster. Tourismusverband Gemeinde Orebic; abgerufen am 23. Mai 2025. Einzelnachweise
Das Franziskanerkloster Unserer Lieben Frau von den Engeln (kroatisch Franjevacki Samostan Gospe od Anđela) ist ein Franziskanerkloster im Ortsteil Podgorje der Gemeinde Orebic auf der Halbinsel Peljesac in Kroatien. Es ist der Mutter Jesu unter dem volkstumlichen Titel Maria von den Engeln gewidmet und wurde im 16. Jahrhundert im Stil der Gotik und Renaissance errichtet.
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c-260
Hilda Bongertman (* 3. April 1913 in Den Haag; † 18. Mai 2004 in Amsterdam) war eine niederlandische Flugbegleiterin, Schriftstellerin und Mitglied der Nationaal-Socialistische Beweging (NSB). Als erste Stewardess der KLM Royal Dutch Airlines erreichte sie nationale Beruhmtheit. Leben Hilda Bongertman wurde als Tochter von Anton Bongertman (1878–1941) und Hillechien Wassing (1877–1945) in Den Haag geboren. Ihre Eltern betrieben ein Zigarren- und Tabakgeschaft in Bussum, wo sie mit ihrer alteren Schwester und ihrem alteren Bruder aufwuchs. Sie besuchte die weiterfuhrende Schule, die Hauswirtschaftsschule und machte eine Ausbildung zur Schneiderin. Mit neunzehn Jahren ging sie nach England, um die Sprache zu lernen. Zuruck in den Niederlanden absolvierte sie eine einjahrige Krankenpflegeausbildung zur Krankenschwesterhelferin am Westergasthuis in Amsterdam. Danach arbeitete sie im Pflegeheim Fjedo in Laren und in einer privaten Anstellung bei einer Familie im Ausland. 1935 trat sie, ebenso wie ihre Eltern und ihr Bruder, der Nationaal-Socialistische Beweging (NSB) bei. Als die niederlandische Fluggesellschaft KLM Royal Dutch Airlines ab 1935 begann, Stewardessen einzustellen, bewarb Hilda Bongertman sich und wurde zum 1. Juli 1935 als erste Flugbegleiterin eingestellt. 1936 veroffentlichte sie unter dem Titel Schiphol uitstappen! (Aussteigen!) ein von der Presse vielbeachtetes Buch uber ihre Erlebnisse als Flugbegleiterin. Es erschien mit einem Vorwort des KLM-Direktors Albert Plesman beim Verlag Scheltens & Giltay in Amsterdam. Ihre Popularitat erreichte einen Hohepunkt, als am 9. Dezember 1936 die Douglas DC-2 PH-AKL „De Lijster“, auf der sie eingesetzt war, in der Nahe des Croydon Airport in England absturzte. Das Flugzeug mit dem Ziel Schiphol war bei sehr dichtem Nebel mit einer Sichtweite von weniger als funfzig Metern gestartet, kam nach dem Start vom Kurs ab, prallte gegen den Schornstein eines Hauses unweit der Startbahn, sturzte in ein unbewohntes Haus und geriet in Brand. Von den vier Besatzungsmitgliedern und dreizehn Passagieren starben funfzehn Insassen, darunter Juan de la Cierva und Arvid Lindman. Außer einem deutschen Passagier uberlebte nur Hilda Bongertman, die ganz hinten im Flugzeug gesessen hatte, mit gebrochenen Rippen und Verbrennungen. Sie hatte sich durch ein Fenster aus der brennenden DC-2 befreien konnen und sturzte uber eine Tragflache zu Boden. Danach wurde sie eine nationale Beruhmtheit, und sie wurde zur Chefstewardess von KLM befordert. 1938 fuhrte sie Gesprache mit Abteilungsleitern der Deutschen Lufthansa, die ebenfalls Stewardessen einstellen wollten. Mit der Heirat mit dem deutschen Geschaftsmann Johann Erich Heuser (1913–1982) im Oktober 1939 in Bussum musste Hilda Bongertman ihren Beruf aufgeben und verlor wegen der Ehe mit einem Deutschen ihre Mitgliedschaft in der NSB. Ihr Ehemann war ein Nachbar ihrer Eltern und uninteressiert am Nationalsozialismus. Im Juni 1941 ließ Hilda Bongertman sich von ihm scheiden. = Tatigkeit im Krieg fur die NSB = Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges und der Besetzung der Niederlande trat Hilda Bongertman erneut der NSB bei, war in der Nationaal-Socialistische Vrouwen Organisatie (NSVO) aktiv und ab Oktober 1941 ein „bevorzugtes“ Mitglied der Germanischen SS. Im Jahr 1942 schrieb sie fur die NSB das im nationalsozialistischen Geist verfasste Kinder- und Jugendbuch Jeugd in de branding (Jugend in der Brandung), ein Buch uber zwei Jungen aus Amsterdam, die sich der Waffen-SS anschließen. Als sie sich weigerte, auf Geheiß der NSB ihr Manuskript umzuschreiben und verschiedene Textpassagen mit Informationen zur „Judenfrage und der Feindschaft Englands“, die ihr von der Propagandaabteilung der NSB zur Verfugung gestellt worden waren, zu verscharfen und zu erweitern, wurde sie zunachst aus der NSB ausgeschlossen. Dennoch wurde das Buch 1943 in seiner ursprunglichen Form in dem von Anton Mussert gegrundeten Verlag „Nederlandsch Nationaal Socialistische Uitgeverij“ (Nenasu) veroffentlicht. Danach war Hilda Bongertman nacheinander Herausgeberin von Arbeid, dem Organ der nationalsozialistischen Gewerkschaft Het Nederlands Arbeidsfront (NAF), Sekretarin beim nationalsozialistischen Verlag De Amsterdamsche Keurkamer und schließlich Sekretarin des NSB-Burgermeisters von Winterswijk. Wahrend dieser Zeit schrieb sie fur den Nieuwe Winterswijckse Courant mehrere Leitartikel mit einer vehementen prodeutschen Ausrichtung. Sie arbeitete außerdem an einem neuen Roman, der jedoch nicht veroffentlicht wurde. = Weiteres Leben = Als britische Truppen Ende Marz 1945 in Winterswijk einmarschierten, stellte sich Hilda Bongertman und wurde zwei Jahre lang im Internierungslager „De Roskam“ in Weesp und in Naarden festgehalten. Bei ihrer Verhandlung vor dem Kriegsgericht in Bussum wurden ihr vor allem ihre Veroffentlichungen in Buchern und Zeitungen vorgeworfen. Sie verteidigte sich selbst und sagte aus, dass sie ihre Haltung wahrend des Krieges zutiefst bereue und auch von den Vernichtungslagern erst nach dem Krieg erfahren habe. Aufgrund dessen und ihrer bereits zweijahrigen Inhaftierung wurde sie im Mai/Juni 1947 relativ milde bestraft. Ihr Vermogen von 7.000 Gulden wurde beschlagnahmt, und es wurde ihr vorubergehend das Wahlrecht aberkannt. Nach ihrer Freilassung lebte Hilda Bongertman in Amsterdam und fuhrte aufgrund ihrer Vergangenheit ein zuruckgezogenes Leben. Eine Zeit lang benutzte sie den Nachnamen ihres Ex-Mannes und nannte sich Hilda Heuser. Sie bewarb sich wieder bei der KLM, wurde jedoch als ehemaliges NSB-Mitglied abgelehnt. Sie nahm dann eine Stelle bei einem kleinen Exportunternehmen an und arbeitete spater als Chefsekretarin bei der Amstel-Brauerei. Ab etwa 1954 war sie mit der Verwaltungsassistentin und ehemaligen Widerstandskampferin und Kurierin der illegalen Untergrundzeitung Het Parool Sonja Bonhoffer (1920–1994) fest liiert. Die beiden Frauen wohnten zusammen in der Amsterdamer Elandsgracht und spater in der Valeriusstraat. Nach Sonja Bonhoffers Tod im Jahr 1994 wurde Hilda Bongertman eine Zeit lang von ihrer judischen Nachbarin Nel Joseph gepflegt. Sie starb 2004 in einem Pflegeheim und hinterließ ihren gesamten Besitz der Familie Joseph. Rezeption Im Jahr 2012 veroffentlichte die Historikerin und ehemalige Flugbegleiterin Ingrid van der Chijs das Buch Luchtmeisjes. Verzet en collaboratie van twee stewardessen uber die gegensatzlichen Lebensverlaufe der Flugbegleiterinnen Hilda Bongertman und Trix Terwindt, die bei KLM Arbeitskolleginnen gewesen waren. Wahrend Hilda Bongertman der NSB beitrat, schloss sich Trix Terwindt als „Englandfahrerin“ dem niederlandischen Widerstand an. Im Buch 101 Vrouwen en de oorlog (dt.: 101 Frauen und der Krieg) der Historikerin und Schriftstellerin Els Kloek mit 101 Biografien von Frauen, die im Zweiten Weltkrieg im Kontext der niederlandischen Geschichte eine Rolle spielten, ist Hilda Bongertman ein Kapitel gewidmet. Das Luftfahrtmuseum Aviodrome auf dem Gelande des Flughafens Lelystad in Lelystad, das sich vorrangig mit der Geschichte der niederlandischen Zivilluftfahrt befasst, zeigte 2020 eine Ausstellung zu Hilda Bongertman und Trix Terwindt. Schriften Jeugd in de branding. Roman voor jongs menschen. Nenasu, Utrecht 1943. Schiphol uitstappen! Ervaringen van een K.L.M.-stewardess. Scheltens, Amsterdam 1982. Weblinks Hilda Bongertman. In: Biografisch portaal van Nederland (Digitalisat) Siddeq Qureshi: Bongertman, Hilda (1913-2004). In: Digitaal Vrouwenlexicon van Nederland. Huygens-Institut fur die Geschichte der Niederlande (Hrsg.) Einzelnachweise
Hilda Bongertman (* 3. April 1913 in Den Haag; † 18. Mai 2004 in Amsterdam) war eine niederlandische Flugbegleiterin, Schriftstellerin und Mitglied der Nationaal-Socialistische Beweging (NSB). Als erste Stewardess der KLM Royal Dutch Airlines erreichte sie nationale Beruhmtheit.
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Sommernacht am Strand (norwegisch: Sommernatt ved stranden; englisch: Summer Night by the Beach), gelegentlich auch Meereslandschaft mit Mond genannt, ist ein Gemalde, das der norwegische Maler Edvard Munch 1902/03 schuf. Es zeigt eine nachtliche Szene am Meer. Zentral sind der Mond und die saulenartige Reflexion seines Lichts auf der Wasseroberflache. Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Gemalde Gegenstand eines Restitutionsstreits zwischen Alma Mahler-Werfel und Osterreich. Das Bild blieb im Besitz des Kunsthistorischen Museums Wien, dann der dortigen Osterreichischen Galerie Belvedere. 2007 wurde es an die Enkelin und Erbin von Alma Mahler-Werfel herausgegeben. Beschreibung Das Gemalde zeigt eine nachtliche Szene am Meer. Den Vordergrund bildet ein plan-konkaver, weitgehend horizontal angeordneter Streifen Land und Ufer. Vor allem in Grun und Schwarz sind vorn Busche oder mit Algen uberwucherte Felsbrocken zu sehen, ebenso abgerundete, vereinzelt sehr helle Steinblocke. Diese Objekte sind in teils pastosem Farbauftrag und starkem Kolorit in organische Formen uberfuhrt. Es schließt sich ein Saum aus Schaum oder Restwasser, das sich in hellen Blautonen um die Ufersteine schlangelt, und schwarz dargestellten ufernahen Wellen an. Dieser geht in das lasierend gemalte ruhige Meer uber, das ufernah eher in mittelblauen Farben gearbeitet und glasartig dargestellt ist, um dann blau-violette Tone anzunehmen. Der tiefstehende Mond und die saulenartige Reflexion seines Lichts auf dem ufernaheren Wasser bilden die gelbe Vertikalachse. Parallel zum diesseitigen Ufer ist im oberen Viertel des Bildes, unterhalb des Mondes, als leicht gewellte dunkle Linie das dem norwegischen Kustenort Asgardstrand gegenuberliegende Ostufer des Oslofjords (damals Kristianiafjord) angedeutet. Es bildet eine zweite Horizontalachse. Uber dem jenseitigen Ufer steht der Nachthimmel. Munch hat ihn wie das Meer in nachtblauen Tonen gehalten. Der Kunstler signierte unten links in rot mit „E. Munch“. Kontext und Einordnung Munch besuchte Asgardstrand von 1889 an regelmaßig, vor allem im Sommer. 1898 kaufte er dort ein Haus von einem Fischer. In Asgardstrand traf er befreundete Kunstler wie Hans Heyerdahl, Christian und Oda Krohg oder Jappe Nilssen. Viele Werke Munchs verweisen auf diesen Fischer- und Badeort, an dem Munch – so die Worte eines Freundes – „die Landschaft seiner Seele fand“. Zu diesen Werken zahlen solche, die das Meer vom Ufer aus, die Uferlandschaft selbst oder Szenen am Meeresufer zeigen. Asgardstrand: Uferszenen (Gemalde-Beispiele) Das Ufer beziehungsweise Uferlinien gelten fur den Zeitraum von den 1890er Jahren bis 1930 als Leitmotiv in seinem Œuvre. Das Ufer konnte dabei Kulisse sein fur große menschliche Gefuhle, beispielsweise Trennungsschmerz oder Melancholie. Es war zudem haufig ein Protagonist oder Mitakteur mit Eigenleben und stand bei Munch aufgrund seiner Veranderungsfahigkeit sowie seiner geschwungenen Konturen fur menschliche Lebenslinien in ihren Wandlungen. Bereits rund zehn Jahre vor Sommernacht am Strand schuf Munch drei Werke, die von Menschen geschaffene Objekte, belebte und unbelebte Natur sowie Personen im Mondlicht inszenieren – jeweils in Asgardstrand. In diesen Gemalden zeigt sich eine Dynamisierung und Abrundung sowie das Organische von Buschen und Steinen. Das tragt ebenso zu den Bildeindrucken bei wie die Stimmung dieser Bilder: Sie wirken geheimnisvoll und unheimlich, unwirklich und unbestimmbar. Asgardstrand: Szenen im Mondschein (Gemalde-Beispiele) Die in Munchs Werken durch die Darstellung des Mondes und der Reflexion seines Lichts auf der Wasseroberflache entstehende Form ist mehrfach als Phallussymbol gedeutet worden beziehungsweise als Symbol fur das Mannliche. Es steht nicht fur Freude, sondern eher fur bedrohliche Konsequenzen. Munch erlebte keine gegluckte Sexualitat und keine erfullte Liebe. Stattdessen qualten ihn gescheiterte Beziehungsversuche. 1902 endete zum Beispiel die lange und aufreibende Affare mit Mathilde (genannt „Tulla“) Larsen, einer willensstarken, vermogenden, sechs Jahre jungeren Frau, mit einem Revolverschuss, der Munch das oberste Glied seines linken Mittelfingers kostete. Auch psychisch litt er anschließend noch viele Jahre. Munch heiratete nie und blieb lebenslang allein. Spiegelung des Mondlichts (Gemalde-Beispiele) Trotz seiner noch mindestens bis 1909 anhaltenden psychischen Instabilitat, die seit 1902 durch Alkoholprobleme begleitet und verstarkt wurde, stellten sich nach der Jahrhundertwende schrittweise Verkaufserfolge ein. Munch nahm beispielsweise mit 20 Bildern, prasentiert in einem eigenen Raum (Saal II), an der 19. Wiener Secession teil, die vom 22. Janner bis zum 6. Marz 1904 stattfand und von mehr als 15.000 Menschen besucht wurde. Der Schweizer Maler Ferdinand Hodler war ihr Star, er traf den Geschmack der Wiener Avantgarde. Munch profitierte davon, denn er konnte das dort prasentierte Gemalde Sommernacht am Strand anschließend verkaufen. Dessen streng axiale Komposition war vergleichbar mit Hodlers Praferenz fur einen symmetrischen Bildaufbau und Hodlers Vorliebe fur dekorative Formen, die sich um die Jahrhundertwende unter anderem in dessen parallelistischen Landschaftsbildern ausdruckten. Der Kunsthistoriker und -experte Eliot W. Rowlands weicht von dieser Kontextualisierung ab. Er sieht in einer Spezialstudie, die die New Yorker Galerie Wildenstein & Co. druckte, im Himmelskorper uber dem Fjord die Mitternachtssonne. Das Thema des Munch-Bildes sei eine Sommernacht in Norwegen, daher erscheine es ihm „logisch“, dass hier der Fixstern zu sehen sei; er, nicht der Erdtrabant, stehe uber dem Ostufer des Fjords. Diese Deutung macht eine andere Interpretationslinie zuganglich: Insbesondere in Munchs Spatwerk ist die Natur zentral, weniger sind es die negativen Gefuhle. Munch und seine Werke wirken optimistischer, dem Leben zugewandt. Die heilende Kraft der Natur, insbesondere der Sonne, gewann fur Munch an Bedeutung. Die Starkung und Freude, die der Kunstler beim Malen von Landschaften empfand, zudem die Ehrfurcht vor der Natur, die sich bereits in Sommernacht am Strand gezeigt habe, seien auch in seinem großen Wandgemalde der aufgehenden Sonne uber dem Kragero-Fjord ausgedruckt, das er 1911 fur die Universitat Oslo schuf. Verbleib bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs Kurz nach Ende der Wiener-Secessions-Ausstellung von 1904 verkaufte Munch Sommernacht am Strand gemeinsam mit einem weiteren Gemalde an den Privatsammler Carl Reininghaus. Walter Gropius, der zweite Ehemann von Alma Mahler, bat den Wiener Kunstsammler 1916, er moge ihm das Bild verkaufen, damit er es seiner Frau schenken konne. Anlass fur diesen Wunsch war die Geburt von Manon, der gemeinsamen Tochter von Mahler und Gropius. Reininghaus uberließ Gropius das Bild, der damit seine Frau beschenkte. In ihrer Autobiografie schrieb Alma Mahler-Werfel, kein Bild sei ihr „je so nah gegangen wie dieses“; sie habe sich tagelang in das Gemalde versenken konnen. Fur eine Ausstellung, die 1937 in der Osterreichischen Galerie (heute Belvedere) stattfand, ubergab Alma Mahler-Werfel dem Museum Sommernacht am Strand. Diese Leihgabe, die auch vier weitere Gemalde umfasste – von ihrem Vater Emil Jakob Schindler Waldstraße bei St. Gilgen (heute Waldstraße bei Scharfling genannt), Felsenkuste von Ragusa, Waldweg in Goisern sowie von Oskar Kokoschka Bildnis der Frau Alma Mahler-Werfel – galt fur zwei Jahre. Am 13. Marz 1938, unmittelbar nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Osterreich, dem sogenannten Anschluss, floh Alma Mahler-Werfel aus Wien. Die Flucht fuhrte sie und Franz Werfel, ihren dritten Ehemann, uber Frankreich und Spanien nach Portugal. Von dort aus setzten sie in die Vereinigten Staaten uber und erreichten New York im Oktober 1940. Am 18. Marz 1938 bat Carl Moll, der 1904 den Verkauf von Sommernacht am Strand an Reininghaus vermittelt hatte, den gerade erst installierten neuen Leiter der Osterreichischen Galerie Bruno Grimschitz um Herausgabe der funf Gemalde. Moll, Mitbegrunder der Wiener Secession und Anhanger des Nationalsozialismus, war der Stiefvater von Alma Mahler-Werfel. Er sei von ihr beauftragt, die Werke wieder fur sie zu ubernehmen. Sie wurden ihm ausgehandigt. Im Mai 1940 verkaufte er Sommernacht am Meer der Osterreichischen Galerie „im Namen Maria Eberstallers“ fur 7.000 RM. Maria Eberstaller war seine Tochter und die Halbschwester von Alma Mahler-Werfel. Auf Seiten des Museums war Grimschitz, seit Mai 1938 NSDAP-Mitglied, fur den Ankauf verantwortlich. Streit um Restitution = Initiativen von Alma Mahler-Werfel = Nach Ende des Zweiten Weltkrieges unternahm Alma Mahler-Werfel von den Vereinigten Staaten aus Schritte, um wieder an ihr osterreichisches Eigentum zu gelangen. Die durch Bombentreffer teilzerstorte Villa Ast, die sich in der Steinfeldgasse 2/Wollergasse 12 im 19. Wiener Gemeindebezirk befand, veraußerte sie bereits 1945 fur 40.000 Schweizer Franken. Ihr Begehren auf Ruckstellung (osterreichisch fur Restitution) ihres Domizils in Breitenstein am Semmering (Haus Mahler) war Anfang 1947 erfolgreich. Seit August 1946 bemuhte sie sich um die Ruckgabe der Gemalde, die sie 1937 der Osterreichischen Galerie fur Ausstellungszwecke zur Verfugung gestellt hatte. Sie schrieb in diesem Kontext an Leopold Figl, den Bundeskanzler Osterreichs. In seinem Antwortschreiben ging dieser davon aus, der Exilantin schon bald positive Nachrichten senden zu konnen. Die Osterreichische Galerie legte sich jedoch quer und bestritt fur Sommernacht am Strand einen Zusammenhang der Leihgabe von 1937 und Ankauf im Jahr 1940. Alma Mahler-Werfel wandte sich nun an das zustandige Bundesdenkmalamt und bestand auf Herausgabe des Munch und der drei Gemalde ihres Vaters. Das Gemalde von Kokoschka erhielt sie 1947 als erstes zuruck, nach einer Ausstellung in der Kunsthalle Bern. Es war nicht Teil der Auseinandersetzungen. Alma Mahler-Werfel beschritt im August 1947 den Rechtsweg und beantragte die Herausgabe der Gemalde, die sich noch nicht wieder in ihrem Besitz befanden. Die Auseinandersetzungen zogen sich bis zum Tod von Alma Mahler-Werfel im Jahr 1964: Verhandelt wurde der Fall zunachst von der Ruckstellungskommission am Wiener Landgericht. In dieser ersten Instanz wurde ihr Ruckstellungsantrag im September 1948 zuruckgewiesen. Er hatte sich nach Ansicht der Kommission an Deutschland richten mussen. Gegen dieses Erkenntnis legte Alma Mahler-Werfel Beschwerde ein. Die Ruckgabeoberkommission Wien folgte dieser Beschwerde im November 1948, hob das Erkenntnis der Erstinstanz auf und wies das Verfahren an die Ruckstellungskommission zur Neuverhandlung zuruck. Das Gemalde Waldstraße bei St. Gilgen wurde 1948 ruckgestellt; es ging an ihren Neffen Wilhelm Legler. Im zweiten Rechtsgang entschied die Ruckstellungskommission im April 1953 zugunsten von Alma Mahler-Werfel und betonte in ihrer Entscheidung unter anderem, dass fur die Transaktionen von 1938 und 1940 keine Vollmachten vorgelegen hatten und kein Beweis existiere, dass Alma Mahler-Werfel diese Bilder Carl Moll oder Maria Eberstaller anvertraut habe. Die Finanzprokuratur der Republik Osterreich legte gegen dieses Erkenntnis Beschwerde ein. Die Ruckgabeoberkommission entschied Mitte Juni 1953, den Streit um die Schindler-Bilder zuruckzuuberweisen. Die Restitution von Sommernacht am Strand an Alma Mahler-Werfel lehnte sie ab. Das Munch-Gemalde sei Carl Moll beziehungsweise Maria Eberstaller sehr wohl anvertraut gewesen. Zugleich unterstellte sie, Alma Mahler-Werfel habe das Gemalde 1938 sowieso, also unabhangig von der Machtubernahme der Nationalsozialisten in Osterreich, verkaufen wollen. Noch bevor diese Entscheidung an Alma Mahler-Werfel zugestellt war, schlossen ihr Berater Otto Kallir und Karl Garzarolli, der Leiter der Galerie Osterreich, am 1. Juli 1953 einen Vergleich: Das Munch-Gemalde sollte demnach an Alma Mahler-Werfel zuruckgehen, im Gegenzug sollte sie die Schindler-Gemalde der Galerie Osterreich schenken. Dieser Vergleich stand jedoch unter Zustimmungsvorbehalt des Unterrichtsministeriums. Der Vergleich erlangte keine Rechtskraft, denn der Anwalt von Alma Mahler-Werfel hatte gegen die Entscheidung der Ruckgabeoberkommission vor der Obersten Ruckstellungskommission Beschwerde eingelegt. Sie wurde dort im September 1953 aus formalen Grunden zuruckgewiesen: Den Streitwert hatte Alma Mahler-Werfel auf exakt 15.000 Schilling beziffert, er hatte fur die Zulassung der Beschwerde daruber liegen mussen. Damit war die Entscheidung der Ruckgabeoberkommission von Mitte Juni 1953 in der Auseinandersetzung um die Munch-Restitution endgultig rechtskraftig. Die Ruckgabe von zwei Schindler-Gemalden zog sich bis 1954, sie gingen anschließend an Alma Mahler-Werfel. In den Jahren 1954 bis 1964 gab es noch einige Versuche, zu einem Vergleich zu kommen. Sie scheiterten jedoch alle. = Initiativen von Marina Mahler = Seit Ende der 1990er Jahre setzte eine zweite Phase von Restitutionsauseinandersetzungen ein. Das galt auch fur Osterreich, wo nach Mitte der 1960er Jahre kaum noch solche Streitfalle verhandelt oder erortert worden waren. Den Hintergrund fur die zweite Phase bildete ein erheblich veranderter offentlicher Diskurs. Er zeigte sich in den Debatten um die Zwangsarbeiterentschadigungen, um vermeintlich herrenlose Konten in der Schweiz und um Raubkunst. Ausgelost durch die 1998 medial intensiv wahrgenommene Beschlagnahmung von zwei Schiele-Gemalden im New Yorker Museum of Modern Art, Leihgaben der Sammlung Leopoldina, kam es noch am 3. Dezember desselben Jahres zur Washingtoner Erklarung. In Osterreich trat das Kunstruckgabegesetz tags darauf in Kraft. Aufgrund dieses Gesetzes nahm Marina Mahler, Enkelin und Alleinerbin von Alma Mahler-Werfel, 1999 die Bemuhungen zur Herausgabe von Sommernacht am Strand wieder auf. Der mit dem Kunstruckgabegesetz von 1998 eingerichtete Kunstruckgabebeirat wies ihren Antrag auf Herausgabe am 27. Oktober 1999 zuruck. Das Ruckgabeanliegen sei zwar moralisch verstandlich, der Rechtsstreit sei jedoch seit 1953 rechtskraftig entschieden. Seit Ende Februar 2001 gilt in Osterreich das Entschadigungsfondsgesetz. Es etablierte in Paragraph 10 die Moglichkeit, rechtskraftige Restitutionsentscheidungen zu revidieren, wenn eine „extreme Ungerechtigkeit“ vorlag. Vor diesem Hintergrund, vor allem aber ausgelost durch ein ausfuhrliches Gutachten der Provenienzforscherin Monika Mayer, das deutliche Hinweise auf die Restitutionsfahigkeit von Sommernacht am Strand enthielt, entschied sich Marina Mahler, beim weiterhin zustandigen Kunstruckgabebeirat 2006 erneut die Restitution zu beantragen. Gemeinsam mit dem Antrag legte sie drei von ihr in Auftrag gegebene Gutachten vor. Ihr Anliegen wurde in der osterreichischen und der internationalen Presse verfolgt. Der Kunstruckgabebeirat empfahl der Bundesministerin fur Bildung, Wissenschaft und Kultur, damals Elisabeth Gehrer, am 8. November 2006, das Gemalde Sommernacht am Strand „an die Erben nach Alma Mahler-Werfel auszufolgen“, also an Marina Mahler herauszugeben. Zentral fur seinen Beschluss war, dass der Kunstruckgabebeirat es als nicht nachgewiesen ansah, dass Alma Mahler-Werfel 1938 Sommernacht am Strand verkaufen wollte. In dieser Hinsicht habe die Ruckstellungsoberkommission 1953 eine falsche Annahme getroffen und fur eine „extreme Ungerechtigkeit“ gesorgt. Das Medienecho auf diesen Beschluss war ebenfalls groß. Die Ubergabe an Marina Mahler erfolgte schließlich im Mai 2007. Private Sale Marina Mahler veraußerte das Bild uber Wildenstein & Co. per Private Sale, einem Verkauf ohne Versteigerung unter Ausschluss der Offentlichkeit, fur deutlich uber 10 Millionen Euro an einen amerikanischen Privatsammler. Rezeption und Forschungslage Die Bildinhalte, die Maltechnik oder die Deutung von Sommernacht am Strand spielten in den Medien keine große Rolle. In Munch-Biografien hat das Gemalde ebenfalls keine zentrale Stellung. Sofern Sommernacht am Strand ausgestellt worden ist, finden sich gelegentlich kompakte Bildbeschreibungen in den entsprechenden Katalogen. Im Zuge des Private Sale uber Wildenstein & Co. hat deren Senior Researcher Eliot W. Rowlands eine Spezialstudie erarbeitet. Den Restitutionsauseinandersetzungen wird hingegen sowohl in den Medien als auch in der wissenschaftlichen Literatur großere Aufmerksamkeit gewidmet. Im August 1953 nannte die in New York erscheinende Zeitschrift Der Aufbau die Verweigerung der Ruckstellung einen „Justizskandal in Oesterreich“ und sprach von einem „Bilderraub an Alma Mahler-Werfel“. Presseberichte setzten erst wieder ein, als Marina Mahler 1999 und 2006 das Restitutionsbegehren mit Blick auf die veranderte Rechtslage erneut vorbrachte. Dabei unterstutzten die Medien eine Restitution. Ahnliches gilt auch fur wissenschaftliche Beitrage vor November 2006. Sie starkten die Position der Erbin in dieser Auseinandersetzung. Zu den wenigen Stimmen, die sich kritisch außerten, zahlte Oliver Hilmes. In seiner 2004 erschienenen Biografie uber Alma Mahler-Werfel sprach er davon, die Beweislage habe 1953 eindeutig gegen sie gesprochen. Zu ihrem Schwiegervater Carl Moll und zu ihrer Halbschwester Maria Eberstaller habe 1938 ein freundschaftliches Verhaltnis bestanden; bereits Anfang Marz 1938 habe Alma Mahler-Werfel Moll beauftragt, Sommernacht am Strand zu verkaufen. Im November 2006 wiederholte er diese Thesen in einem offenen Brief an Elisabeth Gehrer, den Die Presse als Leserbrief veroffentlichte. Sonja Niederacher legte 2024 eine Studie zur Restitution von Sommernacht am Strand vor. Die Kernthese lautete: Das Restitutionsbegehren von Marina Mahler sei erfolgreich gewesen, weil die Diskursbedingungen 2006 deutlich andere waren als 1953. Vor dem Hintergrund einer veranderten gesellschaftlichen Wahrnehmung von NS-Unrecht seien 2006 nicht allein juristische Fragen wichtig gewesen, sondern auch moralische Erwagungen wie die Frage nach Gerechtigkeit. Provenienz und Ausstellungen Literatur = Von Marina Mahler beauftragte Rechtsgutachten = Paul Oberhammer: Rechtsgutachten zur Restitution des Gemaldes „Sommernacht am Strand“ von Edward Munch. September 2006 (PDF). Ewald Wiederin: Die Restitution nach dem Kunstruckgabegesetz und ihr Verhaltnis zur Ruckstellung nach den Ruckstellungsgesetzen. Rechtsgutachten im Auftrag von Marina Mahler. August 2006 (PDF – Auszug). Franz-Stefan Meissel: Zur Restitution von Munchs Gemalde „Sommernacht am Strand“ im Lichte des KunstruckgabeG 1998. Rechtsgutachten. Dezember 2005 (PDF – Auszug). = Wissenschaftliche Literatur = Sonja Niederacher: Von Recht zu Moral. Zur Restitution von Kunstwerken in Osterreich von 1946 bis heute. In: Historische Anthropologie. Band 32, Nr. 2, 2024, ISSN 0942-8704, S. 280–301, doi:10.7788/hian.2024.32.2.280. Franz-Stefan Meissel: The Restitution of the Munch Painting "Summer night on the beach" under the Austrian Art Restitution Act 1998. In: Wouter Veraart, Laurens Winkel (Hrsg.): The Post-War Restitution of Property Rights in Europe. Comparative Perspectives. Scientia, Amsterdam, Aalen 2011, S. 47–78 (englisch, PDF). Gerd Woll: Edvard Munch. Complete paintings. Catalogue raisonne. Band II, 1898–1908, Thames & Hudson, London, New York 2009, Werk Nummer 536 (S. 568), ISBN 978-0-500-09345-0. Melissa Muller: Alma Mahler Werfel (1879–1964), Wien. In: Melissa Muller, Monika Tatzkow (Hrsg.): Verlorene Bilder – verlorene Leben. Judische Sammler und was aus ihren Kunstwerken wurde. 1. Auflage. Sandmann, Munchen 2009, ISBN 978-3-938045-30-5, S. 184–195 (online). Eliot Wooldridge Rowlands: Edvard Munch's Sommernacht am Strand. Its formation and history. Wildenstein and Company (New York, N.Y.) 2008. Michael Wladika: „Ersuche ich daher, … in keiner Weise Frau Alma Mahler-Werfel entgegenzukommen.“ Alma Mahler-Werfel im Rechtsstreit mit der Republik Osterreich. In: Enteignete Kunst (= Verena Pawlowsky, Harald Wendelin [Hrsg.]: Raub und Ruckgabe. Osterreich von 1938 bis heute. Band 3). Mandelbaum, Wien 2006, ISBN 978-3-85476-185-3, S. 79–103. Franz-Stefan Meissel, Julia Jungwirth: Moralisch verstandlich, aber rechtlich nichts zu machen? Munchs „Sommernacht am Strand“ vor dem Kunstruckgabebeirat. In: Enteignete Kunst (= Verena Pawlowsky, Harald Wendelin [Hrsg.]: Raub und Ruckgabe. Osterreich von 1938 bis heute. Band 3). Mandelbaum, Wien 2006, ISBN 978-3-85476-185-3, S. 104–121. Einzelnachweise
Sommernacht am Strand (norwegisch: Sommernatt ved stranden; englisch: Summer Night by the Beach), gelegentlich auch Meereslandschaft mit Mond genannt, ist ein Gemalde, das der norwegische Maler Edvard Munch 1902/03 schuf. Es zeigt eine nachtliche Szene am Meer. Zentral sind der Mond und die saulenartige Reflexion seines Lichts auf der Wasseroberflache. Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Gemalde Gegenstand eines Restitutionsstreits zwischen Alma Mahler-Werfel und Osterreich. Das Bild blieb im Besitz des Kunsthistorischen Museums Wien, dann der dortigen Osterreichischen Galerie Belvedere. 2007 wurde es an die Enkelin und Erbin von Alma Mahler-Werfel herausgegeben.
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Der Alte Meßplatz ist ein Platz in Landau in der Pfalz. Lage Der Platz liegt im Nordwesten der Stadt Landau in der Pfalz und hat die Form eines Dreiecks. Weiter nordlich beziehungsweise nordwestlich befinden sich der Campus Landau der Rheinland-Pfalzischen Technischen Universitat Kaiserslautern-Landau und der Luitpoldpark, fast unmittelbar nordostlich der Zoo, ostlich das Max-Slevogt-Gymnasium und sudlich die Nordringschule. Geschichte Ursprunglich hieß der Platz lediglich „Meßplatz“; er wurde als Ort fur Großveranstaltungen angelegt. 1897 entdeckte der Lehrer und Botaniker Georg Heeger auf dem Platz ein einziges Exemplar einer neuen Form der Pflanze Gewohnliches Hirtentaschel, die er Capsella Heegeri nannte. Vom 16. Juli bis zum 17. Oktober 1949 fand dort und in den angrenzenden Parkanlagen die Sudwestdeutsche Gartenschau statt. In diesem Zuge entstanden vier große Ausstellungshallen auf dem Platz fur Industrie, Handel- und Gewerbe. Rund herum entstanden Freilandschauen, Musteranlagen fur Reben und Obst, eine Gaststatte sowie ein Vergnugungspark. Nach dem Ende der Gartenschau blieb im Norden des Areals eine der vier Hallen erhalten, die sogenannte SUWEGA-Halle. 2020 wurde sie aufgrund von Baufalligkeit und unwirtschaftlichen Sanierungskosten abgerissen. Seinen gegenwartigen Namen erhielt der bisherige „Meßplatz“, als nach dem endgultigen Abzug der Franzosen im Jahr 1999 sudostlich des Hauptbahnhofs der „Neue Meßplatz“ errichtet wurde. Funktion Die meiste Zeit wird der Alte Meßplatz als Parkplatz genutzt. Jahrlich findet im Fruhjahr dort der Maimarkt statt und im September der Herbstmarkt; wahrend dieser Zeit ist das Parken verboten. Wenn Feste auf dem Rathausplatz stattfinden wie beim Fest des Federweißen im Oktober und dem Thomas-Nast-Nikolausmarkt in der Adventszeit wird der dort sonst dienstags und samstags stattfindende Wochenmarkt auf den Alten Meßplatz verlegt. Weblinks Alter Meßplatz auf LANIS Einzelnachweise
Der Alte Meßplatz ist ein Platz in Landau in der Pfalz.
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c-263
Als Travelling Post Office (TPO) wurden die Bahnpostwagen der Royal Mail bezeichnet, die in Großbritannien und Irland eingesetzt wurden, um Post wahrend der Fahrt zu sortieren. Diese Wagen wurden von 1838 bis 2004 betrieben und spielten somit uber 160 Jahre eine entscheidende Rolle bei der schnellen Postbeforderung. Sie waren weltweit die ersten Wagen, die der Bahnpost dienten, teilweise wurden sie auch als reine Postzuge eingesetzt. Geschichte Die Idee des Travelling Post Office (TPO) entstand aus dem Bedurfnis, den Postversand effizienter zu gestalten. Bereits 1826 hatte Rowland Hill uber die Moglichkeit geschrieben, Briefe in speziell ausgestatteten Postkutschen wahrend der Fahrt zu sortieren. Obwohl die Eisenbahn in England ab dem 11. November 1830 fur den Posttransport genutzt wurde, dauerte es bis 1837, bis der Postbeamte George Karstadt vorschlug, spezielle Eisenbahnwagen fur die Sortierung von Post einzusetzen. Dies fuhrte zur ersten experimentellen TPO-Fahrt am 20. Januar 1838 auf der Grand Junction Railway zwischen Birmingham und Warrington, bei der sein Sohn Frederick Karstadt, sowie Edward Ellis und Henry Mellersh die Briefe wahrend der Fahrt sortierten. Mit der Einfuhrung der One Penny Black im Jahr 1840 stieg das Postaufkommen erheblich, was die rasche Expansion der TPOs begunstigte. Bis 1852 gab es bereits zahlreiche TPOs, die Post zwischen London, Perth, Newcastle und Exeter transportierten. TPO-Wagen bestanden aus verschiedenen Typen: Sortierwagen, Aufbewahrungswagen, Steuerwagen und allgemeine Nutzwagen. Ein besonderes Merkmal war der sogenannte „Mail Bag Exchange Apparatus“: Dabei hingen Netze an den Zugen, die wahrend der Fahrt mit Postbeuteln von Stationen entlang der Strecke befullt oder entleert wurden – eine fruhe Logistikinnovation. Entwicklung und Niedergang Bis 1914 waren 126 TPO-Wagen und 245 Mail Exchange Apparatuses in Großbritannien im Einsatz, und viele andere Lander ubernahmen das Konzept. Aus Kostengrunden ging beides ab dem Ersten Weltkrieg kontinuierlich zuruck. In den 1980er Jahren versuchte Rail Express Systems (RES), den Markt zu modernisieren, doch wirtschaftliche Faktoren und die zunehmende Automatisierung der Postsortierung fuhrten zum Ruckgang der TPOs. Am 10. Januar 2004 fuhr der letzte TPO-Zug in Großbritannien. Internationale Nutzung Auch in Queensland wurden TPOs zwischen 1877 und 1932 eingesetzt, um Post in abgelegene Regionen zu transportieren. Diese Wagen waren oft in regulare Reisezuge integriert und wurden spater aus wirtschaftlichen Grunden eingestellt. Sonstiges Der Dokumentarfilm Night Mail von 1936, begleitet von Benjamin Brittens Musik und W. H. Audens Gedicht, ist ein Klassiker der britischen Filmgeschichte, der an die TPOs erinnert. Neben dem Bahnhof von St Germans, Cornwall, wurde ein restaurierter TPO-Wagen in eine Ferienunterkunft umgewandelt. Eines der bekanntesten Verbrechen des 20. Jahrhunderts ereignete sich im Zusammenhang mit den TPOs, als 1963 eine Bande von 15 Raubern einen Postzug auf dem Weg von Glasgow nach London uberfiel. Der „Great Train Robbery“ fuhrte dazu, dass die Manner mit uber 2 Millionen Pfund verschwanden. 1965 wurde der Postzugraub in Deutschland unter dem Titel Die Gentlemen bitten zur Kasse mit Horst Tappert, Hans Cossy und Gunther Neutze in einem Dreiteiler verfilmt. Weblinks Einzelnachweise
Als Travelling Post Office (TPO) wurden die Bahnpostwagen der Royal Mail bezeichnet, die in Großbritannien und Irland eingesetzt wurden, um Post wahrend der Fahrt zu sortieren. Diese Wagen wurden von 1838 bis 2004 betrieben und spielten somit uber 160 Jahre eine entscheidende Rolle bei der schnellen Postbeforderung. Sie waren weltweit die ersten Wagen, die der Bahnpost dienten, teilweise wurden sie auch als reine Postzuge eingesetzt.
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c-264
Der falsche Alexander war ein judischer Sklave aus Sidon, der sich einige Zeit nach der Hinrichtung des echten Alexanders († 7 v. Chr.) – Sohn des Herodes I. und der hasmonaischen Prinzessin Mariamne I. – durch dessen Vater als ebendieser Alexander ausgab. Der wahre Name des Hochstaplers ist unbekannt. Es gelang ihm jedenfalls rasch, Anhanger in den judischen Diasporagemeinden des Reiches zu gewinnen, bevor er schließlich in Rom entlarvt und bestraft wurde. Die Episode wird in den beiden Hauptwerken des judischen Historikers Flavius Josephus uberliefert, wobei stellenweise Unterschiede in der Darstellung im bellum Iudaicum (ca. 75 n. Chr.) und den antiquitates Iudaicae (93 oder 94 n. Chr.) bestehen, was wiederum gewisse Einblicke in die historiographische Arbeitsweise des Josephus gewahrt. Leben des falschen Alexander = Wirken als Betruger bis zur Ankunft in Rom = Der Name des Hochstaplers ist nicht uberliefert. Er war jedenfalls ein Sklave judischer Herkunft aus dem Haushalt eines romischen Freigelassenen in Sidon. Auffallig war seine außerliche Ahnlichkeit mit Alexander, dem Sohn des Herodes und der hasmonaischen Prinzessin Mariamne. Jener Alexander galt als talentiert und popular und war ursprunglich gemeinsam mit seinem Bruder Aristobulos als Thronfolger vorgesehen. Es kam jedoch zu innerdynastischen Spannungen, die darin gipfelten, dass Herodes die beiden im Jahr 7 v. Chr. unter dem Vorwurf der Verschworung zu Sebaste erdrosseln ließ. Diese ausgesprochene Ahnlichkeit nutzte der Sklave, um sich offentlich als der beliebte Prinz auszugeben. Die Tauschung wurde durch einen zweiten Juden organisiert und unterstutzt, der mit den politischen Verhaltnissen am Hofe bestens vertraut war und in den nachfolgenden Ereignissen als Hintermann agierte. Gemeinsam verbreiteten sie die Geschichte, dass Alexander und sein Bruder Aristobulos durch das Erbarmen ihrer Henker den Fangen des Herodes entkommen und andere, ihnen ahnlich sehende Manner an ihrer Stelle getotet worden seien. Die Erzahlung fand unter den judischen Diasporagemeinden im ostlichen Mittelmeerraum schnell großen Anklang. Auf Kreta und spater auch auf Melos gelang es dem Betruger, eine große Gefolgschaft um sich zu scharen und sich durch Geld- und Sachspenden ein Leben in koniglichem Luxus zu ermoglichen. Von den Meliern ließ er sich sogar in einer Sanfte herumtragen, wobei diese offenbar hofften, dass er im Falle der Ruckgewinnung des Erbes seines Vaters ihre Gaben und Taten nicht vergessen und ihnen ihre Muhen vielfach vergelten wurde. Mit einem eigens auf Kosten der Melier gestellten Hofstaat und in der schon erwahnten Sanfte getragen, zog er schließlich uber Dikaiarcheia nach Rom. Auch in diesen Stadten ließ sich eine große Zahl von Juden von seiner Darstellung tauschen und empfing ihn begeistert. Sogar ehemalige Vertraute des Herodes, die den echten Alexander personlich gekannt hatten, erklarten unter Eid, es konne sich nur um ihn handeln. = Entlarvung = In der Darstellung der Entlarvung des falschen Alexanders zeigen sich in den Passagen erstmals klare Widerspruche zwischen dem bellum Judaicum und den antiquitates Judaicae. Die folgende Gegenuberstellung beider Passagen macht sichtbar, dass Josephus historische Ereignisse in nicht unerheblichem Maße literarisch uberarbeitet und uberformt und an unterschiedliche erzahlerische Zielsetzungen angepasst hat. Darstellung im bellum Iudaicum In Rom wurde nun auch der romische Princeps Augustus auf die Aktivitaten des Hochstaplers aufmerksam. Josephus berichtet, dass Augustus, der den echten Alexander personlich gekannt und auch dessen Hinrichtung abgesegnet hatte, von Anfang an erhebliche Zweifel an der behaupteten Identitat des Betrugers gehegt habe. Josephus stellt die Skepsis des Kaisers als Ausdruck politischer Klugheit dar und kontrastiert sie mit der Leichtglaubigkeit judischer Gruppen, die dem Betruger zu schnell vertrauten. Damit artikuliert er implizit eine Loyalitatsbekundung gegenuber seinem romischen Patron Vespasian und ubt zugleich subtile Kritik an der Urteilsfahigkeit jener seiner Landsleute, die auf den Hochstapler hereingefallen waren. Gleichwohl ließ Augustus, wie Josephus weiter ausfuhrt, eine offizielle Untersuchung einleiten und beauftragte damit seinen Vertrauten Celadus, der den echten Alexander ebenfalls aus dessen Aufenthalt in Rom gekannt habe. Celadus soll den Schwindel sofort durchschaut haben, da der physische Habitus des Mannes – offenbar von robuster, kraftiger Statur – mit der erhabenen Erscheinung eines echten Prinzen unvereinbar gewesen sei und vielmehr auf eine Sklavenabkunft hingedeutet habe. Auch seine Gesichtszuge wichen nun doch merklich von denen des echten Alexander ab. Celadus, so Josephus, stellte den Mann daraufhin zur Rede und bot ihm, im Auftrag des Kaisers, eine Strafmilderung an, sofern er seine Hintermanner benenne. Der Betruger, der zuvor mit seiner Tauschung beeindruckende Souveranitat demonstriert hatte, willigte daraufhin uberraschend schnell ein; dies konnte Josephus spater dazu veranlasst haben, seine Darstellung zu uberarbeiten. Vor den Kaiser gefuhrt, gestand der Hochstapler ohne Umschweife, dass ein Komplize ihn zur Tauschung angestiftet hatte, um aus seiner außerlichen Ahnlichkeit mit dem echten Alexander finanziellen Profit zu schlagen. Dabei prahlte er, so Josephus, damit, auf seiner Reise in jeder Stadt so zahlreiche und kostbare Geschenke empfangen zu haben, wie sie dem echten Alexander zu dessen Lebzeiten niemals zuteilgeworden seien. Augustus, der angesichts dieser unverhohlenen Dreistigkeit eher Belustigung denn Zorn empfand, ließ den Betruger, angesichts seiner kraftigen Statur, unter die Ruderer senden, den Hintermann aber zum Tode verurteilen; die getauschten Juden von Melos erlitten lediglich den Verlust jener Geldbetrage, die sie dem vermeintlichen Prinzen in gutglaubiger Naivitat uberlassen hatten. Soweit die Darstellung der Ereignisse im bellum Iudaicum. Darstellung in den antiquitates Iudaicae In den antiquitates Iudaicae greift Josephus die Episode erneut auf, uberarbeitet sie jedoch stellenweise deutlich. Hier entwirft Josephus ein finales Szenario, das sich durch großere erzahlerische Raffinesse und Plausibilitat vom entsprechenden Bericht im bellum Iudaicum unterscheidet. Wie bereits im bellum, so wird auch hier der romische Freigelassene Celadus vom Kaiser beauftragt, mit dem mutmaßlichen Herodessohn in Kontakt zu treten. Allerdings zeigt sich Celadus in dieser Variante unschlussig: Er vermag nicht mit Gewissheit zu entscheiden, ob es sich bei dem Mann um den wahren Alexander oder einen Betruger handelt. Die Angelegenheit wird daher dem Kaiser selbst vorgelegt. In der Darstellung des Josephus ist es nun nicht Celadus, sondern der Princeps personlich, der – ausgestattet mit unfehlbarem Urteilsvermogen – erkennt, dass der junge Mann in Habitus und Verhalten nicht dem entspricht, was man von einem Sohn des Herodes erwarten wurde. Zur Uberprufung der Identitat stellt Augustus dem angeblichen Alexander eine gezielte Kontrollfrage: Er erkundigt sich nach dem Verbleib von dessen jungerem Bruder Aristobulos. In der nun vorgebrachten Erklarung heißt es, dieser sei auf Zypern zuruckgelassen worden – aus Vorsicht gegenuber den Gefahren einer Seereise, um im Fall eines Unglucks das Geschlecht Mariamnes wenigstens durch einen Nachkommen zu bewahren. Dabei erkennt der Princeps eine auffallige, in der Wortwahl prazise abgestimmte Gleichartigkeit zwischen den Aussagen des Junglings und jenen seines Lehrmeisters, der dem Verhor ebenfalls beiwohnt. Augustus nimmt den Hochstapler daraufhin beiseite und setzt ihn durch die Drohung mit dem Tode unter Zugzwang. Ausschlaggebend fur das schließlich abgelegte Gestandnis ist die vom Princeps in Aussicht gestellte Moglichkeit, durch Wahrheitsbekenntnis das eigene Leben zu retten. Wie bereits in der alteren Uberlieferung wird der Hochstapler trotz seines Eingestandnisses zur Strafe in den Dienst der Rudersklaven uberstellt. Aus den antiquitates geht daruber hinaus hervor, dass der eigentliche Initiator der Tauschung – der spiritus rector – hingerichtet wird. Beide Berichte stimmen in ihrem Ende uberein: Augustus erachtet es als gerecht, dass die torichten Juden von Melos, die dem Betruger allzu leichtglaubig Vertrauen geschenkt hatten, durch die Affare einen erheblichen finanziellen Verlust erleiden mussten, und burdet ihnen keine zusatzliche Strafe auf. Die Frage nach den Hintergrunden der Geschichte Die Hintergrunde der Affare um den falschen Alexander lassen sich nur schwer rekonstruieren, da die Darstellung stark literarisch stilisiert ist. Eine klare Trennung zwischen historischen Vorgangen und Ausschmuckung ist nicht moglich, allerdings wirkt insbesondere die Figur des Hochstaplers uberzeichnet. Auch seine Entlarvung durch Augustus bzw. Celadus erscheint zu konstruiert, um als historisch zuverlassig gelten zu konnen. Thomas Grunewald sieht im anonymen Komplizen des falschen Alexander den Drahtzieher eines politischen Komplotts gegen die herodianische Dynastie. Im Gegensatz zum Hochstapler, der keine erkennbare Verbindung zum Konigshaus hatte, war der Hintermann nach Josephus mit den hofischen Verhaltnissen bestens vertraut. Grunewald vermutet daher, es habe sich bei dem Hintermann um einen Sklaven oder Freigelassenen gehandelt, der dem Hingerichteten nahestand, in der Totung des Prinzen ein Unrecht sah und aus Rache handelte. Der falsche Alexander sei lediglich als Werkzeug in einem Tauschungsmanover eingesetzt worden, das nicht finanzielle, sondern dynastische Ziele verfolgte und sich letztlich gegen die politische Ordnung Iudaeas gerichtet habe. Dies offenbare sich besonders in der Passage, in der der falsche Alexander in den Worten des Hintermannes angibt, er wolle verhindern, dass die Familie der Mariamne vollig ausgeloscht werde. Augustus’ Entscheidung, den Hintermann hinrichten zu lassen und dem falschen Alexander das Leben zu schenken und nur auf die Ruderbank zu schicken, wertet Grunewald als Indiz dafur, dass die kaiserliche Seite die Rollenverteilung im Komplott erkannt hat. Anmerkungen
Der falsche Alexander war ein judischer Sklave aus Sidon, der sich einige Zeit nach der Hinrichtung des echten Alexanders († 7 v. Chr.) – Sohn des Herodes I. und der hasmonaischen Prinzessin Mariamne I. – durch dessen Vater als ebendieser Alexander ausgab. Der wahre Name des Hochstaplers ist unbekannt. Es gelang ihm jedenfalls rasch, Anhanger in den judischen Diasporagemeinden des Reiches zu gewinnen, bevor er schließlich in Rom entlarvt und bestraft wurde. Die Episode wird in den beiden Hauptwerken des judischen Historikers Flavius Josephus uberliefert, wobei stellenweise Unterschiede in der Darstellung im bellum Iudaicum (ca. 75 n. Chr.) und den antiquitates Iudaicae (93 oder 94 n. Chr.) bestehen, was wiederum gewisse Einblicke in die historiographische Arbeitsweise des Josephus gewahrt.
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c-265
Norrlandsknack ist ein klassisches schwedisches Kartenspiel fur 3 bis 5 Spieler, das seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt ist. Es wird traditionell um Geld gespielt. Ziel des Spiels ist es, moglichst viele Stiche zu gewinnen, aber vor allem mindestens einen Stich zu machen. Hintergrund Norrlandsknack ist das schwedische Mitglied der Rams-Gruppe, Spiele mit 5 Karten mit dem Merkmal, dass Spieler aussetzen konnen, wenn sie ein schlechtes Blatt haben. Norrlandsknack wird im Norden von Schweden (Norrland) und in Lappland gespielt. In Finnland ist ein ahnliches Spiel als Ramina bekannt. Norrlandsknack wird auch einfach Knack genannt, was jedoch auch fur ein ahnliches Kartenspiel verwendet wird. Spielregeln Die folgenden Spielregeln basieren auf spelregler.org, erganzt durch Parlett. = Karten = Ein 52-Blatt-Kartenspiel wird verwendet, typischerweise nach dem modernen schwedischen Bild, mit Kartenwerten von Ass (hoch) bis Zwei (niedrig). = Geben = Jeder Spieler erhalt funf Karten ausgeteilt, und die nachste Karte wird aufgedeckt, um die Trumpfe zu bestimmen. Sie gehort dem Kartengeber, der sie aufnimmt. Der Rest des Stapels bildet einen Talon. Beim ersten Geben gibt es eine Bietrunde, beginnend mit dem Spieler links vom Geber. In dieser Runde konnen die Spieler der Reihe nach entweder klopfen und damit versprechen, mindestens einen Stich zu machen, oder lauern, indem sie sagen „ich lauere“ und auch mitspielen in der Hoffnung, einen Stich zu gewinnen, allerdings ohne Strafe. Sobald ein Spieler klopft, endet die Bietrunde und die Spieler konnen ihre Handkarten mit denen des Talons tauschen. Mit der Vorhand beginnend, legen die Spieler alle unerwunschten Karten verdeckt beiseite und fullen ihre Karten aus dem Talon auf. Der Geber, der die aufgedeckte Trumpfkarte gezogen hat, legt zuerst ab und nimmt dann eine Karte weniger auf. Wenn alle „lauern“, mussen die Karten von demselben Spieler wieder gegeben werden. In nachfolgenden Runden durfen die Spieler entweden klopfen oder passen, d. h. aus dem aktuellen Spiel aussteigen, durfen aber nicht lauern. Nachdem alle erklart haben, ob sie passen oder mitspielen, konnen die aktiven Spieler wie zuvor mit dem Talon tauschen. = Spiel = Die Vorhand (links vom Geber) spielt zum ersten Stich aus. Die Spieler mussen, wenn moglich, Farbe bedienen; andernfalls durfen sie trumpfen oder ablegen. Der hochste Trumpf gewinnt den Stich oder, falls keiner gespielt wird, die hochste Karte der ausgespielten Farbe. Der Stichgewinner spielt zum nachsten Stich aus. = Wertung = Die Spieler beginnen mit je 10 Punkten. Fur jeden erzielten Stich wird 1 Punkt abgezogen. Wer gespielt und keinen der 5 Stiche gemacht hat, wird (mit Ausnahme der „Lauerer“ der ersten Runde) mit einem Limpa („Brotlaib“) bestraft, was bedeutet, dass der Spieler 5 zusatzliche Strafpunkte erhalt. Gewinner des Spiels ist derjenige, der zuerst 0 Punkte erreicht. Einige Regeln sehen vor, dass ein Spieler, der keinen Stich macht, nur dann 5 Strafpunkte erhalt, wenn er aktuell 5 oder weniger Punkte hat. Andernfalls wird der Punktestand auf 10 Punkte zuruckgesetzt. Sobald ein Spieler 1 Punkt erreicht, andern sich die Spielregeln dahingehend, dass nach Moglichkeit Trumpf gespielt werden muss. Wenn um Geld gespielt wird, setzen die Teilnehmer zu Beginn des Spiels einen Einsatz in den Pot. Zusatzlich wird fur jedes Limpa ein Einsatz gezahlt. Der Gewinner des Spiels erhalt den Pot. Siehe auch Knack Kopknack Svangknack Literatur Dan Glimne: Kortspelshandboken. 3. uberarbeitete und erweiterte Ausgabe Auflage. Kangaroo, Stockholm 2016, ISBN 978-91-7663-115-7, S. 250–251. Bjorn Holmstrom: Stora kortspelsboken. Prism, Stockholm 1981, ISBN 91-518-1446-3, S. 178. David Parlett: The Penguin Book of Card Games. Penguin, London 2008, ISBN 978-0-14-103787-5. Asa Sevedsdotter: Lagt kort ligger. Info Books, Stockholm 1991, ISBN 91-7003-097-9, S. 58–59. Weblinks „Norrlandsknack“ – Spielregeln (schwedisch). Einzelnachweise
Norrlandsknack ist ein klassisches schwedisches Kartenspiel fur 3 bis 5 Spieler, das seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt ist. Es wird traditionell um Geld gespielt. Ziel des Spiels ist es, moglichst viele Stiche zu gewinnen, aber vor allem mindestens einen Stich zu machen.
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c-266
Die Amtskette des Oberburgermeisters von Koln wird vom jeweiligen Amtsinhaber zu besonderen Anlassen als außeres Zeichen der Reprasentanz getragen. Sie wurde in den 1950er Jahren von der Goldschmiedin Elisabeth Treskow geschaffen. Geschichte Bis zum Ende der Stellung Kolns als Freie Reichsstadt im Jahre 1794 trugen die zwei Burgermeister als Stadtoberhaupter lange Stabe als Kennzeichen ihres Amtes. Spater entstand die Tradition der Amtsketten als außeres Zeichen der Reprasentanz. In der preußischen Zeit trug der Oberburgermeister eine prachtige Amtskette, was laut der Preußischen Stadteordnung zunachst Pflicht, ab 1831 jedoch in einer revidierten Ordnung als „Recht“ formuliert war und damit nicht als Pflicht, sondern als Privileg galt, das nur dem Oberburgermeister zustand. 1855 wurde vom preußischen Konig Friedrich Wilhelm III. dem damaligen Burgermeister Hermann Joseph Stupp „der Titel eines ‚Oberbugermeisters‘ zugleich mit der Auszeichnung verliehen, die ‚goldene Amtskette‘ tragen zu durfen, und soll das fernerhin ein Ehrenzeichen der Kolner Burgermeister sein. Es bestehen gewisse Verordnungen uber Anfertigung und Beschaffenheit dieser Kette, erlassen vom Minister von Westphalen, und in der Stadtverordnetensitzung am 27. Nov. [1855] sollte deshalb Beschluß gefaßt werden. Das Resultat der Abstimmung war: Die Beschaffung der Amtskette wurde mit 14 gegen 12 Stimmen abgelehnt.“ Der erste Oberburgermeister Kolns, fur den eine Kette auf Grund koniglicher Verleihung des Amtes hergestellt wurde, war Hermann Becker (1875–1885). Die Kette war aus Silber und vergoldet und wurde am 22. Mai 1880 fur 700 ℳ von Vollgold & Sohn aus Berlin geliefert. Sie sollte 1917 zur Goldsammlung gegeben und gegen eine Kette aus Eisen ausgetauscht werden, doch kam es nicht dazu. Wahrend des Zweiten Weltkriegs wurde sie zusammen mit dem Rathaus zerstort, und – wie die spatere Oberburgermeisterin Henriette Reker berichtete – „ein nachtraglich hinzugefugtes Symbol der Nationalsozialisten gleich mit“. Von der Kette blieben im Panzerschrank des Oberburgermeisters nur geschmolzene Klumpen ubrig. 1953 wertete das Ratsmitglied Peter Schaeven das Fehlen einer Amtskette als „Makel“. Er war der Ansicht, den Oberburgermeister nicht „einfach so in Zivil herumlaufen zu lassen“, wenn „Takt, guter Geschmack und feierlicher Anlass“ ein reprasentatives Symbol verlangten. Es dauerte rund ein Jahr, bis seine Anregung aufgenommen wurde. Herstellung Der damalige Kolner Oberburgermeister Ernst Schwering beauftragte die Goldschmiedin Elisabeth Treskow, die heutige Amtskette zu entwerfen. Von 1955 bis 1956 wurde die Kette von ihr in Zusammenarbeit mit Fritz Deutsch, einem ihrer Schuler der Gold- und Silberschmiedeklasse der Kolner Werkschulen, hergestellt. Er fertigte die Granulation, Rudolf Nieballa die Gravuren der Schriften. Fritz Fremersdorf, Direktor der romisch-germanischen Abteilung des Wallraf-Richartz-Museums (heute Romisch-Germanisches Museum), zeichnete fur die inhaltliche Konzeption der Kette verantwortlich. Fremersdorf half auch beim Ankauf antiker Munzen mit Bildnissen von Herrschern, und Oberburgermeister Schwering personlich formulierte die Inschriften auf den Zwischengliedern. So steht etwa neben dem antiken Munzbildnis der Stadtpatronin Agrippina der Jungeren: „Agrippina erhebt Coln zur romischen Colonie.“ In einer Mitteilung der Stadt heißt es: „So baumelt bis heute die skandalumwitterte Kaiserin bei feierlichen Anlassen unterhalb der linken Schulter des Stadtoberhaupts.“ Die Kosten fur die Kette – 29.241,81 DM (inflationsbereinigt heute rund 86900 Euro) – wurden von vermogenden Burgern der Stadt ubernommen. Tragen der Kette Der Oberburgermeister der Stadt Koln tragt die Amtskette nur zu besonderen Anlassen wie etwa bei Besuchen auslandischer Staatsoberhaupter, bei der Verleihung des Ehrenburgerrechts, bei Abschlussen von Stadtepartnerschaften, bei Festakten der Universitat zu Koln, bei Eintragungen in das Goldene Buch der Stadt sowie bei der Fronleichnamsprozession. Am 2. Oktober 1955 trug Oberburgermeister Schwering zur feierlichen Wiedereroffnung des Gurzenich mit prominenten Gasten, darunter Bundeskanzler Konrad Adenauer, Kardinal Frings sowie NRW-Ministerprasident Karl Arnold, erstmals die neue Amtskette. Die Kolner Oberburgermeisterin Henriette Reker, die im Oktober 2015 von einem Attentater mit einem Messer schwer am Hals verletzt worden war, musste anschließend mehrere Monate auf Anraten ihrer Arzte auf das Tragen der schweren Kette verzichten. Beschreibung Die Kette setzt sich aus 23 Schmuckschilden zusammen, die mit Zwischengliedern verbunden sind. Die granulierten Fassungen der Schilde umschließen jeweils eine antike oder eine neuzeitliche Munze. Diese Munzen erzahlen die Geschichte der Stadt von ihrer Grundung in romischer Zeit bis in die zweite Halfte des 20. Jahrhunderts. Die alteste Munze ist ein Regenbogenschusselchen, eine Goldmunze aus vorchristlicher Zeit, die den Ubiern zugeschrieben wird. Die Zwischenglieder tragen erlauternde Inschriften; auf ihren Ruckseiten sind die bisherigen Oberburgermeister und ihre Amtszeiten aufgefuhrt. Das Brustschild besteht aus einer querrechteckigen Goldplatte und dem emaillierten Kolner Stadtwappen. Auf dem Schild befindet sich eine Figurengruppe mit der Anbetung der Heiligen Drei Konige, in Anlehnung an den gotischen Bischofsstab des Kolner Erzbischofs. Am Schild hangen drei in Gold gefasste romische Munzen, dazwischen ein mittelalterlicher vergoldeter Ursulataler. Das Ruckengehange besteht aus einem runden Medaillon, auf dem das kriegszerstorte brennende Koln zu sehen ist, sowie aus einer silbernen Medaille mit dem Portrat von Kaiser Karl VII. Auf dem Medaillon ist zu lesen: „Koln, durch Bomben zersprengt und verbrannt, schien tot / zu neuem Leben ward es erweckt durch Liebe und Kraft seiner Burger.“ Die Kette verkorpere die Stadt Koln und ihre Geschichte, so Oberburgermeisterin Reker anlasslich einer Sonderausstellung zu Elisabeth Treskow in der Domschatzkammer Koln, aber auch die weibliche Seite „unserer Mutterstadt“. Die Kette sei zwar fur Manner gemacht, von Mannern erdacht und von Mannern beauftragt, dank Treskow trage sie jedoch eine weibliche Handschrift. Weitere weibliche Aspekte der Kette befanden sich in den Munzen, die etwa Agrippina die Altere und deren Tochter, Agrippina die Jungere, zeigten, oder im Ursulataler, der auf die Stadtpatronin verweise und damit darauf, dass Frauen bei der Entwicklung Kolns eine entscheidende Rolle innegehabt hatten. Kolner Oberburgermeister mit der Amtskette Literatur Rudiger Joppien: Elisabeth Treskow. Goldschmiedekunst des 20. Jahrhunderts. Museum fur Angewandte Kunst, Koln, 22. Mai bis 22. Juli 1990; Deutsches Goldschmiedehaus, Hanau, 12. August bis 7. Oktober 1990. Hrsg.: Museum fur Angewandte Kunst Koln. Hans Schmitt-Rost: Die Amtskette des Oberburgermeisters der Stadt Koln. 1966. Weblinks Einzelnachweise und Anmerkungen
Die Amtskette des Oberburgermeisters von Koln wird vom jeweiligen Amtsinhaber zu besonderen Anlassen als außeres Zeichen der Reprasentanz getragen. Sie wurde in den 1950er Jahren von der Goldschmiedin Elisabeth Treskow geschaffen.
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c-267
Forevertron – Dr. Evermor Sculpture Park ist ein von Tom Every geschaffenes Kunstwerk in Sumpter im Sauk County im US-amerikanischen Bundesstaat Wisconsin. Der Skulpturenpark Im Zentrum von Tom Everys Skulpturenpark steht das Forevertron, umgeben von weiteren Skulpturen aus Schrott. „Eine erste Begegnung mit dem Forevertron weckt oft Erinnerungen an Welten wie Oz“ oder die Schopfungen von Jules Verne und Rube Goldberg. „Die Statte ist ein virtuelles Museum verschwindender Technologie, der liebevoll neues Leben eingehaucht wurde.“ Das Forevertron verkorpert Everys Bestreben, verschwindende fruhere Technologie und Geschichte mit Kunst zu verbinden, so dass „seine im Wesentlichen uppigen, schwungvollen und geschwungenen Linien an die Asthetik des spaten Viktorianischen Zeitalters erinnern, von den architektonischen Verrucktheiten der Weltausstellung bis hin zum Jugendstil“. Das Guinness-Buch der Rekorde benannte das Forevertron als „großte Schrottskulptur der Welt“. Im Jahr 2000 verlor es den Titel an eine andere Schrottskulptur in North Dakota. Jeff VanderMeer bezeichnete das Forevertron als ultimative Kunstinstallation des Steampunk und Every als „Godfather“ dieser Stilrichtung, bei dem die Grenze zwischen Kunst und Handwerk verwische. = Skulptur Forevertron = Das Forevertron ist eine 15,2 Meter hohe und 36,5 Meter breite Außenskulptur aus recycelten Metallindustrieabfallen aus Eisen, Messing und Edelstahl mit einem geschatzten Gewicht von uber 300 Tonnen. Every gestaltete die Skulptur aus Teilen, die durch Bolzen und Stifte verbunden sind, so dass sie trotz der Große und des Gewichts transportabel ist. Sie besteht aus Materialien, die Every im Zuge seiner Abbruch- und Verschrottungsarbeiten gesammelt hatte. Die meisten Komponenten sind uber funfzig Jahre alt, manche auch uber hundert Jahre. Dazu gehoren unter anderem ausrangierte Stucke aus dem Henry-Ford-Museum, eine Dekontaminationskammer aus dem Apollo-Programm der NASA, zwei originale Dynamos von Thomas Edison aus den 1880er Jahren, Blitzableiter, ein fruhes Rontgengerat, ein alter Kinolautsprecher, Hochspannungsteile aus Kraftwerken der 1920er Jahre, Schrott aus der nahegelegenen alten Munitionsfabrik „Badger Army Ammunition Plant“, ein 2700 Kilogramm schwerer Transformator aus einem alten Kraftwerksdamm in Prairie du Sac, ein Kompressor aus einem Kraftwerk in Sheboygan, Scherenblatter, ein International Truck von 1927, ein alter Krankenwagen, ein ausrangierter Bus und eine Aufzugskabine. Das Kunstwerk stellt eine Maschine zum Verlassen der Erde des fiktiven viktorianischen Wissenschaftlers „Dr. Evermor“ dar. Die Gesamtanordnung ist symmetrisch und wird von einer kupferumwickelten Glaskugel fur den Piloten gekront. Damit die Zuruckbleibenden den Flug genau beobachten konnen, befindet sich am nordlichen Ende ein großes „Himmelsteleskop“, wahrend der sudliche Arm mit einer Wendeltreppe und einem kunstvollen schmiedeeisernen Aussichtspavillon endet. Bestandteile des Forevertrons = Weitere Skulpturen und Bauten = Der Skulpturenpark umfasst skurrile Assemblagen, die riesigen Kafern, kleinen außerirdischen Kreaturen und Dutzenden anmutigen und humorvollen Vogeln ahneln. Sie sind so ausbalanciert, dass sie beim Anstoßen wieder in die aufrechte Position zuruckfedern. Es gibt eine von Every als „The Bird Band Orchestra“ bezeichnete Gruppe aus 46 sechs Meter hohen Vogeln aus Messingbettpfosten, alten Werkzeugen und anderen Beschlagen, Vermessungsmarkierungen, Zapfpistolen und mit eingearbeiteten funktionierenden Gitarren, Waldhornern, Saxophonen und Trompeten. Ihre Federn aus abgeflachten Metallstucken konnen wie Glockenspiele gespielt werden. Auf einer weiteren Wiese stehen Metallvogel mit langen, straußenartigen Halsen und kunstvollen Kronen aus Metallfedern, die Evermor als „Gawker-Vogel“ betitelte. Every schweißte auch sogenannte Teehauser aus Metallschrott als Arbeitsstatten fur angehende Metallbildhauer, die er strategisch gunstig an verschiedenen Stellen im Skulpturenpark verteilte. Der Park enthalt weitere Objekte, wie mehrere Kioske und Unterstande, ein Roscoe-der-Clown-Zirkusauto, einen Popcornstand aus der Jahrhundertwende und den „Epicurean“, ein speziell angefertigtes Fahrzeug mit gestreiftem Baldachin, Schornstein, einem riesigen Blasebalg und einer 1,80 Meter breiten Grillstelle. Skulpturen und Fahrzeuge Tom Every Thomas „Tom“ Owen Every wurde am 20. September 1938 in Madison in Wisconsin geboren. Seine Großeltern waren der aus einer alteingesessenen Familie in England stammende in die USA eingewanderte Edward Every († 1928) und die Lehrerin Adeline Smith. Sie heirateten im August 1902 und ließen sich in Brooklyn in Wisconsin nieder. Sie hatten drei Sohne. Der alteste von ihnen, Edward „Mac“ Malcom (* 1903), der Vater von Tom Every, zeigte schon fruh ein Interesse am Tufteln und Basteln und besuchte das College of Wisconsin in Platteville. Nach zwei Jahren wechselte er an die University of Madison und machte dort seinen Abschluss zum Bauingenieur. Er nahm eine Stelle beim Staat an, wo er schließlich zum Leiter der Ingenieurdienste des Staates Wisconsin aufstieg. 1934 heiratete er Clarice Doane, die bis zur Geburt des Sohnes Tom 1938 als Sekretarin im Buro der Farmers Mutual Insurance Company arbeitete. Tom besuchte die Lowell School bis zur dritten Klasse. Als er ein Kind war, half er wahrend des Zweiten Weltkriegs, wie seine Familie und alle Nachbarn auch, beim Sammeln von Metallschrott und anderer kriegsbedingt notwendigen Materialien. Auch nach dem Krieg behielt er diese Sammelleidenschaft bei. 1942 wurde seine Schwester Barbara geboren. 1946 zog die Familie in das fruhere Haus der Großeltern in der Lincoln Street 102 im landlichen Brooklyn. Mit seinem Vater verbrachte er viel Zeit auf der elterlichen Farm bei Stoughton, wo Rinder und Schweine gezuchtet wurden, lernte reiten und eignete sich Tischlerkenntnisse an. Wahrend seiner Kindheit und Jugend sammelte er weiterhin Dinge, die andere nicht mehr wollten, baute und reparierte Sachen. Tom Every besuchte die High School, war interessiert an Geschichte und Englisch, mochte jedoch den Werkunterricht am meisten, in dem Holzbearbeitung, aber auch technisches Arbeiten angeboten wurde. Spater begann er gebrauchte Mobel aufzukaufen und sie zum Weiterverkauf zu restaurieren und nahm eine Arbeit bei der Evansville Salvage and Wracking Company, einem Bergungs- und Abwrackunternehmen, an. 1958 grundete er sein eigenes Bergungs- und Abbruchunternehmen Eveco International in Stoughton in Wisconsin. Nach dem Militardienst heiratete er Connie Utter aus Stoughton, doch die Ehe wurde nach zwei Jahren geschieden. 1964 heiratete er Eleanor Gryttenholm, die er bereits von der High School kannte und mit der er vier Kinder bekam: Thayer (* 1964), Treasure (* 1967), Tya (* 1968) und Troy (1980–2020). Im Jahr 1972 zog er mit seiner Familie von der Farm seiner Eltern in eine exklusive Wohngegend in Madison in das 1916 gebaute luxuriose Anwesen „Edenfred“ mit weitlaufigem Park und Swimmingpool, das er in den nachsten Jahren reparierte und renovierte. Tom Every uberwachte sein ganzes Berufsleben lang als Abbruchexperte den Abriss von mehr als 350 Industrieanlagen im ganzen Land. Wahrend dieser Zeit sammelte er gleichzeitig weiter Artefakte der Technologie des 19. und fruhen 20. Jahrhunderts: Industriemaschinenteile aus den Fabriken, Brauereien, Kraftwerken und Eisenbahnwaggons, die er demontiert hatte. 1984 ubergab er sein Unternehmen an seinen altesten Sohn, ging in den Ruhestand und begann, ein mehrere Hektar großes Gelande nahe Baraboo, Wisconsin, mit seiner Schrottsammlung zu fullen. Unter dem Alter Ego „Dr. Evermor“ fing Tom Every an, seinen Skulpturenpark, eingebettet in einen Pappelhain am Highway 12, zu errichten. Die Großskulptur Forevertron erbaute er mit Hilfe seiner Sohne und einiger Freunde. Laut Every war Dr. Evermor ein viktorianischer britischer Wissenschaftler und Erfinder aus Eggington in England, der das Forevertron konstruierte, das ihn mithilfe elektromagnetischer Energie in himmlische Spharen transportieren sollte. Viele Jahre lang begrußte Every, oft ausgestattet mit einem Tropenhelm, Besucher als Dr. Evermor. Im Jahr 1997 ließen Every und seine Frau sich scheiden, trennten sich jedoch nicht. Nachdem er sich aus gesundheitlichen Grunden dauerhaft in Madison aufhielt, leitete Eleanor Gryttenholm als „Lady Eleanore Every“ den Skulpturenpark. 1999 wurde die gemeinnutzige Evermor Foundation gegrundet, um die Instandhaltung des Parks zu sichern. Tom Every starb am 30. Marz 2020, nachdem er mehrere Jahre in einer Pflegeeinrichtung gelebt hatte. Ausstellungen Everys Arbeiten waren in der Ausstellung „Sublime Spaces“ und 2007 in „Visionary Worlds: Built Environments of Vernacular Artists“ im John Michael Kohler Arts Center zu sehen. Zwei von Everys Vogelskulpturen befinden sich in der Dauerausstellung des John Michael Kohler Arts Center in Sheboygan in Wisconsin. Einer seiner sechs Meter hohen „Cello-Vogel“ steht im American Visionary Art Museum in Baltimore in Maryland. Literatur Jeff VanderMeer: The Steampunk Bible: An Illustrated Guide to the World of Imaginary Airships, Corsets and Goggles, Mad Scientists, and Strange Literature. Abrams Image 2011, S. 94–97 Tom Kupsh: A Mythic Obsession. The World of Dr. Evermor. Chicago Review Press 2008, ISBN 978-1-5697-6460-2 Leslie Umberger, Erika Doss: Sublime Spaces and Visionary Worlds. Built Environments of Vernacular Artists. Princeton Architectural Press 2007, ISBN 978-1-5689-8728-6, S. 345–358 Hannah Heidi Levy: Famous Wisconsin Artists and Architects. Badger Books 2004, ISBN 978-1-9325-4212-7, S. 183–192 Weblinks Website zum Forevertron Einzelnachweise
Forevertron – Dr. Evermor Sculpture Park ist ein von Tom Every geschaffenes Kunstwerk in Sumpter im Sauk County im US-amerikanischen Bundesstaat Wisconsin.
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c-268
Siegbert Vollmann (geboren 23. August 1882 in Steinbach-Hallenberg, Kreis Schmalkalden, Provinz Hessen-Nassau, Preußen; gestorben 25. Juli 1954 in Bochum) war der erste Vorsitzende der „Judischen Religionsgemeinschaft Bochum“ nach 1945. Biographie Siegbert Vollmann wurde als jungstes von sechs Kindern eines Kaufmanns im damals hessischen Steinbach-Hallenberg, heute Thuringen, geboren. Seine Eltern waren Isidor Vollmann (1841–1913) und Marianne, geborene Reis. Nach dem Besuch der Volksschule machte er eine kaufmannische Lehre. Nach verschiedenen Anstellungen in ganz Deutschland und einer vierjahrigen Zeit als Soldat im Ersten Weltkrieg, in der er militarische Auszeichnungen erhielt, wurde er 1928 in Bochum Abteilungsleiter und Einkaufer im Kaufhaus Alsberg, wo er fur verschiedene Textilabteilungen zustandig war. Er war verheiratet mit Emmy (1886–1978), geborene Heitmann, einer Protestantin, was ab 1935 als sogenannte „Mischehe“ bezeichnet wurde und Vollmann zeitweise minimalen Schutz bot. 1935 erhielt er das Ehrenkreuz des Weltkrieges. Die Eheleute hatten einen Sohn namens Gert (1922–2004). Am 31. Juli 1935 wurde Vollmann auf Veranlassung der NSDAP-Gauleitung Bochum vom Kaufhaus Alsberg entlassen. Im Anschluss grundete er eine Fabrikation von Berufskleidung. Die judischen Eigentumer des Kaufhauses wurden ab 1933 zum Verkauf des Hauses gedrangt. Insgeheim blieb das Kaufhaus bis 1938 jedoch in ihrem Besitz, wurde aber nach dem Bochumer Arzt und Dichter Carl Arnold Kortum (1745–1824) umbenannt. Die Warenhaus-Eigentumer Emma, Martha und Alfred Alsberg wurden nach 1941 in Konzentrationslagern ermordet, drei Kinder uberlebten im Ausland. Nach den Novemberpogromen 1938 wurde Vollmanns Geschaft geschlossen, nachdem zuvor schon Lieferanten sich geweigert hatten, ihn mit Waren zu versorgen. Nur durch Zufall entkam er zunachst SA-Mannern, die ihn in seiner Wohnung verhaften wollten. Daraufhin hielt er sich einige Wochen bei Verwandten in Moers versteckt. Ab Januar 1939 hatte er keine Einkunfte mehr und lebte mit seiner Frau von Ersparnissen. Die Familie musste ihre bisherige Wohnung in der Alsenstraße nach einer widerrechtlichen Kundigung verlassen. Zum 1. Juli 1939 mussten die Vollmanns in das „Judenhaus“ Frommsche Villa in der Horst-Wessel-Str. 56 (heute Kanalstraße) ziehen, spater in ein anderes in der Rottstraße 9. Bemuhungen, in die USA auszuwandern, scheiterten. Der Sohn Gert konnte 1939 mit einem Kindertransport von Else Hirsch in die Niederlande ausreisen; er traf seine Eltern erst nach zehn Jahren wieder. 1942 wurde Vollmann verhaftet. Auf Veranlassung der Gestapo wurde er in Tiefbaufirmen zwangsweise als Hilfsarbeiter eingesetzt und musste korperlich schwer arbeiten, was seine Gesundheit stark schadigte. Von 1943 bis 1944 wurde er in einem Arbeitslager in Kamen gefangen gehalten, 1944 drei Monate lang in einem Lager in Oestrich. In Kamen etwa musste der uber 60-jahrige fur das Iserlohner Bauunternehmen Eduard Niclas bis zum 29. September 1944 als Gleisarbeiter arbeiten. Ende September 1944 wurde er mit weiteren Mannern nach Thuringen transportiert. Wahrend die meisten Gefangenen nach einem Zwischenaufenthalt in einem Lager bei Halle nach Theresienstadt deportiert wurden, kam Vollmann in ein Internierungslager in Berlin. Drei Monate nach Kriegsende kehrte er zuruck nach Bochum, schwer erkrankt und arbeitsunfahig. Im Dezember 1945 grundeten nach Bochum zuruckgekehrte Juden die „Judische Religionsgemeinschaft Bochum“, und der schwerkranke Siegbert Vollmann ubernahm den Vorsitz. Die ersten Aktivitaten der Gemeinde ließen sich auf der Basis seines schriftlichen Nachlasses rekonstruieren. Danach wurde es als eine vordringliche Aufgabe angesehen, die Graber auf den beiden judischen Friedhofen der Stadt wiederherzustellen. Vollmann selbst kummerte sich um Wiedergutmachungsangelegenheiten, hielt den Kontakt zu uberlebenden Bochumer Juden in aller Welt, ubernahm Behordengange und verhandelte uber Nachlasspflegschaften. Immer wieder musste er Bescheinigungen ausstellen, die ein Deportationsdatum aus Bochum in den Jahren 1942/43 „mit unbekanntem Ziel“ vermerkten. Vor 1933 hatten uber 1000 Juden in Bochum gelebt: im Februar 1946 waren es 33, Ende 1946 waren es 55. Ein Gedenkbuch der Shoah-Opfer listet die Namen von uber 500 ermordeten judischen Menschen aus Bochum auf. Vollmann, der zunehmend langere Zeiten bettlagerig war, lenkte die Arbeit fur die Gemeinde mit Unterstutzung seiner christlichen Ehefrau Emmy von seiner Wohnung aus. In einem Brief aus dem Jahr 1949 stellte Vollmann resigniert fest: „[…] Der Antisemitismus sitzt noch tief im Volke und in unserer judischen Zeitung kann man von ihm und den vielen Graberschandungen reichlich genug lesen. Die jungeren Menschen, die hier noch leben, hatten gut getan auszuwandern, statt Familien zu grunden. […]“ 1950 prophezeite er in einem Brief in die USA: „[…] Es wird naturlich immer eine starke Rechtsstromung geben und auch der Antisemitismus wird in Deutschland nicht aussterben, selbst wenn keine Juden mehr in Deutschland sind […].“ Siegbert Vollmann starb am 25. Juli 1954 im Alter von 71 Jahren an einem Herzinfarkt. Er wurde auf dem Judischen Friedhof Bochum bestattet. Auch seine Frau Emmy, die 1978 an den Folgen einer Operation starb, liegt dort beerdigt. Ihr Sohn Gert konnte die Bestattung seiner christlichen Mutter entgegen den Traditionen dort durchsetzen, da sein Vater sich das gewunscht hatte. Gert Vollmann hatte 1945 in den Niederlanden geheiratet, wo er 2004 starb. Gemeinsam mit seiner Frau fuhrte er von 1942 bis 1982 in Zaandam die Drogerie und Parfumerie Maria Barbara. Die Eheleute bekamen drei Kinder. Sie sind in Zaandam bestattet. Die Enkelin Annelies Vollmann publizierte 2022 das Buch Sterren in de tijd mit Dokumenten und Bildern ihrer Familie. Literatur Hubert Schneider: Die Entjudung des Wohnraums – Judenhauser in Bochum. Die Geschichte der Gebaude und ihrer Bewohner. LIT Verlag Munster, Berlin 2010, ISBN 978-3-643-10828-9. Hubert Schneider: Leben nach dem Uberleben: Juden in Bochum nach 1945. LIT Verlag Munster, 2014, ISBN 978-3-643-12796-9 (google.co.uk [abgerufen am 8. April 2025]). Hubert Schneider: Christliche und judische Partner aus sogenannten „Mischehen“ und deren Kinder werden in Arbeitslager deportiert. In: Erinnern fur die Zukunft. Mitteilungsblatt des Bochumer Burgervereins. Nr. 19, September 2015 (kortumgesellschaft.de [PDF]). Annelies Voll: Sterren in de tijd. 2 Bande. 2022 (niederlandisch). Henry Wahlig: „Wunden aller Art“. Die judische Gemeinde Bochum 1945/46 im Spiegel der ersten Gemeindegrundungen nach dem Holocaust. In: Zeitpunkte. Nr. 20, 2007 (kortumgesellschaft.de [PDF]). Einzelnachweise
Siegbert Vollmann (geboren 23. August 1882 in Steinbach-Hallenberg, Kreis Schmalkalden, Provinz Hessen-Nassau, Preußen; gestorben 25. Juli 1954 in Bochum) war der erste Vorsitzende der „Judischen Religionsgemeinschaft Bochum“ nach 1945.
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c-269
Die Unterhaltung, auch Unterhaltung oder Die Conversation (franzosisch La conversation chez la modiste), ist ein um 1882 entstandenes Werk des franzosischen Malers Edgar Degas. Das in Pastell auf Pappe ausgefuhrte Bild hat eine Hohe von 65 cm und eine Breite von 86 cm. Es zeigt die momenthafte Darstellung von drei Frauen in einem Hutgeschaft, die, anders als der Bildtitel vorgibt, nicht bei einer Unterhaltung, sondern schweigend nebeneinander portratiert wurden. Das Bild gehort seit 1896 zur Sammlung der Nationalgalerie in Berlin und ist damit das erste Bild des Kunstlers, das in ein deutsches Museum gelangte. Beschreibung Museumsdirektor Hugo von Tschudi charakterisierte das Bild nach dem Ankauf fur die Nationalgalerie wie folgt: „Zwei junge Madchen liegen mit dem Oberkorper uber einen teppichbedeckten Tisch. Sie sind in Straßentoilette. Alles druckt die Abspannung des Wartens aus. Eine dritte weibliche Figur lehnt uber eine Fensterbrustung.“ Kenntnisreich erganzte er, dass die Kleidung der Mode vom Anfang der 1880er Jahre entsprach. Trotz dieser Beschreibung bleiben sowohl die raumliche Situation wie das Bildgeschehen undeutlich. Spater beschrieb der Kunsthistoriker Claude Keisch die Bildkomposition mit ihrer asymmetrischen Konstruktion als „sperrig“. Sein Kollege Josef Kern sah hierin „eine durch die Kenntnis japanischer Kunst beeinflusste Komposition mit angeschnittenen Figuren“. Das Bild zeigt einen Innenraum mit drei „eher sinnierenden Damen, von denen man eigentlich nur Hute und Kleider wahrnimmt“, wie die Kuratorin Angelika Wesenberg feststellte. Der Blick geht in Schragsicht auf einen breiten Tisch, der diagonal von der rechten unteren Ecke bis in die Bildmitte ragt. Darauf liegt ein bunter Teppich mit einem verschwommenen Muster aus Linien und Ornamenten. Uber den Tisch beugen sich von rechts und links „ungeniert“ zwei Frauen. Beide haben die Arme angewinkelt. Die vorn von links ins Bild ragende Frau stutzt sich mit beiden Unterarmen auf dem Tisch. Ihr von einem ausladenden Hut vollstandig verdeckter Kopf ist nach unten gerichtet, sodass unklar ist, ob sie vor sich etwas ins Auge gefasst hat. Die andere Frau, die sich hinter ihr von rechts „befremdlich“ uber den Tisch gebeugt hat, ist die einzige Person im Raum, deren Gesicht teilweise zu erkennen ist. Es erscheint im Profil, wird jedoch von der Krempe ihres roten Hutes zum Teil verdeckt. Auffallend ist das blasse, nahezu weiße Inkarnat. Die junge Frau hat die rechte Hand zum Kinn gefuhrt und darauf den Kopf abgelegt, der linke Unterarm liegt stutzend auf dem Tisch. Sie blickt vor sich, moglicherweise auf ein von der linken Hand gehaltenes blaues Papier, bei dem es sich um einen Brief handeln konnte. Die dritte Frau wird im Gegenlicht von hinten dargestellt. Sie hat sich von den beiden anderen Frauen abgewandt und blickt aus dem Fenster der Ruckwand. Wie von Tschudi beschrieben, sind die drei Frauen in modische Straßenkleidung gehullt. Die Kleider mit ihren langen Armen, der betonten Taille und der ausgestellten Gesaßpartie kennzeichnen sie als modische Stadterinnen. Wichtige Accessoires sind zudem die langen geknopften Handschuhe und die haubenartigen Hute mit ihren Verzierungen. Die auf den ersten Blick sparsame Farbpalette des Bildes weist bei genauer Betrachtung eine große Vielzahl von Farbnuancen auf. Neben den vorherrschenden Braun- und Ockertonen der Kleider, der gelben Wandfarbe, den blaugrunen Fenstervorhangen und dem blauen Papierstuck finden sich weitere Farbvarianten vor allem im Teppich, aber auch im Hut der mittleren Frau. Da das Gesicht hell erleuchtet ist, aber nur wenig Licht durch das Fenster der Ruckwand fallt, muss der Raum durch eine weitere Lichtquelle außerhalb des Bildes erhellt werden. Bekannt ist, dass Degas verschiedene Techniken kombinierte. So nutzte er neben Pastellkreide auch Gouache- oder Temperafarben und arbeitete dabei teilweise in mehreren Schichten ubereinander. In seinem Bild Die Unterhaltung ist deutlich erkennbar, wie er Pinsel und Kreide abwechselnd einsetzte. Bereits Hugo von Tschudi hatte 1896 festgestellt, dass der Bildtitel „nicht ohne ironischen Beigeschmack“ sei. Eine Auffassung, der sich der Autor Claude Keisch mehr als 100 Jahre spater anschloss. Auch er sah „das befremdliche Versagen aller Kommunikation“, bei einem Werk, das als Die Unterhaltung betitelt ist. Das Pastell ist unten rechts mit „Degas“ signiert, aber nicht datiert. Hutgeschafte im Werk von Degas Degas hatte sich – anders als die Mehrheit seiner impressionistischen Malerfreunde – weniger der Landschaftsmalerei zugewandt, sondern schuf seit den 1870er Jahren vor allem Darstellungen des stadtischen Lebens. Hierzu gehorten beispielsweise Motive beim Pferderennen, Szenen aus der Oper und vom Ballet, Bildnisse von Wascherinnen und Buglerinnen sowie eine Reihe von Werken, die Frauen in Hutgeschaften zeigen. Neben Arbeiten in Ol auf Leinwand nutzte er dabei verstarkt auch Pastelltechniken, um „charakteristische Augenblicke und Haltungen“ und „die feinsten malerischen Effekte“ zu skizzieren. Bereits der franzosische Titel La conversation chez la modiste gibt einen direkten Hinweis auf ein Hutgeschaft als Ort des Bildgeschehens. Degas schuf um 1882 eine Reihe von Werken, in denen er Frauen im Geschaft einer Modistin zeigte. Zwar fehlen im Pastell Die Unterhaltung die auf Standern ausgestellten Hutmodelle, die in weiteren Bildern dieser Gruppe den deutlichen Hinweis auf einen Hutmacherladen geben, aber die eleganten Damen mit ihren aufgesetzten Huten sowie die Schilderung der raumlichen Situation gleichen den anderen Arbeiten dieser Zeit. Zu dieser Reihe gehort das zwischen 1879 und 1886 in Olfarben gemalte Bild Chez la modiste (Art Institute of Chicago), in dem die ausgestellten Hutmodelle auf einem Tisch den wesentlichen Ortshinweis geben. In diesem Gemalde halt eine aufrecht sitzende Frau mit prufendem Blick ein Hutmodell in den Handen. Im Hintergrund ist ein Fenster zu sehen, das sich in ahnlicher Weise auch im Bild Die Unterhaltung findet. Das um 1885 entstandene Pastellbild Chez la modiste (Privatsammlung) ist vermutlich eine dazugehorende Skizze. Es zeigt die Kundin im Geschaft ebenfalls bei der Begutachtung eines Hutes. Sie hat jedoch eine sehr viel lassigere Haltung eingenommen und lehnt sich mit dem Ellbogen abstutzend seitlich nach hinten auf den Tisch. Noch komplexer ist die Haltung der Frau in La modiste (Metropolitan Museum of Art, New York), ein Pastellbild, das ebenfalls um 1882 entstanden ist. Sie scheint bei der Betrachtung eines Hutmodelles auf einer Stange in Gedanken versunken zu sein und hat dabei ihren Kopf bis fast auf den Tisch geneigt. Sehr viel formaler wirken hingegen die beiden jungen Frauen im Pastellbild Chez la modiste (Museo Thyssen-Bornemisza, Madrid) von 1882, die aufrecht sitzend bei den Hutanprobe gezeigt werden. All diese Werke verbindet Degas’ Blick auf das „kunstliche Paradies der modernen Modewelt“. Das Thema der Konversation, insbesondere der zwischen Frauen, griff Degas seit 1870 wiederholt in seinen Arbeiten auf. Haufig sind es Damen in modischer Kleidung, die er in unterschiedlichsten Situationen beim Gesprach darstellte. Mit einem besonderen Sinn fur Ironie betitelte er jedoch auch einige Bilder als Conversation, in denen das Gesprach – meist zwischen Mann und Frau – entweder vorubergehend oder gar vollstandig beendet war. Beispielsweise zeigt Degas im 1895 entstandenen Bild La causerie (deutsch: Plauderei) (Yale University Art Gallery, New Haven) einen Mann und eine Frau, die sich wie die Frauen im Bild Die Unterhaltung uber einen Tisch beugen, ohne dabei Blicke auszutauschen oder ein Gesprach zu fuhren. Diese schweigende Nahe kann dabei auch als „eine Geste der Vertrautheit und Zuneigung“ gesehen werden. Bei den Frauen in Die Unterhaltung scheint es der Moment eines stillen Tete-a-Tetes mit Freundinnen beim Hutmacher zu sein, wie die Autorin Jane Munro bemerkte. Provenienz Degas verkaufte das Bild im April 1885 an den Kunsthandler Paul Durand-Ruel. Anschließend erwarb es der Kunstschriftsteller Theodore Duret. Er ließ seine Sammlung mit Gemalden und japanischen Objekten des Kunsthandwerks am 19. April 1894 in der Pariser Galerie von Georges Petit versteigern, darunter auch Die Unterhaltung von Degas. Der Kunstler war hieruber sehr verargert, da er Duret bis dahin als Freund ansah und nicht verstand, dass dieser das Werk ohne finanzielle Not veraußert hatte. Kaufer des Pastellbildes war erneut Durand-Ruel. Dieser verkaufte das Bild an Hugo von Tschudi, den neuen Direktor der Berliner Nationalgalerie, der 1896 zusammen mit dem Maler Max Liebermann nach Paris gekommen war, um zeitgenossische franzosische Kunstwerke fur das Museum auszusuchen. Vor Ort wurde zunachst das Gemalde Im Wintergarten von Edouard Manet erworben. Nachdem das Bild in Berlin eintraf, fragte Tschudi bei Durand-Ruel nach weiteren Werken von Kunstlern wie Claude Monet und Edgar Degas, die je um 5000 Franc kosten sollten. Der Handler bot verschiedene Werke an, die jedoch nicht von Tschudi selbst, sondern von einem namentlich nicht bekannten Freund ausgesucht wurden. Tschudi erwarb schließlich am 6. November 1896 Monets Gemalde Ansicht von Vetheuil und Degas’ Bild Die Unterhaltung fur zusammen 14.500 Franc. Den Kaufpreis fur Die Unterhaltung, im Katalog der Nationalgalerie angegeben mit 7000 Mark, finanzierte der Unternehmer Oscar Huldschinsky. Das zunachst Die Conversation genannte Pastell und Manets Im Wintergarten waren jeweils die ersten Arbeiten der Kunstler, die in ein deutsches Museum gelangten. Diesen Umstand griff der franzosische Journalist Gustave Geffroy in seinem 1897 erschienenen Artikel De Paris a Berlin auf und kritisierte zugleich die franzosische Kulturverwaltung, die solche Ankaufe neuerer Kunst versaumte. Geffroy betitelte das Werk als Femme causant (sinngemaß Sich unterhaltende Frauen) und lobte, es sei „von einer gedampften, seltenen Pracht“. Tschudi war mit seiner Ankaufspolitik fur die Nationalgalerie ein „Vorreiter“, dem andere deutsche Museen erst mit einigem Abstand folgten. So erwarb die Kunsthalle Bremen 1904 von Degas eine Tanzerin, 1912 kaufte das Stadel-Museum in Frankfurt am Main das Gemalde Die Orchestermusiker. Als Ludwig Justi, Tschudis Nachfolger als Museumsdirektor, Ende der 1920er Jahre versuchte Werke von Vincent van Gogh fur die Nationalgalerie zu erwerben, stand Degas’ Bild Die Unterhaltung zeitweise als Tauschobjekt zur Diskussion, da fur derartige Ankaufe die notwendigen Finanzmittel fehlten. In einem Brief vom 2. April 1929 an den Pariser Kunsthandler Paul Rosenberg nahm Justi dieses Angebot jedoch wieder zuruck und erklarte, dass Tschudis Ankauf des Degas-Werkes „zu den Ruhmestaten der Galerie gehorte“. Nach der Auslagerung der Bestande der Nationalgalerie im Zweiten Weltkrieg und deren Teilung in der Nachkriegszeit gehorte Die Unterhaltung zum Bestand der Nationalgalerie auf der Museumsinsel im Ostteil der Stadt. Nach der Wiedervereinigung der Museumsbestande ist das Bild am selben Ort Teil der Dauerausstellung der Bestande des 19. Jahrhunderts der Nationalgalerie, in der es mit der Inventarnummer A 1 552 verzeichnet ist. Rezeption Kurz nach der ersten offentlichen Prasentation des Bildes in der Berliner Nationalgalerie schrieb der Kunsthistoriker Woldemar von Seidlitz in der Zeitschrift Pan uber die Neuerwerbung. Das Werk sei „kunstlerisch … ein vortreffliches, ernstes Bild“, bereite jedoch „dem Verstandnis nicht geringe Schwierigkeiten“. Er unterstrich die Reduktion der Farben auf das seinerzeit „beliebte Havanna-Braun“. Zugleich bemangelte er: „Aber das Gegenstandliche spricht gar nicht mit, hat dem Beschauer nichts zu sagen.“ Abschließend stellte er fest: „Die paar Damen, die sich auf den Tisch gebeugt rekeln … konnten eben so gut durch Kleiderpakete oder andere unbelebte Gegenstande ersetzt sein“. Der Kunstkritiker Karl Scheffler urteilte 1912, das „Gelegenheitswerk“ Konversation sei „unklar in der Situation“ und wurde nur Reize ausuben, aber keinen „bleibenden Eindruck“ hervorbringen. 1963 wurdigte Vera-Maria Ruthenberg, Leiterin der Nationalgalerie in Ost-Berlin, das Werk als „charakteristisch fur die Kunst von Edgar Degas“. Die Kuratorin Angelika Wesenberg lobte Die Unterhaltung mehrere Jahrzehnte spater als „ein Meisterstuck“ der „fluchtigen Alltagspoesie“. Literatur Anne Distel: Les collectionneurs des impressionistes: amateurs et marchands. La Bibliotheque des Arts, Paris 1989, ISBN 2-85047-042-2. Gustave Geffroy: La Vie artistique, Bd. 5, Dentu, Paris 1897. Dorothee Hansen (Hrsg.): Geburtstagsgaste - Monet bis van Gogh. Wienand, Koln und Kunsthalle Bremen 2023, ISBN 978-3-86832-760-1. Johann Georg Prinz von Hohenzollern, Peter-Klaus Schuster (Hrsg.): Manet bis van Gogh, Hugo von Tschudi und der Kampf um die Moderne. Ausstellungskatalog Nationalgalerie Berlin und Neue Pinakothek, Munchen 1996, ISBN 3-7913-1748-2. Simon Kelly, Esther Bell, Susan Hiner, Francoise Tetart-Vittu: Degas, Impressionism, and the Paris Millinery Trade. Ausstellungskatalog Fine Arts Museums of San Francisco, Legion of Honor, Delmonico Books und Prestel, Munchen, London, New York 2017, ISBN 3-7913-5621-6. Josef Kern: Impressionismus im wilhelminischen Deutschland, Studien zur Kunst- und Kulturgeschichte des Kaiserreichs. Konigshausen und Neumann, Wurzburg 1989, ISBN 3-88479-434-5. Konigliche Museen zu Berlin (Hrsg.): Ausstellung der neuen Erwerbungen, Dezember 1896. Mittler, Berlin 1896. Jane Munro: Degas - A passion for perfection. Yale University Press, New Haven und London 2017, ISBN 978-0-300-22823-6. Nationalgalerie Berlin: Inventarbuch AI Malerei. Nachweiszeitraum der Zugange 1861–1911 (Lfd.-Nr. A I 1/1861 – A I 1142/1911). Barbara Paul: Hugo von Tschudi und die moderne franzosische Kunst im Deutschen Kaiserreich. Von Zabern, Mainz 2001, ISBN 3-8053-1416-7. Vera-Maria Ruthenberg: Nationalgalerie. Seemann, Leipzig 1963. Karl Scheffler: Die Nationalgalerie zu Berlin, ein kritischer Fuhrer. Cassirer, Berlin 1912. Ines Sonder: Mazene der franzosischen Moderne. In Anna-Dorothea Ludewig, Julius H. Schoeps, Ines Sonder (Hrsg.): Aufbruch in die Moderne. Sammler, Mazene und Kunsthandler in Berlin 1880–1933. DuMont, Koln 2012, S. 120–135, ISBN 978-3-8321-9428-4. Woldemar von Seidlitz: Degas. In Pan, F. Fontane, Berlin 1897, Heft I. Angelika Wesenberg: Frankreich in der Nationalgalerie: Courbet, Manet, Cezanne, Renoir, Rodin. Ausstellungskatalog, Nationalgalerie Berlin, Berlin 2007, ISBN 978-3-88609-585-8. Angelika Wesenberg (Hrsg.): Malkunst im 19. Jahrhundert: die Sammlung der Nationalgalerie. Bd. 1, A–K, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2017, ISBN 978-3-7319-0458-8. Weblinks zum Gemalde Die Unterhaltung auf der Website der Staatlichen Museen zu Berlin Einzelnachweise
Die Unterhaltung, auch Unterhaltung oder Die Conversation (franzosisch La conversation chez la modiste), ist ein um 1882 entstandenes Werk des franzosischen Malers Edgar Degas. Das in Pastell auf Pappe ausgefuhrte Bild hat eine Hohe von 65 cm und eine Breite von 86 cm. Es zeigt die momenthafte Darstellung von drei Frauen in einem Hutgeschaft, die, anders als der Bildtitel vorgibt, nicht bei einer Unterhaltung, sondern schweigend nebeneinander portratiert wurden. Das Bild gehort seit 1896 zur Sammlung der Nationalgalerie in Berlin und ist damit das erste Bild des Kunstlers, das in ein deutsches Museum gelangte.
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Der Tunnel de Pissotte ist ein in Nord-Sud-Richtung bergmannisch getriebener Tunnel in der Gemeinde von Pissotte im franzosischen Departement Vendee. Er wurde 1997 mit Maschendraht verschlossen, nachdem viele Jahre zuvor der Bahnverkehr eingestellt und die Strecke entwidmet worden war, um den Schutz der hier lebenden Fledermause sicherzustellen. Der Tunnel ist am 28. Februar 2001 zum Natura-2000-Schutzgebiet erklart und in das seit August 1998 bestehende Habitat Foret de Mervent-Vouvant et ses abords integriert worden. Lage Der 632 m lange Tunnel de Pissotte war der einzige auf der 41 km langen, eingleisigen Bahnstrecke Breuil-Barret–Velluire. Auf etwa 75 m uber Meereshohe wird hier im Foret Domaniale de Mervent-Vouvant (deutsch Wald von Vouvant) ein Hohenzug gequert, der an der Oberflache aus glanzendem, serizitischem, fast senkrecht stehendem Grunschiefer besteht und mit Quarz durchzogen ist. Es handelt sich um „die letzte (oberste) Schicht des Kambriums in der franzosischen Naturregion Vendee“, einer Hochebene, die bis zu 120 Hohenmeter erreicht. Das sudliche Tunnelportal liegt auf 65 m, das nordliche auf 73,4 m uber dem Meer. Der Zustand des Bauwerks wird mit „Gut“ bewertet. Geschichte Schon seit 1955 fand hier kein regelmaßiger Guterverkehr mehr statt und der Personentransport war spatestens seit 1946 eingestellt worden, doch benutzte das Militar den Stollen gelegentlich bei Manovern, was durch liegengebliebene Ubungsgranaten festgestellt wurde. Der Tunnel war zudem eine beliebte, illegale Partylocation mit offenen Feuerstellen und Mullablagerungen. Trotz Sicherungsmaßnahmen drangen bis 2004 auch weiterhin Personen in den Tunnel ein, indem sie den Zaun zerstorten. Spater wurde ein massives Stahlgitter montiert. Die fur den Bau und Betrieb des Tunnels erforderlichen Grundstucke wurden 1884 vom Staat erworben und nach Grundung der SNCF 1938 an diese uberschrieben. Mit Protokoll vom 25. Mai 1963 ging dieses Gelande an die Domanenverwaltung, die fur die Landschaftspflege des Foret Domaine de Mervent-Vouvant – damals noch Foret Domaine de Vouvant – verantwortlich ist. Ein Kaufvertrag uber die Gelande der Eisenbahnstrecke, den Tunnel und die angrenzenden Grundstucke kam vier Jahre spater, am 16. Mai 1967, zustande. So wurde die Gemeinde Eigentumerin der Flache, nicht aber des Waldes uber dem Tunnel. Lebensraum Seit 1984 fuhren Naturforscher der Ligue pour la Protection des Oiseaux (LPO) aus dem Vendee wissenschaftliche Uberwachungen der Tierpopulationen am Tunnel und dem benachbarten Steinbruch Saint-Michel-le-Cloucq durch. Dazu zahlt in erster Linie eine Bestandsaufnahme der Arten und der Entwicklung der Populationen an diesen beiden Standorten. Dank dieser Arbeit konnten die Hohlen von Saint-Michel-le-Cloucq und Pissotte, die ebenfalls Lebensraum der Fledermause sind, in die Liste der vorrangig zu schutzenden Gebiete in Frankreich aufgenommen werden. Neben den Hohlen und dem Tunnel sind in der Region Vendee keine weiteren Uberwinterungsquartiere fur Fledermause bekannt. Alle Fledermausarten unterliegen der nationalen Artenschutzliste gem. Gesetz 76-629 vom 17. April 1981, Richtlinie 92/43/EWG (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) CEE 92/43 (Anhang 2 und 4) sowie der Berner Konvention vom 19. September 1979 (Anhang 2). Dies sind: Einzelnachweise
Der Tunnel de Pissotte ist ein in Nord-Sud-Richtung bergmannisch getriebener Tunnel in der Gemeinde von Pissotte im franzosischen Departement Vendee. Er wurde 1997 mit Maschendraht verschlossen, nachdem viele Jahre zuvor der Bahnverkehr eingestellt und die Strecke entwidmet worden war, um den Schutz der hier lebenden Fledermause sicherzustellen. Der Tunnel ist am 28. Februar 2001 zum Natura-2000-Schutzgebiet erklart und in das seit August 1998 bestehende Habitat Foret de Mervent-Vouvant et ses abords integriert worden.
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Der Exerzierplatz in Pirmasens wurde unter Landgraf Ludwig IX. von Hessen-Darmstadt im Norden der Innenstadt angelegt. Geschichte Der Platz entstand im 18. Jahrhundert, als Landgraf Ludwig IX. (1719–1790) Pirmasens zur Garnison ausbauen ließ, als Aufmarschplatz fur dessen Soldaten; damals war er dreimal so groß wie heute. In den Jahren 1878 und 1879 wurde auf der Westseite des Platzes die Exerzierplatzschule errichtet; seit dem Wiederaufbau nach den Zerstorungen im Zweiten Weltkrieg ist die Schule das Neue Rathaus. Ab den 1880er Jahren wurde der Platz im Norden und Suden teilweise bebaut. Statt von der Ringstraße wurde er fortan nordlich und sudlich von der Exerzierplatzstraße begrenzt. Der verbleibende Platz wurde zum von Kastanien umstandenen Schmuckplatz. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde der Exerzierplatz wieder als Aufmarschplatz benutzt. Wahrend der Luftangriffe auf Pirmasens in den Jahren 1944 und 1945 war das Einzugsgebiet des Platzes mehreren Bombardierungen ausgesetzt, sodass die Mehrzahl seiner umliegenden Gebaude zerstort wurde. Nach dem Krieg fand auf dem Platz der Wochenmarkt statt, vor allem aber war er Parkplatz. Oberburgermeister Karl Rheinwalt regte 1989 eine Neugestaltung des Platzes an, da der Parkplatz durch eine Tiefgarage mit 600 Stellplatzen unter dem Platz ersetzt werden sollte. Der Bau der Tiefgarage begann im Jahr 1990. Weil der Investor, ein schwabisches Unternehmen, aus Kostengrunden auf eine Sprinkleranlage verzichtete, ergab sich ein 18 Meter durchmessendes Loch inmitten des Platzes fur die notwendige Entrauchung. Die Platzgestaltung der Oberflache hatte das Loch zu berucksichtigen. Die Tiefgarage kostete 23 Millionen Mark, die der Investor uber die Parkgebuhren finanzieren wollte. In einem Architektenwettbewerb fur die Neugestaltung setzte sich 1990 Rob Krier durch. Nach der Fertigstellung der Tiefgarage im Jahr 1992 entschieden sich Oberburgermeister und Stadtrat fur die Ausfuhrung des drittplatzierten Entwurfs von Paolo Portoghesi im Stil der Postmoderne. Die auf den Petersplatz und das Kapitol bezugnehmende Platzgestaltung des romischen Architekten wurde zum Erbauungszeitpunkt kontrovers diskutiert. Kritisiert wurden insbesondere die hohen Kosten von 15 Millionen Mark, die zu drei Vierteln vom Land Rheinland-Pfalz ubernommen wurden. Als Material wurden weißer Marmor aus Italien, schwarzer Basalt aus Vietnam und Betonfertigteile aus Belgien verwendet. Die Umgestaltung war 1995 abgeschlossen, die offizielle Einweihung wurde am 16. September des Jahres mit einem Fest gefeiert. Nutzung Auf dem Platz finden regelmaßig Stadtfeste sowie dienstags, donnerstags und samstags der Wochenmarkt statt. Verkehr Der Exerzierplatz ist der Mittelpunkt im offentlichen Nahverkehr der Stadt. Sowohl die von 1905 bis 1943 verkehrende Straßenbahn Pirmasens als auch der von 1941 bis 1967 bestehende Oberleitungsbus Pirmasens fuhrten uber ihn. Das Busliniennetz der Stadtwerke Pirmasens Verkehr hat seinen Mittelpunkt am Rand des Exerzierplatzes an der sudlichen Exerzierplatzstraße. Weblinks Einzelnachweise
Der Exerzierplatz in Pirmasens wurde unter Landgraf Ludwig IX. von Hessen-Darmstadt im Norden der Innenstadt angelegt.
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c-272
Irmgard Huber (* 9. Juli 1901 in Attel-Reisach; † 4. Dezember 1974 in Wasserburg am Inn) war eine deutsche Krankenpflegerin, die sich wegen Anstiftung zum Mord, begangen in der Totungsanstalt Hadamar, in zwei Prozessen verantworten musste. Sie war religios, galt als fleißig und war kein Mitglied der NSDAP. Werdegang Huber stammte aus einer Familie in einfachen Verhaltnissen mit insgesamt acht Kindern. Nach dem Schulabschluss arbeitete sie zunachst in der elterlichen Landwirtschaft. Von 1920 bis 1929 war sie als Schwester an der Heilanstalt Gabersee (heute Inn-Salzach-Klinikum) tatig, wo sie 1925 die staatliche Schwesternprufung ablegte. 1930 arbeitete sie im katholischen Schwesternhaus Berlin-Wilmersdorf und 1931 im Kreiskrankenhaus Marienruhe bei Hammelburg. Es folgte 1932 eine kurze private Pflegeanstellung in Storkow (Mark), bevor sie im Marz 1932 bei der Landesheilanstalt Hadamar angestellt wurde. Sie galt als fromm und sehr fleißig. Vor ihrer Tatigkeit in Hadamar hatte sie der 1927 gegrundeten Berliner katholischen Schwesternschaft Aquinata angehort. Sie galt als politisch uninteressiert, war nie in der NSDAP, sondern nur bei der Deutschen Arbeitsfront und der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt Mitglied. Zeit in Hadamar = Anfangszeit = Mit dem 1934 nach Hadamar gekommenen Verwaltungsangestellten und Familienvater Alfons Klein ging sie eine Liebesbeziehung ein und unterstutzte ihn finanziell. Dieser stieg zum Verwaltungsleiter der Anstalt auf und heiratete 1940 nach seiner Scheidung nicht Huber, sondern eine andere Frau. Wahrend dieser Zeit wurde die Lage der Patienten durch die Sparpolitik der Nationalsozialisten immer schlimmer, so dass sie in der außeren Erscheinung dem nationalsozialistischen Zerrbild von verblodeten, unsauberen, fast animalischen Psychiatrieinsassen nahekamen. 1939 wurden die Kranken verlegt, die Heilanstalt wurde aufgelost und fur ein Jahr als Wehrmachtslazarett verwendet. 1940 wurde Hadamar dann zu einer Mordanstalt mit Gaskammer und Krematorium umgebaut und es kam zusatzliches Personal, rekrutiert von der Berliner Krankenmordzentrale T4, hinzu. Irmgard Huber und weiteres Stammpersonal wurden vom zustandigen Anstaltsdezernenten des Bezirksverbandes Nassau Fritz Bernotat zur T4-Aktion abgestellt und unter Strafandrohung zu strengster Geheimhaltung verpflichtet, ohne dass der Zweck der Aktion dem Personal offengelegt wurde. Huber war zu dieser Zeit mit der Leitung der Waschkuche betraut und wollte erst spat von den Vorgangen erfahren haben, mit denen sie „nicht in Beruhrung kam“. Im August 1941 wurden die zentral verfugten Morde gestoppt. Das Personal wurde teilweise zu einem Osteinsatz verlegt, an dem Huber wahrscheinlich nicht teilnahm, sondern in Hadamar blieb. = Rolle bei den dezentralen Krankenmorden = Ab August 1942 begannen in Hadamar die dezentralen Krankenmorde mit Medikamenten, denen bis zum Kriegsende mehr als 4000 Menschen zum Opfer fielen. Das Anstaltspersonal hatte vom nassauischen Dezernenten Fritz Bernotat in Abstimmung mit T4-Verantwortlichen den Auftrag dazu erhalten. Schwester Huber wurde mit den Aufgaben einer Oberschwester betraut. Sie wurde trotz ihrer geringeren Erfahrung und fehlender Parteizugehorigkeit einer anderen Schwester vorgezogen, weil ihre Gewissenhaftigkeit und ihre Bindung an den Verwaltungschef Klein wahrscheinlich eine reibungslosere Durchfuhrung seiner Anordnungen versprach (formelle Ernennung erfolgte erst im Juli 1944). Bei taglichen Konferenzen unter dem Anstaltsarzt Adolf Wahlmann mit dem Oberpfleger Heinrich Ruoff und Oberschwester Huber wurde entschieden, wer ermordet werden sollte. Die Krankenpflegerinnen und Schwestern der Frauenabteilung erhielten von Huber dann einen Zettel mit Namen. Die Patientinnen wurden vom Personal im „Todesgang“ isoliert und nachts mit Veronal, ersatzweise auch Luminal, getotet. Dabei kam es laut Zeugenaussagen zu herzzerreißenden Szenen. = Strafverfolgung = Zunachst fand keine Strafverfolgung statt, da das Reichsjustizministerium im April 1941 auf der Schlegelberger-Konferenz die Generalstaatsanwalte und Oberlandesgerichtsprasidenten uber das Krankenmordprogramm informiert und mundlich angewiesen hatte, Strafanzeigen entgegen dem Legalitatsprinzip unbearbeitet dem Reichsjustizministerium vorzulegen. Am 26. Marz 1945 wurde Hadamar von amerikanischen Truppen befreit und deren Ermittlungen ergaben, dass neben Behinderten ab Juni 1944 auch mehr als 400 tuberkulosekranke Zwangsarbeiter russischer und polnischer Nationalitat ermordet worden waren. Im Hadamar-Prozess vor einem amerikanischen Militartribunal in Wiesbaden nach der US-Staff-Direktive 1023/10 wurde Huber wegen des Kriegsverbrechens der Beihilfe zur Ermordung von 476 alliierten Staatsangehorigen zu 25 Jahren Haftstrafe verurteilt. Verhandelt worden war gegen sechs Manner und Huber als einziger Frau, denen vorgeworfen wurde, durchorganisiert und vorsatzlich eine Mordfabrik (murder factory) mit einer fließbandmaßigen Totung (production line of death) betrieben zu haben. Sieben weitere Schwestern waren zwar festgenommen worden und hatten teilweise die Totung deutscher Patienten zugegeben, was aber keinen Verstoß gegen das Kriegsvolkerrecht darstellt. Das hessische Justizministerium drang daraufhin auf die Strafverfolgung auch dieser Morde und so kam es im Jahr 1947 zu einem weiteren Prozess zum Komplex der Hadamar-Morde, diesmal vor einem deutschen Gericht in Frankfurt am Main. Huber wurde in diesem Verfahren wegen der Beteiligung an Morden zu acht Jahren Haft verurteilt. Dem angeklagten Pflegepersonal wurde darin vom Gericht eine gewisse Milde zugestanden, weil menschliche Schwache, Gehorsamsgewohnheit gegenuber Arzteschaft und Staatsfuhrung sowie die verwirrende NS-Propaganda berucksichtigt wurden. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main bestatigte 1948 das Strafmaß fur Huber im Revisionsverfahren, beurteilte aber ihre Rolle als Anstiftung zum Mord. Die Gefangnisstrafe verbußte Huber bis zu ihrer endgultigen Begnadigung 1953 in Bruchsal, Schwabisch Hall, Landsberg am Lech und Kassel. = Aspekte zum Schuldspruch = Keine Pflegerin konnte so viele Entlastungszeugen aufweisen wie sie. Diese sagten aus, dass ihr die Morde an Kindern sehr nahegegangen seien und Huber vereinzelte Versuche zur Erleichterung der hoffnungslosen Lage der Opfer unternommen habe. Sie beschaffte heimlich Lebensmittel, versuchte angeblich moglichst viele Patienten bei der Selektion fur arbeitsfahig zu erklaren und unterstutzte heimlich sowohl den katholischen wie den evangelischen Ortsseelsorger, wahrend die Verwaltung deren Besuche in der Anstalt verhindern wollte. Huber suchte auch Zuflucht hinter der Einrichtung eines geregelten Verfahrens. Als sie feststellte, dass Stationsschwestern vorschriftswidrig Zugang zu großen Mengen an Veronal und Luminal hatten, erreichte sie, dass diese Medikamente in die Anstaltsapotheke genommen und „ordnungsgemaß ausgegeben wurden“. Huber berief sich nicht, wie andere Schwestern es taten, auf den Befehlsgehorsam. Sie hatte wahrend der zweiten Mordphase nachweislich erfolglos versucht, aus Hadamar wegzukommen, weil sie sich von den dortigen Vorgangen und ihrer schwierigen Beziehung zum Anstaltsleiter losen wollte. Trost und Zuspruch zum Verbleib erhielt sie nach eigenen Aussagen vom Gemeindepfarrer („… ich sollte bleiben und mich nach Moglichkeit fur die Kranken einsetzen, bei einer anderen Oberschwester konnte es weit schlimmer werden.“). Ihre personliche Schuld versuchte sie dadurch zu relativieren, dass sie die Durchfuhrung der Totung als eigentliches Verbrechen ansah, mit dem sie nichts zu tun hatte. Ihr war zwar einerseits bewusst „man darf nicht toten, da hat man keine ruhige Nacht zum Schlafen“, sie fand aber Entschuldigungsgrunde fur sich im schlechten Zustand der Opfer, einer sorgfaltigen Selektion der Todeskandidaten durch den Anstaltsarzt und in teilweise zustimmender Haltung von Angehorigen der Patienten zur sogenannten Euthanasie. Bei der Einschatzung von Hubers Motiven und Verbrechensbeitragen muss berucksichtigt werden, dass die zugrunde liegenden Aussagen aller Tatverdachtigen zu Schuldbewusstsein, Umgang mit Patienten und Personal moglicherweise mehr der Verteidigungsstrategie als der Realitat entsprachen. Laut dem damaligen Ministerialrat Adolf Arndt, der sich nach dem Krieg besonders fur die Strafverfolgung der Krankenmorde in Hessen einsetzte, war die „Atomisierung“ des Tatgeschehens in kleinste Einzeltaten eine Besonderheit der nationalsozialistischen Gewaltverbrechen und ließ die Verantwortlichkeit des Einzelnen hinter die Tatbeitrage anderer zurucktreten. Literatur Mary Lagerwey: The Nursing Ethics at Hadamar. In: Qualitative Health Research, 1999, Nr. 9, S. 759–772. Anders Otte Stensager: „Die Leute schrien:, Ich will nicht sterben “: Oberschwester Irmgard Huber. In: Wolfgang Proske (Hrsg.): Tater Helfer Trittbrettfahrer. NS-Belastete aus Oberbayern (Sud). 1. Auflage. Band 18. Kugelberg Verlag, Gerstetten 2024, ISBN 978-3-945893-26-5, S. 200–206. Antje Wettlaufer: Die Beteiligung von Schwestern und Pflegern an den Morden in Hadamar. In: Psychiatrie im Faschismus: die Anstalt Hadamar 1933–1945. Hrsg.: Dorothea Roer und Dieter Henkel, Mabuse-Verlag, 1996, ISBN 3-929106-20-5, S. 283–330. Weblinks Deadly Medicine: Irmgard Huber auf United States Holocaust Memorial Museum Die Verbrechen des Todesengels – Nazi-Krankenschwester der Totungsanstalt Hadamar – Irmgard Huber auf YouTube (Laufzeit: 16:33 min). Einzelnachweise
Irmgard Huber (* 9. Juli 1901 in Attel-Reisach; † 4. Dezember 1974 in Wasserburg am Inn) war eine deutsche Krankenpflegerin, die sich wegen Anstiftung zum Mord, begangen in der Totungsanstalt Hadamar, in zwei Prozessen verantworten musste. Sie war religios, galt als fleißig und war kein Mitglied der NSDAP.
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c-273
Die Bauernkriegssaule vor der Kornmarktkirche in Muhlhausen in Thuringen ist ein Denkmal, das im Jahr 2025 aus Anlass des 500. Jahrestages des Deutschen Bauernkrieges errichtet wurde. Die Saule wurde im Jahr 1525 von Albrecht Durer entworfen. Geschichte Durer hatte selbst direkte Beruhrungspunkte zum Bauernkrieg und zum Umfeld des Bauernfuhrers Thomas Muntzer. Beispielsweise gehorte sein Schuler Georg Pencz, der 1532 sein Nachfolger als Stadtmaler in Nurnberg wurde, im Herbst 1524 zum konspirativen Kreis um den Reformtheologen. Durer entwarf im Jahr 1525 die Saule fur seine Underweysung der messung, mit dem zirckel un[d] richtscheyt in Linien ebnen unnd gantzen corporen. Dazu schrieb Durer: (Wer eine Siegessaule aufrichten will fur den Sieg uber die aufruhrerischen Bauern, sollte sich folgender Elemente bedienen: … [eines rechteckigen Steins, der auf einer rechteckigen Platte steht. In den Ecken liegen gebunden Kuhe, Schafe und Schweine. Auf dem oberen Stein stehen auf den vier Ecken Korbe mit Kase, Butter, Eier, Zwiebeln und Krautern. Darauf setze einen Haferkasten mit Schloss und Deckel. Darauf sturze einen Kessel; auf dessen Boden sich ein Kasenapf befindet. Den decke mit einem Teller zu und stelle ein Butterfass darauf. Mitten darauf setze einen Milchkrug, darin stehen vier Holzgabeln, darum binde man eine Garbe und hange daran bauerliches Werkzeug wie Schaufeln, Hacken, Mistgabeln, Dreschflegel und dergleichen. Obendrauf setze man einen Huhnerkorb, sturze darauf einen Schmalztopf und setze einen Bauern darauf, der von einem Schwert durchstochen ist.]) Beschreibung und Ausfuhrung der Saule Die Idee zur Errichtung dieses Denkmals entstand 2019 aus der Muhlhauser Burgerschaft und wurde maßgeblich vom Freundeskreis Muhlhauser Museen und dem Rotary Club Muhlhausen vorangetrieben. Noch im selben Jahr ermoglichten die Einnahmen eines Benefizkonzerts des Thuringer Bach Collegiums die Erstellung eines ersten Modells. Im April 2022 wurde das Projekt Ein Durer fur Muhlhausen vorgestellt. Das Denkmal aus Bronze nach Durers „Bauersaule“, gefertigt von dem Bildhauer Timm Kregel, wurde dann in Muhlhausen anlasslich der Thuringer Landesausstellung freiheyt 1525 – 500 Jahre Bauernkrieg am 5. April 2025 enthullt. Den Guss besorgte die Kunstgießerei Altglienicke in Berlin. Die etwa 7 Meter hohe Saule steht auf einem Sockel aus drei ubereinandergestellten Pyramidenstumpfen. Von dem von Durer entworfenen Denkmal wurde nur der Teil vom Teller bis zum Bauern verwirklicht. Allerdings wurde Durers Inschrift Anno Domini 1525 auf dem obersten Sockelstumpf angebracht. Die Gesamtkosten der Bauernkriegssaule beliefen sich auf 250.000 EUR. Etwa die Halfte davon kam aus Spenden zusammen. Einen Betrag von 100.000 EUR steuerte die Stadt Muhlhausen bei. Den Restbetrag von 25.000 EUR gab Lotto Thuringen dazu. Das vor der Verwirklichung erstellte ca. einen Meter hohe Modell der Bauernkriegssaule kann im Muhlhauser Bauernkriegsmuseum hinter der Saule in der Kornmarktkirche besichtigt werden. Aus Anlass des 1200-jahrigen Dorfjubilaums der Gemeinde Nußdorf in Rheinland-Pfalz, dem Ausgangspunkt des Pfalzischen Bauernkrieges, fertigte bereits 2002 der Kunstler Peter Brauchle eine Bronzefigur des „trauretten Bauren“. Im Jahr 2015 gab es in der Gemeinde Weingarten in Baden-Wurttemberg Planungen fur eine Durer-Saule, die aber nicht ausgefuhrt wurden. Literatur Wilhelm Franger: Durers Gedachtnissaule fur den Bauernkrieg. In: Beitrage zur sprachlichen Volksuberlieferung. Akademie, Berlin 1953, S. 126–140. Albrecht Durer 1471–1971. Germanisches Nationalmuseum, Nurnberg 1971, S. 222. Hans-Ernst Mittig: Durers Bauernsaule ein Monument des Widerspruchs. Fischer, Frankfurt a. M. 1984. Peter Blickle: Der Bauernkrieg: die Revolution des Gemeinen Mannes. Beck, Munchen 2002. Werner Greiling, Thomas T. Muller, Uwe Schirmer (Hrsg.): Reformation und Bauernkrieg. Vandenhoeck & Ruprecht, Gottingen 2019, S. 292. Weblinks Video: Durer-Saule zum Bauernkrieg in Muhlhausen eingeweiht. 5. April 2025; abgerufen am 30. April 2025. Video: Bauerndenkmal in Muhlhausen aufgestellt. 1. April 2025; abgerufen am 30. April 2025. Neuigkeiten Feierliche Enthullung der Bauernkriegssaule nach Planen Albrecht Durers in Muhlhausen. 5. April 2004; abgerufen am 30. April 2025. Denkmal zum Bauernkrieg auf Basis von Durer-Entwurf enthullt. 5. April 2025; abgerufen am 30. April 2025. Albrecht Durer und der Deutsche Bauernkrieg. 28. Marz 2025; abgerufen am 30. April 2025. Teileguss fur Muhlhauser Bauernkriegsdenkmal. 13. Februar 2025; abgerufen am 30. April 2025. Timo Lechner: Ehrung oder Spott: An der Durer-Saule scheiden sich die Geister. 5. Juli 2024; abgerufen am 30. April 2025. Einzelnachweise
Die Bauernkriegssaule vor der Kornmarktkirche in Muhlhausen in Thuringen ist ein Denkmal, das im Jahr 2025 aus Anlass des 500. Jahrestages des Deutschen Bauernkrieges errichtet wurde. Die Saule wurde im Jahr 1525 von Albrecht Durer entworfen.
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Der Oberreintalturm ist ein 2014 m hoher Berg im Wettersteingebirge in den Ostalpen und liegt in Bayern. Die Grenze zu Tirol ist nur wenige Kilometer entfernt. Lage und Beschreibung Der Oberreintalturm ist ein Gipfel im Wettersteingebirge. Er befindet sich nordlich der Oberreintalkopfe, die wiederum nordlich des Oberreintalschrofens. Diese sind durch einen Grat miteinander verbunden. Westlich des Oberreintalturms befinden sich die Zunderkopfe, vor allem der Nordliche Zunderkopf ist vom Oberreintalturm gut zu sehen. Ostlich liegen die Schusselkarturme, von diesen ist der Oberreintalturm durch das Scharnitzkar getrennt. Zugang und Erschließung Der am haufigsten begangene Zustieg startet im Talort Garmisch-Partenkirchen. Uber diesen kann der Berg nur durch eine ca. 5-stundige Wanderung erreicht werden. Diese fuhrt durch die Partnachklamm und dann an der Partnach entlang durch das Reintal. Von diesem gelangt man in das Oberreintal. Es gibt auch eine Moglichkeit, von Leutasch aufzusteigen, dies bedingt aber einen Ubergang uber den Hauptkamm des Wettersteins und wird deshalb eher selten gemacht. Da alle Anstiege lang sind, wird der Zugang meist mit einer Ubernachtung in der Oberreintalhutte kombiniert. Von dieser ist der Zugang zum Oberreintalturm in weniger als einer Stunde zu bewaltigen. Das erste Mal wurde der Oberreintalturm uber seine Nordkante und den darunter befindlichen Kamin von Anton Schmid und Anselm Barth begangen. Der Kamin heißt jetzt Schmid-Barth-Kamin mit einem Schwierigkeitsgrad UIAA 3. Geologie und Naturschutz Der Oberreintalturm als Teil des Wettersteingebirges besteht aus Muschelkalk, Wettersteinkalk und Hauptdolomit, die durch tangentiale Krafte mit meridionaler Druckwirkung aufgefaltet wurden. Diese wurden glazial stark zerschnitten, daher pragen Risse, Klufte und Wande das Gebiet. Das Oberreintal und damit auch der Oberreintalturm sind Teil eines Naturschutzgebietes. Am Fuß des Gipfels dominiert Fichtenwald mit Zirbe und Bergahorn. Alpinismus Der Oberreintalturm ist ein beliebter Kletterberg, die Ostwand, der Ostwandsockel, die Nordwand, die Nordwestwand, die Westwand und der Westwandsockel verfugen uber Klettertouren. Einige der alten Klassiker werden bereits seit Jahren nicht mehr begangen und sind zum Teil vergessen, wie z. B. die Nordwand (UIAA 5, 500 m), erstbegangen von C. Lischer und H. Schneider 1923. Große Klassiker, die auch heute noch haufig begangen werden: Fahrradlkante (UIAA 5-, 290 m), fruher Sudwestkante, erstbegangen von E. Solleder und G. Hausmann 1920. Brych (UIAA 6+, 310 m) wurde fruher Direkte Westwand genannt, erstbegangen von M. Brych und W. Fischer 1946. Moderne Routen in mittleren und oberen Schwierigkeitsgraden sind: Kalte Nummer (UIAA 6-, 340 m), erstbegangen am 11. September 1982 durch Wolfgang Henke, Franz Parzefall und Charly Wherle Himbeertoni (UIAA 8+, 260 m), eingerichtet durch Christian Pflanzelt und Thomas Hock, erste Rotpunktbegehung am 4. August 2007 Fahrradlkante am Oberreintalturm Die Fahrradlkante hieß vor 1965 Sudwestkante, dann wurde in der Mitte der Wand 150 m uber dem Kar ein beschadigtes Fahrrad angebracht. Es ist in der 6. Seillange direkt uber der Schlusselstelle der Tour. Seither wird sie nur noch Fahrradlkante genannt. Aus einer Laune heraus wollte der damalige Huttenwirt der Oberreintalhutte Sepp Dengg im Oberreintalrund ein Radrennen veranstalten, deshalb wurde ein Fahrrad ins Tal gebracht. Ein Proberennen am nachsten Morgen auf dem steinigen Boden fand bereits nach kurzer Zeit sein Ende an einem Felsblock, der das Vorderrad massiv verformte. Zwei Wochen spater trugen Gunter Hell, Franz Parzefall, Hans Bader und Hubert Hillmaier das Rad zum Oberreintalturm und zogen es bis in die 6. Seillange der Sudwestkante. Dort wurde es oberhalb des ausgesetzten Quergangs befestigt und da hangt es noch heute, inzwischen allerdings stark verrostet. Jede Seilschaft quert unter dem Fahrrad – und macht wohl ein Foto der inzwischen beruhmten Stelle. Spater wurde noch am Beginn der Kletterroute ein Straßenschild fur Fahrradwege angebracht. Bilder vom Oberreintalturm Literatur und Karten Stephan Beulke: Wetterstein. Ein Fuhrer fur Taler, Hutten und Berge (= Alpenvereinsfuhrer. Reihe: Nordliche Kalkalpen.). Verfasst nach den Richtlinien der UIAA. 4., unveranderte Auflage. Bergverlag Rother, Munchen 1996, ISBN 3-7633-1119-X. Alpenvereinskarte: 4/3 Wetterstein und Mieminger Gebirge, Ostliches Blatt (1:25.000). 2005 Charly Wherle: Wande, Grate, Dome: Kletterwelt Oberreintal. 1. Auflage. Panico-Alpinverlag, Kongen 1997, ISBN 978-3-926807-56-4. Rolf Gemza, Martin Oswald, Christian Pfanzelt: Wetterstein-Kletterfuhrer. Nord: Wetterstein Nord: Meilerhutte, Oberreintal, Reintal, Alpspitze, Waxensteinkamm / Rolf Gemza, Martin Oswald, Christian Pfanzelt (= Kletterfuhrer Alpin). 5. Auflage. Panico Alpinverlag, Kongen 2021, ISBN 978-3-95611-146-4. Einzelnachweise
Der Oberreintalturm ist ein 2014 m hoher Berg im Wettersteingebirge in den Ostalpen und liegt in Bayern. Die Grenze zu Tirol ist nur wenige Kilometer entfernt.
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Als Gebaudebruter werden Vogelarten bezeichnet, die in, an oder auf Gebauden ein Nest bauen oder dort eine passende Flache nutzen, um Eier zu legen, zu bruten und ihre Jungen großzuziehen. Manche Arten nutzen die Nistplatze auch außerhalb der Brutzeit, etwa als Schlafplatz und Fluchtort. Bis auf die Haustaube (Columba livia f. domestica) zahlen von den Gebaudebrutern alle europaischen Arten zu den „besonders geschutzten“ oder sogar „streng geschutzten“ Vogeln. Stadtische Gebaudebruter bereichern die Biodiversitat von urbanen Flachen und tragen zum Wohlbefinden der Menschen bei. Fledermause sind keine Gebaudebruter im Wortsinne, aber ebenfalls streng geschutzte Gebaudebewohner. Unterschiedlichste Arten Zu den Gebaudebrutern gehoren sehr unterschiedliche Vogelarten. Viele sind – wie der Star (Sturnus vulgaris) – biologisch Hohlenbruter oder gelten – wie der Hausrotschwanz (Phoenicurus ochruros) – als Nischenbruter. Sie nutzen die Hohlraume und Nischen von Gebauden. Austernfischer (Haematopus australegus) und Heringsmowe (Larus fuscus) sind ursprunglich Freibruter beziehungsweise Bodenbruter. Beide Arten und auch andere Seevogel nutzen zur Brut zunehmend die Flachdacher im urbanen Raum. Der Weißstorch (Ciconia ciconia), ursprunglich ein Baumbruter, ist insofern ein Gebaudebruter, als er etwa alte Schornsteine oder Minarette von Moscheen zum Nestbau nutzt. Greifvogel wie der Turmfalke (Falco tinnunculus), aber auch die Dohle (Corvus monedula) und die Haustaube (Columba livia f. domestica; hervorgegangen aus der Felsentaube) haben ihren ursprunglichen Lebensraum, felsige Regionen, vielfach verlassen und besiedeln ebenfalls stadtische Gebaude oder auch technische Bauwerke. Sie bruten in den Innenraumen oder Nischen von zum Beispiel Kirchen, Wasserturmen und auf beziehungsweise in Schornsteinen. Manche Arten leben schon seit Jahrhunderten mit Menschen unter einem Dach, etwa die Mehlschwalbe (Delichon urbicum, Syn.: Delichon urbica) und die Rauchschwalbe (Hirundo rustica), andere haben erst vor wenigen Jahrzehnten passende Nistplatze in der Stadt entdeckt. Dazu zahlen einheimische Vogelarten wie der Buntspecht (Dendrocopos major, Syn.: Picoides major), aber auch eingefuhrte Arten (Neozoen) wie der Halsbandsittich (Psittacula kameri). Typische Gebaudebruter sind: Alpensegler, Bachstelze, Dohle, Felsenschwalbe, (Fledermause), Grauschnapper, Haussperling, Hausrotschwanz, Mauersegler, Mehlschwalbe, Rauchschwalbe, Blaumeise und Kohlmeise, Schleiereule, Star, Steinkauz, Turmfalke, Wanderfalke, Weißstorch. Diese Liste wachst, etwa durch die Belegung von Flachdachern mit Kies oder mit Pflanzendecke. Auch Neozoen erweitern die Artenzahl unter den Gebaudebrutern. Vogelarten, die in Stadten oder kleineren Ortschaften leben und Wohngebaude, Turme, Fabriken, Brucken oder Industrieanlagen fur die Brut nutzen, sind Kulturfolger. Sie haben in anthropogener Nachbarschaft einen stabilen Fortpflanzungserfolg. Attraktivitat von Gebauden Insbesondere fur Hohlen- und Nischenbruter ist das Angebot an naturlichen Brutplatzen heutzutage begrenzt, da der Bestand an alten Baumen in Forsten und Park- und Grunanlagen abgenommen hat. Nicht alle Vogelarten, die etwa Baumhohlen zum Bruten nutzen, konnen diese – wie die Spechte – selbst anlegen. Fehlen Baumhohlen, kommen den Vogeln unterschiedliche Offnungen im Dach wie auch Nischen, Balkone, Terrassen und Schornsteine gelegen. Gerade auf dem Land ist zudem das Nahrungsangebot durch Monokulturen und Pestizide knapp geworden. Es fehlt den Vogeln an Samereien, Insekten, kleinen Nagetieren usw. In Stadten ist der Trend umgekehrt. Zu den Push-Faktoren, die Vogel vom Land in urbane Gegenden treiben, kommen Pull-Faktoren, durch die es zahlreiche Vogelarten in die Stadt zieht und dort halt: Gebaude bieten Ausweichquartiere, und stadtisches Grun (Garten, Friedhofe usw.) ist oft reich an samenbildenden Pflanzen, Spinnen und Insekten. Viele Vogelarten profitieren zudem von Nahrung aus Menschenhand. Weitere Vorteile sind ein Schutz vor Wind und Niederschlagen und ein meist geringer Pradatorendruck. Fuchse konnen zum Beispiel den Bruten von Mowen auf ausgedehnten Flachdachern in der Regel nichts anhaben. Fur manche Singvogel ist insbesondere das große Angebot an Nistkasten in der Stadt verlockend. Risiken fur stadtische Gebaudebruter Die moderne Architektur von Gebauden mindert durch Glasfassaden, Stahlflachen und Abdichtung die Nistmoglichkeiten fur Gebaudebruter. Weil zudem Altbauten mit strukturreichen Fassaden durch Abriss oder Renovierung verschwinden, gehen jahrelang genutzte Nistplatze verloren. Das gilt im Fall der Dohle auch dann, wenn Schornsteine plotzlich abgerissen oder verschlossen werden. Durch klimafreundliche Gebaudesanierung verlieren Vogel oft abrupt ihre Lebensgrundlage. In diesem Zusammenhang wird auch von einer okologischen Falle (ecological trap) gesprochen: Zunachst in die Stadt gelockt, verlieren Gebaudebruter durch Neubauten mit innovativen Baumaterialien, durch unterschiedliche Sanierungsmaßnahmen und durch Abriss von Altbauten ihre Brut- und Wohnstatten. Ein weiteres Problem entsteht Stadtvogeln durch die Bebauung von Brachen und naturnahen Grunflachen – die sogenannte Verdichtung –, weil den Gebaudebrutern damit die Nahrung (Samereien, Insekten, Kleinsauger usw.) entzogen wird. Tierschutz bei Fassadenrenovierung Gebaudebruter sind in der Regel standorttreu und kehren zum Bruten an Nistplatze aus dem Vorjahr bzw. an die eigene „Geburts“statte zuruck. Bei einer Fassadenrenovierung oder anderen Umbaumaßnahmen mussen diese Vogel daher geschutzt werden. Zu den wichtigen Maßnahmen zahlen Ausweichquartiere am Gebaude oder in der Nahe, die bereits vor Beginn von Bauarbeiten eingerichtet werden. Wahrend ein Großteil der Gebaudebruter seine Brutplatze und Zufluchtsorte verliert, wenn etwa aus Klimaschutzgrunden Fassaden renoviert werden, macht sich ein anderer Teil die Dammungstechnik zunutze. Buntspechte durchbrechen hammernd die harte Oberflache der Dammplatten und belegen Hohlraume dahinter. Weil sie mehr Locher bohren, als sie nutzen, schaffen sie Brutplatze fur andere Arten, etwa Dohlen und Stare. Hausbesitzer bzw. Bauherren mussen Gebaudebruter tolerieren und durfen brutende Vogel laut Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG §44 (1)) weder einmauern noch vertreiben. Das heißt auch: Durch Staubnetze oder Baugeruste darf den Vogeln der Zugang zu ihren Nist- oder Schlafplatzen nicht genommen werden. Auch wenn die Tiere jahreszeitlich bedingt nicht anwesend sind, durfen ihre Unterschlupfmoglichkeiten nicht entfernt, beschadigt oder zerstort werden. Klare Vorgaben zum Schutz von Gebaudebrutern gibt es daruber hinaus auf regionaler Ebene. Naturschutzorganisationen wie der NABU Berlin orientieren sich daran und machen sie publik. Das ermoglicht Kartierungen und Online-Datenbanken von Nestern an Gebauden durch engagierte Naturschutzer und eine vogelfreundliche Planung bei Sanierungsmaßnahmen. Erprobte Schutzmaßnahmen Um Vogel bei Umbauten aller Art zu schutzen und um zusatzliche Brutmoglichkeiten zu schaffen, werden unter anderem kunstliche Nisthilfen angeboten. Dazu zahlen Nistkasten an der Hauswand (Mauersegler, Haussperling usw.) und innerhalb von Gebauden (Turmfalke, Dohlen usw.). Wie gut sie sich bewahren, wurde mehrfach untersucht. Auch den traditionellen Gebaudebrutern wie Mehl- und Rauchschwalbe mangelt es oft an Nistgelegenheiten, da moderne Bauernhauser einschließlich ihrer Scheunen und Stallungen heute weniger Brutmoglichkeiten bieten und unter Umstanden nicht zuganglich sind. Nicht nur Schwalben, auch Mauersegler nutzen passend angebrachte Kunstnester. Schornsteine beziehungsweise Kamine sind bei Dohlen als Brutplatz begehrt. Weil aber das Nistmaterial den Rauchabzug verhindert, werden sie heute aus gesundheitlichen Grunden verschlossen. In Wien hat man Scheinkamine neben die echten, verschlossenen gesetzt. Sie wurden von den Dohlen angenommen. Einzelnachweise
Als Gebaudebruter werden Vogelarten bezeichnet, die in, an oder auf Gebauden ein Nest bauen oder dort eine passende Flache nutzen, um Eier zu legen, zu bruten und ihre Jungen großzuziehen. Manche Arten nutzen die Nistplatze auch außerhalb der Brutzeit, etwa als Schlafplatz und Fluchtort. Bis auf die Haustaube (Columba livia f. domestica) zahlen von den Gebaudebrutern alle europaischen Arten zu den „besonders geschutzten“ oder sogar „streng geschutzten“ Vogeln. Stadtische Gebaudebruter bereichern die Biodiversitat von urbanen Flachen und tragen zum Wohlbefinden der Menschen bei. Fledermause sind keine Gebaudebruter im Wortsinne, aber ebenfalls streng geschutzte Gebaudebewohner.
{ "url": "https://de.wikipedia.org/wiki/Gebäudebrüter" }
c-276
Die Burg Montrond in der Gemeinde Saint-Amand-Montrond im Departement Cher, Region Centre-Val de Loire, war eine Burg des 13. Jahrhunderts, erbaut fur Renaud de Montfaucon. Erste Spuren einer Befestigung konnten auf um das Jahr 1225 datiert werden. Mittelalter Ursprunglich eine einfache Hohenburg auf dem Mont Rond (daher der Name), einer kleinen Anhohe, die die Flusse Cher und Marmande trennt und um 40 Meter uberragt und an deren Fuß sich die Stadt Saint-Amand sous Montrond entwickelte, wurde sie 1361 im Hundertjahrigen Krieg von den Englandern eingenommen. Im darauffolgenden Jahrhundert wurde sie von Charles II. d’Albret wieder aufgebaut. Damals bestand die Burg aus zwolf Turmen und einem 40 Meter hohen Donjon mit einem Durchmesser von 16 Metern. Das 16. Jahrhundert und die Fronde Maximilien de Bethune, duc de Sully erwarb die Ruine im Jahr 1606. Er unternahm eine umfassende Renovierung, die sie zur starksten Festung des Berry machte, indem er unter anderem Graben in den Felsen selbst aushob. Gleichzeitig wurde der Corps de Logis entsprechend den damaligen Gepflogenheiten komfortabler gestaltet. 1621 verkaufte Sully die Burg und die Herrschaft an Henri II. de Bourbon-Conde, den Vater des „Großen Conde“. Letzterer, der noch prasumtiver Erbe der franzosischen Krone war, verbrachte seine Jugend in der Burg. Spater, zwischen 1636 und 1646, ließ er unter der Leitung von Jean Sarrazin Bauarbeiten durchfuhren, um die Burg zu einer uneinnehmbaren Festung zu machen. Der Architekt errichtete ein umfangreiches System von Befestigungsanlagen, Redouten, Ravelins und einer Klappbrucke – die Vorlaufer dessen, was Sebastien Le Prestre de Vauban spater zur Vollendung bringen sollte. Nach Abschluss der Arbeiten verfugte die Burg uber ein dreifaches System konzentrischer Bastionen, die noch immer den mittelalterlichen Donjon umgaben. Wahrend der Fronde erlebte die neue Festung ihre Feuertaufe. Im Oktober 1651 traf Marschall Palluau an der Spitze von 4000 Soldaten ein, um die Festung zu besetzen. Montrond leistete Widerstand. Im Juli 1652 begannen die Belagerten unter Hunger zu leiden. Am 1. September 1652, nach elf Monaten Belagerung, zogen die zwanzig Uberlebenden, vom Hunger besiegt, in Ehren ab. Kardinal Mazarin ordnete die sofortige Schleifung der Festung an, die jedoch aufgrund des Mangels an Schießpulver nicht erfolgreich durchgefuhrt werden konnte: Lediglich der Großteil der Bastionen wurde vermint und die Zugange zu den unterirdischen Gangen gesprengt. Danach wurde die Burg um 1735 aufgegeben. Bei der Burg Montrond handelt sich um die letzte franzosische Festung, die wahrend eines Burgerkriegs des Ancien Regime belagert wurde. Ab dem 18. Jahrhundert Zwei Generationen spater war Mademoiselle de Charolais (1676–1753) die Besitzerin der Burg. Da sie die ubermaßigen Kosten fur den Unterhalt nicht mehr aufbringen wollte, ordnete sie 1736 ihre Zerstorung an und gab sie als Steinbruch fur die Einwohner von Saint-Amand-Montrond frei. Daher findet man in den Straßen von Saint-Amand haufig kunstvoll gearbeitete Steine, die in die heutigen Mauern eingelassen sind; das bemerkenswerteste Relikt ist eine monumentale Kaminumrandung, die in ein Fenster umgewandelt wurde und vor Ort bekannt ist. Nach einigen weiteren Eigentumsubertragungen wurde die Burg oder das, was davon ubrig geblieben war, wahrend der Revolution als Nationalgut verkauft. Die letzten Uberreste wurden 1827 abgetragen und die Ruinen verschwanden 1834 unter einer offentlichen Promenade. Seit 1969 werden vor Ort aktiv Ausgrabungen durchgefuhrt, um letztlich eine Vorstellung davon zu bekommen, wie die Burg auf dem Gipfel des Hugels einst aussah. Zwischen 1977 und 1980 wurde die Basis des Donjons freigelegt, ein zylindrischer Turm mit einem Durchmesser von 16 Metern und einer Mauerwerksdicke von mehr als 4 Metern an der Basis. Aufgrund der moderneren Bauten am Fuße des Hugels konnen jedoch viele der komplizierteren Befestigungsanlagen nicht mehr freigelegt werden. 1988 wurde Burg Montrond als Monument historique klassifiziert. Literatur Nicolas Faucherre: La fin du chateau fort, Dossiers d’archeologie, Nr. 404, Marz/April 2021, S. 71 Weblinks Ancienne forteresse de Montrond (Base Merimee des franzosischen Kulturministeriums)
Die Burg Montrond in der Gemeinde Saint-Amand-Montrond im Departement Cher, Region Centre-Val de Loire, war eine Burg des 13. Jahrhunderts, erbaut fur Renaud de Montfaucon. Erste Spuren einer Befestigung konnten auf um das Jahr 1225 datiert werden.
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c-277
Der Sunrise Badal (auch: SAIL Badal) ist ein dreiradriger Kleinstwagen des ehemaligen indischen Automobilherstellers Sunrise, der von 1975 bis 1981 in geringer Stuckzahl gefertigt wurde. Er gehort zu den ersten in Indien entwickelten Personenwagen fur private Kunden. Entstehungsgeschichte Der Sunrise Badal geht konzeptionell auf den dreiradrigen Kleinstwagen Aruna zuruck, den der in Bengaluru (Bangalore) ansassige indische Industrielle C. Arunachalam konstruiert und 1972 als Prototyp offentlich vorgestellt hatte. Der als Einzelstuck gebaute Wagen hatte eine vierturige Fließheckkarosserie aus Stahl und einen Zweitaktmotor zwischen den Hinterradern. Der Versuch, den Aruna in Serie zu produzieren, scheiterte an den hohen Investitionen, die fur die Fertigung der Stahlkarosserie erforderlich gewesen waren. Nach der Prasentation des Aruna ging Arunachalam eine Verbindung mit dem Unternehmer Ridh Karan Sipani ein, der Teilhaber des 1974 in Bengaluru gegrundeten Unternehmens Sunrise Automotive Industries Ltd. wurde, das zeitweise auch als SAIL firmierte. Vereinzelt wird berichtet, der britische Automobilhersteller Reliant habe die Grundung finanziell und logistisch unterstutzt. Sipanis Einfluss fuhrte zu einigen Anderungen an Arunachalams Entwurf, wozu vor allem der Wechsel von einer Stahl- zu einer Kunststoffkarosserie gehorte. Er ermoglichte eine kostengunstige Fertigung der Karosserie, weil keine teuren Presswerkzeuge erforderlich waren. Das erste Fahrzeug, das Sunrise Automotive Industries auf den Markt brachte, war der dreiradrige Badal, der von 1975 bis 1981 einige Hundert Mal gebaut wurde. Die auf eine großere Verbreitung gerichteten Erwartungen des Herstellers wurden nicht erfullt. Viele sehen die Auslegung als Dreiradfahrzeug als eine wesentliche Schwache des Badal an: Er sei lediglich ein voll verkleidetes Tuk Tuk gewesen. Fur 1981 kundigte Sunrise den vierradrigen Kleinstwagen Badal 4 an, der den ersten Badal ablosen sollte, tatsachlich aber nicht in Serie produziert wurde. Nach einer Umbenennung des Unternehmens in Sipani Automobiles entstanden in Bengaluru ab 1982 Kleinwagen in Reliant-Lizenz, darunter der Dolphin, der vom Reliant Kitten abgeleitet war; spater kam auch die Lizenzproduktion des Austin Montego hinzu. Beschreibung Der Badal ist ein einfach konstruiertes Auto mit geschlossener Karosserie, drei Radern und drei Turen. Die meisten Einzelteile kamen aus lokaler Fertigung. Vereinzelt wird behauptet, das Auto sei in konstruktiver Hinsicht mit dem dreiradrigen britischen Kleinwagen Reliant Robin verwandt; dagegen spricht, dass der Reliant einen Frontmotor hat, der Badal hingegen einen Heckmotor. Außerdem ist der Reliant etwa 30 cm langer als der Badal. = Modellbezeichnung = Der Begriff Badal bedeutet auf Hindi Wolke. = Fahrwerk und Antrieb = Die Entwicklung der technischen Komponenten verantwortete A. Padmanabhan, ein ehemaliger Mitarbeiter des indischen Tochterunternehmens von Automotive Products. Der Badal basiert auf einem Y-formigen Stahlrahmen mit U-formigen Profilen. Das einzelne Vorderrad ist gelenkt. Die Bremsen wirken nur auf die Hinterrader. Als Antrieb dient ein uber der Hinterachse eingebauter Einzylinder-Zweitaktmotor mit 198 cm³ Hubraum, der von dem indischen Roller-Hersteller Scooters India zugeliefert wurde und eng mit einem in der Innocenti Lambretta eingebauten Motor verwandt ist. Seine Leistung betragt 10 PS. Der Vergaser kommt von Dell’Orto. Uber dem Motor befindet sich der Benzintank, der auch als Gepackablage dient. Die Ablageflache ist nicht von außen zuganglich. Die Kraftubertragung erfolgt uber ein handgeschaltetes Vierganggetriebe. = Karosserie = Der Badal hat eine dreiturige Karosserie aus glasfaserverstarktem Kunststoff, der von einem Tochterunternehmen des britischen Glasproduzenten Pilkington zugeliefert wurde. Sie wurde von Gave Cursetjee entworfen, der seinerzeit in Indien hohe Reputation genoss, nachdem er in den fruhen 1970er-Jahren etwa drei Dutzend Standard-Herald-Limousinen durch Kunststoffanbauteile zu sportlichen Coupes umgestaltet hatte. Aus Grunden der Festigkeit hat der Aufbau lediglich drei Turen: zwei auf der linken und eine auf der rechten. Auch die zahlreichen Sicken und Wolbungen haben den Zweck, dem Kunststoff Festigkeit zu geben. Der untere Teil der Heckverkleidung kann komplett hochgeklappt werden, um den Zugang zum Motor zu ermoglichen. = Abmessungen und Fahrleistungen = Das Leergewicht des 3,1 m langen Autos wurde mit 400 kg angegeben, die Hochstgeschwindigkeit je nach Quelle mit 60 oder 75 km/h. Der Kaufpreis betrug bei Produktionsbeginn 12.000 Indische Rupien. Verbreitung Der Produktionsumfang des dreiradrigen Badal ist gering. Insgesamt entstanden weniger als 1000 Fahrzeuge. Einige Quellen behaupten, der Vertrieb sei auf die Stadt Bengaluru und den Bundesstaat Karnataka beschrankt gewesen. Einer indischen Dokumentation zufolge hatte der Hersteller kurz nach Produktionsbeginn Lizenzen fur den Taxieinsatz des Badal in einigen indischen Bundesstaaten erworben. Das Unternehmen konnte jedoch nicht genugend Fahrzeuge produzieren, weil der indische Zwischenhandler, von dem es die Motoren bezog, seinerseits seine Lieferverpflichtungen nicht einhielt. Durch diese Verzogerungen sei das Unternehmen in Misskredit geraten; sie seien der wesentliche Grund dafur gewesen, dass Sunrise spater in Sipani Automobiles umfirmierte. Weblinks Technische Daten des Sunrise Badal auf der Internetseite auta5p.eu Einzelnachweise
Der Sunrise Badal (auch: SAIL Badal) ist ein dreiradriger Kleinstwagen des ehemaligen indischen Automobilherstellers Sunrise, der von 1975 bis 1981 in geringer Stuckzahl gefertigt wurde. Er gehort zu den ersten in Indien entwickelten Personenwagen fur private Kunden.
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c-278
Roaming – Funf Tage in New York ist ein kanadischer Comic fur junge Erwachsene von Jillian Tamaki und Mariko Tamaki. Es handelt sich um die dritte Zusammenarbeit der beiden Cousinen, die von Kritikern positiv besprochen wurde. Dani und Zoe sind bereits seit ihrer Schulzeit miteinander befreundet, studieren aber mittlerweile an unterschiedlichen Orten. Eine Reise nach New York, die fur beide ein lange gehegter Traum ist, soll die beiden wieder naher zusammenbringen. Allerdings bringt Dani unangekundigt ihre Mitbewohnerin mit, was zu Spannungen zwischen den Frauen fuhrt. Inhalt Danielle, die Dani genannt wird, und Zoe sind seit ihrer Kindheit befreundet. Im Fruhling 2009 erfullen sich die beiden einen gemeinsamen Traum und reisen in ihren ersten Semesterferien (Spring Break) fur funf Tage nach New York. Die zwei studieren in Kanada im ersten Semester, allerdings an unterschiedlichen Universitaten, und hoffen, durch ihre Reise wieder mehr Nahe zueinander aufbauen zu konnen. Sie treffen sich direkt am Newark Liberty International Airport in New Jersey und freuen sich riesig, sich nach langerer Zeit wiederzusehen. Zoe muss allerdings auch uberrascht feststellen, dass Dani ihre exaltierte Mitbewohnerin und Kommilitonin Fiona mitgebracht hat. Dani hofft, dass ihre beste Freundin aus Schulzeiten und Fiona gut miteinander auskommen, obwohl sie sehr gegensatzlich erscheinen. Zoe tragt kurzrasierte Haare, tragt stets schwarze Kleidung und wirkt eher introvertiert. Fiona kleidet sich ausgefallen, ist extrovertiert, ausdrucksstark und frech. Schon bei ihrer ersten Begegnung am Flughafen ist Zoe irritiert, nicht nur weil sie sich uberrumpelt fuhlt. Fiona lasst sie bereits am Flughafen wissen, wie langweilig sie New York eigentlich findet. Die jungen Frauen kommen in einer Jugendherberge unter und schauen sich gemeinsam bekannte Attraktionen der Stadt an. Sie besuchen beispielsweise den Grand Central Terminal, das American Museum of Natural History oder das Metropolitan Museum of Art. Letzteres bezeichnet Fiona trocken als echtes Monument des westlichen Imperialismus. Die drei gehen in Restaurants und Kneipen, setzen sich in Parks oder streifen ziellos durch die Straßen. Dani macht wahrend des ganzen Trips begeistert Fotos von ihrem Trip. Jedoch bleiben wegen Fionas Anwesenheit Spannungen nicht aus. Sie zeigt sich gelangweilt und wenig begeistert davon, moglichst viele Sehenswurdigkeiten abzuklappern, und macht Vorschlage fur Ausfluge, die Dani und Zoe eigentlich nicht eingeplant hatten. Vor allem ist es aber die Romanze, die sich zwischen Zoe und Fiona entwickelt, die zu Problemen fuhrt. Auch wenn Fiona einen eher egozentrischen Charakter hat, hat sie auch sensible Seiten und nimmt Zoes sexuelle Orientierung wahr, die damit sehr zuruckhaltend umgeht. Wahrend einer Taxifahrt ergreift die angetrunkene Fiona – die wahrend der ganzen Reise berauscht ist, da sie nicht nur regelmaßig Alkohol konsumiert, sondern auch Cannabis – die Initiative und flirtet mit Zoe. Sie redet ebenfalls schlecht uber Dani, bevor sie sich im Taxi ubergibt. Die feminine Fiona und die androgyne Zoe kommen sich zunachst langsam naher, etwa mit kleinen Beruhrungen und heimlichen Kussen, bevor Dani etwas mitbekommt. Durch die zunehmende Intimitat zwischen den beiden fuhlt sich Dani verletzt und zur Seite geschoben, was sowohl die Reise als auch die Freundschaft zwischen ihr und Zoe gefahrdet. Fiona und Zoe verbringen zum Beispiel gemeinsam Zeit, wahrend Dani frustriert und alleine durch die Stadt zieht. Als sich bei Zoe das Gefuhl einstellt, ihre Freundin im Stich gelassen zu haben, versucht sie Dani zu erreichen. Diese hat allerdings Roaming deaktiviert, um teure Gebuhren zu vermeiden. Letztlich ubernimmt Zoe die Kosten, bei dem Treffen mit Dani kommt es allerdings zu einem Streit. Die drei Frauen machen noch einen letzten gemeinsamen Ausflug nach Coney Island, bevor ihr Urlaub endet. Am Schluss der kurzen Reise voller Hohen und Tiefen bleibt den drei Figuren die Erkenntnis, dass keine von ihnen noch die gleiche Person ist wie zu Beginn der Geschichte. Entstehung und Stil Wahrend fur die ersten beiden Kooperationen der Tamakis – Skim (2008) und Ein Sommer am See (2014) – Jillian die Zeichnungen und Mariko den Text verantwortete, entstand Roaming in einem organischen Prozess, bei dem sie Skript und Zeichnungen gemeinsam entwickelten. In den ersten beiden Werken ging es um Kinder und Jugendliche, in Roaming spielen junge Frauen die Hauptrolle. Die Comics teilen sich das erzahlerische Motiv des Heranwachsens und Erwachsenwerdens. Roaming ist entsprechend der Reisedauer in funf Kapitel unterteilt. Der Comic zeichnet sich durch einen pragnanten und humorvollen Schreibstil aus, der auch unterschwellige soziale Kommentare enthalten kann, unter anderem zu Themen wie Armut, Frauenfeindlichkeit, Identitat, Rassismus oder Sexualitat. Dani erinnert sich etwa daran, wie ihr Vater einmal von der Transportation Security Administration zum Verhor abgefuhrt wurde, weil ihr Bruder einen beilaufigen Witz gemacht hatte. Darauf fragt Fiona, ob es daran gelegen haben konnte, dass Danis Vater nicht weiß ist. Als Zoe in einer Bar Alkohol bestellt, benutzt sie sorglos den gefalschten Ausweis einer Koreanerin. Einem weißen Barkeeper wurde der Unterschied ohnehin nicht auffallen. Fiona muss immer wieder unerwunschte Avancen von Mannern abwehren und kommentiert dies mit den Worten „Gib ihnen einen Zoll, sie nehmen eine Meile“. In Roaming findet sich recht fruh eine Anspielung auf Canterbury Tales von Geoffrey Chaucer. Die Erzahlungen von Chaucer sind in eine Rahmenhandlung eingebunden, die von einer Pilgergruppe auf ihrem Weg von Southwark, einem damaligen Vorort und heutigen Stadtteil von London, nach Canterbury handelt. Durch den Verweis gilt die Aufmerksamkeit fur Roaming nicht nur den einzelnen „Pilgerreisen“, sondern auch dem individuellen Selbstverstandnis der Figuren, die alle ihre eigenen emotionalen Herausforderungen bewaltigen mussen. Jillian Tamakis Pinselfuhrung fallt mit den klaren und prazisen Linien im Vergleich weniger schwungvoll aus als vorangegangene Werke. Die atmospharisch dichten Illustrationen koloriert sie mit gedampften, eher melancholischen Pastelltonen wie (Grau-) Blau, Grun, Orange oder Pink sowie Weiß und Schwarz als starken Kontrast. Regelmaßig kommen Doppelseiten zum Einsatz, die an Collagen oder Wimmelbilder erinnern. Insbesondere Architektur wird hier eindrucklich und detailliert dargestellt, vor deren Kulisse die Figuren oft winzig wirken. Eine zentrale Rolle spielt ebenfalls die Stadtkulisse selbst. Auf den Bildern finden sich neben Darstellungen von beruhmten Museen, Bauwerken oder Touristenattraktionen auch zahlreiche Alltagsszenen wie uberfullte Straßen voller Mull oder der Besuch in einer Pizzeria. Dabei sind auch die Einwohner von New York maßgeblicher Bestandteil der Geschichte. Wiederholt sind Figuren im Hintergrund bei verschiedenen Beschaftigungen zu sehen oder es werden Gesprachsfetzen von Passanten gezeigt. Mitunter kommt es vereinzelt sogar zu Auseinandersetzungen zwischen den Hauptfiguren und zufalligen Begegnungen. Veroffentlichungen Die englischsprachige Originalausgabe Roaming erschien im September 2023 bei Drawn and Quarterly. Nach Skim (2008) und Ein Sommer am See (2014) handelt es sich um die dritte Zusammenarbeit der Tamakis. Die deutsche Ubersetzung von Matthias Wieland publizierte Reprodukt ebenfalls im September 2023 als Roaming – Funf Tage in New York. Fur das Lettering ubernahm Anna Weißmann die Schriftart von Jillian Tamaki. Auszeichnungen und Kritiken Roaming wurde im deutsch- wie englischsprachigen Raum positiv von Kritikern besprochen. Dabei werden sowohl die witzigen Texte und nachvollziehbaren Dialoge wie auch insbesondere die Illustration gelobt, die gerade bei den Stadtansichten gut zur Geltung kamen. Einige Kritiker attestieren der dritten Zusammenarbeit der Tamakis eine deutlich erkennbare kunstlerische Entwicklung. Im Jahr 2024 erhielten Jillian und Mariko Tamaki gemeinsam einen Eisner Award fur Roaming in der Kategorie „Best Graphic Album: New (Bester neuer Graphic Novel)“. Jeweils ein weiterer Eisner Award ging an Jillian Tamaki als „Best Penciller/Inker or Penciller/Inker Team“ und an Mariko Tamaki in der Rubrik „Best Writer (Bester Autor)“. Mit Roaming hatten die Tamakis erneut bewiesen, dass sie zu den „aufregendsten Stimmen der internationalen Comic-Szene gehoren, die sich ebenso empathisch wie ernsthaft queeren Themen annehmen“. Weiter halt Heike Byn im Tagesspiegel fest, dass die beiden sich auf „dramaturgischer und kunstlerischer Ebene weiterentwickelt“ hatten, genauso wie die „Heldinnen im aktuellen Werk den Ubergang ins Erwachsenenalter vollziehen“. Die Kulisse Manhattans wirke „geradezu gigantisch im Verhaltnis zu den dort umherstreifenden, zutiefst verunsicherten jungen Frauen“. Hinzu komme, dass sich „hier und da Realitat und subjektive Wahrnehmung metaphorisch miteinander [verschmelzen], um besonders emotionale Momente eindringlich zu schildern“. Auf comic-couch.de fallt Marcel Scharrenbroich ein ahnliches Urteil und vergibt insgesamt 8 von 10 Punkten. Nach der „genialen Wohlfuhl-Lekture“ Ein Sommer am See und dem […] Erstling Skim hatten Jillian und Mariko Tamaki „erneut […] eine schone Mischung aus Coming-of-Age- und Slice-of-Life-Story auf die Beine“ gestellt. Die dritte Zusammenarbeit zeichne sich durch „authentische Dialoge“ und „stilvolle“ Illustrationen aus. Das Gefuhlschaos der Figuren sei „ehrlich, hautnah und sehr schon erzahlt“. Die doppeldeutige Titelwahl sei mehr als passend, einerseits mit Bezug auf teure Mobilfunkgebuhren fur Roaming (weil die Handlung 2009 angelegt ist), anderseits mit Blick auf die Ubersetzung von „roaming“ als „herumwandern“ oder „streunen“. Bei 3sat-Kulturzeit wurde der Comic im November 2023 als Kinderbuchtipp vorgestellt. Fur Rachel Cooke bei The Guardian eignet sich Roaming fur jeden, der sich an die Intensitat einer Freundschaft zwischen jungen Frauen erinnert. Die Dialoge trafen immer den „perfekten Ton“ und jede Zeile fuge der Geschichte mehr Sinn hinzu; egal ob es die sexuelle Anziehung zwischen Zoe und Fiona sei oder die Frustration bei dem Versuch, das Netz der New Yorker U-Bahn zu verstehen. So gelungen die Texte auch seien, machten erst Jillian Tamakis Zeichnungen die Veroffentlichung zu etwas Besonderem. Roaming sei so flussig zu lesen und habe eine Leichtigkeit, mit der die Aufmerksamkeit der Leser gekonnt gehalten wird. Als weiteren Pluspunkt sieht Lindsay Pereira auf brokenfrontier.com die absolute Glaubwurdigkeit der Charaktere. Dank der „knackigen und nachvollziehbaren Dialoge“ sowie der sorgfaltigen Illustrationen sei es außerst schwer, sich nicht von den jungen Frauen und ihrer Reise mitreißen zu lassen. Insbesondere Jillian Tamaki attestiert Pereira ein erstaunliche kunstlerische Entwicklung, vor allem mit Blick auf die Darstellung ikonischer Landmarken. Fur Julie Depenbrock beim National Public Radio reiht sich Roaming in den „wachsenden Kanon der großen Queer-Comics“ ein, wie zum Beispiel Fun Home von Alison Bechdel, Genderqueer von Maia Kobabe oder Heartstopper von Alice Oseman. Weblinks Roaming auf der Webseite von Jillian Tamaki (englisch) Roaming in der Grand Comic Database (englisch) Roaming – Funf Tage in New York bei Reprodukt Einzelnachweise
Roaming – Funf Tage in New York ist ein kanadischer Comic fur junge Erwachsene von Jillian Tamaki und Mariko Tamaki. Es handelt sich um die dritte Zusammenarbeit der beiden Cousinen, die von Kritikern positiv besprochen wurde. Dani und Zoe sind bereits seit ihrer Schulzeit miteinander befreundet, studieren aber mittlerweile an unterschiedlichen Orten. Eine Reise nach New York, die fur beide ein lange gehegter Traum ist, soll die beiden wieder naher zusammenbringen. Allerdings bringt Dani unangekundigt ihre Mitbewohnerin mit, was zu Spannungen zwischen den Frauen fuhrt.
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c-279
Joseph Thomas Treffry (geb. 1782 in Plymouth als Joseph Thomas Austen; gest. 28. Januar 1850 in Fowey) war ein englischer Ingenieur und Industrieller, der durch den Bau von Hafen, Transportwegen und Bergwerken die Infrastruktur und Wirtschaft in Cornwall nachhaltig pragte. Leben = Fruhes Leben und Ausbildung = Joseph Thomas Austen wurde 1782 in Plymouth, Devon geboren. Sein Vater, Joseph Austen, war ein ehemaliger Burgermeister von Plymouth, und seine Mutter, Susanna Treffry, stammte aus einer wohlhabenden Familie. Nach dem Tod seines Onkels William Esco Treffry im Jahr 1808 erbte er das Familienanwesen Place House in Fowey und anderte seinen Namen per Deed Poll in Treffry. = Bergbau und Industrie = Treffry war ein ausgebildeter Bauingenieur und spielte eine entscheidende Rolle in der Entwicklung der Bergbauindustrie in Cornwall. Er baute einen neuen Kai in Fowey, um großere Schiffe fur den Export von Zinn abfertigen zu konnen. 1820 wurde er Partner in mehreren Bergwerken, darunter Wheal Regent und Fowey Consols, die unter seiner Leitung 1822, nachdem er 1822 beide gekauft und zusammengelegt hatte, mit knapp 1700 Mitarbeitern zum produktivsten Bergwerk in Cornwall wurden. = Par Harbour und Transportprojekte = Da Cornwall geografisch isoliert war, plante Treffry 1828 den Bau eines neuen Hafens in Par, um den Transport von Erzen zu erleichtern. Der Hafen wurde 1833 eroffnet und konnte bis zu 50 Schiffe zeitgleich abwickeln. Zudem entwickelte er mit den Treffry Tramways ein Netzwerk von Schmalspurbahnen in Cornwall, um die Minen mit dem Hafen zu verbinden. = Treffry-Viadukt = Eines seiner bedeutendsten Bauwerke ist das Treffry-Viadukt, das sowohl als Aquadukt als auch als Verkehrsweg fur Erze diente. Das Bauwerk mit zehn Bogen ist heute eine historische Sehenswurdigkeit. Es befindet sich in der Nahe des Dorfes Luxulyan in Cornwall. Das Viadukt uberquert das Luxulyan-Tal und ist Teil der Treffry Tramways. = Spatere Jahre und Vermachtnis = Treffry war von 1839 bis 1840 High Sheriff von Cornwall und spielte eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Infrastruktur der Region. So war er auch maßgeblich am Ausbau des Hafens von Newquay beteiligt, den er 1838 kaufte. Er starb 1850 an einer Lungenentzundung. Einzelnachweise
Joseph Thomas Treffry (geb. 1782 in Plymouth als Joseph Thomas Austen; gest. 28. Januar 1850 in Fowey) war ein englischer Ingenieur und Industrieller, der durch den Bau von Hafen, Transportwegen und Bergwerken die Infrastruktur und Wirtschaft in Cornwall nachhaltig pragte.
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c-280
Das A-la-carte-Restaurant war ein den Passagieren Erster Klasse vorbehaltenes, aufpreispflichtiges Restaurant an Bord des britischen Passagierschiffs Titanic. Das von Luigi Gatti betriebene A-la-carte wurde einem Ritz-Carlton-Restaurant nachempfunden, wie es zuvor bereits auf der deutschen Amerika existierte. Gemeinsam mit ihrem Schwesterschiff Olympic war die Titanic das erste britische Passagierschiff mit einem solchen Zusatzrestaurant. Beim Untergang der Titanic kam ein Großteil der Angestellten des Restaurants ums Leben. Beschreibung Das A-la-carte-Restaurant der Titanic befand sich auf dem B-Deck des Schiffes im Heckbereich. Es grenzte an das kleine Treppenhaus der Ersten Klasse und das an der Steuerbordseite befindliche Cafe Parisien. Das Restaurant mit franzosischer Kuche verfugte uber 137 Sitzplatze (laut einigen Quellen 150 Sitzplatze) und war eine aufpreispflichtige Alternative zum Speisesaal Erster Klasse. Platze im Restaurant konnten vorab gebucht werden. Anders als im Speisesaal des Schiffes gab es keine festen Tischzeiten: Das Restaurant war von 8:00 Uhr bis 23:00 Uhr geoffnet. Der Betrieb erfolgte nicht durch die Reederei White Star Line, sondern durch den italienischen Geschaftsmann Luigi Gatti. Dieser hatte zuvor bereits das im Aussehen identische, wenn auch kleinere A-la-carte-Restaurant an Bord des 1911 in Dienst gestellten Schwesterschiffs Olympic ubernommen. Das im Louis-seize-Stil eingerichtete Restaurant mit einem edlen Teppichboden aus Axminster, Wandverkleidungen aus franzosischem Walnussholz mit Goldverzierungen und aus Aubusson stammenden Tapeten hatte mehr als 70 Angestellte, die vor allem franzosischer und italienischer Herkunft waren. Hierzu gehorten auch Kassierer, welche die Einnahmen an der Anmeldung des Restaurants in einem Tresor verwahrten. Als Chefkoch wurde Pierre Rousseau eingestellt, der zuvor bereits Chefkoch im A-la-carte auf der Olympic gewesen war. Das Restaurant verfugte zudem uber einen eigenen Bereich fur ein Orchester, das unter der Leitung von Wallace Hartley fur die musikalische Untermalung sorgte. Das im Restaurant verwendete Porzellan wich von dem des Speisesaals ab und war mit goldenen und kobaltblauen Verzierungen versehen. Im kleinen Treppenhaus der Titanic vor dem Eingang des A-la-carte-Restaurants befand sich ein Empfangsraum, in dem sich Passagiere vor dem Essen treffen und Platz nehmen konnten. Jungfernfahrt und Untergang der Titanic Aufgrund der Exklusivitat des oftmals an Bord nur als „Ritz“ bezeichneten Restaurants wurde dieses besonders von den reichsten Passagieren der Ersten Klasse genutzt. So veranstaltete am Abend der Eisberg-Kollision am 14. April 1912 das aus Philadelphia stammende Ehepaar Widener im Restaurant ein Galadinner zu Ehren von Kapitan Edward John Smith, der nach der Uberfahrt der Titanic in den Ruhestand treten sollte. Beim Untergang der Titanic kamen die meisten Angestellten des Restaurants, darunter auch Luigi Gatti und der Chefkoch Rousseau, ums Leben. Nur die zwei Kassiererinnen Ruth Bowker und Mabel Elvina Martin sowie der Kuchenangestellte Paul Achille Maurice Germain Mauge uberlebten die Katastrophe. Verbleib und Fundstucke aus dem Restaurant Im Rahmen einer Expedition zum Wrack der Titanic fur den Dokumentarfilm Die Geister der Titanic mit James Cameron sollte auch das A-la-carte-Restaurant gefilmt werden. Hierbei wurde jedoch festgestellt, dass das gesamte Deck in diesem Bereich vollig zusammengebrochen und das Restaurant somit zerstort war. Nur wenige Fundstucke aus dem A-la-carte-Restaurant konnten geborgen werden, darunter die Tur des Tresors, in dem einst die Tageseinnahmen des Restaurants verwahrt wurden. Eine stark beschadigte Seite aus einem Kellnerblock fur Tischreservierungen aus dem Restaurant ist ebenfalls erhalten und wurde zeitweise im Luxor Hotel and Casino in Las Vegas ausgestellt. Einen Eindruck vom Aussehen des A-la-carte-Restaurants geben noch heute die erhaltenen Wandpaneele aus dem Schwesterschiff Olympic, die nach dessen Ausmusterung und Verschrottung 1935 zunachst an privat verkauft und im Jahr 2000 in Teilen auf dem Kreuzfahrtschiff Celebrity Millennium verbaut wurden. Weblinks Liste der Angestellten des Restaurants mit letztem Wohnsitz vor ihrer Abreise in der Encyclopedia Titanica (englisch) Einzelnachweise
Das A-la-carte-Restaurant war ein den Passagieren Erster Klasse vorbehaltenes, aufpreispflichtiges Restaurant an Bord des britischen Passagierschiffs Titanic. Das von Luigi Gatti betriebene A-la-carte wurde einem Ritz-Carlton-Restaurant nachempfunden, wie es zuvor bereits auf der deutschen Amerika existierte. Gemeinsam mit ihrem Schwesterschiff Olympic war die Titanic das erste britische Passagierschiff mit einem solchen Zusatzrestaurant. Beim Untergang der Titanic kam ein Großteil der Angestellten des Restaurants ums Leben.
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c-281
Das christliche Denkmal ist der Titel einer Buchreihe, die von 1953 bis 1990 im Union Verlag Berlin erschien. Einzelne Bande werden vom Verlag Schnell und Steiner bis heute weiter gefuhrt. Konzept und Geschichte Ein inhaltlicher Schwerpunkt des 1951 als Parteiverlag der CDU der DDR gegrundeten Union Verlags lag auf der christlichen Kunst. Er entsprach dem politisch gewollten Anliegen, dem christlichen Lesepublikum in der DDR zu vermitteln, dass es zwischen Christentum und Sozialismus keinen Zwiespalt gab und zugleich ein Gegengewicht zu den Kirchenverlagen zu bilden. 1953 uberzeugte der Denkmalpfleger Fritz Loffler den Verlag, eine neue Reihe Das christliche Denkmal zu beginnen, nachdem sich der ursprungliche Plan, im Verlag Schnell und Steiner eine gesamtdeutsche Kunstfuhrerreihe herauszugeben, nicht hatte verwirklichen lassen. Loffler wurde zugleich ihr erster Herausgeber. Dies geschah zu einer Zeit, als Die 16 Grundsatze des Stadtebaus und Walter Ulbrichts Turmrede am 7. Mai 1953 im damaligen Stalinstadt die Existenz von Kirchenbauten in der sozialistischen Stadt in Frage stellten und zahlreiche historische Kirchenbauten in Gefahr waren, gesprengt zu werden. Loffler selbst setzte sich in Dresden fur den Erhalt und Wiederaufbau historischer Kirchen und anderer Bauten ein. Wahrend einige Ruinen vor dem Abriss gerettet werden konnten, war in anderen Fallen Lofflers Bemuhen aussichtslos. Das Konzept der Reihe wurde im ursprunglichen Untertitel deutlich: Ein Sammelwerk in Einzelheften uber kirchliche Baukunst. Auch wenn die Reihe meist als Kirchenfuhrer verstanden wurde, so boten die Hefte doch mehr als das. Es handelte sich jeweils um eigenstandige „kleine Monographien uber Stadt-, Kloster-, Dom-, Stifts- und Schloßkirchen“. Dorfkirchen kamen nicht vor, nachdem ein geplantes Heft Die Kunst der Dorfkirche 1954 zuruckgezogen werden musste. Die Hefte boten eine subtile Gelegenheit, auf den jeweiligen Zustand der Kirchen in touristischen Zentren aufmerksam zu machen und damit auch, so Gunter Wirth, „auf die Notwendigkeit, etwas fur sie zu tun“. So konnte 1955 Adolf Friedrich Lorenz in Heft 15 auf die Bedeutung der damals ruinosen und stark gefahrdeten Georgenkirche in Wismar hinweisen. Die Autorinnen und Autoren waren staatlich angestellte Denkmalpfleger und Kunsthistoriker, die die Kirchen und ihre Ausstattung als Bau- und Kunstwerke wurdigten. Dabei wurde „etwas von den vielfaltigen, jeweils anders gelagerten Aufgaben der Denkmalpflege sichtbar“. Die geistliche Dimension blieb jedoch weitgehend ausgeblendet, ebenso waren Theologen und Kirchenvertreter als Autoren ausgeschlossen. Profiliertester Autor der Reihe war Heinrich Magirius mit 12 Heften. Ein Unikum blieb der Doppelband 72/73 Erfurter Glocken (1968) des Glockengießers Peter Schilling mit einem Geleitwort der Bischofe Joseph Freusberg und Hugo Aufderbeck. Bemerkenswert ist der Anteil an Autorinnen, meist damals jungere Kunsthistorikerinnen der um 1930 geborenen Generation wie Sibylle Harksen, Helga Neumann, Helga Mobius und Hannelore Sachs. Jeder Band durchlief das Lektorat und den Genehmigungsprozess beim Verlag, wozu ein Gutachten gehorte. In Anbetracht der Kirchen- und Kulturpolitik der DDR bewegten sich die Autorinnen und Autoren der Hefte auf einem schmalen Grat: „Bei der inhaltlichen Gestaltung ergab sich die Schwierigkeit, einen Stil zu finden, der zum einen deutlich machte, daß solche Hefte zu Recht im Verlag einer christlichen Partei und nicht in einem volkseigenen Kunstverlag erschienen, und der zum anderen keinen Anstoß erregte.“ Der Verlag entschied sich fur einen strikt neutralen Stil, der schlicht die kunsthistorischen Fakten nach dem damaligen Stand der Forschung darbot. Selbst dies fuhrte jedoch manchmal als „neutralistische Kunstbetrachtung“ zu Anstoß bei den Gutachtern, die mehr „Farbigkeit gesellschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse“ forderten. So findet sich dann in den Heften mitunter ein bemuht wirkender Absatz, der das Bauwerk in die gesellschaftliche Realitat der DDR einordnet. In der Ausstattung orientierte sich die Reihe an den westdeutschen Kleinen Kunstfuhrern des Verlags Schnell und Steiner. Jedes Heft enthielt 32 Seiten im kartonierten, gehefteten Oktavband (17,5 × 11 cm, spater 16 × 11 cm) und wurde auf Kunstdruckpapier gedruckt. Eine Auflage betrug in der Regel 10.000 Exemplare. Ein Heft kostete 1,50 Mark der DDR und war damit vergleichsweise gunstig. Dieser Preis erforderte bei der Qualitat des Papiers und den zahlreichen Illustrationen allerdings „hohe Zuschusse“. Es gab insgesamt 23 Doppelbande mit 64 Seiten zum Preis von 2,50 Mark der DDR, so zum Magdeburger Dom. Die Doppelbande 39/40 Veitsdom Prag, 52/53 Dom Aachen und 54/55 St. Peter in Rom behandelten erstmals Kirchbauten, die nicht auf dem Territorium der DDR lagen. Bei allen drei blieb es bei einer einzigen Auflage. Ursprunglich beschrieb ein Heft ein Bauwerk. Etwas aus diesem Rahmen fielen Sigfried Asches Hefte Die heilige Elisabeth und Martin Luther auf der Wartburg (Heft 19, 1954) und Luther in Erfurt (Heft 31, 1957). Spater gab es auch Sammeldarstellungen nach lokalen, regionalen oder sachlichen Gesichtspunkten. Der Schwerpunkt lag auf mittelalterlichen Kirchen und regional im Raum Sachsen. Erst 1972 wurde mit Heft 85 erstmalig ein Kirchenbau des 19. Jahrhunderts in die Reihe aufgenommen: die Friedenskirche zu Potsdam. Es gab funf Sonderhefte im großeren Quartformat (21,5 × 14,5 cm), darunter zum Naumburger Dom (Sonderheft 3) und zu den Kirchen im Moskauer Kreml (Sonderheft 5). Hefte zu beliebten Bauwerke erlebten zahlreiche Auflagen, Auflagen-Spitzenreiter war mit 112.000 Exemplaren bis 1984 Heft 12 zum Doberaner Munster. Die Reihe hatte eine marktbeherrschende Stellung und nahezu ein Monopol in der DDR. Abgesehen von einigen wenigen Kirchenfuhrern, die in Verantwortung der beiden kirchlichen Verlage, der Evangelischen Verlagsanstalt und des St. Benno Verlags, erscheinen konnten, war es Kirchen, Gemeinden und anderen Verlagen erst nach der Wende 1990 moglich, Kirchenfuhrer in eigener Verantwortung zu produzieren. In den nicht von der Reihe abgedeckten Kirchen behalf man sich oft mit fotokopierten Informationszetteln, die in den Kirchen zur Einsicht auslagen. Nach der Privatisierung des Union-Verlags wurden die Rechte vom Verlag Schnell und Steiner ubernommen, der bereits mit der Reihe der Kleinen Kunstfuhrer westdeutscher Marktfuhrer war. Die Reihe Das christliche Denkmal wurde beendet bzw. in die Reihe Kleine Kunstfuhrer integriert. Das vorletzte Heft (140) behandelte den in der Endphase der DDR restaurierten Greifswalder Dom St. Nikolai und das letzte Heft (141) die Dreikonigskirche in Dresden. Neuauflagen alterer Hefte erschienen noch bis in die 2010er Jahre mit beiden Reihenbezeichnungen. Konkurrierende Erzeugnisse kommen aus dem Kunstverlag Peda (bis 2023) und dem Deutschen Kunstverlag (Große Baudenkmaler/DKV-Kunstfuhrer). Liste Sonderhefte Literatur Gunda Beuthien: Der Union-Verlag der Ost-CDU. Entstehung und Entwicklung des Verlages bis in die 1960er Jahre unter Berucksichtigung seiner Beziehungen zu den Verlagen Koehler & Amelang und Wolfgang Jess. In: Leipziger Jahrbuch zur Buchgeschichte 10 (2000), S. 249–340, bes. S. 282–286 Einzelnachweise
Das christliche Denkmal ist der Titel einer Buchreihe, die von 1953 bis 1990 im Union Verlag Berlin erschien. Einzelne Bande werden vom Verlag Schnell und Steiner bis heute weiter gefuhrt.
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c-282
Das Theater auf der Cortina (auch Comodi.Hauß, Comedi.Hauß oder Theater auf der Kurtine) war ein Opernhaus in Wien. Es wurde im Jahre 1668 eroffnet und 1683 bereits wieder abgerissen. Vorgeschichte und Vorbauten Durch die Kaiserin Eleonora Gonzaga wurde die italienische Opernkultur aus ihrer Heimat Mantua mit an den Wiener Hof ihres Mannes Ferdinand II. gebracht, mit dem sie 1622 vermahlt wurde. Mantua war unter ihrem Vater Vincenzo I. Gonzaga zu einem Zentrum der Kunst in Italien geworden. An seinem Hof lebte und arbeitete Claudio Monteverdi, der mit der Oper L’Orfeo im Jahre 1607 eine der ersten Opern der Musikgeschichte schrieb. Anlasslich der Kronung Eleonores zur ungarischen Konigin 1622 war bereits die erste große Ballettauffuhrung in Wien uber die Buhne gegangen, bei der die Tanzerinnen unter der Choreografie der Kaiserin die Buchstaben des Namens ihres Gatten Ferdinand II. nachformten. Eleonora forderte Musik und Theater am Hof. Die erste Uberlieferung einer italienischen Oper am Wiener Hof datiert von 1625 anlasslich des Geburtstages von Ferdinand II. Eines der ersten festen Theater nordlich der Alpen entstand in Innsbruck. Es wurde 1629/1630 im ehemaligen Ballhaus (Dogana) von Christoph Gumpp unter Erzherzog Leopold V. errichtet. Der Innsbrucker Hof, dessen Kultur stark an Italien orientiert war, ubte bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger 1665 einen betrachtlichen Einfluss auf Wien aus. Gumpp vollendete auch 1655 in Innsbruck an der Stelle des heutigen Landestheaters das Neue Komodienhaus. Des Weiteren entstand 1629–1631 im Wiener Hofburgbereich durch Hofbaumeister Giovanni Battista Carlone zwischen dem damaligen oberen und unterem Burggarten (heute Bereich der Redoutensale) der Neue Saal (auch Spanischer Saal genannt), in welchem am 9. Marz 1631 das Pastorale La caccia felice und ab Janner 1633 erstmals Opernauffuhrungen (u. a. die Opern Gli inganni di Polinesso und Il Sidonio des ersten namentlich bekannten Opernkomponisten Wiens Ludovico Bartolaia) stattfanden. Der Saal wurde 1658 erneuert. Als das große Hoftheater wurde es bis 1699 von Francesco Galli da Bibiena erneut renoviert und am 28. Janner 1700 mit Draghis Oper Alceste (Text: Donato Cupeda) wiedereroffnet, mit der auch die Geburt der Erzherzogin Maria Josepha gefeiert wurde. Dieses wurde 1744 anlasslich der Erbauung der Redoutensale abgebrochen. Im Jahre 1651/1652 errichtete Giovanni Burnacini das alteste freistehende Theatergebaude Wiens. Das zu hoff erpaute Theatrum war ein holzerner Theaterbau, der im Janner 1652 mit der Oper La Gara (Musik: Antonio Bertali, Libretto: Alberto Vimina), anlasslich der Geburt der Infantin Margarete von Spanien, eroffnet wurde. Auch wurde 1659 auf dem Tummelplatz (Reitplatz mit dem heutigen Josephsplatz identisch) ein holzerner Theaterbau errichtet, der zuvor 1653 in Regensburg fur die Kronungsfeierlichkeiten Ferdinands IV. von Giovanni Burnacini aufgebaut worden war, danach sofort abgebaut, per Schiff nach Wien verbracht und im kaiserlichen Arsenal bis zum Wiederaufbau eingelagert wurde. Er hatte nur bis 1690 Bestand. Gebaude Das Theater auf der Cortina wurde auf der Kurtine der Wiener Burgbastei (daher auch der Name „Theater auf der Cortina“) ab 1666 in unmittelbarer Nahe zur Hofburg in ihrer damaligen Form (heute ungefahr auf dem Gelande des sogenannten Bibliothekshofes hinter dem Prunksaaltrakt der Hofburg) als holzerner Theaterbau errichtet. Es hatte ca. 5000 Platze und Außenmaße von 65 m × 27 m. Außen erinnerte sein Anblick eher an eine Scheune, im Inneren war es mit Pappmache, Leinwand, Gips, Farbe und Stoffen prunkvoll ausgestattet. Die drei Logenrange waren jedoch nicht im Oval oder Halbrund angeordnet, sondern dem eckigen Grundriss entsprechend parallel bzw. rechtwinkelig zum Buhnenportal. Geschichte Am 20. Februar 1666 erließ Kaiser Leopold I. im Hinblick auf seine Hochzeitsfeierlichkeiten (ab 24. Janner 1667) mit der spanischen Infantin Margarita Teresa ein Dekret an Lodovico Ottavio Burnacini zur Errichtung des Theaters. Der Bau wurde allerdings erst mit Verspatung im August 1667 fertiggestellt und wurde aus Anlass des Geburtstags der Kaiserin eroffnet. Am 12. und 14. Juli 1668 wurde das Theater in zwei nachmittaglichen Auffuhrungen eroffnet. Die dazu ausgewahlte Oper Il pomo d’oro (Der goldene Apfel) von Antonio Cesti (Libretto: Francesco Sbarra) hatte eine Lange von fast zehn Stunden, weshalb die Auffuhrung aufgeteilt wurde, um dem Publikum das zu lange Sitzen zu ersparen. Die Handlung wurde von 12 Hauptrollen und 20 Nebenrollen getragen, verteilt auf 23 Buhnenbilder mit 67 Auftritten inklusive Flug- und anderen Maschinen. Die Kosten der Auffuhrung sollen sich auf 100.000 Gulden belaufen haben, etwa 1.000 Personen sollen mitgewirkt haben. Dies war noch jahrelang danach Gesprachsstoff in ganz Europa. Einen Teil der Noten der Oper hatte der musikalische Kaiser selber fur seine Braut geschrieben. Nach der Eroffnung wurde das Theater jedoch nurmehr selten fur Theaterauffuhrungen genutzt (gesichert ist die Auffuhrung nur fur drei weitere Opern): Il ratto della Sabine (Komponist: Antonio Draghi; Libretto: Nicolo Minato) 9. und 10. Juni 1674 Il fuoco eterno delle Vestali (Komponist: Antonio Draghi; Libretto: Nicolo Minato) 1674 Monarchia latina trionfante (Komponist: Antonio Draghi/Johann Heinrich Schmelzer; Libretto: Nicolo Minato) 8. Okt. 1678 Zu Beginn der Zweiten Turkenbelagerung Wiens 1683 wurde das Opernhaus wegen seiner Lage direkt an den Festungsmauern und der leichten Entflammbarkeit seiner Baumaterialien abgetragen. Der kaiserliche Historiograph Johann Peter von Vaelckeren schrieb dazu im Jahre 1684 uber den 16. Juli 1683: Nach den Zerstorungen durch die Turkenkriege baute Lodovico Ottavio Burnacini das Schloss Neue Favorita wieder auf (1687–1691). Es wurde dort auch ein Opernsaal eingebaut, wo u. a. 1716 Johann Joseph Fux’ Oper Angelica, vintrice d’Alcina aufgefuhrt wurde. Erst 1709 wurde mit dem Theater am Karntnertor wieder ein eigenstandiges Theater in Wien eroffnet. Im Jahr 2016 wurdigte das Theatermuseum Wien in der Ausstellung Spettacolo Barocco u. a. das Theater auf der Cortina. Literatur Peter Fleischacker: Rekonstruktionsversuch des Opernhauses und des Buhnenapparates in dem Theater des Ludovico Ottavio Burnacini. Dissertation, Universitat Wien 1962, S. 94. Carl B. Schmidt: Antonio Cesti’s „Il pomo d’oro“: A reexamination of a Famous Hapsburg Court Spectacle. in: Journal of the American Musicological Society, Jg. 29, Nr. 3 (1976), S. 384. Herbert Seifert: Die Musiker der beiden Kaiserinnen Eleonora Gonzaga. in: Manfred Angerer (Hrsg.): Festschrift Othmar Wessely zum 60. Geburtstag. Schneider, Tutzing 1982, S. 548. Herbert Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert. H. Schneider, Tutzing 1985, S. 21. Herbert Seifert: Der Sig-prangende Hochzeits-Gott, Hochzeitsfeste am Wiener Hof der Habsburger und ihre Allegorik, 1622–1699. Musikwissenschaftlicher Verlag, Wien 1988, S. 40. Herbert Seifert: Die "Comoedie" Der "Hof=Musici" 1625: Die erste Oper In Wien? in Studien zur Musikwissenschaft 42. Bd. (1993), S. 77ff. Curtis Price: The Early Baroque Era: From the late 16th century to the 1660s. The Macmillian Press Limited, London, 1993, S. 153. Weblinks Elisabeth Th. Hilscher: Komodienhaus (Theater auf der Cortina). 14. Marz 2004, abgerufen am 10. April 2025 (deutsch). Die erste Oper am Wiener Kaiserhof. Abgerufen am 10. April 2025 (deutsch). Giovanni Burnacini im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien Simon Tidworth, Ingeborg Harer: Opernhaus auf der Cortina. Abgerufen am 10. April 2025 (deutsch). Benedikt Lodes: Antonio Cestis „Il Pomo d’oro“. 1. Dezember 2021, abgerufen am 10. April 2025 (deutsch). Daniela Franke: Il pomo d‘oro (1666/1668) Filmische Nacherzahlung einer barocken Festoper. Abgerufen am 10. April 2025 (deutsch). Einzelnachweise
Das Theater auf der Cortina (auch Comodi.Hauß, Comedi.Hauß oder Theater auf der Kurtine) war ein Opernhaus in Wien. Es wurde im Jahre 1668 eroffnet und 1683 bereits wieder abgerissen.
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c-283
Die keltische Stele von Holzgerlingen ist eine vom Gurtel aufwarts anthropomorphe (menschgestaltig) Figur aus der fruhen bis mittleren Latenekultur. Die januskopfige Doppelgestalt besitzt eine fast identische, spiegelbildlich angeordnete Vorder- und Ruckseite. Auf dem Kopf tragt die Figur eine keltische Blattkrone. Wahrscheinlich war die Stele ein keltisches Kultobjekt, das eine nicht genauer identifizierbare Gottheit darstellt. Mit 2,30 Meter Hohe ist die Holzgerlinger Figur die großte bekannte eisenzeitliche Statue. Sie befindet sich in Stuttgart in der Sammlung des Landesmuseums Wurttemberg. Fund Die keltische Statue wurde 1838 oder 1848 sudwestlich von Stuttgart bei Holzgerlingen im Oberamt Boblingen gefunden. Nahere Umstande des Fundes sind nicht bekannt. Der auf alten Flurkarten eingezeichnete Fundort im Gewann Schutzenbuhl konnte als moglicher Standort durch moderne Messmethoden (Fluxgate-Gradiomerie), mit denen das angenommene Steinfundament der Stele gesucht wurde, nicht bestatigt werden. Jorg Biel vermutete, dass die Stele moglicherweise an der Rheinstraße, der sogenannten Via Rheni, gestanden haben konnte, deren Trasse vermutlich schon von den Kelten genutzt wurde. Entsprechend dem Stil gilt eine Datierung in die Latenezeit als gesichert, eine genaue Einordnung innerhalb dieser Epoche bleibt jedoch unklar. Beschreibung Die Figur ist aus Stubensandstein hergestellt, der im benachbarten Schonbuch vorkommt. Sie hat eine Hohe von 2,30 m, ist etwa 30 cm breit und hat eine Tiefe von zirka 20 cm. Sie zeigt einen Menschen oder eine menschenartige Gottheit. Korper und Kopf sind „janusartig“ dargestellt, das heißt, Vorder- und Ruckseite der Statue sind „doppelseitig-gleichartig“. Die rechte Hand dieser Doppelgestalt greift mit abgewinkeltem rechten Arm waagerecht uber den Korper, so dass jeweils eine Hand vorne und die andere ruckseitig sichtbar ist. Ein breiter Gurtel verlauft direkt unterhalb des Arms um den Korper. Unterleib und Beine sind nicht ausgearbeitet und bilden einen zusammenhangenden Block. Eine Blattkrone erwachst aus dem Nacken zu beiden Seiten des Gesichts beziehungsweise der beiden Gesichter. Augen, Nase und Augenbrauen sind T-formig miteinander verbunden und bilden zusammen mit einem schmalen Mund die Gesichtszuge. Der Archaologe Vencent Megaw bezeichnete die Figur als die „urtumlichste der bekannten Latene-Skulpturen“. Datierung und Interpretation Nach dem Fund der Figur wurde der abgebrochene Wulst der Blattkrone insofern falsch rekonstruiert, als er „uber die linke Schulter emporragend“ angebracht wurde. Infolgedessen wurde die Figur als fruhmittelalterlich oder slawisch identifiziert. Robert Knorr entdeckte um 1920 den Fehler, rekonstruierte die Blattkrone neu und datierte die Statue in die Latenezeit. Heute wird sie meist auf 400 bis 200 v. Chr. datiert. Eine andere Quelle gibt die Zeitspanne von 400 bis 101 v. Chr. an. Wegen der unbekannten Fundumstande kann weder die Funktion der Holzgerlinger Stele sicher bestimmt werden, noch ist eine genaue Datierung moglich. Die Figur war jedoch gewiss wie eine Saule aufgestellt, die, auf einem Fundament stehend, in den Boden eingelassen war. Wahrscheinlich handelt es sich bei der Abbildung um eine nicht weiter bestimmbare keltische Gottheit. Die große Bedeutung der Figur ist dabei nicht im Einzelobjekt zu sehen, sondern vielmehr im Zusammenhang mit anderen gefundenen hallstatt- und latenezeitlichen Stelen, wie zum Beispiel dem Krieger von Hirschlanden oder der Stele von Steinenbronn. Die Blattkrone ist mit der des in Hessen gefundenen Keltenfursten vom Glauberg vergleichbar, der vermutlich einen heroisierten Ahnen darstellt, auch wenn dessen Krone eine etwas andere Form aufweist. Die gefundenen keltischen Statuen unterscheiden sich also in ihrer Gestaltung, konnen aus verschiedenen Zeiten stammen und auch unterschiedliche Funktionen gehabt haben wie beispielsweise Grabstelen, Stelen zur Verehrung hoher Personlichkeiten oder Darstellungen von Gottheiten. Sie deuten jedoch auf eine gemeinsame keltische Tradition der Großplastik hin. In diesem Kontext gehort die Stele von Holzgerlingen neben der Pfalzfelder Saule, dem Heidelberger Kopf, der Stele von Steinenbronn, dem Krieger von Hirschlanden und der 1996 ausgegrabenen Sandsteinplastik des Keltenfursten vom Glauberg zu den bedeutendsten keltischen Steindenkmalern in Deutschland. Kopien einiger keltischer Statuen und Stelen sind entlang des Geschichtlichen Lehrpfades in Leinfelden-Echterdingen aufgestellt. Literatur Kurt Bittel, Wolfgang Kimmig, Siegwalt Schiek: Die Kelten in Baden-Wurttemberg. Theiss, Stuttgart 1982, S. 400 f. Otto-Herman Frey: Menschen oder Heroen? Die Statuen vom Glauberg und die fruhe keltische Großplastik. In: Das Ratsel der Kelten vom Glauberg. Glaube - Mythos - Wirklichkeit. Eine Ausstellung des Landes Hessen in der Schirn Kunsthalle Frankfurt 24. Mai bis 1. September 2002. Theiss, Stuttgart 2002, S. 208–218. Franz Fischer: Holzgerlingen, Deutschland. Landkreis Boblingen, Baden Wurttemberg. Latenezeitliche Steinstatue. In: S. Sievers, P. C. Ramsl, O. Urban (Hrsg.): Lexikon zur keltischen Archaologie. 2012, S. ?. Sabine Rieckhoff, Jorg Biel: Die Kelten in Deutschland. Theiss, Stuttgart 2001, ISBN 3-8062-1367-4, S. 189 ff. Weblinks 3-D Model der Stele Stele von Holzgerlingen Einzelnachweise
Die keltische Stele von Holzgerlingen ist eine vom Gurtel aufwarts anthropomorphe (menschgestaltig) Figur aus der fruhen bis mittleren Latenekultur. Die januskopfige Doppelgestalt besitzt eine fast identische, spiegelbildlich angeordnete Vorder- und Ruckseite. Auf dem Kopf tragt die Figur eine keltische Blattkrone. Wahrscheinlich war die Stele ein keltisches Kultobjekt, das eine nicht genauer identifizierbare Gottheit darstellt. Mit 2,30 Meter Hohe ist die Holzgerlinger Figur die großte bekannte eisenzeitliche Statue. Sie befindet sich in Stuttgart in der Sammlung des Landesmuseums Wurttemberg.
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c-284
Wahrend des Ersten Weltkriegs tauschten die kriegsfuhrenden Lander Russland einerseits und Deutschland und Osterreich-Ungarn andererseits schwerstversehrte Kriegsgefangene uber eine Schiffs- und Zugroute aus. Die Route verband in beiden Richtungen Sassnitz in Deutschland mit Tornio in Finnland, das damals ein teilautonomes Großfurstentum im Russischen Kaiserreich war, und verlief uber Trelleborg und Haparanda im neutralen Schweden. Der Austausch der Schwerverwundeten dauerte vom 1. August 1915 bis zum 1. August 1918. Insgesamt wurden etwa 65.000 Menschen uber diese Route transportiert. Initiierung durch Schweden Vom 28. Juli bis zum 4. August 1914 wurden zwischen europaischen Staaten Kriegserklarungen ausgesprochen. In den folgenden Kampfhandlungen wurden Soldaten beider Seiten getotet, verwundet und gerieten in Kriegsgefangenschaft. Kriegsgefangene, die so schwer verwundet waren, dass sie nicht mehr zur Arbeit eingesetzt oder wieder in den Krieg geschickt werden konnten, mussten verpflegt und medizinisch versorgt werden. Sie stellten also fur die kriegfuhrenden Lander eine Belastung dar. Daher waren alle Lander daran interessiert, Gefangenenaustausche zu organisieren. Die Verhandlungen fur die Austausche zogen sich uber Monate hin, besonders der Transportweg war strittig. Ein Austausch uber den reinen Landweg erschien wegen Treibstoffmangels der schwedischen Eisenbahn nicht moglich. Daher sollte der Verkehrsweg uber die Ostsee erfolgen. Die Deutschen konnten jedoch nicht zusichern, dass U-Boote im Tumult der Gefechte keine Schiffe mit Kriegsgefangenen angreifen wurden. Im Juli 1915 gelang es schließlich dem schwedischen Außenministerium in Zusammenarbeit mit dem Schwedischen Roten Kreuz, die Genehmigung fur einen Austausch von verwundeten Gefangenen zwischen Russland, Deutschland und Osterreich-Ungarn zu erhalten. Als im Juli 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, ubernahm das neutrale Schweden die Rolle eines Transitlandes zwischen Ost und West. Besonders Prinz Carl von Schweden, Prasident des Roten Kreuzes seines Landes, setzte sich in dieser Angelegenheit ein. Die Invalidentransporte im Speziellen boten die Moglichkeit, einen Beitrag zu leisten, anstatt nur am Rande des Krieges zu stehen. Die Invalidenzuge weckten nicht nur das Interesse der schwedischen Zivilbevolkerung. Konige, Botschafter und Amtstrager besuchten die Soldaten und selbstverstandlich berichteten die Medien ausfuhrlich. Fur das schwedische Volk waren die Kriegsinvaliden eine lebendige Verbindung zur Realitat des Krieges. Die Soldaten wurden zu Essen geladen, notfalls auch dorthin getragen. Die Schweden machten keinen Unterschied zwischen Russen und Deutschen. Schweden wurde in den Zeitungen als eine humanitare und zivilisierte Nation hervorgehoben, die versuchte, Leid zu lindern. Die Invalidentransporte bedeuteten fur Schweden eine nie dagewesene internationale Hilfstatigkeit. Nach Kriegsende setzte das Land eine Arbeit in internationalen Organisationen wie Save the Children und dem Volkerbund fort. Route In der ersten Phase des Krieges lagen die Hauptkriegsschauplatze vorwiegend im heutigen Polen. Fur die Ruckfuhrung verwundeter Kriegsgefangener in ihre Heimatlander gab es daher nur den Weg uber den hohen Norden. Die Route fur die Invalidentransporte fuhrte von Sassnitz auf Rugen uber Trelleborg nach Haparanda in Schweden und von dort nach Tornio im heutigen Finnland, damals russisches Großherzogtum. Die russischen Soldaten, die in Deutschland in Kriegsgefangenschaft geraten waren, reisten nach Norden, die Soldaten aus Deutschland und Osterreich-Ungarn reisten in die entgegengesetzte Richtung. Die verwundeten Soldaten wurden mit dem Zug nach Sassnitz auf Rugen transportiert. Von dort aus ging es mit dem Schiff auf der Route der Konigslinie weiter. Zwei Passagierdampfer der Reederei AB Svea wurden zu Lazarettschiffen umgerustet, die Birger Jarl und die Aeolus. Sie fuhren unter der Flagge des schwedischen Roten Kreuzes und wurden durch Begleitschiffe gesichert. Die 107 km lange Fahrt uber die Ostsee nach Trelleborg dauerte ungefahr sechs Stunden. Ein speziell umgebauter Zug fuhr von Trelleborg aus 2.000 km durch Schweden Richtung Norden bis nach Haparanda. Die Reise durch Schweden konnte bis zu vier Tage dauern. In Haparanda angekommen, fuhr der Lazarettzug mit Soldaten der anderen Seite zuruck nach Trelleborg. Von Haparanda aus uberquerte eine Fahre, im Winter ein Schlitten, den Fluss Torne nach Tornio ins russische Großherzogtum. In Tornio war ein provisorisches Gleis vom Bahnhof zum Flussufer gelegt worden, um die Soldaten weiterzutransportieren. Der Austausch der Schwerverwundeten auf dieser Route dauerte bis zum 1. August 1918. Diese Reiseroute wurde in beide Richtungen auch von anderen Kriegsreisenden genutzt, so z. B. von der deutschen Gesandtschaft aus Bukarest oder vom Tross Lenins auf dem Weg von der Schweiz nach St. Petersburg 1917. = Sassnitz = Bereits 1909 hatte das Rote Kreuz bei den deutschen Ostseebadern angefragt, ob sie „im Kriegsfalle moglichst viele […] genesende Krieger“ aufnehmen konnten. Im Juli 1914 verzeichneten die Ostseebader einen Rekord an Besucherzahlen. Nach der Mobilmachung am 1. August 1914 mussten uber 50.000 Menschen innerhalb weniger Tage abreisen. Wegen seiner Lage an der Ostsee und der Nahe zum neutralen Schweden verlief eine Hauptverkehrsroute ins feindliche Ausland uber Sassnitz nach Trelleborg. Staatsburger aus Kriegsparteien wurden vor Ort festgehalten und warteten, bis die Ausreiseerlaubnis gegeben wurde. Die aus Russland ausgewiesenen Deutschen kamen ebenfalls uber Sassnitz. Deutsche Staatsburger mussten sich zum Aufenthalt auf Rugen ausweisen. Zum Schutz der Grenze und des Hafens wurden Kustenabschnitte mit Landsturmbataillonen, Hilfspolizisten und Kustenwachen besetzt. Am Hafen wurde eine Marine-Nachrichtenstelle eingerichtet. Auf Rugen wurden Geld- und Sachspenden gesammelt, Orgelpfeifen und Kirchenglocken beschlagnahmt. Die Seehunde wurden fur die Ol- und Fettproduktion fast ausgerottet. = Haparanda = Die Stadt Haparanda war mit den benachbarten Orten Karungi und Tornio in den Verwundetenaustausch eingebunden. Das schwedische Karungi liegt rund 25 km nordlich von Haparanda, Tornio 2 km ostlich, direkt hinter der Grenze zu Finnland, die durch den Fluss Torne alv markiert ist. Im Krimkrieg fungierten die kleinen Stadte Haparanda und Tornio erstmals als Transitstatten zwischen den kriegfuhrenden Staaten. Nachdem Finnland Teil des Russischen Reiches geworden war, galt Haparanda als Tor vom Westen nach Russland. Als die Grenzen Europas im Ersten Weltkrieg geschlossen wurden, wurde Haparanda ausgiebig fur den Handel und das Reisen von Ost nach West in beide Richtungen genutzt. Konige, Diplomaten, Politiker, Mitglieder der Zarenfamilie, Mitarbeiter des Roten Kreuzes, Spione und auch Wladimir Lenin passierten wahrend des Krieges in Haparanda die Grenze, „das Nadelohr zwischen Ost und West“. In Karungi wurde am 1. Juli 1913 das Bahnhofsgebaude eroffnet. Im Dezember 1914 wurde ein Postdienst eingerichtet, um Post auf dem Landweg zwischen Karungi und Tornio zu befordern. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs lag das Ende der schwedischen Eisenbahnlinie in Karungi. Dort wurde die gesamte Post von und nach Finnland, Russland, Persien, China und Japan gesammelt und dann mit Pferdewagen nach Haparanda und uber den Fluss weitertransportiert. Der Fluss Torne alv ist dort flach und schiffbar, im Winter ist er zugefroren und mit Schlitten befahrbar. Hinter der Grenze lag der Endpunkt des russisch-finnischen Eisenbahnnetzes, Tornio. Im Jahr 1917 wurde zusatzlich eine Seilbahn uber den Fluss errichtet, die allein im ersten Jahr uber 27.000 t Post transportierte, fast ausschließlich Kriegsgefangenenpost. Allein im April 1917 wurden eine Million Pakete uber den Fluss befordert. Die Seilbahn war 1917 und 1918 in Betrieb. Zur Vorbereitung der Gefangenentransporte wurde die Eisenbahnstrecke von Karungi nach Haparanda weitergefuhrt. Haparanda wurde 1915 erst provisorisch, 1918 dann fest an das schwedische Eisenbahnnetz angeschlossen. Zu dieser Zeit war diese Strecke die einzige offene Eisenbahnverbindung zwischen Westeuropa und Russland. Die Eisenbahnbrucke uber den Fluss wurde erst am 6. Oktober 1919 eroffnet. Auch ein Hospital wurde in Haparanda errichtet. Wahrend des gesamten Krieges kamen jeden Monat Tausende von Fluchtlingen an, rund 75.000 insgesamt. Selbst in der heutigen Zeit zahlt die Stadt Haparanda zu den verkehrsreichsten Grenzubergangen in Skandinavien. Zum hundertsten Jahrestag des Gefangenenaustauschs fand in Haparanda eine Gedenkveranstaltung statt. Zugtransport Die Betreuung der Schwerverletzten wahrend der Zugfahrt oblag dem schwedischen Roten Kreuz. Ein Arzt und funf bis zehn pflegende Personen leisteten medizinische Versorgung. Eine der Krankenschwestern der Invalidentransporte war die Diplomatentochter Elsa Brandstrom (1888–1948), die einige Jahre spater als „Engel von Sibirien“ bekannt werden sollte. 1919 wurde sie u. a. mit der Medaille des Schwedischen Roten Kreuzes ausgezeichnet. Sie setzte sich bis zu ihrem Tod fur bedurftige Menschen in aller Welt ein. Die speziell gebauten sogenannten Invalidenzuge boten laut einer Quelle bis zu 250 Soldaten Platz, laut einer weiteren Quelle bestand ein Zug aus elf Lazarettwagen: ein Wagen der 1. Klasse fur zwolf verwundete Offiziere, einer der 2. Klasse fur 25 verwundete Unteroffiziere und neun der 3. Klasse fur je 144 Verwundete aus dem Mannschaftsstand. Daruber hinaus waren ein Arzt- und zwei Guterwagen Teil des Zuges. Ein Waggon diente als Leichenwagen fur die unterwegs Verstorbenen. Beginn der Austausche Am 11. August 1915 warten 250 russische Invaliden, untergebracht in Hotels, auf das erste Schiff des Verwundetenaustauschs, das sie nach Trelleborg bringen sollte. Als der Dampfer Aeolous am 12. August 1915 unter der Flagge des Roten Kreuzes in Trelleborg einlief, wurde er von Hunderten Zuschauern am Kai empfangen. Auch die Kriegsversehrten standen jubelnd auf den Decks. Der Weitertransport erfolgte mit einem Zug des Roten Kreuzes, der auf die am Kai verlaufenden Bahngleise rangiert worden war. Bei der Abfahrt erklangen Nationalhymnen und Salutschusse. Am anderen Ende der Strecke traf am 14. August 1915 in Haparanda ein Boot mit deutschen, ungarischen und osterreichischen Schwerstverwundeten aus Russland ein, die dann mit dem Zug weitertransportiert werden. Am 16. August kam in Trelleborg der erste Zug aus dem Norden an, mit 225 deutschen und etwa 150 osterreichisch-ungarischen Verwundeten von der Ostfront. Noch am selben Tag erreichten die Soldaten mit dem Dampfschiff Birger Jarl den Hafen von Sassnitz. Bei stromendem Regen wurden sie vom Fursten von Putbus und hochrangigen Militars begrußt. Die Bevolkerung bejubelte die Eingetroffenen. Eine Kapelle spielte das Lied „In der Heimat, in der Heimat, da gibt's ein Wiedersehen“. In Sassnitz mussten wegen Ansteckungsgefahren die auszutauschenden Soldaten beider Seiten in isolierten Raumlichkeiten untergebracht werden. Die heimkehrenden Deutschen wurden mit Liebesgaben versorgt. Im Dezember 1915 wurde der Austausch eingestellt, am 7. April 1916 wieder aufgenommen. An diesem Tage reiste Kaiserin Auguste Viktoria an, um die Heimkehrer in Sassnitz in Empfang zu nehmen. Tausende Menschen, darunter der Adel der Insel und mehr als zwanzig Pressevertreter aller großen deutschen Zeitungen waren erschienen. Uber einen Zeitraum von zwei Stunden begrußte die Kaiserin jeden Verwundeten mit Handschlag und den Worten „Willkommen in der Heimat!“ Zahlen Insgesamt passierten wahrend des Krieges etwa 75.000 Soldaten Haparanda. Uber den Hafen von Trelleborg wurden mehr als 60.000 Kriegsgefangene ausgetauscht. Insgesamt tauschen die Kriegsparteien in Richtung Deutschland 26.000 Gefangene und in Richtung Russland 35.500 Gefangene aus. Rund 37.000 kamen aus Russland, uber 22.000 kamen aus Osterreich-Ungarn und 3.617 waren Deutsche. Wahrend des gesamten Ersten Weltkriegs beschwerten sich die Deutschen daruber, dass die Russen hauptsachlich Soldaten der osterreichisch-ungarischen Armee zuruckschickten, aber nur sehr wenige Deutsche. Im Dezember 1916 wurden auch mehr als 400 turkische Verwundete uber diese Route geleitet. Die Ausgaben auf Rugen fur den Empfang der Schwerverwundeten betrugen ungefahr 58.000 Reichsmark. Knapp 6.000 Reichsmark wurden fur die wurdige Ausstattung des Friedhofes verwandt, auf dem 13 Deutsche, 14 Burger aus Osterreich-Ungarn und 38 Russen beigesetzt sind. Verwundete Nur Schwerstverletzte wurden mit diesen Transporten nach Hause geschickt; wurden Kriegsgefangene wahrend der Reise als zu gesund eingestuft, schickte man sie zuruck in das Gefangenenlager. Uberwiegend handelte es sich bei den Ausgetauschten um Arm- und Beinamputierte (nicht selten mit doppelten Amputationen), aber auch Kriegsblinde, Gesichtsverletzte und schwer an Tuberkulose Erkrankte. Verwundete, die nicht laufen konnten, mussten sich teils krabbelnd fortbewegen; im Museum von Trelleborg hat sich ein provisorisches Holzbein erhalten, das vermutlich fur einen ausgetauschten deutschen Soldaten angefertigt wurde. Der Anblick der teils furchtbar verstummelten Verwundeten wirkte auf die Offentlichkeit im neutralen Schweden schockierend. Die schwedischen Zeitungen konnten uber die Kriegsinvaliden berichten, ohne sie glorifizieren zu mussen, wie die Presse der Kriegsparteien es tat. So konnte man in schwedischen Presseberichten beispielsweise lesen: „[…] erbarmliche menschliche Wracks ohne Arme und Beine und mit dem Licht ihrer Augen fur immer ausgeloscht.“ „Verkruppelte, kraftige Manner auf Krucken und Stocken stapften zu den Zugen. Erbarmliche, lungenkranke Elendsgestalten in zerfledderten Uniformen. Geisteskranke junge Manner mit starren Augen, die von Sanitatern des Roten Kreuzes an Bord gefuhrt werden mussten. Schrecklich verstummelte und deformierte Soldaten auf Bahren.“ „Diese menschlichen Kadaver hatten nichts Mannliches, nichts Heldenhaftes, nichts Ehrenhaftes an sich.“ Der lange Transport war fur die Schwerstverletzten sehr anstrengend. Hunderte von Soldaten haben die strapaziose Reise nicht uberlebt. Den Transport, der am 7. Juli 1916 in Sassnitz eintraf, uberlebten beispielsweise nur 36 von 150 Austauschverwundeten. Auch Suizide kamen auf dem Transport vor. Mahnmale In Trelleborg kam im September 1915 der erste Tote aus Haparanda an. Er wurde mit militarischen Ehren und unter großer Anteilnahme der Bevolkerung beigesetzt. Am 30. Oktober 1926 wurde ein Denkmal auf dem Nordfriedhof in Trelleborg eingeweiht, das an die Toten des Kriegsgefangenenaustauschs wahrend des Ersten Weltkriegs erinnert. Geschaffen wurde das spendenfinanzierte Denkmal vom Trelleborger Kunstler Axel Ebbe. Das Mahnmal tragt die Inschrift „Sehnsucht wurde ihr Erbe“. Im Jahr 1919 wurde auf dem Friedhof in Haparanda ein Denkmal fur 205 Osterreicher, elf Deutsche und zwei oder drei Turken enthullt, die wahrend der Invalidentransporte im Ersten Weltkrieg starben. Die Inschrift in deutscher, ungarischer, turkischer und schwedischer Sprache endet mit den Worten: „[…] weit weg von der Heimat, die sie wiederzusehen hofften, sollen sie hier ihre letzte Ruhestatte finden.“ Am Totensonntag 1923 fand in Sassnitz ein Gottesdienst zum Gedachtnis der Gefallenen statt. Auf dem Friedhof hatte der Marineverein ein Heldendenkmal errichtet mit der Inschrift „Treue um Treue!“ An die Gefallenen des Ersten Weltkriegs erinnern auf Rugen in den 2000er Jahren vor allem Tafeln und Memorabilienbucher in den Kirchen, ebenso wie Gedenksteine (meist Findlinge) auf Kirchhofen und Dorfplatzen. Einzelnachweise
Wahrend des Ersten Weltkriegs tauschten die kriegsfuhrenden Lander Russland einerseits und Deutschland und Osterreich-Ungarn andererseits schwerstversehrte Kriegsgefangene uber eine Schiffs- und Zugroute aus. Die Route verband in beiden Richtungen Sassnitz in Deutschland mit Tornio in Finnland, das damals ein teilautonomes Großfurstentum im Russischen Kaiserreich war, und verlief uber Trelleborg und Haparanda im neutralen Schweden. Der Austausch der Schwerverwundeten dauerte vom 1. August 1915 bis zum 1. August 1918. Insgesamt wurden etwa 65.000 Menschen uber diese Route transportiert.
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c-285
Johann Hus vor dem Scheiterhaufen ist der Titel eines Historienbildes von Carl Friedrich Lessing aus dem Jahr 1850. Es gehort zum kunsthistorisch bedeutenden Werkzyklus von „Husbildern“ des Kunstlers (Die Hussitenpredigt 1836; Jan Hus zu Konstanz, 1842) und zeigt den christlichen Reformator Jan Hus nach seiner Verurteilung auf dem Konzil von Konstanz (1415), unmittelbar vor seiner Hinrichtung als Ketzer auf dem Scheiterhaufen. Das Monumentalbild hing als Hauptwerk der profanen Historienmalerei der Dusseldorfer Malerschule in der Dusseldorf Gallery in New York City und wurde auf weiteren Ausstellungen in den Vereinigten Staaten und in Europa gezeigt. 1863 wurde es fur die Alte Nationalgalerie in Berlin angekauft. Seit 1945 verschollen, wurde es 2007 im Depot des Pergamonmuseums aufgefunden. Nach einer Restaurierung wird es wieder in der Nationalgalerie gezeigt. Beschreibung und Bedeutung Das im Galerieton angelegte Monumentalgemalde, mit 3,60 Metern Hohe und 5,53 Metern Breite das großte je von Lessing gemalte Werk, behandelt den Tod des Jan Hus am 6. Juli 1415 in Konstanz. Durch das monumentale Format konnte der Maler die Figuren lebensgroß darstellen. Auf einer im Bildzentrum dargestellten Anhohe kniet der verurteilte bohmische Reformator in schwarzem Ketzergewand vor einem angerichteten Scheiterhaufen. Andachtig aufblickend, hat er seine Hande zu einem letzten Gebet gefaltet. In der Prasentation des Reformators als Martyrer rekurrierte der Maler ikonografisch auf Darstellungen aus der Passion Jesu, etwa Jesus Christus am Olberg (Mt 26 ) bzw. das Ecce homo bei der Schaustellung Christi durch Pontius Pilatus (Joh 19,4–6 , Joh 19,5 ). Brennende Fackeln der Henker lassen Rauchschwaden in einen trub verhangenen Himmel aufsteigen. Aufgewirbelter Staub taucht die bodennahe Luft in ein gelblich fahles Licht. Ein mit Hellebarde ausgerusteter Landsknecht ist im Begriff, Hus zum Zeichen der Haresie, Degradierung, Schande und Verspottung einen Ketzerhut aus Papier mit aufgemalten Teufeln aufzusetzen. Wie in der christlichen Ikonografie die Dornenkrone, so erscheint hier der Ketzerhut als ein Leidenswerkzeug des Hus-Martyriums. In der rechten Bildhalfte ist auf einem Schimmel der Pfalzgraf und Kurfurst Ludwig III. in den Farben des Hauses Wittelsbach und mit Kurhut in herrschaftlicher Pose dargestellt, begleitet von hohen Geistlichen der romisch-katholischen Kirche, denen er sich mit fragendem Blick zuwendet. Ikonografische Parallelen zu Pontius Pilatus und den Hohepriestern sind augenfallig. Auch ist ein Franziskanermonch mit Brille zu sehen, dessen Kurzsichtigkeit sinnbildlich zu verstehen ist, vielleicht als Verweis auf das Hus zugeschriebene geflugelte Wort „O sancta simplicitas!“. Als Reichsvikar oblag es dem Kurfursten, in Abwesenheit des romisch-deutschen Konigs Sigismund das Urteil zu vollstrecken. Links steht eine Volksmenge, um die Hinrichtung zu erleben, im Vordergrund als Ruckenfigur auch eine kniende Frau mit einem Rosenkranz in geballten Fausten, neben ihr in vorderer Reihe drei Manner, darunter Jan Zizka, ein Anfuhrer der Hussiten. Entstehung und Rezeption Carl Friedrich Lessing vollendete das Bild erst im Jahr 1850, nachdem er sich auf der Grundlage literarischer Quellen 1844 und 1845 in Vorentwurfen mit dem Motiv der Hinrichtung von Jan Hus beschaftigt und spatestens seit 1847 an der Endfassung in Ol gearbeitet hatte. Fur einige Gesichter standen ihm Offiziere der Dusseldorfer Garnison Modell, Anhanger des Hus wurden nach den befreundeten Malern Carl Wilhelm Hubner, Paul Joseph Kiederich und Rudolf von Normann portratiert. In einem Henkersknecht stellte der Maler seinen Freund und Schwippschwager Adolph Schroedter dar, zur Darstellung einer Frau posierte Lessings Gattin Ida, geborene Heuser (1817–1880). Angeregt von dem Schriftsteller Friedrich von Uechtritz, hatte der Kunstler in zwei Vorlaufern, den Gemalden Die Hussitenpredigt (1836) und Jan Hus zu Konstanz (1842), bereits andere Teile des historischen Stoffes um den bohmischen Reformator in Aufsehen erregender Weise behandelt und sich den Ruf verschafft, ein fuhrender Historienmaler der Dusseldorfer Malerschule sowie ein Erneuerer der Malerei in Preußen zu sein. In Berlin, der ersten kunstlerischen Wirkungsstatte Lessings, hatte der Historienmaler Bernhard Rode die Hinrichtung von Hus bereits um 1780 in einer Radierung dargestellt. Als Lessings drittes und letztes Husbild entstand, war kein anderes deutsches Gemalde so ausfuhrlich, intensiv und kontrovers diskutiert worden wie die ersten beiden Husbilder Lessings. Die darin verwirklichte, in Deutschland neuartige Historienmalerei, die sich durch intensives Naturstudium dem Realismus zuwandte, gefiel der damaligen Kunstkritik. Damit vollzog sich eine Abkehr von der Kunst der Nazarener, die sich insbesondere an idealistisch aufgefassten Vorbildern der Renaissance orientiert hatte. Unter dem Einfluss des Zeitgeists, Historienmalerei als Darstellung einer Nationalgeschichte zu verstehen, war es Lessing außerdem gelungen, besonders aussagekraftige Momente so wirklichkeitsnah zu inszenieren, dass sich die Betrachter mit den Figuren identifizieren konnten. Einige Zeitgenossen deuteten die Husbilder vor dem Hintergrund des aufkommenden Kulturkampfes jedoch als Tendenzmalerei im Sinne antikatholischer Parteinahme fur den Protestantismus in Deutschland. Heute herrscht die Auffassung vor, dass der Maler als Vertreter des Liberalismus mit den Bildern uber Hus auf der Grundlage Hegel’scher Geschichtsphilosophie den Gedanken der Meinungs-, Gewissens- und Religionsfreiheit betonen wollte. Der Schriftsteller Wolfgang Muller von Konigswinter zahlte die „umfassend und gestaltenreich“ angelegte Komposition zu den schonsten Bildern der Dusseldorfer Schule. Gleichwohl war er der Ansicht, dass der Kunstler in anderen Darstellungen „genialer und glucklicher gewesen ist“. Der Vorsitzende der American Art-Union, der Schriftsteller William Cullen Bryant, der zusammen mit dem Kunstsammler Charles Leupp 1845 den Entwurf zu Lessings Gemalde in Dusseldorf gesehen hatte und daruber in US-amerikanischen Zeitungen berichtete, stellte in einer Parallele zu Lessings Werk positiv heraus, dass der in Dusseldorf lebende US-amerikanische Maler Emanuel Leutze, ein Schuler Lessings, ebenfalls an dem Motiv eines protestantischen „Martyrers“ arbeite, an einer Darstellung von John Knox. Unter dem Eindruck von Leutzes Monumentalbild Washington Crossing the Delaware, das ab etwa 1849 nach dem Vorbild der Lessing’schen Geschichtsbilder entstand, pladierten Kunstkritiker in den Vereinigten Staaten fur die Entwicklung einer spezifisch US-amerikanischen Historienmalerei, die sich – am Beispiel der Dusseldorfer Schule orientiert – den Themen der amerikanischen Nationalgeschichte widmen sollte. Der Kunsthistoriker Ludwig Justi, Direktor der Nationalgalerie Berlin, bezeichnete Lessings Werk als großten Erfolg und seinen Schopfer als beruhmtesten deutschen Geschichtsmalers der 1840er und 1850er Jahre. Provenienz Das Gemalde wurde am 29. Marz 1850 von dem New Yorker Kunst- und Spirituosenhandler Johann Gottfried Boker fur dessen Dusseldorf Gallery am Broadway in Manhattan erworben, noch im Sommer 1850 in der Kunstakademie Dusseldorf offentlich ausgestellt, von dem Kunsthandler Anton Kraus uber Rotterdam nach New York verschifft und nach Schwierigkeiten, die die New Yorker Zollbehorde bei der Einfuhr bereitete, seit dem 4. Dezember 1850 unter dem Titel The Martyrdom of John Huss bzw. Huss Before the Stake in Bokers Galerie prasentiert. Dort galt das Gemalde neben Christian Kohlers Nationalallegorie Erwachende Germania und Karl Ferdinand Sohns Diana im Bade mit ihren Nymphen als Hauptwerk, das den Besuchern das Schaffen der Dusseldorfer Schule nahebringen sollte. Als solches wurde es in zahlreichen Feuilletons New Yorks ausfuhrlich besprochen. Unter den im Jahr 1850 in New York ausgestellten Gemalden war es unbestritten das am meisten gefeierte. 1857 verkaufte Boker seine Bilder an die Cosmopolitan Art Association des Buch- und Kunsthandlers Chauncey Lyman Derby (1825–1876), die mangels Subskribenten 1861 aufgelost wurde. 1859 ließ die Cosmopolitan Art Association das Gemalde Lessings neben anderen Gemalden der Dusseldorfer Malerschule in der Pennsylvania Academy of the Fine Arts ausstellen. 1862 befand es sich zur Great London Exposition in London, wo es im Auftrag von Derby durch Henry Lewis in der Egyptian Hall, Piccadilly, und im Mansion House gezeigt wurde. 1863 kam das Bild zur weiteren Ausstellung zum Kunsthandler Louis Friedrich Sachse nach Berlin. Außerdem wurde es in diesem Jahr durch Sachse im Verein fur bildende Kunst in Kassel, im Osterreichischen Kunstverein in Wien, im Bohmischen Kunstlerverein in Prag sowie im Magdeburger Kunstverein gezeigt. Fur 15.000 Taler ließ der preußische Konig Wilhelm I. das Gemalde 1863 als erstes Kunstwerk fur die geplante Berliner Nationalgalerie erwerben. Im Gebaude der 1876 fertiggestellten Alten Nationalgalerie befand es sich nach einer zuletzt von Ludwig Justi konzipierten Hangung im Treppenhaus. 1937 wurde es wegen eines neuen Ausstellungskonzepts, das einer unter Eberhard Hanfstaengl begonnenen Renovierung von Treppenhaus, Querhalle und Kuppelsaal folgte, zusammen mit anderen großflachigen Historienbildern in ein Depot verbracht. Seit 1945 galt das Bild als verschollen, ehe es 2007 im Depot des Pergamonmuseums als aufgerollte Leinwand wieder aufgefunden wurde. Eine kleine, 1850 entstandene Replik bzw. Olstudie (94 × 135,9 cm), 1868 aus der Sammlung von Rudolf von Arthaber bei Eduard Schulte in Dusseldorf ausgestellt und 1869 versteigert, gelangte in die Privatsammlung des Lessingsammlers Joseph Longworth in Cincinnati und spater als Dauerleihgabe von Joanna Sturm (* 1946), einer Ururenkelin von Longworth und Urenkelin des US-Prasidenten Theodore Roosevelt, in die Sammlung des Haggerty Museum of Art an der Marquette University in Milwaukee. 2011 wurde das Bild im Rahmen einer Ausstellung des Museums Kunstpalast gezeigt. 2012 schenkte Joanna Sturm die Replik dem Museum Kunstpalast. Verbreitung erfuhr das Motiv durch Reproduktionsgrafik. Einen Stich von der Erstfassung (Platte: 610 × 874 mm; Blatt: 684 × 945 mm) schuf der Kupferstecher Friedrich August Andorff (1819–1875). Von der Erstfassung stachen auch Wilhelm von Abbema und Fritz Werner großformatige Reproduktionen. Nach der Replik fertigte Carl Wildt außerdem eine Lithografie. Illustrationen erschienen 1879 in dem britischen Magazin The Graphic und im US-Magazin Harper’s Weekly. Literatur Berthold Auerbach: Hus vor dem Scheiterhaufen. In: Deutsche Blatter. Beigabe zur Gartenlaube. Jahrgang 1863, Nr. 13. Max Jordan (Hrsg.): Beschreibendes Verzeichniß der Kunstwerke in der Koniglichen National-Galerie zu Berlin. Berlin 1876, Kat.-Nr. 207. Friedrich von Boetticher: Malerwerke des neunzehnten Jahrhunderts. Beitrag zur Kunstgeschichte. Band I, 2, Dresden 1891, S. 847, Kat.-Nr. 64 (Digitalisat). Ingrid Jenderko-Sichelschmidt: Die Historienbilder Carl Friedrich Lessings. Anhang: Katalog der Gemalde. Dissertation, Koln 1973, S. 98–119, 254, Kat.-Nr. 81, S. 307. William H. Gerdts: Lessing in Amerika. In: Martina Sitt (Hrsg.): Carl Friedrich Lessing. Romantiker und Rebell. Ausstellungskatalog, Kunstmuseum Dusseldorf, Bremen 2000, S. 151, Abb. 5. Bettina Baumgartel: Jan Hus vor dem Scheiterhaufen. In: Bettina Baumgartel (Hrsg.): Die Dusseldorfer Malerschule und ihre internationale Ausstrahlung 1819–1918. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2011, ISBN 978-3-86568-702-9, Band 2, S. 279–281, Kat.-Nr. 235. Weblinks Hus vor dem Scheiterhaufen, Suchergebnis im Portal recherche.smb.museum Einzelnachweise
Johann Hus vor dem Scheiterhaufen ist der Titel eines Historienbildes von Carl Friedrich Lessing aus dem Jahr 1850. Es gehort zum kunsthistorisch bedeutenden Werkzyklus von „Husbildern“ des Kunstlers (Die Hussitenpredigt 1836; Jan Hus zu Konstanz, 1842) und zeigt den christlichen Reformator Jan Hus nach seiner Verurteilung auf dem Konzil von Konstanz (1415), unmittelbar vor seiner Hinrichtung als Ketzer auf dem Scheiterhaufen. Das Monumentalbild hing als Hauptwerk der profanen Historienmalerei der Dusseldorfer Malerschule in der Dusseldorf Gallery in New York City und wurde auf weiteren Ausstellungen in den Vereinigten Staaten und in Europa gezeigt. 1863 wurde es fur die Alte Nationalgalerie in Berlin angekauft. Seit 1945 verschollen, wurde es 2007 im Depot des Pergamonmuseums aufgefunden. Nach einer Restaurierung wird es wieder in der Nationalgalerie gezeigt.
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c-286
Cordelia Christiane Bahr (* 1981) ist eine Schweizer Rechtsanwaltin. Sie wurde bekannt fur ihre juristische Arbeit im Bereich Klimaschutz und ihre Fuhrung von strategischen Klimaklagen auf nationaler und internationaler Ebene. 2024 vertrat sie mehr als 2500 KlimaSeniorinnen erfolgreich vor dem Europaischen Gerichtshof fur Menschenrechte. Leben Cordelia Bahr wuchs in St. Gallen auf. Der Vater arbeitete im Bildungsbereich, die Mutter war Frisorin. Sie studierte Rechtswissenschaften an der Universitat Zurich und erwarb das Anwaltspatent des Kantons Zurich im Jahr 2010. Nach beruflichen Stationen bei der Jugendanwaltschaft Wil, am Bezirksgericht des Kantons Zurich und bei einer Zurcher Wirtschaftskanzlei ging sie 2012 fur ein Jahr an die London School of Economics and Political Science und belegte Kurse in Klimarecht, Umweltrecht und Menschenrechte. Ihre Masterarbeit im Fach Offentliches Recht (LL.M. Public Law) schrieb sie 2013 zu der Frage, warum es keine Treibhausgassteuer auf Fleisch gibt, obwohl die Fleischindustrie fur 16,5 Prozent aller Emissionen verantwortlich sei. Zwischen 2013 und 2015 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Bundesamt fur Umwelt sowie Assistentin am Lehrstuhl fur Volker- und Staatsrecht der Universitat Zurich. Seit 2016 ist sie Partnerin in einer Anwaltskanzlei in Zurich. Engagement im Klimarecht Nach ihrem Jurastudium begann Bahr, sich mit den Folgen der Globalen Erwarmung auseinanderzusetzen. Sie befasste sich mit den Forschungsergebnissen zur Hitzewelle in Europa 2003, bei der 70’000 Menschen ums Leben kamen, und erfuhr, dass altere Frauen wahrend dieser Katastrophe ungewohnlich haufig starben und besonders anfallig fur die Auswirkungen des Klimawandels sind. Diese Tatsache offnete den Weg fur ihre Klage 2015 gegen die Schweizer Regierung mit der Begrundung, dass die Schweiz zu wenig tue, um den Klimawandel einzudammen. Das verletze die Menschenrechte der Gruppe von alteren Frauen und bedrohe deren Leben etwa bei starken Hitzewellen. Gemeinsam mit Greenpeace Schweiz grundete sie den Verein KlimaSeniorinnen Schweiz. Nachdem sie die Klage vor der Schweizer Justiz 2016 und ihre Berufung 2020 vor dem Bundesgericht verloren hatte, brachten Bahr und die KlimaSeniorinnen die Klage vor den Europaischen Gerichtshof fur Menschenrechte (EGMR). Zum ersten Mal in seiner Geschichte musste sich das Gericht mit der Frage befassen, ob es ein Menschenrecht auf Klimaschutz gibt. Neben der Klage der 2'500 Frauen des Vereins reichte Bahr Einzeleingaben ein, in denen sie gesundheitliche Leiden von vier Frauen beschrieb, die sich wahrend Hitzeperioden verstarken wurden: Schwindel, Herz- und Atemprobleme. Der EGMR urteilte am 9. April 2024 in einer Grundsatzentscheidung, „dass die Schweiz die Menschenrechte der Mitglieder der „KlimaSeniorinnen“ verletzt habe, indem sie keine angemessenen Massnahmen zur Begrenzung der globalen Erwarmung ergriffen habe“. Die Rechtswissenschafterin Helen Keller sagte, Bahr habe den Fall „so perfekt vorbereitet“, dass es dem Gericht schwergefallen sei, gegen die KlimaSeniorinnen zu entscheiden. Auszeichnungen Die wissenschaftliche Fachzeitschrift Nature nahm Cordelia Bahr als einen von zehn Menschen in die Liste Nature’s 10 auf, die die Wissenschaft 2024 mitgepragt haben. Sie wurde fur ihre fuhrende Rolle in der erfolgreichen Klimaklage vor dem EGMR gewurdigt, die die internationalen juristischen Debatten gepragt hatte. Das amerikanische Time Magazine prasentierte Cordelia Bahr in der Liste der 100 einflussreichsten Menschen von 2025 in der Kategorie „Pioneers“. „Mithilfe der Wissenschaft, des Rechts und ihrer unermudlichen Entschlossenheit“ habe Bahr nicht nur fur Gerechtigkeit gekampft – „sie definierte sie neu“. Mitgliedschaften Cordelia Bahr ist im Vorstand der Vereinigung fur Umweltrecht (VUR). Weblinks Publikationen von Cordelia Christiane Bahr im Bibliothekskatalog Swisscovery Klimaanwaltin Cordelia Bahr: «Die Klimaklage ist wie mein Baby», Schweizer Radio und Fernsehen, 14. April 2024 (in Schweizer Dialekt) Natascha Arsic: «Der Kampf ist noch nicht gewonnen», Interview mit Cordelia Bahr, Tagblatt.ch, 12. April 2024 Einzelnachweise
Cordelia Christiane Bahr (* 1981) ist eine Schweizer Rechtsanwaltin. Sie wurde bekannt fur ihre juristische Arbeit im Bereich Klimaschutz und ihre Fuhrung von strategischen Klimaklagen auf nationaler und internationaler Ebene. 2024 vertrat sie mehr als 2500 KlimaSeniorinnen erfolgreich vor dem Europaischen Gerichtshof fur Menschenrechte.
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Edith Klemperer (* 9. August 1898 in Wien, Osterreich-Ungarn; † 23. September 1987 in New York City, Vereinigte Staaten) war eine osterreichisch-US-amerikanische Medizinerin. Sie gehorte zu den weltweit ersten Frauen, die als Neurologinnen und Psychiaterinnen praktizierten. Sie ist bekannt fur die Erfindung ihres Leuchtenden Gehirns und ihre Pionierarbeit auf dem Gebiet der Hypnotherapie. Leben Klemperer war die Tochter von Karl Klemperer und Marianne Deutsch. Ihre Mutter nahm sich 1942 vor ihrer Deportation in Wien das Leben. Die Schwester ihrer Mutter war die Schriftstellerin Flora Turkel, die 1942 in Sobibor ermordet wurde. Der Bruder ihrer Mutter war der Kunsthistoriker Max Deri und dessen Frau war die Psychoanalytikerin Frances Deri. Klemperer studierte Medizin an der Universitat Wien und promovierte 1923 zum Dr. med. Am 2. Dezember 1923 trat sie in die Arztekammer ein. Sie war Assistentin von Otto Potzl, einem Vertreter der Zweiten Wiener Medizinischen Schule. Von 1924 bis 1938 fuhrte sie Forschungen am Institut fur Psychiatrie und Neurologie in Wien durch. Sie war eine von sechs Arztinnen, die 1927 fur Julius Wagner-Jauregg arbeiteten, als dieser den Nobelpreis fur Physiologie oder Medizin erhielt. Unter ihnen waren Alexandra Adler, eine der ersten Neurologinnen an der Harvard University, Fanny Halpern, Mitbegrunderin der ersten psychiatrischen Klinik in Shanghai, und Annie Reich. Nach dem Anschluss Osterreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich im Marz 1938 wurde Klemperer als Judin verfolgt. Sie musste ihre Heimat verlassen und gelangte im September 1938 mit ihrem Vater nach New York. Dort setzte sie ihre Arbeit in der Neurologie und Psychiatrie fort. Klemperer starb 1987 im Alter von 89 Jahren in New York City. Forschung Gemeinsam mit Robert Exner, der wahrend seiner Gefangenschaft in einem Kriegsgefangenenlager in Sibirien ein Gehirnmodell aus Holz, Drahten, bunten Faden und anderen Materialien gebaut hatte, baute Klemperer zunachst ein weiteres nicht leuchtendes Gehirnmodell, bei dem Drahte die Nervenbahnen darstellten und deren genauen Verlauf zeigten. Der Physiker und damalige Kustos des Technischen Museums Wien Joseph Nagler schlug vor, ein Modell aus Neonrohren zu bauen. Klemperer initiierte auf eigene Kosten den Bau eines leuchtenden, zwei Meter hohen, zwei Meter langen und eineinhalb Meter breiten glasernen Hirnmodells. Dieses leuchtende Gehirn sollte zentraler Bestandteil eines neuen Hirnmuseums an der medizinischen Fakultat der Universitat Wien werden. Josef Nagler ubernahm die technische Ausfuhrung des Modells. 200 Neonrohren, von Glasblasern individuell angefertigt, stellten die Nervenbahnen des Gehirns dar, die einzeln oder in Gruppen zum Leuchten gebracht werden konnten. Die Bereiche des Gehirns waren abhangig von ihren Funktionen in verschiedenen Farben gehalten. Das Modell stand auf einer Plattform mit Radern. 1931 war das Hirnmodell fertiggestellt und Klemperer prasentierte es beim ersten internationalen Neurologenkongress in Bern der Fachwelt. In den folgenden Jahren hielt sie Dutzende Vortrage an Universitaten, Volkshochschulen sowie im Technischen Museum Wien, das Heimstatte des Modells wurde. 1931 erschien ein Artikel in der Zeitschrift Popular Science, in dem die Erstellung eines Glasmodells des Gehirns durch Klemperer und Robert Exner in Wien vorgestellt wurde. Es sollte das Studium des Gehirns durch seine Transparenz begunstigen. Klemperer ließ weitere vier Erfindungen patentieren, darunter zwei anatomische Modelle. Von 1936 bis 1937 war sie am Rothschild-Spital tatig. Nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Osterreich wurde das Modell in Klemperers Wohnung gebracht und fur den Transport in die USA vorbereitet. Als sie 1938 aus Osterreich fliehen musste, konnte sie das leuchtende Hirnmodell mitnehmen, „da die Nazis nur fur die materiellen, aber nicht auch fur die kulturellen Guter der Juden Interesse zeigten“, wie Klemperer 1953 in einem Brief an die Tageszeitung Neues Osterreich schrieb. Das Modell sei zusammen mit Klemperers Mobeln in die Vereinigten Staaten transportiert worden, wo sie ihre Vortragstatigkeit fortsetzte. 1940 eroffnete sie eine Privatpraxis und von 1941 bis 1942 war sie auch am Mount Sinai Hospital in New York City tatig. Sie fuhrte ihre Forschungen 1942/1943 am Hillside Hospital Bellerose weiter. Von 1943 bis 1946 war sie leitende Psychiaterin am Bellevue Hospital und von 1952 bis 1958 am Morrisania Hospital. Klemperer war als psychiatrische Beraterin der Workmen’s Compensation Board und beratend fur das Department of Welfare in New York City und des Departments of Social Welfare tatig. Ihr Spezialgebiet lag in der Hypnotherapie. Wahrend ihrer Zeit in Wien forschte und publizierte Klemperer zu verschiedenen Themen, darunter die chemische Analyse von Blut-, Urin- und Liquorproben bei verschiedenen psychiatrischen und neurologischen Erkrankungen, den Einsatz von Insulin bei Delirium tremens, die Reaktion des Korpers auf Hypnose und das Korsakow-Syndrom als Reaktion auf eine Insulinbehandlung bei Diabetikern. Klemperers Arbeit uber Blutuntersuchungen zeigte einen Zusammenhang zwischen psychischen Emotionen und chemischen Veranderungen im Blut. Der Großteil ihrer Forschung in den USA konzentrierte sich auf die damals noch jungen Gebiete der Hypnose, Hypnotherapie und Hypnoanalyse. Von 1954 bis 1969 hielt Klemperer Vorlesungen bei der Society for Clinical and Experimental Hypnosis und veroffentlichte mehrere Artikel im Journal of Clinical and Experimental Hypnosis, darunter zu Themen wie Technik, Entstehung von Zustanden des vergangenen Ichs, projektive Phanomene, Primar-Objekt-Beziehungen, spontanes Selbstportrat und Veranderungen des Korperbildes. Sie untersuchte auch den Nutzen von Hypnose bei der Raucherentwohnung und hielt 1964 bei der Jahreskonferenz des New Yorker Chapters der American Society of Group Psychotherapy Vorlesungen uber Alkoholismus. Klemperers Original-Hirnmodell ist laut dem Technischen Museum Wien verschollen. Eine Neukonstruktion (Bauzeit 1951 bis 1959) ohne Beteiligung Klemperers war bis Anfang der 1990er Jahre Teil der Dauerausstellung des Museums und ist nach einer Restaurierung seit 2020 wieder dort zu sehen. Veroffentlichungen (Auswahl) mit M. Weissmann: Arbeitsuntersuchungen bei Patienten mit manisch-depressiven Zustandsbildern. European archives of psychiatry and clinical neuroscience 86, 1929, S. 598–626. Blutgasanalysen bei Hirnlasionen. European archives of psychiatry and clinical neuroscience, 1930, S. 722–740. Die Natur des Meesschen Nagelbandes bei Thallium-Polyneuritis. International journal of legal medicine, Vol. 23, no. 3, 1934, S. 192–193. Hypnotherapy. Journal of Nervous & Mental Disease, Vol. 116, 1952, S. 157–175. Wagner-Jauregg. The American Journal of Psychiatry, Vol. 114, No. 4, 1957, S. 372–372. Past egostates in emerging in Hypnoanalysis. Charles C. Thomas Publ., Springfield, IL, 1968. The Safety of Hypnoses. The American Journal of Psychiatry, Vol 130, No. 9, September 1973. Weblinks Einzelnachweise
Edith Klemperer (* 9. August 1898 in Wien, Osterreich-Ungarn; † 23. September 1987 in New York City, Vereinigte Staaten) war eine osterreichisch-US-amerikanische Medizinerin. Sie gehorte zu den weltweit ersten Frauen, die als Neurologinnen und Psychiaterinnen praktizierten. Sie ist bekannt fur die Erfindung ihres Leuchtenden Gehirns und ihre Pionierarbeit auf dem Gebiet der Hypnotherapie.
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c-288
Lee Miller in Hitlers Badewanne ist ein auf mehreren Schwarzweißfotografien abgebildetes Motiv aus dem Jahr 1945. Die Fotos zeigen die Fotografin Lee Miller, wie sie in der Privatwohnung Adolf Hitlers in Munchen ein Wannenbad nimmt. Aufgenommen wurden sie kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs von David E. Scherman, mit dem Miller zu dieser Zeit als Kriegsberichterstatterin in Deutschland unterwegs war. Eines der Fotos erschien im Juli 1945 in der Vogue, ohne großere Aufmerksamkeit zu erregen. Danach gerieten die Fotografien in Vergessenheit, bis eines von ihnen in den 1980er Jahren – nach Millers Tod – von ihrem Sohn erneut publiziert wurde. Seitdem wurden Fotos von Miller in Hitlers Wanne in zahlreichen Publikationen und Ausstellungen gezeigt und von verschiedenen Wissenschaftlerinnen analysiert. Entstehung Die beiden US-Amerikaner Lee Miller und David E. Scherman lernten sich in London kennen. Scherman berichtete fur Life aus Europa, Miller arbeitete dort zunachst als Modefotografin fur die Vogue. Sie wandte sich aber bald auch ernsteren Themen zu. So dokumentierte sie die Zerstorung durch die The Blitz genannten Angriffe der deutschen Luftwaffe und die Ausbildung und Arbeit von Marinehelferinnen. 1942 ließ sie sich auf Schermans Vorschlag hin als US-Journalistin akkreditieren. Einen Monat nach der Landung der Alliierten in der Normandie durfte sie das erste Mal von frontnahen Kriegsschauplatzen berichten. Von da an begleitete sie die alliierten Truppen bei ihrem Vormarsch, meist zusammen mit Scherman, mit dem sie zu dieser Zeit auch liiert war. Sie fotografierte unter anderem die Befreiung von Paris, die Kampfe in den Ardennen sowie die Konzentrationslager Buchenwald und Dachau kurz nach der Befreiung durch die US-Army. Von Dachau aus fuhren Miller und Scherman am 30. April oder 1. Mai 1945 nach Munchen. Das 179. Regiment der 45. US-Infanteriedivision hatte in Hitlers Wohnhaus am Prinzregentenplatz einen Kommandoposten eingerichtet. Miller und Scherman verbrachten dort mehrere Tage. Sie fotografierten US-Soldaten in verschiedenen Posen, etwa bei einer Konferenz am Esstisch oder in Hitlers Bett, Mein Kampf lesend. Mehrfach ließ sich auch Miller von Scherman fotografieren, nicht nur in Hitlers Wohnung, sondern auch in der von Eva Braun. Dabei scheint Miller genaue Vorstellungen gehabt zu haben, wo und wie sie abgelichtet werden wollte. Dies gilt auch fur die Aufnahmen in Hitlers Badezimmer. Die beiden nutzen hier die Moglichkeit, nach langer Zeit einmal wieder heiß zu baden. Dabei entstanden mit Millers Rolleiflex-Kamera acht Fotos. Nachdem Scherman von Miller sechs Fotos in verschiedenen Posen gemacht hatte, stieg er selbst in die Wanne und ließ sich zweimal von Miller fotografieren. Scherman berichtete spater, wahrend der Aufnahmen habe ein Lieutenant mit Seife und Handtuch vor dem Bad gewartet und ungeduldig an die Tur geklopft. Beschreibung Die Schwarzweißfotos zeigen ein Badezimmer. Die Ruckwand wird vollstandig von der Badewanne eingenommen, in der die nackte Lee Miller sitzt. Die Wande und die Badewanne sind mit glanzenden Fliesen in einem Pastellton gekachelt, der Fußboden ist mit kleinen, dunkleren Fliesen ausgelegt. Auf dem Fußboden liegt eine verschmutzte Matte, auf der dreckige Armeestiefel stehen. An der rechten Wand befinden sich ein Hocker mit geflochtener Sitzflache sowie ein Tisch mit zwei Schubladen. Auf dem Hocker liegen dunkle Kleidungsstucke und eine Armbanduhr. Auf dem Tisch ist eine Klingelanlage montiert, daneben steht die Skulptur einer nackten Frau. Es handelt sich um Die Ausschauende von Rudolf Kaesbach. Auf der linken Seite gegenuber dem Tisch ist der Teil eines Waschbeckens zu erkennen. An der Wand hinter der Badewanne hangen Seifenschalen und Armaturen. Außerdem hangt der Schlauch der Dusche U-formig herunter. Auf dem Rand der Badewanne liegt eine Burste, links lehnt ein Foto von Adolf Hitler in Uniform an der Wand. Es wurde von Heinrich Hoffmann aufgenommen und diente als Vorlage fur das Propagandaplakat Ein Volk, ein Reich, ein Fuhrer. Hitler blickt auf dem Foto nach rechts, also in Richtung von Miller und der Skulptur auf dem Tisch. Millers Posen in der Wanne unterscheiden sich je nach Aufnahme. Allen gemeinsam ist, dass Miller sich mit einem Waschlappen zu waschen scheint. Sie blickt auf allen Fotos ernst. Miller verdeckt den Blick auf ihre Bruste unter dem Wannenrand. Auch aus dem Blickwinkel Hitlers auf seiner Fotografie sind die Bruste nicht zu sehen, da Miller einen Arm vor ihrem Korper verschrankt hat. Veroffentlichung Eines der Fotos von Lee Miller in Hitlers Badewanne erschien im Juli 1945 in der britischen Ausgabe der Vogue in Lees Artikel Hitleriana. Sie beschaftigt sich darin ausfuhrlich mit Adolf Hitlers und Eva Brauns Wohnungen. Hitlers Wohnhaus sei nichts Besonderes, in seiner Wohnung hatte auf den ersten Blick jeder leben konnen, der uber ein mittleres Einkommen und keine Erbschaft verfuge. Ihr fehle es an Charme und Eleganz, sie habe nichts Intimes, sei aber auch nicht prachtvoll. Die Kunstwerke, an denen noch Preisschilder hingen, seien von geringer Qualitat. Bei Brauns Wohnung beschreibt Miller – wie in Artikeln der Vogue uber Prominente ublich – Brauns Korperpflegemittel und geht auch auf ihre Medikamente ein. Begleitet wurde der Artikel von zehn Fotos. Eines, der brennende Berghof am Obersalzberg, wurde als Eroffnungsbild groß im vorderen Teil der Vogue abgebildet. Die anderen neun Fotos erschienen in Dreiergruppen im hinteren Teil. Das Foto von Miller in Hitlers Wanne erschien mit folgender Beschreibung: „Lee Miller, who scooped this story, luxuriates in Hitler’s bath“ („Lee Miller, die diese Geschichte aufgetrieben hat, aalt sich in Hitlers Bad“). Es wurde so klein abgedruckt, dass die Fotografie von Hitler auf dem Wannenrand kaum zu erkennen ist. Zeitgenossische Reaktionen auf das Foto von Miller in Hitlers Badewanne sind nicht bekannt. Allerdings hatte die Vogue auch keine Rubrik fur Leserbriefe. Nachwirkung Keines der Fotos von Lee Miller in Hitlers Badewanne scheint zu ihren Lebzeiten noch einmal veroffentlicht worden zu sein. Erst nach ihrem Tod 1977 entdeckte ihr Sohn Antony Penrose die Fotos zusammen mit anderen Negativen und Texten auf dem Dachboden ihres Hauses. Penrose veroffentlichte eines der Bilder 1985 im Buch The Lives of Lee Miller. Seitdem wurde es in zahlreichen Buchern und Ausstellungen gezeigt und nahm dabei teilweise eine zentrale Rolle ein. Es gilt als das bekannteste Foto aus Millers Zeit als Kriegsberichterstatterin. Auch im Spielfilm Die Fotografin (2024) wurde die Aufnahme der Bilder in Hitlers Badewanne mit Kate Winslet als Miller und Andy Samberg als Scherman nachgestellt. Mitte der 1990er Jahre begann die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Motiv, wobei sie sich vor allem auf das von Penrose veroffentlichte Foto konzentrierte. Zahlreiche Wissenschaftlerinnen interpretierten das Foto und betteten es in die Kunstgeschichte ein. So heben mehrere Analysen hervor, dass das Motiv der Badenden eine lange Tradition hat. Es war auch in der Kunst im Nationalsozialismus beliebt und Teil eines Programms zur Verbreitung von Darstellungen makelloser weiblicher Korper. Ein Beispiel ist die Skulptur von Kaesbach auf dem Foto. Die von ihr gezeigte Pose des Armhebens ist dabei haufig in solchen Darstellungen anzutreffen und dient dazu, die Bruste gut zur Geltung zu bringen. Miller bricht jedoch mit diesem Motiv, da ihre Korperhaltung mehr von ihr verbirgt als sie zeigt. Mehrfach wurde Millers Bad als Geste des Sieges uber Hitler und Nazi-Deutschland gedeutet. Auch eine Art Rache fur die von Hitler Verfolgten wurde in dem Bild gelesen. So wird immer wieder hervorgehoben, dass Miller den Dreck und die Asche der Verstorbenen aus dem KZ Dachau in Hitlers Wanne abwusch und auf seiner Fußmatte zuruckließ. Zudem wird auf die als Duschen getarnten Gaskammern in deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagern verwiesen. Laurie Monahan wendet jedoch ein, dass den Leserinnen der Vogue gar nicht bewusst war, dass Miller direkt aus Dachau in Hitlers Wohnung kam. Zudem zeige weder das Foto noch Millers Bericht uber seine Entstehung viel vom Ruhm des Sieges und der Besetzung des feindlichen Gebietes. Millers nackter und verletzlicher Korper eigne sich kaum als Symbol fur einen triumphierenden Sieger. Laut Jutta Goner entmystifiziert das Foto Hitlers Status als Fuhrer, wenn er am Rande seiner Badewanne zum Zuschauer degradiert wird. Sie verweist dabei auf eine Passage aus einem oft zitierten Brief Millers an die Vogue-Redakteurin Audrey Withers nach Hitlers Tod. Hitler sei fur sie jahrelang nie wirklich lebendig gewesen, sondern nur ein „boses Maschinenmonster“. Erst der Kontakt zu Menschen, die ihn kannten, und der Besuch seines Hauses hatten ihn fur sie weniger mythisch, aber dafur nur umso schrecklicher werden lassen. Dass er menschliche Angewohnheiten gehabt habe, lasse ihn wie einen Affen erscheinen, der einen mit seinen Gesten beschamt, da er den Menschen als Zerrbild spiegele. Laurie Monahan weist darauf hin, dass der letzte Satz dieser Textstelle selten mitzitiert werde. Miller schreibt darin „There, but for the grace of God walk I“, was etwa so viel bedeutet wie „Es hatte auch mich erwischen konnen“. Sie deute also an, dass jeder Mensch so wie Hitler werden konne. Monahan sieht das Foto von ihr in Hitlers Bad als Ausdruck dieser Vorstellung. Andere Analysen konzentrieren sich auf psychoanalytische Aspekte. So bezeichnet Amy J. Lyford das Bild als „krankhaften Scherz“, den Miller als eine Art Ventil benutzt habe, um sich von den Schreckensbildern aus Dachau zu befreien. Melody Davis hingegen sieht die Fotografien als Millers Versuch, die odipale Verehrung ihres Vaters sowie den sexuellen Missbrauch durch einen Bekannten der Familie im Alter von sieben Jahren zu verarbeiten. Literatur Melody Davis: Lee Miller. Bathing with the Enemy. In: History of Photography. Band 21, Nr. 4, 1997, S. 314–318, doi:10.1080/03087298.1997.10443853 (englisch). Jutta Goner: Lee Miller in Hitlers Badewanne. Selbstinszenierung einer amerikanischen Fotografin. In: Metis. Zeitschrift fur historische Frauen- und Geschlechterforschung. Band 6, Nr. 11, 1997, S. 123–131, doi:10.25595/1622. Katharina Menzel-Ahr: In Hitlers Badewanne. Die visuelle Demontage der Macht. In: Gerhard Paul (Hrsg.): Das Jahrhundert der Bilder. 1900 bis 1949. Vandenhoeck & Ruprecht, Gottingen 2009, ISBN 978-3-525-30011-4, S. 706–713. Laurie Monahan: Waste Management. Hitler’s Bathtub. In: Journal of Surrealism and the Americas. Band 5, Nr. 1–2, 2011, hdl:2286/R.I.17394, S. 98–111 (englisch). Einzelnachweise
Lee Miller in Hitlers Badewanne ist ein auf mehreren Schwarzweißfotografien abgebildetes Motiv aus dem Jahr 1945. Die Fotos zeigen die Fotografin Lee Miller, wie sie in der Privatwohnung Adolf Hitlers in Munchen ein Wannenbad nimmt. Aufgenommen wurden sie kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs von David E. Scherman, mit dem Miller zu dieser Zeit als Kriegsberichterstatterin in Deutschland unterwegs war. Eines der Fotos erschien im Juli 1945 in der Vogue, ohne großere Aufmerksamkeit zu erregen. Danach gerieten die Fotografien in Vergessenheit, bis eines von ihnen in den 1980er Jahren – nach Millers Tod – von ihrem Sohn erneut publiziert wurde. Seitdem wurden Fotos von Miller in Hitlers Wanne in zahlreichen Publikationen und Ausstellungen gezeigt und von verschiedenen Wissenschaftlerinnen analysiert.
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c-289
Yad La-Shiryon (offizieller Name Gedenkstatte und Museum des israelischen Panzerkorps in Latrun; hebraisch יד לשריון) ist eine Gedenkstatte fur gefallene Soldaten der israelischen Verteidigungsstreitkrafte und ein Militarmuseum in Latrun. Es befindet sich auf dem Gelande eines ehemaligen britischen Polizeiforts und am historischen Schlachtfeld von Latrun. Seit seiner Grundung 1982 hat sich das Museum zu einem zentralen Ort der Erinnerung, Forschung und militarischen Bildung entwickelt. Entstehung der Statte = Initiierung = Die Idee zur Errichtung von Yad La-Shiryon hatten 1978 ehemalige Offiziere des israelischen Panzerkorps. Ziel war es, die Geschichte der gepanzerten Streitkrafte Israels zu dokumentieren und zu wurdigen. Die Grundsteinlegung war am 14. Dezember 1982. = Ted Arison und die Ted Arison Family Foundation = Eine bedeutende Rolle bei der Finanzierung und Unterstutzung des Museums spielte Ted Arison, ein israelisch-amerikanischer Reeder und Grunder von Carnival Cruise Lines. Er grundete die Ted Arison Family Foundation, die sich fur kulturelle und gemeinnutzige Projekte in Israel engagiert. Die Stiftung war maßgeblich an der finanziellen Forderung von Yad La-Shiryon beteiligt und unterstutzte die Entwicklung des Museums durch strategische Investitionen. Ted Arison war selbst Mitglied des Panzerkorps. Ausstellung und Besucherzahlen Seit seiner Eroffnung entwickelte sich Yad La-Shiryon von einer reinen Ausstellungshalle zu einer interaktiven Gedenkstatte. In dem Museum stehen uber 160 Panzer und gepanzerte Fahrzeuge. Dazu gehoren israelische Modelle wie der Merkava und erbeutete oder erworbene Fahrzeuge aus anderen Landern, darunter der T-34, T-54, T-55, T-62 und ein amerikanischer M4 Sherman sowie ein deutscher Leopard. Neben dieser Sammlung verfugt das Museum auch uber ein Amphitheater, ein Auditorium fur Prasentationen und Vortrage sowie eine Gedenkwand, auf der die Namen aller gefallenen Soldaten des israelischen Panzerkorps eingraviert sind. Eine Ausstellung uber judische Soldaten im Zweiten Weltkrieg ist ebenfalls Teil des Museums. Die Besucherzahlen sind uber die Jahre kontinuierlich gestiegen, wobei die Kombination aus militarischer Geschichte und moderner Prasentationstechnik eine breite Zielgruppe anspricht. Besonders an nationalen Feiertagen und Gedenktagen verzeichnet das Museum einen hohen Besucherandrang. Bedeutung Das Museum zeigt die Geschichte der israelischen Panzertruppen und hat jahrlich mehrere Tausende Besucher. Es ist nicht nur historische Ausstellung, sondern auch Bildungszentrum fur Militarangehorige, Historiker und Touristen. Siehe auch Schlachten von Latrun Weblinks Einzelnachweise
Yad La-Shiryon (offizieller Name Gedenkstatte und Museum des israelischen Panzerkorps in Latrun; hebraisch יד לשריון) ist eine Gedenkstatte fur gefallene Soldaten der israelischen Verteidigungsstreitkrafte und ein Militarmuseum in Latrun. Es befindet sich auf dem Gelande eines ehemaligen britischen Polizeiforts und am historischen Schlachtfeld von Latrun. Seit seiner Grundung 1982 hat sich das Museum zu einem zentralen Ort der Erinnerung, Forschung und militarischen Bildung entwickelt.
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c-290
Lena Kuchler-Silberman (hebraisch לנה קיכלר-זילברמן Lenah Kikhler-Zilberman; geboren im Januar 1910 in Wieliczka, Konigreich Galizien und Lodomerien, Osterreich-Ungarn als Lena Kuchler; gestorben am 6. August 1987 in Tel Aviv-Jaffa, Israel) war eine Akteurin des Judischen Widerstands gegen den Nationalsozialismus in Polen. Sie rettete zahlreiche judische Kinder aus dem Warschauer Ghetto vor dem Holocaust und ubernahm nach Kriegsende die Rolle einer ‚Ersatzmutter‘ fur mehr als 100 Waisen. Ihre Geschichte beschrieb sie in mehreren Buchern, die spater auch zur Grundlage eines Films wurden. Jugend und Ausbildung Lena Kuchler wuchs in der polnischen Kleinstadt Wieliczka nahe Krakau auf. Ihr Vater war Elja Kuchler, ihre Mutter hieß mit Geburtsnamen Sara Brenner. Lena besuchte zunachst die Judische Volks- und Mittelschule und anschließend das Hebraische Gymnasium in Krakau. Nach ihrem Schulabschluss studierte Kuchler Philosophie, Psychologie und Padagogik an der Jagiellonen-Universitat Krakau. Sie schloss ihr Studium mit dem Magister artium ab und arbeitete anschließend als Lehrerin an einer judischen Schule in Bielsko. Parallel dazu war sie an der dortigen Hochschule in der Lehrerausbildung tatig. Im Holocaust Uber Kuchlers erste Ehe ist nur wenig bekannt. Nach dem deutschen Uberfall auf Polen im Jahr 1939 floh ihr Ehemann Alfred vor den Nationalsozialisten nach Lwiw in Ostpolen (heute Ukraine). Lenas Mutter war kurz vor dem Krieg gestorben, weshalb Kuchler zunachst zu ihrem Vater nach Wieliczka reiste. Wenig spater folgte sie ihrem Mann nach Lwiw, wo ihre gemeinsame Tochter Mira geboren wurde. Mira starb noch im Sauglingsalter, woraufhin Kuchler nach Wieliczka zuruckkehrte. Als die deutschen Besatzer begannen, die judische Bevolkerung von Wieliczka ins Vernichtungslager Belzec zu deportieren, floh Lena Kuchler nach Warschau. Erst spater erfuhr sie, dass ihr Vater von der Gestapo bei einer Razzia erschossen worden war, wahrend er krank im Bett lag. Im Warschauer Ghetto wurde Lena Kuchler wie fast alle Judinnen und Juden dazu verpflichtet, Zwangsarbeit in einer Fabrik zu leisten. Schließlich entschied sie sich, mit gefalschten Papieren in den Untergrund zu gehen. Sie schloss sich dem geheimen judischen Widerstand an und rettete unter Lebensgefahr zahlreiche Kinder aus dem Ghetto – entweder um sie vor der Deportation zu bewahren oder weil ihre Eltern ermordet worden waren. Das Ghetto war voller hungriger und verwahrloster Kinder, die bettelnd durch die Straßen irrten.Kuchler brachte die Kinder unter anderen Namen in christlichen Klostern oder bei wohlgesinnten polnischen Familien unter. In ihren Berichten schilderte sie eindruckliche Szenen: Einmal fand sie ein Baby auf der Leiche seiner Mutter liegend. Sie versteckte es unter ihrem Mantel und ubergab es einem Kloster auf der „arischen“ Seite Warschaus. Wahrend ihrer Tatigkeit im Untergrund entging Kuchler mehrmals nur knapp einer Verhaftung durch die SS. Schließlich wurde ihre falsche Identitat bei einer Kontrolle enttarnt, doch sie konnte in letzter Minute fliehen und fand Zuflucht im Dorf Janowek in Ostpolen. Dort arbeitete sie bis zur Befreiung 1945, als christliche Polin getarnt, als Kindermadchen fur die Familie eines Grafen. Nach dem Krieg Im Fruhjahr 1945 besuchte Kuchler das Krakauer Buro des Judischen Komitees und traf dort auf zahlreiche Kinder, die ihre Angehorigen verloren hatten oder von ihnen getrennt worden waren. Sie trat dem Komitee bei und half bei der Grundung eines Heims fur judische Waisen in Rabka, das zunachst etwa 120 Kindern Zuflucht bot. In ihren Memoiren schilderte sie, wie schwierig es war, Kontakt zu den traumatisierten Kindern aufzunehmen: Ich wurde mit allen Kindern allein gelassen. Es waren etwa 50, vielleicht auch mehr. Wie konnte man sie zahlen? Sie rannten wie die Verruckten durch den Raum, schubsten und schlugen sich und zogen sich an den Haaren, und wenn sie sich wehgetan hatten, fluchteten sie in die Ecken, um sich zu verstecken. [...] In einer Ecke lagen ein paar schmutzige Decken ausgebreitet; die Kinder verkrochen sich unter den Decken und versteckten sich, so wie sie sich vor der Selektion im Lager in Lumpenhaufen verborgen hatten. [...] Jetzt umringten mich die Kinder mit ausgestreckten Armen und hungrigen Augen und riefen: „Essen! Gib mir Suppe!“ Ein kleines Madchen kratzte mich am Knie, zerrte und zog an meinem Kleid und rief: „Gib mir Suppe!“ [...] Ich drehte mich zu den Kindern um und sagte: „Kommt zu mir, Kinder! Lasst uns einen Kreis bilden und spielen.“ Aber kein einziges Kind hielt meine Hand. [...] Es hatte keinen Sinn, mit diesen Kindern spielen zu wollen. Sie waren nur hungrig. Kurz nach der Grundung im August 1945 wurde das Heim aus antisemitischen Motiven von der christlichen Nachbarschaft attackiert. Die Angreifer beschimpften, bedrohten und schlugen die Kinder, warfen Handgranaten in die Fenster und legten sogar Feuer. Aufgrund dieser zunehmenden Gewalt sah sich Kuchler gezwungen, das Heim nach Zakopane zu verlegen, doch auch dort waren die Kinder ahnlichen Angriffen ausgesetzt. Kuchler organisierte einen bewaffneten Wachdienst fur das Heim, konnte aber nicht verhindern, dass sie selbst uberfallen wurde:Dann gab es einen Angriff auf mich. Nur wissen wir nicht genau, was es war, ob es politisch war oder ein Raububerfall, denn einmal, als ich um sechs Uhr abends nach Hause kam, war ich nicht einmal in der Nahe meines Hauses. Es hatte bereits begonnen, dunkel zu werden. Zwei Personen mit einem Revolver uberfielen mich und raubten mich aus. Dann nahmen sie mir mehrere tausend Zloty ab und schlugen mich schwer. Ich hatte Prellungen am ganzen Korper und war verletzt. Sie fesselten mich, warfen mich auf den Boden und schlugen mich. Zu dieser Zeit hatte ich keine Waffe.Nach dem Uberfall entschied Lena Kuchler sich schließlich zur Flucht aus Polen: Mit 60 Kindern und zehn Betreuungspersonen reiste die Gruppe uber Prag nach Frankreich, wo sie drei Jahre blieb. Fur wenige Kinder hatten Kuchler zuvor uberlebende Familienangehorige ausfindig machen konnen, die die Kleinen aufnahmen. Kurz bevor sie Zakopane verließ, ließ sie sich aus unbekannten Grunden von ihrem Mann Alfred scheiden. Im April 1949 wanderte Lena Kuchler mit etwa 40 verbliebenen Waisenkindern nach Israel aus. Die Kinder und ihre Betreuer kamen im Kibbuz Kvuzat Shiller unter, wahrend Kuchler weiterreiste und sich in Tel Aviv niederließ. Dort heiratete sie ihren zweiten Mann, Mordechai Silberman, und brachte mit 47 Jahren ihre gemeinsame Tochter Schira zur Welt. In Tel Aviv setzte sie ihr Studium fort und spezialisierte sich auf Kinder- und Entwicklungspsychologie. Nach ihrer Promotion lehrte sie Psychologie und Padagogik an der Universitat Tel Aviv. Mit einigen der von ihr betreuten Kinder blieb sie zeitlebens in engem Kontakt. Tod und Vermachtnis Lena Kuchler-Silberman starb 1987 in Tel Aviv-Jaffa. Ihr Andenken wird durch eine Straße sowie eine Gedenkstatte in Israel geehrt. Zudem wurde ihre Geschichte im Fernsehfilm Lena: My 100 Children verarbeitet, der 1987 auf NBC ausgestrahlt wurde. Von fast einer Million judischer Kinder, die es 1939 in Polen gab, uberlebten nur etwa funftausend. Schriften Lena Kuchler-Silberman schrieb funf Bucher, von denen einige in zehn Sprachen veroffentlicht wurden: My Children (Yiddish: Mayne Kinder), als Manuskript 1948 in Paris veroffentlicht. One Hundred Children (Hebraisch: Meah Yeladim Sheli; Deutsch: Hundert Kinder. Ein polnischer Exodus), Erstauflage 1959 durch Yad Vashem und Kiryat Sefer. Englische Neuauflage 2021 durch Hassell Street Press, ISBN 978-1015022539. We Accuse (Wir klagen an, Hebraisch: Anu Ma‘ashimim), Sifriat Poalim 1961. The Hundred coming home (100 kommen heim; Hebraisch: Ha – Meah la – Gvulotam), Schocken 1969 My Mother's House (Das Haus meiner Mutter; Hebraisch: Beit Imi), Schocken 1985. Weblinks Library of Congress: Kikhler-Zilberman, Lenah Interview von David P. Boder mit Lena Kuechler 1946 in Frankreich (mit deutschsprachigem Transkript) Video: Interview with Tatiana Benharbone, die als Kind von Kuchler-Silberman gerettet wurde (englisch) Video: Holocaust survivor Miriam-Mira Erlich talks about life at the children's homes in Rabka and Zakopane (engl. Untertitel) Einzelnachweise
Lena Kuchler-Silberman (hebraisch לנה קיכלר-זילברמן Lenah Kikhler-Zilberman; geboren im Januar 1910 in Wieliczka, Konigreich Galizien und Lodomerien, Osterreich-Ungarn als Lena Kuchler; gestorben am 6. August 1987 in Tel Aviv-Jaffa, Israel) war eine Akteurin des Judischen Widerstands gegen den Nationalsozialismus in Polen. Sie rettete zahlreiche judische Kinder aus dem Warschauer Ghetto vor dem Holocaust und ubernahm nach Kriegsende die Rolle einer ‚Ersatzmutter‘ fur mehr als 100 Waisen. Ihre Geschichte beschrieb sie in mehreren Buchern, die spater auch zur Grundlage eines Films wurden.
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c-291
Konstantin Alexander Ypsilantis (griechisch Κωνσταντινος Αλεξανδρος Υψηλαντης; * 1760 in Konstantinopel; † 6. Juli 1816 in Kiew) war ein griechisch-phanariotischer Adeliger. Er stand zunachst als Dragoman in osmanischen Diensten und wurde spater zum Gospodar und Woiwoden der Moldau (1799–1801, 1807) sowie der Walachei (1802–1807) ernannt. In diesen Rollen wirkte er an Reformprozessen innerhalb des Osmanischen Reiches und der Donaufurstentumer mit. Daruber hinaus knupfte er Verbindungen zur Serbischen Revolution und initiierte Vorbereitungen fur die griechische Revolution. Leben = Herkunft, fruhe Jahre und Gesinnung = Konstantins machtige phanariotische Familie, die Ypsilantis, stammte ursprunglich aus der byzantinischen Adelsdynastie der Komnenen, die zeitweise den Kaiser stellten. Sein Vater war Alexander Ypsilantis und hatte hohe Amter im Osmanischen Reich inne. Seine Mutter, Aikaterini Mourousi, kam aus dem Hause Mourousis. Bereits in jungen Jahren erstrebte Konstantin westliche Bildung im aufklarerischen Rahmen. Nachdem die Unabhangigkeitsbestrebungen seines Vaters und von ihm gescheitert waren, flohen er und sein Bruder Dimitrie am 28. Dezember 1781 von Bukarest nach Siebenburgen, um unter dem aufgeklarten Kaiser Joseph II. zu studieren. In Wien empfing sie der Kaiser, uberredete sie jedoch zur Ruckkehr, um diplomatische Spannungen mit der Hohen Pforte zu vermeiden. Konstantin beherrschte mehrere Fremdsprachen. Sein Vater schickte ihn fur sein Studium „westlichen Geistes“ zu renommierten Intellektuellen wie Franz Sulzer und Iosipos Moisiodax. = Karriere bei der Hohen Pforte = Im Jahr 1796 wurde Konstantin zum Großdragoman ernannt, nachdem er als Erster Vaubans militarische Schriften in einer wissenschaftlichen Ubersetzung fur den Sultan ubertragen hatte, eine Leistung, die ihm „die Bewunderung der Turken und die Gunst des Sultans“ sicherte. In seiner Amtszeit (1796–1799) wirkte er an den Reformen des Nizam-ı Cedid mit und spielte eine Schlusselrolle bei der Vertreibung der Franzosen von den Ionischen Inseln. Seine Empfehlung fuhrte zur Grundung der Republik der Sieben Inseln unter russisch-osmanischem Einfluss. In seiner franzosisch-kritischen Haltung trieb Konstantin die Beteiligung des Osmanischen Reiches am Zweiten Koalitionskrieg (1798–1802) voran. = Herrschaft in Moldau und der Walachei = Am 7. Marz 1799 wurde Konstantin zum Gospodar der Moldau ernannt (bis 10. Juli 1801). Durch Steuerermaßigung gewann er die Loyalitat der Bevolkerung und Russlands. Vom Okumenischen Patriarchat von Konstantinopel wurde ihm Lykourgos Logothetis, Sekretar, Berater und spaterer Revolutionsfuhrer von Samos, zur Seite gestellt. In der krisengeschuttelten Walachei wurde Konstantin schließlich auf Betreiben lokaler Herrscher und mit Unterstutzung der Botschafter Preußens, Englands und Russlands am 30. August oder 22. September 1802 zum Gospodar der Walachei ernannt. Wesentliche Maßnahmen seiner Herrschaft: Wirtschaftspolitik: Wahrend seiner Herrschaft in der Moldau forderte er den Wohlstand durch Schuldenregulierung. Militarische Reformen: Ab 1803 stellte er eine walachische Armee auf und schloss mit Osman Pazvantoglu, dem Pascha von Widin, ein Abkommen, das weitere Uberfalle auf die Walachei verhinderte. Gleichzeitig versorgte er weiterhin osmanische Truppen. Justizreformen: Er starkte das walachische Rechtssystem, indem er 1803 einen Polizisten, der einen Gefangenen eigenmachtig gefoltert hatte, mit Bastonade (Fußsohlenschlagen) und Zwangsarbeit bestrafte. Fur den Fall des Ablebens des Gefangenen wurde die Todesstrafe durch Erhangen angedroht. Diese Entscheidung unterstrich das Prinzip der staatlichen Gerichtsbarkeit. Religiose Toleranz: 1804 rief er die orthodoxe Geistlichkeit zur Maßigung auf, als antisemitische Schriften auftauchten. Außenpolitische Initiativen: Er unterstutzte die Serbische Revolution (ab 1804) gegen das Osmanische Reich und versuchte mehrfach, Russland zur Besetzung der Donaufurstentumer zu bewegen, um ein autonomes „Dazien“ zu schaffen. Dieses sollte neben Moldau und der Walachei auch Serbien umfassen und unter seiner Fuhrung stehen. Seine Plane scheiterten schließlich an innenpolitischen Spannungen und dem Frieden von Tilsit (1807). = Absetzung und Wiederernennung = Konstantins Herrschaft endete abrupt am 24. August 1806, als der Sultan auf Druck des franzosischen Botschafters Horace-Francois Sebastiani seine Absetzung anordnete. Sebastiani hatte Konstantin eine ausgepragte prorussische Haltung vorgeworfen. Ein osmanischer Beamter uberbrachte den widerrufenden Ferman nach Bukarest, der gleichzeitig Konstantins Enthauptung verfugte. Auf russischen Druck hin wurde er jedoch bereits im Oktober desselben Jahres wieder in sein Amt eingesetzt. In dieser Zeit vereinte er kurzzeitig Moldau und die Walachei, was zuvor nur Mihai Viteazul gelungen war. Nach der Entdeckung seiner Unabhangigkeitsbestrebungen floh Konstantin im November 1806 nach Sankt Petersburg. = Russisch-Turkischer Krieg und Exil = Im Zuge des Russisch-Turkischen Krieges (1806–1812) marschierte Russland im November 1806 in das Osmanische Reich ein, wodurch Konstantin zusammen mit einer russischen Armee von 23.000 Mann nach Bukarest zuruckkehrte. Dort stellte er ein „griechisches Freiheitscorps“ fur die Unabhangigkeitserlangung des vom Osmanischen Reiches besetzten Griechenlands auf. Zu dieser Zeit koordinierte er weiterhin die Verwaltung der nun von Russland besetzten Furstentumer und unterhielt auch Kontakte zu Akteuren der Serbischen Revolution. Die russischen Truppen unterhielt er zudem mit eigenen Einheiten. Die Plane Konstantins fur ein unabhangiges Dazien scheiterten schließlich aufgrund mehrerer Faktoren: der Uneinigkeit zwischen russischen Generalen sowie lokalen Bojaren, der neuen „Orientpolitik Russlands“ sowie des Friedens von Tilsit. Am 28. August 1807 musste Konstantin endgultig abdanken. Daraufhin reiste er zuerst nach Sankt Petersburg, dann 1810 nach Kiew ins russische Exil, wo er starb. Einem Hinweis nach starb er (womoglich 1810) aufgrund eines schweren Schlaganfalls. Schließlich wurde Alexander Soutzos als sein Nachfolger in den Donaufurstentumern ernannt. Nachwirken Sein politisches Erbe lebte in seinen funf Sohnen fort, insbesondere durch Alexander und Dimitrios Ypsilantis, die wahrend der Griechischen Revolution von 1821 fuhrende Rollen einnahmen. Neben seinen politischen und militarischen Aktivitaten komponierte Konstantin auch musikalische Werke, von denen der Großteil bis heute unveroffentlicht blieb. Ehrung Zar Alexander I. wurdigte Konstantins Dienste mit der Uberlassung eines Stadthauses in Kiew, wo dieser bis zu seinem Tod 1816 unter strenger Uberwachung lebte. In Kiew erinnern heute zwei Denkmaler, sein Grabmal und das ehemalige Wohnhaus an Konstantin. Das historische Gebaude, das bis in die 2010er Jahre als kleines Museum diente, befindet sich heute im Besitz der ukrainischen Regierung. Einzelnachweise
Konstantin Alexander Ypsilantis (griechisch Κωνσταντινος Αλεξανδρος Υψηλαντης; * 1760 in Konstantinopel; † 6. Juli 1816 in Kiew) war ein griechisch-phanariotischer Adeliger. Er stand zunachst als Dragoman in osmanischen Diensten und wurde spater zum Gospodar und Woiwoden der Moldau (1799–1801, 1807) sowie der Walachei (1802–1807) ernannt. In diesen Rollen wirkte er an Reformprozessen innerhalb des Osmanischen Reiches und der Donaufurstentumer mit. Daruber hinaus knupfte er Verbindungen zur Serbischen Revolution und initiierte Vorbereitungen fur die griechische Revolution.
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c-292
Robert Burda (* 1942 in Neuburg an der Donau) ist ein deutscher Maler der Outsider Art. Leben Robert Burda wurde in Oberbayern geboren und wuchs nach Kriegsende im Bremer Stadtteil Blumenthal auf. Pragend war fur ihn die Geborgenheit seines Elternhauses. Bereits als Kind zeichnete er Straßenbahnen, Schiffe und Fahrzeuge der Bremer Buslinien, deren technische Entwicklung ihn begeisterte. Schon in jungen Jahren hatte er immer wieder Aufenthalte in psychiatrischen Einrichtungen. Auch dort dokumentierte er seine Umgebung, indem er etwa die Schlaf- und Essenssale aus der Vogelperspektive zeichnete. 1968 kam Robert Burda in den Wohnbereich auf dem Alexianer-Campus und besucht seit 1976 die Maltherapie, seit 1984 die Kunsttherapie und hat einen festen Arbeitsplatz im Atelier des Kunsthauses Kannen. Als einer der ersten Bewohner zog er in eine gemeindeintegrierte Wohngruppe, die sich nicht auf dem Gelande der Stammeinrichtung befindet. Obwohl er in verschiedenen Einrichtungen lebte, hat er ein enges Verhaltnis zu seiner Familie und pflegte mit seiner Mutter einen regelmaßigen Briefaustausch, in dem er besondere Ereignisse und Beobachtungen im Haus Kannen schilderte. Werk Robert Burdas Arbeiten bestehen aus einer Mischung aus Bild und Schrift. Er arbeitet an einzelnen Bildern oft uber mehrere Monate und uberarbeitet auch abgeschlossene Arbeiten nach Jahren erneut. Die Arbeiten werden von ihm mit dazugehorigen Zeitungsartikeln in verschiedenen Sammelmappen eingeordnet. Meistens verwendet er eine Vogelperspektive. Zunachst entsteht eine technisch genaue, detailreiche Zeichnung, bei der die Details anschließend zusatzlich farbig hervorgehoben und teilweise beschriftet werden. Seine Werke sind von seiner Umgebung und personlichen Erlebnissen inspiriert. „Die bunten Zeichnungen spiegeln eine haargenaue Raumaufteilung vom Sommerfest, Faschingsfest und Theaterbesuch wider. Auf jedem Blatt werden der Wochentag, das Datum, der Ort und die Adresse in Schonschrift notiert. Mit Blumenornamenten, Linien oder Schriftzugen wird das Details (sic!) umrandet, bis das Blatt voll ist und er im Mittelpunkt der Szene steht.“ Andere Werke haben die Kindheit zum Thema und geben einen Einblick in die elterliche Wohnung mit detailliert gezeichnetem Kinderzimmer und der Kuche. In seinen Selbstportrats halt er sein Alter und aktuelle Gemutszustande fest, erganzt mit Datum und weiteren Tagesgeschehnissen. Neben den Einblicken in das personliche Leben und die liebevolle Beziehung zu seiner Mutter spiegeln Robert Burdas Bilder auch die historische Entwicklung und allmahliche Psychiatriereform wider, von den Bettensalen der Nachkriegszeit bis zur Ausstattung heutiger Einrichtungen. Auszeichnungen Im Jahr 2004 wurde Robert Burda mit dem Europaischen Kunstpreis Malerei und Grafik von Kunstlern mit geistiger Behinderung EUWARD 3 ausgezeichnet. Ausstellungen (Auswahl) 2024: Schau mich an. Kunsthaus Kannen, Munster 2022: Meine Alte Zeit. Die Psychiatriegeschichte in den Zeichnungen Robert Burdas. Einzelausstellung, Kunsthaus Kannen, Munster 2020: Wo bin ich. Kunsthaus Kannen, Munster 2005: Heute ist ein nagelneuer Tag. Einzelausstellung, Kunsthaus Kannen, Munster 2004: EUWARD 3. Haus der Kunst, Munchen 1999: Die ungewisse Ordnung der Dinge. Kunstverein Aschaffenburg 1995: Ans Licht geholt. Kunstpalast, Dusseldorf, mit Katalog 1995: Individuen. Kolvenburg, Billerbeck 1994: Rathaus, Senden Publikationen Robert Burda – Zeichnungen. Alexianer-Krankenhaus, Munster 2005, ISBN 3-930330-14-8 (Konferenzschrift und Ausstellungskatalog zum Anlass der ersten Einzelausstellung von Robert Burda mit dem Titel Heute ist ein Nagelneuer Tag). Einzelnachweise
Robert Burda (* 1942 in Neuburg an der Donau) ist ein deutscher Maler der Outsider Art.
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Der Napoleonsbrunnen, im Volksmund auch als „Schlangenbrunnen“ bekannt, ist ein Brunnen in der Altstadt der saarlandischen Stadt Blieskastel im Saar-Pfalz-Kreis. Er wurde 1804 errichtet und steht als Einzeldenkmal unter Denkmalschutz. Geschichte Blieskastel befand sich seit 1798 unter franzosischer Herrschaft und war Kantons-Hauptort im Departement de la Sarre. Der Napoleonsbrunnen wurde 1804 von der Blieskasteler Kantonsverwaltung auf dem Marktplatz von Blieskastel errichtet. Dabei wurde der dort bereits vorher existierende Brunnen um einen Obelisken erweitert. Seine Inschrift erinnert an die Verfassung des Ersten Franzosischen Kaiserreiches, die festlegte, dass Napoleon Bonaparte auf Lebenszeit Kaiser der Franzosen sein sollte. Die Inschrift lautet: Die Datumsangabe 28. Floreal des Jahres 12 entspricht im Franzosischen Revolutionskalender dem 18. Mai 1804, das ist der Tag, an dem die Verfassung vom Senat fertiggestellt wurde. Die Einweihung des Brunnens erfolgte am 2. Dezember 1804, dem Tag der Kaiserkronung Napoleons I. in der Kathedrale Notre-Dame de Paris. Nach dem Ersten Weltkrieg gehorte Blieskastel zum Saargebiet, das mit einem Mandat des Volkerbundes fur 15 Jahre unter franzosische Verwaltung gestellt worden war. Daher fand am 4. Mai 1921, dem Tag vor Napoleons hundertstem Todestag, am Napoleonsbrunnen eine Napoleonsfeier statt, bei der feierlich ein Kranz angebracht und Salut geschossen wurde. Ein Jahr spater wurde der Brunnen auf Anregung von Victor Rault, dem damaligen Prasidenten der Regierungskommission des Saargebietes, restauriert. Bei der Volksabstimmung 1935 entschieden sich die Bewohner des Saargebietes fur eine Ruckgliederung an Deutschland. 1939 wurde die Inschrift auf Beschluss des Blieskasteler Stadtrats entfernt, der sie als „unliebsame Erinnerung an die einstige Fremdherrschaft“ bezeichnete. Nach dem Zweiten Weltkrieg – das Saarland stand nun wieder unter franzosischer Kontrolle – beschloss der Stadtrat 1946, den Marktplatz in „Napoleonsplatz“ umzubenennen und die Inschrift wieder anbringen zu lassen. Dabei wurde bei der Inschrift im Datum falschlicherweise der 25. Floreal statt des 28. Floreal eingekerbt. Von 2023 bis 2024 wurde der Brunnen erneut saniert, da der Sandstein an mehreren Stellen Beschadigungen aufwies. Neben der Instandsetzung des Innenlebens des Brunnens wurden die gusseiserne Schlange repariert, die Girlanden neu gestrichen und die auf dem Obelisken vorhandene Inschrift mit Blattgold verziert. Die beiden kleineren Becken des Brunnens wurden stillgelegt und bepflanzt. Beschreibung Der aus drei Becken bestehende Brunnen ist im Empire-Stil gestaltet. Der auf den Becken stehende Obelisk ist aus Sandstein gefertigt und an der Spitze von einem farbigen Feston, also einem „Blutengehange“, bekront. Um den unteren Teil der Saule windet sich eine Urausschlange aus Sandstein, deren aus Metall gefertigter Kopf in den Brunnen ragt und diesen mit Wasser speist. Urausschlange und Obelisk sind Symbole der altagyptischen Religion und Kunst, die zur Zeit der Errichtung des Napoleonsbrunnens durch die Beutestucke, die Napoleon kurz zuvor von seiner Agyptischen Expedition mitgebracht hatte, von großem Interesse waren und an vielen Orten kopiert wurden. Die Schlange ist der Grund, warum das Bauwerk im Volksmund „Schlangenbrunnen“ genannt wird. Sie sollte ein allegorischer Appell an Napoleon sein, das 1793/1794 annektierte Gebiet an der Saar weise zu regieren. Literatur Kurt Legrum: Spaziergang durch die graflich-leyensche Residenz Blieskastel. St. Ingbert 1995. Ludwig Linsmayer: Politische Kultur im Saargebiet 1920–1932. St. Ingbert 1992. Weblinks Barocke Altstadt. In: blieskastel.de. Abgerufen am 20. April 2025. Klaus Friedrich: Napoleon stellte die Weichen fur das heutige Saarland. In: Saarbrucker Zeitung. 13. August 2019, abgerufen am 21. April 2025. Einzelnachweise
Der Napoleonsbrunnen, im Volksmund auch als „Schlangenbrunnen“ bekannt, ist ein Brunnen in der Altstadt der saarlandischen Stadt Blieskastel im Saar-Pfalz-Kreis. Er wurde 1804 errichtet und steht als Einzeldenkmal unter Denkmalschutz.
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Serving (englisch Servieren) ist ein englischsprachiges Lied, das von der maltesischen Sangerin Miriana Conte interpretiert wurde. Mit dem Titel vertrat sie Malta beim Eurovision Song Contest 2025 in Basel. Der von ihr mit Benjamin Schmid, Matt Mercieca und Sarah Fullerton geschriebene Titel trug in einer fruheren Fassung den Namen Kant (maltesisch Singen). Hintergrunde Conte nahm im Januar 2025 an der maltesischen Vorentscheidung zum Grand Prix teil, dem Malta Eurovision Song Contest 2025 von PBS. Im zweiten Halbfinale am 6. Februar 2025 qualifizierte sie sich fur das Finale am 8. Februar. Wahrend sie in der Juryabstimmung lediglich Zweite wurde, gewann sie die Telefonabstimmung und entschied den Wettbewerb mit insgesamt 182 Stimmen fur sich. Das Lied wurde von Conte gemeinsam mit Benjamin Schmid, Matt Muxu Mercieca und Sarah Evelyn Fullerton getextet und komponiert. Die Produktion erfolgte ausschließlich durch Schmid, der auch das Mastering und die Abmischung ubernahm. Ebenfalls beteiligt (Sound Design) war der Malta-ESC- und Junior-ESC-Teilnehmer Daniel Testa. Inhaltliches Der Titel ist stark durch eine elektronische Instrumentierung gepragt, insbesondere ist die dominante elektronische Perkussion zu nennen. Der Text besteht aus zwei Strophen mit einem Refrain, der den Titel enthalt, sowie einem Pre-Chorus und einer Bridge kurz vor der letzten Wiederholung des Refrains. Wahrend in der ursprunglichen Version der Titel Kant deutlich ausgesprochen wird, so wurde er in Serving komplett entfernt. Laut dem Komponisten Schmid war die Aussprache ein Wortwitz, von dem noch eine gewisse Andeutung erkennbar ist. Laut Conte habe ihre Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitatsstorung die Inspiration zum Titel gegeben, und sie erklarte, wie sie in ihrer Vergangenheit von verschiedenen Seiten dazu aufgefordert wurde, „still zu sitzen“ und die „Hande beisammen zu halten“, und als „unartig“ bezeichnet wurde. Trotz der Konzentrationsstorungen seien Musik und das Singen die einzigen Dinge gewesen, auf die sie sich hatte fokussieren konnen. Conte meinte weiterhin, dass „Kant“ lediglich auf das Singen bezogen sei, aber dass das ahnlich klingende englischsprachige Wort in der LGBT-Gemeinschaft als „Charisma, Unique, Nerve und Talent“ zu verstehen sei und diese Bedeutung moglicherweise nicht verstanden werde. Veroffentlichung Der Titel Kant wurde am 10. Januar 2025 als Musikstream veroffentlicht. Die neue Version Serving wurde mit einem Musikvideo, gedreht von Steven Levi Vella, am 15. Marz prasentiert. Das Video enthalt außerdem ein Sample der Stimme von Faisal Islam bestehend aus der Textzeile „Serving brunch, maybe, I don’t know“ (siehe Rezeption). Die neue Version erschien am 23. April 2025 mitsamt einer Instrumental-Version sowie der ursprunglichen Fassung auf einer EP. Am 9. April veroffentlichte Conte eine reduzierte Live-Version mit ehemaligen Teilnehmern des Malta Eurovision Song Contest als Begleitsanger, die im Archaologischen Nationalmuseum in Valletta aufgenommen wurde. Beim Eurovision Song Contest Mit dem Titel nahm Malta am Eurovision Song Contest teil. Das Land trat hierbei als Startnummer 9 des zweiten Halbfinales am 15. Mai 2025 an. Es konnte sich erfolgreich fur das Finale qualifizieren. Von Startnummer 20 aus erreichte Malta 91 Punkte, was in einem 17. Platz resultierte. Rezeption = Kontroverse um den Liedtitel = Wegen der Homophonie des ursprunglichen Liedtitels Kant mit dem Vulgarausdruck cunt (dt. Fotze) ließ die BBC Mitte Februar 2025 verlauten, dass der Song im Radio weder gespielt noch genannt werden durfe. Conte schloss zu dem Zeitpunkt eine Anderung des Titels noch aus. Weiterhin erklarte sie im Interview mit Faisal Islam von der BBC, der Titel Kant konne auf verschiedene Arten gelesen werden, und bedauerte die Einmischung eines fremden Rundfunks. Sie versicherte, dass sie nie die Absicht hatte, jemanden zu beleidigen. Dennoch wurde sie Anfang Marz von der Europaischen Rundfunkunion (EBU) aufgefordert, den Songtitel zu andern, da es nicht erlaubt sei, ihn in der bisherigen Form aufzufuhren. Die BBC gab offiziell jedoch nicht zu, hinter der Entscheidung der EBU zu stehen. Der maltesische Kulturminister Owen Bonnici kundigte daraufhin mogliche rechtliche Schritte gegen die EBU an. Gleichzeitig wurden verschiedene Referenzen des Titels aus dem Internetauftritt des Wettbewerbs entfernt. = Medienstimmen = Die Deutsche Presse-Agentur erlauterte, dass „in der queeren Szene […] die Redewendung ‚serving cunt‘ durchaus auch positiv konnotiert“ sei. Die Times of Malta lieferte eine ahnliche Interpretation und erwahnte dabei auch, dass kein Zusammenhang mit Immanuel Kant gegeben sei. Giulia Magri sammelte Reaktionen aus dem Internet, die einerseits den professionellen Auftritt Contes am Malta Eurovision Song Contest lobten, wahrend andere kritisierten, dass eine Frau in einem Leopardenanzug auf einem Gymnastikball zum europaischen Wettbewerb geschickt werde. Tobias Schibilla von T-Online bezeichnete die Entscheidung der EBU als „lacherlich“ und als einen „Angriff auf die Kunstfreiheit“. Er kritisierte, dass das Vereinigte Konigreich im Jahr zuvor mit dem Titel Dizzy einen ahnlich anzuglichen Titel geschickt habe und es weder fur die BBC noch fur eine andere Rundfunkanstalt ein Problem gewesen sei. Weiterhin argumentierte er mit dem versuchten Ausschluss Estlands auf Initiative von Italien im selben Jahr und mit moglichen anderen doppeldeutigen Namen anderer Songtitel und Interpreten. Chartplatzierungen Weblinks Songtext Einzelnachweise
Serving (englisch Servieren) ist ein englischsprachiges Lied, das von der maltesischen Sangerin Miriana Conte interpretiert wurde. Mit dem Titel vertrat sie Malta beim Eurovision Song Contest 2025 in Basel. Der von ihr mit Benjamin Schmid, Matt Mercieca und Sarah Fullerton geschriebene Titel trug in einer fruheren Fassung den Namen Kant (maltesisch Singen).
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Fritz Deutsch (geboren 14. April 1921 in Reichenberg, Tschechoslowakei; gestorben 3. November 1990 in Koln) war ein deutscher Goldschmied. Biographie Fritz Deutsch wuchs in Reichenberg auf. Sein Vater starb drei Monate vor seiner Geburt an einer Uberdosis Schlafmitteln. Anfang der 1930er Jahre zog seine Mutter Adele Deutsch geb. Tomasch (1897–1944) nach Koln, weil sie dort eine Arbeitsstelle angeboten bekommen hatte, und der Junge und sein alterer Bruder Karl kamen in die Obhut ihrer Großmutter. Spater folgten die beiden Jungen ihrer Mutter nach Koln. Die Familie beantragte eine Ausreise in die USA, wo die Großmutter inzwischen schon hingezogen war. Da dem Antrag erst 1941 stattgegeben wurde, kam er zu spat. Deutsch, der nach den Nurnberger Rassegesetzen als „Halbjude“ galt, wurde gefangen genommen und Anfang 1943 in das KZ Auschwitz verschleppt, nachdem er schon in Koln ein Jahr lang inhaftiert gewesen war. In Auschwitz musste er Zwangsarbeit leisten. Aus dem Lager schrieb er regelmaßig Briefe an seine Mutter, zuletzt ohne zu wissen, dass sie 1944 bei einem Luftangriff ums Leben gekommen war. Seine Tante schrieb ihm unter dem Namen der Mutter zuruck, um seine Hoffnung aufrechtzuerhalten. Gesundheitlich durch Todesmarsche stark geschwacht, wurde er in Hirschberg (heute Jelenia Gora) befreit. Danach kampfte er mit der Amputation eines Vorderfußes, Lungenproblemen und weiteren Krankheiten. Er kam zunachst nach Prag, wo er als Deutscher galt, weshalb er dort in Gefahr war. 1946 ging er zuruck nach Koln. In Koln besuchte Fritz Deutsch dank des Einsatzes des Grafikers Anton Wolff, eines Freundes seiner Mutter, die Werkschulen. Er schloss sie als Meisterschuler fur Gold- und Silberschmiede bei Elisabeth Treskow ab. Anschließend lebte und arbeitete er als Freischaffender in Koln. Bei vielen von Treskows Arbeiten wirkte er mit oder fuhrte ihre Entwurfe aus. Seine Nachfolge von Elisabeth Treskow an den Werkschulen wurde aufgrund seiner schlechten Gesundheit jedoch abgelehnt. Als Goldschmied zeigte Deutsch besonderes Interesse an der Antike, angeregt durch seine Lehrerin Treskow. Die Altorientalistin Ellen Rehm vermutet, dass der Munz- und Gemmenhandler Tyll Kroha (1929–2015) Deutsch als Beschaffer von Steinen in seiner Arbeit unterstutzte. Eine großere Gruppe seiner Arbeiten nehmen die zwolf Rollsiegelabrollungen ein, die in Gold oder Silber gegossen sind und entweder als Kunstobjekt, etwa als Wandschmuck, oder als Broschen dienten. Dabei wurde das Motiv mindestens zweimal, meist aber mehrmals abgerollt, wodurch dekorative Muster entstanden. Die Abrollungen stammten in der Regel von antiken Originalsiegeln. Deutsch arbeitete sowohl fur die katholische Kirche (Mitarbeit am Tabernakel der Kapelle „Madonna in den Trummern“ in Koln, mit Treskow) wie auch fur Synagogen (wie etwa Tora-Krone und Tora-Schild fur die Kolner Synagoge). Von 1965 bis 1968 restaurierte er gemeinsam mit Treskow und Emma Schempp das Antependium der Stiftskirche St. Nikolaus auf der Comburg. Er restaurierte am Freiburger Munster und fertigte mehrere Amtsketten fur Oberburgermeister an. Er war auch in den 1950er Jahren an der Fertigung der Amtskette fur den Kolner Oberburgermeister nach einem Entwurf von Treskow beteiligt; er fertigte die Granulation. Fritz Deutsch gehorte mit Paul G. Hartkopf und Peter Raacke zu den Schulern von Treskow, die 1949 nach ihrem Entwurf die Meisterschale fur die Deutsche Fußballmeisterschaft schufen. Der Vorgangerpokal, eine Statue der Siegesgottin Viktoria, war wahrend des Zweiten Weltkriegs verloren gegangen. Fur die Skifahrerin Rosi Mittermaier fertigte er einen Halsschmuck, den sie als ihren Glucksbringer betrachtete. Mit ihm errang sie 1976 in Innsbruck ihre Olympiasiege. Mittermaier und Christian Neureuther erhielten von Deutsch, der mit ihnen befreundet war, funf Siegelabrollungen als Geschenk zur Hochzeit. Fritz Deutsch starb 1990 in Folge seiner Lungenerkrankungen in Koln. Auf seinen Wunsch hin wurde er neben seiner Mutter auf dem Evangelischen Friedhof Koln-Mulheim auf Flur G bestattet. Sein Nachlass befindet sich im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Koln. Ein Replikat der DFB-Meisterschale wird im kunftigen Kolner Museum MiQua zur judischen Geschichte der Stadt zu sehen sein. Literatur Rene Emmendorfer: Zum 100. Geburtstag – Die Biografie des Goldschmiedes Fritz Deutsch. In: Laura Cohen/Thomas Otten/Christiane Twiehaus (Hrsg.): Judische Geschichte und Gegenwart in Deutschland. Aktuelle Fragen und Posititionen. Akten der Tagung 12. und 13. April 2021 als Online-Konferenz (= Publikationsreihe MiQua). 2022, ISBN 978-3-96176-172-2, S. 147–148. Rudiger Joppien: Elisabeth Treskow. Goldschmiedekunst des 20. Jahrhunderts. Museum fur Angewandte Kunst, Koln, 22. Mai bis 22. Juli 1990; Deutsches Goldschmiedehaus, Hanau, 12. August bis 7. Oktober 1990. Hrsg.: Museum fur Angewandte Kunst Koln. S. 19/20. Ellen Rehm: Elisabeth Treskow und ihre Schuler. Alter Orient und moderne Goldschmiedekunst. In: Mitteilungen der Deutschen Orient-Gesellschaft zu Berlin. Nr. 154, 2022, S. 148–159 (Fritz Deutsch) (orient-gesellschaft.de [PDF] mit Abbildungen von Schmuckstucken). Weblinks Fritz Deutsch Vita. Landesinnungsverband der Gold- und Silberschmiede sowie Juweliere Nordrhein-Westfalen, 18. November 2020; abgerufen am 8. April 2025. Einzelnachweise
Fritz Deutsch (geboren 14. April 1921 in Reichenberg, Tschechoslowakei; gestorben 3. November 1990 in Koln) war ein deutscher Goldschmied.
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Die Tessina war mit einer Große von 54 × 46 × 17 mm die kleinste zweiaugige Spiegelreflexkamera der Welt und wurde von 1960 bis 1985 in der Schweiz produziert. Kommerziell war sie kein Erfolg, aber Geheimdienste in Ost und West schatzten die kleine Kamera. Geschichte Erfinder der Tessina-Kamera war der deutsche Ingenieur Rudolf Steineck. Er lebte in den 1950er Jahren im Tessin und wahlte deshalb fur seine Erfindung auch den Namen seiner Wahlheimat. Bereits 1954 meldete er ein erstes Patent an, 1955 liess er den Namen schutzen. Steineck hatte bereits zuvor Patente fur optische Gerate angemeldet. Der Ingenieur hatte keinen guten Ruf, was die Umsetzung seiner Ideen anging. Trotzdem gelang es ihm, Siegrist & Cie. in Grenchen von der Produktion zu uberzeugen. Als Konstrukteur konnte er Paul Nagel gewinnen. Er war der Bruder von August Nagel, des Grunders der Contessa-Camerawerke in Stuttgart, eines Betriebs, der spater von Kodak ubernommen wurde. Die Kamera war kommerziell nie ein Erfolg. In Grenchen wurden zwischen 1960 und 1985 rund 25'000 Kameras hergestellt. Den Verkauf wickelte das Unternehmen Concava in Lugano ab, das eigens fur diesen Zweck gegrundet worden war und bis 1967 auch Linsen herstellte. Ausserhalb der Schweiz ubernahmen Partner den Verkauf: fur Deutschland Robot-Berning und fur die USA der Auslandschweizer Karl Heitz in New York. Heitz war Importeur fur Leica-Kameras und hatte gute Kontakte zur US-Regierung. Der Hersteller Siegrist & Cie. verfugte uber keinerlei Erfahrung bei der Herstellung von Kameras und Kamerabestandteilen. Er war ein Zulieferer fur Uhreneinzelteile und wollte mit der Produktion die Diversifikation ausbauen. Schon die Entwicklung der Tessina-Kameras erwies sich teurer als angenommen. Das hing auch damit zusammen, dass der Erfinder zunachst selbststandig Auftrage vergab. Spezifikationen Die Tessina hatte einen Federaufzug mit Motorbetrieb und konnte acht Bilder hintereinander aufnehmen, ohne dass man nachladen musste. Sie verwendete handelsublichen Kleinbildfilm, der aber in spezielle Patronen abgefullt werden musste. Dafur gab es ein eigens entwickeltes Tessina-Umspulgerat. Im Handel waren auch fertig abgefullte Patronen erhaltlich. Das Bildformat war mit 14 × 21 mm kleiner als jenes einer Kleinbildkamera, wodurch auf dem gleichen Film mehr Bilder untergebracht werden konnten. Die Kamera bestand aus 200 Teilen und war nur 170 Gramm schwer. Die Produktion bei Siegrist & Cie. in Grenchen lief von 1960 bis 1985, die Kamera war aber bis in die 1990er Jahre zu kaufen. Sie verfugte uber eine ganz spezielle Eigenschaft: Sie hatte einen Federmotor mit einer Gangreserve fur 5 bis 7 Bilder; nach dem Auslosen wurde der Film automatisch transportiert. Dies machte sie fur Aufnahmen, bei denen die Kamera etwa mit einem Kleidungsstuck getarnt war, grundsatzlich geeignet. Dabei entstand allerdings ein charakteristischer Ton, eine Art Fiepen, was in der amerikanischen Zeitschrift Popular Photography folgendermassen kommentiert wurde: «Was soll man zu einer Kamera sagen, die beim Auslosen tont wie eine verschreckte Maus.» Die Tessina wurde in drei Versionen ausgeliefert, und zwar als Tessina 35, Tessina Automatic 35 und als Tessina L. Dazu gab es verschiedene Farbvarianten und Zubehormaterial, zum Beispiel einen Winkelsucher, Stativ und Blitz oder ein Uhrenarmband, um daran die Kamera wie eine Uhr zu fixieren. Die Tessina hatte gemass Gebrauchsanleitung eine merkwurdige Eigenart: «Sehr wichtig! Machen Sie den Photofachmann darauf aufmerksam, dass die Negative seitenverkehrt zu kopieren bzw. zu vergrossern sind, sonst wird Ihr Bild … seitenverkehrt!» Tessina als Spionage-Kamera Aufgrund ihrer kleinen Dimensionen wurde die Tessina-Kamera auch von den Geheimdiensten geschatzt: Die Staatssicherheit, die CIA und auch der australische Geheimdienst ASIO verwendeten die Kamera. Im Stasimuseum in Berlin ist sie ausgestellt, auf den Internetseiten der CIA ist die Kamera abgebildet. = Bei der Staatssicherheit = Das Ministerium fur Staatssicherheit in der DDR beschaftigte sich eingehend mit der Kamera. Verschiedene Stasi-Mitarbeiter schlugen auch Modifikationen vor, die ausgefuhrt wurden. So wurde das Gerat unter anderem in einem Zigaretten-Etui versteckt oder in eine Nietenhose eingenaht. Es hieß, die Kamera eigne sich bestens «fur Beobachtungshandlungen auf Volksfesten, Pressefesten, in Urlauberzentren, auf Campingplatzen, in Freiluftbadern, die vorwiegend von jugendlichen Personenkreisen bzw. negativ-dekadenten Jugendlichen aufgesucht werden (…)». Die Tessina war jedoch nur eine von zahlreichen Kameras, welche die Stasi zur Observation einsetzte. Nach der Wende wurden Kameras der verschiedensten Hersteller aus der DDR, aus der Sowjetunion, aus Westdeutschland, den USA und Japan gefunden. Eine Halbformatkamera und eine gerauschlose Spiegelreflexkamera stellte das Ministerium fur Staatssicherheit selbst her. = Bei der CIA = Der ehemalige CIA-Agent Howard Hunt lieh sich bei der CIA eine Tessina-Kamera fur eine heimliche Aktion gegen einen vermuteten Kritiker der Regierung von Richard Nixon. Sein Name und der Name der Kamera findet sich in den Protokollen eines Hearings aus dem US-Senat aus dem Jahr 1973. Die Kamera wurde fur einen Einbruch in das Buro des Psychoanalytikers Lewis Fielding in Los Angeles benutzt. Fielding war der Therapeut des Whistleblowers Daniel Ellsberg. Dort versuchten die Einbrecher, belastendes Material gegen Ellsberg, einen Militarspezialisten der Denkfabrik Rand, zu finden. Ellsberg war der Informant fur die Dokumente aus dem Pentagon, die spater unter dem Namen Pentagon-Papiere veroffentlicht wurden. Howard Hunt spielte spater beim Einbruch in den Watergate-Gebaudekomplex eine wichtige Rolle. Dieser Vorgang ist als Watergate-Skandal in die Geschichte eingegangen. = Beim australischen Geheimdienst ASIO = Auch der australische Geheimdienst ASIO kannte die Tessina-Kamera. Er nutzte sie heimlich versteckt in einer Zigarettenpackung. Im Film Die Tessina-Kameras spielte im Thriller Topas von Alfred Hitchcock 1969 eine Rolle: Der als Journalist getarnte Agent Frankreichs, Philippe Dubois, trifft einen kubanischen Revolutionar in einem Hotel in Harlem. Er hofft so, an die Aufmarschplane fur die sowjetischen Raketen auf Kuba heranzukommen, eine Anspielung auf die Kubakrise von 1962. Bei einer Leibesvisitation des Journalisten wird die Kamera entdeckt. Die Kubaner fragen: «Was ist das?», Dubois: «Das ist meine Kamera». Darauf antwortet der Kubaner: «Das ist eine lustige kleine Kamera», Dubois entgegnet: «Eine sehr gute.» Tessina als Sammelobjekt Die Tessina ist heute nicht mehr im Handel und ein Sammelobjekt. In einem Sammler-Magazin findet sich auch die ausfuhrlichste Beschreibung der Kamera. Sie ist außerdem in Museen zu finden. Weblinks Tessina: In Cryptomuseum.org Spycameras: The Tessina 35mm Subminiature Camera. auf YouTube Literatur Peter Barz, Rolf Hafliger, Jost Simon: Die Tessina-Saga. In: Photographica Cabinett Nr. 35-42, 2004/2005. Nicht online. Dominik Landwehr: Versteckt in Schlusseletuis und Regenschirmen: Die Stasi-Kamera «made in Switzerland». In: NZZ am Sonntag, 1. Juni 2023. Online Dominik Landwehr: Grenchner Spionagekamera fur die Stasi und die CIA. In: Blog des Schweizerischen Nationalmuseums. 2023/24. Online Dominik Landwehr: Die Tessina-Recherche. In: Sternenjaeger vom 4. Juni 2023. Online Harold Keith Melton, Detlev Vreisleben, Michael M. Hasco: The Secret History of Stasi Spy Cameras: 1950–1990. S.192–204. ISBN 978-0-7643-6045-9 Einzelnachweise
Die Tessina war mit einer Große von 54 × 46 × 17 mm die kleinste zweiaugige Spiegelreflexkamera der Welt und wurde von 1960 bis 1985 in der Schweiz produziert. Kommerziell war sie kein Erfolg, aber Geheimdienste in Ost und West schatzten die kleine Kamera.
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Der Postkonstruktivismus war ein sowjetischer Architekturstil, der in den 1930er Jahren popular war und als Vorform des Sozialistischen Klassizismus angesehen wird. Der Begriff wurde vom Architekturhistoriker Selim Omarowitsch Chan-Magomedow gepragt, um das Phanomen der graduellen Zuwendung sowjetischer Avantgarde-Kunstler zum stalinistischen Neoklassizismus zu beschreiben. Chan-Magomedow datierte den Stil auf die Jahre 1932 bis 1936, doch lange Bauzeiten und die enorme Große des Landes ermoglichen eine Ausweitung dieses Zeitraums bis 1941. Geschichte In den 1920er Jahren war das kreative Leben in der UdSSR großtenteils mit dem Rationalismus und Konstruktivismus verbunden. Die Regierung unterstutzte anfanglich diese experimentellen Richtungen, trat ihnen jedoch mit der Zeit mit Gleichgultigkeit und letztlich teilweise mit offener Feindseligkeit gegenuber. Die konservative Natur der zugelassenen Entwurfe fur den Palast der Sowjets signalisierten einen Kurswechsel hin zur Wiederbelebung klassischer Formen im sowjetischen Bauwesen, der ab 1932 als offizielle kulturpolitische Direktive angesehen wurde. Ab 1933 wurden viele bereits errichtete konstruktivistische Gebaude retroaktiv mit Saulen, Gesimsen und Flachreliefs ausgestattet. Bedeutende Architekten, die in diesem Stil arbeiteten, waren einerseits die bereits in vorrevolutionarer Zeit aktiven Iwan Fomin, Ilja Alexandrowitsch Golossow und Iwan Scholtowski. Sie waren in der Lage, ihre weitreichende Erfahrung in ihr Werk einfließen zu lassen. Andererseits arbeiteten in diesem Stil Personen wie Pawel Wassiljewitsch Abrossimow, Arkadi Mordwinow und Karo Halabjan, die von Fuhrern des Konstruktivismus in einem Stil ausgebildet worden waren, den sie abwertend als „sterile Avantgarde“ bezeichneten. Sie hatten kaum theoretische oder praktische Vertrautheit mit dem klassischen Erbe und sahen dieses als eine Inspirationsquelle an. Gleichzeitig waren sie oftmals ideologisch motiviert und beteiligten sich an politischen Angriffen und Anschuldigungen gegen ihre kunstlerische Opponenten, so unter anderem gegen Iwan Leonidow. Merkmale Chan-Magomedow definierte den Postkonstruktivismus als „neoklassische Formen ohne neoklassische Details“. Um sich von reinen Historisten zu unterscheiden, modifizierten Golossow und seine Anhanger bewahrte historische Elemente wie Saulen, Kapitelle, Gesimse und Friese durch neuartige, meist aus unorthodoxen geometrischen Formen bestehende Varianten. Postkonstruktivistische Gebaude folgen im Ubrigen meist den klassischen Regeln und sind allgemein vollkommen symmetrisch. Eine vorherrschende Tendenz beteiligter Architekten war der Wunsch, das außere Erscheinungsbild ihrer Bauten maßvoll zu „bereichern“, um die „ubermaßige Askese“ konstruktivistischer Architektur zu uberwinden. Postkonstruktivistische Gebaude behalten einige Elemente des ihnen vorausgehenden Stils bei, so etwa rechteckige Brustungen auf den Dachern, durchgehende vertikale Verglasung der Treppenhauser und Akzentuierung von Gebaudeecken durch Anbringung von vertikalen glasernen Laternen. Parallel dazu fanden klassizistisch anmutende Elemente wie Kassettendecken und Attiken, mit Saulen ausgestattete Loggien im Obergeschoss, die Rustizierung von Fassaden und Sgraffito-Wandmalereien in leuchtenden Farben Eingang in die sowjetische Bautatigkeit. Der Postkonstruktivismus war eng mit sowjetischen Interpretationen des Art deco verbunden, unterscheidet sich aber durch seine ausgepragte Tendenz zur Horizontalitat. Viele sowjetische Bauten der Zwischenkriegszeit, so zum Beispiel die von Wladimir Schtschuko erbaute Leninbibliothek, konnen beiden Stilrichtungen zugeordnet werden. Beispiele Siehe auch Sozialistischer Klassizismus Konstruktivismus (Architektur) Weblinks Einzelnachweise
Der Postkonstruktivismus war ein sowjetischer Architekturstil, der in den 1930er Jahren popular war und als Vorform des Sozialistischen Klassizismus angesehen wird. Der Begriff wurde vom Architekturhistoriker Selim Omarowitsch Chan-Magomedow gepragt, um das Phanomen der graduellen Zuwendung sowjetischer Avantgarde-Kunstler zum stalinistischen Neoklassizismus zu beschreiben. Chan-Magomedow datierte den Stil auf die Jahre 1932 bis 1936, doch lange Bauzeiten und die enorme Große des Landes ermoglichen eine Ausweitung dieses Zeitraums bis 1941.
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c-298
Der Basler Sacktrager (Typhonia melana) ist ein Schmetterling aus der Familie der Echten Sacktrager (Psychidae). Die Art wurde 1837 von dem ungarischen Entomologen Imre Frivaldszky von Frivald (1799–1870) als Euprepia melana beschrieben. Typhonia melana ist in Deutschland ein Neuankommling mit Funden aus dem Jahr 2024 sudlich von Heidelberg. Taxonomie Lange Zeit galt Typhonia melana als ein Synonym oder eine Unterart von Typhonia ciliaris (Ochsenheimer, 1810). Arnscheid & Weidlich (2017) erhoben das Taxon erneut in den Status einer eigenstandigen Art. Hattenschwiler beschrieb zuvor im Jahr 2000 Typhonia beatricis. Deren Trivialname „Basler Sacktrager“ bezieht sich auf die Funde im Raum Basel. Spater wurde Typhonia beatricis anhand von Ergebnissen molekularbiologischer Studien mit Typhonia melana synonymisiert und die Art „erbte“ oder „ubernahm“ den Trivialnamen. Merkmale = Imago = Es handelt sich um mittelgroße Falter. Im Gegensatz zu den meisten anderen Echten Sacktragern sind bei der Gattung Typhonia beide Geschlechter vollgeflugelt (makropter) und flugfahig. Die Mannchen besitzen folgende Merkmale: Die Flugelspannweite liegt bei 24 mm. Die Fuhler sind doppelseitig gekammt (bipectinate). Die Vorderflugel sind langlich und dicht beschuppt. Sie weisen eine dunkelbraune Grundfarbung mit einer blassen weißlichen Musterung auf. Die Hinterflugel sind schwarzlich und ohne Musterung. Die Weibchen lassen sich wie folgt beschreiben: Die Flugelspannweite betragt etwa 28 mm. Die Fuhler sind annahernd fadenformig (filiform). Die Flugel sind dunkelbraun ohne eine helle Musterung. Der Analbuschel hat dunkelbraune Harchen. = Raupe und Raupensack = Die Raupensacke sind mit kleinen Steinchen besetzt und sind etwa 27 mm lang und 6,5 mm breit. Damit ahneln sie den Larvensacken der Waldkocherfliege, die jedoch wesentlich kurzer sind. Die Raupensacke anderer in Deutschland verbreiteter Echter Sacktrager haben nur pflanzliche Materialien versponnen. Die Raupen von Typhonia melana sind grunlich bis dunkelbraun gefarbt mit einer weißen Musterung. Die Vorderrander der vorderen Segmente sind breit hellbraunlich gefarbt. Vorkommen Typhonia melana ist die am weitesten verbreitete Art ihrer Gattung in Europa. Daneben gibt es eine im Wesentlichen auf den Gebirgsraum (Alpen, Pyrenaen) beschrankte Art sowie eine oder zwei lokal am Mittelmeer auftretende Arten. Typhonia melana ist hauptsachlich in Sudeuropa verbreitet mit Funden von der Iberischen Halbinsel, aus Italien und vom Balkan. Im Osten reicht das Verbreitungsgebiet bis nach Ostanatolien (Provinz Van, Turkei). Nach Norden hin gibt es Nachweise aus der Schweiz, aus Osterreich und aus der Slowakei und neuerdings auch aus Deutschland. Ein erster Raupenfund in Deutschland gelang 2012 bei Weil am Rhein an der Schweizer Grenze. Lebensweise Typhonia melana bevorzugt offenbar trockenwarme Lebensraume mit verschiedenen niedrigen Pflanzen, meist mit sandigen Boden. Als typische Biotope werden Straßenrander, Geroll, Steinbruchrander und lichte Walder genannt. Typhonia melana gilt als polyphag mit einem breiten Spektrum an Raupennahrungspflanzen, darunter Graser und Spitzwegerich. Die Raupen kann man schon im Herbst beobachten. Diese uberwintern. Bei den Funden in der Schwetzinger Hardt nahe Heidelberg wurden die Raupen Anfang Juni gefunden. Diese verpuppten sich spater in ihren Raupensacken. Dazu spannen sie das vordere Sackende an eine Unterlage fest. Die Raupen ziehen sich bei Gefahr in ihren Raupensack zuruck. Sie sind trotz des Tragens eines Raupensacks sehr beweglich und konnen auch senkrechte Oberflachen emporklettern. Die Falter konnten bei Heidelberg ab Mitte Juli beobachtet werden. Dabei handelte es sich um Weibchen, die sich am spaten Nachmittag an Grashalmen sitzend aufhielten, moglicherweise auf der Suche nach einem Mannchen. Fur Sudeuropa wird als Flugzeit Ende Juni bis Anfang September angegeben, mit den haufigsten Beobachtungen Ende Juli / Anfang August. Bilder Einzelnachweise Weblinks Typhonia melana (Frivaldszky, 1838) Basler Sacktrager. In: Lepiforum e.V. (lepiforum.org). Abgerufen am 9. April 2025. Typhonia melana (Frivaldsky, 1837) bei Global Biodiversity Information Facility (GBIF)
Der Basler Sacktrager (Typhonia melana) ist ein Schmetterling aus der Familie der Echten Sacktrager (Psychidae). Die Art wurde 1837 von dem ungarischen Entomologen Imre Frivaldszky von Frivald (1799–1870) als Euprepia melana beschrieben. Typhonia melana ist in Deutschland ein Neuankommling mit Funden aus dem Jahr 2024 sudlich von Heidelberg.
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c-299
Ernest Percyval Tudor-Hart (* 27. Dezember 1873 in Montreal, Kanada; † 8. Juni 1954 in Quebec, Kanada) war ein kanadischer Maler, Bildhauer, Designer, Gemalderestaurator und Lehrer. Er beschaftigte sich intensiv mit der Farbenlehre und entwickelte Theorien uber Farbwerte und optische Mischungen, die sowohl seine Kunst als auch seine Arbeiten im Bereich der militarischen Tarnung beeinflussten. Leben Percyval Tudor-Hart entstammte einer wohlhabenden Familie mit Verbindungen zur Bostoner Tudor-Dynastie und zur kanadischen Familie Hart. Sein Enkel war der englische Arzt Julian Tudor-Hart. Durch Heirat bzw. verwandtschaftliche Beziehungen war er auch mit der Fotografin Edith Tudor-Hart und der Kinderbuchautorin Tasha Tudor verbunden. Er ging mit der Idee nach Paris, Medizin zu studieren, studierte dann aber Kunst an der renommierten Academie Julian, bevor er sein Studium an der Ecole des Beaux-Arts abschloss, wo er als „rebellisch“ beschrieben wurde, aber eine Arbeitsbeziehung zu seinem Lehrer Jean-Leon Gerome aufbaute. Er wurde ein enger Freund von Henri Matisse und teilte sich mit Toulouse-Lautrec ein Atelier in Montmartre. Als Maler und Bildhauer stellte er in ganz Frankreich aus und gewann Gold- und Silbermedaillen im Pariser Salon, aber am bekanntesten wurde er als Kunstlehrer. Von 1903 bis 1917 leitete er die „Tudor-Hart’s Academie de Peinture“ in der Rue d’Assas 69 in Paris, die er nach dem Tod seiner ersten Frau nach Hampstead in London verlegte. Er machte sich einen Namen als Restaurator von Meisterwerken, darunter ein Gainsborough, ein Raeburn, ein Kneller, ein Corot und vier Portrats von Gilbert Stuart. Als Lehrer hatte er den Ruf, hoflich, aber streng zu sein, wie aus den Memoiren mehrerer ehemaliger Schuler hervorgeht. In England stellte er an der Royal Academy und der Walker Art Gallery in Liverpool aus und spezialisierte sich auf die Farbenlehre, insbesondere auf die Korrespondenz zwischen Farbe und Ton. Percyval Tudor-Hart lebte bis 1935 in London und kehrte dann nach Kanada zuruck. Er starb am 8. Juni 1954. Die zweite Frau von Tudor-Harts Sohn Alexander war Edith Tudor-Hart (1908–1973). Sie studierte am Bauhaus in Dessau, arbeitete als Montessori-Kindergartnerin und als Fotografin. Sie rekrutierte Spione fur die Cambridge Five, zu der Kim Philby, Anthony Blunt und andere britische Intellektuelle gehorten. Werk Neben seiner kunstlerischen Tatigkeit war Percyval Tudor-Hart ein angesehener Kunstrestaurator und beschaftigte sich intensiv mit Farbtheorie, insbesondere mit der Entsprechung zwischen Farbe und Musik. Im Marz 1918, kurz vor Ende des Ersten Weltkriegs, veroffentlichte er im Cambridge Magazine einen Fachartikel mit dem Titel The Analogy of Sound and Color. Obwohl seine Theorien damals eine Herausforderung darstellten, beeinflussten sie seine Schuler, von denen einer ein Jahrzehnt zuvor in Paris der amerikanische Maler Stanton MacDonald-Wright gewesen war. Zusammen mit einem anderen Schuler, Morgan Russell, fuhrte MacDonald-Wright einen auf Farbe und Abstraktion basierenden Malstil ein, den er Synchromismus nannte. Tudor-Hart hatte auch einen entscheidenden Einfluss auf den amerikanischen Kunstler Wilford S. Conrow, der spater Offizier in der 1917 gegrundeten ersten Tarneinheit der US-Armee wurde. Camouflage-Arbeiten Zu Beginn des Ersten Weltkrieges bot Tudor-Hart der britischen Regierung seine Dienste auf dem Gebiet der wissenschaftlich fundierten Tarnung an. Er berief sich dabei auf seine Kenntnisse uber die Reflexion, Absorption und Brechung von Licht. Durch Vermittlung von John Douglas-Scott-Montagu, 2. Baron Montagu of Beaulieu erhielt er Zugang zu einem Atelier auf dessen Landsitz Beaulieu (Hampshire), wo er mit ehemaligen Schulern an Tarnexperimenten arbeitete. Ein zentrales Projekt war die Bemalung eines maßstabsgetreuen Holzmodells eines „female“ (weiblichen) Mark-I-Panzers zur Demonstration seiner Tarnschemata. Seine Entwurfe wurden jedoch weder vom Heer noch von der Marine oder der Luftwaffe ubernommen. Ein von ihm vorgeschlagener Tarnanzug fur Scharfschutzen wurde zwar positiv bewertet, aber zu diesem Zeitpunkt hatte sich bereits ein anderes Modell durchgesetzt. Tudor-Harts Tarnentwurfe basierten auf der gezielten Manipulation von Farbe, Licht und Muster. Er verwendete unter anderem Zickzack- und Fischgratmuster, um das menschliche Auge zu tauschen. Obwohl seine Tarnschemen nicht zum Einsatz kamen, wurden seine Ideen in spateren Jahren wieder aufgegriffen. Seine Werke als Maler, insbesondere seine Studien uber die Farbwerte, sind in einigen Museen erhalten. Ein von ihm bemaltes holzernes Viertelmaßstabsmodell eines Mark-I-Panzers wird heute im britischen Tank Museum in Bovington aufbewahrt. Das Modell wurde dem Museum nach dem Zweiten Weltkrieg von Lord Montagu geschenkt. Es gilt als das alteste Modell in der Sammlung des Museums. Der Begriff Camouflage war in Großbritannien vor dem Ersten Weltkrieg weitgehend unbekannt. Die systematische wissenschaftliche Beschaftigung mit der Tarnung steckte noch in den Anfangen. Tudor-Hart gilt ruckblickend als Pionier auf diesem Gebiet. Die Wirksamkeit der Panzertarnung auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges war allerdings gering, da Schlamm und Schmutz jede Bemalung uberdeckten und schließlich alle Panzer einheitlich braun gestrichen wurden. Literatur Alasdair Alpin MacGregor: Percyval Tudor-Hart 1873–1954: Portrait of an Artist, London, Geneva P. R. Macmillan 1961. Guy Hartcup: Camouflage: A History of Concealment and Deception in War, New York, 1980. Weblinks Percyval Tudor-Hart auf Art UK Percyval Tudor-Hart | Canadian Camouflage Artist AmericanAristocracy askART A brush with death – how tanks almost looked Einzelnachweise
Ernest Percyval Tudor-Hart (* 27. Dezember 1873 in Montreal, Kanada; † 8. Juni 1954 in Quebec, Kanada) war ein kanadischer Maler, Bildhauer, Designer, Gemalderestaurator und Lehrer. Er beschaftigte sich intensiv mit der Farbenlehre und entwickelte Theorien uber Farbwerte und optische Mischungen, die sowohl seine Kunst als auch seine Arbeiten im Bereich der militarischen Tarnung beeinflussten.
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