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	c-500 | 
	Desik (russisch Дезик) und Zygan (Цыган, Zigeuner) waren zwei Hundinnen, die am 22. Juli 1951 von der Sowjetunion auf einem Suborbitalflug in den Weltraum befordert wurden, um die Moglichkeit der bemannten Raumfahrt zu testen. Sie waren die ersten Wirbeltiere, die einen Raumflug uberlebten.
Hintergrund Nachdem Raketen des Deutschen Reichs im Jahr 1944 erstmals den Weltraum erreicht hatten, brachten die Vereinigten Staaten im Februar und Marz 1947 an Bord einer V-2 mit einigen Fruchtfliegen erstmals Tiere ins Weltall, die den Flug auch uberlebten. 1949 begannen die USA, mit Rhesusaffen erstmals Wirbeltiere ins Weltall zu schicken, als erstes Albert II., die ihre Fluge aufgrund verschiedener Pannen jedoch allesamt nicht uberlebten. Einige starben erst beim Aufprall auf die Erde. Auch eine Maus, die 1950 auf einem Suborbitalflug in den Weltraum befordert wurde, starb dabei. Im September 1951 uberlebte erstmals einer der Affen seinen Raumflug.
Die Sowjetunion beschloss in einem geheimen Erlass vom 13. Mai 1946 die Entwicklung einer Raketenindustrie und den Beginn der Erforschung von Flugen in die obere Atmosphare. Als Chefkonstrukteur verschiedener ballistischer Lenkflugkorpersysteme mit flussigem Treibstoff wurde Sergei Koroljow ernannt. Unter anderem sollten die Auswirkungen solcher Fluge auf lebende Organismen untersucht werden. Aus Sicherheitsgrunden wurden Hohere Saugetiere, aber keine Menschen verwendet. Eine Gruppe unter Leitung von Alexei Pokrowski und Wladimir Jazdowski uberzeugte 1950 die sowjetische Akademie der Wissenschaften, statt Mausen bzw. Ratten oder Affen (welche schwer zu trainieren und leicht zu verangstigen waren) lieber Hunde zu verwenden, da die Wissenschaftler der Meinung waren, diese konnten lange korperliche Inaktivitat besser verkraften. Koroljow hatte bereits 1948 vorgeschlagen, sich damit zu befassen. Im gleichen Jahr wurde eine Kommission zur Erforschung der oberen Atmospharenschichten unter Leitung von Anatoli Blagonrawow gegrundet. Im Herbst 1950 wurde ein Feuertest einer Rakete mit Besatzung (den Hunden Desik und Zygan) durchgefuhrt. Ihr Zustand verblieb normal und die Hunde interagierten gut mit den Experimentatoren.
Der Zweck aller Raumfluge mit Tieren war, die Moglichkeit der bemannten Raumfahrt zu testen und das Verhalten von Tieren unter Raumflugbedingungen zu beobachten.
Vorbereitung Die Sowjetunion schickte ab 1951 mit dem VR-190-Projekt erstmals Hunde als Testobjekte in den Weltraum. Die Hunde waren wegen des Temperaments und der Spezifikationen der Raumanzuge typischerweise weiblich und aufgrund der großeren Robustheit von gemischter Rasse. Dazu wurden streunende Hunde ausgewahlt, da diese sich noch nicht an ein Zuhause gewohnt hatten und mit den extremen Stressbedingungen eines Raumflugs besser zurechtkamen. Parameter der Rakete und des Fluges setzten voraus, dass die Hunde etwa 6–7 kg schwer, maximal 35 cm hoch und 2–6 Jahre alt sein sollten. Damit sie auf Filmaufnahmen besser zu erkennen sind, sollten sie außerdem weißes Fell haben.
Im Training mussten die Hunde unter anderem lange Zeiten am Stuck stillstehen, in Druckkammern verharren, Raumanzuge tragen und die Vibrationen eines simulierten Raketenstarts uberstehen, außerdem wurden sie in einer Zentrifuge den hohen Beschleunigungen, wie sie eine Rakete erzeugt, ausgesetzt und in immer kleinere Kafige gesperrt, um sich an die Enge ihres Raumfahrzeugs zu gewohnen. Teils wurden sie 15 bis 20 Tage am Stuck in kleinen Kisten gehalten. Selbst bei Spaziergangen wurden sie beobachtet. Die Raumanzuge waren mit speziellen Vorrichtungen ausgestattet, um den Urin und Kot der Hunde aufzufangen, die besser mit weiblichen Hunden funktionierten. Das geheime Training dauerte etwa ein Jahr und fand in einem Gebaude am Luftwaffeninstitut fur Flugmedizin in Moskau statt. Dort befand sich auch eine Raumkapsel, an die sich die Hunde gewohnen konnten. Koroljow selbst engagierte sich sehr fur das Wohlergehen der Hunde.
Anhand ihres Gesundheitszustands, ihrer Veranlagung und ihrer Reaktionen wurden die am besten geeigneten Hunde ausgewahlt. Um individuelle Reaktionen auszuschließen und bessere Ergebnisse zu erhalten, wurde beschlossen, zwei Hunde auf einmal zu verwenden. Die Hundepaare wurden so ausgewahlt, dass ihre Veranlagung gut zueinander passte. Im Juni 1951 traf ein ganzer Zwinger mit den ausgewahlten Mischlingshunden am Weltraumbahnhof Kapustin Jar ein.
Untersucht wurden mit den Flugen die Auswirkungen verschiedener physikalischer und kosmischer Effekte auf die Tiere, darunter Veranderungen der Schwerkraft, Vibrationen, Stoßbelastung, Schallreize verschiedener Intensitat, der Einfluss kosmischer Strahlung, Hypokinese (Bewegungsarmut) und veranderte Zusammensetzung der Atmosphare.
Raumflug Der Starttermin wurde von der Staatskommission auf den 22. Juli 1951 festgelegt; am Tag davor wurde die R-1B, eine drei Jahre zuvor entwickelte einstufige Flussigbrennstoffrakete, zum Testgelande Kapustin Jar in der Oblast Astrachan gebracht und installiert. Zur besseren Sichtbarkeit wurde die Rakete unten weiß lackiert und die Startuhrzeit auf den Sonnenaufgang gelegt, damit die Rakete besser aufgezeichnet werden konnte.
Die Hunde an Bord der Rakete waren erneut Desik und Zygan. Sie wurden erst tags zuvor aufgrund ihrer Ruhe und Ausdauer bei den Tests ausgewahlt und von den anderen Hunden getrennt gehalten. Desik hatte weißes, Zygan schwarz-weißes Fell. Sie verhielten sich vor dem Start ruhig. Ihr Futter war leicht, aber kalorienreich, und bestand aus geschmortem Fleisch, Milch und Brot. Beim Flug trugen Desik und Zygan Druckanzuge mit Sensoren fur Puls und Atemfrequenz und runden Acrylglashelmen. Sie befanden sich in einer versiegelten Kabine, wo sie mit Gurten an zwei Tragbretter gebunden waren. Eine uber ihnen angebrachte Filmkamera nahm den gesamten Raumflug auf. Neben den beiden Hunden waren auch mehrere wissenschaftliche Gerate zur Untersuchung der physikalischen und chemischen Eigenschaften der oberen Schichten der Atmosphare an Bord.
Eine Stunde vor dem Start installierten Wladimir Jazdowski und der Mechaniker Woronkow die Druckkabine mit den beiden Hunden im Kopf der Rakete, schlossen die Sensoren an, uberpruften erneut die Ausrustung und schalteten das Luftregenerationssystem ein. Zwanzig Minuten vor dem Start stiegen sie von der Plattform herab. Desik und Zygan starteten um 4:00 Uhr, etwa sieben Minuten vor Sonnenaufgang. Unmittelbar nach dem Start mussten die Hunde eine Belastung von fast der funffachen Erdbeschleunigung verkraften. Sie hatten Schwierigkeiten, ihre Kopfe zu drehen, und ihr Puls stieg um das Vierfache auf 250 Schlage pro Minute. Nach einigen Minuten loste sich die Raketenstufe in einer Hohe von 87,7 km von der Kapsel und die Hunde waren etwa vier Minuten lang schwerelos.
Die Kapsel erreichte ein Apogaum von etwa 101 km (nach anderen Angaben 110 km). 15 Minuten nach dem Start offnete sich in einer Hohe von etwa 7 km sichtbar der weiße Fallschirm. Beide Hunde wurden unverletzt etwa 5 km (nach anderen Angaben 20 km) vom Startplatz in ihrem Container geborgen. Der gesamte Flug dauerte nur etwa 20 Minuten (nach anderen Quellen 15 Minuten).
Die Wissenschaftler waren bereits beim Blick durch das Fenster erfreut, beide Hunde lebendig aufzufinden. Desik und Zygan wurden von den Assistenten Witali Popow und Alexander Serjapin umgehend aus ihrer Kapsel und ihren Raumanzugen befreit und begannen, herumzurennen und zu -springen und mit dem Schwanz zu wedeln. Bei einer grundlichen Prufung im Montagegebaude konnten keine physiologischen Veranderungen festgestellt werden, die Hunde hatten die Belastung und die Schwerelosigkeit gut uberstanden und sich nicht außergewohnlich verhalten. Aufgezeichnete Abweichungen innerhalb der akzeptablen physiologischen Grenzen wurden auf die hohe Temperatur vor dem Start und die Erschutterungen im freien Fall zuruckgefuhrt. Zygan erlitt bei der Landung leichte Verletzungen, da sie sich die Bauchhaut aufgekratzt hatte. In den folgenden Tagen besuchten viele Personen Desik und Zygan in ihrem Gehege, um einen Blick auf die „ersten Kosmonauten“ zu werfen.
Ergebnisse Desik und Zygan uberlebten als erste Wirbeltiere einen Raumflug und leisteten somit einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der bemannten Raumfahrt, die zehn Jahre spater mit dem orbitalen Raumflug Juri Gagarins begann. Es konnten einige wichtige Problemstellungen gelost werden: Es wurde bewiesen, dass Hohere Saugetiere in einer versiegelten, engen Kabine den Flug einer Rakete in uber 100 km Hohe, auf Geschwindigkeiten von bis zu 4000 km/h und unter Beschleunigung von bis zu 5 g unbeschadet uberstehen konnen und keine Beeintrachtigung lebenswichtiger Aktivitat auftritt. Außerdem wurde festgestellt, dass die Umweltfaktoren wahrend eines Raketenflugs von Tieren toleriert werden konnen, und kinematografische und oszillografische Diagnosemethoden ermoglichten erstmals die Erfassung physiologischer Parameter wie Atemfrequenz, Atemtiefe, Korpertemperatur und Verhalten unter Flugbedingungen. Das System zur Rettung der Kapsel bewies die Sicherheit der Landung fur Tiere und Instrumente. Allgemein gesagt zeigte Desiks und Zygans Raumflug, dass Raketenfluge in die obere Atmosphare fur hohere Organismen sicher sind. Es wurde beschlossen, die Versuche fortzusetzen, um mehr Daten zu sammeln und statistische Zuverlassigkeit zu gewahrleisten. Die Wissenschaftler fuhlten sich jedoch nach dem erfolgreichen Start viel sicherer.
Spateres Leben Desik machte bereits eine Woche spater, am 29. Juli 1951, zusammen mit der Hundin Lisa-1 (Лиса, Fuchs) einen weiteren Suborbitalflug an Bord einer R-1B-Rakete. Desik wurde erneut ausgewahlt, um zu testen, ob Hunde sich beim zweiten Raumflug anders verhalten und ob Auswirkungen der Belastung des ersten Fluges zuruckbleiben. Der Flug lief genauso ab wie der erste, 18 Minuten nach dem Start war jedoch der erwartete Fallschirm nicht zu sehen. Ein Suchteam wurde mit Flugzeugen entsandt und entdeckte die Kapsel eine halbe Stunde spater. Der Fallschirm hatte sich vor dem Aufprall nicht geoffnet und beide Hunde waren zu Tode gekommen. Desik und Lisa wurden so zu den ersten Opfern des sowjetischen Raumfahrtprogramms. Die Informationen der gepanzerten Instrumente waren jedoch auslesbar. Eine Untersuchung ergab spater, dass die Vorrichtung zur Offnung des Fallschirms aufgrund der starken Vibrationen blockiert hatte. Alle anderen Einheiten hatten einwandfrei funktioniert. Die Kommission empfahl, die Mangel im Design der sogenannten „Barolele“ zu beseitigen, mit dem Programm jedoch fortzufahren. Der Tod der Hunde loste bei den Forschern und Ingenieuren, insbesondere Hauptkonstrukteur Sergei Koroljow, große Sorgen aus.
Zygan wurde auf Bitten des Vorsitzenden der staatlichen Kommission fur die Organisation der geophysikalischen Raketenforschung, dem Raumfahrtingenieur und spateren Diplomaten Anatoli Blagonrawow, nicht fur erneute Raumfluge ausgewahlt. Es sollte auch getestet werden, ob sich einige Effekte des Fluges erst spater zeigten (es wurden keine Anderungen in Physiologie, Verhalten oder Reflexen festgestellt). Zygan wurde als wutender und streitsuchtiger Hund charakterisiert. In dem Vivarium, in dem sie nach dem Raumflug einige Zeit lebte, biss sie einmal einen angesehenen General ins Bein, der davon abgebracht werden musste, sie zu schlagen. Blagonrawow adoptierte Zygan anschließend und nahm sie mit nach Moskau. Sie lebte mehr als zehn Jahre bei ihm und bekam zweimal Nachwuchs.
Nachspiel Von 1951 bis 1956 wurden auf 15 wissenschaftlichen Flugen mit R-1-Raketen Hunde in den Weltraum befordert. Von 1957 bis 1960 wurden elf weitere Fluge mit R-2A-Raketen durchgefuhrt, 1958 drei weitere Fluge mit R-5A-Raketen, die bis etwa 450 km hoch stiegen. Insgesamt wurden 57 Hunde in den Weltraum geflogen, wobei Hunde mit mehreren Flugen hier mehrfach gezahlt sind. Die meisten uberlebten, ein paar starben aufgrund technischer Fehler.
Im Jahr 1957 gelang es der Sowjetunion erstmals, mit Sputnik 1 ein Objekt in den Erdorbit zu befordern. Einen Monat spater wurde mit der Hundin Laika ein Tier in den Orbit geschickt, sie starb jedoch auf dem Flug. Die Hunde Belka und Strelka waren 1960 die ersten Tiere, die einen Orbitalflug uberlebten. Der erste Primat, der einen Raumflug uberlebte, war der Schimpanse Ham, den die USA 1961 in den Weltraum beforderten.
Die Informationen uber die Testfluge von Hunden in ballistischen Raketen wurden streng geheim gehalten. Ingenieure, Wissenschaftler und sogar Hunde trugen Decknamen. Desik und Zygan wurden erstmals am 18. September 1991 auf einer wissenschaftlichen Konferenz von Wiktor Malkin und Armen Gjurdschian offentlich vorgestellt.
Auf dem Testgelande Kapustin Jar wurde ein Denkmal fur die Hunde der sowjetischen Raumfahrt errichtet. Im russischen Animationsfilm Space Dogs sieht man ebenfalls eine Statue fur Desik.
Der Raumfahrthistoriker Pawel Schubin behauptete 2021, er habe herausgefunden, dass die eigentliche Flughohe bei Desiks und Zygans Flug nur 88,7 km betragen habe und die Sowjetunion die Daten nachtraglich manipuliert hatte. In dem Fall waren die Hunde Mischka und Tschischik, die am 15. August 1951 mit ihrer Rakete 100,9 km hoch flogen, die ersten Saugetiere gewesen, die einen Raumflug entsprechend der seit den 1960er-Jahren gebrauchlichen Definition von „Weltraum“ uberlebten.
Literatur Amy Nelson: Cold War Celebrity and the Courageous Canine Scout: The Life and Times of Soviet Space Dogs. Aus Into the Cosmos: Space Exploration and Soviet Culture. Hrsg. James T. Andrews und Asif A. Siddiqi, University of Pittsburgh Press, 2011. doi:10.2307/j.ctt6wrcn2.10.
Chris Dubbs, Colin Burgess: Animals in Space: From Research Rockets to the Space Shuttle. Axel Springer Verlag, 2007. ISBN 0-387-36053-0.
Kalikiano Kalei: Dogs in Space: The early Soviet animal space flight program
Weblinks Christoph Gunkel: Wauwau im Weltall. Spiegel, 23. Marz 2012.
Bild von Desik (links) und Zygan in ihrer Raumkapsel
Les annimaux pionniers de l’espace, Infografik zu Tieren im Weltraum (franzosisch).
The First Canine Cosmonauts. Russian Life, 22. Juli 2016 (inklusive Fotos).
Duncan Geere: Space Dogs. Medium, 22. Januar 2014.
Soviet Space Dogs, esdaw.eu (Artikel mit vielen Fotos des sowjetischen Weltraumhundeprogramms).
Einzelnachweise | 
	Desik (russisch Дезик) und Zygan (Цыган, Zigeuner) waren zwei Hundinnen, die am 22. Juli 1951 von der Sowjetunion auf einem Suborbitalflug in den Weltraum befordert wurden, um die Moglichkeit der bemannten Raumfahrt zu testen. Sie waren die ersten Wirbeltiere, die einen Raumflug uberlebten. | 
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	c-501 | 
	Die Gegend mit der Bezeichnung Les Pres d’Orvin ist eine Berglandschaft im Schweizer Juragebirge und ein Naturschutzgebiet im Kanton Bern. Sie liegt grosstenteils auf dem Gebiet der Gemeinde Orvin und mit einem kleinen Abschnitt in der Nachbargemeinde Nods, die beide zum Verwaltungskreis Berner Jura gehoren. Das Gebiet ist von einem Sekundarbiotop mit halboffenen Bergwiesen und einer artenreichen Vegetation gepragt, das seit 2010 durch das Bundesinventar der Trockenwiesen und -weiden von nationaler Bedeutung (TWW) geschutzt und zudem in der Weltdatenbank der Schutzgebiete (WDPA) als Biotop- und Artenschutzgebiet der IUCN-Kategorie IV ausgewiesen ist.
Der franzosische Name Les Pres d’Orvin bedeutet auf Deutsch „Die Wiesen von Illfingen“; frz. pre stammt von lateinisch pratum „Wiese“ ab, und „Illfingen“ ist der alte, heute nicht mehr gebrauchliche deutsche Name der Ortschaft, die im franzosischsprachigen Gebiet der Romandie liegt. Im lokalen Sprachgebrauch nannte man fruher das Berggebiet einfach Les Pres. Der Flurname bezeichnet das durch Rodung im ursprunglichen Bergwald oberhalb des Dorfes Orvin gewonnene Weideland am Sudhang einer markanten Bergkette des Faltenjuras. Diese Erhebung erreicht sieben Kilometer weiter sudwestlich mit dem Gipfel des Chasseral auf 1607 m u. M. ihren hochsten Punkt und endet sechs Kilometer ostlich der Pres d’Orvin in der Schlucht von Frinvillier auf 520 m u. M. Der Gebirgsraum liegt im Landschaftsschutzgebiet des Naturparks Parc regional Chasseral.
Weit oben an der Bergstrasse vom Dorf zum Weideland, die auch als Verbindungsstrasse nach Nods dient, entstand im 20. Jahrhundert eine Streusiedlung, die vorwiegend aus Ferienhausern besteht und den Siedlungsnamen Les Pres-d’Orvin erhielt, der zur Unterscheidung vom Flurnamen Les Pres d’Orvin mit einem Bindestrich geschrieben wird. Die zerstreuten Bereiche des TWW-Schutzgebiets erstrecken sich uber die noch nicht von der unkontrollierten Siedlungsentwicklung erfassten und kaum durch intensive Landwirtschaft beeintrachtigten naturnahen Flachen neben dem Feriendorf.
Landschaft = Geologie =
Die Chasseral-Antiklinale ist eine deutlich ausgepragte, hohe Falte des Juragebirges. Mesozoische Sedimente des Oberjuras wurden im Erdzeitalter des jungeren Tertiars wahrend der Bildung der Alpen zusammengepresst und in die Hohe gehoben. Das Gebirge besteht aus machtigen verformten Schichtpaketen von Malmkalk, Hauptrogenstein und Muschelkalk. Am Sudhang des Chasseral entstand im gleichen Zeitraum der kurze Hohenzug des Spitzbergs (franzosisch Mont Sujet) als eine etwas weniger hohe Nebenfalte. Dazwischen liegt das Tal Pres Vaillons, eine kleine Synklinale mit der Alpsiedlung Metairie de Preles (deutsch „Sennerei von Pragelz“) und dem Feriendorf Pres-d’Orvin.
Der Felsboden im Gebiet der Pres d’Orvin besteht aus Kalkbanken der so genannten Gunsberg- und Twannbach-Formationen aus der Stufe des Kimmeridgiums, die vor ca. 157 bis 152 Millionen Jahren entstanden. Die auf altere Gesteine uberschobenen Schichten steigen vom Bielersee gegen Nordwesten bis auf die Krete der Chasseralkette ziemlich gleichmassig an und bilden im oberen Abschnitt eine leicht geneigte Flache, die auf einer stellenweise nur dunnen Lage von Rendzinaboden heute teils von Bergwald und dank der jahrhundertelangen Weidewirtschaft teils von offenem Magerrasen bedeckt ist. Da und dort ragen kleine Felsschuppen, die manchmal Rillenkarren aufweisen, und Ansammlungen von verwittertem Geroll aus der Grasnarbe heraus.
= Hydrogeologie =
Obwohl das Chasseralmassiv wegen seiner Gelandehohe eine Zone mit relativ hohen Niederschlagsmengen ist, entstehen auf dem Berg keine Oberflachengewasser. Die Karbonatgesteine sind sehr stark verkarstet, was etwa an den zahlreichen Einsturztrichtern (Dolinen) am Mont Sujet und in den Senken nordlich der Wasserscheide Crete de Jobert uber den Bergweiden zu sehen ist. Das Berggebiet entwassert deshalb unterirdisch zu den tiefen Flusstalern hinunter. Das oberhalb von Orvin versickerte Felsgrundwasser erreicht in ostlicher Richtung zum Teil das funfhundert Meter tiefer gelegene Tal der Orvine, die bei Frinvillier in die Schuss mundet, vor allem aber durch Klufte und Schichtfugen im Gebirge direkt die offenen Kalkflanken der Klus von Rondchatel mit der Merlinquelle und viel weiter unten moglicherweise sogar noch die «Romerquelle» in der Stadt Biel. Mit Farbversuchen wurde nachgewiesen, dass die Bergweiden von Orvin zum Einzugsbereich der Merlinquelle gehoren. Aus dieser ergiebigen Quelle bezog die Stadt Biel seit 1879 den grossten Teil des Trinkwassers; 2005 verzichteten die Stadtwerke wegen der zunehmenden Verunreinigung des Sickerwassers durch die Viehhaltung auf den Bergweiden und das Abwasser aus der Feriensiedlung darauf. Das Grundwasser aus dem Scheitelbereich der Chasseralkette, also vielleicht auch aus dem obersten Abschnitt der Pres d’Orvin, fliesst durch Storungen im Kalkgestein gegen Norden ab und speist andere Karstquellen von Zuflussen der Schuss im Sankt-Immer-Tal. Der westliche Teil des Schutzgebiets Les Pres d’Orvin rund um die Alpsiedlung Metairie de Preles befindet sich uber dem unterirdischen Einzugsgebiet des Twannbachs, der in den Bielersee mundet.
= Geografie =
Das Weidegebiet Les Pres d’Orvin liegt auf etwa 1200 m u. M. am 3,5 Kilometer langen mittleren Abschnitt der Chasseral-Sudflanke, wo sich das sanft zum Bergkamm ansteigende Gelande gut zur Viehsommerung eignet. Die Wiesen im Schutzgebiet verteilen sich uber die Hohenstufe von 860 m u. M. an der Zufahrtstrasse Route des Pres-d’Orvin bis 1340 m u. M. auf der Wasserscheide uber dem Weidegebiet Plans Dessus (was auf Deutsch „Oberer Boden“ bedeutet). Die steilen Berghange westlich und ostlich davon konnten dagegen nicht als Grasland erschlossen werden und tragen noch immer zusammenhangende Waldflachen, die an unzuganglichen Stellen ursprungliche Primarbiotope enthalten. Im Osten schliesst die deutlich steilere, bewaldete Bergflanke La Gaudine-Bois des Rapes an die offene Wiesenlandschaft an. Der alte Gemeindewald von Orvin erstreckt sich bis zur hoch aufragenden Felswand Les Roches („Die Felsen“) oberhalb des Dorfes, das auf der Hohe von 700 m u. M. und somit ungefahr funfhundert Meter weniger hoch liegt als das Areal der Bergweiden.
Weiter sudwestlich liegen auch im Gemeindegebiet von Nods auf einer verhaltnismassig schwach ansteigenden Zone der Bergkette offene Weideflachen. Abseits der von den Sennereien Metairie de Preles, Les Colisses und La Citerne intensiv genutzten Alpweiden ist weit oben am Bergkamm eine andere wertvolle Magerwiese erhalten geblieben, die als Naturschutzgebiet La Citerne in der Liste der Trockenwiesen und -weiden von nationaler Bedeutung im Kanton Bern ausgewiesen ist. Dieses isolierte Biotop ist einen Kilometer von den Pres d’Orvin entfernt.
Die schnurgerade Gemeindegrenze vom Tal Pres Vaillons zum Bergkamm hinauf ist mit einer kilometerlangen trocken aufgeschichteten Mauer aus Blocken des ortlich vorkommenden Kalksteins markiert. Solche Mauern dienten fruher zur Abgrenzung der einzelnen Weidereviere, auf denen sich das Vieh zum Grasen frei bewegen konnte. Die aus dem bankigen, verkarsteten Felsen gelosten oder in den Weideflachen aufgelesenen Steine eignen sich mit ihrer oft plattenartigen Form gut zum Aufbauen der hohen Weidemauern. Wegen der andauernden wetterbedingten Korrosion des Gesteins, der Wirkung von Pflanzen und Tieren und aus andern Ursachen verlieren die Mauern allmahlich den Halt und fallen in sich zusammen. Statt sie muhevoll wieder aufzurichten, bevorzugten die Landwirte seit dem Ende des 19. Jahrhunderts das Einzaunen der Weiden mit Stacheldraht und neuerdings mit elektrischen Weidezaunen; und so ging das Wissen um die Bautechnik des einst nutzlichen Mauerwerks bei der lokalen Bevolkerung verloren. Erst in jungster Zeit finden die zahlreich auf den Anhohen des Jura stehenden Trockensteinmauern wieder eine Wertschatzung als Element der traditionellen Kulturlandschaft. Sie sind mit den vielen Nischen und Ritzen auch als Biotop fur die Kleintierfauna, kleine Raubtiere und die Vogel und als Substrat fur Flechten und Moose nutzlich. Seit 2018 sind die historischen Kulturtechniken des Trockenmauerwerks einiger europaischer Lander in der Reprasentativen Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit der UNESCO verzeichnet. Im Juragebirge werden die vielen das Landschaftsbild pragenden Mauern mancherorts durch neu geschulte Fachleute und mit der Forderung durch externe Geldgeber wie der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz wieder aufgebaut.
Sudlich von Les Pres d’Orvin liegt das TWW-Objekt Combe Gaume auf dem 1382 m hohen Spitzberg (Mont Sujet). Und auch die kleinen Flachen Les Lavettes und Cret sor Neuchatel in der Nahe von Orvin sind als wertvolle Trockenwiesen durch das Bundesinventar geschutzt.
Wahrend die hoheren Weidegebiete vorwiegend offenes Grasland aufweisen, ist die etwas tiefer gelegene Gelandestufe teilweise von lockeren Baumgruppen und Gebusch bedeckt, was diesem Teil der Landschaft den Charakter von Waldweiden gibt. Im 20. Jahrhundert hat sich das Geholz wegen Anderungen in der Alp- und Forstwirtschaft stellenweise stark ausgebreitet und die Lebensgemeinschaften der Wiesen zuruckgedrangt. Der heute teilweise uberbaute flache Talboden ostlich von Pres Vaillons zwischen dem Chasseralrucken und dem Mont Sujet mit dem Namen Plan Dessous, was auf Deutsch „Unterer Boden“ bedeutet, war ursprunglich ein gutes Weidegebiet.
Noch um 1900 standen in den Bergwiesen von Orvin nur wenige, der Viehwirtschaft dienende Gebaude, vor allem die von den Gemeinden betriebenen Metairies, wie man die Bergbauernhofe im Franzosischen nennt. Die Sennerei Metairie d’Evilard (deutsch „Leubringenberg“) im Zentrum des Weidegebiets loste die alteren Alpbetriebe La vieille vacherie, Vacherie Boder und La Gaudine ab. Das Wirtschaftsgebaude auf der hoch gelegenen Bergweide Pre Carrel besteht gemass einer Datumsinschrift an der Hausfassade seit 1800. Die lange Tradition der Metairies in diesem Teil des Juragebirges ist als bedeutendes Kulturgut in die Liste der lebendigen Traditionen in der Schweiz eingetragen worden.
Tourismus und Sport Im spaten 19. Jahrhundert kamen immer mehr Besucher auf die Berge oberhalb von Biel. Etwa um die Jahrhundertwende richteten die Bewohner von Orvin in der alteren Sennhutte La vieille vacherie einen Gasthof ein. Bald darauf standen auf der aussichtsreichen Anhohe Herbergen wie das Haus Bellevue und dann auch private Vereinsunterkunfte. Die Sektion Biel des Schweizer Alpen-Clubs baute 1917 hoch oben im Weidegebiet auf 1326 m u. M. das Berghaus Cabane du Jura (deutsch „Jurahaus“), das hochstgelegene Gebaude von Orvin, von dessen Terrasse aus das Panorama mit den Berner Alpen gut zu sehen ist; die 1906 gegrundete Ortsgruppe Biel der Naturfreunde errichtete am Plan Dessous das „Naturfreundehaus Les Pres-d’Orvin“; um 1934 kam das Ferienhaus der Sektion Biel-Ost des Schweizerischen Arbeiter-Turn- und Sportverbands (Satus) dazu; und auch der Ski Club Romand Bienne, der Berg und Ski-Club Flora Bienne, der Arbeiterskiclub Biel, der Bergklub «Flugelrad» und der Touristenclub Biel (TCB), der dem Schweizerischen Sportverband offentlicher Verkehr (SVSE) angeschlossen ist, errichteten in den Pres d’Orvin eigene Chalets. Vom Bau einer neuen Guterstrasse von Orvin auf den Berg als Ersatz fur den alten beschwerlichen Hohlweg in den 1930er Jahren profitierten auch die Touristen, und so wurden in rascher Folge viele private Ferienhauser und Zweitwohnungen auf den Wiesen und im Bergwald gebaut, und neue Strassen und Zufahrtswege zerschneiden das ehemalige Kulturland.
Die Bergsiedlung ist vom Ortszentrum in Orvin uber eine Lokalstrasse mit Privatwagen und seit 1989 mit einer Buslinie der Verkehrsbetriebe Biel erreichbar. Das Jurahaus des SAC und die typischen Gastwirtschaften oder Hofladen der Sennereibetriebe liegen am dichten Netz der Bergwanderwege und halten im Sommer wie im Winter fur die Touristen Verpflegung bereit. Die offene Berglandschaft ist ein Wintersportgebiet in der Nahe der Siedlungszentren im Berner Mittelland mit Langlaufloipen vom Tal Pres Vaillons bis uber das Weidegebiet hinauf. Uber die Kammlinie Crete de Jobert am Nordrand der Weiden von Orvin verlauft ein Abschnitt des Jura-Hohenwegs. Und das ganze Berggebiet des Chasserals ist mit seinen vielen Fahrstrassen und Trails auch fur Mountainbike-Touren beliebt. Die Freizeitaktivitaten in der Streusiedlung und auf den Bergwegen storen allerdings Pflanzen und Tiere einiger Biotope.
		
			
			
		
		
			
			
		
Vegetation Auf den weiten, extensiv genutzten Gebieten am Berghang liegen gut vernetzte, artenreiche Bergwiesen. Die grossen Zonen mit einer wertvollen Bergflora sind im Schutzgebiet zusammengefasst und bilden mit den ubrigen, intensiv bewirtschafteten, botanisch eintonigen Weiden ein vielfaltiges Vegetationsmosaik. Gemass der Bestandesaufnahme der Flora durch den Kanton Bern und dem Bundesinventar der Trockenwiesen und -weiden von nationaler Bedeutung gelten noch etwa 38 Prozent der geschutzten Flachen als echter Halbtrockenrasen (pflanzensoziologisch der Verband Mesobromion), der jedoch in starker beweideten Bereichen Anzeichen von Uberdungung aufweist. 22 Prozent der Flachen zahlen zu den trockenen Fettweiden, auf denen ebenfalls eine reiche Flora gedeiht, und die restlichen Gebiete sind Sonderformen von Trockenrasen mit verstreuten Geholzen. Auf den mehr beanspruchten Weideflachen weist die Grasnarbe starke Trittschaden auf.
Die seit Jahrhunderten im Jura weit verbreitete Kultur der offenen Waldweiden pragt auch die Landschaft am Chasseral. Die Land- und Forstwirtschaft auf den bestockten Weiden (frz. paturage boise), die seit 1902 durch Bundesrecht geschutzt sind, im Gleichgewicht zu halten, erfordert eine unablassige Pflege der Vegetation. Im Oktober 2011 wurde der Domane Metairie d‘Evilard eine Auszeichnung fur die vorbildliche Erhaltung der Waldweiden auf ihrem Terrain verliehen.
Die aussergewohnliche alpine Pflanzenwelt des Chasseralmassivs ist seit dem Berner Naturforscher Albrecht von Haller (1708–1777) bekannt. Vom Fruhling bis zum Herbst tragen die Magerrasen neben zahlreichen, an die Standorte angepassten Grasern eine Vielzahl anderer Blutenpflanzen, die fur die reiche Insektenfauna wertvolle Habitate bilden. Das Bundesinventar der Trockenwiesen und -weiden von nationaler Bedeutung begrundet die Schutzwurdigkeit der Pres d’Orvin unter anderem mit vielen dort lebenden seltenen Pflanzen. Dazu gehoren Orchideen wie die Grune Hohlzunge (Coeloglossum viride), das Gefleckte Knabenkraut (Dactylorhiza maculata s.l.), die Mucken-Handelwurz (Gymnadenia conopsea), das Mannliche Knabenkraut (Orchis mascula), das Kleine Knabenkraut (Orchis morio), das Brand-Knabenkraut (Orchis ustulata) und die Rosa Kugelorchis (Traunsteinera globosa). Dazu bluhen auf den Wiesen zum Beispiel auch der Weichhaarige Pippau (Crepis mollis), die Gewohnliche Hundszunge (Cynoglossum officinale), der Deutsche Ginster (Genista germanica), die Turkenbundlilie (Lilium martagon), die Gelbe Narzisse (Narcissus pseudonarcissus, deutsch auch „Osterglocke“), die Waldhyazinthe (Platanthera sp.) und der Berg-Hahnenfuss (Ranunculus montanus). Im Herbst erscheinen die Arten des Augentrosts.
Uber die Waldweiden sind zahlreiche fur Flora und Fauna nutzliche Strukturelemente wie kleine temporare Feuchtgebiete, vegetationslose Stellen mit Fels-, Kies- und Sandflachen, trocken gefugte Weidemauern, Steinlesehaufen, Gebusche, Hecken, Flachen mit Zwergstrauchern und Baumgruppen verstreut. Einzeln und gruppenweise stehen alte Buchen, Fichten und Eichen im Gebiet. Wo auf wenig ertragreichen Flachen die Beweidung aufhorte, breitete sich der Wald zum Schaden der Wiesenbiotope aus. Umgekehrt eliminierten die Bewirtschafter auf gunstigeren Flachen viele Baume, um die Weideflache zu optimieren, und zerstorten dadurch kleine Lebensraume fur Insekten, Vogel, Moose und Flechten. Die beiden Entwicklungen, die auf vielen Trockenwiesen festzustellen sind, beeintrachtigen die Artenvielfalt. In den Naturschutzgebieten werden neuerdings vom Parc regional Chasseral und andern Instanzen einerseits wuchernde Geholze zuruckgeschnitten und andererseits gezielt einzelne Baume angepflanzt. Besonders wertvolle «Habitatbaume» stehen unter einem besonderen Schutz.
In der Nahe des TWW-Gebiets Les Pres d’Orvin steht beim Gasthaus «Bellevue» ein als Epicea verge des Pres d’Orvin oder „Schlangenfichte der Pres d’Orvin“ bekannt gewordener Baum, der wegen seiner Seltenheit vom Regierungsrat des Kantons Bern am 19. September 1944 als Naturdenkmal geschutzt wurde. Die Schlangenfichte picea abies virgata ist eine im Jura sehr seltene Varietat der Rottanne. Dem heute etwa 150 Jahre alten Exemplar von Orvin widmete die Schweizerische Zeitschrift fur Forstwesen 1935 einen Artikel. Im Jahrgang 1895 dieser Fachzeitschrift hatte der fruhere Redaktor Franz Fankhauser schon einmal von einem auffalligen (heute nicht mehr vorhandenen) Baum auf den Wiesen von Illfingen (deutscher Name von Orvin) berichtet, einer starken Rottanne, die er mit einem geschatzten Alter von fast 300 Jahren, dem Umfang von mehr als acht Metern und der Hohe von 34,5 Metern als den vermutlich grossten Baum des Kantons Bern, wenn nicht der ganzen Schweiz bezeichnete.
Im zwei Abschnitten des Schutzgebiets lasst der Zementkonzern Vigier Ciment, der seinen Sitz in der Nachbargemeinde Pery-La Heutte hat, als okologische Ausgleichsmassnahme fur den Betrieb des neuen Kalksteinbruchs La Tscharner in Absprache mit den regionalen Behorden verschiedene Pflegearbeiten durchfuhren. Das Unternehmen setzte dazu eine Kommission fur Okologie (Sous-Commission Ecologie SCE) ein, die neben anderen Massnahmen im Weidegebiet Pre Carrel nahe der Wasserscheide und in der Zone Les Voigieres vertraglich die Erhaltung der extensiv genutzten Magerwiesen unterstutzt. Die Kommission liess um 2000 im TWW-Naturreservat Les Lavettes eine vom Wald bereits ganz bedeckte ehemalige Weideflache ausholzen und sorgt seither fur die Pflege der regenerierten Wiesen.
		
			
			
		
		
			
			
		
		
			
			
		
		
			
			
		
Blutezeit der Narzissen Unter den vielen Blumenarten auf den Weiden von Orvin ist die wild wachsende Gelbe Narzisse oder „Osterglocke“ (franzosisch jonquille) bei weitem die bekannteste. Sie erscheint im Fruhling an den offenen Sudhangen des Chasseral zu Hunderttausenden auf den Magerwiesen und bluht, begleitet von vielen Krokussen, bevor die Graser eine zu grosse Hohe erreichen. Die seit langem am Chasseral heimische Blutenpflanze konnte sich mit der Zeit uber weite Flachen ausbreiten. An Stellen mit besonders gunstigen, ungestorten Boden wachst sie dicht gedrangt, und selbst in humosen Ritzen verkarsteter Felsoberflachen kann sie gedeihen. Auch einige halboffene Weideflachen auf dem Spitzberg und auf den Anhohen nordlich des Sankt-Immer-Tals und im Neuenburger Jura tragen unzahlige wilde Narzissen. Auf den regelmassig gedungten fetten Wiesen wie im Tal Pres Vaillons und anderen ubernutzten Parzellen sind sie hingegen am Verschwinden.
Das saisonale Blutenmeer zahlt zu den herausragenden Natursehenswurdigkeiten des Berner Jura und zieht im Fruhling jeweils viele Pflanzenliebhaber an (so wie in den Alpen die Felder voller Weisser Osterglocken bei Seewis im Prattigau und auf Les Avants bei Montreux am Genfersee). Weil die Narzissen fruher oft abgeerntet und gar ausgegraben wurden, ist die Art seit 1978 staatlich geschutzt. Die regionalen Tourismusorganisationen informieren wahrend der Hochzeit der Narzissenblute uber den Stand der Flora und auch uber die notigen Massnahmen zur Besucherlenkung. Vom Naturpark Chasseral eingesetzte Ranger unterrichten die zahlreichen Schaulustigen uber das angemessene Verhalten im Naturschutzgebiet. Das Pflucken kleiner Mengen von Osterglocken fur den Privatgebrauch ist erlaubt. Von den Flurstrassen und Wanderwegen aus sind die ausgedehnten Blumenfelder gut zu uberblicken.
		
			
			
		
		
			
			
		
		
			
			
		
		
			
			
		
		
			
			
		
Fauna Die Trockenstandorte der halboffenen Bergwiesen mit den Baumen und Geholzen bieten einer reichen Insektenfauna zahlreiche Lebensraume, wo besonders Schmetterlinge, aber auch Heuschrecken, Kafer, Ameisen und andere Tiere vorkommen.
Der Naturpark Chasseral untersuchte gezielt den Bestand der gefahrdeten Heidelerche auf den Weiden von Orvin und auf dem Spitzberg. Die an offene Trockenwiesen angepasste Vogelart erholt sich seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts wieder. Die Region des Chasseral gilt als eines ihrer Hauptbrutgebiete in der Schweiz.
Schutzziel Gemass den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 1. Juli 1966 uber den Natur- und Heimatschutz und der Verordnung uber das Bundesinventar der Trockenwiesen und -weiden von nationaler Bedeutung gelten auch fur das TWW-Gebiet Les Pres d’Orvin folgende Schutzziele:
Die spezifische Pflanzen- und Tierwelt, ihre okologischen Grundlagen und die fur die Trockenwiesen typische Eigenart, Struktur und Dynamik in den inventarisierten Gebieten sind zu erhalten und zu fordern.
Eine nachhaltig betriebene Land- und Forstwirtschaft ist dazu erforderlich.
Es durfen nur Bauten und Anlagen errichtet und Bodenveranderungen durchgefuhrt werden, die dem Schutz der Pflanzen- und Tierwelt nicht widersprechen.
Neue und bestehende Nutzungen wie etwa durch die Land- und die Waldwirtschaft und den Tourismus mussen mit dem Schutz der Pflanzen- und Tierwelt in Einklang stehen.
Seltene und gefahrdete Pflanzen- und Tierarten und ihre Lebensgemeinschaften sind zu fordern.
Literatur Christiane Yvelin: Patrimoine en heritage. Murs de pierres seches dans le paysage jurassien. Kulturerbe als Vermachtnis. Trockensteinmauern in der Juralandschaft. Bern 2021.
Weblinks Les Pres d’Orvin in der Weltdatenbank geschutzter Gebiete
BE 26385425 «Les Pres d’Orvin» im Bundesinventar der Trockenwiesen und -weiden von nationaler Bedeutung
Les Pres d’Orvin, Inventarobjekt 5711 in der Interaktiven Naturschutzkarte des Kantons Bern
Einzelnachweise | 
	Die Gegend mit der Bezeichnung Les Pres d’Orvin ist eine Berglandschaft im Schweizer Juragebirge und ein Naturschutzgebiet im Kanton Bern. Sie liegt grosstenteils auf dem Gebiet der Gemeinde Orvin und mit einem kleinen Abschnitt in der Nachbargemeinde Nods, die beide zum Verwaltungskreis Berner Jura gehoren. Das Gebiet ist von einem Sekundarbiotop mit halboffenen Bergwiesen und einer artenreichen Vegetation gepragt, das seit 2010 durch das Bundesinventar der Trockenwiesen und -weiden von nationaler Bedeutung (TWW) geschutzt und zudem in der Weltdatenbank der Schutzgebiete (WDPA) als Biotop- und Artenschutzgebiet der IUCN-Kategorie IV ausgewiesen ist.
Der franzosische Name Les Pres d’Orvin bedeutet auf Deutsch „Die Wiesen von Illfingen“; frz. pre stammt von lateinisch pratum „Wiese“ ab, und „Illfingen“ ist der alte, heute nicht mehr gebrauchliche deutsche Name der Ortschaft, die im franzosischsprachigen Gebiet der Romandie liegt. Im lokalen Sprachgebrauch nannte man fruher das Berggebiet einfach Les Pres. Der Flurname bezeichnet das durch Rodung im ursprunglichen Bergwald oberhalb des Dorfes Orvin gewonnene Weideland am Sudhang einer markanten Bergkette des Faltenjuras. Diese Erhebung erreicht sieben Kilometer weiter sudwestlich mit dem Gipfel des Chasseral auf 1607 m u. M. ihren hochsten Punkt und endet sechs Kilometer ostlich der Pres d’Orvin in der Schlucht von Frinvillier auf 520 m u. M. Der Gebirgsraum liegt im Landschaftsschutzgebiet des Naturparks Parc regional Chasseral.
Weit oben an der Bergstrasse vom Dorf zum Weideland, die auch als Verbindungsstrasse nach Nods dient, entstand im 20. Jahrhundert eine Streusiedlung, die vorwiegend aus Ferienhausern besteht und den Siedlungsnamen Les Pres-d’Orvin erhielt, der zur Unterscheidung vom Flurnamen Les Pres d’Orvin mit einem Bindestrich geschrieben wird. Die zerstreuten Bereiche des TWW-Schutzgebiets erstrecken sich uber die noch nicht von der unkontrollierten Siedlungsentwicklung erfassten und kaum durch intensive Landwirtschaft beeintrachtigten naturnahen Flachen neben dem Feriendorf. | 
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	c-502 | 
	Bert Geoffrey Achong (* 6. Dezember 1928 in Port of Spain; † 20. November 1996 in Hampstead) war ein trinidadischer Labormediziner. 1964 entdeckte er zusammen mit Anthony Epstein und Yvonne Barr in Zellkulturen von afrikanischen Burkitt-Lymphomen das spater so benannte Epstein-Barr-Virus.
Leben und Wirken Bert Achong wurde in der damaligen britischen Kolonie Trinidad und Tobago geboren und hatte chinesische Vorfahren. Als begabter Schuler erhielt er ein Stipendium, das ihm ein Studium in Europa ermoglichte. Mit 18 Jahren nahm er ein Medizinstudium am University College Dublin auf und erwarb dort 1953 einen Doktortitel. 1955 zog er nach London und spezialisierte sich am Lambeth Hospital auf Labormedizin (clinical pathology).
Im Jahr 1963 schloss sich Bert Achong der Forschungsgruppe von Anthony Epstein am Middlesex Hospital an, wo er durch seine Arbeit am Elektronenmikroskop zur Entdeckung des Epstein-Barr-Virus beitrug. Damit gelang der erste Nachweis eines Virus, das beim Menschen Krebs auslosen kann. 1968 ging Achong mit Epstein an die University of Bristol, wo er Dozent fur Zytodiagnostik wurde und bis zu seinem Ruhestand 1985 blieb.
1971 isolierte Achong erstmals ein Spumavirus aus einer menschlichen Zellkultur, das in der Folge als Human foamy virus (HFV) bezeichnet wurde, zwei Jahrzehnte spater durch genetische Untersuchungen jedoch als identisch mit einem bei Schimpansen verbreiteten Virus erkannt wurde. Es war der erste Nachweis einer naturlich aufgetretenen Infektion eines Menschen durch ein Retrovirus.
Bert Achong starb 1996 im Alter von 67 Jahren an den Folgen eines Hirntumors.
Schriften (Auswahl) M. A. Epstein, B. G. Achong, Y. M. Barr: Virus Particles In Cultured Lymphoblasts From Burkitt’s Lymphoma. In: The Lancet. Band 1, Nr. 7335, Marz 1964, ISSN 0140-6736, S. 702 f., PMID 14107961 (englisch). 
M. A. Epstein, G. Henle, B. G. Achong, Y. M. Barr: Morphological And Biological Studies On A Virus In Cultured Lymphoblasts From Burkitt’s Lymphoma. In: Journal of Experimental Medicine. Band 121, Mai 1965, ISSN 0022-1007, S. 761–770, PMID 14278230, PMC 2138004 (freier Volltext) – (englisch). 
B. G. Achong, P. W. A. Mansell, M. A. Epstein, P. Clifford: An unusual virus in cultures from a human nasopharyngeal carcinoma. In: Journal of the National Cancer Institute. Band 46, 1971, ISSN 1460-2105, S. 299–307, PMID 4329955 (englisch). 
Literatur Anthony Epstein: Burkitt lymphoma and the discovery of Epstein-Barr virus. In: British Journal of Haematology. Band 156, Nr. 6, Marz 2012, ISSN 1365-2141, S. 777–779, doi:10.1111/j.1365-2141.2011.09008.x, PMID 22233499 (englisch). 
Einzelnachweise | 
	Bert Geoffrey Achong (* 6. Dezember 1928 in Port of Spain; † 20. November 1996 in Hampstead) war ein trinidadischer Labormediziner. 1964 entdeckte er zusammen mit Anthony Epstein und Yvonne Barr in Zellkulturen von afrikanischen Burkitt-Lymphomen das spater so benannte Epstein-Barr-Virus. | 
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	c-503 | 
	Rhoda Carleton Marian Nicholls (* 28. Marz 1854 in Coventry, England; † 7. September 1930 in Stamford, Connecticut, USA) war eine englisch-amerikanische Malerin und Kunstlehrerin. Sie malte hauptsachlich Blumen, Landschaften und Figuren und arbeitete in Aquarell, Pastell und Ol.
Leben und Werk Nichols wurde als Rhoda Carleton Marion Holmes als einzige Tochter des Pfarrers Georg Holmes und Marion Cooke Holmes geboren. Sie studierte Kunst an der Bloomsbury School of Art, dem heutigen Royal College of Art, einer der Schulen des Kensington Museums in London. Sie erhielt von der Konigin, die ihre Zeichnungen begutachtet hatte, ein Stipendium fur drei Studienjahre und einen zusatzlichen Geldpreis. Am Ende eines Studienjahres verzichtete sie auf das Stipendiengeld fur weitere zwei Jahre und reiste nach Rom. Dort wurde sie Mitglied des Circello Artistico, einer Gruppe von Kunstlern verschiedener Nationalitaten. Sie war die zweite Frau, die als Mitglied der Rome Watercolour Society gewahlt wurde. Ihre Gemalde wurden in Rom, Turin und an der Royal Academy of Arts in London ausgestellt.
Nachdem sie drei Jahre lang auf der Straußenfarm ihres Bruders in Sudafrika gelebt hatte, kehrte sie nach England zuruck. Dort heiratete sie 1884 den amerikanischen Maler Burr H. Nicholls, den sie in Italien kennengelernt hatte. Sie ubersiedelte mit ihm in die Vereinigten Staaten. In New York City bezogen sie ein Studio im Sherwood Building. Drei Jahre spater wurde ihre Tochter geboren und eineinhalb Jahre darauf ein Sohn.
Nicholls gewann Medaillen auf der New York Prize Fund Exhibition 1886, der World’s Columbian Exposition in Chicago 1893, der Weltausstellung Cotton States and International Exposition 1895 und anderen großen Ausstellungen. Als ihr Gemalde fur eine Pariser Ausstellung ausgewahlt wurde und das Gemalde ihres Mannes nicht, ließ er sich von ihr scheiden. In Zeitungsberichten wurde in diesem Zusammenhang ausfuhrlich vor den Gefahren des Erfolgs von Frauen und seinem moglichen Einfluss auf das Ehe- und Familiengluck hingewiesen.
Zusatzlich zu ihrer Malerei gab Nicholls viele Jahre lang Aquarellunterricht an der Shinnecock Hills Summer School of Art auf Long Island und an der Art Students League of New York. Sie leitete außerdem Sommerkurse in Gloucester (Massachusetts) und Provincetown sowie in Kennebunkport in Maine. Sie war Mitarbeiterin von Art Interchange und Art Amateur und war Mitherausgeberin von Palette and Brush.
Von 1884 bis 1917 nahm sie an vierzehn Ausstellungen an der National Academy of Design teil, von 1884 bis 1903 an elf jahrlichen Ausstellungen an der Pennsylvania Academy und von 1888 bis 1918 an funfundzwanzig Ausstellungen am Art Institute of Chicago. 1924 fand in der Corcoran Gallery in Washington, D.C. eine große Ausstellung ihrer Aquarelle statt.
Sie war Mitglied der National Association of Women Artists, der American Society of Miniature Painters, der New York Water Color Society, der American Water Color Society, des Woman’s Art Club of New York und war Vizeprasidentin des New York Water Color Club.
Nicholls starb 1930 im Alter von 76 Jahren.
Ihre Arbeiten sind in Museen wie dem Smithsonian American Art Museum und dem High Museum of Art in Atlanta vertreten. 2006 prasentierte das Williams College Museum of Art (WCMA) die erste ausfuhrliche Ausstellung fur Rhoda Holmes Nicholls.
Gemalde von Rhoda Holmes Nicholls (Auswahl) Literatur Frances Elizabeth Willard, Mary Ashton Rice Livermore: A woman of the century : fourteen hundred-seventy biographical sketches accompanied by portraits of leading American women in all walks of life. Buffalo, N.Y. : Moulton, 1893.
Jules Heller, Nancy G. Heller: North American Women Artists of the Twentieth Century: A Biographical Dictionary. Routledg, S. 406, ISBN 978-1-135-63882-5.
Clara Erskine Clement: Women in the fine arts, from the seventh century B.C. to the twentieth century A.D. Houghton Mifflin, 1904.
Weblinks Amy Tikkanen u. a.: Rhoda Holmes Nicholls. In: Encyclopædia Britannica. 24. Marz 2024; abgerufen am 28. Marz 2024 (englisch). 
Einzelnachweise | 
	Rhoda Carleton Marian Nicholls (* 28. Marz 1854 in Coventry, England; † 7. September 1930 in Stamford, Connecticut, USA) war eine englisch-amerikanische Malerin und Kunstlehrerin. Sie malte hauptsachlich Blumen, Landschaften und Figuren und arbeitete in Aquarell, Pastell und Ol. | 
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	c-504 | 
	Die Kalifornische Großohrblattnase (Macrotus californicus) ist ein im westlichen Nordamerika verbreitetes Fledertier in der Familie der Blattnasen. Sie bildet zusammen mit der Waterhouse-Großohrblattnase (Macrotus waterhousii), als deren Unterart sie noch bis in die 1980er-Jahre gezahlt wurde, die Gattung Großohrblattnasen (Macrotus; „großohrig“).
Merkmale Erwachsene Exemplare sind mit Schwanz 77 bis 108 mm lang, die Schwanzlange betragt 25 bis 42 mm, und das Gewicht liegt bei 10 bis 14 g. Es sind 44 bis 58 mm lange Unterarme und 24 bis 29 mm lange Ohren vorhanden. Typisch fur das Fell sind Haare, die an den Wurzeln hell und an den Spitzen dunkel sind, was oberseits ein schokoladenbraunes und unterseits ein etwas helleres Aussehen erzeugt. Das 4 bis 6 mm lange Nasenblatt besteht aus einer runden Grundform und einem lindenblattformigen Aufsatz. Bei dieser Fledermaus ragt die Schwanzspitze etwas aus der Schwanzflughaut heraus. Ein weiteres Kennzeichen ist eine Zahnkrone auf den Molaren, die ein W formt. Die 34 Zahne verteilen sich nach der Zahnformel I 2/2, C 1/1, P 2/3, M 3/3. Ein Hautstreifen verbindet die Ohren auf der Stirn. Die Art hat einen recht langen Fersensporn (Calcar). Der diploide Chromosomensatz wird aus 40 Chromosomen gebildet (2n=40).
Verbreitung Das Verbreitungsgebiet reicht vom sudostlichen Kalifornien und von Arizona (beide USA) bis zur Halbinsel Niederkalifornien und zum nordlichen Sinaloa sowie zum westlichen Chihuahua (alle Mexiko). Die Kalifornische Großohrblattnase lebt im Flachland und in Gebirgen bis 1220 Meter Hohe. Sie halt sich in Waldern, Strauchflachen und Kulturlandschaften auf. In wustenartigen Gegenden besucht sie Galeriewalder.
Lebensweise Die dammerungs- und nachtaktiven Individuen ruhen am Tage in recht warmen Hohlen, Bergwerksstollen und Gebauden. Außerhalb der Paarungszeit sind einzelne Exemplare oder Kolonien mit einigen hundert Mitgliedern im Versteck zu finden. Die Tiere halten gewohnlich etwas Abstand voneinander. Diese Fledermaus halt keinen Winterschlaf. Zur Geburt und Aufzucht der Nachkommen suchen Gruppen von 100 bis 200 Weibchen andere Hohlen auf, die nur von wenigen Mannchen besucht werden. Andere Mannchen bilden Junggesellenkolonien. Diese Fledermaus fangt recht große Insekten wie Laubheuschrecken, Echte Motten, Echte Grillen, Blatthornkafer und Laufkafer. Im Gegensatz zu vielen anderen Fledermausen jagt sie vorwiegend auf Sicht. Die Beute wird meist von Pflanzen oder vom Boden aufgesammelt. Diese Fledermaus kann mit ihren Flugeln recht langsam fliegen und ihre Richtung schnell andern. So fehlt ihr dagegen das Vermogen zu langeren Wanderungen. Die Ruheplatze liegen meist 10 bis 25 Meter vom Hohlen- oder Tunneleingang entfernt.
Bei dieser Art folgt auf die Paarung und Befruchtung des Eis eine verzogerte Embryoentwicklung uber etwa funf Monate. Danach wachst das einzige Embryo pro Wurf uber drei oder vier Monate schneller bis zur Geburt zwischen Mitte Mai und Anfang Juli. Eier gelangen nur uber den rechten Eileiter zur Gebarmutter. Eine andere Quelle nennt gewohnlich zwei Nachkommen pro Wurf.
Gefahrdung Wie die andere Art dieser Gattung reagiert diese Fledermaus empfindlich auf Storungen am Ruheplatz. Dabei reicht es schon aus, wenn entweder Sommer- oder Winterversteck beeintrachtigt werden. In Regionen, die wenig Wald oder Buschflachen aufweisen, wirken sich Rodungen negativ aus. Kleinere Populationen im ostlichen Mexiko, die gewohnlich zu einer Unterart der Waterhouse-Großohrblattnase (M.w.bulleri) gelistet werden, konnten auch zu dieser Art zahlen und waren so besonders gefahrdet. Im Verbreitungsgebiet gibt es mehrere Schutzzonen und die Gesamtpopulation gilt als stabil. Die IUCN listet die Kalifornische Großohrblattnase als nicht gefahrdet (least concern).
Weblinks Einzelnachweise | 
	Die Kalifornische Großohrblattnase (Macrotus californicus) ist ein im westlichen Nordamerika verbreitetes Fledertier in der Familie der Blattnasen. Sie bildet zusammen mit der Waterhouse-Großohrblattnase (Macrotus waterhousii), als deren Unterart sie noch bis in die 1980er-Jahre gezahlt wurde, die Gattung Großohrblattnasen (Macrotus; „großohrig“). | 
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	c-505 | 
	Johann David Wagner, genannt Mause-David (* um 1680 in Niederlungwitz; † 21. November 1721 in Leipzig), war ein deutscher Rauber, Dieb und Bandenfuhrer. Bereits zu Lebzeiten genoss er eine große Popularitat. Schon kurz nach seinem Tod wurde uber sein Leben ausfuhrlich publiziert.
Leben und Tod Johann David Wagner wurde um 1680 als Sohn des Mullers Michael Wagner im damaligen Lungwitz im Amt Lichtenstein bei Glauchau geboren. Nach dem fruhen Tod seiner Eltern wuchs er bei seiner Tante mutterlicherseits auf. Nachdem er in Lichtenstein und Wildenfels insgesamt sieben Jahre lang zwei Anstellungen als Schaferknecht gehabt hatte, ging er nach Schleiz, um kurzzeitig als Eseltreiber zu arbeiten. In Werdau erlernte er anschließend drei Jahre lang das Mullerhandwerk. Auf seiner anschließenden Wanderschaft ließ er sich in Reinsdorf als Soldat der Sachsischen Armee anwerben. Bei der Belagerung von Stralsund 1711/1712 im Großen Nordischen Krieg desertierte Wagner, ging zuruck in seine Heimatregion Osterland und hielt sich zunachst mit Glucksspiel finanziell uber Wasser.
Als Rauber und Anfuhrer einer Diebesbande trat Wagner nachweislich erstmals 1719 in der Region Leipzig in Erscheinung. Die kleine Gruppe um Wagner bestand aus teilweise wechselnden Mannern, die er beim Karten- und Wurfelspiel kennengelernt hatte. Im April 1719 erfolgten ein Einbruch in Winklers Garten in Leipzig, der Diebstahl eines Pferdes in Großstadteln sowie ein bewaffneter Raububerfall auf einen Muller in Brandis. Im Mai des Jahres wurden bei einer Routinekontrolle in Zangenberg bei Zeitz drei Manner festgenommen, von denen einer sich als Komplize Wagners herausstellte. Er sagte gegen seinen Anfuhrer aus, worauf Wagner und weitere Personen zur Fahndung ausgeschrieben wurden. Im Oktober und November 1719 erfolgten weitere Einbruche. Am 29. November konnte der nun schon Mause-David genannte Rauber auf dem Roßmarkt in Leipzig festgenommen werden. Mausen ist dabei ein veralteter Begriff fur stehlen.
Der Leipziger Stadtrichter ließ im Februar 1720 eine ausfuhrliche Beschreibung Wagners und eine Auflistung der bei ihm gefundenen Gegenstande mit der Bitte um mehr Informationen zur Person und weiteren Diebstahlen veroffentlichen. Zahlreiche Zuschriften und Anzeigen gingen beim Stadtgericht ein, so z. B. zu Einbruchen und Diebstahlen in Kirchen in Mehna und Neuenhofen. Insgesamt konnten Wagner letztendlich 12 Diebstahle und Raububerfalle zwischen 1713 und 1719 nachgewiesen werden, dazu wurde er wegen unerlaubten Waffenbesitzes, Fahnenflucht und Ehebruchs angeklagt. Das Stadtgericht ging davon aus, dass Johann David Wagner zusammen mit einem Komplizen im September 1719 in Waltersdorf im Kreisamt Altenburg auch einen Mann ermordet hatte, die Indizien reichten allerdings nicht fur eine Anklage aus. Nach vierzehn Monaten Haft kam es im Marz 1721 zur Gerichtsverhandlung. Nachdem Wagner zunachst alle Beschuldigungen abgestritten hatte, gestand er unter Folter die ihm vorgeworfenen Taten. Im April verlas der Leipziger Schoppenstuhl sein Urteil: Der Delinquent wurde zum Tod verurteilt. Gerade Kirchenraub wurde zu jener Zeit streng geahndet. Wagner widerrief anschließend sein Gestandnis, zudem verweigerte er kurz vor der geplanten Hinrichtung im Oktober 1721 dem bestellten Priester seine Beichte. Verunsichert durch die fehlende Absolution wandte sich das Stadtgericht an den sachsischen Kurfursten August den Starken, der das Urteil aber bestatigte.
Johann David Wagner wurde am 21. November 1721 hingerichtet, was man als großes Schauspiel inszenierte. Unter Beisein tausender Zuschauer aus Leipzig und Umgebung holte eine große Gruppe von Stadtsoldaten Wagner aus dem Gefangnis am Grimmaischen Tor ab und zog zunachst auf den Markt. Im Alten Rathaus gab es nochmals eine einstudierte formelle Verurteilung Wagners mit ausgewahlten Zuschauern, anschließend zog die lange Prozession u. a. mit singenden Thomanern (u. a. mit Gott der Vater steh uns bei oder Mitten wir im Leben sind) zur Richtstatte, dem Rabensteinplatz. Das Urteil wurde erst mehr als eine Stunde nach Ankunft der Prozession vollstreckt, weil Wagner immer wieder Grunde suchte, die Richtstatt nicht betreten zu mussen. Schließlich wurde Wagner enthauptet und anschließend geradert.
Rezeption Der Kriminalfall wurde bereits zu Lebzeiten Wagners fur die Zeit medial groß aufbereitet. Allein am Tag seiner Hinrichtung wurde der Bevolkerung in Leipziger Gasthofen und Kaffeehausern sowie auf dem Hinrichtungsplatz zwei Handzettel mit Portratkupferstichen Wagners sowie zwei mehrblattrige Flugschriften angeboten. Bereits unmittelbar nach seinem Tod erschien im Dezember 1721 als Druck eine Predigt des in Taucha wirkenden Pastors Johann Gottlieb Hoffmann (1674–1750), die anlasslich der Exekution Wagners gehalten wurde und mit einem Bildnis des Raubers auf dem Titelblatt aufwartete. Hoffmann nutzte das Bild nur als optischen Aufmacher, inhaltlich ging es in der Predigt um Moses und die Exekution an einen israelitischen Sunder. 
1722 erschien anonym ein mehr als 200-seitiges Buch mit zwolf Kapiteln und funf Kupferstichen uber Leben und Taten Wagners. Einleitend wurde dabei u. a. auch uber kursachsische Rechtsgrundlagen durch Dekrete und andere Kriminalfalle ahnlicher Art berichtet. Da im Hauptteil zahlreiche Aussagen von Tatbeteiligten und Zeugen zitiert wurden, gilt das Buch als eine der fruhen Quellen zur deutschen Gaunersprache.
1738 und 1748 wurde der Fall beispielhaft mehrfach in einem weit verbreiteten und in mehreren Auflagen erschienenen Lehrbuch zum damaligen Strafprozessrecht aufgegriffen.
Der Theologe und Padagoge Johann Sigmund Stoy (1745–1808) nahm Johann David Wagner 1784 in sein bedeutendes Jugendbuch Bilder-Akademie fur die Jugend als eines von sechs zur Abschreckung gedachten Beispielen fur Beruchtigte Strassenrauber und Betruger auf, im zugehorigen Bildband mit einem weiteren und von Daniel Chodowiecki gestochenen Portrat Wagners mit einem Messer in der Hand.
In spateren deutschen Pitavalen wurde der Fall Wagner immer wieder sehr ausfuhrlich behandelt.
Literatur (Auswahl) Historische Relation Von dem Leben und Ubelthaten Eines verstockten Diebes und Kirchen-Raubers, Johann David Wagners, sonst Mause David genannt, Welcher Am 21. Novembr. 1721. zu Leipzig, seiner Mißhandlungen wegen, mit dem Schwerdt vom Leben zum Tode gestraffet, und dessen Corper, nach vollstreckter Execution, auf ein Rad geflochten worden. Alles aus denen hin und wieder ergangenen Judicial-Actis colligiret, mit Fleiß extrahiret, und mit unterschiedenen darzu dienenden Kupffern in offentlichen Druck heraus gegeben. Leipzig 1722 (online).
Das Leben und Ubelthaten Eines verstockten Diebes und Kirchen-Raubers Johann David Wagners, sonst Mause David genannt. In: Neu-eroffneter Schau-Platz der beruchtigsten Betrieger Spitzbuben, Morder, Kirchen- und Strassen-Rauber dieses Seculi. Samt deren Execution, und accuraten Portraiten. Von Wiering, Hamburg 1723, S. 412–599 (online).
Johann Christian Crell: Das In gantz EUROPA beruhmte, galante und sehens-wurdige Konigliche Leipzig in Sachsen, Oder JCCANDERS Kurtze und accurate Beschreibung Derer vornehmsten In dieser Welt-bekannten Kauff- und Handels-Stadt beruhmtesten Gebaude und Merckwurdigkeiten. Martini, Leipzig 1725, S. 102–103 (online).
Johann Sigmund Stoy: Bilder-Akademie fur die Jugend. Abbildung und Beschreibung der vornehmsten Gegenstande der jugendlichen Aufmerksamkeit - aus der biblischen und Profangeschichte, aus dem gemeinen Leben, dem Naturreiche und den Berufsgeschaften, aus der heidnischen Gotter- und Alterthums-Lehre, aus den besten Sammlungen guter Fabeln und moralischer Erzahlungen - nebst einem Auszug aus Herrn Basedows Elementarwerke. In vier und funfzig Kupfertafeln und zweyen Banden Erklarung herausgegeben. Band 2. Nurnberg 1784, S. 937–938 (online).
Georg Christoph Wilder: Johann David Wagner, sonst Mause-David genannt, ein verstockter Dieb und Kirchenrauber, zu Leipzig 1721. enthauptet und aufs Rad geflochten. In: Ders.: Biographien hingerichteter Personen, die sich durch ihre hohe Wurde, Gelehrsamkeit, Verbrechen, Unschuld oder Martern auszeichneten, aus den besten Schriften gesammelt. Dritter Theil. Grattenauer, Nurnberg 1792, S. 194–214 (online).
Friedrich Christian Ave-Lallemant: Das deutsche Gaunerthum in seiner socia-politischen, literarischen und linguistischen Ausbildung zu seinem heutigen Bestande. Erster Theil. Brockhaus, Leipzig 1858, S. 227 (online).
Gustav Wustmann: Gefangnis und Hinrichtung des Mause-David. In: Ders.: Bilderbuch aus der Geschichte der Stadt Leipzig fur alt und jung. Zieger, Leipzig 1897, S. 60–61 (online).
Friedrich Kluge: LXXIII. Mause-David 1722. In: Ders.: Rotwelsch. Quellen und Wortschatz der Gaunersprache und der verwandten Geheimsprachen. Band I.: Rotwelsches Quellenbuch. Trubner, Straßburg 1901 (Nachdruck: De Gruyter, Berlin und Boston 2015, ISBN 978-3-11-158571-0), S. 182.
Leben und Ubeltaten eines Diebes und Kirchenraubers, genannt Mause-David. In: Heiner Boehncke, Hans Sarkowicz (Hrsg.): Sachsens bose Kerle. Rauber, Schmuggler, Wilderer. Eichborn, Frankfurt am Main 1993, ISBN 978-3-8218-1174-1, S. 55–60.
Walter Fellmann: Das Ende des Mause-David. In: Ders.: ... doch das Messer sieht man nicht. Merkwurdige Kriminalfalle & sensationelle Prozesse. Bechtermunz-Verlag, Augsburg 1999, ISBN 978-3-8289-6706-9, S. 54–65.
Bernd Stephan: Festnahme auf dem Rossmarkt. Mause-David und die Bande aus dem Osterland. In: Ders.: Geld oder Leben! Rauberbanden zwischen Harz, Oberlausitz und Erzgebirge. Bussert & Stadler, Jena und Quedlinburg 2010, ISBN 978-3-942115-06-3, S. 91–104.
Weblinks Einzelnachweise | 
	Johann David Wagner, genannt Mause-David (* um 1680 in Niederlungwitz; † 21. November 1721 in Leipzig), war ein deutscher Rauber, Dieb und Bandenfuhrer. Bereits zu Lebzeiten genoss er eine große Popularitat. Schon kurz nach seinem Tod wurde uber sein Leben ausfuhrlich publiziert. | 
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	c-506 | 
	Korolevo ist die in Fachkreisen ubliche Bezeichnung fur einen archaologischen Fundplatz auf dem Gebiet der Gemeinde Korolewo in der Oblast Transkarpatien im Westen der Ukraine, rund 10 Kilometer von der Stadt Wynohradiw entfernt. Im Marz 2024 wurde im Fachblatt Nature eine Studie veroffentlicht, der zufolge die Steinwerkzeuge aus der altesten Fundschicht 1,42 Millionen Jahre alt sind. Damit reprasentiert Korolevo „die fruheste sicher datierte Anwesenheit von Homininen in Europa.“ Bisher wurden in der Region zwar keine homininen Fossilien aus dieser Epoche – dem Altpalaolithikum – geborgen, das Alter der Steinwerkzeuge deutet jedoch darauf hin, dass die Funde Homo erectus zuzuschreiben sind.
Funde und Datierungen Die Freiland-Fundstatte Korolevo wurde 1974 vom Archaologen Vladislav Nikolaevitch Gladilin (1935–2015) entdeckt und bis Anfang der 1990er-Jahre unter seiner Leitung durch die Nationale Akademie der Wissenschaften der Ukraine und in Zusammenarbeit mit der Nationaluniversitat Uschhorod erforscht. Sie liegt an jener markanten Stelle, wo die Theiß, ein Nebenfluss der Donau, aus den Vorgebirgen der Waldkarpaten in die Pannonische Tiefebene ubertritt. Die Fundstatte befindet sich in einem Steinbruch, aus dessen Wanden Steingerate unterschiedlicher Machart aus mehreren Schichten herauswittern. Ersten Befunden zufolge erstreckte sich das potentielle Fundgebiet uber mehr als 100.000 Quadratmeter und umfasste neun Palaoboden innerhalb einer bis zu 14 m machtigen Lossfolge. Schon allein wegen der anhaltenden Steinbruch-Arbeiten beschrankten sich die jahrlichen Grabungen auf wenige Quadratmeter. 1989 wurden die knapp 30 gegeneinander abgrenzbaren Schichten in einer Ubersichtsarbeit vorgestellt und die von einer Besiedelung zeugenden Schichten dem Acheuleen, dem Mousterien und dem Jungpalaolithikum zugeschrieben.
2010 wurde berichtet, dass die alteste von 15 kulturell – durch Werkzeug-Einlagerungen – beeinflussten Schichten alter als 800.000 Jahre ist. Diese Datierung gelang anhand des magnetostratigraphischen Nachweises der Brunhes-Matuyama-Umkehr in einem der unteren Loss-Palaoboden-Abschnitte (Palaoboden S7) der Fundstatte. 2016 wurde diese Datierung anhand einer weiteren magnetostratigraphischen Studie bestatigt und die alteste Siedlungsschicht eingegrenzt auf ein Alter zwischen 986.000 und 780.000 Jahren vor heute.
Eine genauere Altersbestimmung fur die alteste Siedlungsschicht wurde schließlich 2024 in der Fachzeitschrift Nature veroffentlicht: Anhand zweier Varianten der Aluminium-Beryllium-Methode wurde ein Alter von 1,42 ± 0,28 Millionen und 1,42 ± 0,10 Millionen Jahren ermittelt. Die Steinwerkzeuge sind demnach rund 200.000 Jahre alter als die zuvor als alteste Siedlungsspuren in Europa geltenden Funde aus der Sima del Elefante in Spanien (siehe dazu auch Homo antecessor#Weitere Funde). Die Forscher interpretierten diese Datierung als Beleg fur die schon langer erorterte Hypothese, dass die Besiedelung Europas durch Homo erectus von Osten entlang der Donau erfolgte. In ihrer Studie schreiben sie, die Fundstatte Korolevo „uberbruckt die raumliche und zeitliche Lucke zwischen den 1,85 bis 1,78 Millionen Jahren alten Funden im Kaukasus (→ Hominine Fossilien von Dmanissi) und denen aus Sudwesteuropa vor 1,2 bis 1,1 Millionen Jahren.“
Die Zuordnung der Werkzeuge zu Homo erectus bedeutet zugleich, dass Korolevo mit 48,2 Grad nordlicher Breite der nordlichste bisher bekannte Ort ist, an dem sich Individuen dieser Fruhmenschenart aufgehalten haben.
Literatur Oleh M. Adamenko und Vladislav Nikolaevitch Gladilin: Korolevo – un des plus anciens habitats acheuleens et mousteriens de Transcarpatie sovietique. In: L’Anthropologie. Band 93, Nr. 4, 1989, S. 689–712. ISSN 0003-5521
Vitaly I. Usyk et al.: Exploring the Potential of the Middle and Upper Palaeolithic Site Korolevo II (Ukraine): New Results on Stratigraphy, Chronology and Archaeological Sequence. In: Journal of Paleolithic Archaeology. Band 6, Artikel Nr. 16, 2023, doi:10.1007/s41982-023-00144-0.
Weblinks Michael Le Page: Ukraine may have been first part of Europe colonised by early humans. In: newscientist.com. 6. Marz 2024; abgerufen am 27. Marz 2024. 
Bridget Alex: Stone tools in Ukraine were left by Europe’s first known humans. In: science.org. 6. Marz 2024; abgerufen am 27. Marz 2024. 
Franziska Schindler: Bislang altester Nachweis von Fruhmenschen in Europa entdeckt. In: Spiegel.de. 7. Marz 2024; abgerufen am 27. Marz 2024. 
Belege | 
	Korolevo ist die in Fachkreisen ubliche Bezeichnung fur einen archaologischen Fundplatz auf dem Gebiet der Gemeinde Korolewo in der Oblast Transkarpatien im Westen der Ukraine, rund 10 Kilometer von der Stadt Wynohradiw entfernt. Im Marz 2024 wurde im Fachblatt Nature eine Studie veroffentlicht, der zufolge die Steinwerkzeuge aus der altesten Fundschicht 1,42 Millionen Jahre alt sind. Damit reprasentiert Korolevo „die fruheste sicher datierte Anwesenheit von Homininen in Europa.“ Bisher wurden in der Region zwar keine homininen Fossilien aus dieser Epoche – dem Altpalaolithikum – geborgen, das Alter der Steinwerkzeuge deutet jedoch darauf hin, dass die Funde Homo erectus zuzuschreiben sind. | 
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	c-507 | 
	Bromsentaler, auch Bremsentaler, altere Schreibweisen Bromsen-Thaler und Bromsenthaler, sind verschiedene Talermunzen der Reichsstadt Lubeck. Die ersten dieser Talertypen sind unter dem Lubecker Burgermeister Nikolaus Bromse (* um 1472; † 1543) im Jahr 1537 gepragt worden. Die weiteren Bromsentaler wurden wahrend der Amtszeit des Burgermeisters Dietrich Bromse (nach Kahnt: Diderich Bromse) zwischen 1594 und 1599 gepragt. Sie zeigen jedoch andere Munzbilder als die von 1537. Alle diese Taler haben in der Umschrift eine oder zwei Bremsen (Bromsen), von denen die Taler ihren Namen erhalten hatten.
Geschichte Ab 1502 kam es in der Lubecker Munzgeschichte zur Pragung erster Talermunzen. Der erste Taler mit dem Bildnis Karls V. auf der Ruckseite stammt von 1528. Er wurde nach der Esslinger Reichsmunzordnung gepragt und wahrend der ersten Amtszeit des Lubecker Burgermeisters Nikolaus Bromse ohne das Zeichen „Bremse“ ausgebracht.
Nachdem die unzufriedene Burgerschaft unter Fuhrung von Jurgen Wullenwever 1530 die Einfuhrung der Reformation und mit dem Burgerausschuss politische Teilhabe gegen den Rat durchgesetzt und Anfang 1531 den Eintritt in den Schmalkaldischen Bund beschlossen hatte, verließ der streng altglaubige Bromse 1531 die Stadt, um bei katholischen Fursten Hilfe gegen seine innerstadtischen Gegner zu suchen. Er begab sich zum Kaiser Karl V., der ihn zum Ritter schlug und zum Kaiserlichen Rat ernannte. Auf kaiserlichen Druck mussten Wullenwever, der Burgerausschuss und die aus diesem in den Rat gelangten Burger im August 1535 zurucktreten. Nikolaus Bromse kehrte nach Lubeck zuruck und begann die zweite Amtszeit.
Die sogenannten Bromsentaler mit der Jahreszahl 1537 wurden etwa zwei Jahre nach Bromses Ruckkehr geschlagen. Mitunter wurde der kniende Ritter auf dem Bromsentaler als Selbstdarstellung des Burgermeisters Bromse angesehen. Das schuf Verwirrung unter der Burgerschaft. Wenn er sich das tatsachlich herausgenommen hatte, wurden die Geprage, so Kohler, „eine hochst unziemliche und von der gantzen Burgerschaft verabscheuete Herrschsucht vor Augen gelegt haben.“
= Bremse =
Johann David Kohler beschreibt in seiner Munzbelustigung detailliert das Wappen des Geschlechts der Bromsen.
Die „Bromse“ auf dem ersten Taler, die diesem „einen eigenen Beynahmen gegeben und damit sehr beruhmt gemacht hat“, so Kohler, ist kein Wappen der Familie Bromsen.
Eine Bremse als redendes Wappen ist, wie mitunter erwahnt, im Wappenbild nicht vorhanden. Die Bremse stammt weder aus einem burgermeisterlichen Wappen, noch ist sie ein Munzmeisterzeichen. Das Insekt ist das „redende“ Zeichen des Lubecker Burgermeisters Nikolaus Bromse und seiner Nachkommen.
= Sage =
Wie es wahrscheinlich zum Namen Bromse kam, ist ebenfalls erlautert:
Die alte adelige Familie der Bromsen oder Brombsen, auch Bromes und Broemes hat im 12. Jahrhundert einer Sage nach den Namen von der Netze, einem adeligen Landgut, das, so Kohler, „eine starke Meilwegs von Luneburg gegen Osten“ am Fluss der Netze – heute Neetze – liegt, gefuhrt. Als ein benachbarter Furst einen Turniergenossen aus diesem Geschlecht auffordert, ein paar Lanzen mit ihm zu brechen, und dieser ihm etliche harte Stoße versetzte, hat er gesagt: „Du stichst wie eine Bromse“. Daher hat dieser dem furstlichen Urteil zum Ehrenandenken den Zunamen Bromse angenommen und auf seine Nachkommen ubertragen.
Munzbeschreibungen In Johann David Kohlers Munzbelustigung sind Bilder der drei Bromsentaler von 1537 aus der Amtszeit von Nikolaus Bromse und die seines Neffen, des Lubecker Burgermeisters Dietrich Bromse, mit den Jahreszahlen 1595, 1596 und 1599 enthalten. Diese Geprage haben wegen der großen Zeitdifferenz andere Munzbilder.
Von den sechs von Kohler beschriebenen und abgebildeten Bromsentalern sind hier nur drei (einschließlich des Talerbilds oben) wiedergegeben, da sich die anderen nur wenig von den hier abgebildeten unterscheiden. Sie stammen alle aus der Munzstatte Lubeck.
Die Vorderseiten sind sowohl nach Johann David Kohler als auch nach Karl Christoph Schmieder jeweils die Seiten mit Bezug auf den Kaiser. Das hat sich geandert. Als Vorderseite gilt die Seite, die den Munzherren nennt oder abbildet. Das ist die Lubecker Seite.
Weil die ersten drei Bromsentaler gleiche Jahreszahlen haben, ist die Reihenfolge dieser Taler unterschiedlich angegeben. Fur den Artikel ist daher die aus Kohlers Munzbelustigung verwendet worden. Das Blatt in der Umschrift der ersten drei Taler ist das Munzmeisterzeichen des Munzmeisters Jurgen Bockhold.
= Erster Bromsentaler =
Der erste und gefragteste Bromsentaler von 1537 stammt aus dem Munzkabinett Berlin (siehe Bild oben).
Die Vorderseite zeigt einen nach links knienden geharnischten Ritter mit aufgeschobenem Visier am Helm und erhobenem Schwert in der rechten Hand. Mit der linken halt er den Reichsadlerschild mit dem Doppeladler, der auch Bestandteil des 1532 an Bromse verliehenen Wappens ist. Die Klinge teilt die Jahreszahl 1537.
Umschrift: (Blatt) MONETA ۰ CESAREӔ ۰ CIVITATIS (Bremse) LVBECӔ (Blatt) 15–37, AE ist ligiert, nach Civitatis ist eine Bremse zu sehen.
Ubersetzung: Munze der kaiserlichen Stadt Lubeck.
Die Ruckseite zeigt das Brustbild des Kaisers Karl V. im Profil nach rechts mit etwas erhabenem Kopf, wie es in Gemalden von Tizian vorkommt. Das kurz geschnittene Haar bedeckt ein schief gesetztes Barett. Der spanische Mantel hat einen ausgesteiften Kragen. Auf der Brust des Kaisers ist der Orden vom Goldenen Vlies zu sehen. Fur das Munzbild hat wahrscheinlich der Medailleur als Vorlage ein Portrat von Tizian verwendet.
Umschrift: + IMP(erator) : CAROLVS ۰ V : CESARV3(s) ۰ NVLLI ۰ SECVNDVS ۰
Ubersetzung: Kaiser Karl V., der keinem nachsteht (niemandem zweiter).
Johann David Kohler ubersetzt sinngemaß: „Kaiser Karl V. gibt keinem Kaiser etwas nach.“
= Zweiter Bromsentaler =
Der zweite Bromsentaler unterscheidet sich im Wesentlichen nur dadurch vom ersten, dass der Kaiser nicht im Profil, sondern von vorn dargestellt ist und nach halb rechts blickt. Der Taler ist deshalb hier nicht abgebildet.
= Dritter Bromsentaler =
(Vorderseite und Ruckseite sind im Bild vertauscht)
Der dritte Bromsentaler zeigt auf der Vorderseite den Doppeladler mit dem Lubecker Stadtwappen auf der Brust. In der Umschrift befinden sich zwei Bremsen und die Jahreszahl (15)37.
Umschrift: (Bremse) IMPERALIS (Bremse) CIVITATIS LVBIC 37
Ubersetzung: Kaiserliche Stadt Lubeck
Die Ruckseite zeigt das Brustbild des Kaisers Karl V. wie auf dem ersten Taler. Auf dem Rand uber dem Kopf des Kaisers ist eine Bremse zu sehen.
Umschrift: (Bremse) CAROLVS (Blatt) QVINTVS (Blatt) CESAR ۰ SE(m)P(er) ۰ A(u)G(ustus)
Ubersetzung: Karl V., allzeit erhabener Kaiser.
= Vierter, funfter und sechster Bromsentaler =
(Vorderseite und Ruckseite sind im Bild vertauscht)
Die vierten, funften und sechsten Bromsentaler der Amtszeit von Dietrich Bromse mit den Jahreszahlen 1595, 1596 und 1599 zeigen auf der Vorderseite das Bildnis Johannes des Taufers mit dem Stadtwappen von Lubeck. Die rechte Hand hebt der Heilige, um zu segnen. Mit der linken halt er ein Buch, auf dem ein zurucksehendes Osterlamm mit einem Siegesfahnlein steht. Links neben dem Stadtwappen befindet sich im Schriftkreis eine Bremse.
Umschrift:  MONETA ۰ NOVA +  – (Bremse) LVBECENS(is) ۰ 1595 +
Ubersetzung: Neue Munze Lubecks
Die Ruckseite der drei Bromsentaler zeigen einen doppelkopfigen nimbierten und bekronten Reichsadler mit Reichsapfel auf der Brust, in dem sich die Zahl 30 befindet.
Umschrift: RVDOLPHVS ۰ II ۰ D(ei) ۰ G(ratia) ۰ IMP(erator) ۰ SE(mper) ۰ AVGVS(tus) +
Ubersetzung: Rudolph II.  von Gottes Gnaden allzeit erhabener romischer Kaiser
Literatur Helmut Kahnt: Das große Munzlexikon von A bis Z. Regenstauf 2005.
Friedrich von Schrotter, Nikolai Bauer, Kurt Regling, Arthur Suhle, Richard Vasmer, J. Wilcke: Worterbuch der Munzkunde. Berlin 1970 (Nachdruck der Originalausgabe von 1930).
Karl Christoph Schmieder: Handworterbuch der gesammten Munzkunde. Halle / Berlin 1811.
Johann David Kohler: Munzbelustigung. 1746, Teil XVIII, S. 145.
Heinrich Behrens: Munzen und Medaillen der Stadt und des Bisthums Lubeck. Verlag der Berliner Munzblatter, Berlin 1905; Nachdruck 1989.
Olof Ahlers: Bromse, Nicolaus. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 2, Duncker & Humblot, Berlin 1955, ISBN 3-428-00183-4, S. 629 f. (Digitalisat).
Weblinks Munzen der Reichsstadt Lubeck, Karl V.: Talermunzen von 1507–1776. coingallery.de; die erste Talermunze (Guldiner) wahrend der Amtszeit von Nikolaus Bromse ist von 1528 (ohne Bremsen in der Umschrift).
Einzelnachweise | 
	Bromsentaler, auch Bremsentaler, altere Schreibweisen Bromsen-Thaler und Bromsenthaler, sind verschiedene Talermunzen der Reichsstadt Lubeck. Die ersten dieser Talertypen sind unter dem Lubecker Burgermeister Nikolaus Bromse (* um 1472; † 1543) im Jahr 1537 gepragt worden. Die weiteren Bromsentaler wurden wahrend der Amtszeit des Burgermeisters Dietrich Bromse (nach Kahnt: Diderich Bromse) zwischen 1594 und 1599 gepragt. Sie zeigen jedoch andere Munzbilder als die von 1537. Alle diese Taler haben in der Umschrift eine oder zwei Bremsen (Bromsen), von denen die Taler ihren Namen erhalten hatten. | 
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  "url": "https://de.wikipedia.org/wiki/Brömsentaler"
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	c-508 | 
	Der neue Antisemitismus (im englischen Original: Antisemitism: Here and Now) ist ein in Briefform verfasstes Sachbuch der US-amerikanischen Historikerin Deborah Lipstadt, das 2019 im Verlag Schocken Books veroffentlicht wurde. Die von Stephan Pauli ubersetzte deutschsprachige Ausgabe erschien bereits Ende 2018 im Berlin Verlag. Das Werk beschaftigt sich mit dem zunehmenden Judenhass mit Schwerpunkt USA und Europa. Lipstadt stellt verschiedene Typen des derzeitigen Antisemitismus vor und beschreibt Beispiele fur Antisemitismus seit der Jahrtausendwende. Ihr Buch prasentiert so eine Chronik antisemitischer Ereignisse und Verbrechen der jungeren Vergangenheit.
Inhalt Deborah Lipstadt beschreibt in dem Buch, das sich an ein breites und vor allem auch jungeres Publikum richtet, den neuen Antisemitismus, wobei sie auch die Kontinuitaten zum seit Jahrhunderten bestehenden Antisemitismus darstellt. Das Buch ist in Form von Briefen zwischen Lipstadt und zwei fiktionalen Charakteren konzipiert. Die eine fiktionale Person ist eine brillante College-Studentin namens Abigail, die zweite ein wohlmeinender, nicht-judischer Juraprofessor, Joe genannt. Abigail und Joe basieren auf Menschen aus Lipstadts akademischem und gesellschaftlichem Umfeld. Die in den Briefen aufgeworfenen Fragen basieren auf tatsachlichen Fragen, die Lipstadt uber Antisemitismus gestellt wurden. Die Fragen sind zum Teil grundsatzlich: Wo fangt Antisemitismus an? Wie kann ich richtig darauf reagieren? Wird Judenhass uberbewertet? In ihren Antworten nennt Lipstadt zahlreiche Beispiele fur Antisemitismus aus den Jahren seit der Jahrtausendwende. Im Ergebnis referiert sie eine Chronik antisemitischer Ereignisse und Verbrechen der vergangenen Jahre in Europa und den USA.
Lipstadt erlautert, dass es wichtig sei zu verstehen, dass der Antisemitismus unabhangig von jeglicher Handlung von Juden existiere: „Antisemitismus ist nicht Hass auf Menschen, die zufallig Juden sind. Es ist Hass auf sie, weil sie Juden sind.“ Im Laufe des Buchs stellt sie die verschiedenen Schattierungen des derzeitigen Antisemitismus und seiner Kontexte dar. Sie unterscheidet Extremisten, antisemitische „Steigbugelhalter“, „ahnungslose Antisemiten“ und von ihr als „Salon-Antisemiten“ bezeichnete „hofliche“ Judenhasser. Ein „ahnungsloser Antisemit“ ist laut Lipstadts Definition „eine ansonsten oft nette und wohlgesinnte Person, der es uberhaupt nicht klar ist, dass sie antisemitische Stereotype verinnerlicht hat, denen sie weiter aufsitzt.“ „Salon-Antisemiten“ dagegen wehren sich zum Beispiel dagegen, dass in ihrem Stadtviertel eine Synagoge gebaut werde, behaupten jedoch, sie hatten nichts gegen Juden, und verweisen darauf, dass einige ihrer besten Freunde Juden seien.
Antisemitische „Steigbugelhalter“ sind vielleicht selbst keine Antisemiten und haben keine personliche Abneigung gegen Juden. Doch sie ermoglichen durch ihre Aussagen und Handlungen die Ausbreitung des Antisemitismus, wofur sie aber nicht die Verantwortung ubernehmen: „Sobald man sie mit diesem Vorwurf konfrontiert, behaupten beide [hier Donald Trump, Jeremy Corbyn], tief getroffen zu sein. Doch ungeachtet ihrer Dementi sind sie direkt fur die Legitimierung expliziter Anfeindungen gegen Juden verantwortlich.“ So hatte Donald Trump mit seiner Aussage, dass „internationale Banken“, welche „die Zerstorung der Souveranitat der USA planen, um diese globalen Finanzmachte zu bereichern“ auf ein Thema zuruckgegriffen, das mit „traditionellen antisemitische Stereotypen des 'internationalen Juden’“ spiele. Ein anderer Deckmantel sei Antizionismus, der behaupte, man konne Israel als einzigartig teuflischen und illegitimen Staat verleumden, der sich naziahnlicher Graueltaten schuldig gemacht hatte, und dennoch vom Vorwurf des Antisemitismus freigesprochen werden, wie es Jeremy Corbyn, der ehemalige Vorsitzende der britischen Labour-Party, getan hat.
In weiteren Kapiteln beschreibt Lipstadt die antisemitischen Ereignisse und Verbrechen, die seit der Jahrtausendwende in Europa und den USA geschehen sind. Detailliert schildert sie die Vorfalle und die Reaktionen von Politikern, Polizei und Medien. Lipstadt beendete das Buch im Mai 2018, also noch vor dem Attentat in der Tree-of-Life-Synagoge in Pittsburgh im Oktober 2018, dem bis dahin gravierendsten antisemitischen Gewaltakt in der Geschichte der Vereinigten Staaten.
Rezeption Im Deutschlandfunk lobt Pia Rauschenberger, dass Lipstadt die Fragen in ihrem Buch nuchtern und ausgewogen und oft mit einem „Es kommt darauf an.“ beantwortet. Dies sei eine große Starke des Buches. Lipstadt schaffe es auch, beinah alltagspraktische Ratschlage zu geben, wie wir Antisemitismus erkennen, wie wir ihn ansprechen und welche Konsequenzen wir daraus ziehen konnen.
In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung fragt Dan Diner, ob die zunehmende Sichtbarkeit antijudischer Ressentiments, die Lipstadts Chronik zeigt, tatsachlich eine substantielle Zunahme darstelle. Doch das Anschwellen offentlicher Grenzuberschreitungen wurde auch den skeptischen Zeitgenossen davon uberzeugen, dass „die historische Halbwertzeit des antijudischen Ressentiments bis hin zur ausgegorenen antisemitischen Weltanschauung offenbar von langerer Dauer ist als vom zukunftsfrohen Bewusstsein erhofft“. Judenfeindschaft sei anscheinend ein Phanomen chronischer Bestandigkeit.
In der New York Times lobt Bret Stephens Lipstadts Buch fur seine Gelehrsamkeit, Klarheit, Zuganglichkeit und Leidenschaft zu einem Zeitpunkt, an dem diese Eigenschaften nicht mehr gebraucht werden konnten. Es gelinge Lipstadt, ihre Leserschaft fur die Art, die Hartnackigkeit und das Ausmaß der Bedrohung des Antisemitismus zu sensibilisieren sowie fur die heimtuckischen Methoden, mit denen er sich zu tarnen versucht. Als Beispiel verweist er auf die Geschichte des gefeierten britischen Filmemachers Ken Loach, der sich 2016 weigerte, die Leugnung des Holocausts zu verurteilen, weil „Geschichte fur uns alle zu diskutieren ist“. Lipstadt sei am besten, wenn sie die Deckmantel entlarve, unter denen der Antisemitismus daherkomme. Der Journalist verweist auf den Deckmantel der Kampagne gegen „Globalisten“, deren fuhrende Vertreter „zufallig“ Namen wie Soros, Yellen und Blankfein, also als judisch geltende Namen, tragen. Lipstadts Analyse, dass das Wiederaufleben des Antisemitismus sowohl seinen politischen Forderern, die nicht offen bigott sind, als auch seinen ideologischen Ausfuhrenden, die es sind, zu verdanken ist, ist laut Stephens der wertvollste Beitrag, den das Buch zur Diskussion uber den modernen Judenhass leiste.
In Religion News Service lobt Jeffrey Salkin das „Timing“ von Lipstadts Buch, das kurz nach dem Pittsburgh-Attentat und der Kontroverse um den Women’s March nach Washington erschien. Es sei viel wertvoller als eine akademische Geschichte des Antisemitismus. Es sei ein „Akt der Vergroßerung der moralischen Linse auf das, was heute in der Welt geschieht“. Er lobt, dass sie den Antisemitismus auf beiden Seiten des politischen Spektrums benennt. Positiv hebt er zudem hervor, dass Lipstadt ihre judische Leserschaft daran erinnert, den Antisemitismus nicht zum Eckpfeiler ihrer judischen Identitat zu machen. Im Judentum gehe es nicht darum, dass „sie“ Juden hassen, sondern darum, wie Gott Juden liebe.
In der Washington Post hebt Randy Rosenthal die versohnlichen Tone Lipstadts hervor. Lipstadt habe herausgestellt, wie sehr Amerika sich verandert habe. So gebe es heute an Eliteuniversitaten keine Quoten mehr fur judische Studierende, um ihre Zahl zu begrenzen. Wichtig ist dem Journalisten der Washington Post auch, dass die antisemitische Gewalt in Europa viel großer sei als in den USA. Er ruft Menschen auf allen Seiten des politischen Spektrums dazu auf, Lipstadt folgend ihre potenziellen blinden Flecken in Bezug auf Antisemitismus zu untersuchen und „sowohl Freunde als auch Feinde zur Rede [zu] stellen“. Wie man das tue, liege an jedem einzelnen, aber das Buch sei ein guter Anfang.
In Mosaic – Advancing Jewish Thought lobt Ben Cohen Lipstadts detaillierte Kenntnis der historischen Muster der Judenverfolgung, insbesondere im letzten Jahrhundert. Er kritisiert aber, dass sie sorgfaltig eine Gleichwertigkeit zwischen Antisemitismus von links und rechts herstelle, wie zum Beispiel im Kapitel zu den Steigbugelhaltern, die sie am Beispiel von Donald Trump und Jeremy Corbyn darstellt. Cohen ist dagegen der Ansicht, dass Trump sich „vielleicht“ schuldig mache, Antisemiten gelegentlich zu ermutigen oder sogar zu unterstutzen, aber Corbyn sei definitiv ein Antisemit.
In der Zeit außert sich Jan Suselbeck kritisch uber die gewahlte Form des Buchs, den fiktionalen Briefwechsel. Der Dialog wirke trotz des Versuchs, eine lockere Gesprachssituation zu imitieren, etwas bemuht: „Wahrend die fiktiven Figuren eher als bloße Stichwortlieferanten dienen und teils uberaus naive Fragen stellen, antwortet Lipstadt mit monologisierenden, oft unverhaltnismaßig ausfuhrlichen Belehrungen.“ Doch ihre „akribische Nachzeichnung“ der zahllosen antisemitischen Vorkommnisse und Debatten mache Lipstadts Buch zu einem Archiv des neuen Antisemitismus. Suselbeck empfiehlt es deswegen zur Lekture „nicht zuletzt orientierungsbedurftigen Padagogen, die sich auch in Deutschland mehr denn je mit antisemitischen Einstellungen unter ihren Schulern konfrontiert sehen.“Er bemangelt aber, dass Lipstadt den Unterschied zwischen Judenhass und herkommlichen rassistischen Vorurteilen zu wenig herausarbeite. An einer Stelle im Buch raume sie sogar ein, dass Juden im gegenwartigen Amerika auf weniger drastische Weise von den Folgen rassistischer Vorurteile betroffen seien als Afroamerikaner. Suselbeck verweist auf Monika Schwarz-Friesels Definition des Antisemitismus als „konzeptuell geschlossenes, faktenresistentes und von intensiven Negativ-Gefuhlen determiniertes Weltdeutungssystem“, das als solches eben „kein Vorurteilssystem unter vielen“ sei, sondern „ein unikales kulturhistorisches Phanomen, das sich gegen die Existenz von Juden und Judinnen richtet“. Der einzigartigen Bedrohung durch den Antisemitismus als „konzeptuell geschlossenes, faktenresistentes und von intensiven Negativ-Gefuhlen determiniertes Weltdeutungssystem“ werde Lipstadts Erorterungen im „fingierten Plauderstunden- und Kummerkastenformat fur eine verunsicherte judische College-Studentin und einen neugierigen Jura-Kollegen“ angesichts der Ereignisse nach Fertigstellung des Buches (Attentat in der Tree-of-Life-Synagoge in Pittsburgh, Anschlag auf die Chabad-Synagoge in der kalifornischen Kleinstadt Poway) teils nur noch bedingt gerecht.
Suselbeck „erstaunt“ Lipstadts „vergleichsweise Milde“ gegenuber der BDS-Bewegung, die Israel als „Apartheidsstaat“ bezeichnet. Lipstadt stelle zwar klar, dass Organisationen, welche „die Existenz eines judischen Staats infrage stellen, ganz eindeutig antisemitisch“ seien, wende sich aber im Sinne der freien Meinungsaußerung dagegen, solchen Bewegungen den Zugang zum Campus der Universitaten zu verbieten. Fur Suselbeck steht dieser „ungebrochene ‚amerikanische Free-Speech-Idealismus‘“ im Widerspruch zu ihrer an anderer Stelle geaußerten Einsicht, dass es sicherlich auch gefahrliche Gruppen gebe, „mit denen jeder Ideenaustausch unmoglich“ sei, da man mit Antisemiten nun einmal nicht sinnvoll diskutieren konne.
Im Journal of Contemporary Antisemitism empfiehlt Robert Rozett Lipstadts Abhandlung Menschen, die etwas uber den zeitgenossischen Antisemitismus uber ein oberflachliches Verstandnis hinaus erfahren wollen. Da Lipstadt so viel von sich selbst in das Buch eingebracht hatte und ihre personliche Stimme darin so deutlich wird, sei das Buch viel mehr als nur ein erklarender Text. Beim Lesen kame man der Erfahrung nahe, mit Lipstadt ein erbauliches und anregendes Semester uber den zeitgenossischen Antisemitismus zu erleben.
Ausgaben Der neue Antisemitismus. Berlin Verlag, Berlin 2018, ISBN 978-3-8270-1340-8. 
Antisemitism. Here and Now. Schocken, New York 2019, ISBN 978-0-8052-4337-6. 
Antisemitismus heute. Wie Hass und Vorurteile global erstarken. Piper, Munchen 2020, ISBN 978-3-8270-1340-8. 
Weblinks Rezensionsnotizen zu Der neue Antisemitismus bei Perlentaucher
Einzelnachweise | 
	Der neue Antisemitismus (im englischen Original: Antisemitism: Here and Now) ist ein in Briefform verfasstes Sachbuch der US-amerikanischen Historikerin Deborah Lipstadt, das 2019 im Verlag Schocken Books veroffentlicht wurde. Die von Stephan Pauli ubersetzte deutschsprachige Ausgabe erschien bereits Ende 2018 im Berlin Verlag. Das Werk beschaftigt sich mit dem zunehmenden Judenhass mit Schwerpunkt USA und Europa. Lipstadt stellt verschiedene Typen des derzeitigen Antisemitismus vor und beschreibt Beispiele fur Antisemitismus seit der Jahrtausendwende. Ihr Buch prasentiert so eine Chronik antisemitischer Ereignisse und Verbrechen der jungeren Vergangenheit. | 
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	c-509 | 
	Das Buch Große Kunst von Frauen (englisch Great Women Artists) ist ein 2019 im Verlag Phaidon veroffentlichter Bildband, der 400 Kunstlerinnen aus funf Jahrhunderten (um 1500 bis um 2000) mit ihrem Werk vorstellt. Die deutsche Ausgabe erschien 2021 beim Verlag Dorling Kindersley, ubersetzt von Claudia Theis-Passaro, Teresa Zuhl und Annegret Hunke-Wormser. Im Titel des alphabetisch geordneten Buchs ist „von Frauen“ (im Original „Women“) durchgestrichen, um darauf hinzuweisen, dass es sich um große Kunstschaffende handelt, unabhangig vom Geschlecht.
Beschreibung Im Vorwort verweist der Verlag darauf, dass Große Kunst von Frauen zum Teil auf Phaidons Publikation The Art Book aus dem Jahr 1994 beruht, die einen verlegerischen Standard fur aufwandige und reichhaltige Reproduktionen setzte. Schon diese Publikation hatte eine Reihe von Kunstlerinnen aufgenommen, was damals in Kunstgeschichtsbuchern eher die Ausnahme gewesen sei. Der Verlag begrundet die Veroffentlichung von Große Kunst von Frauen damit, dass heute die von Frauen geschaffene Kunst immer wichtiger werden wurde und Galerien, Museen und der Kunstmarkt zunehmend auf zuvor ubersehene Kunstlerinnen aus Vergangenheit und Gegenwart aufmerksam wurden. Chancengleichheit fur Kunstlerinnen sei noch nicht erreicht, der Verlag mochte mit der Publikation Interessierten eine geeignete Einfuhrung bieten. Der Originaltitel des Buchs (Great Women Artists) bezieht sich auf das bahnbrechende Essay Why have there been no great women artists? („Warum hat es keine bedeutenden Kunstlerinnen gegeben?“) der Kunsthistorikerin Linda Nochlin von 1971.
„Women“ bzw. „von Frauen“ ist auf dem Titelblatt des Bildbands durchgestrichen, was eine Verlegerin von Phaidon, Deborah Aaronson, angeregt hatte. Rebecca Morril, die Auftragsredakteurin des Werks, sagte in einem Interview dazu:
Wie schon The Art Book bietet Große Kunst von Frauen eine Ubersicht uber die Kunstschaffenden, die nicht chronologisch, sondern nach Alphabet angelegt ist. Bei der Veroffentlichung von The Art Book hatte dies einen vollig neuen Ansatz dargestellt, so der Verlag. Die Auswahl der 400 Kunstlerinnen erfolgte unter Berucksichtigung mehrerer Kriterien, wobei das Hauptziel war, eine moglichst breitgestreute Darstellung von Kunst zu erreichen: „Werke verschiedener Epochen, hergestellt von Kunstlerinnen weltweit, unter Verwendung verschiedener Formen und Materialien.“ Nur namentlich bekannte Kunstlerinnen, von denen mindestens ein Kunstwerk erhalten ist, wurden einbezogen. Dadurch fehlen Objekte und Bilder aus Kulturen, in denen die Namen der Kunstschaffenden von Objekten traditionell nicht verzeichnet werden. In einem Interview erganzte Morrill, dass die lange Liste mit einer Zusammenstellung von Listen von Kunstlerinnen begann, die in fruheren Phaidon-Buchern (sowohl Monografien als auch Uberblickswerke) und in großen Einzelausstellungen weltweit vertreten waren. Diese erste Liste wurde mit Hilfe der freiberuflich arbeitenden beratenden Redakteurin, Kunstkritikerin und Kuratorin Karen Wright erweitert.
Aufgenommen wurden auch Kunstschaffende, denen bei ihrer Geburt das weibliche Geschlecht zugeordnet wurde, die sich inzwischen aber nicht-binar identifizieren, sowie Transfrauen. Die fruheste aufgenommene Kunstlerin wurde um 1490 geboren (Properzia de’Rossi), die spateste im Jahr 1990 (Tschabalala Self). Zu jeder Kunstlerin wird eines ihrer Werke – meist wurde ihr bekanntestes ausgewahlt – mit einem großen Farbfoto vorgestellt. Dazu gibt es von 23 Autorinnen und Autoren verfasste biografische Informationen und kurze asthetische Interpretationen der abgebildeten Werke.
In der Einleitung des Buches verweist Rebecca Morrill auf fruhe Beispiele von Abhandlungen, die vor allem Kunstlerinnen in den Blick nahmen, die schon vor den Anfangen der feministischen Kunstgeschichte in den 1960er Jahren entstanden. Sie nennt hierzu Giovanni Boccaccios De claris mulieribus (1361–1362) und Walter Shaw Sparrows (1862–1940) Women Painters of the World (1905). Morrill fuhrt einerseits an, dass wohl viele Kunstlerinnen „in Vergessenheit geraten“ sind und „auf ihre Wiederentdeckung warteten“, verweist andererseits aber darauf, dass Nochlin in ihrer Analyse zu den fehlenden Kunstlerinnen in der Kunstgeschichte die Moglichkeit außer Acht gelassen hatte, dass „sich die Wahrnehmung von ‚kunstlerischer Große‘ in Zeit und Raum verschieben“ konne und „nicht auf ewig festgeschrieben“ bleiben musse. Morrill konstatiert, dass sich die Situation von Kunstlerinnen im 21. Jahrhundert deutlich verbessert habe, mannliche Kunstschaffende es aber weiterhin einfacher hatten, von der Kritik wahrgenommen zu werden und hohe Preise fur ihre Werke zu erzielen. Mit den personellen Veranderungen in den Kulturinstitutionen sei aber ein Wandel eingetreten. Viele offentlichen Museen bemuhten sich nun um hohere Diversitat bei den ausgestellten Kunstschaffenden, was auch den Ankauf von Werken betrifft.
Ein Glossar, das den Zusammenhang zwischen den prasentierten Kunstlerinnen im Zusammenhang mit vertrauten Stilen und Stromungen zeigt, rundet den Sammelband ab.
Rezeption Quinn Kirby verweist in Musee Magazine darauf, dass das Buch gleichzeitig anerkennt als auch ignoriert, wie das Geschlecht den Zugang von Kunstlerinnen zu kreativen Raumen beeinflusst hat. Beim Lesen der Publikation entstehe der Eindruck, in einem visuellen Worterbuch zu blattern. Die ausgewahlten Werke und Beschreibungen der Kunstlerinnen ermoglichten es, sich inspirieren zu lassen, bestimmte Kunstlerinnen an anderer Stelle zu erkunden. Dadurch wurde die Arbeit der Kunstlerinnen aufgewertet, was das ausdruckliche Ziel des Buches sei.
Wahrend Devie Ivie im Interview Magazine die Zuganglichkeit des „Coffee Table Books“ hervorhebt („Wenn doch nur alle unsere Lehrbucher fur Kunstgeschichte so viel Spaß machen wurden.“), beschreibt Sarah Kent in The Art Desk den Sammelband als Buch, „auf das wir gewartet haben“ und als „Offenbarung“. Wenn eine derartige Studie zu ihrer Studienzeit erschienen ware, ware der Kampf, als Kunstlerin voranzukommen, weniger entmutigend gewesen. Ihre Studienkolleginnen und sie hatten Vorbilder und Namen gehabt, mit denen sie der Behauptung hatten entgegentreten konnen, es habe nie bedeutende Kunstlerinnen gegeben. Sie spekuliert, dass die in diesem Buch aufgezeigte „jungste Explosion weiblicher Talente“ vielleicht eine Generation fruher hatte stattfinden konnen. Das Buch sei symptomatisch fur einen gerade stattfindenden Umbruch. Die Vorurteile wurden schwinden und die Museen sich bemuhen, die aus der Kunstgeschichte ausgeloschten Frauen wieder ins Bewusstsein zu rucken, indem sie ihre lange vergessenen und neu zugeschriebenen Werke ausgraben wurden. Als Beispiel fuhrt Kent eine Reihe von Ausstellungen uber Kunstlerinnen an, die die Uffizien in Florenz 2017 mit einer Ausstellung uber Plautilla Nelli starteten. Kent lobt auch, dass die Begleittexte jeweils die wichtigsten Punkte des Lebenswerks der Kunstlerin hervorragend zusammenfassen wurden.
Bridget Quinn in Hyperallergic charakterisiert den Bildband als „spektakulares Objekt“, das als visuelle Referenz einfach großartig sei. Aber als Text uber Frauen und die Geschichte der Kunst weise er Schwachen auf. Einerseits distanziere sich der Verlag im Vorwort von feministischer Kunstgeschichte mit der Aussage „Dies ist kein Uberblick uber feministische Kunst oder eine Auswahl von Kunst uber ‚weibliche Erfahrung‘ und ‚Frauenthemen‘“. Andererseits verweise der Verlag darauf, dass der Band ein „Zeugnis“ sei der „umfangreichen, sich uber mehrere Jahrzehnte erstreckenden Forschung zu Kunstschaffenden, die aus der Geschichte herausgeschrieben wurden.“ Diese Forschung sei ein feministisches Unterfangen gewesen. Außerdem vermisst Quinn eine Darstellung der Auswahlkriterien. Sie lobt jedoch, dass der Bildband die Arbeiten der Kunstlerinnen ins Blickfeld des 20. Jahrhunderts rucke und das Buch darin manchmal sogar großartig sei.
Im Herald bezeichneten Teddy Jamieson und Susan Swarbrick Great Women Artists als „Korrektiv zur testosteronlastigen Norm solcher Bucher“. Statt Picasso gabe es Cornelia Parker und statt Willem de Kooning Elaine de Kooning. Roberta Smith bezeichnete es in der New York Times als „angenehme Uberraschung“, wie viele Malerinnen im 17. und 18. Jahrhundert in Europa arbeiteten. Great Women Artists sei ein „großartiges“, außerst nutzliches Buch, auch wenn die Meinungen daruber auseinandergingen, ob jede der enthaltenen zeitgenossischen Kunstlerinnen als großartig („great“) zu bezeichnen seien oder ob sie einfach nur gegenwartig sichtbar und marktfahig seien.
Gelistete Kunstlerinnen Die Liste enthalt die Kunstlerinnen aus dem Band Große Kunst von Frauen mit dem dort vorgestellten Werk. Die Angaben zur Sammlung, in der sich das betreffende Werk befindet, stammen aus dem Bildband und sind entsprechend Stand 2019. Das Geburtsland bezieht sich in der Regel auf das Land des Geburtsorts zum Zeitpunkt der Geburt.
Die Liste ist nach Geburts- und Todesjahr, Geburtsland und nach dem Jahr der Erstellung des vorgestellten Werks sortierbar.
Siehe auch Frauen in der Kunst
Weblinks Literatur von und uber Große Kunst von Frauen im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Infoseite des Verlags Phaidon mit Wiedergabe des Vorworts
Einzelnachweise | 
	Das Buch Große Kunst von Frauen (englisch Great Women Artists) ist ein 2019 im Verlag Phaidon veroffentlichter Bildband, der 400 Kunstlerinnen aus funf Jahrhunderten (um 1500 bis um 2000) mit ihrem Werk vorstellt. Die deutsche Ausgabe erschien 2021 beim Verlag Dorling Kindersley, ubersetzt von Claudia Theis-Passaro, Teresa Zuhl und Annegret Hunke-Wormser. Im Titel des alphabetisch geordneten Buchs ist „von Frauen“ (im Original „Women“) durchgestrichen, um darauf hinzuweisen, dass es sich um große Kunstschaffende handelt, unabhangig vom Geschlecht. | 
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	c-510 | 
	Carlos Alcibiades Gimenez Diaz (* 16. Juli 1972 in Chore, Departamento San Pedro) ist ein paraguayischer Politiker des Partido Colorado. Er wurde 2022 zum Senator gewahlt und 2023 zum Landwirtschaftsminister von Paraguay ernannt. Seine Ernennung war das Ergebnis eines politischen Schachzugs, um im Senat Platz fur den Sohn eines anderen Politikers aus dem Regierungslager zu schaffen. Gimenez erzielte insbesondere durch seine zahlreichen Kontroversen mediale Aufmerksamkeit, durch seine „Kailasa“-Panne auch in den deutschen Medien.
Leben = Ausbildung und Karriere =
Nach dem Besuch des Colegio Nacional in Chore und des Colegio Apostolico San Jose in Asuncion studierte er Veterinarmedizin an der Katholischen Universitat von Asuncion. Laut Regierungswebsite wurde er anschließend von der landwirtschaftlichen Fakultat der Ataturk-Universitat fur Forschungen auf dem Gebiet der kunstlichen Befruchtung eingeladen, war er dort von 2006 bis 2008 auch Fakultatsmitglied und trat bei verschiedenen internationalen Seminaren als Dozent auf, u. a. in Brasilien, England, Frankreich, Italien, Neuseeland, Rumanien, Ungarn und den USA (Alaska). Von 1997 bis 1999 war er Leiter der Landwirtschaftsabteilung des Departamento San Pedro. Von 2015 bis 2017 war er Burgermeister von Chore, anschließend Gouverneur des Departamento San Pedro, bis er im August 2023 infolge politischer Intrigen zum Landwirtschaftsminister ernannt wurde. Ein Jahr zuvor war er bereits zum Senator gewahlt worden. Er zeichnet sich bei Abstimmungen im Kongress durch seine erzkonservative Haltung aus. Er stimmte beispielsweise gegen den vom Abgeordneten Walter Harms eingebrachten Gesetzentwurf, der vorsah, den beim Sturz des Diktators Alfredo Stroessner am 2. und 3. Februar 1989 zu Schaden gekommenen Wehrdienstleistenden und anderen Opfern eine Entschadigung zu zahlen. Er brachte zudem, gemeinsam mit anderen Senatoren, einen Gesetzentwurf ein, der die Werbung und Forderung der „Gender-Ideologie“ sowie deren Unterricht in den Schulen des Landes verbieten soll.
= Kontroversen =
2016 wurde Gimenez von einem katholischen Pfarrer angezeigt, weil er im Pfarrhaus aus einer Pistole Schusse auf ihn abgegeben hatte, die ihn nur knapp verfehlten, mit den Worten: „Warum magst du mich nicht?“, als er einen Streit schlichten wollte. Aufgeschreckte Nachbarn griffen anschließend ein und entrissen Gimenez die Waffe. Spater behauptete er, er habe gar nicht geschossen.
2017 stellte er sich gegen die Kandidatur von Santiago Pena als Prasident von Paraguay, insbesondere weil sich dieser in einem Interview offen fur die Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe geaußert hatte. Daraufhin nahm Pena seine Position wieder zuruck und erklarte, er sei missverstanden worden. Einige Monate spater wurde Paraguay durch ein verbindliches Urteil des Interamerikanischen Gerichtshofs fur Menschenrechte aufgefordert, diese anzuerkennen.
2019 wurde Gimenez von Mitgliedern des Rates des Departamento San Pedro wegen illegaler Bereicherung mittels Phantom-Auftragen der offentlichen Hand, betrugerischer Vermietungen und fiktiver Beschaffung von Fahrzeugen, Maschinen, Treibstoff und Medikamenten, die nicht aufgefunden werden konnten, im Wert von 18 Milliarden Guaranies angezeigt. Untersuchungen des Rechnungshofs ergaben, dass u. a. fur den Bau von Brunnen 50 Millionen Guaranies abgerechnet, aber keine gebaut wurden, fur 99 Millionen Guaranies Essenspakete fur Indigene abgerechnet, aber keine geliefert wurden usw. Diese Befunde wurden einer Staatsanwaltin vorgelegt, die den Fall aber anschließend nicht weiter bearbeitet hat. Ironischerweise sagte er spater im Wahlkampf fur den Senat: „Das Problem Paraguays ist die Straflosigkeit“ und bezog sich auf die weitverbreitete Korruption.
Als ihn 2020 ein Ratsmitglied des Departamentos wegen der Nutzung von staatlichen Maschinen fur seinen privaten Gebrauch anzeigte, griff er auf dem Polizeikommissariat einen Journalisten tatlich an, anschließend auch einen Fotografen, der ihn dabei gefilmt hatte.
Nach seiner Ernennung zum Agrarminister 2023 erklarte er offentlich, er bezweifele den Klimawandel: „Es gibt Momente, in denen der Regen gunstig ist, und andere Male nicht, das sollten wir nicht als Klimawandel betrachten“ und in Paraguay habe es schon immer Durren und Uberschwemmungen gegeben.
Im selben Jahr traf sich Gimenez mit Vertretern des fiktiven Staates „United States of Kailasa“, die versprachen, die Landwirtschaft in Paraguay mit Hilfsprojekten zu unterstutzen, um uber die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu beraten. Anschließend unterschrieb ein Mitarbeiter seines Ministeriums eine Absichtserklarung mit dem nicht-existenten Land. Das Landwirtschaftsministerium war aus Inkompetenz auf die Fake-Website eines indischen Gurus hereingefallen.
Kurz danach erklarte er bei einer Kundgebung von Landwirten in Asuncion, die fur ihren Sektor mehr staatliche Forderung verlangten, dass sie, wenn sie diese benotigten, einfach nur keine Ahnung hatten, wie Landwirtschaft betrieben wird. Ihnen fehlen aber oft die finanziellen Mittel zur Anschaffung von landwirtschaftlichen Maschinen.
Auf besondere Kritik in den sozialen Medien stieß seine Rede im Februar 2024 vor den Schulern einer Berufsschule fur Landwirtschaft in Santa Rosa del Aguaray im Departamento San Pedro. Aufgrund der Nachlassigkeit der zustandigen Behorden sind deren Toilettenraume und das Wohnheim wegen Einsturzgefahr seit mehreren Jahren geschlossen. Gimenez sah jedoch an anderer Stelle Handlungsbedarf. Er sagte, dass er an Landwirtschaftsschulen keine Schuler mit „homosexuellen Tendenzen“ haben wolle, dies sei ein Problem. Nach den scharfen Reaktionen im Netz legte er noch nach und behauptete, eine Person mit homosexueller Tendenz sei nicht geeignet, an einer staatlichen Landwirtschaftsschule zu studieren. Es gebe ja nur Toiletten fur Jungen und Madchen. Er wolle damit die Schuler vor „Perversen“ schutzen.
Bei einem Staatsbesuch in Spanien erklarte der paraguayische Prasident Santiago Pena, Gimenez’ Erklarungen druckten in keiner Weise die Haltung der Regierung aus und er bedauere die Worte seines Ministers, wolle diesen aber nicht entlassen, da er ein Experte auf dem Gebiet der Landwirtschaft sei. Er beteuerte, dass die Rechte aller Paraguayer in der Verfassung des Landes verankert seien. Gimenez entschuldigte sich daraufhin fur seine Außerungen und stellte klar, es gebe und werde keine Diskriminierung gegen niemanden geben.
Als sich ihm einige Tage spater bei einer offentlichen Veranstaltung eine Journalistin naherte, beschimpfte er sie mit den Worten: „Stellen Sie mir keine damlichen Fragen!“
Weblinks Abstimmungsverhalten im Kongress (spanisch)
Einzelnachweise | 
	Carlos Alcibiades Gimenez Diaz (* 16. Juli 1972 in Chore, Departamento San Pedro) ist ein paraguayischer Politiker des Partido Colorado. Er wurde 2022 zum Senator gewahlt und 2023 zum Landwirtschaftsminister von Paraguay ernannt. Seine Ernennung war das Ergebnis eines politischen Schachzugs, um im Senat Platz fur den Sohn eines anderen Politikers aus dem Regierungslager zu schaffen. Gimenez erzielte insbesondere durch seine zahlreichen Kontroversen mediale Aufmerksamkeit, durch seine „Kailasa“-Panne auch in den deutschen Medien. | 
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	c-511 | 
	Die Man Gyong Bong 92 (koreanisch 만경봉 92, auch Mangyongbong 92) ist ein nordkoreanisches Passagierschiff, das als Fahre und Kreuzfahrtschiff eingesetzt wurde. Zwischen seiner Indienststellung im Jahr 1992 und 2006 diente es zum Passagier- und Frachttransport zwischen Nordkorea und Japan. Nachdem der Schiffsverkehr von Japan untersagt worden war, wurde die Man Gyong Bong 92 zu einem Kreuzfahrtschiff umgebaut und veranstaltete eine einzige Reise, bevor der Betrieb ausgesetzt wurde. Seit der Außerdienststellung 2013 ist das Schiff in Wonsan aufgelegt und hat nur noch vereinzelte Fahrten unternommen.
Hintergrund Nach dem Ende der japanischen Besatzung Koreas zum Ende des Zweiten Weltkriegs blieben etwa 600.000 bis 700.000 Koreaner in Japan zuruck, wo sie als zainichi die großte ethnische Minderheit bildeten, sowie weitere Hunderttausende Japaner in der ehemaligen Kolonie. Vor allem japanische Frauen, die einen koreanischen Mann geheiratet hatten, kehrten nicht wieder nach Japan zuruck. Da Japan und Nordkorea keine diplomatischen Beziehungen miteinander unterhielten, war es fur die in Japan gebliebenen Koreaner fast unmoglich, ihre Verwandten zu besuchen. Zwischen 1963 und 1971 durften nur 24 Menschen aus Japan nach Nordkorea und wieder zuruck reisen. Erst in den 1970er Jahren lockerte die japanische Regierung die entsprechenden Beschrankungen, woraufhin im September 1971 mit der Man Gyong Bong ein Liniendienst zwischen Wonsan an der nordkoreanischen Ostkuste und Niigata auf Honshu am Japanischen Meer eingerichtet wurde. Zuvor war der Passagiertransport vor allem auf an das nordkoreanische Rote Kreuz verliehenen sowjetischen Schiffen erfolgt.
Das Schiff Die Man Gyong Bong 92 wurde im Jahr 1992 zum 80. Geburtstag des nordkoreanischen Staatsfuhrers Kim Il-sung gebaut, um die alte Man Gyong Bong zu ersetzen. Finanziert wurde der Bau von der Nordkorea nahestehenden Ch’ongryon, einer Vereinigung von zainichi. Die Organisation spendete dazu vier Milliarden Yen (umgerechnet etwa 32 Mio. US-Dollar). Der Stapellauf erfolgte 1992 auf einer Werft in Ch’ongjin. Je nach Quelle kann das Schiff zwischen 200 und 350 Passagiere transportieren. Das Schiff tragt, wie auch sein Vorganger, den Namen eines Hugels in der Nahe der nordkoreanischen Hauptstadt Pjongjang und des Geburtsorts von Kim Il-sung, Mangyongdae, der heute ein Vorort von Pjongjang ist.
Geschichte = Liniendienst =
Zwischen 1992 und 2006 verkehrte die Man Gyong Bong 92 ein- oder zweimal im Monat zwischen Niigata und Wonsan. Die meisten Passagiere waren Zainichi, die ihre Familie besuchten, sowie Schuler, die Ch’ongryon-Schulen besuchten und an Studienreisen teilnahmen. Zusatzlich wurden elektronische und medizinische Gerate nach Nordkorea transportiert. Die nordkoreanische Fuhrung versendete auf diesem Weg Grußbotschaften und Telegramme an die Ch’ongryon. Eine einfache Fahrt kostete im August 1993 etwa 1.500 US-Dollar und dauerte 28 Stunden.
= Konflikt mit Japan und Verbot =
Von Anfang an hatte es den Verdacht gegeben, dass Bauteile von aus Japan ausgefuhrten Produkten wie Spielekonsolen oder Kameras vom nordkoreanischen Militar verwendet wurden, um unter anderem Raketen zu konstruieren. Laut dem Bericht eines Fluchtlings aus Nordkorea vor einem Ausschuss des US-Senats am 20. Mai 2003 stammten 90 Prozent der Raketenteile von dem Schiff. Auch sollen Falschgeld und Methamphetamin nach Japan transportiert worden sein, wahrend Nordkorea Devisen ins eigene Land holte. Der Drogenhandel soll bis zu sieben Milliarden US-Dollar eingebracht haben.
Im Jahr 2002 gab Nordkorea zu, in den 1970er Jahren mehrere japanische Staatsburger entfuhrt und nach Nordkorea gebracht zu haben. Die Vermutung, dass die Entfuhrungen auf der alten Man Gyong Bong stattgefunden hatten, ruckte auch das neue Schiff in den Fokus der Offentlichkeit. Im Januar 2003 erklarte der japanische Geheimdienst Public Security Intelligence Agency, dass der Kapitan der Man Gyong Bong 92 Spionagebefehle von der nordkoreanischen Fuhrung erhalten habe.
2003 wurde das Schiff fur sieben Monate außer Dienst gestellt, nachdem die japanischen Behorden ein Verbot des Betriebs angedroht hatten. Nach der Wiederaufnahme verzogerte sich die erste Abfahrt um zwolf Stunden, da Japan verstarkte Kontrollen und Uberprufungen der Ladung des Schiffes durchfuhrte.
Am 5. Juli 2006 fuhrte Nordkorea einen Raketentest durch, bei dem alle sechs Raketen im Japanischen Meer landeten. Daraufhin verbannte Japan die Man Gyong Bong 92 fur sechs Monate aus seinen Gewassern. Anfang Oktober 2006 wurde das Verbot auf unbestimmte Zeit verlangert sowie auf alle nordkoreanischen Schiffe ausgeweitet.
= Umbau zum Kreuzfahrtschiff =
Nachdem mit der Einstellung des Liniendienstes der ursprungliche Zweck des Schiffes nicht mehr erfullt werden konnte, beschloss die nordkoreanische Fuhrung, die Man Gyong Bong 92 kunftig fur Kreuzfahrten einzusetzen. Dazu wurde sie innerhalb von sechs Monaten umgebaut. Vorgesehen war eine funftagige Fahrt entlang der nordkoreanischen Ostkuste von Rason im Nordosten des Landes, nahe den Grenzen zu Russland und China, und der Region Kumgangsan im Sudosten und zuruck. Das Programm sollte einen wichtigen Beitrag zur Forderung des Tourismus in Nordkorea liefern, der von den Wirtschaftssanktionen der Vereinten Nationen ausgenommen ist, und zur Einnahme von Devisen fuhren.
Die Reise wurde im August 2011 mit etwa 200 Passagieren, darunter vielen Vertretern von Reiseburos und Journalisten aus China sowie nordkoreanischen Beamten, erprobt. Sie zahlten etwa 500 US-Dollar fur die 21-stundige Hin- und 22-stundige Ruckfahrt. Untergebracht wurden die Passagiere entweder in einer Mehrbettkabine oder auf Matratzen in einem großen Schlafsaal. Das Wasser in den Waschraumen war entweder nicht verfugbar oder stark verschmutzt. All dies fuhrte zu einer Betitelung als „schlechtestes Kreuzfahrtschiff der Welt“ in den Medien. Nach der Testfahrt wurde der Dienst deshalb nicht wieder aufgenommen. Dennoch wurde angekundigt, die Man Gyong Bong 92 durch ein anderes Schiff mit einer Kapazitat von bis zu 1.000 Passagieren zu ersetzen. Dabei sollte moglicherweise die Royale Star zum Einsatz kommen, die im Fruhjahr 2013 in Rason lag und auch eine entsprechende Reise durchgefuhrt haben soll.
= Weitere Nutzung =
Ab 2013 lag die Man Gyong Bong 92 in Wonsan auf. Im Mai 2017 unternahm die alte Man Gyong Bong mit etwa 40 Personen eine experimentelle Reise auf der Route nach Wladiwostok in Russland, deren permanente Bedienung in Betracht gezogen wurde. Diese Reise wurde falschlicherweise der Man Gyong Bong 92 zugeordnet. Im Februar 2018 folgte die erste Fahrt in sudkoreanische Gewasser seit 2002 (als das Schiff mehrere Hundert Nordkoreaner zu den Asienspielen in Busan fuhr), bei der ein 140-kopfiges Orchester und Tanzensemble, darunter auch die Popsangerin Hyon Song-Wol, anlasslich der Olympischen Winterspiele 2018 in Pyeongchang nach Mukho transportiert wurde. Dafur hob die Regierung Sudkoreas eigens einen Bann uber nordkoreanische Schiffe auf. Bei der Ankunft versammelten sich zahlreiche Protestierende mit amerikanischen Flaggen und sangen die sudkoreanische Nationalhymne.
Im Jahr 2023 lag das Schiff fur einen Monat wieder in Rason. Dabei wurde die Man Gyong Bong 92 auch einem Aufenthalt im Trockendock unterzogen, das sie jedoch ohne großere Umbauten wieder verließ. Der Aufenthalt nahe der russischen Grenze ließ Spekulationen uber mogliche Plane fur einen Liniendienst nach Russland aufkommen.
Weblinks Filmaufnahmen vom Anlegen der Man Gyong Bong 92 in Yokohama (1. Juni 1997)
Einzelnachweise | 
	Die Man Gyong Bong 92 (koreanisch 만경봉 92, auch Mangyongbong 92) ist ein nordkoreanisches Passagierschiff, das als Fahre und Kreuzfahrtschiff eingesetzt wurde. Zwischen seiner Indienststellung im Jahr 1992 und 2006 diente es zum Passagier- und Frachttransport zwischen Nordkorea und Japan. Nachdem der Schiffsverkehr von Japan untersagt worden war, wurde die Man Gyong Bong 92 zu einem Kreuzfahrtschiff umgebaut und veranstaltete eine einzige Reise, bevor der Betrieb ausgesetzt wurde. Seit der Außerdienststellung 2013 ist das Schiff in Wonsan aufgelegt und hat nur noch vereinzelte Fahrten unternommen. | 
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	c-512 | 
	Die Decauville-Werke in Val-Saint-Lambert waren ein 1895 gegrundetes belgisches Tochterunternehmen des franzosischen Schmalspurbahnherstellers Decauville, das 1911 vom Berliner Maschinenbauunternehmen Orenstein & Koppel ubernommen wurde.
Standortvorteile Die Decauville-Werke nutzten ein Freihandelsabkommen des franzosischen Staats, durch das sie belgisches Eisen und belgischen Stahl beim Import nicht verzollen mussten, wenn sie das Material in verarbeitetem Zustand innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums wieder exportierten. Auf diese Weise konnten sie zum Ubersee-Export vorgesehene Gleisjoche in den franzosischen Hafen zum selben Preis anbieten wie dem, den sie am Bahnhof von Corbeil-Essonnes fur die Produkte verlangten, die sie per Bahntransport ins Ausland exportierten. Allerdings verlangte Belgien beim Import franzosischer Produkte hohe Einfuhrzolle. Daher ließ Paul Decauville bereits 1882, insbesondere fur das Exportgeschaft nach Belgien, ein Tochterunternehmen im belgischen Val-Saint-Lambert errichten, in dem er belgische Eisenbahnschienen und Stahlbleche zu Gleisjochen und Kipploren verarbeitete, um sie in Belgien zu verkaufen oder von Belgien aus uber franzosische Hafen zu exportieren.
Die hohen Zolle in Frankreich hatten im Sommer 1895 negative Auswirkungen auf das Exportgeschaft franzosischer Unternehmen, die die Protektionisten nicht erwartet hatten. Decauville plante deshalb, eine Fabrik im Ausland zu errichten, um ihre Waren zu niedrigeren Zollsatzen ins nicht-franzosische Ausland liefern zu konnen. In einem Rundschreiben veroffentlichten sie, dass sie infolge der jungsten Anderung der Vorschriften fur die Zulassung auslandischer Materialien zur Herstellung von Anleihen im Ausland nicht mehr mit auslandischen Unternehmen konkurrieren konnten. Sie beabsichtigten deshalb, in Val-Saint-Lambert in der Nahe von Luttich ein Werk zu errichten, durch das sie in der Lage sein wurden, bei Auftragen fur das Ausland und die Kolonien einen Preisnachlass von 20 % zu gewahren.
Fabrikanlagen Die Fabrikanlagen von Val-Saint-Lambert in der Gemeinde Seraing bei Luttich bestanden aus Buro- und Betriebsgebauden, Wohnhausern, Dampfmaschinen, Kesseln und einer Verbindungsbahn, die eine Gesamtflache von 1,26 Hektar einnahmen. Sie lagen zwischen der Eisenbahnstrecke von Luttich nach Namur, einem Treidelpfad der Maas, dem Werk der Kommanditgesellschaft Les Petits Fils de Francois de Wendel (De Wendel’sche Berg- und Huttenwerke) und der Rue de Flemalle.
Geschichte 1911 schloss die franzosische Societe Nouvelle des Etablissements Decauville Aine mit der deutschen Orenstein & Koppel – Arthur Koppel AG (O&K) einen Vertrag uber eine Interessengemeinschaft (Joint Venture) ab: O&K ubernahm 1911 das belgische Decauville-Werk in Val-Saint-Lambert und uberließ dafur Decauville sein franzosisches Werk in Fives. Gleichzeitig kam eine Einigung uber die Absatzgebiete zustande, wonach Decauville den franzosischen Markt einschließlich der franzosischen Kolonien, O&K den Markt im Rest der Welt ubernahm.
Decauville war zu dieser Zeit in Frankreich und in dessen Uberseegebieten der fuhrende Feldbahnhersteller und -handler. Daher erganzten sich die Geschaftsbereiche der beiden Gesellschaften sehr gut. Die auf zwanzig Jahre geschlossene Interessengemeinschaft bezweckte eine Aufteilung der Absatzgebiete. Daruber hinaus wurde eine wechselseitige Beteiligung an den Geschaftsergebnissen vereinbart, so dass O&K verpflichtet war, von einem Kapital von funf Millionen Franc einen Prozentsatz an Decauville zu zahlen, der einem Viertel des Prozentsatzes entsprach, den O&K auf ihr Aktienkapital als Dividende verteilen konnten. Andererseits hatte Decauville, wenn das Unternehmen mehr als 12 % Dividende ausschutten konnte, die Halfte des Mehrertrags an O&K zu verguten. Sollten sich diese beiderseitigen Zahlungen nicht egalisieren, so hatte innerhalb vertraglich festgelegter Dreijahresperioden ein gesonderter Ausgleich stattzufinden. Außerdem wurde Decauville durch umfassende Bezugsverpflichtungen an O&K gebunden, so dass O&K seinen Fabriken kontinuierliche Auftrage sicherte.
Die belgische Decauville-Fabrik war in Val-Saint-Lambert fur den Export errichtet worden, um zollrechtliche Einsparungen zu erzielen. Sie diente vor allem der Herstellung genieteter Gleise, deren Herstellung Decauville sehr gut beherrschte, so dass sie sich auf den Exportmarkten oft leicht gegen das deutsche Gleismaterial durchsetzen konnten. Decauville war O&K in diesem Sektor vollig uberlegen, wie O&K oft feststellen musste. O&K wollte deshalb die Herstellung genieteter Gleise in Val-Saint-Lambert fortsetzen und gleichzeitig diese Fabrik fur den Bau von Waggons in großen Mengen umbauen, denn im Waggonbau war Belgien sehr fahig, vor allem wegen der gunstigen Preise der Bleche und der im Vergleich zu Frankreich sehr viel geringeren Lohnkosten.
In der Fabrik in Val-Saint-Lambert wurden vor allem Loren und Wagen fur gewohnliche Feld- und Schmalspurbahnen sowie fur den Bergbau gebaut. Das Abkommen uber die Interessengemeinschaft sah auch eine Beteiligung beider Unternehmen am jeweils anderen vor. So trat Hippolyte-Eugene Boyer, der geschaftsfuhrende Direktor von Decauville, in den Aufsichtsrat von O&K ein, wahrend einer der Direktoren von O&K dem Verwaltungsrat von Decauville angehorte.
O&K nutzte nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 unter der Agide der Besatzungsarmee die von Decauville hinterlassenen Anlagen insbesondere auch fur die Herstellung militarischer Feldbahnen.
Vertrieb Decauville erlaubte O&K, jederzeit neue Niederlassungen unter dem Namen Decauville zu grunden, der im Bereich von Feldbahnen weltweit bekannt und wohletabliert war. In vielen Landern der Welt wurde der Begriff Decauville-Bahn umgangssprachlich und sogar in Gesetzestexten fur alle Klein- und Schmalspurbahnen mit einer Spurweite von 600 mm verwendet. Decauville ubernahm unter eigenem Namen alle Niederlassungen, die von O&K in Frankreich gegrundet worden waren.
Decauville verpflichtete sich, alle Lokomotiven, Bagger und Selbstentlader, d. h. alle Produkte, die sie nicht selbst in seinen eigenen Fabriken herstellen konnten, bei O&K zu bestellen. O&K sahen voraus, dass dieses Abkommen ihnen sehr große Auftrage bescheren wurde, denn in den 18 Monaten vor dem Vertragsabschluss hatte Decauville etwa 175 Lokomotiven bei Borsig und Bagger im Wert von einer Million (Franc?) bei der Lubecker Maschinenbau-Gesellschaft bestellt, die sich ab dem 17. Juni 1911 ebenso wie Decauville mit O&K zusammenschloss.
Das gesamte Exportgeschaft außerhalb von Frankreich und dessen Kolonien sollte vollstandig O&K vorbehalten sein. O&K ubernahm alle Filialen und Agenturen von Decauville im Ausland und hatte das Recht, sie aufzulosen oder bestehen zu lassen. O&K durfte auch jederzeit neue Niederlassungen unter dem Namen Decauville einrichten.
Anmerkungen Einzelnachweise | 
	Die Decauville-Werke in Val-Saint-Lambert waren ein 1895 gegrundetes belgisches Tochterunternehmen des franzosischen Schmalspurbahnherstellers Decauville, das 1911 vom Berliner Maschinenbauunternehmen Orenstein & Koppel ubernommen wurde. | 
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	c-513 | 
	Waspitten (Singular waspit) war in den Niederlanden des 19. Jahrhunderts eine gelaufige Bezeichnung fur Arbeiterinnen in Wachskerzenfabriken. Der etwa mit „Wachsdochte“ zu ubersetzende Name druckt Geringschatzung den Arbeiterinnen gegenuber aus. Tatsachlich verrichteten vorrangig junge Madchen aus einfachem Milieu die schmutzigen und schlecht entlohnten Arbeiten. Im Rahmen einer im ganzen Land durchgefuhrten parlamentarischen Erhebung traten 1887 etliche Missstande in der Koninklijke Fabriek van Waskaarsen in Amsterdam, zutage. Danach verbesserten sich die Bedingungen leicht. Der Obolus, den die Waspitten von George Hendrik Breitner und Isaac Israels fur das Modellstehen erhielten, war ein willkommener Zuverdienst.
Stearinkerzenfabriken Im 19. Jahrhundert existierten in den Niederlanden funf Stearin-Kerzenfabriken, je eine in Gouda und Schiedam und drei in Amsterdam, von denen die großte am Boerenwetering-Kanal im Stadtteil Amsterdam-Zuid angesiedelt war: die Koninklijke Fabriek van Waskaarsen mit einer Produktion von 11 Mio. Packungen Kerzen im Jahr 1872. 1880 beschaftigte das Unternehmen 500 bis 600 Personen, kam dann jedoch in eine schwere Krise und musste 1883 liquidiert werden. Nach der Demontage im Jahr 1906 wurde die „konigliche“ Stearinkerzenproduktion in Gouda konzentriert.
Der ursprungliche Eigentumer Nathan Diaz Brandon hatte die franzosische Erfindung der Stearinkerze um 1840 in den Niederlanden etabliert. Stearin ist ein aus tierischen und pflanzlichen Fetten gewonnenes Gemisch aus gesattigten Fettsauren, das durch Verseifung zu einer verarbeitbaren Masse wird. Fur Stearinkerzen wurde diese in Formen, in die ein Docht aus geflochtenen Baumwollfaden gespannt war, gegossen. Danach mussten sie nur auf die gewunschte Lange geschnitten, poliert und verpackt werden. Dieser Herstellungsprozess ist einfacher, schneller und kostengunstiger als der von Wachskerzen, bei denen der Baumwolldocht so lange durch flussiges Wachs gezogen wird, bis die richtige Kerzendicke erreicht ist. Strenggenommen ist die Bezeichnung „Wachsdocht“ (waspit) also irrefuhrend. Sie stammt aus einer Zeit, in der die Produktionsstatten tatsachlich noch „Wachskerzenfabriken“ waren.
Frauen und Madchen in der Amsterdamer Kerzenfabrik Aufgrund des strengen Geruchs, der vom Produktionsbereich ausging, gab es immer wieder Stimmen gegen die Fabrik am Ruysdaelkade. Noch lauter wurden sie nach der parlamentarischen Untersuchung von 1887 zu den dort herrschenden Arbeitsbedingungen. Zeitweise arbeiteten Kinder im Alter von 12 bis 16 Jahren wochenlang von 6 bis 24 Uhr. Direktor Lodewijk A.H. Hartogh hielt sich zwar an das 1874 verabschiedete „Kindergesetz“ (Kinderwetje) von Samuel van Houten, nach dem die Arbeit von Kindern unter 12 Jahren in Fabriken und Werkstatten verboten war, hatte aber keine Skrupel, wenn dieses Alter erreicht war. Vor dem Untersuchungsausschuss ließ er verlauten: „Wir hatten diese jungen Leute lieber nicht, aber in der Packerei muss man jung anfangen. In dieser Abteilung bevorzugt man Madchen im Alter von 12 bis 14 Jahren, weil nur diese schnell angelernt werden konnen.“ Diese Kinder mussten mindestens 13 Stunden am Tag Etiketten auf die Hullen von Kerzen kleben. Im Jahr 1874 waren es 30 Madchen unter 14 Jahren.
Am selben Tag wie der Direktor wurden vier Arbeiterinnen zwischen 18 und 30 Jahren befragt, die als Zwolfjahrige in die Fabrik gekommen waren. Am aufschlussreichsten sind die Angaben der Altesten von ihnen, Cornelia Maria Kamphuizen-Doorman, deren Mann, ein Maler, arbeitslos war und sich zu Hause um die vier Kinder kummerte. Die Frauen verdienten weniger als ein Dubbeltje (10 Cent) pro Stunde und arbeiteten in Stoßzeiten manchmal mehr als 24 bis sogar 36 Stunden am Stuck; nachts schliefen sie eine Stunde auf einem Holzbrett. „Kaum jemand halt die nachtliche Arbeit aus. Am nachsten Tag sind die meisten krank und klagen uber Schmerzen in den Beinen, im Kopf und in den Lenden. […] Wir wurden viel lieber eine Stunde spater arbeiten als nachts.“ Die Arbeit war hart. Wenn die Kerzen misslangen, gab es Lohnabzuge, im Krankheitsfall fiel er ganz weg. Essen konnten die Beschaftigten oft nur, wenn ein Verwandter ihnen etwas brachte, Pausen wurden vom Lohn abgezogen. Die drei jungeren Frauen unterschrieben die Befragung, Cornelia Kamphuizen konnte das nicht. Sie wurde am Schluss gefragt: „Haben Sie ein schlechtes Leben, Maid?“ Die Antwort lautete: „Das beste [Leben] ist es nicht, wenn man am Samstag mit 400 Cent nach Hause kommt und am Montag wieder ohne etwas anfangt.“
Daniel Sanches, der ehemalige Betriebsleiter der Fabrik, lieferte weitere Informationen: „Die Arbeit der Frauen ist schwerer und anstrengender [als die der Manner]. Volle Schalen mit flussigem Stearin zum Fullen der Kerzenformen vor sich her zu tragen, das kann erfahrungsgemaß kein Mann so schnell und so lange. Beim Kerzengießen ist das Madchen die billige Arbeitskraft.“ Das Gewicht jeder Holzkiste mit gegossenen Kerzen, die zur Sagemaschine getragen werden musste, schatzte Sanches auf 20 bis 30 Kilogramm. Was die Gesundheitsgefahrdung anging, waren die Frauen weniger betroffen als die Manner, die in der Azidifikation (acideficatie) standig atzende Schwefelsauredampfe ertragen mussten. Sie litten eher an der kunstlichen Beleuchtung mit Leuchtgas, das kostensparend aus Destillationsabfallen, also verbrannten, mit Schwefelsaure getrankten Fettzellen und Pflanzenfasern, hergestellt wurde. Laut Sanches war dieses Gas unwirksam und uberdies schadlich. „Wenn die Turen geschlossen waren, war der Raum mit einem blauen Rauch gefullt, der in den Augen und im Rachen brannte.“
Die Eigentumer lehnten jegliche Investition ab – und Hartogh schob die Schuld an den Missstanden auf seine Auftraggeber. Außerdem bestunden die Arbeiterinnen selbst darauf, nur einen Tag nach der Entbindung wieder an die Arbeit zu gehen. Dass der Hungerlohn sie dazu trieb, verschwieg er. Der Abbruch der Fabrik 1906 hatte also auch eine negative Seite. Viele Manner konnten durch die Vermittlung von Frederik van Eeden anschließend als Kolporteure arbeiten. Uber die Waspitten aus dem Jordaan wurde dagegen kein Wort verloren.
Bildliche Darstellung Darstellungen der Waspitten sind rar. In der Sammlung des Stadtarchivs Amsterdam findet sich jedoch eine Zeichnung mit dem Titel Waskaarsenfabriek met ‚waspitten‘ die met het pontje de Boerenwetering oversteken. Sie zeigt etwa 20 uniform gekleidete und frisierte Arbeiterinnen der Wachskerzenfabrik bei der „Uberfahrt mit der Fahre uber den Boerenwetering-Kanal“. Einige Frauen eilen zur Fahre, andere befinden sich auf der Uberfahrt, die dritte Gruppe ist bereits am gegenuberliegenden Ufer angekommen. Weder der Urheber noch die Quelle fur die Datierung der Zeichnung auf „31. Dezember 1899 ca.“ sind angegeben. Eine Zeichnung von Herman Misset dokumentiert die Kanalseite der Fabrikanlage kurz vor ihrem Abriss. Die 1905 entstandene Litho-Serie von Jan Toorop zeigt den Produktionsprozess einer Kerzenfabrik. Ein Foto aus dem Nationaal Archief offenbart eine weniger angenehme Realitat.
Die Waspitten genossen bei der Stadtbevolkerung keinen sehr guten Ruf. Sie waren ein „raues Weibsvolk“, dessen erbarmlichen Arbeitsbedingungen erst durch die Erhebung von 1887 zutage traten. 1889 wurden die ersten Gesetze zum Schutz gegen die Ausbeutung verabschiedet. Dennoch verdienten sich die Frauen „immer gerne noch ein kleines Zubrot, indem sie fur Israels vor einer wachsenden Schar von Neugierigen posierten“. Die Amsterdamer Impressionisten hatten die arbeitende Bevolkerung erst kurzlich als Sujet entdeckt. Folgerichtig wurden auch Dienstmadchen und die Werkstatten- und Fabrikarbeiterinnen darstellungswurdig. Dabei arbeiteten die Maler „nicht aus einem sozialen Engagement heraus“, sondern betrachteten das Leben der einfachen Leute „von außen“.
George Hendrik Breitner darf als der Vorreiter angesehen werden. So schrieb er 1882 in einem Brief: „Ich selbst werde die Menschen auf der Straße und in Hausern […] malen; vor allem aber das Leben. ‚Le peintre du peuple‘ (der Maler des Volkes) will ich versuchen zu werden oder ich bin es vielleicht schon, weil ich das will.“ Isaac Israels bewunderte den sechs Jahre alteren Breitner und eiferte ihm in diesem Punkt nach. Arbeiter wie Bergleute und Glasblaser hatte er bereits bei einer 1885 unternommenen Reise durch das belgische Kohlerevier Borinage gezeichnet, sie jedoch nie in ein Gemalde integriert. „Es scheint, als ob Isaac das Bild der Frauen, die auf ihren Banken sitzen und eine Pause machen, am meisten gefallen hat“, resumierte die Kunsthistorikerin Saskia de Bodt nach dem Studium seines Skizzenbuchs. Erst beim jahrelangen Ringen „um eine personliche Note in seiner Arbeitsweise“ wagte Israels sich wieder an diese Thematik heran. In Amsterdam entstanden zahlreiche Figurenstudien, die er spater in Ol ausarbeitete. Zwei Beispiele fur solche Gemalde sind Fabrikmadchen an der Prinsengracht im Centraal Museum Utrecht und Zwei Madchen an der Lijnbaansgracht in Amsterdam im Groninger Museum. Ab 1894 malte Israels vorzugsweise en plein air. In beiden Fallen standen ihm die Waspitten bereitwillig Modell.
		
			
			
		
		
			
			
		
		
			
			
		
		
			
			
		
		
			
			
		
Literatur J.F. Heijbroek, Jessica Voeten: Isaac Israels in Amsterdam. Publiziert anlasslich der Ausstellung im Stadtarchiv Amsterdam, 15. Juni – 26. August 2012. Uitgeverij Thoth, Bussum 2012, ISBN 978-90-6868-593-0 (niederlandisch). 
E.A.M. Berkers, E. Homburg: Stearinekaarsen. Deel IV. In: Geschiedenis van de techniek in Nederland. Walburg Pers, Zutphen 1993, S. 240–257 (niederlandisch). 
Jacques Giele (Hrsg.): De Arbeidsenquete van 1887/Een kwaad leven. Deel 1: Amsterdam. Uitgeverij Link, Nijmegen 1981 (niederlandisch, dbnl.org). 
Weblinks Marius van Melle, Niels Wisman: Hier gebeurde het... Boerenwetering, 27 november 1906. In: onsamsterdam.nl. 1. Oktober 2004; abgerufen am 2. Marz 2024 (niederlandisch). 
Einzelnachweise | 
	Waspitten (Singular waspit) war in den Niederlanden des 19. Jahrhunderts eine gelaufige Bezeichnung fur Arbeiterinnen in Wachskerzenfabriken. Der etwa mit „Wachsdochte“ zu ubersetzende Name druckt Geringschatzung den Arbeiterinnen gegenuber aus. Tatsachlich verrichteten vorrangig junge Madchen aus einfachem Milieu die schmutzigen und schlecht entlohnten Arbeiten. Im Rahmen einer im ganzen Land durchgefuhrten parlamentarischen Erhebung traten 1887 etliche Missstande in der Koninklijke Fabriek van Waskaarsen in Amsterdam, zutage. Danach verbesserten sich die Bedingungen leicht. Der Obolus, den die Waspitten von George Hendrik Breitner und Isaac Israels fur das Modellstehen erhielten, war ein willkommener Zuverdienst. | 
	{
  "url": "https://de.wikipedia.org/wiki/Waspitten"
} | 
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	c-514 | 
	Lerchenfenster sind kleine, vegetationsfreie Flachen auf Feldern, die als Artenhilfsmaßnahme fur Feldlerchen kunstlich angelegt werden. Die Vogel nutzen die Freiflachen als Lande-, Brut- und Futterplatze. Die bewuchsfreien Stellen werden von Landwirten wahrend der Aussaat durch das Anheben der Samaschine oder spater durch mechanisches Freistellen, wie Grubbern, erzeugt.
Beschreibung Feldlerchen sind Bodenbruter und suchen sich Felder mit lichten Stellen zur Anlage von Nestern. Auf intensiv genutzten Flachen stehen Feldkulturen meist sehr dicht, wodurch die Vogel keinen freien Landeplatz haben. Wenn Lerchenfenster vorhanden sind, legen Feldlerchen ihre Bodennester gern in deren Nahe an. Sie nutzen die kleinen Freiflachen als Landebahn, um von dort zu ihrem Nestversteck zu gelangen. 
Landwirtschaftsmedien und Naturschutzverbande geben folgende Empfehlungen zur Anlage von Lerchenfenstern. Pro Hektar Ackerflache sind zwei circa 20 m² große Lerchenfenster ausreichend. Sie sollten Abstand zu landwirtschaftlichen Fahrgassen haben, um zu verhindern, dass Fuchse auf diesem Wege die Freiflachen finden. Es wird empfohlen, mindestens 25 Meter Abstand zum Feldrand und mindestens 50 Meter zu Baumen, Gebauden und Strommasten einzuhalten, da Greifvogel diese Strukturen als Jagdansitz nutzen. Lerchenfenster konnen in verschiedenen Feldkulturen angelegt werden, wie Raps, Mais und Getreide, wobei sie am effektivsten im Wintergetreide sind. Fur Landwirte betragt die Ertragseinbuße durch Ernteausfall rund funf Euro pro Lerchenfenster. Die Landesjagerschaft Niedersachsen fordert Landwirte mit einer Ausfallentschadigung in Hohe von 10 Euro pro Lerchenfenster. Von der Artenhilfsmaßnahme fur Feldlerchen profitieren auch bedrohte Tierarten, wie Rebhuhner und Feldhasen. 
Die Idee, Lerchenfenster durch vegetationsfreie Stellen anzulegen, stammt von Landwirten und Naturschutzern in Großbritannien. Dort betreibt die Naturschutzorganisation Royal Society for the Protection of Birds (RSPB) in der Nahe der Universitatsstadt Cambridge die Hope Farm. Bei der Ubernahme der ursprunglich konventionell betriebenen Farm durch die RSPB im Jahr 2000 bruteten 10 Lerchenpaare auf den farmeigenen Feldern. Durch die Anlage von Lerchenfenstern waren es 2017 bereits 35 Lerchenpaare. Dortige Untersuchungen ergaben, dass bei zwei Lerchenfenstern pro Hektar die Vogel 50 Prozent mehr Kuken aufzogen als auf normal bewachsenen Feldern und sich so der Bruterfolg von Feldlerchen deutlich steigern ließ.
Literatur Tanja Bruggemann: Feldlerchenprojekt – 1000 Fenster fur die Lerche in: Natur in NRW Nr. 3/2009, S. 20–21 (Online)
Weblinks Einzelnachweise | 
	Lerchenfenster sind kleine, vegetationsfreie Flachen auf Feldern, die als Artenhilfsmaßnahme fur Feldlerchen kunstlich angelegt werden. Die Vogel nutzen die Freiflachen als Lande-, Brut- und Futterplatze. Die bewuchsfreien Stellen werden von Landwirten wahrend der Aussaat durch das Anheben der Samaschine oder spater durch mechanisches Freistellen, wie Grubbern, erzeugt. | 
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	c-515 | 
	Die Langkofelgruppe (italienisch Gruppo del Sassolungo) ist ein Bergmassiv der Grodner Dolomiten an der Grenze zwischen Sudtirol und dem Trentino in Italien.
Lage und Beschreibung Sie befindet sich zwischen Groden (im Norden) und dem Fassatal (im Suden) sowie dem Sellamassiv (im Osten), dem Rosengarten (im Sudwesten) und der Schlerngruppe (im Westen). Nordwestlich der Langkofelgruppe liegt die Seiser Alm. Die hochste Erhebung ist der namensgebende Langkofel mit einer Hohe von 3181 m s.l.m. Die markante Gipfelkette bildet einen Kreisbogen, der sich nur nach Nordwesten gegen die Seiser Alm offnet und in der Form eines Hufeisens angeordnet ist.
Folgende Gipfel bilden den Kreisbogen der Langkofelgruppe:
Langkofel, 3181 m
Funffingerspitze, 2918 m
Grohmannspitze, 3113 m
Innerkoflerturm, 3081 m
Zahnkofel, 3000 m
Plattkofel, 2964 m
Der innere Bereich des Hufeisens wird durch die Langkofelkarspitze (2821 m) in zwei Halften geteilt, das Langkofelkar und das Plattkofelkar.
Am nordostlichen Eck des Langkofels befindet sich die „Torre Lisa“, eine 2800 m hohe Felsformation, die uber dem Langkofelkar eine schmale Wand aufweist. An der Nordseite ragen aus der Wand einige Felsturme wie der markante Salamiturm (2844 m) und der Demetzturm (2800 m). Zum Grodner Tal hin hat der Langkofel eine uber 1000 m hohe Wandflucht, diese ist eine der hochsten der Alpen. Die Sudwestflanke ist wild zerkluftet. An den Langkofel schließen sich in dieser Reihenfolge die Funffingerspitze, die Grohmannspitze, der Innerkoflerturm und der Zahnkofel als eigenstandige Gipfel an; diese Gipfel sind stark gegliedert. Den Abschluss des Kreisbogens bildet der Plattkofel, dessen Sud-Westflanke eine große, ebenmaßig zum Gipfelgrat ansteigende Platte bildet.
Von den Langkofelabsturzen hin zum Sellajoch erstreckt sich das Felssturzgebiet der „Steinernen Stadt“, bemerkenswert vor allem wegen seiner reichhaltigen Flora. Diese besteht aus weit uber hundert Felsblocken, von eher kleinen bis zu gewaltigen Blocken in Große eines Hauses. Die „Steinerne Stadt“ ist auch Teil des Schigebiets „Sellaronda“. Um den Schifahrern einen problemlosen Wechsel zwischen den einzelnen Schigebieten zu ermoglichen, wurde eine ebene Schipiste durch die Blocke gesprengt und diese planiert, obwohl dies ein Naturschutzgebiet ist.
Geologie Entstanden ist das Gebiet in der Zeit der mittleren Trias (vor ca. 240 Mio. Jahren) als Korallenriff im tropischen Flachmeer, wobei der sich vorerst ablagernde Kalk unter Magnesiumzufuhr zu Schlerndolomit umkristallisierte. In der mittleren Triaszeit traten vermehrt Naturkatastrophen auf: Durch vulkanischen Druck offnete sich der Meeresboden, und Lava trat untermeerisch in Massen aus und uberdeckte die Korallenriffe teilweise. Die schwarzlichen Tuffe der Seiser Alm gehen auf diese Ereignisse zuruck.
Gegen Ende des Erdmittelalters (vor ca. 70 Mio. Jahren) gerieten die Kontinente in Bewegung, sie veranderten ihre Lage und schoben sich ineinander. Dadurch entstanden durch langsame Aufrichtung der ehemaligen Meeresboden die Alpen. Auch das tiefer liegende Land wurde gehoben, die Meere wichen zuruck und Flusse haben die Taler ins Gebirge eingeschnitten. Erhalten blieb der Gebirgskranz aus (im Uhrzeigersinn) Langkofel, Langkofeleck, Funffingerspitze, Grohmannspitze, Innerkoflerturm, Zahnkofel und Plattkofel.
Im Jahre 1788 fand der Geologe Deodat de Dolomieu den Unterschied zwischen Dolomit und dem kalksteinbildenden Calcit heraus: Calcit ist Calciumkarbonat, wahrend Dolomit Calcium-Magnesium-Karbonat ist. Zu Ehren von Dolomieu erhielten daher die Dolomiten seinen Namen.
Erschließung und Berghutten Von Mitte Juni bis Anfang Oktober fuhrt eine Stehgondelbahn vom Sellajoch aus in die Langkofelscharte zur Toni-Demetz-Hutte. Im Winter ist sie geschlossen, da die Abfahrt zum Sellajoch sehr anspruchsvoll ist. Es gab in der Vergangenheit zu viele Unfalle von Schifahrern. Die Stehgondelbahn heißt so, da in die kleine Gondel nur zwei Personen passen, die wahrend der Auffahrt (oder Abfahrt) in der Gondel stehen. Der Einstieg bzw. Ausstieg erfolgt ohne eine Verlangsamung der Gondel.
Von der Langkofelscharte aus lasst sich sowohl der Langkofel (uber Langkofelhutte, Confinboden und der Emilio-Comici-Hutte) als auch der Plattkofel (uber Langkofelhutte, Plattkofelhutte und Friedrich-August-Weg) auf Wanderwegen umrunden.
Die Langkofelgruppe wird durch eine Reihe von Berghutten erschlossen, diese sind meist privat gefuhrt und saisonal geoffnet. Die Hutten sind:
Langkofelhutte (2256 m, auch Rifugio Vicenza, im Langkofelkar)
Emilio-Comici-Hutte (2153 m, privat, am Fuß des Langkofels)
Toni-Demetz-Hutte (2685 m, privat, in der Langkofelscharte)
Friedrich-August-Hutte (2298 m, privat, auf dem Friedrich-August-Weg vom Sellajoch zur Plattkofelhutte)
Des-Alpes-Hutte (2395 m, privat, auf dem Col Rodella, Seilbahn von Campitello di Fassa)
Sandro-Pertini-Hutte (2300 m, privat, auf dem Friedrich-August-Weg)
Plattkofelhutte (2300 m, privat, westlich des Plattkofels)
Sellajochhaus (2180 m, privat, 2013 abgerissen, lag an der Straße auf das Sellajoch unterhalb der Passhohe)
Williamshutte (2100 m, privat, am Fuß des Plattkofels)
Alpinismus Alle Gipfel der Langkofelgruppe mit Ausnahme des Plattkofels sind nur fur Kletterer erreichbar. Selbst die Normalwege sind meist sehr anspruchsvoll und nicht gesichert. Fur Wanderer gibt es aber eine reiche Auswahl an Wanderwegen, die alle oder einige Gipfel umrunden und schone Ausblicke bieten.
= Wandern =
Besonders hervorzuheben sind die Umrundung der Langkofelgruppe und der Normalweg auf den Plattkofel, die beide eher anspruchsvolle Touren sind. Gemutlicher ist der Hans-und-Paula-Steger-Weg.
Der Panorama-Rundweg um die gesamte Langkofelgruppe ist eine Wanderung fur besonders Ausdauernde. Selbst bei zugigem Gehen ist mit ungefahr 8 Stunden reiner Wanderzeit zu rechnen, und das, obwohl keine großeren Hohendifferenzen zu bewaltigen sind; es mussen ungefahr 650 m im Anstieg und etwa 1000 m im Abstieg uberwunden werden. Dafur bietet dieser Weg eine ganze Palette schoner Ausblicke.
Der Plattkofel ist fur Wanderer uber die Normalroute zu erreichen. Diese fuhrt uber die charakteristische, breite und recht gleichmaßig geneigte Westflanke auf den Gipfel. Der zu uberwindende Hohenunterschied betragt 1260 m, und es ist mit einer reinen Gehzeit von 7 Stunden zu rechnen. Dafur bietet sich vom Gipfel eine gute Aussicht.
Ein beliebter Wanderweg auf leichten Wegen ist auch der Friedrich-August-Weg sudlich und westlich der Gruppe. Insgesamt ist der Weg aber sehr lang, die gesamte Gehzeit betragt etwa 9 Stunden. Daher wird der Weg oft in einen West- (Gehzeit 4,5 Std.) und Ostteil (Gehzeit 4,25 Std.) getrennt, die an verschiedenen Tagen begangen werden konnen.
Ein einfacher Wanderweg ist der Paula Wiesinger und Hans Steger gewidmete Weg, der von der Bergstation der Seiser-Alm-Bahn in Compatsch bis an den Fuß des Plattkofels fuhrt. Er geht quer uber die Seiser Alm und ist den beiden legendaren Kletterern der 1930er Jahre aus dem Grodner Tal gewidmet. Er kann auch im Winter begangen werden.
= Klettersteige =
Die „Via Ferrata Furcela de Saslonch“ ist ein 2021 eingerichteter Klettersteig, der am Felssockel der Funffingerspitze startet und direkt uber der Toni-Demetz-Hutte endet. Er uberwindet ca. 560 Hohenmeter und hat eine Lange von 2,2 km und eine mittlere Schwierigkeit. Der Abstieg kann uber die Stehgondelbahn direkt uber der Toni-Demetz-Hutte erfolgen, damit ist er in 3,5 Stunden zu bewaltigen. Eine andere Moglichkeit ist der „Oskar-Schuster-Steig“ am Plattkofel, der einen Hohenunterschied von 1090 m uberwindet, eher einfach ist und keine wirklich heiklen Passagen aufweist. Dafur ist er relativ lang, es ist von einer Gesamtzeit von 7 Stunden auszugehen.
= Alpines Klettern =
Die Langkofelgruppe weist eine Reihe von Klettertouren auf, die alle hochalpin, ernst und eher schlecht gesichert sind.
Der Normalweg auf den Langkofel uber dessen Sudwestwand weist eine Kletterstrecke von uber 1000 m auf, hat aber sehr moderate Schwierigkeiten (UIAA 3). Sie wurde 1869 von Paul Grohmann, Franz Innerkofler und Peter Salcher erstbegangen. Die Wegfuhrung ist nicht einfach. Sie zahlt zu den anspruchsvollsten Normalwegen der Dolomiten. Die Kletterpionierin der Dolomiten, Paula Wiesinger, hatte diesen noch im Alter von 71 Jahren begangen, was sie mit den Worten kommentierte: „damit wir auch endlich den gewohnlichen Weg gegangen sind“. Ein weiterer Klassiker ist die „Pichl“ an der Langkofel-Nordost-Wand, sie umfasst eine Kletterstrecke von 1400 m und einer Schwierigkeit von UIAA 3–4. Die Tour wurde am 21. August 1918 von Eduard Pichl und Rolf Waizer erstbegangen.
Insgesamt gibt es in der Langkofelgruppe uber zwei Dutzend meist lange und hochalpine Klettertouren von eher moderater Schwierigkeit bis zu hohen Schwierigkeiten wie z. B. die „Via del Calice“, UIAA 7- am Innerkoflerturm. Eine besonders schone, sehr ausgesetzte Kletterei in gutem Gestein ist auch die „Harrer“ in der Grohmannspitze-Sudwand mit einer Schwierigkeit von UIAA 5. Sie wurde am 6. Juli 1936 von Heinrich Harrer und Kurt Wallenfels erstbegangen.
Alpines Klettern in der Langkofelgruppe ist eine hochalpine und ernsthafte Angelegenheit, die Klettertouren sind lang, ausgesetzt und nicht einfach zu finden. Die meisten Alpinrouten sind eher durftig gesichert und die Wegfuhrung kompliziert. Dazu kommt, dass das Wetter schnell umschlagen kann. Selbst der Abstieg bedarf großer alpiner Erfahrung, hier muss immer wieder abgeklettert werden. Daher kommt es immer wieder zu (todlichen) Unfallen. So sturzte im August 1979 eine Jugendgruppe aus Albstadt, Baden-Wurttemberg, ab, als sie den Klettersteig an der Langkofelscharte begehen wollte und sich im Abstieg bei schlechter werdendem Wetter verirrte. 2013 sturzten drei Bergsteiger ab, als sie die „Pichl“ begehen wollten; da sie aneinander geseilt waren, wurden alle drei in die Tiefe gerissen. 2020 sturzte ein Bergsteiger aus der Normalroute am Langkofel.
In der Langkofelscharte an der Nordseite des Daumens der Funffingerspitze wurden zwischen 2014 und 2020 mehrere alpine Sportrouten eingerichtet. Diese sind meist rund 4 Seillangen, etwa 140 Hohenmeter und in gut 2 Stunden zu klettern. Beispiel fur diese Routen sind die „Via Amerigo“ (UIAA 5) oder „Julia“ (UIAA 4+).
= Sportklettern und Bouldern =
Am Fuße des Langkofels in Richtung Sellajoch ist durch einen gewaltigen Felssturz aus der Langkofel-Ostwand die „Steinerne Stadt“ entstanden. Diese besteht aus weit uber hundert Felsblocken, von eher kleinen bis zu gewaltigen Blocken in Große eines Hauses. Die Blocke weisen einen griffigen Fels auf, der ideal fur Sportkletterer und Boulderer ist. Die uber 220 Routen und 50 Boulderprobleme sind kurz (5 m bis 25 m) und weisen Schwierigkeiten von moderat bis anspruchsvoll auf.
2012 wurde direkt neben der Toni-Demetz-Hutte am Ende der Langkofelscharte ein kleiner Klettergarten eingerichtet, der 24 eher kurze Routen bietet.
= Skifahren =
Am Fuß der Langkofelgruppe befinden sich die Schigebiete Col Rodella (am Sellajoch), Plan de Gralba, Ciampinoi (mit der bekannten Saslong-Weltcupabfahrt) und Monte Pana/Mont de Seura. Auch die beruhmte Sella Ronda, eine Umrundung der Sellagruppe auf Schipisten im oder gegen den Uhrzeigersinn, bedient sich dieser Pisten. Fur Skifahrer stellt die Abfahrt durch die Langkofelscharte eine besondere Herausforderung dar, da sie sehr schmal und steil ist und nicht von Pistenfahrzeugen prapariert wird.
= Laufsport =
Rund um den Langkofel verlauft die 21 km lange und rund 1000 hm umfassende Strecke des Berglaufs Dolomites Saslong Half Marathon, der mit Start- und Zielpunkt Monte Pana jahrlich im Sommer abgehalten wird.
Weblinks Einzelnachweise | 
	Die Langkofelgruppe (italienisch Gruppo del Sassolungo) ist ein Bergmassiv der Grodner Dolomiten an der Grenze zwischen Sudtirol und dem Trentino in Italien. | 
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  "url": "https://de.wikipedia.org/wiki/Langkofelgruppe"
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	c-516 | 
	Die Querina war ein Schiff, das 1431 auf der Fahrt von Candia, der Hauptstadt der venezianischen Kolonie Kreta, Richtung Flandern durch einen Sturm im Atlantik vom Kurs abkam. Nordlich von Irland ging die cocca Querina, gefuhrt von Piero Querini (* spatestens 1402; † nach 1448), unter. Querini hatte sich mit seiner Fracht und seinen Mannern nicht einem der Schiffskonvois (mude) angeschlossen, die die Republik Venedig ublicherweise organisierte, um mehr Sicherheit fur Besatzung, Waren und Schiffe zu erreichen, wenn sie die wichtigsten Handelszentren Europas und des Mittelmeerraums ansteuerten. Es handelte sich also um ein privat ausgestattetes Unternehmen, von dem die Quellen seltener berichten.
Die meisten der zum Zeitpunkt des Untergangs mehr als 70 Besatzungsmitglieder kamen im Atlantik ums Leben. Nur elf von ihnen und der Schiffsfuhrer Querini selbst erreichten in einem der beiden ausgesetzten Boote die Lofoten im Norden Norwegens, wahrend das andere Boot nie wieder auftauchte. Auf den Lofoten wurden die Uberlebenden von den Bewohnern einer Nachbarinsel nach Wochen zufallig entdeckt, in Sicherheit gebracht und mehr als ein Vierteljahr lang versorgt. Das dortige Leben schildern die Venezianer als eine Art unschuldiges Paradies.
Auf zwei getrennten Wegen machten sich Querini und die anderen Uberlebenden auf die Ruckreise, wobei sie sowohl auf kirchliche als auch auf Handlernetzwerke zuruckgreifen konnten. Dabei reisten sie zunachst wegen Kaperern auf der Nordsee uber Land durch Schweden und Danemark. Dann teilte sich die kleine Gruppe auf. Wahrend die einen durch das Reich nach Venedig heimkehrten, das sie im Winter 1431/1432 erreichten, fuhr Querini mit seinen Mannern zunachst nach England. Piero Querini, der durch seinen Umweg uber Cambridge und London insgesamt acht Monate brauchte, erstattete in Venedig vor dem Senat Bericht uber die Katastrophe; zwei andere Manner, darunter der Consigliere Cristoforo Fioravante und der Schiffsschreiber Nicolo de Michiele, die gleichfalls einen Bericht abfassten, gehorten der Gruppe an, die uber Rostock heimgekehrt war; sie waren bereits drei Monate fruher in Venedig eingetroffen.
Die beiden Berichte uber die Katastrophe, aber auch ihre Beobachtungen in einem in Venedig vollkommen unbekannten Gebiet, sind in Form von drei Handschriften, die in Rom und Venedig liegen, erhalten geblieben.  Zugleich gehoren sie zu den fruhesten Quellen, die uberhaupt uber die Lofoten berichten. Diese Schriften wurden ab dem 16. Jahrhundert weithin bekannt, doch eine Edition erfolgte erst 2019. Ihre Sprache ist nahe am Venezianischen der Zeit. Schon wenige Jahre spater erscheint das Schiff in einem der Atlanten.
Letzte Fahrt der Querina = Fahrt von Kreta bis in den Nordatlantik =
Die Querina brach am 25. April 1431 im Hafen von Candia auf. Sie hatte 68 Mann an Bord und fuhrte 800 Fasser – oder uber 700, je nach Handschrift – kretischen Malvasia-Weines mit sich. Hinzu kamen Spezereien, Wachs, Alaun und andere Waren wie Pfeffer und Ingwer. Zunachst segelte das Schiff in Richtung der Straße von Gibraltar, doch Sturme an der nordafrikanischen Kuste zwangen dazu, am 3. Juni Aufenthalt in Cadiz zu nehmen, wohl um Reparaturen vorzunehmen, denn das Schiff war in der Nahe von Cadiz auf Grund gelaufen.
Dort sah sich Querini gezwungen, neue Manner anzuheuern, die, falls der wieder einmal ausgebrochene Streit zwischen Genua und Venedig eskalieren sollte, auch zum Kampf geeignet sein sollten. Er selbst nennt sie „combattanti“. Die Schiffsbesatzung bestand beim Aufbruch aus nunmehr 112 Mann. Erst am 14. Juli konnten die Manner die Fahrt fortsetzen. Sie erreichten, vom Kurs abgekommen, die Kanaren, hielten sich in diesem Raum etwa 45 Tage auf, fuhren dann endlich nordwarts nach Lissabon, das sie am 29. August erreichten. Von dort segelte die Querina am 14. September weiter nach Muros im Nordwesten der iberischen Halbinsel, wo das Schiff am 26. Oktober vor Anker ging. Querini und dreizehn seiner Leute nutzten den Aufenthalt zu einer Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela.
Schließlich ging es, schon recht spat im Jahr, namlich Ende Oktober, Richtung Finistere. Das Schiff geriet bei der Insel Ouessant in einen schweren Sturm („siroco“), der am 5. November einsetzte. Dieser verursachte nicht nur erhebliche Schaden, zumal die Fracht wegen der vergroßerten Besatzung umgelagert oder vermindert worden war, sondern machte ein Erreichen des angestrebten Ziels durch die ‚Straße von Flandern‘ unmoglich. Der Wind trieb das Schiff Richtung Scilly-Inseln („ixola de Sarlenge“). Bald musste der Proviant rationiert, das schwer beschadigte Schiff schließlich am 17. Dezember nordlich von Irland aufgegeben werden.
= Aufteilung der 74 Mann auf zwei Boote, Rettung der elf Uberlebenden auf den Lofoten =
Querini uberzeugte die Mannschaft des nicht mehr zu rettenden Schiffes davon, in eine Schaluppe und ein anderes Boot mit Mastbaum umzusteigen; der Proviant wurde gleichmaßig unter den Mannern aufgeteilt. Alle Manner stimmten Querinis Vorhaben zu. In der Schaluppe („barca mazore“) saßen nun 47 Manner, im kleineren Boot („schifo“) 27 (f. 45 v. im Bericht Querinis in der Vaticana). Doch nur eines der beiden Boote erreichte ein rettendes Ufer, namlich die von Querini gefuhrte Schaluppe.
Nachdem das Schiff im Sturm, wohl nordlich von Irland, gescheitert war, gelang es am Ende nur sechzehn Mann, trotz allem bis nach Sandøya auf den Lofoten zu gelangen, wo sie am 6. Januar 1432 ankamen. Die Manner froren auf dieser so weit im Norden gelegenen Insel, bedeckten sich so gut es ging mit dem verbliebenen Segel, versuchten sich gegen die enormen Schneemassen und den Hunger am Leben zu erhalten. Es wurde ihnen beinahe unmoglich, wie Fioravante berichtet, noch zu gehen oder etwas zu sehen (f. 16r). Drei Manner aus Spanien starben, so dass nur noch dreizehn Mann am Leben waren. Immerhin entdeckten die Gestrandeten uberraschenderweise Spuren menschlicher Anwesenheit, namlich eine „caxa“, eine Hutte, wodurch sie Hoffnung schopfen konnten. Doch starben bald zwei weitere Manner. Die anderen versuchten unter den Steinen am Meeresufer Essbares zu finden.
Schließlich horten sie menschliche Stimmen. Am 3. Februar 1432 wurden die Uberlebenden von Fischern der Insel Røst („Rusente“) gerettet, die allerdings vor lauter Schreck zuerst davonlaufen wollten. Als diese, allen voran ein 16-Jahriger, wie Fioravante betont (f. 19r), die Not der Gestrandeten erkannten, fuhren sie mit ihrem kleinen Boot nach Røst zuruck, um Hilfe zu holen. Doch mussten die Venezianer noch tagelang warten, weil die Fischer des Dorfes auf See waren.
Mit sechs Booten wurden die Venezianer einige Tage spater schließlich von ihrer Insel abgeholt. Es stellte sich schließlich heraus, dass ihr Kaplan ein Deutscher war („el capelano suo che iera todesco“), der sich mit einem Flamen der venezianischen Mannschaft verstandigen konnte. Der Kaplan gehorte den Dominikanern an. Bis in den Mai blieben die Venezianer fur drei Monate und elf Tage bei ihren Rettern, einem Dorf von 120 Einwohnern und zwolf Hausern. Die Uberlebenden wurden auf die dort ansassigen Familien aufgeteilt.
Spater notierte Querini, dass zahlreiche Fischer den Stockfisch in den Suden Norwegens transportierten, um ihn gegen alle erdenklichen Waren des taglichen Bedarfes einzutauschen, einschließlich Heizmaterial. Fioravante und Michiele halten hingegen fest, ihre Retter wurden den Fisch nach „tuta Dacia, Svetia et Noverga“ bringen (f. 22 v). Denn eine Bewirtschaftung des Bodens war auf den Inseln unmoglich. Nur zwei Fischarten wurden die Leute fangen – die großere davon, der Heilbutt, wiege, so Querini, „libre CC al groso“, was 200 mal 477 Gramm oder rund 100 Kilogramm entsprach –, um daraus Stockfisch zu machen. Dieser sei hart wie Holz. Fioravante fugt hinzu, dass sie fur den Eigenbedarf eine Vielzahl von Fischarten fingen (f. 23r) und dass manche Fische mehr als 250 libbre wogen. Zudem aßen sie sußes Roggenbrot („dolce pan de segalla“), und sie tranken Kuhmilch. Außerdem, so schildert es Querini, sei es von Juli bis September auf den Inseln hell, hingegen nur vom Mond erhellt in den entgegengesetzten Monaten („mesi opositi“). Bei der Kleidung allerdings widersprechen sich die beiden Berichte, denn Querini glaubte, die Bewohner der Inseln wurden sich nur in Wolltuche aus London und anderen Orten kleiden, wahrend Fioravante und Michiele auch Felle („pele boine“) und grobe Stoffe erwahnen.
Fioravante und Michiel waren offenbar fasziniert von der Einfachheit, der Heiterkeit und der Unmittelbarkeit des Lebens, aber auch dem Umgang mit dem Tod. Sie nahmen ihren dortigen Aufenthalt als eine Art Aufstieg in einen paradiesartigen Gluckszustand wahr, bewunderten die hausliche Beschaulichkeit, die trotz der Nacktheit keuschen Badefreuden, die pietatvoll-frohlichen Begrabnisse. Die beiden Venezianer meinten, die Inselbewohner seien von solcher Einfachheit des Herzens, dass sie „non in alguna guixa che sia fornicatione et adulterio“, und dass ihr Gastgeber dementsprechend fruhmorgens zur vierten Stunde zum Fischen aufbrach und ohne jedes Misstrauen seine Frau und die Kinder mit seinen Gasten zuruckließ. Die Menschen wurden außerdem nichts Wertvolles mit sich herumtragen, so dass es keinen Boden fur Raffgier gebe. Bei einem Sterbefall kamen sie zusammen und lobten Gott statt zu trauern. So fuhlten sich die Manner wie im „primo zerchio de paradixo“ (f. 23v). Die Frauen verließen nackt ihre Hauser, wie sie geboren wurden, und besuchten bestimmte Badestellen („le done uxate andar a certi bagni, ali qual volendo andare escono di caxa loro nude come naqueno, nula altra copertura“, f. 24r), und auch die Venezianer nahmen an diesen Badern teil.
= Ruckweg nach Venedig auf zwei Routen =
Erst nach uber einem Vierteljahr wollten Querini und die anderen Uberlebenden Richtung Venedig aufbrechen.  Zunachst fuhren sie uber See sudwarts, wobei Querini den Eindruck, den die tiefstehende Sonne auf ihn machte, genau beschreibt. Auch die Schreie der Mowen („cocali“) erwahnt er sowie die anderer Seevogel, die nur nachts schwiegen und den Mannern Erholung gonnten („e a nui si manifestava tempo de riposo“). Von den Kustenbewohnern erhielten sie Milch und Fisch, nachdem ihnen der Kaplan von ihrem Zustand berichtet hatte. Fioravante und Michiele berichten von Eisbarenfellen einer Lange von zehn Fuß, weiß wie Schnee („bianche qual candida neve“, f. 24v).
Zunachst ging es uber Trondheim, das sie nach 15 Tagen am 29. Mai erreichten, und wo vielfach wieder Latein verstanden wurde, so dass man sich besser verstandigen konnte, denn nun hatte man eine gemeinsame Sprache. Dort blieben die Manner zehn Tage lang, nach Fioravante und Michiele bis zum 14. Juni. Sie wurden dem Bischof von „Trendon“ vorgestellt, der sie mit 200 seiner Leute empfing. Querini wurde gar ein Pferd zum Geschenk gemacht. Schließlich kam der Tag des Abschieds, und unter Tranen auf beiden Seiten trennten sich die Manner von ihren Rettern.
Da zu dieser Zeit wegen des Krieges zwischen Deutschen und Norwegern haufig Schiffe gekapert wurden, riet man den Venezianern aus Grunden der Sicherheit („per piu sigurta“), die Reise durch Schweden fortzusetzen („Suvergia“). Dort besaß der Venezianer Zuan Franco ein castellum, das heutige Schloss Stegeborg („Sanginborgo“), das man in etwa funfzig Tagen erreichen konne.
Auf der Reise dorthin besuchten die Manner in Vadstena die Grabstatte der als Heilige verehrten Birgitta von Schweden (Fioravante und Michiele berichten von einer Reliquie, namlich einem Teil des Schadels der Heiligen: „parte del osso de la testa de madona santa Bricita“, f. 25v), ebenso wie sie zum heiligen Olav in Trondheim gepilgert waren. Querini beschreibt mit Bewunderung jene der Heiligen gewidmete Kirche, in der sich demnach 42 Altare befanden, die von „luzidisimo metalo“ gedeckt waren. Dort wurden sie als Bedurftige untergebracht.
Zusammen mit dem Fuhrer, der ihnen nun zur Verfugung stand, reisten zwolf Manner nebst drei Pferden (an anderer Stelle nennt Querini funf Pferde), die in den folgenden 53 Tagen uberall freundlich aufgenommen und versorgt wurden – nun auch mit Milch und Fleisch. Wieder schildert Querini die immer reicher werdende naturliche Umgebung. Zuan Franco nahm seine Landsleute uberaus freundlich auf, und 40 Tage sollten sie bleiben; auch freuten sie sich, in der Birgittenkirche eine Indulgenz zu erlangen. Reisen ohne Kloster und sonstige kirchliche Einrichtungen waren zu dieser Zeit unmoglich. 
Nun ging es in acht Tagen in großer Begleitung und auf 100 Pferden nach Goteborg, wobei sich schon zuvor die Wege getrennt hatten, denn die einen, Nicolo de Michiele, Cristoforo Fioravante und ein weiteres Besatzungsmitglied namens Girardo dal Vin („sescalco“), wollten nach Rostock („Storich“), wahrend sich Querini und die ubrigen sieben Manner am 13. September Richtung England einschiffen wollten. Mafio, der Sohn des Zuan Franco, sorgte fur ihr Wohlergehen.
Querini und seine Begleiter reisten uber King’s Lynn („Lilia“), wo sie zwei Tage blieben, und in Begleitung von „nobeli IIII“ gelangten sie auf die Straße nach London. Erst jetzt hatte Querini das Gefuhl, dank Gottes Hilfe in Sicherheit zu sein. Von „Lilia“ ging es uber den Fluss zunachst nach Cambridge, wo Querini die Universitat nennt und ein Benediktinermonch sie mit Geldmitteln ausstattete – er druckte ihm 16 grossi in die Hand, in der Hoffnung, uber Venedig zum heiligen Grab pilgern zu konnen –, dann nach London, das sie binnen eines Tages erreichten. In der englischen Hauptstadt wurden sie uberaus herzlich empfangen und bestens versorgt.
Von dort ging es uber Flandern und den Sudwesten des Reiches, dann weiter uber die Alpen nach Verona und schließlich Venedig, wobei Querini uber diese 42 Tage nur wenige Worte verliert, ahnlich wie die anderen beiden Autoren – die Gegenden waren den Zeitgenossen wohlbekannt. Der Bericht von Michiele und Fioravante zeigt, dass diese erst im Januar 1433 ankamen.
= Piero Querini und die anderen Ruckkehrer =
Querini, der einer der einflussreichsten venezianischen Familien angehorte, war der Sohn eines Francesco, Enkel eines Pietro Querini, und einer Daria Morosini. Er hatte drei Bruder. In der Balla d’oro des Jahres 1422 erhielt er vorzeitig die Zulassung zum Großen Rat, der Generalversammlung des erwachsenen, mannlichen Adels der Republik Venedig. Daher wurde auf ein Alter von etwa 20 Jahren zuruckgeschlossen, womit er gegen 1402 geboren worden sein mag.
Auf Kreta, das von Venezianern seit 1207 kolonisiert worden war, besaß er umfangreiche Landereien. Nach seiner Ruckkehr von den Lofoten nahm Querini spatestens 1438 seine fur seinen Stand ubliche Amterlaufbahn in Venedig (wieder) auf, denn er wurde am 8. Oktober 1438 in die Rason Vecchie gewahlt – sein Aufgabenspektrum bezog sich dementsprechend auf Abgaben, Gebuhren und Handelsvorgange innerhalb Venedigs. Pietro Querini war nach der Erfahrung des Schiffbruchs gestarkt, aß mit Genuss und war nicht mehr so kranklich und ungesund wie zuvor. Am 29. September 1439 wurde er erstmals in den Senat gewahlt. Darin wurde er 1446 bestatigt. Bei seinem Tod kurz nach 1448 hatte er eine lange politische Karriere hinter sich. In diesem Jahr wurde er zum dritten Mal in den Senat gewahlt. In einer Marginalie vermerkt daneben einer der Segretari delle voci seinen Tod.
Die anderen adligen Ruckkehrer fanden zum Teil veranderte Verhaltnisse vor, doch erholten sich die meisten gut. Francesco Querino, Sohn des Giacomo, dann der 18-jahrige Pietro Gradenigo, Sohn des Andrea, und Bernardo di Carlieri gewohnten sich bald wieder ein. Bernardo di Carlieri jedoch, der in sein Haus zuruckkehrte, musste feststellen, dass seine Frau nicht mehr an seine Ruckkehr geglaubt hatte. Sie hatte inzwischen wieder geheiratet. Um ihre Ehre zu retten, ging sie in ein Kloster, was Fioravante und Michiele loblich fanden.
Uberlebt hatten auch Alvise di Nassi sowie die Matrosen Andrea de Piero, ser Nicolo da Otranto („de Trato“) und ein Urialo Anixo Lapello. Schließlich uberlebte der Vertraute und Verwandte Querinis, ein Mann namens Nicolo Querini, der sich eigenartigerweise nur im Text von Michiele und Fioravante findet.
Rezeption An ihrem unfreiwilligen Aufenthaltsort lernten die drei Venezianer viel uber Sitten und Gebrauche, vor allem aber blieb ihnen der Stockfisch im Gedachtnis, der „stocafis“, der durch Lufttrocknung haltbar gemachte Heilbutt. Dieser war bis zu ihrer Ruckkehr in Venedig unbekannt.
Bereits im Atlas des Andrea Bianco von 1436 erscheint auf einer Karte nahe dem Gebiet der Lofoten erstmals das Wort „stocfis“. Querini blieb lange im kollektiven Gedachtnis. In Fra Mauros Weltkarte von 1459 erscheint die entsprechende Anmerkung: „questa provincia de Norvegia scorse misier Piero Querino come e noto“. Offenbar, so geht aus der Anmerkung hervor, war die Reise noch immer allgemein bekannt.
Bekanntheit erlangte die Fahrt uber Venedig und das gelehrte Europa hinaus, als Giovan Battista Ramusio davon in seinem 1559 veroffentlichten Opus Delle navigationi et viaggi berichtete. Darin publizierte Ramusio aus bereits veroffentlichten Reiseberichten, die aus dem Franzosischen, Spanischen, Venezianischen und Lateinischen ubersetzt wurden, sowie aus handschriftlichen Berichten, die darin zum ersten Mal erschienen. Dabei uberarbeitete er die Reiseberichte stark, um sie fur das von ihm avisierte Publikum leichter verstandlich und unterhaltsamer zu gestalten. Spatere Neuauflagen erschienen bis 1606.
Allerdings entfernte er nicht nur das Venezianische aus der Publikation und uberfuhrte es in ein bereits fur ein breiteres Publikum leichter lesbares Toskanisch (aus dem uberwiegend die heutige italienische Sprache hervorging), sondern er scheute auch nicht davor zuruck, ganze Passagen einzufugen oder den Text umzustrukturieren. Er entfernte ihm schwer verstandlich erscheinende Passagen, die zu sehr auf Einzelheiten der Seefahrt mit ihrer technischen Terminologie basierten, die den Handlern und Seemannern des 14. Jahrhunderts noch vollig gelaufig gewesen waren. Auch stellte er moralisierende Aspekte in den Mittelpunkt, verdeckte die aufscheinende Idee des Kannibalismus unter den Verhungernden bis zur Unkenntlichkeit, fugte aber auch ganze Satze ein, um Vorgange starker zu dramatisieren. So erscheint Ramusio, wie Angela Pluda 2019 konstatierte, beinahe als Co-Autor.
Das Werk Ramusios wurde ins Deutsche ubersetzt und erschien 1613 in Leipzig und 1784 in Frankfurt, ebenso wie ins Franzosische (Paris 1788).
Das Interesse an der Fahrt der Querina und an den Aufzeichnungen ließ nie nach. Ab dem spaten 19. Jahrhundert wurde die Uberlieferung nach und nach aufgearbeitet. So publizierte Carlo Bullo 1881 eine Untersuchung zur Reise Querinis und zu den Beziehungen zwischen der Republik Venedig und Schweden.
In einer Reihe mit dem Titel Viaggiatori veneti minori wurde sie einem breiteren Publikum bekannt. In einer Ausstellung in den 1950er Jahren wurde Querinis Fahrt zusammen mit den viel bekannteren des Antonio Pigafetta oder gar des Ferdinand Magellan in einer Ausstellung prasentiert. Die Geschichte Querinis erschien in einem Abschnitt mit dem beschreibenden Titel: Viaggio del magnifico messer Piero Quirino viniziano, nel quale, partito di Candia con malvagie per ponente l’anno 1431, incorre in uno orribile e spaventoso naufragio, del quale alla fine con diversi accidenti campato, arriva nella Norvegia e Svezia, regni settentrionali.
In vielerlei Hinsicht erlangten die drei Handschriften erhebliche Bedeutung, etwa fur die Fragen der venezianisch-skandinavischen Handelsbeziehungen, fur die Frage der kartographischen Kenntnisse, aber auch fur Untersuchungen zu fruhen Begegnungen von Menschen uberaus unterschiedlicher Kulturen. Auch fur die Frage der Einfugung einer solchen privaten Unternehmung in den wohlorganisierten Seehandelsraum mit seinen venezianischen Niederlassungen, den Handelsknoten Brugge, London oder Bergen, den tief in den Gesellschaften verankerten kirchlichen Netzwerken, ist fur das Verstandnis außerordentlich wichtig, denn Skandinavien gehorte gerade nicht zu diesem von mediterranen Machten mitorganisierten Raum, außer mit Blick auf die Kirche. Darin trafen die Venezianer doch gleichartige Verhaltnisse, Strukturen, Netzwerke an, eine ubergreifende Sprache und einen gemeinsamen Glauben. Alltagspraktisch spielten dabei Pilgerstatten, der Nachlass von Sunden, Reliquien und Fursorge zentrale Rollen.
Doch Skandinavien stellte eine eigenstandige Einheit dar, deren Kontakte zum Mittelmeer zwar geringer waren, erst recht die der polaren Gebiete, die aber andererseits bisher auch nur wenig beforscht wurden. Im Norden spielte der Stockfisch im geldlosen Handel (Baratto) eine zentrale Rolle, bei dem die Deutschen eine Vermittlerrolle einnahmen im Raum zwischen Bergen, England und Schottland auf der einen Seite und dem Osten Europas auf der anderen.
In der Volkskultur erlangte Querini dadurch Bekanntheit, dass er als erster Venezianer vom norwegischen Stockfisch berichtete, der als stoccafisso (getrocknet) und baccala (gesalzen) Eingang in die venezianische Kuche fand. Dabei unterscheidet man den bacala mantecato (venezianisch) vom bacala alla vicentina, wobei beide aus Stockfisch hergestellt werden. Auf der tyrrhenischen Seite Italiens hat sich der ursprungliche Name erhalten: baccala jedoch ist gesalzener, nicht getrockneter Kabeljau. Italiener in den Regionen Venetien, Ligurien, Kampanien, Kalabrien und Sizilien kaufen zwei Drittel der Stockfisch-Produktion.
Auf der Insel Sandøya wurde 1932 eine Gedenkinschrift zum 500. Jahrestag aufgestellt. Dort wird jahrlich im August das Querinifesten begangen, wobei sogar eine Oper gleichen Namens aufgefuhrt wird. Auch erschien eine Reihe von Erzahlungen.
Ubersetzungen, (Kritische) Editionen Die von Carlo Bullo 1881 herausgebrachte Schrift (s. o.) enthielt eine, wenn auch ungenaue Transkription der Handschrift von Fioravanti und Michiele. Auf Norwegisch erschien der Text Ramusios 1950. Noch im Jahr 2000 erschien eine Ausgabe, die jedoch wieder auf dem Text von Ramusio basierte.
Eine gewisse Bekanntheit erlangten die Manuskripte durch die Arbeit von Paolo Nelli, die die Uberlieferung in einer romanhaften Version in modernem Italienisch publizierte. 2008 erschien, abermals auf Ramusios Grundlage, erneut eine Fassung auf Italienisch.
Erst 1950 erschien eine Ubersetzung des Querini-Berichts ins Schwedische. Der Text Ramusios wurde partiell in einer modernen Ausgabe (ohne Fußnoten) von Mario Spagnol und Giampaolo Dossena 1959 publiziert. Auch Abhandlungen uber gastronomische Fragen im Umkreis des Stockfisches bevorzugten bis vor wenigen Jahren den Text Ramusios.
Erst Claire Judde de Lariviere brachte nicht nur eine Ubersetzung, diesmal ins Franzosische, sondern eine kritische Ausgabe heraus, die nicht auf Ramusios Text basierte. Doch eine kritische Ausgabe der drei Handschriften, basierend auf der Paduaner Dissertation von Angela Pluda, erschien erst im Jahr 2019.
Handschriften Der Bericht Querinis, verfasst in Ichform, ist in zwei Handschriften uberliefert. Die eine befindet sich in der Biblioteca Apostolica Vaticana, Vat. Lat. 5256, f. 42r–56r, die andere in der Biblioteca Nazionale Marciana, It. XI 110 7238, f. 25r–46v. Beide Handschriften bieten nur den Text und vor allem keinerlei Hinweis auf Verfasser, Ort und Zeit der Entstehung.
Den Bericht des Consigliere Cristoforo Fioravante und des Nicolo de Michiele, des Schiffsschreibers, findet man nur in einer einzigen Handschrift, namlich in der Biblioteca Nazionale Marciana, It. VII, 368 (7936). Die Handschrift von 1480 ist auf der Website der Marciana-Bibliothek einsehbar. Diese Handschrift tragt den Titel Naufragio della coca quirina und wurde von dem Florentiner Antonio di Matteo di Corrado de‘ Cardini „per lo riferire“ jenes Cristoforo Fioravante und des Nicolo de Michiele abgefasst. Auf f. 28v nennt sich wiederum der Kopist Antonio Vitturi, der diese relazione am 8. Oktober 1480 in Venedig in der contrada San Simeone geschrieben habe. Seine Vorlage wurde bisher nicht entdeckt. Die Transkription befindet sich bei Angela Pluda auf den Seiten 73 bis 87.
Sprachlich bemuhen sich die Schreiber darum, das Venezianische der Seeleute und Handler wiederzugeben.
Literatur Alberto Quartapelle: The shipwreck of the Venetian Pietro Querino at the Lofoten Islands (Norway) in 1432, in: The Journal of the Society for the History of Discoveries 57 (2025) 5–59.
Angela Pluda (Hrsg.): «Infelice e sventuratta coca Querina». I racconti originali del naufragio dei Veneziani nei mari del Nord (=Interadria. Culture dell’Adriatico, 21), Einfuhrung von Andrea Caracausi und Elena Svalduz, Viella, Rom 2019 (Edition der beiden ursprunglichen Berichte uber den Untergang der Querina, uberliefert in drei Manuskripten, davon eines im Vatikan, zwei in der Biblioteca Nazionale Marciana zu Venedig).
Francesco Surdich: Querini, Pietro, in: Dizionario Biografico degli Italiani 86 (2016).
Gabriel Zeilinger, Gerhard Fouquet: Spatmittelalterliche Nordlandfahrer - Michel Beheim (1450) und Pietro Querini (1431/32), in: Michael Engelbrecht (Hrsg.): Rund um die Meere des Nordens. Festschrift fur Hain Rebas, Heide 2008, S. 345–364.
Paolo Nelli (Hrsg.): Pietro Querini, Nicolo De Michiele, Cristofalo Fioravante, Il naufragio della Querina. Veneziani nel circolo polare artico, Editore Nutrimenti, Rom 2007 (Introduzione und Racconto di Nicolo de Michiele e Cristofalo Fioravante, nur bis S. 27 von 101). (online, PDF)
Claire Judde de Lariviere (Hrsg.): Pietro Querini, Cristoforo Fioravante et Nicolo de Michiel, Naufrages, Anacharsis, Toulouse 2005 (Ubersetzung ins Franzosische).
Weblinks Via Querinissima International Cultural Association, landerubergreifende Kulturvereinigung, gegrundet 2022
Pietro Querini, knapper Eintrag im Store norske leksikon
Anmerkungen | 
	Die Querina war ein Schiff, das 1431 auf der Fahrt von Candia, der Hauptstadt der venezianischen Kolonie Kreta, Richtung Flandern durch einen Sturm im Atlantik vom Kurs abkam. Nordlich von Irland ging die cocca Querina, gefuhrt von Piero Querini (* spatestens 1402; † nach 1448), unter. Querini hatte sich mit seiner Fracht und seinen Mannern nicht einem der Schiffskonvois (mude) angeschlossen, die die Republik Venedig ublicherweise organisierte, um mehr Sicherheit fur Besatzung, Waren und Schiffe zu erreichen, wenn sie die wichtigsten Handelszentren Europas und des Mittelmeerraums ansteuerten. Es handelte sich also um ein privat ausgestattetes Unternehmen, von dem die Quellen seltener berichten.
Die meisten der zum Zeitpunkt des Untergangs mehr als 70 Besatzungsmitglieder kamen im Atlantik ums Leben. Nur elf von ihnen und der Schiffsfuhrer Querini selbst erreichten in einem der beiden ausgesetzten Boote die Lofoten im Norden Norwegens, wahrend das andere Boot nie wieder auftauchte. Auf den Lofoten wurden die Uberlebenden von den Bewohnern einer Nachbarinsel nach Wochen zufallig entdeckt, in Sicherheit gebracht und mehr als ein Vierteljahr lang versorgt. Das dortige Leben schildern die Venezianer als eine Art unschuldiges Paradies.
Auf zwei getrennten Wegen machten sich Querini und die anderen Uberlebenden auf die Ruckreise, wobei sie sowohl auf kirchliche als auch auf Handlernetzwerke zuruckgreifen konnten. Dabei reisten sie zunachst wegen Kaperern auf der Nordsee uber Land durch Schweden und Danemark. Dann teilte sich die kleine Gruppe auf. Wahrend die einen durch das Reich nach Venedig heimkehrten, das sie im Winter 1431/1432 erreichten, fuhr Querini mit seinen Mannern zunachst nach England. Piero Querini, der durch seinen Umweg uber Cambridge und London insgesamt acht Monate brauchte, erstattete in Venedig vor dem Senat Bericht uber die Katastrophe; zwei andere Manner, darunter der Consigliere Cristoforo Fioravante und der Schiffsschreiber Nicolo de Michiele, die gleichfalls einen Bericht abfassten, gehorten der Gruppe an, die uber Rostock heimgekehrt war; sie waren bereits drei Monate fruher in Venedig eingetroffen.
Die beiden Berichte uber die Katastrophe, aber auch ihre Beobachtungen in einem in Venedig vollkommen unbekannten Gebiet, sind in Form von drei Handschriften, die in Rom und Venedig liegen, erhalten geblieben.  Zugleich gehoren sie zu den fruhesten Quellen, die uberhaupt uber die Lofoten berichten. Diese Schriften wurden ab dem 16. Jahrhundert weithin bekannt, doch eine Edition erfolgte erst 2019. Ihre Sprache ist nahe am Venezianischen der Zeit. Schon wenige Jahre spater erscheint das Schiff in einem der Atlanten. | 
	{
  "url": "https://de.wikipedia.org/wiki/Querina"
} | 
| 
	c-517 | 
	Ripaljka (kyrillisch: Рипаљка) bezeichnet eine Kaskade von Wasserfallen des Flusses Gradasnica in der Nahe von Sokobanja in Ostserbien. 
Details Die Ripaljka-Wasserfalle fallen in mehreren Stufen 40 Meter in die Tiefe. Die hochste dieser Stufen ist 11 Meter hoch und heißt Velika Ripaljka (deutsch Große Ripaljka). Unterhalb davon befindet sich ein kleinerer Wasserfall von 5 Meter Hohe (Mala Ripaljka, deutsch Kleine Ripaljka), die anderen sind 0,5 bis 2 Meter hoch, so dass sie bei uppiger Vegetation nur schwer zu sehen sind. Der Name des Wasserfalls bedeutet auf Deutsch „reißendes und springendes Wasser“. Durch die Wasserentnahme fur die Wasserversorgung der Orte Sokobanja und Ozren trocknet der Wasserfall gelegentlich im Sommer aus.
Laut Jovan Cvijic wurde die Ripaljka zu dessen Zeit als hochster Wasserfall Serbiens angesehen.
Lage Die Wasserfalle liegen unterhalb des Eingangs zum Spezialkrankenhaus von Ozren, funf Kilometer von Sokobanja entfernt. Die Gradasnica mundet unterhalb von Sokobanja in den Fluss Moravica.
Die Wasserfalle sind eine vielbesuchte Touristenattraktion und fur Pkw und Busse uber eine unbefestigte Zufahrtstraße erreichbar. Am Parkplatz oberhalb der Wasserfalle gibt es ein Restaurant. Aus Richtung Sokobanja sind die Wasserfalle auf einem Wanderweg entlang der Gradasnica zu erreichen.
Schutzstatus 1947 wurde im Bereich der Wasserfalle mit dem Bau eines Wasserkraftwerks begonnen, welches das Krankenhaus und Sokobanja mit Strom versorgen sollte. Nach Beginn der Stromversorgung im Jahr 1949 verabschiedete das Institut fur den Schutz und die wissenschaftliche Untersuchung naturlicher Raritaten in der Republik Serbien einen Beschluss zum Schutz von Velika Ripaljka und Mala Ripaljka. Um „die wissenschaftliche, asthetische und naturliche Seltenheit in diesen Regionen zu bewahren“, wurde die Beseitigung des Wasserkraftwerks bis zum 1. Mai 1950 angeordnet und verwirklicht.
Weblinks Einzelnachweise | 
	Ripaljka (kyrillisch: Рипаљка) bezeichnet eine Kaskade von Wasserfallen des Flusses Gradasnica in der Nahe von Sokobanja in Ostserbien.  | 
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  "url": "https://de.wikipedia.org/wiki/Ripaljka"
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	c-518 | 
	Das Museum Huthaus Einigkeit ist ein 1931 eroffnetes Museum in Brand-Erbisdorf im Landkreis Mittelsachsen. Anhand seiner Exponate wird der Weg des Silbererzes von seiner Entstehung bis zur Aufbereitung als verhuttungsfahiges Produkt nachgezeichnet. Seit 2019 ist das Museum Bestandteil des UNESCO-Welterbes „Montanregion Erzgebirge/Krusnohori“.
Silbergrube „Einigkeit“ Das Museum fur Bergbau und Stadtgeschichte der Stadt Brand-Erbisdorf befindet sich im 1837 errichteten Huthaus der Silbergrube „Einigkeit“ zu Brand. Die „Einigkeit Fundgrube“ war ab Mitte des 19. Jahrhunderts neben den Gruben Himmelsfurst, Vereinigt Feld und Beschert Gluck eine der vier großen Gruben im Brander Revier. Wegen der Große des Freiberger Reviers unterteilte man es von alters her in mehrere Teilreviere. Dabei war das Brander Revier, genannt nach dem seit 1515 als Gemeinde existierenden Bergflecken Brand, mit seinen ergiebigen Gruben eines der wichtigsten. Allein im 16. Jahrhundert lagen hier 340 von 716 Erz liefernden Gruben des Gesamtreviers und erbrachten 45 % des Silberausbringens.
Museumsgeschichte Nach Einstellung des Silberbergbaus 1913 fanden sich im Februar 1914 mehrere ortsansassige Burger zur Grundung eines Museumsvereins zusammen. Den Vorsitz ubernahm Oberbergrat Lange, letzter Betriebsdirektor der „Himmelsfurst Fundgrube“ und damaliger Leiter des Revierelektrizitatswerkes. Unverzuglich begann der Aufbau der Sammlung.
Bedingt durch die Zeitumstande konnte erst 1931 das Museum in den zwei ehemaligen Zimmereiraumen im Erdgeschoss des Huthauses der Grube Einigkeit eroffnet werden. In den Jahren 1997 bis 1999 wurde das gesamte Huthaus rekonstruiert. Gleichzeitig konnte die Ausstellungsflache um ein Vielfaches vergroßert werden.
Im Museum sind mit einer Polarisationsfilterbrille 3D-Fotos und Videos aus der Welt des Bergmanns zu betrachten. Das Museum zahlt durchschnittlich pro Jahr 1500 Besucher.
Sammlungen = Bergbau =
 Nebengesteine  Ein Großteil der zurzeit im Museumsfundus befindlichen 14.000 Objekte hat einen Bezug zum Silberbergbau und zum Bergbau der Nachkriegszeit (1947 bis 1969). Den Anfang macht eine kleine Sammlung der verschiedenen Nebengesteine der Erzgange im Brander Revier. Sie wurde von Prof. Wolfgang Gotte, Leiter der geologischen Untersuchungsarbeiten im Brander Revier um 1955, zusammengetragen. Mit Grauen und Roten Gneisen, Glimmerschiefer, Quarzit, Porphyr und Lamprophyr ist die Anzahl der angetroffenen Gesteine zwar klein, doch hatten diese mit ihrem Verhalten einen entscheidenden Anteil an der Ausbildung der Erzgange und deren Vererzung. Deshalb waren die Erzgange der Grube „Himmelsfurst“ stellenweise sehr reich vererzt. Das war mit ein Grund, dass diese Grube mit uber 650 Tonnen geliefertem Silber die reichste Grube Sachsens war.
 Mineralien aus dem Brander Revier  Der nachste große Sammlungsteil besteht aus Mineralien, die im Brander Revier gefunden wurden. Fast alle von den uber 100 vorkommenden Mineralien sind vertreten, wenn auch teilweise nicht in der Ausstellung zu sehen. Besonders hervorzuheben sind die funf Mineralien, fur die das Revier die Typlokalitat, also den weltweiten Erstfundort, bildet. Dabei handelt es sich um Argyrodit, Freieslebenit, Jordisit, Nakrit und Xanthokon. Im 1885 in der Grube „Himmelsfurst“ gefundenen Argyrodit entdeckte Clemens Winkler, Professor fur Chemie an der Bergakademie Freiberg, das Element Germanium. Neben den in prachtvollen Kristallen vorliegenden Mineralien sind auch viele Erze und Gangarten in derber Form als Gangstucke vertreten, um das normale Vorkommen der lokalen Mineralien zu demonstrieren und Aussagen uber die Lagerstatte zu machen.
 Gerate aus dem Bergbau  An Werkzeugen und Maschinen sind in der Sammlung alle typischen Bergmannswerkzeuge des 18. bis zum 20. Jahrhundert vertreten. Besonderheiten sind ein zweimannischer Handbohrer aus dem 18. Jahrhundert mit angeschweißter Vier-Schneiden-Krone zur Herstellung von Bohrlochern von 5 Zentimeter Durchmesser und Bergeisen, die bis 1969 in den VEB Bleierzgruben zum Spitzen von Buhnenlochern verwendet wurden. In einer kleinen Vitrine werden alle im 18. und 19. Jahrhundert benotigten Werkzeuge und Hilfsmittel zum Schießen ausgestellt, wie Zundnadel, Stopfer, Zundschnur und Lehmnudeln, sogenannte Wolger, als Besatz. Ebenfalls vertreten sind alle im 20. Jh. ublichen Hilfsmittel wie zum Beispiel Zundmaschinen und Zundkreisprufer fur das moderne Schießen in der Grube. An Markscheidegeraten sind unter anderem Maßketten im Lachtermaßstab, je ein Kompass aus dem 17. und 18. Jahrhundert und Gradbogen fur das Messen von Neigungen gegenuber der Horizontallinie aus dem 19. Jahrhundert zu sehen. An Lampen sind als altestes Exemplar die Fragmente einer Tonschalenlampe ausgestellt. Auch unter Tage gefundene Reste von Kienspanen sind zu sehen. Die alteste Froschlampe der Sammlung ist auf 1630 datiert. Daneben besitzt das Museum rund ein Dutzend Freiberger Blenden, wobei keine zwei gleich sind. Aus dem 20. Jahrhundert stammen Karbidlampen und Akkulampen.
 Fordertechnik  Die Fordertechnik wird durch mehrere verschiedene Forderkubel und -tonnen, einen Handhaspel, einen ungarischen und einen englischen Hunt und einen Erzkasten reprasentiert. Der Erzkasten stammt von der Grube „Herzog August“, wurde 1867 angefertigt als viertes von insgesamt sechs Exemplaren bei dieser Grube. Er diente dem Transport des Erzkonzentrates von der Grube zur Schmelzhutte. Er soll der letzte erhaltene Erzkasten im Erzgebirge sein.
 Erzgebirgische Bergmannskultur  Im Museum finden sich zahlreiche Zeugnisse der erzgebirgischen Bergmannskultur. Neben Paradeuniformen der Bergleute wird auch die komplette Arbeitstracht des sachsischen Silberbergmannes im 19. Jahrhundert gezeigt. Eine Besonderheit ist ein Satz russischer Horner aus Holz. Sie sind die einzigen im gesamten Erzgebirge. Eingefuhrt nach 1815 durch Oberberghauptmann von Herder, wurden sie vom Brander Bergmusikkorps bis zu seiner Auflosung gespielt. Die dazugehorigen Notensatze sind ebenfalls vorhanden. An Fahnen befinden sich im Museum unter anderem eine Fahne von 1853 des im gleichen Jahr gegrundeten „Bergmannischen Krankenunterstutzungsvereins zu Brand“ und die Fahne der Grube „Himmelsfurst“ von 1854. Die Fahne des Unterstutzungsvereins dokumentiert, dass die Bergleute in dieser Zeit sich organisierten, um ihre Versorgung im Krankheitsfalle zu verbessern. Es ist die alteste Fahne dieser Art in Deutschland. 1854 wurde von Seiten des Bergamtes Freiberg dem Wunsch der Himmelsfurster Bergleute entsprochen, bei Paraden und Aufzugen eine eigene Fahne zu fuhren, obwohl alle dortigen Bergleute zur Freiberger Knappschaft gehorten und diese eine eigene Fahne besaß.
 Bergmannische Volkskunst  Die bergmannische Volkskunst ist mit einigen hervorragenden Stucken vertreten. Das sind unter anderem Schnitzwerke des 1841 in Langenau geborenen Ernst Kaltofen. Kaltofen arbeitete bis zum 30. Lebensjahr auf der Grube „Himmelsfurst“. Aufgrund seines Konnens wechselte er in den Beruf eines Holzbildhauers. Ab 1900 selbstandig tatig, fertigte er bis zu seinem Tod 1922 viele Werke mit Bezug zum Bergbau. Besonders seine Reliefschnitzereien zeugen von seiner hohen Meisterschaft. Ein weiteres Glanzstuck ist die um 1930 von Oskar Merkel geschaffene, 140 Zentimeter hohe Bergwerkspyramide. Sie zeigt Szenen aus der Grube „Himmelsfurst“ und erinnert in ihrem Aufbau an die Schaubergwerke in Pyramidenform, die 1719 beim Saturnusfest im Plauenschen Grund bei Dresden gezeigt wurden. Die drei obersten Etagen zeigen die Bergleute bei der Arbeit, die unterste Etage zeigt eine Bergparade auf dem Marktplatz von Brand-Erbisdorf. Ein weiterer bedeutsamer Volkskunstler der Region war Ernst Muller. Von ihm stammt ein Hangeleuchter mit eingearbeiteter Bergwerkspyramide. Sie zeigt den Erzbergbau uber und unter Tage, wie Muller ihn einst erlebte. Einige kleine bergmannische Bastelarbeiten und Schnitzereien von zum Teil unbekannten Kunstlern zeigen deutlich den Bezug zur Grube „Himmelsfurst“. Abgerundet wird die Sammlung zum Bergbau durch Bergwerksmodelle und Buckelbergwerke.
= Stadt- und Industriegeschichte =
In der Ausstellung zur Stadt- und Industriegeschichte sind Zeitzeugen der vor 100 Jahren mit der Einstellung des Silberbergbaus einhergehenden Industrialisierung der Region zu sehen. Fur den sterbenden Silberbergbau wurden als Ersatz Glasfabriken, Schmiedebetriebe, Maschinenbau und Automobilherstellung angesiedelt. Einige dieser Industriezweige wie die Schmiedebetriebe bestehen noch heute und bestimmen das industrielle Profil der Stadt.
Literatur Maria Sauter: Museum in Brand-Erbisdorf feiert 2006 75-jahriges Jubilaum. in: Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins 97. Heft 2005.
Matthias Dietrich, Thomas Maruschke: Die Grube Himmelsfurst – Sachsen reichstes Silberbergwerk. Sutton Verlag Erfurt 2009.
Weblinks Museum Huthaus Einigkeit
Ausgewahlte Objekte der Sammlung auf museum-digital
Einzelnachweise | 
	Das Museum Huthaus Einigkeit ist ein 1931 eroffnetes Museum in Brand-Erbisdorf im Landkreis Mittelsachsen. Anhand seiner Exponate wird der Weg des Silbererzes von seiner Entstehung bis zur Aufbereitung als verhuttungsfahiges Produkt nachgezeichnet. Seit 2019 ist das Museum Bestandteil des UNESCO-Welterbes „Montanregion Erzgebirge/Krusnohori“. | 
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	c-519 | 
	Zum Mariengarten (mitunter auch nur Mariengarten) war der Name einer Gaststatte in Leipzig, in der 1900 der Deutsche Fußball-Bund (DFB) gegrundet wurde.
Lage und Gestalt Die Gaststatte befand sich in der Ostvorstadt in der Karlstraße 10 (seit 2001 Buttnerstraße), ehemals unweit des Hinter- oder Tauchaer Tores, eines der außeren Stadttore der Stadt. Der Name nimmt moglicherweise Bezug auf die Marienstadt, den westlichen Teil der Ostvorstadt.
Das zweistockige Gebaude im Stil des Barocks mit Mansardwalmdach stand mit der Schmalseite mit drei Fensterachsen zur Straße. Der Breitseite mit elf Fensterachsen und einem mittigen Zwerchhaus war ein Garten vorgelagert, der gastronomisch genutzt wurde. Er war vollstandig von Arkaden umgeben.
Geschichte Das Gebaude wurde um 1750 errichtet. In der ersten Halfte des 19. Jahrhunderts war es im Besitz des Juristen Christian Gottfried Hillig († 1844) und trug den Namen Hilligs Villa. Hillig muss ein passionierter Kunstsammler gewesen sein. Der Katalog zur Versteigerung seiner Kunstwerke im Jahr 1845 umfasste 1251 Positionen.
		
			
			
		
		
			
			
		
		
			
			
		
1867 wurde das Haus zum Restaurant mit großem Biergarten umgebaut. Das wichtigste Ereignis in der Geschichte der Einrichtung fand im Jahr 1900 statt. Am 28. Januar versammelten sich 36 Teilnehmer, die 86 deutsche Fußballvereine vertraten, zum Ersten Allgemeinen Deutschen Fußballtag.
Die Vertreter von 60 Vereinen beschlossen die Grundung des Deutschen Fußball-Bundes. Den Anstoß fur die Grundung hatte Johannes Kirmse (1876–1930), damals Vorsitzender des Verbands Leipziger Ballspiel-Vereine gegeben, der per Annonce in den „Deutschen Sportnachrichten“ zur Grundungsversammlung nach Leipzig einlud. Fur den Verein Leipziger BC 1893 nahm Oskar Buttner (1870–1945) teil und wurde in den Vorstand gewahlt. Als 2001 die Karlstraße wegen Namensdopplung durch Eingemeindung umbenannt werden musste, wurde sie zur Buttnerstraße.
1913 wurde das Restaurant abgerissen und im Folgejahr das Hofmeister-Haus errichtet, damals Betriebsgebaude des Friedrich Hofmeister Musikverlags, heute (Stand 2024)  Wohn- und Geschaftshaus. An diesem Haus erinnert seit Januar 2000 eine Tafel der Stadt und des DFB an dessen Grundung im Restaurant Zum Mariengarten.
Literatur Sebastian Ringel: Vom Wandel der Leipziger Vorstadte. edition uberland, Leipzig 2022, ISBN 978-3-948049-07-2, S. 135.
Weblinks Einzelnachweise | 
	Zum Mariengarten (mitunter auch nur Mariengarten) war der Name einer Gaststatte in Leipzig, in der 1900 der Deutsche Fußball-Bund (DFB) gegrundet wurde. | 
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	c-520 | 
	August Kunzek, ab 1862 Edler von Lichton (* 28. Janner 1795 in Konigsberg in Schlesien; † 31. Marz 1865 in Wien) war ein osterreichischer Physiker, Mathematiker und Hochschullehrer.
Leben und Wirken = Ausbildung =
Kunzek wurde als Sohn eines Landwirts geboren. Er besuchte die Stadtschule seines Geburtsortes Konigsberg und das Gymnasium in Troppau. Vor der Aufnahme von Fachstudien belegte er von 1815 bis 1817 zwei „philosophische Jahreskurse“ an der Universitat Olmutz, die er mit Auszeichnung abschloss. Anschließend absolvierte er zunachst ein vierjahriges Brotstudium der Rechtswissenschaften an der Universitat Wien, bevor er sich der Mathematik und Physik zuwandte. Nach dem Erlangen der philosophischen Doktorwurde im Jahr 1822 wurde er dort am 1. November 1822 als Adjunkt der Lehrkanzel fur Mathematik und Physik angestellt.
= Universitat Lemberg =
Am 6. August 1824 erhielt er einen Ruf an die Universitat Lemberg, wo er daraufhin 23 Jahre lang als ordentlicher Professor fur Physik und angewandte Mathematik tatig war und hauptsachlich auf den Gebieten der Meteorologie, Astronomie und Optik forschte. In den Jahren 1832/33 war er zudem Rektor der Universitat, ferner stand er 1827/28 und 1840/41 als Dekan der Philosophischen Fakultat vor.
1838 unternahm er mit Andreas von Ettingshausen, Professor der Physik an der Universitat Wien, und Marian Koller, dem Leiter der Sternwarte Kremsmunster, eine Forschungsreise nach Deutschland, Belgien, England und Frankreich, um sich mit bedeutenden Forschern wie Johann Gottfried Galle, John Herschel, Michael Faraday, George Biddell Airy, Simeon Denis Poisson, Alexander von Humboldt, Augustin-Louis Cauchy und Leopold von Buch auszutauschen.
Kunzek erarbeitete gemeinsam mit dem Mathematiker Ignaz Lemoch (1802–1875) Entwurfe zur Organisation der Technischen Akademie Lemberg, die bei der Errichtung derselben 1844 vornehmlich zur Verwirklichung kamen; seine Bewerbung als deren erster Direktor blieb jedoch vergeblich. Als Mitglied der Lemberger Landwirtschafts-Gesellschaft setzte er sich fur die Forderung der Agrikultur in Galizien ein. In Lemberg zahlte er zu den herausragenden Personlichkeiten der Universitat und erwarb sich den Ruf eines großen Wissenschaftsvermittlers, indem er außerordentlich gut besuchte Vorlesungen sowie offentlich zugangliche, sogenannte „populare Vortrage“ fur jedermann uber Physik und Astronomie hielt und das Physikalische Kabinett in einer wissenschaftlichen Anforderungen entsprechenden Vollstandigkeit erhielt, obwohl ihm sehr beschrankte Mittel zur Verfugung standen.
= Universitat Wien =
Am 9. Oktober 1847 wurde August Kunzek als Professor fur Physik an die Universitat Wien berufen, Aleksander Zawadzki (1798–1868) folgte ihm auf die Lemberger Lehrkanzel fur Physik. Wahrend der revolutionaren Unruhen im Marz 1848 unterbrach er seine Lehrtatigkeit, neben der er Mitglied der Prufungskommission fur Lehramtskandidaten war. Ursprunglich war er als erster Direktor des 1850 gegrundeten Physikalischen Instituts der Philosophischen Fakultat vorgesehen, doch wurde Christian Doppler mit der Leitung beauftragt. Dies hatte zur Folge, dass Kunzek das Physikalische Kabinett, welches zuvor in seiner Zustandigkeit lag, an Doppler abtreten musste. Zu seinen Wiener Schulern gehorten unter anderem Ernst Mach, Josef Stefan und Ludwig Boltzmann.
1848 wurde er zum korrespondierenden Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften ernannt, 1858 erhielt er das Ritterkreuz des Ordens vom Zahringer Lowen. Zudem war er seit 1850 im bestandigen Ausschuss der k.k. Landwirthschafts-Gesellschaft in Wien tatig. Am 19. Dezember 1862 wurde er fur seine Verdienste um Wissenschaft und Lehre mit dem Pradikat „Edler von Lichton“ in den erblandischen Adelsstand erhoben.
Kunzek starb im Alter von 70 Jahren an einer Lungenentzundung. Er wurde auf dem Sankt Marxer Friedhof beigesetzt.
= Familie =
Mit seiner Ehefrau Franziska Birschberger hatte Kunzek eine Tochter namens Amalia, die 1826 einjahrig verstarb, und den Sohn Julius (um 1828–1885), der als Bankier unter anderem Direktor der Anglo-Osterreichischen Bank war und 1877 in den Ritterstand erhoben wurde.
 Wappen  Blasonierung: In Blau ein goldener rothbezungter Lowe, in der rechten Vorderpranke einen silbernen goldengefaßten Himmelsglobus tragend und von drei goldenen Sternen, zweien oben und einem unten, begleitet. Auf dem Schilde ruht ein gekronter Turnierhelm. Die Krone des Helms tragt einen offenen blauen Adlerflug, welcher jederseits mit einem goldenen Sterne belegt ist und einen dritten einschließt. Die Helmdecken sind zu beiden Seiten blau mit Gold unterlegt.
Schriftstellerisches Werk Kunzek war als Fachschriftsteller tatig, verfasste Lehrbucher und Zeitschriftenaufsatze. In seinem Werk Die Lehre vom Lichte nach dem neuesten Zustande der Wissenschaft (1836) erklart er die zeitgenossischen Vorstellungen vom Wesen des Lichtes und zeigt die Widerspruche der Athertheorie auf. Richtete er sich zuerst noch vorwiegend an wissenschaftliche Kreise, so war sein weiteres Schaffen maßgeblich von dem Ansinnen bestimmt, seine Wissenschaft einem großeren Publikum zuganglich zu machen, was seinerzeit in der deutschsprachigen Sachliteratur ungewohnlich war. Mindestens zwei von Kunzeks Werken wurden ins Polnische ubersetzt; einer seiner Nachfolger auf der Lehrkanzel fur Physik in Lemberg, Tomasz Stanecki (1826–1891), ubersetzte sein Lehrbuch der Experimental-Physik (1851).
Die Bibliothek der Brunner Abtei St. Thomas ist im Besitz eines von Gregor Mendel mittels Randnotizen und Markierungen kommentierten Exemplars von Kunzeks Lehrbuch der Meteorologie (1850), einem wichtigen Lehrwerk uber die Taxonomie der Wolken und die Erforschung der Atmosphare mit den Mitteln der Mathematik. Dieses bot unter anderem Franz Weiling Anlass zu Erwagungen, ob Mendel in seiner Wiener Studienzeit Kunzeks meteorologische Vorlesungen besucht haben konnte. Der Inhalt der handschriftlichen Notizen Mendels in Kunzeks Lehrbuch legt nahe, dass Mendel diese vermutlich in den Jahren 1851 oder 1852 wahrend seines Wiener Studiums angefertigt hat. Sein Lehrbuch der Physik mit mathematischer Begrundung (1853) wurde vom k.k. Ministerium fur Cultus und Unterricht zum Unterrichtsgebrauch an Oberrealschulen empfohlen.
Schriften (Auswahl) Die Lehre vom Lichte nach dem neuesten Zustande der Wissenschaft. Zunachst fur das Bedurfniß gebildeter Stande. Millikowski, Lemberg 1836, doi:10.3931/e-rara-62487. 
Leichtfaßliche Vorlesungen uber Astronomie fur jene, welchen es an mathematischen Vorkenntnissen fehlt. Ignaz Klang, Wien 1842 (google.de). 
Lehrbuch der Meteorologie. 2. Auflage. Braumuller, Wien 1850 (google.de – 1. Aufl. u.d.T.: Leichtfaßliche Darstellung der Meteorologie, 1847). 
Lehrbuch der Experimental-Physik. Zum Gebrauche in Gymnasien und Realschulen, so wie zum Selbstunterrichte. Braumuller, Wien 1851 (onb.ac.at). 
Lehrbuch der Physik mit mathematischer Begrundung. Zum Gebrauche in den hoheren Schulen und zum Selbstunterrichte. Braumuller, Wien 1853 (dmg-lib.org). 
Studien aus der hoheren Physik. Braumuller, Wien 1856 (digitale-sammlungen.de). 
Literatur Nekrologe
Anton Schrotter von Kristelli: Kunzek, August Edler v. Lichton. In: Almanach der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Band 15, 1865, S. 246–251 (digitale-sammlungen.de). 
E. Rr.: August Kunzek Edler v. Lichton. In: Osterreichische Wochenschrift fur Wissenschaft und Kunst. Band 5, 1865, S. 726–730 (digitale-sammlungen.de). 
Krist: August Kunzek, Edler von Lichton. In: Archiv der Mathematik und Physik. Band 43, 1865, Literarischer Bericht CLXXII, S. 1–5 (hathitrust.org). 
Lexikonartikel
Constantin von Wurzbach: Kunzek Edler von Lichton, August. In: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. 13. Theil. Kaiserlich-konigliche Hof- und Staatsdruckerei, Wien 1865, S. 390–392 (Digitalisat).
Irena Homola: Kunzek von Lichton, August. In: Osterreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (OBL). Band 4, Verlag der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1969, S. 357.
Weblinks Einzelnachweise | 
	August Kunzek, ab 1862 Edler von Lichton (* 28. Janner 1795 in Konigsberg in Schlesien; † 31. Marz 1865 in Wien) war ein osterreichischer Physiker, Mathematiker und Hochschullehrer. | 
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	c-521 | 
	Der Postman’s Park ist ein kleiner Park in der City of London, wenige hundert Meter nordlich der St Paul’s Cathedral und in unmittelbarer Nahe zum Museum of London gelegen. Er ist vor allem fur das im Jahr 1900 eroffnete Memorial to Heroic Self-Sacrifice bekannt, das an einfache Menschen erinnert, die bei dem Versuch starben, anderen Menschen das Leben zu retten.
Geschichte des Parks Den Kern des heutigen Parks bildet der ehemalige Kirchfriedhof der Kirche St Botolph’s Aldersgate, knapp außerhalb der ehemaligen Stadtmauer gelegen. Die ursprungliche Kirche hatte den Großen Brand von London im Jahr 1666 uberstanden, wurde aber 1789 durch einen Neubau ersetzt, der – abgesehen von der Ostfassade – im Wesentlichen noch heute erhalten ist.
Unweit von St Botolph’s gab es zwei weitere Pfarrkirchen, die ehemalige Klosterkirche Christ Church Greyfriars im Sudwesten und St Leonard, Foster Lane im Suden. Die Friedhofe beider Pfarreien befanden sich allerdings nicht direkt bei der jeweiligen Kirche, sondern grenzten unmittelbar an den von St Botolph’s an. Beide Kirchen brannten 1666 nieder. Wahrend an der Stelle von Christ Church Greyfriars ein Neubau nach Planen von Christopher Wren entstand, wurde auf den Wiederaufbau von St Leonard verzichtet. Beide Pfarreien wurden zusammengelegt, behielten aber formell jeweils ihren eigenen Friedhof. Im Zweiten Weltkrieg wurde Christ Church Greyfriars mit Ausnahme des Turms bei einem deutschen Luftangriff erneut zerstort; die Ruine ist heute ein Mahnmal.
Mitte des 19. Jahrhunderts waren aufgrund des Bevolkerungswachstums in London die stadtischen Friedhofe uberfullt, und es herrschten katastrophale hygienische Zustande. Auf Grundlage eines 1832 erlassenen Bestattungsgesetzes entstanden in der Umgebung von London sieben neue große Friedhofe, genannt die Magnificent Seven. Ein weiteres Gesetz von 1852 verbot schließlich neue Bestattungen innerhalb der Stadt.
1858 beschloss die Pfarrgemeinde von St Botolph’s, den Friedhof aufzulassen und in einen offentlichen Park umzuwandeln. Ende November erschien in der London Gazette folgende Bekanntmachung:
Die Raumung und Umgestaltung des Friedhofs ging jedoch nur langsam voran, so dass der Park erst 1880 eroffnet werden konnte. 1887 wurde der Friedhof von Christ Church Greyfriars an die Gemeinde von St Botolph’s ubergeben. Auch er wurde geraumt und in den Park integriert. Zuvor mussten dort jedoch zusatzliche 1,8 Meter Erdboden aufgeschuttet werden, um das Gelandeniveau an das des Friedhofs von St Botolph’s anzugleichen. Dies war notig, da die Toten dort oftmals einfach uber den bereits fruher Bestatteten beigesetzt worden waren, ohne diese vorher zu exhumieren. Auch der Friedhof von St Leonard, Foster Lane wurde um 1,2 Meter erhoht, formell allerdings erst 1890 mit dem Park vereinigt. 1898 und 1900 wurden dann noch zwei kleine Grundstucke im Norden des Parks in diesen integriert.
Herkunft des Namens In den 1820er Jahren entstand sudostlich von St Botolph’s, auf der Ostseite der Straße St. Martins Le Grand, das neue Hauptquartier des General Post Office. 1870 wurde auf der gegenuberliegenden Straßenseite ein zusatzliches Gebaude fur die neue Telegrafenabteilung errichtet, 1890 unmittelbar nordlich davon noch ein Erweiterungsbau, der mit seiner Nordseite direkt an den Park angrenzte. Da sich die Angestellten des General Post Office in der Mittagspause gerne im nahe gelegenen Park trafen, wurde dieser schließlich Postman’s Park genannt.
Von den drei Gebauden des GPO ist heute nur noch das nordliche, unmittelbar an den Park angrenzende erhalten. Es wurde in den 1980er Jahren an die Nomura Holdings verkauft, unter Erhaltung der historischen Fassade umgebaut und ist heute als Nomura House bekannt.
Beschreibung des Parks Im Westen wird der Postman’s Park von der King Edward Street begrenzt, im Norden von der Straße Little Britain und im Osten von der Aldersgate Street bzw. St. Martins Le Grand, wobei der Namenswechsel genau auf Hohe des Parkeingangs stattfindet. Auch im Westen befindet sich ein Eingang, nicht jedoch im Norden.
Das Nomura House, das ehemalige General Post Office North, erstreckt sich uber die gesamte Sudseite sowie die Sudostecke des Areals. In der Nordostecke steht die Kirche St Botolph’s Aldersgate. Die Nordwestecke nimmt ein mehrstockiges Wohngebaude ein, an dessen Außenwand sich auch das Memorial to Heroic Self-Sacrifice befindet.
Im Park befinden sich noch etliche Uberreste der ehemaligen Friedhofe, darunter zahlreiche alte Grabsteine, die entlang der Wande der umgebenden Gebaude aufgereiht sind, ein Truhengrab sowie der Sockel eines Kreuzes und ein Springbrunnen.
In dem grabenartigen Lichtschacht zwischen Nomura House und dem Park liegt ein Teil der Sudseite der als Futtermauer genutzten romischen Stadtmauer frei, ist vom Park aus allerdings nur schwer zu sehen. Weitere Teile der Stadtmauer sowie einer mittelalterlichen Bastion sind unterirdisch erhalten.
Zu den Pflanzen, die im Park wachsen, zahlen auch eher seltene Arten wie Bananen oder der Taschentuchbaum.
Memorial to Heroic Self-Sacrifice Das Memorial to Heroic Self-Sacrifice geht auf eine Initiative des Malers und Bildhauers George Frederic Watts zuruck. Er verfolgte schon seit den 1860er Jahren die Idee, ein Denkmal fur gewohnliche Menschen zu schaffen, die anderen Menschen das Leben gerettet (oder es zumindest versucht) und dabei ihr Leben geopfert hatten, die aber in Vergessenheit zu geraten drohten.
Nach mehreren vergeblichen Anlaufen, bei denen Watts unterschiedliche Varianten und Standorte ins Auge fasste, wurde schließlich im nordwestlichen Teil des Postman’s Park ein 15 Meter langer und 2,7 Meter hoher, offener holzerner Anbau mit Ziegeldach errichtet. Darunter bot eine terrakottafarben geflieste Wand in sechs flachen Nischen Platz fur 120 Tafeln aus glasierter Keramik in funf Reihen ubereinander (je vier Tafeln pro Reihe in jeder Nische). Zum Zeitpunkt der Eroffnung am 30. Juli 1900 waren jedoch erst vier Tafeln angebracht, bis zu Watts’ Tod im Jahr 1904 kamen noch neun dazu. Bis 1931 war die Zahl auf 53 angewachsen. 2009 kam schließlich eine 54. Tafel hinzu. Sie erinnert an den 30-jahrigen Drucker Leigh Pitt, der einen neunjahrigen Jungen vor dem Ertrinken gerettet hatte und dabei selbst umgekommen war.
Auf den derzeit 54 Tafeln werden insgesamt 62 Personen genannt, davon acht Kinder, neun Frauen und 45 Manner.
Covid-19-Denkmal Nach dem Ende der COVID-19-Pandemie werden derzeit Uberlegungen angestellt, im Postman’s Park ein Denkmal fur die Mitarbeiter des National Health Service und ihren Einsatz wahrend der Pandemie zu errichten.
Denkmalschutz Das Memorial to Heroic Self Sacrifice wird in der Denkmalliste als „besonders bedeutendes Bauwerk von allgemeinem Interesse“ (Grade II*) gefuhrt.
Das ostliche Tor und der Gitterzaun, also der Eingang zum ehemaligen Kirchhof von St Botolph’s, sind als „Bauwerke von nationaler Bedeutung und speziellem Interesse“ (Grade II) eingestuft, ebenso wie eine unmittelbar außerhalb des Zauns aufgestellte Polizei-Notrufsaule.
Die Kirche St Botolph’s Aldersgate selbst fallt sogar in die hochste Kategorie „Bauwerke von außerordentlicher, teilweise internationaler Bedeutung“ (Grade I).
Die Reste der romischen Stadtmauer sowie der mittelalterlichen Bastion sind seit 1974 ebenfalls in der Denkmalliste eingetragen, allerdings noch nicht offiziell unter Schutz gestellt.
Filmische Rezeption In dem 2004 erschienenen Film Hautnah benutzt eine von Natalie Portman gespielte Person drei Jahre lang den Namen Alice Ayres. Erst spater entdeckt der von Jude Law gespielte mannliche Protagonist, dass sie diesen Namen einer der Gedenktafeln entnommen hatte.
2021 diente der Postman’s Park in dem Film Eine Handvoll Worte (The Last Letter from Your Lover) mehrfach als Ort fur eine Verabredung.
Bildergalerie Literatur John Price: Postman’s Park: G. F. Watts’s Memorial to Heroic Self-Sacrifice, Watts Gallery, Compton (Surrey) 2008, ISBN 978-0-9561022-1-8
John Price: Heroes of Postman’s Park: Heroic Self-Sacrifice in Victorian London, The History Press, 2015, ISBN 978-0-7509-5643-7
Richard Jones, Adam Wood: Edgar’s Guide to Postman’s Park, Indiana University Press, August 2022, ISBN 978-1-83823-422-5
Weblinks Mike Dash: On Heroic Self-Sacrifice: a London Park Devoted to Those Most Worth Remembering auf www.smithsonianmag.com, 19. Marz 2012
Einzelnachweise Anmerkungen | 
	Der Postman’s Park ist ein kleiner Park in der City of London, wenige hundert Meter nordlich der St Paul’s Cathedral und in unmittelbarer Nahe zum Museum of London gelegen. Er ist vor allem fur das im Jahr 1900 eroffnete Memorial to Heroic Self-Sacrifice bekannt, das an einfache Menschen erinnert, die bei dem Versuch starben, anderen Menschen das Leben zu retten. | 
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	c-522 | 
	Bridget „Biddy“ Mason (* 15. August 1818 in Hancock County, Georgia; † 15. Januar 1891 in Los Angeles) war eine US-amerikanische Hebamme, Sozialreformerin und Burgerrechtlerin. Ursprunglich in die Sklaverei geboren, erstritt sie im freien Bundesstaat Kalifornien vor Gericht die Freiheit fur sich selbst und ihre Familie. Nach ihrer Befreiung erwirtschaftete sie ein Vermogen, das sie zur reichsten schwarzen Frau westlich des Mississippi machte. In Los Angeles stiftete sie u. a. ein Waisenhaus und die First African Methodist Episcopal Church of Los Angeles. Ihr ist der Biddy Mason Memorial Park in Los Angeles gewidmet.
Leben = Sklaverei =
Biddy Mason wurde 1818 in Georgia unter dem Namen Bridget in die Sklaverei geboren. Die Namen ihrer Eltern sind unbekannt. Bereits in einem sehr jungen Alter wurde sie von ihren Eltern getrennt und verbrachte den Großteil ihrer Kindheit auf der Plantage ihres Besitzers John Smithson. Da es verboten war, Sklaven zu unterrichten, lernte sie nie lesen und schreiben, wurde allerdings in traditionell uberlieferten Heilungsmethoden, Krauterkunde und Pflege unterrichtet. Spater nutzte sie diese Kenntnisse, um eine erfolgreiche Karriere als Hebamme und Pflegerin zu beginnen.
1836 verschenkte Smithson vier seiner Sklaven anlasslich ihrer Hochzeit an seine Cousine Rebecca Smith, unter ihnen die achtzehnjahrige Biddy Mason und ihre Schwester Hannah. Die Smiths besaßen eine Plantage in Logtown, Mississippi und eigenen Angaben zufolge kummerte Mason sich um die oft krankelnde Rebecca Smith sowie deren sechs Kinder. Sowohl Mason selbst als auch ihre Schwester wurden wahrend ihrer Sklaverei sexuell ausgebeutet. Von Historikern wird ihr Besitzer Robert Smith als der Vater von Biddy Masons drei und Hannahs neun Kindern betrachtet.
Nach ihrer Konvertierung zum Mormonentum wanderten die Smiths 1848 mit ihren Sklaven und drei weiteren Familien nach Westen aus, wo auf dem Gebiet des heutigen Bundesstaates Utah neue Mormomensiedlungen entstehen sollten. Die Reise, die von Mason und den anderen Sklaven zu Fuß zuruckgelegt wurde, dauerte sieben Monate. In dieser Zeit kochte Mason fur die weißen Familien, baute die Nachtlager auf und trieb das Vieh voran, wahrend sie sich gleichzeitig um ihre beiden kleinen Tochter und ihr Neugeborenes kummerte. Nach Ende der Reise blieb sie bei den Smiths fur drei Jahre im heutigen Holladay.
1851 folgte Robert Smith der Aufforderung seines Kirchenoberhaupts, eine mormonische Siedlung in Kalifornien zu errichten, und zog mitsamt seinen Sklaven nach San Bernadino. Es ist unbekannt, ob er nicht wusste oder schlichtweg ignorierte, dass Kalifornien ein freier Staat war, wo Sklaverei verboten war. Innerhalb der funf Jahre, die sie in Smiths Haushalt in San Bernadino verbrachte, freundete Mason sich mit freien Schwarzen an, darunter die Familien Owens und Rowan, die sie ermutigten, fur ihre Freiheit zu klagen. Mit ihrer Hilfe setzte die Analphabetin Mason eine Petition fur ihre Freiheit sowie die ihrer Verwandten auf. Als Smith im Jahr 1855 nach Texas umsiedeln wollte, wo er seine Sklaven behalten konnte, umstellten die Owens und andere Freunde der Masons in den Santa Monica Mountains seinen Wagenzug und hinderten ihn am Fortkommen. Mit Hilfe des Sheriffs wurden Mason und ihre Familie zu ihrem eigenen Schutz unter Arrest gestellt, so dass Smith sie nicht gegen ihren Willen fortbringen konnte.
Vom 19. bis 21. Januar 1856 stritt Biddy Mason als offizielles Familienoberhaupt ihrer Verwandten vor Gericht fur ihre Freiheit. Der Fall erregte offentliches Aufsehen, da laut kalifornischem Gesetz Schwarze und Indianer nicht gegen Weiße als Zeugen aussagen durften. Sie hatte aus diesem Grund ihre Aussage in einem privaten Gesprach mit dem Richter Benjamin Hayes in Anwesenheit von zwei Zeugen gemacht. Dank dieser Aussagen konnte Hayes feststellen, dass Mason und ihre Verwandten aufgrund mangelnder Bildung keine informierte Zustimmung zu einer Reise in einen Sklavenstaat geben konnten. Smith argumentierte, dass die Sklaven zu seiner Familie gehorten und er somit als Familienoberhaupt rechtmaßig ihr Vormund war. Zusatzlich bestach und bedrohte er Masons Anwalt, der sich daraufhin aus dem Fall zuruckzog. Als zusatzlich herauskam, dass Smith sowohl Mason als auch ihre Schwester bedrohte und durch seinen Aufseher versucht hatte, zwei der schwarzen Kinder nach Texas zu schmuggeln, war sein Ruf so beschadigt, dass er Los Angeles verlassen musste. Biddy Mason und ihre Kinder sowie ihre Schwester und deren Kinder erhielten ihre Freiheit.
= Freiheit =
Nach der erfolgreichen Klage fur ihre Freiheit blieb Biddy Mason mit ihrer Familie auf Einladung von Robert Owens und seiner Familie in Los Angeles und nahm offiziell den Nachnamen Mason an, moglicherweise in Anlehnung an den Mormonenfuhrer Amasa Mason Lyman. Auf der Suche nach Arbeit fand sie bei dem Arzt John S. Griffin eine Anstellung als Hebamme und Pflegerin. Ihr Gehalt ermoglichte es ihr, ihren Tochtern eine Ausbildung zukommen zu lassen. Da Griffin sowohl fur das County Hospital als auch das County Jail der behandelnde Arzt war, arbeitete Mason in beiden Institutionen. Insbesondere im Gefangnis erarbeitete sie sich Anerkennung, als sie sich 1860 aufopferungsvoll um an Pocken erkrankte Insassen kummerte. Auch versorgte sie die Straflinge mit selbstgekochtem Essen.
Innerhalb der nachsten Jahre half Mason Zeitzeugen zufolge Kindern aus allen Schichten auf die Welt. Ludwig Salvator sagte uber sie: „Sie war gefragt als Hebamme und holte in dieser Eigenschaft viele Kinder der fruhen Pionierfamilien auf die Welt.“ Nach zehn Jahren hatte sie genug ihres Gehalts gespart, um in Immobilien zu investieren. Auch gaben ihr einige Patienten Grundstucke als Bezahlung. Nach und nach kaufte sie mehrere Grundstucke auf, was sie zu einer der ersten schwarzen Grundbesitzerinnen in Los Angeles machte. Als die Stadt wuchs, ruckten ihre Besitztumer in das Stadtzentrum. Durch geschickte Geschafte konnte sie ihre Grundstucke gewinnbringend verkaufen und galt kurz vor ihrem Lebensende mit einem Vermogen von 300.000 US-Dollar (heutzutage ca. 7.000.000 US-Dollar) als die reichste schwarze Frau westlich des Mississippi. Auch ermoglichte sie dadurch ihrem Enkelsohn Robert Curry Owens eine politische Karriere. Sie selbst lebte noch fur 18 Jahre nach dem Kauf in einer kleinen Mietwohnung und zog erst im Alter in eins ihrer Hauser.
Zusatzliche Bedeutung erlangte Biddy Mason durch ihr soziales Engagement in ihrer Gemeinde. Eins ihrer Besitztumer in der Spring Street nutzte sie 1872 fur die Grundung der ersten African Methodist Episcopal Church in Los Angeles, was zugleich die erste schwarze Kirche der Gemeinde war. Mason bezahlte sowohl die Grundsteuern fur den Kirchenbesitz als auch das Gehalt des Pfarrers aus eigener Tasche. Einige ihrer Grundstucke spendete sie fur Schulen, Waisen- und Krankenhauser und half bei der Einrichtung von Kindertagesstatten, um berufstatige Eltern zu entlasten. Wahrend einer Uberschwemmung in den fruhen 1880er-Jahren, als viele Menschen ihr Zuhause verloren, organisierte Biddy Mason die kostenfreie Ausgabe von Lebensmitteln an die Betroffenen und bezahlte die Rechnung dafur ebenfalls selbst. Die Times schrieb uber sie: „In den Slums der Stadt war sie als Großmama Mason bekannt und war aktiv daran beteiligt, die Armsten von Los Angeles aufzurichten.“ Ihre Nachkommen schreiben ihr den Ausspruch zu: „Wenn du deine Hand geschlossen haltst, kann nichts Gutes hineinkommen. Die offene Hand ist gesegnet, denn sie gibt im Ubermaß, selbst wenn sie empfangt.“ Ihr Haus wurde ein solcher Anlaufpunkt fur Bedurftige, dass laut der Times Masons Enkelsohn, als seine Großmutter zu alt und schwach wurde, jeden Morgen am Tor eine Schlange von Hilfesuchenden abweisen musste.
Biddy Mason starb am 15. Januar 1891 und wurde auf dem Evergreen Cemetery in Boyle Heights bestattet.
Nachkommen Wahrend ihrer Zeit als Sklavin bekam Biddy Mason drei Kinder, als deren Vater ihr Besitzer Robert Smith vermutet wird:
Ellen Mason (* 15. Oktober 1838); ∞ Charles Owens, gemeinsamer Sohn Robert Curry Owens
Ann Mason (* ca. 1844)
Harriet Mason (* ca. 1848)
Wurdigungen Der Kunstler Bernard Zakheim setzte in den 1930er-Jahren Biddy Mason in seinem Wandgemalde The History of Medicine in California an der University of California, San Francisco ein Denkmal. Sie ist zwischen den weißen Arzten John S. Griffin und Joseph Pomeroy Widney abgebildet, wahrend sie sich um einen an Malaria erkrankten Soldaten kummert.
1988 nahm das California Afro-American Museum Biddy Mason in ihre Ausstellung Black Angelenos auf. Im selben Jahr stiftete die First African Methodist Episcopal Church of Los Angeles ihr einen Grabstein, der sie als Mitbegrunderin der Kirche benennt. Ein Jahr spater wurde der Biddy Mason Park entworfen, in dem Masons Lebensgeschichte auf einer Mauer dargestellt und sie selbst mit einem Wandbild geehrt wurde. Der 16. November 1989 wurde als Biddy Mason Day gefeiert.
2012 grundeten Biddy Masons Nachkommen The Biddy Mason Foundation, die sich fur Bildung und medizinische Versorgung fur sozial Benachteiligte engagiert.
2013 grundete die First African Methodist Episcopal Church of Los Angeles die Biddy Mason Charitable Foundation. Seit 2016 ist die Stiftung eine unabhangige gemeinnutzige Einrichtung, die sich insbesondere um Pflegekinder kummert. 2020 eroffnete die Foundation das Biddy Mason Center.
Weiterfuhrende Literatur Tricia Martineau Wagner: The Open Hand: Biddy Mason. In: African American Women of the Old West. Twodot 2007, ISBN 978-0-7627-3900-4
Jean Kinney Williams: Bridget "Biddy" Mason : from slave to businesswoman. Compass Point Books 2006, ISBN 0-7565-1001-5
Jeri Ferris: With open hands : a story about Biddy Mason. Carolrhoda Books 1999, ISBN 1-57505-330-6
Weblinks Christina Carrega: Biddy Mason Helped Build Downtown Los Angeles. Her Descendants Want You To Learn More. Capital B News, 27. Februar 2024, abgerufen am 28. Februar 2024. 
Michael Livingston: Honoring the legacy and 200th birthday of slave-turned-entrepreneur Biddy Mason. Los Angeles Times, 18. August 2018, abgerufen am 13. Oktober 2023. 
(1856) Mason v. Smith (The Bridget “Biddy” Mason Case). In: African-American history. BlackPast.org, abgerufen am 13. Oktober 2023. 
Jeremy Tarr: The Story of the Former Slave Who Built a Fortune. In: 10 Incredible, Insane, and Mostly True Stories About Downtown Los Angeles. Fodors Travel, 23. Marz 2019, abgerufen am 13. Oktober 2023. 
Dolores Hayden: Biddy Mason's Los Angeles 1856-1891. In: California History Vol. 68, No. 3. JSTOR, 1989, abgerufen am 13. Oktober 2023. 
Bridget Biddy Smith Mason: Her Legacy Among the Mormons (Memento vom 8. August 2014 im Internet Archive)
Einzelnachweise | 
	Bridget „Biddy“ Mason (* 15. August 1818 in Hancock County, Georgia; † 15. Januar 1891 in Los Angeles) war eine US-amerikanische Hebamme, Sozialreformerin und Burgerrechtlerin. Ursprunglich in die Sklaverei geboren, erstritt sie im freien Bundesstaat Kalifornien vor Gericht die Freiheit fur sich selbst und ihre Familie. Nach ihrer Befreiung erwirtschaftete sie ein Vermogen, das sie zur reichsten schwarzen Frau westlich des Mississippi machte. In Los Angeles stiftete sie u. a. ein Waisenhaus und die First African Methodist Episcopal Church of Los Angeles. Ihr ist der Biddy Mason Memorial Park in Los Angeles gewidmet. | 
	{
  "url": "https://de.wikipedia.org/wiki/Biddy_Mason"
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	c-523 | 
	Cut Lip (ubersetzt schnittartig verletzte Lippe, aber auch Narbenlippe genannt) war ein Krieger der Moche, der um das Jahr 500 im Norden des heutigen Peru lebte. Außergewohnlich ist, dass sein Bildnis auf mehr als vierzig Gabelhalsflaschen abgebildet ist, die ihn von der Kindheit bis zu einem Alter von etwa Mitte dreißig darstellen.
Geschichte Der auf vielen Gefaßen dargestellte Mann bzw. Knabe wird in der Literatur behelfsmaßig Cut Lip genannt. Die Gabelhalsflasche der Sammlung Ebnother im Museum zu Allerheiligen in Schaffhausen wird auf den Zeitabschnitt „Moche IV“, 450–550 n. Chr., der sudlichen Moche datiert. Cut Lip ist an einer charakteristischen Narbe auf der linken Seite seiner Oberlippe zu identifizieren. Da er erstmals als Knabe portratiert wird, ist anzunehmen, dass er zu einer fuhrenden Familie gehorte oder „einen bestimmten Status geerbt hat“. In den Darstellungen als Teenager tragt er noch keinen Ohrschmuck. Spater wird Cut Lip als „erfahrener Krieger“ und zuletzt, im Alter von etwa Mitte dreißig, als Gefangener dargestellt. Als Krieger wird er mit rituellen Zweikampfen in Verbindung gebracht.
Der Hochschullehrer und Museumsleiter Christopher B. Donnan hat sich bei seinen Studien uber Portrats der Moche eingehend mit der Serie von Gefaßen befasst, die Cut Lip darstellen, und versucht diese in einen Zeitablauf einzuordnen. Derartige Gefaße waren im taglichen Gebrauch und wurden spater als Grabbeigaben verwandt. Die im Handel verkauften Gabelhalsflaschen konnten keinen archaologischen Fundstatten mehr zugewiesen werden.
Donnan hat auch den Begriff der „Kriegererzahlung“ (englisch warrior narrative) gepragt. Die Gabelhalsflaschen zeigen diese in ihrem Ablauf in funf Phasen. In der ersten Phase wurde der aufwandig ausgestattete Krieger mit seinen Waffen prasentiert. Es folgt die Darstellung des Kampfes oder eines zeremoniellen Duells. Dem Verlierer wurde in der dritten Phase ein Seil um den Hals gelegt, er verlor Kleidung, Waffen und Ohrschmuck. Im Kampf Getotete wurden von Geiern zerhackt. Der gefangene Krieger wurde anschließend zum Tempel gefuhrt, wo er in der vierten Phase der Erzahlung nackt und mit auf dem Rucken gefesselten Handen prasentiert wurde. „Hohepunkt“ und Abschluss der „Kriegererzahlung“ sowie wichtigstes Ritual der Staatsreligion der Moche war die Opferzeremonie, die oft als Blutopfer erfolgte. Der Leichnam wurde ebenfalls den Geiern uberlassen.
Gabelhalsflasche der Sammlung Ebnother Die Gabelhalsflasche mit dem Portrat Cut Lips wurde 1987 in Lima fur die Sammlung Marcel Ebnothers angekauft. Sie ist Teil der Dauerausstellung des Museums zu Allerheiligen (Inventarnummer Eb15-025) in Schaffhausen in der Schweiz und wird dort mit zwei weiteren Gefaßen der Moche-Kultur im Kontext von einem Portrat des Kaisers Caracalla (217 ermordet) und zwei etruskischen Votivkopfen prasentiert.
Das tonerne Gefaß ist 30,0 Zentimeter hoch, 16,5 Zentimeter breit und 19,5 Zentimeter tief. Es ist rot gebrannt, wiegt 1,216 Kilogramm und ist bemalt. Ein Riss uber dem Boden ist geklebt, der Ausguss ist gebrochen, geklebt, gekittet und retuschiert. Neben einigen punktformigen Abplatzungen ist die Bemalung des Kopfputzes hinten teilweise abgeschurft. Es zeigt Cut Lip als Jugendlichen ohne den Ohrschmuck erwachsener Manner. Dargestellt werden noch zwei weitere Narben unterhalb des rechten Nasenlochs und ein Schnitt auf der rechten Seite der Oberlippe. Der junge Mann tragt ein Kopftuch als Schmuck, das aus hellem Schlicker aufgemalt ist. Das Stirnband des Kopftuchs zeigt Schlangen mit Ohren und ausgepragten Zahnen sowie gezackte Linien als Abgrenzung. Von Cut Lip gibt es zwei weitere, sehr ahnliche Darstellungen, von denen eine vermutlich vom selben Topfer angefertigt wurde. Auch der Maler konnte derselbe gewesen sein.
Eine weitere Bemalung unter dem Kinn und entlang des Kiefers ist bei jungeren Personen nicht ublich und wurde moglicherweise lange nach der Herstellung des Gefaßes hinzugefugt. Die feine Strichzeichnung wurde nach dem Brennen des Gefaßes mit organischem Schwarzpigment aufgetragen. In ungebrannter Ausfuhrung sind solche Zeichnungen sehr empfindlich und sind oft verwischt. Die Bemalung dieser Figur umfasst parallele Linien uber einem Band mit eiformigen Darstellungen, aus denen „zoomorphe“ Kopfe (eine Form mythologischer Tiere) hervortreten. Ein weiteres Band zeigt ovale, untereinander verbundene Motive, die vertikal geteilt sind. Stand der gegenwartigen wissenschaftlichen Interpretation ist, dass die beiden Bander wahrscheinlich Insekten im Puppenstadium sowie Nectandrafruchte (bzw. Espingo-Samen) zeigen. Zentrales Element der Zeichnung sind zwei im Profil dargestellte, bewaffnete Vogelgestalten, die sich gegenuberstehen. Ihnen folgen jeweils eine Figur zoomorpher Wesen. In der Mitte der Zeichnung ist darunter die Darstellung einer Schlange uber einem Waffenbundel abgebildet, das auch eine Keule und einen Schild enthalt. Die flankierenden Motive sind verblasst und konnen nicht mehr identifiziert werden. Derartige Kieferbemalungen sind nur bei Portraitgefaßen alterer Krieger ublich und bei Darstellungen jungerer Personen eher selten.
Literatur Christopher B. Donnan: Moche Portraits from Ancient Peru. Austin 2004. S. 141–159.
Joanne Pillsbury: Gabelhalsflasche in Form eines Portratkopfs (sog. Cut Lip). In: Werner Rutishauser (Hrsg.): Moche. 1000 Jahre vor den Inka. Munchen 2023. ISBN 978-3-7774-4127-6. S. 36 f.
Belege und Anmerkungen | 
	Cut Lip (ubersetzt schnittartig verletzte Lippe, aber auch Narbenlippe genannt) war ein Krieger der Moche, der um das Jahr 500 im Norden des heutigen Peru lebte. Außergewohnlich ist, dass sein Bildnis auf mehr als vierzig Gabelhalsflaschen abgebildet ist, die ihn von der Kindheit bis zu einem Alter von etwa Mitte dreißig darstellen. | 
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	c-524 | 
	Albert Vietor (* 16. Mai 1922 in Kassel; † 26. November 1984 in Ronco sopra Ascona) war ein deutscher Manager und langjahriger Vorsitzender des Wohnungsunternehmens Neue Heimat.
Werdegang Vietor war Sohn eines Lebensmitteleinzelhandlers. Dieser verstarb, als Albert zwolf Jahre alt war. Plane, eine weiterfuhrende Schule zu besuchen, zerschlugen sich, weil Albert Vietor seiner Mutter im Lebensmittelgeschaft helfen musste. 1936 begann er eine Lehre im Lebensmittelgroßhandel. Daran schlossen sich Reichsarbeitsdienst und Wehrdienst an. Wahrend des Zweiten Weltkrieges erlitt er mehrfach Verwundungen. 1945 kehrte er aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft nach Kassel zuruck und wurde am 1. Dezember desselben Jahres Mitarbeiter der dortigen Neuen Heimat. Ebenfalls 1945 wurde er SPD-Mitglied und trat der DGB-Gewerkschaft Bau-Steine-Erden bei.
1950 wechselte er zur Neuen Heimat Hamburg, wo er am 1. Mai den Posten des Prokuristen erhielt. 1954 wurde er kaufmannischer Geschaftsfuhrer der Neuen Heimat und stieg 1958 weiter auf in die Position des stellvertretenden Vorsitzenden.
1963, nach dem uberraschenden Tod von Heinrich Plett, wurde er Vorsitzender der Neuen Heimat und lenkte den Konzern 19 Jahre lang. Unter seiner Leitung expandierte das Unternehmen in wohnungsfremde Bereiche, insbesondere in den Stadtebau, und ins Ausland. Als sich die okonomischen und politischen Bedingungen nach der Olkrise von 1973 drastisch veranderten, scheiterte diese Wachstumspolitik, der Konzern stand wegen drohender Uberschuldung bereits Ende der 1970er Jahre/Anfang der 1980er Jahre vor der Insolvenz. 
Vietor bekleidete eine Reihe von Aufsichtsratsposten, insbesondere in Gesellschaften der Neuen Heimat. Uberdies gehorte er zum Kuratorium des Instituts fur Stadtebau, Wohnungswirtschaft und Bausparwesen sowie der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Im Februar 1982 wurde ihm wegen seiner Verstrickung in die Neue-Heimat-Affare, die das Magazin Der Spiegel aufgedeckt hatte, fristlos gekundigt. Insgesamt drei Spiegel-Berichte enthullten nach und nach, dass Vietor und andere Neue-Heimat-Manager in erheblichem Umfang verdeckt Gelder in die eigene Tasche gewirtschaftet hatten. Das war einerseits uber Firmen erfolgt, die fur die Neue Heimat und teils auch ihre Mieter Dienstleistungen erbringen sollten (Gemeinschaftsantennen, Fernwarme, ein Tankstellen-Unternehmen und vor allem Grundstucksgeschafte). Andererseits hatten sich diese Manager in Berlin mit steuersparenden BGB-Gesellschaften engagiert, die dem privaten Immobilienerwerb dienten. Diese Geschafte hatten zwei Jahre zuvor die Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen, die wegen Subventionsbetrug ermittelte.
Vietors Klage gegen seine Entlassung blieb ohne Erfolg. Die Neue Heimat strengte eine Widerklage an, in ihr wurde der von Vietor zu verantwortende Schaden fur den Konzern auf uber 100 Millionen DM beziffert. Vietor zog sich ins Privatleben zuruck und starb zwei Jahre spater.
Der Neue-Heimat-Manager war wohlhabend. Zu seinem Erbe zahlten zwei Villen, eine in Wedel und eine in Ronco sopra Ascona (Schweiz), außerdem 24 Wohnungen in Hamburg und Anteile an 217 uber Steuersparmodelle finanzierten Wohnungen in Berlin.
Vietor hinterließ seine Ehefrau Gerda, mit der er seit April 1946 verheiratet gewesen war, sowie zwei Tochter. Er ruht auf dem Friedhof in Wedel.
Personlichkeit Albert Vietor galt als Genussmensch und als Gourmand. Er konnte sich gesellig, jovial, einnehmend, einfuhlend, herzlich, gutmutig und nachsichtig geben. Zu seinen Starken zahlte eine ausgepragte Kontaktfahigkeit.
Vietor zeigte zugleich Willensstarke und Durchsetzungsfahigkeit. Er fuhrte die Neue Heimat wie ein „absoluter Herrscher“. Zu seinen Spitznamen zahlte „King Albert“ beziehungsweise „Konig Albert“. Bei Bilanzpressekonferenzen duldete er keine weiteren Vorstande neben sich. Sein Vorstandskollege Wolfgang Vormbrock  beschrieb ihn  als „Mann der Quantitat“. John Siegfried Mehnert, der als Whistleblower seinen fruheren Spiegel-Kollegen wichtige Informationen zugespielt hatte, bezeichnete Vietors Agieren als geltungs- und nicht problemorientiert. 
Wahrend seiner langen Jahre an der Spitze des Wohnungsbaukonzerns versuchte Vietor stets, aus dem Schatten seines Vorgangers Heinrich Plett herauszukommen. Zugleich sah er in Walter Hesselbach seinen Rivalen, wenn es um die Fuhrungsrolle in der deutschen Gemeinwirtschaft ging. Ludwig Geigenberger, als Chef der Neue Heimat Bayern lange Jahre der „starke Mann“ im Suden, nannte das Vietors „doppelten Schneewittchen-Komplex“.
Der Historiker Peter Kramper, der die umfassendste Studie zur Neuen Heimat vorgelegt hat, sieht bei Vietor, einem Mann aus kleinen Verhaltnissen, ein „Quentchen Großenwahn“. Er fuhrt Vietors offen zur Schau gestellte Leidenschaft fur das Golfspiel, seine Freude an Auftritten vor großem Publikum und seine Villa im Kanton Tessin an.
Ehrungen Vietor erhielt dreimal offizielle Ehrungen:
1969: Bundesverdienstkreuz
1972: Großes Bundesverdienstkreuz
1972: Medaille fur treue Arbeit im Dienste des Volkes
Literatur Dirk Schubert: Wohnungen, Wohnungen und nochmals Wohnungen...Die Neue Heimat – Ein Wohnungsbaukonzern zwischen Reformambitionen und wohnungswirtschaftlichen Zwangen. In: Ullrich Schwarz (Hrsg.): Neue Heimat – das Gesicht der Bundesrepublik. Bauten und Projekte 1947 – 1985. Dolling und Galitz, Munchen & Hamburg 2019, S. 54–437, hier S. 184 f., ISBN 978-3-86218-112-4.
Weblinks Albert Vietor im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
Gut getarnt im Dickicht der Firmen, Spiegel-Artikel vom 8. Februar 1982, der den Neue-Heimat-Skandal ausloste
Einzelnachweise | 
	Albert Vietor (* 16. Mai 1922 in Kassel; † 26. November 1984 in Ronco sopra Ascona) war ein deutscher Manager und langjahriger Vorsitzender des Wohnungsunternehmens Neue Heimat. | 
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  "url": "https://de.wikipedia.org/wiki/Albert_Vietor"
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	c-525 | 
	Die Banneux-Kapelle ([banø]) Gebetsstatte Lichtenbusch, Jungfrau der Armen in Eynatten-Lichtenbusch in der Deutschsprachigen Gemeinschaft von Ostbelgien wurde 1968 an der Ecke Raerener Straße/Totleger erbaut und der Jungfrau Maria geweiht. Ihr Name steht in Bezug zum belgischen Wallfahrtsort Banneux in der Gemeinde Sprimont, dem Marienerscheinungen zugeschrieben werden.
Die Kapelle ist ein Gemeinschaftsprojekt der Burger beiderseits der Grenze des deutsch-belgischen Ortes und wird wegen der Idee eines Wirts, Bau und Unterhalt der Kapelle unter anderem durch Bußen fur offentliches Fluchen zu finanzieren, im Volksmund auch „Leck-mich-am-Arsch-Kapelle“ genannt.
Geschichte Die Initiative zum Bau der Kapelle geht auf den im Jahr 1991 verstorbenen Eynattener Pfarrer Leon Dederichs zuruck, der regelmaßig nach Banneux gepilgert war. Von dort brachte er 1967 ein geschenktes Duplikat der Muttergottesstatue mit, das er zunachst in der Gaststatte Schumacher in der Raerener Straße in Lichtenbusch deponierte. Ziel sollte jedoch sein, die Statue in einer neu zu errichtenden Kapelle offentlich aufzustellen, fur die zunachst Gelder beschafft werden mussten. Der Wirt der Gaststatte machte dazu den Vorschlag, dass jeder Gast eine Deutsche Mark oder 20 belgische Franken fur einen ausgesprochenen Fluch zahlen musste. Auf diese Weise kam genugend Geld zusammen, um den Bau der Kapelle zu verwirklichen, auch weil das Fluchen absichtlich forciert wurde. Die Dorfbewohner einigten sich darauf, die Straßenecke Totleger/Raerener Straße direkt am Rand des Gemeindewaldes und am Grenzstein der deutsch-belgischen Grenze als Standort fur die Kapelle zu wahlen, obwohl der ortliche Forster wegen der Gefahr von Waldbranden strikt vor dem Bau an diesem Platz gewarnt hatte. Trotz dieser Bedenken wurde die Kapelle genau dort erbaut und 1968 mit der offiziellen Bezeichnung „Banneux-Kapelle Gebetsstatte Lichtenbusch, Jungfrau der Armen“ eingeweiht.
Die Kapelle wurde nicht der belgischen oder deutschen Kirchengemeinde angegliedert, sondern sollte der gesamten Dorfbevolkerung gehoren. Ihre Betreuung einschließlich der Pflege der Außenanlage, des Kerzenverkaufs und der Opferstockleerung oblag der koniglichen St.-Hubertus-Schutzenbruderschaft aus Belgisch-Lichtenbusch mit ihrem im Jahr 2018 verstorbenen Prasidenten Friedel Vogel, dem Wirt des Gasthauses Schumacher und einem weiteren Burger. Nun konnten allmahlich auch weitere Geldmittel aus dem Opferstock der Kapelle aufgebracht werden, mit denen 1991 die Erweiterung um einen kleinen Antonius-Bildstock und der Bau eines Glockenturms moglich waren, die beide ein Jahr spater eingeweiht wurden. Daruber hinaus konnten mit den Einnahmen aus dem Kerzenverkauf unter anderem die „Nele und Hans Bittmann-Stiftung“ in Aachen, SOS-Kinderdorfer, der Verein Schwerkranke Kinder Aachen, das Sozialpadiatrische Zentrum in Aachen (SPZ), die Schulgemeinschaft Lichtenbusch sowie der Forderverein Palliativmedizin und die Behindertenschule Kleebach unterstutzt werden. Im Oktober 2019 wurde mit den beiden Pfarrgemeinden aus Eynatten und Lichtenbusch feierlich das 50-jahrige Bestehen der Kapelle gefeiert.
Mehrmals bewahrheitete sich die Warnung des Forsters; es kam bisher zu vier Branden, zuletzt in der Nacht vom 29. auf den 30. August 2022. Kriminaltechnische Untersuchungen ergaben keine Brandstiftung, sondern legten sich auf Funkenflug fest. Die Schaden durch den letzten Brand waren am schwersten und betrafen diesmal vor allem die Marienkapelle selbst. Vierzehn Monate dauerten der Wiederaufbau und die Sanierung der Gesamtanlage, deren Kosten sich auf rund 22.500 Euro beliefen, finanziert aus Leistungen der Feuerversicherung sowie zweckgebundenen Spenden in Hohe von rund 3.600 Euro. Am 27. Oktober 2023 weihte Pastor Peter Dries die Kapellenanlage neu ein.
Baucharakteristik Der ursprungliche Kapellenbau von 1968 ist ein schmales Gebaude aus Raerener Bruchsteinen mit einem hohen, spitzen und weit vorkragenden Satteldach. Der Eingangsbereich ist als Spitzbogen mit einer hohen Offnung mit einem metallenen Schutzgitter ausgefuhrt. Die Ruckwand hat ein gleich großes Spitzbogenfenster mit einem gelbbeschichteten Glas. Vor dem Fenster steht auf einem breiten Sockel beziehungsweise Altar, in den eine Steintafel mit der Inschrift „Jungfrau der Armen rette die Nationen“ eingelassen ist, die geschenkte Madonna aus Banneux. Die Figur wird von jahreszeitlichem Blumenschmuck flankiert; davor steht ein Opferlichtstander mit meist brennenden Kerzen. An den Innenflachen des vorstehenden Dachaufbaus sind zahlreiche Votivtafelchen und verschiedene Sinnspruche angebracht. Uber dem Eingangsbogen hangt eine Wappenscheibe der Hubertusschutzen. Rechts vom Eingang sind ein Blaustein mit der Inschrift „A.D.1968“ und darunter ein abschließbares „Kassenhauschen“ in die Wand eingelassen.
Uber einen hufthohen Steinsockel links der Marienkapelle besteht eine Verbindung zu dem Antoniusbildstock, in dessen trapezformiger Figurennische hinter einem Schutzgitter eine Statue des hl. Antonius mit dem Jesuskind auf dem Arm steht. Hinter der Figur hangt an der Wand ein Rosenkranz mit einem kleinen Holzkreuzanhanger. Im Sockel unter der Figurennische befindet sich ein weiterer Blaustein mit der Jahreszahl 1992.
Direkt im Anschluss links vom Bildstock steht der querrechteckige hohe Turm von 1992, in dessen Vorderwand reliefartig ein Kreuz eingearbeitet ist. Unter dem ebenfalls vorkragenden Satteldach befindet sich auf Vorder- und Ruckseite eine kleine spitzbogige Schalloffnung fur das Glockchen, das taglich zur Mittagszeit um 12:00 Uhr lautet.
Die Außenanlage ist gepflastert und mit einer durchlassigen Metallkette abgetrennt. Mehrere Holzbanke mit Blick auf die Kapelle laden zum Verweilen ein.
Weblinks Gunther Sander: Portrat auf wochenspiegel.be vom 10. Februar 2021
Gunther Sander: Wie mit Fluchen der Bau einer Kapelle finanziert wurde, in: Aachener Zeitung vom 31. Oktober 2023
Einzelnachweise | 
	Die Banneux-Kapelle ([banø]) Gebetsstatte Lichtenbusch, Jungfrau der Armen in Eynatten-Lichtenbusch in der Deutschsprachigen Gemeinschaft von Ostbelgien wurde 1968 an der Ecke Raerener Straße/Totleger erbaut und der Jungfrau Maria geweiht. Ihr Name steht in Bezug zum belgischen Wallfahrtsort Banneux in der Gemeinde Sprimont, dem Marienerscheinungen zugeschrieben werden.
Die Kapelle ist ein Gemeinschaftsprojekt der Burger beiderseits der Grenze des deutsch-belgischen Ortes und wird wegen der Idee eines Wirts, Bau und Unterhalt der Kapelle unter anderem durch Bußen fur offentliches Fluchen zu finanzieren, im Volksmund auch „Leck-mich-am-Arsch-Kapelle“ genannt. | 
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	c-526 | 
	Bjorn Þor Olafsson (* 16. Juni 1941 in Olafsfjorður) ist ein  ehemaliger islandischer  Skispringer und Nordischer Kombinierer. Er gehort zu den erfolgreichsten islandischen Sportlern in diesen Disziplinen. Zwischen 1965 und 1981 gewann er zehn islandische Meisterschaften im Skispringen und elf in der Kombination. Olafsson hat auch im Skilanglauf an Wettbewerben teilgenommen.
Werdegang Bjorn  debutierte 1957 bei der islandischen Meisterschaft und gewann den Wettbewerb der 15- bis 16-Jahrigen im Skispringen. 1965 gewann er seine erste Meisterschaft im Seniorenskispringen, wodurch er die Beliebtheit des Skispringens in Olafsfjorður forderte, was unter anderem zum Bau des Gullatun, einer Skisprungschanze fur Kinder, fuhrte, die als einzige Schanze Islands immer noch (Stand 2024) in Betrieb ist.
In den Jahren 1970–1981 gewann er alle Meisterschaften in der Kombination mit Ausnahme von 1973. Die meisten dieser Jahre gewann er auch im Spezialspringen. Seinen einzigen Seniorentitel im Skilanglauf gewann er 1976, als er im Team von Olafsfjorður die 3 × 10 Kilometer-Staffel gewann. Seine letzte Seniorenmeisterschaft gewann er 1981, war aber weiterhin aktiv. Nach dieser erfolgreichen Phase in den 1970er-Jahren war er immer noch ein erfolgreicher Skisportler und konnte auch mit uber 50 noch bei den islandischen Meisterschaften Medaillen holen, wobei er haufig hinter seinem Sohn den zweiten Platz belegte. Insgesamt gewann er mindestens (einige Ergebnisse sind nicht bekannt) 22 Gold-, 11 Silber- und 6 Bronzemedaillen. Bjorn Þor Olafsson nahm 1995 an den letzten islandischen Meisterschaften im Springen und in der Kombination teil. Im Jahr 2003, als bei den nordischen Disziplinen ausschließlich Langlauf auf dem Programm stand, nahm er an seiner 40. islandischen Meisterschaft teil.
Beim Skisprung der islandischen Meisterschaften in Siglufjorður 1973 wurde er von einer Windboe erfasst und sturzte, wobei er sich am Hals verletzte. Er erholte sich von der Verletzung und erlitt keine großeren bleibenden Schaden, doch viele Jahre spater erfuhr er, dass er sich bei dem Sturz drei Halswirbel gebrochen hatte.
Bjorn schaffte 1971 in Hliðarfjalli bei Akureyri mit 59,5 Metern den weitesten Sprung, der jemals in einem Wettkampf bei einer islandischen Meisterschaft gemacht wurde.
Bjorn wurde 2001 mit dem Heiðurskrossinn, der hochsten Auszeichnung des islandischen Skiverbandes, ausgezeichnet.
Sonstiges Bjorn, der auch Lehrer an der Schule in Olafsfjorður war, setzt sich auch außerhalb seiner sportlichen Karriere fur den Sport in Olafsfjorður ein und sammelte unter anderem als Mitglied des Skiclubs Spenden und veroffentlichte einen Wanderfuhrer fur die Umgebung. 
Personliches Er ist der Vater des alpinen Skifahrers Kristinn Bjornsson, der unter anderem an Olympischen Spielen teilgenommen hat, und von Olafur Bjornsson, der je siebenmal islandischer Meister im Skispringen und in der Nordischen Kombination wurde.
Literatur Rosa Margret Hunadottir: Skiðasaga Siglufjarðar (s. 89-90, 94) (Mai 2009)
Morgunblaðið: Er skiðakappinn Bjorn Þor Olafsson ekkert að fara að hætta? -Þori eg framaf held eg afram (bilag s. B2, 6. April 1994, archiviert in der Islandischen Nationalbibliothek)
Einzelnachweise | 
	Bjorn Þor Olafsson (* 16. Juni 1941 in Olafsfjorður) ist ein  ehemaliger islandischer  Skispringer und Nordischer Kombinierer. Er gehort zu den erfolgreichsten islandischen Sportlern in diesen Disziplinen. Zwischen 1965 und 1981 gewann er zehn islandische Meisterschaften im Skispringen und elf in der Kombination. Olafsson hat auch im Skilanglauf an Wettbewerben teilgenommen. | 
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  "url": "https://de.wikipedia.org/wiki/Björn_Þór_Ólafsson"
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	c-527 | 
	Die Straßenbahn Royan war eine Schmalspurbahn, die in der Hafenstadt Royan im Westen Frankreichs zunachst dem innerstadtischen Personenverkehr diente und spater in einige Vororte erweitert wurde.
Geschichte In Royan hatte die Societe Generale de Tramway de Royan (SGTR), eine Tochter der Societe Centrale des Chemins de fer et des Tramways, im Auftrag der Stadt eine Dampfstraßenbahn auf 600-mm-Spur durch die Societe Decauville erbauen und bis 1894 auch betreiben lassen. Auf den ersten Teilstrecken im Stadtgebiet verkehrten die Zuge ab 1890; der Abzweig zum Bahnhof wurde aber nur bis 1893 befahren. Zum Beginn der Badesaison 1891 erstreckte sich die Bahn nach Nordwesten bis in den Vorort Pontaillac und nach Sudosten bis Saint-Georges-de-Didonne. In der Hauptsaison verkehrten die Zuge, die vornehmlich von den zahlreichen Touristen benutzt wurden, im Halbstundentakt.
Zunachst kamen 1889 gebaute Mallet-Tenderlokomotiven mit der Achsfolge B’B (franzosisch 020-020T, englisch 0-4-4-0) und einem Leergewicht von 9,5 t zum Einsatz, die in jenem Jahr bei der Decauville-Bahn der Pariser Weltausstellung gelaufen waren. Sie trugen die Namen Kairouan, Australie und Madagascar und wurden 1892 an die Chemins de fer du Calvados weitergegeben.
Fur die sechs Kilometer lange Fortsetzung bis zur Kustengegend La Grande-Cote in der Gemeinde Saint-Palais-sur-Mer, die 1897 eroffnet wurde, erhielt die Compagnie du Tramway de La Grande-Cote a Royan eine Konzession. Von Anfang an fuhrte hier die SGTR den Betrieb und wurde ab 1903 auch Eigentumerin. Im Jahr 1905 hatte das Netz mit der Strecke La Grande-Cote–Saint Palais–Royan–Didonne, die uberwiegend an der Kuste entlangfuhrte, mit dem neuen Abzweig von Royan-Paradou zum Hafen von Saint-Georges-de-Didonne eine Lange von 15 Kilometern erreicht.
An der Station La Grande-Cote begann die 27 Kilometer lange Waldbahnstrecke des Unternehmens Tramway de Grande-Cote a Ronce-les-Bains (GCR) entlang der so genannten Cote Sauvage (Wilde Kuste). Sie war 1892 von der Forstverwaltung als Pferdebahn in Meterspur eroffnet und 1913 auf 600 mm umgespurt worden. 1925 ubernahm die SGTR den Betrieb, so dass ihr Netz nun insgesamt 42 Kilometer Lange umfasste.
1933 trat das Departement Charente-Maritime an die Stelle der Stadt Royan. Anstatt mit Waldbahnzugen wurde die Strecke ab La Grande-Cote ab 1939 mit Omnibussen bedient. Der Gesamtbetrieb, der im Zweiten Weltkrieg schwere Schaden erlitt, wurde schließlich 1945 fur den Personenverkehr und 1947/48 fur den Guterverkehr eingestellt.
Lokomotiven Normalerweise bestanden die Zuge der Dampfstraßenbahn von Royan aus einer B1’ n2t Lokomotive (Nassdampflokomotive mit zwei gekuppelten Achsen und einer Nachlaufachse) und drei offenen Wagen. Die starkeren C1’ n2t Lokomotiven konnten auch vier Wagen ziehen. Zuge mit vier Wagen waren eine Seltenheit, denn es gab nur zwei oder fur eine kurze Zeit um 1900 drei dieser Lokomotiven. Nach den zahlreichen Berichten von Kennern der Straßenbahn von Royan war von den beiden starkeren Lokomotiven eine an Spitzentagen als Reserve und mogliche Verstarkung in Pontaillac stationiert.
Die ersten Meterspur-Triebwagen (Automotrice) wurden um 1903 beschafft. Auf den 600-mm-Waldbahnstrecken wurden ab 1924 sechs benzinbetriebene Campagne-Triebwagen aus den 1910er Jahren eingesetzt, die beide 1914, nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs auf den Schmalspurbahnen der Groupe Laborie fuhren und schließlich um 1933 als leichte Triebwagen auf den Strecken der Compagnie du Chemin de Fer von Cormeilles nach Glos-sur-Risle und Montfort-sur-Risle im Departement Eure verwendet wurden.
Betrieb Entlang der Strecke gab es mehrere Wasserversorgungsstellen, an denen die seitlich an den Dampflokomotiven angebrachten Wasserkasten befullt werden konnten: Es gab jeweils einen Wasserturm mit Wasserkran an den Bahnhofen Bureau de Saint-Palais und am Casino auf dem Place des Acacias, wahrend in Pontaillac und Grande Cote nur ein einfacher Schlauch dafur verwendet wurde.
In der ersten Saison verkehrten funfzig Zuge pro Tag, die alle 15 Minuten abfuhren. Bis zum 1. Oktober 1890 wurden 160 000 Fahrgaste befordert und im darauf folgenden Jahr verdoppelte sich das Verkehrsaufkommen sogar auf 357.000 Fahrgaste.
Vorschlag zur Wiederinbetriebnahme Der Verein Les Sept Sentinelles (Die sieben Wachter) machte sich 2020 ernsthaft Gedanken, die Waldbahnstrecke neu zu verlegen und wieder in Betrieb zu nehmen. Er schlug vor, entlang der Trasse der Velodyssee eine 12 bis 13 Kilometer lange Strecke mit drei Bahnhofen und sechs Bedarfshaltestellen zu errichten: Pointe-Espagnole – Les Clones – Negrevaux – Passe Blanche – La Bouverie – Phare de Coubre – Bonne Anse – La Palmyre.
Stationen der Waldbahn und Dampfstraßenbahn Von Norden nach Suden gab es folgende Stationen mit Wasserversorgung, zweigleisige Haltestellen und eingleisige Bedarfshaltestellen (sowie in Klammern aufgelistet weitere Orientierungspunkte):
Liste der Lokomotiven Anmerkungen Literatur Henri Domengie: Les petits trains de jadis – Band 8: Ouest de la France. Editions du Cabri, Breil-sur-Roya 1990, ISBN 2-903310-87-4
Federation des Amis des Chemins de Fer Secundaires: Chemins de fer regionaux et urbains. Revue bisemestrielle, N° 139, 1977-I.
Weblinks commons:Tramway de Royan 350 Fotos der Stationen (von Nord nach Sud sortiert), der Lokomotiven und Wagen, sowie der Tickets, Dokumente und Karten
Erick Mouton: Tramway Decauville de Royan (1894–1945) (5 min langer YouTube Film)
Passion-Metrique – Les Forums de Passions Metrique et Etroite: Les Tramways de Royan. (34 Seiten, von Sud nach Nord)
Informationen auf memoire-ptittrain.com
Inventaire des Reseaux Speciaux et Particuliers: Le tramway du Parc et le tramway Decauville.
Inventaire des Reseaux Speciaux et Particuliers: Voie verte de la Coubre, La Grande Cote – Ronce-les-Bains.
Einzelnachweise | 
	Die Straßenbahn Royan war eine Schmalspurbahn, die in der Hafenstadt Royan im Westen Frankreichs zunachst dem innerstadtischen Personenverkehr diente und spater in einige Vororte erweitert wurde. | 
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	c-528 | 
	Alexander Spotswood (* 1676 in Tanger; † 7. Juni 1740 in Annapolis) war ein britisch-amerikanischer Politiker. Er war von 1710 bis 1722 Gouverneur der Kolonie Virginia.
Leben Spotswood wurde 1676 als Sohn von Robert Spotswood in Tanger geboren. Die Stadt befand sich zwischen 1661 und 1684 unter englischer Herrschaft und galt als Teil des britischen Weltreiches. Sein Vater war der Militararzt der englischen Garnison und Leibarzt des einflussreichen schottischen Adligen und Politikers John Middleton, 1. Earl of Middleton, der als Gouverneur von Tanger diente.
Spotswood kehrte 1683 nach England zuruck, begann 1693 seine Karriere im Militar und stieg wahrend des Spanischen Erbfolgekriegs zum Lieutenant Colonel auf. In der Militarzeit knupfte er Freundschaften mit verschiedenen hochrangigen Politikern und Generalen wie John Churchill, 1. Duke of Marlborough, und George Hamilton, 1. Earl of Orkney, dem Gouverneur der Colony of Virginia. Diese verhalfen ihm zum Posten des stellvertretenden Gouverneurs der Kolonie. Da Orkney – wie damals ublich – die Kolonie selbst nie besuchte und auch nicht verwaltete, war Spotswood eigentlicher Gouverneur der Kolonie.
Mit Spotswoods Ankunft endeten vier Jahre Selbstherrschaft durch den Gouverneursrat der Kolonie. Spotswood versuchte in seiner Amtszeit, viele der okonomischen und militarischen Fragen Virginias zu losen und die konigliche Autoritat in der Neuen Welt zu starken; als Gouverneur fehlten ihm dazu jedoch viele der notigen Befugnisse. Besonders das alteingesessene House of Burgesses stand ihm dabei im Weg. Ein Beispiel ist der von Spotswood durchgesetzte Tobacco Inspection Act of 1713, gemaß dem jede Tabakpflanze vor dem Export kontrolliert werden musste. So sollte das Angebot verringert, die Qualitat gesteigert und der Preis erhoht werden. Den Posten des Inspektors gestaltete Spotswood sehr lukrativ und verlieh ihn einigen Burgesses. Das Gesetz war bei der virginischen Bevolkerung jedoch unpopular. Die erhoffte Preissteigerung trat nicht direkt ein; zudem empfanden die Pflanzer diese Kontrollen als eine zu hohe Last und Zumutung. Fast alle Burgesses, denen Spotswood ein Amt als Inspekteur verliehen hatte, verloren in der nachsten Wahl ihr Mandat.
Gegenuber Bedrohungen auf See, insbesondere durch Freibeuter, die dem Uberseehandel der Zeit empfindlichen Schaden zufugten, zeigte er sich verteidigungsfahig. So entsandte er Kapitan Robert Maynard gegen Blackbeard. Ihm gelang es, den beruchtigten Piraten zu toten. Im Tuscarora-Krieg gewahrte er der Province of North Carolina militarische Hilfe. Mit dem Indian Trade Act of 1714 raumte er der Virginia Indian Company ein Handelsmonopol mit den Indianern sudlich des James River ein, um illegalem Handel einen Riegel vorzuschieben. Diese Vereinbarung beinhaltete auch die Kostenubernahme seitens der Indianer fur den Schutz der Kolonisten vor deren Angriffen. Auch dieses Gesetz stieß bei den Pflanzern auf Unmut, die bereits privat in den Handel mit den Indianern investiert hatten. 
Des Weiteren fuhrte Spotswood den Georgianischen Baustil in Virginia ein.
Spotswoods Amtszeit wurde weiter von den immerwahrenden Konflikten mit den Burgesses gepragt. Seine Versuche, sie zu umgehen und eigenhandig Richter und Priester zu ernennen, scheiterten. Die Pflanzer erreichten in London sogar die Abschaffung des Tobacco Inspection Act und des Indian Trade Act. 1720 waren beide Seiten jedoch bei einer Art Modus Vivendi angekommen. Spotswood erhielt Konzessionen fur zehntausende Acres Land in Virginia, wodurch er praktisch gesehen selbst zum Großgrundbesitzer und Pflanzer wurde. Dennoch wurde er nur zwei Jahre spater von Hugh Drysdale als Gouverneur ersetzt. Die Grunde hierfur sind nicht ganz klar; vermutlich hatte die stete Kritik der Burgesses eine Rolle gespielt. Mit einem so großen Land-grant hatte Spotswood auch gegen die Regulierungen des Board of Trade verstoßen. Spotswoods Amtszeit und Absetzung gilt als ein Beispiel fur die Macht, die die lokale Pflanzerelite in Virginia entfalten konnte.
Daraufhin siedelte Spotswood in der von ihm mitgegrundeten Siedlung Germanna, wo er ein stattliches Anwesen errichten ließ. Im Gegensatz zu den meisten Pflanzern setzte er weniger auf den Tabakanbau und mehr auf die Produktion von Eisen, das er primar nach England exportierte. Er gilt daher als ein Pionier der Industriellen Revolution in Amerika, obwohl dieses Phanomen erst einige Jahrzehnte spater stattfand. Hierzu bediente er sich ebenso wie seine Zeitgenossen der Sklaverei. Von 1724 bis 1729 klarte er in England die Rechtmaßigkeit seines Land-grants und seine Steuerlage auf. 1730 wurde er fur eine Amtszeit von zehn Jahren zum stellvertretenden Postmaster General fur Nordamerika ernannt. Als dieser ernannte er Benjamin Franklin 1737 zum Postmaster. Nachdem 1739 der War of Jenkins’ Ear mit dem Konigreich Spanien ausgebrochen war, trat er als Brigadier General wieder in die Armee ein, starb jedoch bereits 1740 nach kurzer Krankheit, ohne an Kampfhandlungen beteiligt gewesen zu sein.
Er heiratete 1724 Anne Butler Brayne, mit der er zwei Sohne und zwei Tochter hatte. Nach ihm wurde das Spotsylvania County benannt.
Literatur Bruce P. Lenman: Spotswood, Alexander. In: American National Biography. Oxford University Press, abgerufen am 1. Marz 2024 (englisch, Zugriff beschrankt). 
Weblinks Alexander Spotswood in der Datenbank Find a Grave, abgerufen am 1. Marz 2024. 
Randall Shrock: Alexander Spotswood (1676–1740). In: Encyclopedia Virginia. Virginia Humanities, abgerufen am 1. Marz 2024. | 
	Alexander Spotswood (* 1676 in Tanger; † 7. Juni 1740 in Annapolis) war ein britisch-amerikanischer Politiker. Er war von 1710 bis 1722 Gouverneur der Kolonie Virginia. | 
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	c-529 | 
	Kate Anna ter Horst-Arriens (* 6. Juli 1906 in Amsterdam; † 21. Februar 1992 in Oosterbeek) war eine Niederlanderin, die aufgrund ihrer Betreuung britischer Verwundeter wahrend der Schlacht um Arnheim als „Engel von Arnheim“ bekannt wurde.
Leben Kate Arriens war eine Tochter von Catharina Hillegonda Maingay (1875–1965) und Pieter Albert Arriens (1873–1940), Direktor der Hollandse Stoomboot Maatschappij. Sie hatte einen alteren Bruder und eine altere Schwester. Kate Arriens besuchte ein Jahr lang die School voor Kunstnijverheid (Kunstgewerbeschule) in Amsterdam. Sie begann 1925 ein Franzosischstudium an der Universiteit van Amsterdam und wurde Mitglied der Amsterdamsche Vrouwelijke Studenten Vereniging (AVSV).
An der Universitat lernte sie den Jurastudenten Jan ter Horst (1905–2003) kennen, den sie am 12. September 1930 in Hilversum heiratete. Das Paar ließ sich in Rotterdam nieder, wo Kate ter Horst, die zwischenzeitlich mit der anthroposophischen Lebensphilosophie in Kontakt gekommen war, einen anthroposophischen Kindergarten grundete. 1933 wurde ihre Tochter Wendela Maria geboren, 1934 ihr Sohn Pieter „Peik“ Albert. Die Familie zog 1936 nach Arnheim, wo Jan ter Horst Partner einer Anwaltskanzlei wurde und die Kinder Sophie Catharina und Michiel Willem zur Welt kamen. Wahrend der Besetzung der Niederlande kauften sie 1941 das ehemalige Pfarrhaus mit vierzehn Zimmern der protestantischen Oude Kerk am Benedendorpseweg 136 in Oosterbeek und zogen aufs Land. Der Sohn Arend Christoffel wurde 1943 dort geboren. In Oosterbeek war vom Krieg weniger zu spuren als in der Stadt, zumal die Familie sich aus ihrem Garten mit Gemuse und Obst versorgen konnte.
= Wahrend des Krieges =
Am Sonntag, den 17. September 1944, begann die sogenannte Schlacht um Arnheim, bei der die Briten im Rahmen der Operation Market Garden versuchten, die Brucke uber den Niederrhein in Arnheim (die heutige John-Frost-Brucke) zu erobern. Am darauffolgenden Tag wurde Kate ter Horst von Kapitan Randall Martin, einem britischen Armeearzt, um die Erlaubnis gebeten, in der Waschkuche ihres Hauses einen kleinen Erste-Hilfe-Posten fur leichtverletzte Soldaten einzurichten. Das Haus wurde dann von englischen Soldaten als Hilfsposten fur das Rote Kreuz genutzt, die davon ausgingen, dass die Befreiung kurz bevorstunde und es deshalb nur noch wenige Verletzte geben wurde. Als die Bruckeneroberung scheiterte, zogen sich etwa 3.000 britische Soldaten nach großen Verlusten am 19. September nach Oosterbeek zuruck, das die Deutschen daraufhin unter schweren Beschuss nahmen. Im Haus hielt sich Kate ter Horst mit ihren funf Kindern und der Haushalterin Nel auf. Ihr Mann hatte eine englische Patrouille gefuhrt und konnte nicht mehr nach Hause zuruckkehren, weil Oosterbeek von der deutschen Armee umzingelt und abgeriegelt worden war. Acht Tage lang kam es in der Umgebung des Pfarrhauses und der Kirche am Benedendorpsweg 134 zu heftigen Kampfen. Kirche und Pfarrhaus dienten den Alliierten als einer ihrer Sammelpunkte, bevor sie sich uber den nahegelegenen Rhein zuruckzogen. Beide Gebaude wurden bei den Kampfen stark beschadigt.
Wahrend dieser Zeit zog Kate ter Horst mit den Kindern und Nel in den Keller, um Platz fur die wachsende Zahl von Verletzten zu schaffen und der Familie den Anblick der Sterbenden und Verwundeten zu ersparen. Zudem wurde das Haus beschossen. Manche der im Haus untergebrachten alliierten Soldaten wurden durch Granatsplitter und Kugeln verwundet oder getotet. In ihrem Haus wurden zwischen 250 und 300 verwundete britische Soldaten versorgt, die dicht gedrangt in allen Zimmern, im Flur und dem Wintergarten lagen, nachdem die Mobel hinausgeschafft worden waren. Kate ter Horst stellte alles, was sich als Verbandmaterial eignete, zur Verfugung, außerdem ihre Vorrate an eingekochtem Essen und Saften, als das Wasser abgestellt wurde, sowie ihren gesamten Hausrat. Sie half bei der Versorgung der Verletzten, blieb bei den Sterbenden und las fur alle den Trost-Psalm 91 aus der King-James-Bibel. Als am 26. September Oosterbeek in deutsche Hande fiel, musste sie auf Anweisung der deutschen Armee mit den Kindern das schwer beschadigte Haus verlassen, in dem noch Dutzende Verwundete lagen. Sie ging mit ihren Kindern uber Apeldoorn zu einer befreundeten Bauernfamilie in Friesland, wo sie sich mit ihrem Mann wiedertraf. Ende September 1944 begrub Jan ter Horst 57 Soldaten auf dem Kirchengelande, die im und um das Haus gestorben waren.
= Nach dem Krieg =
Nach dem Krieg kehrte die Familie ter Horst in ihr Haus nach Oosterbeek zuruck. Sie ließen im Garten ein Denkmal mit der Darstellung des fallenden Pegasus errichten und uber der Eingangstur des Pfarrhauses einen Fassadenstein mit einem Phonix anbringen, die beide von dem Bildhauer Pieter Starreveld entworfen worden waren. Jan ter Horst wurde kommissarischer Burgermeister der Gemeinde Renkum, zu der Oosterbeek gehort. Im November 1947 starben ihr Sohn Peik und dessen Freund, als Peik auf der Wiese hinter ihrem Haus auf eine zuruckgelassene Landmine trat. Im Jahr 1950 wurde der Sohn Kees Arjen geboren. Kate ter Horst war noch immer an anthroposophischen Ideen interessiert und grundete eine Reihe von Initiativen in Arnheim.
In den Nachkriegsjahren beteiligten sich Kate und Jan ter Horst unter anderem an der Gestaltung des Arnhem Oosterbeek War Cemetery und der Errichtung des Kriegerdenkmals in Oosterbeek, nahmen an den jahrlichen Gedenkfeiern in Oosterbeek teil und empfingen regelmaßig Besuch von Soldaten, die wahrend des Krieges im Pfarrhaus betreut worden waren. Kate ter Horst korrespondierte mit vielen von ihnen noch jahrelang. Von den alliierten Soldaten wurde sie „The Angel of Arnhem“ (Der Engel von Arnheim) genannt, eine Ehre, von der sie selbst nichts wissen wollte. 1980 wurde sie vom britischen Botschafter Sir John Taylor mit der „King’s Medal for Courage in the Cause of Freedom“ ausgezeichnet und sie und ihr Mann wurden als „Member of the Order of the British Empire“ (MBE) geehrt. 1980 schrieb sie das Buch Pelgrimspaden langs goed en kwaad (Pilgerwege entlang von Gut und Bose) uber die Basilika St. Andoche in Saulieu, herausgegeben vom anthroposophischen Verlag „Vrij Geestesleven“. Das Buch wurde zwei Jahre spater ins Deutsche ubersetzt.
1992 wurde das Ehepaar ter Horst auf dem Gehweg vor ihrem Haus von einem Auto angefahren. Kate ter Horst starb an ihren Verletzungen, ihr Mann uberlebte den Unfall schwer verletzt. Zur feierlichen Einascherungszeremonie am 24. Februar 1992 reisten viele britische Veteranen und Wurdentrager an.
Bucher und Filme Kate ter Horst veroffentlichte 1946 ihre Tagebucheintrage aus der Kriegszeit von 1944 unter dem Titel Niet tevergeefs, een bundel oorlogsherinneringen uit de regio (zu Deutsch etwa: Nicht vergebens. Eine Sammlung von Kriegserinnerungen aus der Region). 1959 erschien die englische Ubersetzung unter dem Titel Cloud over Arnhem. In spateren Jahren erschienen zahlreiche von Historikern und Journalisten verfasste Bucher zur „Schlacht um Arnheim“, die ausfuhrliche Schilderungen von Kate ter Horsts Einsatz fur die britischen Soldaten enthalten.
In dem Schwarz-Weiß-Dokudrama Theirs is the Glory uber die 1st Airborne Division, das 1945 in den Ruinen von Arnheim gedreht wurde, spielte sie ihre Psalmlesung nach.
Fur den 1977 erschienenen Film Brucke von Arnheim (Originaltitel: A Bridge Too Far) sprach Kate ter Horst die Eingangssequenz. Liv Ullmann spielte die Rolle der Kate ter Horst.
Weblinks Fernie Maas: Arriens, Kate Anne (1906–1992). In: Digitaal Vrouwenlexicon van Nederland. Huygens-Institut fur die Geschichte der Niederlande (Hrsg.)
Einzelnachweise | 
	Kate Anna ter Horst-Arriens (* 6. Juli 1906 in Amsterdam; † 21. Februar 1992 in Oosterbeek) war eine Niederlanderin, die aufgrund ihrer Betreuung britischer Verwundeter wahrend der Schlacht um Arnheim als „Engel von Arnheim“ bekannt wurde. | 
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	c-530 | 
	Andreas Christian Dedekind (* 26. Marz 1658 in Sankt Andreasberg; begraben 21. September 1706 in Eisenach) war ein deutscher Kantor und Komponist.
Leben Dedekind war der Sohn des Schulrektors in Sankt Andreasberg Andreas Dedekind (1608–ca. 1678; Sohn des Henning Dedekind) und der Magdalena Dedekind (geb. Hammer, ca. 1647–ca. 1690). Er war Schuler in Freiberg und studierte zwischen 1675 und 1683 an der Universitat Leipzig. Danach ging er wohl zu seinem Cousin Constantin Christian Dedekind nach Dresden, der damals dort als Steuerkassierer tatig war. Anschließend ging er zu seinem Bruder, dem Advokaten und Burgermeister Johann Melchior Dedekind (1647–1700), nach Oschatz, wo er Konrektor wurde. Ab 1687 war er als Tertius und Subkonrektor in Arnstadt tatig, dort heiratete er Clara Maria geb. Keul, eine Tochter des Arnstadter Burgermeisters Caspar Keul. Auch veroffentlichte er 1689 ein Gedicht anlasslich der dritten Vermahlung des Theologen Johann Gottfried Olearius. Danach wirkte er ab 1690 bis zu seinem Tod als Kantor in der St. Georgenkirche in Eisenach.
Zu den Dienstpflichten des Kantors gehorte auch der Unterricht an der Lateinschule zu St. Georg als Quartus. Dedekind galt als der zu dieser Zeit fahigste Lehrer der Schule. Das Repertoire des Schulchors bestand neben traditionellen Chorwerken von Walter, Musa, Josquin, Isaac, Stoltzer, Renerus, Senfl und Obrecht aus einem Kantoreibuch, das Wolfgang Zeuner ein Jahrhundert zuvor angelegt hatte. Außerdem durfte das Gothaer Cantionale sacrum (1646) eine der musikalischen Hauptquellen gewesen sein.
Johann Sebastian Bach wurde 1693 (unter Uberspringung der Sexta) gleich in die Quinta dieser Schule aufgenommen; in der Quarta war Dedekind dann sein Lehrer. Außerdem sang Bach in dem von Dedekind geleiteten Schulchor, dem Chorus symphoniacus. Dedekind hatte bald nach seinem Zuzug nach Eisenach eine enge Freundschaft mit der Familie des Stadtpfeifers Johann Ambrosius Bach, Johann Sebastians Vater, entwickelt. Im Oktober 1694 berichtete Dedekind, gemeinsam mit Johann Pachelbel, Johann Ambrosius Bach und dessen Vetter Johann Veit Hoffmann in Ohrdruf bei einer Hochzeit musiziert zu haben. Es wird allgemein angenommen, dass es sich dabei um die Hochzeit von Johann Ambrosius’ altestem Sohn Johann Christoph Bach handelte. Moglicherweise vermittelte Dedekind nach dem Tod von Johann Sebastians Mutter die Wiederverheiratung des Vaters mit seiner Schwagerin, der zweifach verwitweten Barbara Margaretha Bartholomaei (geb. Keul), die in erster Ehe schon mit Johann Gunther Bach verheiratet gewesen war. Jedenfalls stand Dedekind Barbara Margaretha nach dem Tod ihres Mannes bei und formulierte am 4. Marz 1695 fur die Witwe, da diese als Frau damals nicht fur sich sprechen konnte, ein Gesuch an den Rat der Stadt (Johann Ambrosius Bach war Hof- und Stadtmusikus in Eisenach) auf ein Gnadenhalbjahr, das allerdings nur zur Halfte bewilligt wurde. Dedekind war in dieser Zeit auch Vormund fur den minderjahrigen Johann Sebastian. Er half auch beim Verkauf des Bachschen Hauses in der Fleischgaße (jetzt vermutlich Lutherstraße 35; nicht erhalten) in Eisenach, in welchem Johann Sebastian Bach geboren worden war. Barbara Margaretha soll danach mit den Tochtern aus ihren ersten beiden Ehen wieder nach Arnstadt gezogen sein, danach verliert sich ihre Spur. Als Nachfolger fur Johann Ambrosius Bach empfahl Dedekind dem Rat den Stadtpfeiffer Hoffmann aus Ohrdruf. 
An der Eisenacher Lateinschule sang vermutlich auch der spatere Komponist Ernst Christian Hesse unter Dedekind im Schulchor.
Dedekind komponierte diverse Kasualmusiken. 1692 veranstaltete er eine „Abend- und Balet-Music“ fur den Geheimen Rat Moritz Gerhard von Lilienheim, an der auch der Organist der Georgenkirche Johann Christoph Bach beteiligt war. Aus dem Jahr 1695 ist eine von ihm komponierte Festmusik fur den Herzog Johann Georg II. nachweisbar, 1696 eine Fruh-Musik zum Geburtstag von dessen Gattin Sophie Charlotte. Fur das Jahr 1702 ist eine von ihm komponierte Trauermusik aktenkundig. Diese Werke sind nur durch Textdrucke oder Aktennotizen bekannt, auffuhrbares Notenmaterial ist nicht nachgewiesen.
Gemeinsam mit dem Organisten Johann Christoph Bach wandte sich Dedekind Anfang 1692 mit der Bitte um Besoldungserhohung an das Oberkonsistorium und den Herzog, die aber vom Rat der Stadt rigoros abgelehnt wurde. Da Dedekind durch Hofveranderungen und den Tod von Herzog Johann Georg unrichtige Besoldung und andere Nachteile erlitt, bewarb er sich 1699 als Nachfolger des verstorbenen Kantors Joachim Spanius nach Freiberg, unterlag jedoch gegen Johann Samuel Beyer.
Der Komponist Johann Ludwig Bach bewarb sich nach dem Tod Dedekinds im Oktober 1706 vergeblich um dessen Kantorenstelle. Sein Nachfolger als Kantor wurde Johann Konrad Geisthirt (1672–1734).
Literatur Fritz Rollberg: Johann Ambrosius Bach, Stadtpfeifer in Eisenach 1671–1695. In: Bach-Jahrbuch 24, 1927, S. 133–152, hier S. 151 f.; DOI:10.13141/bjb.v19272475.
Charles Sanford Terry: Johann Sebastian Bach. Insel, Leipzig 1935, S. 30; eingeschrankte Vorschau in der Google-Buchsuche.
Martin Petzoldt: „Ut probus & doctus reddar.“ Zum Anteil der Theologie bei der Schulausbildung Johann Sebastian Bachs in Eisenach, Ohrdruf und Luneburg. In: Bach-Jahrbuch 71, 1985, S. 7–42; DOI:10.13141/bjb.v19852089.
Claus Oefner: Eisenach zur Zeit des jungen Bach. In: Bach-Jahrbuch 71, 1985, S. 43–54; DOI:10.13141/bjb.v19852090.
Rainer Kaiser: Johann Sebastian Bach als Schuler einer „deutschen Schule“ in Eisenach? In: Bach-Jahrbuch 80, 1994, S. 177–184; DOI:10.13141/bjb.v19941169.
Martin Petzoldt: Bach in theologischer Interaktion. Personlichkeiten in seinem beruflichen Umfeld. In: Christoph Wolff (Hrsg.): Uber Leben, Kunst und Kunstwerke. Aspekte musikalischer Biographie : Johann Sebastian Bach im Zentrum. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 1999, ISBN 3-374-01766-5, S. 133–159, hier: S. 137.
Christoph Wolff: Johann Sebastian Bach. Fischer, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-596-16739-6, S. 21, 26–29, 37, 42, 47.
Weblinks Dedekind bei www.thueringer-komponisten.de
Andreas Christian Dedekind. In: Deutsche Biographie (Index-Eintrag).
Druckschriften von und uber Andreas Christian Dedekind im VD 17.
Andreas Christian Dedekind. Informationen im Portal Bach digital des Bach-Archivs Leipzig
Einzelnachweise | 
	Andreas Christian Dedekind (* 26. Marz 1658 in Sankt Andreasberg; begraben 21. September 1706 in Eisenach) war ein deutscher Kantor und Komponist. | 
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	c-531 | 
	Die holzerne Artikularkirche von Svaty Kriz ist ein evangelisches Kirchengebaude im nordslowakischen Ort Svaty Kriz im Okres Liptovsky Mikulas. Sie ist eine von funf verbliebenen holzernen Artikularkirchen (slowakisch Artikularne kostoly) der Slowakei. Die Kirche steht sudlich von Svaty Kriz und westlich von Lazisko auf einer Anhohe auf der linken Seite der Paludzanka. Ursprunglich stand sie etwa funf Kilometer weiter nordlich, auf einem Hang sudlich des Ortskerns von Paludza. Nach Uberflutung von Paludza durch einen in den 1970er Jahren entstandenen Stausee nach dem Bau der Talsperre Liptovska Mara wurde sie an den heutigen Standort transloziert.
Entstehungsgeschichte Bereits seit der Mitte des 16. Jahrhunderts hatte sich im Zuge der Reformation eine starke evangelisch-lutherische Gemeinde in der Region gebildet, als landadlige Familien wie Platy, Okolicsanyi, Luby und Pongracz zum evangelischen Glauben wechselten. Im 17. Jahrhundert versuchten die Habsburger die Protestanten durch die Gegenreformation zuruckzudrangen, was zu mehreren Aufstanden fuhrte. Im Zusammenhang mit der Niederschlagung der Magnatenverschworung 1671 wurden hunderte evangelische Gotteshauser zerstort.
Gemaß den Artikeln 25 und 26 der beim Odenburger Landtag von 1681 erlassenen Beschlusse durften im Konigreich Ungarn evangelische Christen wieder Kirchen errichten. Fur diese sogenannten Artikularkirchen bestimmte die katholische Obrigkeit den Standort. Es wurden hochstens zwei Kirchen pro Komitat sowie eine fur jede konigliche Freistadt erlaubt. Im damaligen Komitat Liptau entstand eine Kirche in Hybe fur die Oberliptau, die 1822–1826 durch eine Toleranzkirche ersetzt wurde, und eine zweite in Paludza fur die Unter- und Mittelliptau. Dafur wahlte die zustandige Kommission 1688 einen Standort auf einem Grundstuck außerhalb von Paludza mit dem Flurnamen Certovisko, den die evangelische Gemeinde wahrscheinlich aufgrund des problematischen Charakters des Grundstucks und womoglich auch wegen des Namens (slowakisch cert = Teufel) ablehnte. Schließlich schenkte der Gutsherr Franz Platy ein Grundstuck fur die neue holzerne Kirche, die 1693 errichtet wurde (Lage). Es ist keine Abbildung dieser Kirche bekannt; sie war turmlos und hatte auch keinen Glockenturm.
Diese 1693 gebaute Kirche wurde im Laufe der Zeit zu klein fur die ortliche evangelische Gemeinde. 1769 bat die Gemeinde uber zustandige Komitatsbehorden um die Erlaubnis, die Kirche zu sanieren und zu erweitern. Im Januar 1770 wurde das Vorhaben vom kaiserlichen Hof in Wien gestattet. Wegen Geldmangel konnte der Umbau aber zunachst nicht eingeleitet werden. Im Sommer 1773 begannen Arbeiten zur Erweiterung der alten Kirche, doch 1774 entschied sich die Gemeinde, eine neue Kirche zu bauen. Zu diesem Zweck schloss sie am 5. Marz 1774 mit dem Zimmermeister Josef Lang einen Vertrag uber den Bau der neuen Kirche, mit einer Vergutung von 600 Gulden. Vorbild fur den Bau waren hochstwahrscheinlich die bestehenden Artikularkirchen in Kezmarok (deutsch Kesmark) und in Hybe. Lang begann mit dem ostlichen Teil der neuen Kirche, so dass die alte Holzkirche im westlichen Teil weiter genutzt werden konnte, der erst in einer zweiten Bauetappe dem Neubau wich. Obwohl Lang weder lesen noch schreiben konnte und bei der Arbeit ausschließlich auf seine Erfahrungen angewiesen war, konnte er zusammen mit Gesellen den Bau in acht Monaten fertigstellen. Die feierliche Einweihung fand am Martinstag (11. November) 1774 statt.
Baubeschreibung Die neue Blockbaukirche, die aus Fichten- und Tannenholz gefertigt wurde, durfte nach Vorgaben der Komitatsbehorden nur bis zu einem Fuß dicke Fundamente gehabt haben. Den Grundriss bildet ein langgestrecktes Kreuz. Sie ist einschließlich des spater erbauten Turms 43 m lang und hat 12 Turen und 72 Fenster. Der Haupteingang befindet sich ungewohnlicherweise auf der Ostseite, somit gelangt man im Inneren zuerst in den Altarraum. Der ursprungliche Haupteingang lag wahrscheinlich unter der Orgelempore auf der Westseite. Fur jeden Arm gibt es separate Eingange, die fur Glaubige aus genau festgelegten Gemeinden der Unter- und Mittelliptau bestimmt waren. Das Hauptschiff ist 37 m lang und 11,1 m breit, das Querschiff 27,75 m lang und 11 m breit. Die bebaute Flache (ohne Turm) betragt 658 m², die Nutzflache 1150 m². Die großzugig angelegte Kirche bietet Platz fur mehrere Tausend Besucher, je nach Quelle von 4000 bis 6000. Wegen der Lage auf einem Hang ist die Neigung noch heute erkennbar, das Bodengefalle zum Altar hin betragt etwa 1,3 m. Uberdacht ist der Bau mit zwei Satteldachern und Tonnengewolben mit Spannweiten von 12 bis 13 m.
Zur Kirche gehort auch ein 19 m hoher, teilweise steinerner, teilweise holzerner und anfangs freistehender Glockenturm im Grundriss eines Vierecks aus dem Jahr 1781, durch dessen Durchgang man heute zum Haupteingang der Kirche kommt. In der Vergangenheit befand sich am Glockenturm eine Turmuhr mit holzernen Zeigern in barocker Ausfuhrung. Die drei ursprunglichen Glocken aus den Jahren 1754, 1781 und 1825 wurden wahrend des Ersten Weltkriegs requiriert und nach Kriegsende durch drei neue, 1921 bis 1922 gegossene Glocken ersetzt. Sie tragen die Namen Viera, Nadej und Laska (deutsch: Glaube, Hoffnung, Liebe).
Seit 1963 ist die Kirche unter der Nummer 356/1 Nationales Kulturdenkmal der Slowakei.
Inneres Das Innere der Kirche ist uberwiegend im Barockstil gestaltet. Der holzerne barocke Altar mit Renaissance-Resten aus dem Jahr 1693 stammt noch aus dem Vorgangerbau und hat sechs gemalte Tafeln mit dem Zentralbild Christi Verklarung, Darstellungen der Dreifaltigkeit und Auferstehung Christi im Aufbau, des Letzten Abendmahls in der Predella und seitlich zwei Apostel. An den Seiten befinden sich vier Plastiken: zwei großere der Apostel Petrus und Paulus sowie daruber zwei kleinere von Mose und Aaron.
Auch die Kanzel mit gemalten Tafeln, auf denen die Evangelisten abgebildet sind, und Skulpturen von zwei Engeln mit zwei Wappen daruber stand ursprunglich in der alten Kirche. Die Urheberschaft sowohl der Kanzel als auch des Altars wird dem Zipser Holzschnitzer Johann Lerch aus Kesmark oder einem Meister in seinem Kreis zugeschrieben.
Das Taufbecken aus Sandstein stand wahrscheinlich ebenfalls bereits in der alten Kirche.
An den Brustungen der zweigeschossig gebauten Emporen sind volkstumliche Malereien aus der Werkstatt eines unbekannten Kunstlers angebracht. Dargestellt sind neben Kirchenvatern auch Musikanten, Konig David, Szenen aus der Bibel (mit reichlichen Verzierungen von Pflanzen und Tieren) sowie Propheten. Nicht alle Malereien sind erhalten und die heutige Reihenfolge entspricht nicht immer dem behandelten biblischen Thema. Auch an den Saulen unter den Emporen sind liturgische Motive gemalt. An der Brustung der fur Angehorige des Landadels bestimmten Empore im Altarraum befinden sich drei gemalte Wappen mit Initialen der wichtigsten Patronatsfamilien der Gemeinde, und zwar Pottornay, Luby und Okolicsanyi.
Die Olgemalde von Martin Luther und Philipp Melanchthon aus der Mitte des 18. Jahrhunderts vervollstandigen die Einrichtung und hangen an der Wand zwischen dem Altar und der Kanzel. Der Kronleuchter aus dem Jahr 1780 ist aus venezianischem Glas.
Orgel Die ursprungliche Orgel aus dem Vorgangerbau, ein Orgelpositiv mit sechs Registern, wurde im spaten 17. Jahrhundert in der Werkstatt von Georg Demicher gebaut. Die evangelische Kirchengemeinde veraußerte 1754 dieses Instrument an die Gemeinde Liptovska Sielnica und erwarb stattdessen ein neues Positiv. Als der ursprungliche Ort Liptovska Sielnica wegen des Baus der Talsperre Liptovska Mara in den 1970er Jahren aufgegeben werden musste, wurde die alte Orgel in die Allerheiligenkirche in Ludrova gebracht und restauriert. Dort wurde sie in den fruhen 1990er Jahren durch Vandalen zerstort.
Das neue Positiv mit ebenfalls sechs Registern aus dem Jahr 1754 wurde vom Neusohler Orgelbaumeister Martin Podkonicky gebaut. Das am Untergehause stehende Chronogramm GlorIfICate DeVM Organo In CongregatIone SIon (MDCCLVIIIII = 1760) bezieht sich wahrscheinlich auf das Jahr der kunstlerischen Gestaltung. Das Positiv wurde 1774 unverandert in die neue Kirche ubernommen und war bis 1943 in Betrieb, als die Kirchengemeinde eine neue Orgel von Julius Guna aus Presov fur die Kirche angeschafft hatte. Von dem nun uberflussigen barocken Instrument blieb nur der polychromierte und vergoldete Prospekt. Die Original-Zinnpfeifen gingen verloren, das Verschwinden wird undisziplinierten Besuchern zugeschrieben. Beim Wiederaufbau der Kirche in Svaty Kriz wurde auch das fast vergessene Positiv in der Orgelbauwerkstatt des Kommunalbetriebs im tschechischen Kutna Hora restauriert. Die fehlenden Pfeifen wurden durch neue im Stil von Martin Podkonicky ersetzt, zudem mussten die ebenfalls fehlenden Keilbalge durch Magazinbalge ersetzt werden.
Translozierung und heutiger Zustand Mit dem Bau der Talsperre Liptovska Mara in den 1960er und 1970er Jahren begannen Bemuhungen um den Erhalt der Kirche. Im Gegensatz zum Dorf Paludza lag sie zwar außerhalb der vorgesehenen Wasserflache des Stausees, doch durch den erhohten Grundwasserspiegel waren erhebliche Schaden zu erwarten. Nachdem Losungen wie Erhohung des Gelandes zu einer kunstlichen Insel oder Errichtung eines Schutzdamms verworfen worden waren, entschied man sich, die Kirche an einen anderen Standort zu translozieren. Zuerst sollte sie als rein museales Objekt entweder im Museum des Liptauer Dorfes (slowakisch Muzeum liptovskej dediny) in Pribylina oder im Museum des slowakischen Dorfes (slowakisch Muzeum slovenskej dediny) in Martin ausgestellt werden, letztlich konnten aber die Beibehaltung der liturgischen Funktion und die Versetzung in der Nahe durchgesetzt werden. Die holzernen Teile wurden einzeln durchnummeriert und 1974/1975 wurde die Kirche am ursprunglichen Standort abgebaut. Die gut erhaltenen Teile wurden konserviert, die am meisten beschadigten gegen neue ausgetauscht. 1976 bis 1978 wurde die Kirche auf einem Hugel einen Kilometer sudlich von Svaty Kriz wiederaufgebaut und am 22. August 1982 feierlich geweiht.
In der Kirche werden regelmaßig Sonntagsgottesdienste gehalten. Das Innere ist fur Besucher zu bestimmten Zeiten oder nach Voranmeldung offen.
Literatur Milos Dudas: Drevene artikularne a tolerancne chramy na Slovensku. Tranoscius, Liptovsky Mikulas 2011, ISBN 978-80-7140-375-3, S. 182–199 (slowakisch). 
Ernst Hochberger: Das große Buch der Slowakei. 5. erganzte und erweiterte Auflage. Sinn, 2017, ISBN 978-3-921888-15-5, S. 375–376 (Lemma Svaty Kriz). 
Weblinks Seite der evangelischen Kirchengemeinde Svaty Kriz-Lazisko zur Kirche
Einzelnachweise | 
	Die holzerne Artikularkirche von Svaty Kriz ist ein evangelisches Kirchengebaude im nordslowakischen Ort Svaty Kriz im Okres Liptovsky Mikulas. Sie ist eine von funf verbliebenen holzernen Artikularkirchen (slowakisch Artikularne kostoly) der Slowakei. Die Kirche steht sudlich von Svaty Kriz und westlich von Lazisko auf einer Anhohe auf der linken Seite der Paludzanka. Ursprunglich stand sie etwa funf Kilometer weiter nordlich, auf einem Hang sudlich des Ortskerns von Paludza. Nach Uberflutung von Paludza durch einen in den 1970er Jahren entstandenen Stausee nach dem Bau der Talsperre Liptovska Mara wurde sie an den heutigen Standort transloziert. | 
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	c-532 | 
	Ronnie Michael Ekelund (* 21. August 1972 in Glostrup) ist ein ehemaliger danischer Fußballspieler. In seiner Profikarriere zwischen 1988 und 2004 spielte er unter anderem fur Brøndby IF, den FC Barcelona, Manchester City und die San Jose Earthquakes.
Karriere = Verein =
Ekelund begann seine Profikarriere bei Brøndby IF, wo er 1988 mit 15 Jahren zum jungsten je in der 1. Division eingesetzten Spieler wurde. Mit Brøndby gewann er 1990 und 1991 zwei danische Meisterschaften. 1992 wechselte er zum FC Barcelona, wo er in den folgenden zwei Spielzeiten jedoch fast ausschließlich in der zweiten Mannschaft eingesetzt wurde. Am 19. Marz 1994 kam er bei einem 1:1 gegen Racing Santander zu seinem einzigen Einsatz in der Primera Division. In den Folgejahren wurde Ekelund, immer noch bei Barcelona unter Vertrag, an die englischen Klubs Southampton, Manchester City und Coventry City sowie den danischen Lyngby BK verliehen. Zur Saison 1996/97 unterschrieb er wieder einen Vertrag in Danemark, diesmal bei Odense BK. 1999 spielte Ekelund in der franzosischen Ligue 2 beim FC Toulouse. Nach einer kurzen Zwischenstation in England beim FC Walsall entschloss er sich 2001 seine Karriere in der Major League Soccer in den USA zu beenden. Was folgte, war noch einmal eine sehr erfolgreiche Zeit bei den San Jose Earthquakes, mit denen Ekelund 2001 und 2003 den MLS Cup gewinnen konnte. Nachdem er Ende 2004 seine Karriere bei den Earthquakes beendet hatte, spielte er 2005/06 noch eine Saison Indoor Soccer fur die California Cougars in der Major Arena Soccer League.
= Nationalmannschaft =
Ekelund kam ab 1987 in verschiedenen Juniorennationalmannschaften Danemarks zum Einsatz. 1992 nahm er als Stammspieler mit der U-21 Nationalmannschaft an der Europameisterschaft teil. Das Erreichen des Halbfinals ist bis heute (Stand: 2024) das beste Ergebnis, das eine danische U21 je erreicht hat. Die zwei Halbfinalniederlagen in Hin- und Ruckspiel gegen den spateren Europameister Italien konnte Ekelund allerdings auch nicht verhindern. Im Anschluss wurde Ekelund auch in den Kader fur die Olympischen Sommerspiele 1992 berufen, wo die danische Mannschaft nach zwei Unentschieden und einer Niederlage als Gruppenletzter ausschied. Ekelund stand in zwei der drei Spiele in der Startelf.
Titel und Auszeichnungen = Vereinstitel =
Danischer Meister: 1990, 1991
Spanischer Meister: 1994
MLS Cup: 2001, 2003
= Individuell =
MLS Best XI: 2002
Nach der Profikarriere Nachdem seine Frau Claire zum Ende seiner Fußballkarriere Moglichkeiten suchte, die gemeinsame Tochter auch bei Ekelunds Spielen zu stillen (siehe auch Stillen in der Offentlichkeit in den USA), grundete das Ehepaar 2004 das Unternehmen Bebe Au Lait. Zunachst wurden vor allem so genannte nursing cover, also Sichtschutztucher fur das Stillen in der Offentlichkeit, entwickelt und verkauft. Spater wurde die Produktpalette des Unternehmens, auch durch Unternehmensakquisitionen, immer wieder erweitert.
Weblinks Ronnie Ekelund in der Datenbank von transfermarkt.de
Ronnie Ekelund in der Datenbank von weltfussball.de
Einzelnachweise | 
	Ronnie Michael Ekelund (* 21. August 1972 in Glostrup) ist ein ehemaliger danischer Fußballspieler. In seiner Profikarriere zwischen 1988 und 2004 spielte er unter anderem fur Brøndby IF, den FC Barcelona, Manchester City und die San Jose Earthquakes. | 
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	c-533 | 
	Svetlana Moshkovich (russisch Светлана Владимировна Мошкович / Swetlana Wladimirowna Moschkowitsch; * 4. Juni 1983 in Krasnojarsk, Russische SFSR, Sowjetunion) ist eine russisch-osterreichische  Paracyclerin, die Rennen mit dem Handbike bestreitet.
Werdegang Svetlana Moshkovich ist in Krasnojarsk aufgewachsen, wo sie auch an der padagogischen Universitat studiert hat und nebenbei als Flugbegleiterin gearbeitet hat. Im Jahr 2004 wurde Svetlana Moshkovich bei einem Autounfall schwer am Ruckenmark verletzt. Ihr Freund und ein weiterer Freund starben bei diesem Unfall, sie selbst muss seitdem einen Rollstuhl nutzen. Vor diesem Unfall hatte sie Tanzsport betrieben. Im Rahmen einer Reha-Maßnahme kam sie aus Russland nach Heidelberg. Da sich das Leben fur einen korperbehinderten Menschen in Deutschland selbststandiger als in Russland meistern ließ, beschloss sie 2009 zu bleiben. Sie setzte ihr Studium in Computerlinguistik fort und begann, mit dem Handbike Sport zu treiben, was ihr ein Gefuhl der Freiheit vermittelte. Anschließend nahm sie ein Sportstudium in Innsbruck auf, wo sie seit 2014 lebt. 2022 wurde Svetlana Moshkovich osterreichische Staatsburgerin.
Ab 2011 bestritt Moshkovich Weltcup-Rennen im Paracycling, zunachst fur Russland. Bei den Sommer-Paralympics 2012 in London belegte sie den dritten Platz im Zeitfahren; im Straßenrennen wurde sie Sechste. 2015 errang sie den Weltmeistertitel im Zeitfahren, und sie errang weitere Medaillen bei Weltmeisterschaften und anderen Rennen. 2021 startete sie bei den Paralympics in Tokio, wurde Vierte im Straßenrennen und Neunte im Zeitfahren.
2015, 2018 und 2023 gewann Moshkovich die Gesamtwertung des Weltcups. Im September 2023 wurde ihr die Genehmigung erteilt, bei Großveranstaltungen wie den Paralympics und Weltmeisterschaften kunftig fur Osterreich zu starten. Fur 2024 plante sie, bei den Paralympics in Paris zu starten und einen Stundenweltrekord aufzustellen. Fur die Schlussfeier der Paralympics 2024 wurde sie neben Thomas Fruhwirth als osterreichische Fahnentragerin ausgewahlt.
Am 22. Februar 2025 stellte Svetlana Moshkovich im Tissot Velodrome im schweizerischen Grenchen einen Handbike-Stundenweltrekord auf: Sie legte als erste Frau innerhalb einer Stunde die Distanz von 36,132 Kilometer in 60 Minuten zuruck. Bis zu diesem Tag gab es den Rekord nur fur Manner; er liegt bei 47,289 km Kilometer und wurde 2022 vom Niederlander Geert Schipper aufgestellt.John Levison: Paratriathlete Geert Schipper sets new hand-cycling Hour Record. In: tri247.com. 9. November 2022, abgerufen am 23. Februar 2025 (englisch). 
Ehrungen 2023 und 2024 wurde Svetlana Moshkovich osterreichische Paracyclerin des Jahres.
Erfolge 2012
 Paralympics – Zeitfahren
2013
 Weltmeisterschaft – Zeitfahren, Straßenrennen
2014
 Weltmeisterschaft – Zeitfahren, Straßenrennen
2015
 Weltmeisterin – Zeitfahren
 Gesamtwertung Weltcup
2017
 Weltmeisterschaft – Straßenrennen
 Weltmeisterschaft – Zeitfahren
2018
 Weltmeisterschaft – Zeitfahren, Straßenrennen
 Gesamtwertung Weltcup
2021
 Weltmeisterschaft – Straßenrennen
 Europameisterschaft – Zeitfahren
2023
 Gesamtwertung Weltcup
2024
 Weltmeisterin – Einzelzeitfahren
Weblinks Svetlana Moshkovich. In: para-news.ch. 26. Mai 2023, abgerufen am 8. Februar 2024. 
Personliche Website
Einzelnachweise | 
	Svetlana Moshkovich (russisch Светлана Владимировна Мошкович / Swetlana Wladimirowna Moschkowitsch; * 4. Juni 1983 in Krasnojarsk, Russische SFSR, Sowjetunion) ist eine russisch-osterreichische  Paracyclerin, die Rennen mit dem Handbike bestreitet. | 
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	c-534 | 
	Mut zur Erziehung war der Titel eines wissenschaftlichen Kongresses, der vom 9. bis 10. Januar 1978 im Wissenschaftszentrum Bonn stattfand.
Geschichte Der Kongress wurde von Kurt Aurin gemeinsam mit dem nordrhein-westfalischen Kultusminister Jurgen Girgensohn vorbereitet und fand schließlich unter der Leitung von Golo Mann, Hermann Lubbe und Robert Spaemann statt. Die Schirmherrschaft hatte der damalige Bundesprasident Walter Scheel inne. Zuvor gab es ein vorbereitendes Komitee, das im Vorfeld der Tagung neun Thesen zur Erziehung formulierte, die in der Ruckschau als bestimmend fur den Inhalt des Kongresses wahrgenommen werden sollten. Als Vater der Thesen gilt der Philosoph Hermann Lubbe. Sowohl die Referate im Rahmen der Tagung als auch die verabschiedeten Thesen zielten laut Dietrich Benner darauf ab, „eine Tendenzwende in der Bundesdeutschen Bildungspolitik einzuleiten und die Irrtumer einer sogenannten kulturrevolutionar-emanzipatorischen Padagogik durch die Ruckkehr zu Grundsatzen einer affirmativen oder bejahenden Erziehung zu korrigieren“. Der Erziehungswissenschaftler Hartmut von Hentig hielt im Rahmen des Kongresses eine Gegenrede, in der er auf „Problemverkurzungen und ideologische Befangenheit der proklamierten Tendenzwende“ aufmerksam machte. Nicht zuletzt aufgrund des stark unterschiedlichen fachlichen Hintergrunds der Redner und Teilnehmer gilt der Kongress nicht als fachwissenschaftliche Tagung. Auch im Selbstverstandnis der Teilnehmer war man eher um politische als um disziplinare Wirkung bemuht.
1993 veranstaltete die Konrad-Adenauer-Stiftung eine Konferenz gleichen Namens in Sankt Augustin, die sich auf den Kongress von 1978 bezog. Als Ehrengast war Wilhelm Hahn eingeladen.
Neun Thesen zur Erziehung Im Rahmen des Kongresses wurden neun Thesen zur Erziehung verabschiedet. Die Thesen richteten sich inhaltlich vor allem gegen ein vorgeblich falsches Verstandnis von padagogisch wichtigen philosophischen Grundbegriffen, wie „Mundigkeit“, „Gluck“ und „Autoritat“. (Thesen 1, 2) Sie konstatieren die Notwendigkeit von angeblich falschlicherweise als veraltet angesehenen Tugenden wie „Ordnung“ und „Fleiß“. (These 3) Des Weiteren richten sie sich gegen eine vermeintliche Politisierung und Ideologisierung von Erziehung und Schule. (Thesen 4, 5, 7) Auch egalitare Bestrebungen werden als schadlich fur den Erziehungsprozess angesehen, denn Chancengleichheit setze stets „ungleich verteilte Moglichkeiten ihrer Nutzung frei“. (These 6) Zudem werden Szientismus-kritische Standpunkte vertreten und einer „Verwissenschaftlichung des Unterrichts“ wird die Bedeutung von Erfahrung und Kultur fur den Erziehungsprozess gegenubergestellt. (Thesen 8, 9)
Wirkung und Rezeption Bereits im Marz 1978 wurde im Rahmen des in Tubingen stattfindenden Kongresses der Deutschen Gesellschaft fur Erziehungswissenschaft (DGfE) von einer ad hoc zusammengetretenen Gruppe eine kritische Stellungnahme zu den Thesen des Bonner Kongresses vorbereitet. Diese „Tubinger Erklarung“ wurde anschließend in der Mitgliederversammlung der DGfE besprochen, aber nicht formell verabschiedet. Eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den Inhalten des Bonner Kongresses wurde schließlich von einer Arbeitsgruppe des Instituts fur Erziehungswissenschaft an der Universitat Munster erarbeitet.
Die verabschiedeten Thesen wurden als „padagogische[s] Glaubensbekenntnis der ‚Wertkonservativen‘“ bezeichnet. Der Kongress wurde als Teil eines bildungspolitischen und erziehungswissenschaftlichen „Roll-Backs“ eingeordnet, in dem eine Abkehr von der Kritischen Erziehungswissenschaft stattfand. Die verabschiedeten Thesen gelten als publikumswirksame Zuspitzung von sich bereits zuvor anbahnenden konservativen Tendenzen in der Padagogik. Die Veranstaltung ist damit als Teil einer ab den 1970er Jahren von konservativer Seite in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen der Bundesrepublik angestrebten „Tendenzwende“ anzusehen. Die Thesen fanden in der Erziehungswissenschaft nahezu keine positive Rezeption.
Bekannte Teilnehmer Literatur Wissenschaftszentrum Bonn: Mut zur Erziehung. Beitrage zu einem Forum am 9./10. Januar 1978 im Wissenschaftszentrum Bonn-Bad Godesberg, Klett-Cotta, Stuttgart 1979, ISBN 978-3-12-911760-6.
Dietrich Benner (Hrsg.): Entgegnungen zum Bonner Forum Mut zur Erziehung, Urban und Schwarzenberg, Munchen/Wien/Baltimore 1978, ISBN 978-3-541-40791-0.
Karl Neumann: „Mut zur Erziehung“. Kritische und konservative Tendenzen in der gegenwartigen Bildungspolitik in: DDS, Bd. 71, H. 3 (1979), S. 142–154.
Michael Rux (Hrsg.): Tendenzwende oder Mut zur Erziehung. Eine Sammlung von kritischen Beitragen, Analysen und Stellungnahmen aus den Jahrgangen 1978–1981 der Lehrerzeitung Baden-Wurttemberg. Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Baden-Wurttemberg, Stuttgart 1982.
Dietrich Benner: Die fehlende Padagogik in den Thesen des Bonner Forums „Mut zur Erziehung“, in: Schweizer Schule Bd. 72, H. 9 (1985), S.& 33–39, https://doi.org/10.5169/seals-533320.
Herbert Zdarzil: „Mut zur Erziehung“. Ruckblick auf eine padagogisch-bildungspolitische Kontroverse in: Vierteljahrsschrift fur wissenschaftliche Padagogik, Bd. 62, H. 3 (1986), S. 396–410, https://doi.org/10.30965/25890581-06203008.
Weblinks Neun Thesen des Kongresses „Mut zur Erziehung“, welt.de, 18. September 2004
Einzelnachweise | 
	Mut zur Erziehung war der Titel eines wissenschaftlichen Kongresses, der vom 9. bis 10. Januar 1978 im Wissenschaftszentrum Bonn stattfand. | 
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	c-535 | 
	Die 1937 eingeweihte Kathedrale von Dili war bis zu ihrer Zerstorung 1942 die Hauptkirche der Kolonie Portugiesisch-Timor. Sie stand in Dili im Stadtteil Colmera.
Geschichte Die zwischen 1867 und 1877 erbaute Hauptkirche (portugiesisch Igreja matriz) der Kolonialhauptstadt Dili wurde fur den Bau  der neuen Kathedrale 1933 abgerissen. Der Neubau wurde mit Hilfe von Macau finanziert und soll eine Million Pataca gekostet haben.
Am 3. Oktober 1937 wurde die neue Kirche eingeweiht. 
Am 4. September 1940 wurde das Bistum Dili mit der papstlichen Bulle Solemnibus Conventionubus vom bisherigen Bistum Macau abgetrennt und umfasste damals die gesamte Kolonie Portugiesisch-Timor. Das 1937 eingeweihte Gotteshaus wurde damit auch kirchenrechtlich zur Kathedrale. Jaime Garcia Goulart wurde am 18. Januar 1941 zum Apostolischen Administrator ernannt, nach dem Zweiten Weltkrieg  wurde er erster Bischof von Dili. 
Im Zweiten Weltkrieg wurde die Kathedrale wahrend der Schlacht um Timor zerstort. Die Alliierten hatten 1941 zunachst die neutrale portugiesische Kolonie besetzt, worauf die Japaner im Februar 1942 angriffen. Die Alliierten zogen sich daraufhin in die Berge zuruck und begannen einen Guerillakrieg. Ab Marz bombardierten sie zudem japanische Stellungen und die Stadte. Ab dem fruhen Morgen des 3. Novembers 1942 griff die 2. Squadron der Royal Australian Air Force (RAAF) zusammen mit bis zu neun B-26-Bombern der United States Army Air Forces Dili funfmal an. Im Gegensatz zu fruheren Angriffen auf Dili gab es diesmal keine klaren militarischen Ziele, sondern man bombardierte gezielt das Stadtzentrum mit der Kathedrale. Australische Bodentruppen hatten das Gerucht gemeldet, in der Kirche wurden Kampfflugzeuge zusammengebaut. Nach anderen Informationen diente die Kathedrale 3000 japanischen Soldaten als Unterkunft. Australische Soldaten beobachteten die Zerstorung der Kathedrale. Eine Bombe traf das Dach, eine zweite eine Seitenwand.
Die Ruine wurde abgetragen und ihre Steine zwischen 1946 und 1948 fur den Bau eines kleinen provisorischen Anlegers fur Passagiere und zum Entladen von schweren Lasten verwendet. Auf der Flache vor dem ehemaligen Standort der Kathedrale entstand in den Nachkriegsjahren der neue Amtssitz des Gouverneurs. An der Stelle, an der die Kathedrale gestanden hatte, baute die indonesische Besatzungsmacht in den 1990er-Jahren das Gebaude des Regionalparlaments, das heutige Nationalparlament Osttimors. Die heutige Kathedrale von Dili liegt weiter westlich. Bis zu ihrer Einweihung 1989 war die Kirche Santo Antonio de Motael die Hauptkirche von Dili.
Das Bauwerk Das strahlend weiße Gebaude hatte zwei Zwillingsturme und war mit roten und blauen Bleiglasfenstern hinter dem Hauptaltar ausgestattet. Die Glocken waren in der gesamten Stadt zu horen.
		
			
			
		
		
			
			
		
		
			
			
		
Weblinks Einzelnachweise | 
	Die 1937 eingeweihte Kathedrale von Dili war bis zu ihrer Zerstorung 1942 die Hauptkirche der Kolonie Portugiesisch-Timor. Sie stand in Dili im Stadtteil Colmera. | 
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	c-536 | 
	Orton Chirwa (geboren am 30. Januar 1919; gestorben am 20. Oktober 1992) war ein Anwalt und politischer Fuhrer im kolonialen Nyasaland. Nach der Unabhangigkeit war er Justizminister von Malawi und Attorney General (Generalstaatsanwalt). Nach einem Streit mit Malawis autokratischem Prasidenten Hastings Kamuzu Banda wurde Chirwa zusammen mit seiner Frau Vera Chirwa ins Exil getrieben. Nachdem sie im Ausland entfuhrt worden waren, wurden sie in Malawi wegen Hochverrats angeklagt und zum Tode verurteilt. Amnesty International bezeichnete das Ehepaar als politische Gefangene (prisoners of conscience). Nach mehreren Jahren im Todestrakt in Malawi und 1984 erfolgter Umwandlung des Urteils in eine lebenslange Freiheitsstrafe starb Orton Chirwa am 20. Oktober 1992 im Gefangnis.
Leben = Jugend und Ausbildung =
Uber die Jugend von Orton Edgar Ching’oli Chirwa gibt es nur wenig Informationen. Er erhielt seine akademische Ausbildung an der University of Fort Hare in Sudafrika. 1951 verfasste er ein langes Memorandum gegen die Foderation mit Sudrhodesien, die er dem Colonial Secretary James Griffiths und dem Commonwealth Relations Secretary Patrick Gordon Walker ubergab, als sie Nyasaland im August und September 1951 besuchten, um die Einschatzungen der Afrikaner zu diesem Thema einzuholen. Wahrend der Lancaster House Conference 1952, bei der die Foderation diskutiert wurde, zog er in akademischer Robe „die Massen mit seinen sorgfaltig argumentierten Angriffen auf den foderalen Plan auf Dorfmarkten und in Versammlungsraumen in seinen Bann“. Er stand zu dieser Zeit bereits seit vier Jahren mit Hastings Banda in Korrespondenz. Trotz weitverbreiteter Gegenstimmen wurde Nyasaland 1953 in die Foderation von Rhodesien und Nyasaland eingebunden. 1954 schloss sich Chirwa mit Charles Matinga und Andrew Mponda zur kurzlebigen Nyasaland Progressive Association zusammen, die unter den realen Bedingungen in der neuen Foderation arbeiten wollte. Zwischen 1954 und etwa 1956 war Chirwa als Instructor am Domasi Teacher Training College eingesetzt, wo er zusammen mit David Rubadiri und Alec Nyasulu aktiv daran arbeitete, seinen Studenten ein nationalistisches politisches Bewusstsein zu vermitteln.
Politik 1959 verbot die britische Kolonialregierung den Nyasaland African Congress (NAC) und verhaftete die meisten Fuhrer der politischen Partei, darunter Orton Chirwa und Banda, in der Massenaktion Operation Sunrise. Orton Chirwa wurde kurze Zeit im Khami-Gefangnis in der Nahe von Bulawayo in Sudrhodesien inhaftiert, bevor er am 1. August 1959 freigelassen wurde. Er wurde der erste Prasident der Malawi Congress Party (MCP), einer Nachfolgepartei der NAC, die am 30. September 1959 gegrundet wurde. Es gab Widerstande gegen diese Ernennung, insbesondere von Kanyama Chiume, welcher ihn wegen seiner fruheren Verbindung mit der foderationstoleranten Nyasaland Progressive Association als ungeeignet ansah. Es wurde vermutet, dass die britische Regierung gehofft hatte, dass Chirwa als gemaßigter Nationalist die Fuhrung ubernehmen wurde, aber es wurde bald klar, dass er Banda lediglich „den Sitz warm halten“ wollte. Als er im November 1959 Iain Macleod besuchte, den Kolonialsekretar in der konservativen Regierung unter Harold Macmillan, machte er deutlich, dass die MCP nur mit Banda als Chef uber die Unabhangigkeit verhandeln wurde. Drei Tage nachdem Banda am 2. April 1960 aus dem Gwelo-Gefangnis entlassen worden war, lud Orton Chirwa ihn zusammen mit anderen NAC-Fuhrern ein, fur das Amt des Prasidenten der MCP zu kandidieren. Chirwa trat zuruck und Banda ubernahm die Fuhrung der Malawi Congress Party, die in der Folge dann Malawi 1964 in die Unabhangigkeit fuhrte.
Harold Macmillan besuchte Nyasaland im Jahr 1960 und Chirwa organisierte am 25. Januar in Blantyre einen Protest, der in den britischen Zeitungen wegen seiner Gewalttatigkeit Beachtung fand. Im Vorfeld der Wahlen im Jahr 1962 und erneut im Jahr 1963 verurteilte er lautstark die Versuche anderer Afrikaner, politische Parteien gegen die MCP zu grunden, wobei er und David Rubadira zu dieser Zeit offen fur eine totalitare Herrschaft unter der MCP eintraten.
Orton Chirwa wurde in Bandas Ubergangsverwaltung, die 1962 das Amt antrat, zum Parlamentarischen Sekretar (Parliamentary Secretary) im Justizministerium ernannt (eine Position, die etwas unter der Position des Ministers war). Im Vorfeld der Wahlen zur Nationalversammlung 1964 forderte er aktiv den Einsatz „traditioneller Gerichte“ (traditional courts) als Alternative zur bestehenden Justiz. Das war ein umstrittener Schritt, da diese Gerichte einem erheblichen politischen Einfluss unterlagen und vom Obersten Richter und vom Gouverneur Glyn Jones heftig dafur kritisiert wurden, weil sie Hunderte Falle politisch motivierter Einschuchterung in Form von Ubergriffen, Morden, Brandstiftung und Erntezerstorung sowie Falle von Einschuchterung gegen Zeugen Jehovas nicht untersuchten und strafrechtlich verfolgten. 1963 drohte Chirwa, Anklage gegen die Nyasaland Times aufgrund des Sedition Act zu erheben, weil diese Zeitung uber oppositionelle politische Parteien berichtete.
Im Jahr 1964 wurde Chirwa Justizminister des unabhangigen Malawi und Generalstaatsanwalt (Attorney General), trat aber schon bald zusammen mit anderen Ministern in der Cabinet Crisis of 1964 zuruck. Als er anschließend versuchte, sich mit Banda zu versohnen, wurde er nach einem Treffen mit Banda im Regierungsgebaude von Bandas Leibwachter schwer zusammengeschlagen. Am 23. Oktober 1964 wurde der Sub-Chief Timbiri aus Chirwas Wahlkreis Nkahata Bay in Zomba ermordet. Die Polizei gab an, sie habe Beweise dafur, dass Chirwa beteiligt gewesen sei. Er floh Anfang November zusammen mit seiner Frau Vera nach Daressalam.
= Exil und Entfuhrung =
Durch Bandas autoritare Politik gezwungen, Malawi zu verlassen, ließen sich die Chirwas in Tansania nieder, wo Orton Chirwa als Anwalt lehrte und praktizierte. Er grundete eine neue politische Partei, die Malawi Freedom Movement, die in Malawi, zu der Zeit ein Einparteienstaat mit Banda als lebenslangem Prasidenten, kaum aktive Unterstutzung hatte. Wahrend die Eheleute Chirwa mit ihrem jungsten Sohn Fumbani Sambia besuchten, wurden sie an Heiligabend 1981 im Osten Sambias von malawischen Sicherheitskraften entfuhrt, verhaftet und unter dem Vorwurf des Hochverrats nach Malawi zuruckgebracht, obwohl sie angeblich versucht hatten, nach Malawi einzureisen.
= Prozess =
Ironischerweise wurden die Chirwas vor einem solchen „traditionellen“ Gericht angeklagt, fur dessen Einfuhrung sich Orton 1962 selbst eingesetzt hatte. Die Eheleute, beides Anwalte, mussten sich selbst verteidigen, da die traditionellen Gerichte in dem zweimonatigen Prozess keine externen Verteidiger erlaubten. Sie standen vor Richtern, die direkt von Banda ernannt waren. Dieser Fall zeigte die Mangel des Systems auf. Am Ende ihrer Berufung im Jahr 1983 lehnte die Minderheit der Berufungsrichter mit juristischer Ausbildung den Schuldspruch ab, die jedoch von der Mehrheit aus traditionellen Hauptlingen uberstimmt wurde.
Bei ihrem Prozess argumentierten die Chirwas, sie seien im Dezember 1981 aus Sambia entfuhrt worden. Dies und der Vorwurf, sie hatten sich zum Sturz der Regierung außerhalb Malawis verschworen, hatten eigentlich zur Unzustandigkeit des traditionellen Gerichts fuhren mussen. Der Fall hatte immer noch vor dem Obersten Gerichtshof Malawis verhandelt werden konnen, aber dieses Gericht verlangte einen zweifelsfreien Schuldnachweis. Der Hochverratsprozess, der 1983 vor dem traditionellen Gericht der Sudregion gegen die Chirwas verhandelt wurde, basierte auf handschriftlichen Dokumenten, die angeblich bei ihrer Festnahme gefunden worden waren, und auf der „Expertenaussage“ eines Polizeibeamten, dass sie tatsachlich in Orton Chirwas Handschrift geschrieben seien. Als Beweismittel wurde auch eine nicht unterzeichnete Erklarung zugelassen, die angeblich von Orton Chirwa stammte, deren Urheberschaft er jedoch bestritt, sowie eine Abschrift eines angeblich aufgezeichneten Interviews, das er gegeben hatte. Den Chirwas war es nicht gestattet, Zeugen von außerhalb Malawis aufzurufen. Sie wurden beide zum Tode verurteilt und in das Zentralgefangnis in Zomba gebracht.
Bei der Berufung der Chirwas beim National Traditional Court of Appeal wurden die Weigerung des Untergerichts, Zeugen der Verteidigung zuzulassen, die Zulassung der nicht unterzeichneten Aussage und die Akzeptanz eines Polizeibeamten als Sachverstandiger kritisiert und von einer Minderheit der Richter nicht akzeptiert, dass die Erstellung unveroffentlichter handschriftlicher Dokumente einem Verrat gleichkam. Das Berufungsgericht kam jedoch zu dem verbluffenden Schluss, dass die traditionellen Gerichte, auch wenn sie rechtlich nicht zustandig seien, ein traditionelles Recht hatten, die Chirwas vor Gericht zu stellen, und dass (trotz der Mangel bei der Behandlung des Falles durch das untere Gericht) ihre Entscheidung richtig war und bestehen bleiben sollte. Die Todesurteile wurden umgewandelt, Orton Chirwa starb spater im Gefangnis. Vera Chirwa wurde 1993 nach uber elf Jahren Haft, meist in Einzelhaft, aus dem Gefangnis entlassen.
= Gefangenschaft und Tod =
Im Zomba-Gefangnis wurde Orton Chirwa in Einzelhaft festgehalten und durfte keinen Kontakt zur Außenwelt haben. Acht Jahre lang durfte er nicht einmal seine Frau Vera sehen, die im selben Gefangnis festgehalten wurde. 1990 leitete Amnesty International eine Untersuchung ihres Schicksals ein und ernannte das Paar zu gewaltlosen politischen Gefangenen (prisoners of conscience). Als im Herbst 1992 eine Delegation britischer Rechtsexperten Orton und Vera im Gefangnis besuchen durfte, konnten sich die Chirwas zum ersten Mal seit acht Jahren wieder treffen. Nach Angaben der britischen Anwalte war er zum Zeitpunkt des Treffens nahezu taub und aufgrund unbehandelter Katarakte (Grauer Star) fast blind. Orton starb in seiner Zelle 3 Wochen spater im Alter von 73 Jahren.
= Familie =
Nkhondo Chirwa, der zweite Sohn von Orton und Vera, starb unerwartet am 18. Oktober 2016 in Kendal, Cumbria, England, seiner langjahrigen Heimatstadt, wo er mit seinen Kindern lebte. Er ist auf dem Parkside-Friedhof Kendal begraben. Bei seiner Beerdigung wurde Amnesty International fur deren Einsatz zugunsten der Familie Chirwa gewurdigt.
Orton Chirwas Enkel, Orton Ndau, ist ebenfalls Anwalt. Orton Ndau schloss 2011 sein Jurastudium an der Howard University School of Law ab. Danach arbeitete Orton Ndau als Sachbearbeiter fur Kevin N. Fox, Oberrichter des US-Bezirksgerichts fur den sudlichen Bezirk von New York. Orton Ndau ist jetzt Anwalt bei Paul, Weiss, Rifkind, Wharton & Garrison LLP in New York.
Literatur Philip Short: Banda. Routledge & Kegan Paul, London 1974.
Joey Power: Political culture and nationalism in Malawi: building Kwacha. University Rochester Press 2010. ISBN 1-58046-310-X
Weblinks Achutan (on behalf of Banda) and Amnesty International (on behalf of Orton and Vera Chirwa) v. Malawi, African Commission on Human and Peoples’ Rights, Comm. Nos. 64/92, 68/92, & 78/92, 1995.
Einzelnachweise | 
	Orton Chirwa (geboren am 30. Januar 1919; gestorben am 20. Oktober 1992) war ein Anwalt und politischer Fuhrer im kolonialen Nyasaland. Nach der Unabhangigkeit war er Justizminister von Malawi und Attorney General (Generalstaatsanwalt). Nach einem Streit mit Malawis autokratischem Prasidenten Hastings Kamuzu Banda wurde Chirwa zusammen mit seiner Frau Vera Chirwa ins Exil getrieben. Nachdem sie im Ausland entfuhrt worden waren, wurden sie in Malawi wegen Hochverrats angeklagt und zum Tode verurteilt. Amnesty International bezeichnete das Ehepaar als politische Gefangene (prisoners of conscience). Nach mehreren Jahren im Todestrakt in Malawi und 1984 erfolgter Umwandlung des Urteils in eine lebenslange Freiheitsstrafe starb Orton Chirwa am 20. Oktober 1992 im Gefangnis. | 
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	c-537 | 
	Das Lorenzoni-Repetiersystem wurde um 1680 in Italien entwickelt und in fruhen Hinterlader- und Repetierwaffen verwendet. Es gilt zwar als das ausgereifteste, das es fur Steinschlosswaffen gab, aber es war aufwendig herzustellen und nur bedingt sicher und zuverlassig. Daher war es nicht sonderlich weit verbreitet, wurde aber von verschiedenen Buchsenmachern noch bis Anfang des 19. Jahrhunderts kopiert.
Geschichte Mitte des 17. Jahrhunderts experimentierten verschiedene Buchsenmacher, wie Mehrlade- bzw. Repetierwaffen mit dem damaligen Steinschloss konstruiert werden konnten. Es wurden mehrere Arten Magazin- und Repetiersysteme fur Geschosse und loses Schwarzpulver entwickelt. Der Deutsche Peter Kalthoff, der auch in den Niederlanden und Danemark tatig war, konstruierte sein Kalthoff-Repetiersystem im Jahre 1640.
Ende des 17. Jahrhunderts erschien ein neues Repetiersystem, das eine markante Verbesserung gegenuber dem verwandten Kalthoff-Repetiersystem war und dem italienischen Buchsenmacher Lorenzoni zugeschrieben wird. Michele Lorenzoni (geboren vor 1683, gestorben 1733) aus Siena arbeitete in Florenz im Dienste der Medici. Die fruhsten Belege seines Wirkens an einer Repetierwaffe stammen aus dem Jahr 1684. Es ist deshalb anzunehmen, dass das System um 1680 entwickelt worden ist.
Ob Lorenzoni wirklich der tatsachliche Erfinder war, ist umstritten. Auch andere italienische Buchsenmacher wie Giacomo Berselli aus Bologna und spater Rom (Schaffenszeit ca. 1660–1700) sowie Bartholomeo Cotel aus Genua (Schaffenszeit ca. 1670–1700) kommen in Frage, weil sie ebenfalls Waffen mit diesem Repetiersystem herstellten. In England stellte am Ende des 17. Jahrhunderts John Cookson Waffen mit diesem System her.
Anfang des 18. Jahrhunderts nahm das Interesse an dem Repetiersystem ab. Moglicherweise wurden die Grenzen und Unzulanglichkeiten des Systems bekannt. Das System erlebte in der zweiten Halfte des 18. Jahrhunderts eine Renaissance. Waffen mit dem Lorenzoni-Repetiersystem wurden von bekannten englischen Buchsenmachern wie Henry Nock (1741–1804), Harvey Walklate Mortimer (1753–1819) oder der Wilson-Familie sowie Ivan Polin aus Tula in Russland hergestellt.
Trotz aller Unzulanglichkeiten blieb das Lorenzoni-Repetiersystem bis zur Einfuhrung des Perkussionsrevolvers ab Mitte des 19. Jahrhunderts das zuverlassigste Repetiersystem.
Technik Das Lorenzoni-Repetiersystem wurde hauptsachlich fur Pistolen, aber auch fur Musketen verwendet; das Prinzip blieb gleich, Unterschiede liegen hauptsachlich in der Position und Große der Magazine. Im Pistolengriff bzw. Hinterschaft der Muskete befinden sich zwei Rohrenmagazine, eins fur Pulver (4) und eins fur Geschosse (6). Bei Musketen kann Munition fur bis zu 20 Schuss untergebracht werden; bei Pistolen gibt es fur die Rohrenmagazine weniger Platz, entsprechend reicht die Munition fur bis zu 10 Schuss. Die Magazine sind uber Klappen entweder seitlich oder hinten am Griff bzw. Schaft zum Befullen zuganglich.
Zwischen dem Lauf (11) und den beiden Rohrenmagazinen befindet sich eine horizontale Walze (3), die mit einem Hebel (5) vom Schutzen gedreht werden kann. Der Hebel ist auf der Gegenseite des Schlosses an der Walze befestigt. Die Walze hat zwei Aushohlungen, eine flache (1) fur die Aufnahme des Geschosses und eine tiefere (8) als Ladungskammer fur das Schwarzpulver. Die Ladungskammer ist uber einen Zundkanal mit dem Zundloch des Steinschlosses verbunden. An der Walze ist ein Mitnehmer (2) angebracht, um mit einer Schubstange (7) das Steinschloss zu spannen.
Fur das Zundkraut gibt es ein separates, kleines Pulvermagazin (13) am Steinschloss. Eine Welle an der Walze unterhalb der Pfanne (12) ragt in das Zundkrautmagazin. Wird die Walze vom Schutzen gedreht, dreht sich diese Welle mit. Sie hat ebenfalls eine Aushohlung (14). Wahrend des Ladevorgangs wird die Welle so gedreht, dass die Aushohlung in das Zundkrautmagazin taucht. Dort nimmt sie die erforderliche Menge Zundkraut auf und wird dann wieder zuruckgedreht. In der schussbereiten Position bildet die Aushohlung den Boden der Pfanne.
Bei vielen Waffen dieser Art ist der glatte Lauf abschraubbar.
Bei den meisten Waffen gibt es im Rahmen uber der Walze ein Prufloch. Damit konnte der Schutze uberprufen, ob das Geschoss und die Ladungskammer korrekt geladen waren. Bei manchen Waffen gab es eine zusatzliche Offnung im Rahmen unterhalb der Walze; durch sie sollte uberschussiges Schwarzpulver, das sich zwischen Walze und Rahmen ansammelte, herausfallen.
Ladevorgang (ohne Berucksichtigung des Zundkrautmagazins):
Um die Waffe zu laden, muss der Schutze die Mundung nach unten halten und den Hebel nach unten (ahnlich wie bei einem Unterhebelrepetierer) in Richtung Lauf drehen.
Bei etwa 135° passiert die Ladungskammer das Geschossmagazin. Die Ladungskammer hat am Eingang einen Schutz in Form eines Stegs bzw. Kreuzes (9) aus Metall, der verhindert, dass ein Geschoss in dieser Position in die Ladungskammer fallt. Etwa in dieser Position beginnt der Mitnehmer den Pfannendeckel des Steinschlosses zu schließen und mit einer Schubstange den Hahn zu spannen.
Bei etwa 225° liegt die Ausbuchtung fur Geschosse unter dem Geschossmagazin und die Ladungskammer unter dem Pulvermagazin. Durch Schwerkraft rutschen das Geschoss und das Schwarzpulver aus den Magazinen in die dafur vorgesehenen Ausbuchtungen hinein. Der Pfannendeckel ist geschlossen und der Hahn gespannt.
Der Schutze dreht den Hebel wieder in die andere Richtung zuruck. Zunachst fallt das Geschoss in das verbreiterte Mundstuck (10) des Laufs. Da sich der Lauf verjungt, fallt das Geschoss nicht weiter hinein.
Der Schutze dreht den Hebel samt Walze in die Ausgangsposition. Dadurch wird die Ladungskammer mit dem Schwarzpulver hinter dem Geschoss im Lauf positioniert. Die Waffe ist schussbereit.
		
			
			
		
		
			
			
		
		
			
			
		
		
			
			
		
		
			
			
		
Bewertung Das Lorenzoni-Repetiersystem hat wie auch der moderne Revolver keinen gasdichten Verschluss. Der Mechanismus musste sehr sorgfaltig, d. h. mit geringen Toleranzen, gefertigt werden. Sonst bestand die Gefahr, dass sich Schwarzpulverreste an der Walze sammeln und Funken vom Abschuss um die Walze zum Pulvermagazin zuruckwandern und es zur Explosion bringen. Eine gasdichte Liderung ließ sich beim damaligen Stand der Technik nicht herstellen. Das war erst viel spater mit weichmetallischen Patronenhulsen moglich, die sich beim Abschuss an die Wande des Patronenlagers anschmiegen und so eine Gasdichtigkeit gewahrleisten. Auch konnte zuruckgebliebene Glut in der Ladungskammer beim Zuruckschwenken an das Pulvermagazin zur Explosion des Magazins fuhren. Einige erhaltene Exemplare mit aufgesprengten Magazinen bezeugen, dass die Gefahr fur den Schutzen groß war. Auf der anderen Seite gibt es aber auch erhaltene Exemplare, die eine starke Abnutzung zeigen. Offensichtlich wurden mit ihnen viele Schusse erfolgreich abgegeben, so dass sie fur ihre Schutzen sicher genug waren.
Im praktischen Gebrauch war der Mechanismus sicherlich anfallig fur Verklemmen, wenn sich Ruckstande des verbrannten Schwarzpulvers oder sonstige Verschmutzungen zwischen Walze und Rahmen ansammelten.
Nur die besten Buchsenmacher ihrer Zeit konnten Waffen mit dem Lorenzoni-Repetiermechanismus herstellen. Die aufwendige Herstellung machte die Waffen sehr teuer, weshalb sie nur von wohlhabenden Privatpersonen gekauft wurden.
Weblinks stegner: Heute wird geputzt! - Kunstsammlungen der Veste Coburg. In: veste.kunstsammlungen-coburg.de. 1. November 2021; abgerufen am 11. Marz 2024. 
Mehrschussiges Hinterlader - Steinschloss – Scheibenpistolenpaar von Giacomo Berselli. In: waffensammler-kuratorium.de. Abgerufen am 11. Marz 2024 
Forgotten Weapons: Wilson's Lorenzoni Repeating Flintlock Musket auf YouTube, 23. November 2017, abgerufen am 11. Marz 2024 (Laufzeit: 8:58 min).
Forgotten Weapons: London-Made Lorenzonis Repeating Flintlocks auf YouTube, 26. August 2016, abgerufen am 11. Marz 2024 (Laufzeit: 10:20 min).
Forgotten Weapons: King Louis XV's Magnificent Engraved Lorenzoni Rifle auf YouTube, 25. Februar 2018, abgerufen am 11. Marz 2024 (Laufzeit: 7:23 min).
Einzelnachweise | 
	Das Lorenzoni-Repetiersystem wurde um 1680 in Italien entwickelt und in fruhen Hinterlader- und Repetierwaffen verwendet. Es gilt zwar als das ausgereifteste, das es fur Steinschlosswaffen gab, aber es war aufwendig herzustellen und nur bedingt sicher und zuverlassig. Daher war es nicht sonderlich weit verbreitet, wurde aber von verschiedenen Buchsenmachern noch bis Anfang des 19. Jahrhunderts kopiert. | 
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	c-538 | 
	Shunas Reise (japanisch シュナの旅 Shuna no Tabi) ist ein Manga des japanischen Autors und Zeichners Hayao Miyazaki. Die Geschichte erschien 1983 in Japan und 2023 auf Deutsch. Sie erzahlt von der Reise eines Prinzen durch eine feindselige Welt in das Land der Gottermenschen, um seinem armen Volk die Samen des goldenen Korns zu bringen. Inspiriert wurde der Manga vom tibetischen Marchen Der Prinz, der sich in einen Hund verwandelte.
Handlung In einem abgelegenen Tal befindet sich ein kleiner und armer Feudalstaat. Als dessen Prinz Shuna eines Tages einen Reisenden findet, erzahlt dieser ihm kurz vor seinem Tod von goldenem Korn und gibt ihm einige Korner davon. Sie sind viel großer als die im Tal angebauten, aber unfruchtbar. Die Pflanze soll aus dem fernen Westen kommen. Obwohl die Alteren ihn abhalten wollen, macht Shuna sich auf, um die Samen zu finden und seinem Volk zu bringen. Mit seinem Reittier auf der Reise durch das fremde, feindselige Land trifft er Menschenjager und Kannibalen. In einer Stadt sieht er, wie Menschen gehandelt werden. Und er findet erneut das Korn, das die Handler fur die Sklaven einkaufen – von den Gottermenschen im Westen, wo der Mond untergehe. Shuna befreit zwei Madchen aus den Handen der Menschenhandler, die ihm zuvor zum Kauf angeboten wurden und deren altere ihm einen guten Rat gab. Gemeinsam reisen sie zu den Gottermenschen.
Als das Land der Gottermenschen schon in Sicht ist, trennen sich die Wege Shunas und der Madchen. Er schickt sie nach Norden, wahrend er die Klippe und das Meer uberwindet, um sein Ziel zu erreichen. Im Wald des Landes der Gottermenschen trifft er auf ungewohnliche Tiere und dann riesenhafte Wesen, die an ihm vorbei in ihren Tod gehen. Schließlich gelangt er zu einem riesigen Gebaude, umgeben von Ackern. Er beobachtet, wie der „Mond“, eine Art Fluggerat, Menschen in das Gebaude abwirft und daraufhin die Wesen herauskommen und die Acker bestellen, auf denen in großer Geschwindigkeit das goldene Korn wachst. Da greift er sich eine Ahre und flieht, da im selben Moment die Wesen schreien und ihn eine Stimme aufruft einzuhalten. Nach langer Zeit kommt Shuna abgemagert und zerrissen im Bergdorf an, in dem das Madchen Thea mit ihrer Schwester Zuflucht gefunden hat. Sie verstecken ihn vor den misstrauischen Dorflern und pappeln ihn wieder auf. Doch Shuna hat alles vergessen; sogar zu sprechen hat er verlernt. Sie saen das Korn, hegen und schutzen die Pflanzen und als sie die erste Ernte einfahren, kehren Shunas Stimme und sein Gedachtnis zuruck. Als Thea mit einem Mann aus dem Dorf verheiratet werden soll, will sie nur den akzeptieren, der Shunas Reittier bandigen kann. So tritt Shuna vor die Dorfgemeinschaft, kann als Einziger die Bedingung erfullen und wird ihr Mann. Nach einer zweiten Ernte machen sie sich mit der Saat auf in Shunas Heimat.
Entstehung und Veroffentlichung Die Geschichte basiert auf dem tibetischen Marchen Der Prinz, der sich in einen Hund verwandelte. In diesem begibt sich ein Prinz eines armen Landes auf die Reise, um fur sein Volk Gerstensamen vom Schlangenkonig zu stehlen, der ihn zur Strafe in einen Hund verwandelt. Miyazaki wollte das Marchen schon langer als Film umsetzen, fand dafur aber keine Unterstutzer. Schließlich kam der Verlag Tokuma Shoten auf ihn zu, es mit Bildern illustriert als Buch herauszubringen. Zu dieser Zeit hatte Miyazaki mehrere Ideen entwickelt, die er umzusetzen suchte. Die Grundstruktur des Marchens behielt Miyazaki bei, bettete es aber in ein Narrativ zu Sklaverei und uber die Entfremdung des Menschen von der Natur ein. Thea nimmt eine deutlich aktivere Rolle ein als die Frau in der Vorlage. Die Geschichte wird in wenigen Bildern je Seite erzahlt, die in aquarellierten Pastelltonen mit einer deutlichen Dominanz von Blau und Rosa gestaltet sind. Es gibt kaum Sprechblasen, sondern meist nur Blocktext neben den Bildern. Die Form ist fur Manga untypisch und lasst sich den emonogatari, den japanischen Bildergeschichten, zuordnen.
Der Manga erschien erstmals am 15. Juni 1983 bei Tokuma Shoten in Japan. Bis 2022 erschienen keine Ubersetzungen. Im September 2023 erschien eine deutsche Fassung bei Reprodukt. Die Ubersetzung stammt von Nora Bierich. Eine englische Fassung wurde 2022 von First Second Books herausgegeben.
Am 2. Mai 1987 wurde von NHK-FM ein 60-minutiges Horspiel auf Grundlage der Geschichte gesendet. Die Hauptrolle sprach Yoji Matsuda.
Einordnung in das Werk Miyazakis Thea sei mit ihrer aktiven Rolle eine typische Heldin fur Miyazaki, so Alex Dudok de Wit. Der Held Shuna sei edel, aber auch eigensinnig und stolz. Seine Reise tritt er an, um seinen Mitmenschen zu helfen, aber gegen deren Rat und ohne eine anlassgebende Krise, wie in spateren Geschichten Miyazakis, sondern wegen des Versprechens auf ein leichteres Leben. Das Werk zeige deutlich wie kein anderes die Einflusse der Kulturen Asiens auf Miyazaki. So sehe man Statuen, die an die Buddha-Statuen von Bamiyan erinnern, und eine Stadt, die Chiwa ahnelt. Daruber hinaus sind Einflusse aus den Erdsee-Romanen erkennbar, an deren letztlich nicht umgesetzter Adaption Miyazaki zuvor gearbeitet hatte. Weitere Einflusse sind die Landschaften, die an Miyazakis fruheres Werk Sabaku no Tami erinnern. Der auf einem Elch-artigen Tier – einem Jakkul – reitende Protagonist, die weise alte Frau und die Banditen seien dem Film Die Schneekonigin (1957) entlehnt, so Raz Greenberg. Das Werk ist insofern außergewohnlich fur Miyazaki, als er keine andere fur sich alleinstehende Bildergeschichte geschaffen hat.
Motive, Landschaften und Figuren des Mangas lassen sich in mehreren der spateren Werke Miyazakis finden, insbesondere in dem etwa zur gleichen Zeit begonnenen Nausicaa aus dem Tal der Winde, das in einer sehr ahnlichen Welt spielt und dessen Hauptfigur Thea ahnelt. Auch der Film Die Chroniken von Erdsee von 2006, bei dem Hayao Miyazakis Sohn Regie fuhrte, greift einige Elemente von Shunas Reise auf. Handlung und Ambiente spiegeln sich auch in Prinzessin Mononoke wieder, in dem ebenfalls ein Prinz in ein fremdes Land reist. Sein Reittier ist das gleiche wie Shunas. In Mononoke ist die Geschichte aber weiter gereift: Der Held reist nicht, um zuruckzukehren und sein Volk zu retten, sondern um sich selbst von einem Fluch zu befreien und nie zuruckzukehren. Das verbotene und verborgene Land, das von riesenhaften Wesen bevolkert wird, findet sich im Film Das Schloss im Himmel wieder. Die kleine Schwester von Thea zeigt Ahnlichkeit zu Mei aus Mein Nachbar Totoro.
Rezeption Die englische Ausgabe wurde 2023 mit dem Eisner Award fur die beste Ausgabe eines asiatischen Buches ausgezeichnet. Im gleichen Jahr wurde diese Fassung fur den Harvey Award nominiert. Ebenfalls 2023 erhielt der Manga eine Nominierung fur den Preis des Festival International de la Bande Dessinee d’Angouleme fur Werke mit okologischen Themen.
Der Manga fuhre „das zeichnerische Konnen des japanischen Animationsfilmers vor Augen, lasst aber die Komplexitat seiner spateren Arbeiten vermissen“, so Lars von Torne im Tagesspiegel. Der Inspiration, dem tibetanischen Marchen, verlieh Miyazaki mehr Spannung und Tiefe, schrieb Christoph Haas in der Tageszeitung. „Die zauberhaft-verwunschene Atmosphare, die dem Band zu eigen ist und einen von Seite zu Seite mehr gefangen nimmt, verdankt sich dieser Kolorierung, aber auch der freien Erzahlweise Miyazakis. Sie erklart nicht alles, was geschieht, sondern lasst das Wunderbare gerne unangetastet bestehen.“ Die deutsche Fanzeitschrift Funime beschreibt das Werk als „Mischung aus Manga, Kinderbuch und illustrierter Kurzgeschichte.“ „Dominierendes Element sind […] die wunderschonen, detaillierten Farbillustrationen“. „Fazit: Eine schone Geschichte, graphisch beeindruckend umgesetzt, und animehistorisch ausgesprochen bedeutungsvoll“.
Das Buch erzahle eine wunderschone Geschichte, die „knapp, sparsam und klar“ erzahlt werde, so Alex Dudok de Wit. Die Sprache sei einfach wie die einer Fabel, aber Fans konnten „denselben kraftigen, ambivalenten Puls“ spuren, den sie aus anderen Werken Miyazakis kennen. Laut Raz Greenberg ist die Geschichte nicht sehr ausgeklugelt, aber wunderschon umgesetzt mit Nuancen, die jedem Handlungsort seine eigene Atmosphare geben.
Weblinks Eintrag beim Incomplete Manga Guide
Eintrag bei Anime News Network (englisch)
Eintrag bei nausicaa.net
Einzelnachweise | 
	Shunas Reise (japanisch シュナの旅 Shuna no Tabi) ist ein Manga des japanischen Autors und Zeichners Hayao Miyazaki. Die Geschichte erschien 1983 in Japan und 2023 auf Deutsch. Sie erzahlt von der Reise eines Prinzen durch eine feindselige Welt in das Land der Gottermenschen, um seinem armen Volk die Samen des goldenen Korns zu bringen. Inspiriert wurde der Manga vom tibetischen Marchen Der Prinz, der sich in einen Hund verwandelte. | 
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	Eva Bendien (* 8. Januar 1921 in Arnhem; † 8. Marz 2000 in Amsterdam) war eine niederlandische Kunsthandlerin, Galeristin und Grunderin der ersten Galerie fur zeitgenossische Kunst in den Niederlanden.
Leben Eva Bendien war die Tochter des Englischlehrers Carel Herman Bendien (ca. 1878–1971) und von Johanna Maria Bendien (1887–1972). Ihre Eltern waren Idealisten und hingen sozialistischen Ideen an. Sie wurde zwar in eine judische Familie geboren, aber ihre Eltern praktizierten den judischen Glauben nicht, zudem war ihr Vater im Alter von 35 Jahren zum Christentum konvertiert und sehr religios. Sie wuchs mit den beiden jungeren Brudern Jacob „Jaap“ (1922–1944) und Hans in Arnhem in einem kulturell anregenden Umfeld auf. Ihr Vater las als Literaturliebhaber viel mit seinen Kindern. Eva Bendien machte zudem oft Besuche bei ihren Onkeln mutterlicherseits, dem Maler und Fotografen Paul Citroen und dem Zeichner und Maler Jacob Bendien (1899–1933). Bendien lebte mit dem Ehepaar Harrenstein-Schrader, das viele Verbindungen zur Welt der modernen Kunst hatte, in einem von Gerrit Rietveld gestalteten Haus in Amsterdam. Eva Bendien war von dem Haus, seiner Ausstattung und Inneneinrichtung fasziniert. Außerdem unternahm sie Ausstellungs- und Museumsbesuche. Da sie sich am christlichen Lyzeum in Arnhem nicht wohlfuhlte, wurde Eva Bendien von ihren Eltern fur zwei Jahre in die Reformschule Werkplaats Kindergemeenschap des Reformpadagogen Kees Boeke in Bilthoven bei Utrecht geschickt. Danach besuchte sie das Amsterdamer Montessori-Lyzeum, das sie 1939 mit dem „MMS-Diplom“ abschloss. Sie erhielt nie eine formale Ausbildung in Kunst oder Kunstgeschichte, arbeitete aber, vermittelt durch ihren Onkel Paul Citroen, nach Abschluss ihrer Schulausbildung ein Jahr lang als Assistentin des Direktors der Koninklijke Academie van Beeldende Kunsten in Den Haag. Sie durfte an seinen Kunstgeschichtskursen teilnehmen und half bei der Vorbereitung seines Unterrichts.
Wahrend des Zweiten Weltkrieges und der Zeit unter deutscher Besatzung trug Eva Bendien keinen Judenstern und in ihrem Pass war kein „J“ fur ihre Zugehorigkeit zum Judentum eingestempelt. In den ersten Kriegsjahren konnte sie sich noch relativ frei bewegen, versuchte aber, sich unauffallig zu verhalten, und lebte an verschiedenen Adressen im ganzen Land. In Bergen war sie als Gesellschafterin einer Pfarrerswitwe tatig, erhielt „eine Art Privatunterricht“ in Kunstgeschichte bei dem Kunstkritiker Kaspar Niehaus, den sie dort kennengelernt hatte, und verbrachte viel Zeit mit dem Bildhauer John Radecker. In Amsterdam arbeitete sie mehrere Monate bei der Kunsthandlung Van Pampus in Amsterdam und 1942 fur ein halbes Jahr bei Johannes Henricus de Bois (J. H. de Bois) in Haarlem. Unter anderem hielt sie sich auch in Sneek, Boekelo und Bornebroek auf. Gegen Ende des Krieges versteckte sie sich, ebenso wie ihre Eltern, in den Waldern bei Nunspeet im Het Verscholen Dorp, das Unterschlupf fur Untergetauchte bot. Ihr Bruder Jacob starb Ende Juni 1944 in Mitteleuropa.
Nach der Befreiung der Niederlande im Mai 1945 wohnte sie in einem Haus an der Amsterdamer Prinsengracht, fand eine Aushilfsstelle im Rijksmuseum Amsterdam und unternahm erste Schritte, selbst mit Kunst zu handeln. So versuchte sie etwa, Kaufer fur Grafiken zu finden, die Paul Citroen ihr anvertraut hatte. 1946 konnte sie mit der finanziellen Unterstutzung ihrer Eltern ihren Traum einer Reise nach Paris umsetzen. Sie verbrachte sechs Monate dort, arbeitete sich systematisch durch die Galerien und Museen und versuchte, alles zu sehen, was es an Kunst zu sehen gab, und die Pariser Kunstwelt kennenzulernen. Zuruck in den Niederlanden heiratete sie um 1946/47 den Kunstler Johannes „Jan“ Christiaan Peeters (1912–1992), der zur Kunstlergruppe De Realisten gehorte. Das Paar bekam einen Sohn, aber die Ehe wurde 1951/52 geschieden. Nach der Scheidung zog Eva Bendien mit ihrem Kind nach Heemstede und begann bei der Amsterdamer Kunsthandlung M. L. de Boer in der Keizersgracht zu arbeiten, wurde jedoch wegen ihrer Fehlzeiten, in denen sie sich um ihr Kind kummern musste, entlassen. Sie bezog dann Arbeitslosengeld und plante zusammen mit Polly Chapon-Meure, die sie in Amsterdam kennengelernt hatte, eine Galerie fur zeitgenossische Kunst. Im November 1956 eroffneten sie gemeinsam ihre Galerie Espace im Klein Heiligland 36 in Haarlem. 1960 verlegten sie den Sitz der Galerie in die Keizersgracht 548 in Amsterdam, das fur Vertreter der nationalen, aber auch internationalen Kunstwelt, wie Museumsdirektoren, Handler und Sammler, besser erreichbar war. Ab 1963/64 fuhrte Eva Bendien die Galerie alleine, nachdem Polly Chapon-Meure nach Brussel gegangen war, um ihre eigene Galerie Contour zu eroffnen.
1965 ubernahm der ehemalige Medizinstudent Rutger Frederik Jan Noordhoek Hegt (1933–2007) als neuer Partner die Verwaltung der Galerie. Er begleitete Eva Bendien auch bei ihren Atelierbesuchen und Reisen zu internationalen Kunstveranstaltungen wie der Biennale di Venezia oder der Documenta in Kassel. Aus dieser geschaftlichen Partnerschaft entwickelte sich eine Beziehung, sie heirateten und verbrachten ihre Freizeit oft in ihrem Landhaus im „Land van Maas en Waal“, einer Region in der niederlandischen Provinz Gelderland zwischen den Flussen Maas und Waal.
Eva Bendien starb im Marz 2000 in Amsterdam und wurde auf dem Nieuwe Oosterbegraafplaats in Amsterdam beigesetzt.
Wirken als Galeristin in der Galerie Espace Die Galerie war eine der ersten Galerien fur zeitgenossische Kunst in den Niederlanden und war als solche von großer Bedeutung. Sie befand sich im Atelier des Malers Jules Chapon, Ehemann von Polly Chapon-Meure, im Klein Heiligland 36 in Haarlem. Die Eroffnungsausstellung 1956/57 zeigte Werke von Theo Wolvecamp, Wessel Couzijn, Serge Vandercam und Emilio Scanavino sowie von Karel Appel und Corneille, die zusammen mit anderen CoBrA-Kunstlern in den kommenden Jahren zu den Kernausstellern des Espace zahlten. Karel Appel und Corneille waren Eva Bendien aus ihrer Zeit bei der Amsterdamer Kunsthandlung M. L. de Boer bekannt, die die beiden Kunstler seinerzeit nicht ausstellen wollte. Auch Kunstler wie Anton Heyboer, Lucebert und Hugo Claus stellten dort aus. Ab den 1960er Jahren vertrat Eva Bendien aus der jungeren Kunstlergeneration unter anderem auch Breyten Breytenbach, Klaas Gubbels, Reinier Lucassen, Shinkichi Tajiri, Pieter Holstein, Sipke Huismans und langjahrig Pierre Alechinsky und Roger Raveel. Eva Bendien vertrat bestimmte Kunstrichtungen, die ihr nichts bedeuteten, bewusst nicht, wie geometrisch-abstrakte und surreale Kunst sowie Videokunst.
Nach dem Umzug der Galerie in die Amsterdamer Keizersgracht 548 eroffneten Eva Bendien und Polly Chapon 1960 im ersten Stock des Hauses die erste Ausstellung, die auch das niederlandische Debut des chinesischen Kunstlers Walasse Ting war. Im Laufe der Zeit stieg die nationale und bald auch internationale Bekanntheit. So vertraten die beiden Galeristinnen 1963 beim „Salon International des Galeries Pilotes du Monde“ im Musee cantonal des Beaux-Arts de Lausanne zusammen mit der Galerie d’Eendt die Niederlande. Die Ausstellung wurde vom Innenarchitekten und Designer Benno Premsela entworfen, der auch andere Espace-Ausstellungen entwarf. Um 1970 fand eine Ausstellung kleiner handbemalter „Nanas“ von Niki de Saint-Phalle statt.
Ab November 1990 bestand ein zweiter Standort der Galerie in der Kerkstraat 276 in Amsterdam. Dieser wurde von Anneke Oele, ehemalige Kuratorin am Stadtischen Museum Arnhem, geleitet. In der Kerkstraat wurden auch große Retrospektivausstellungen gezeigt. Die letzte Ausstellung mit Werken von Mark Brusse wurde am 5. September 1993 eroffnet.
1997 wurde das vierzigjahrige Jubilaum der Galerie Espace mit einer Ausstellung in der Galerie und einer Ausstellung „40 Jahre Espace“ in der „Vleeshal“ in Haarlem gefeiert. Zuletzt kamen Ausstellungen von Kunstschaffenden wie Gabrielle van de Laak, Tjibbe Hooghiemstra und Ronald Noorman dazu. Die Galerie war mittlerweile so renommiert und etabliert, dass Eva Bendien keine neuen Kunstler mehr aufnahm, da sie der Uberzeugung war, dass es wichtiger sei, sich fur die bislang von der Galerie betreuten Kunstler einzusetzen und ihre Arbeit und Bekanntheit zu fordern. Nach Eva Bendiens Tod im Jahr 2000 fuhrte Rutger Noordhoek Hegt die Galerie bis zu seinem Tod im Jahr 2007 weiter.
Das Galeriearchiv befindet sich im Besitz des RKD – Nederlands Instituut voor Kunstgeschiedenis. Es enthalt unter anderem die von Eva Bendien und Rutger Noordhoek Hegt erstellten Dokumentationsarchive mit Ordnern zu den einzelnen Kunstlern, personliche, haushaltsbezogene und geschaftliche Notizen, Geschaftskorrespondenz, Einladungen, Plakate und personliche Briefe von Kunstlerfreunden.
		
			
			
		
		
			
			
		
		
			
			
		
		
			
			
		
		
			
			
		
Weblinks Eva Bendien. Biografische Daten und Werke im Niederlandischen Institut fur Kunstgeschichte (niederlandisch)
Anna de Haas: Bendien, Eva (1921–2000). In: Digitaal Vrouwenlexicon van Nederland. Huygens-Institut fur die Geschichte der Niederlande (Hrsg.)
Fotos von Eva Bendien und Galerie Espace. In: Nederlands Fotomuseum
Einzelnachweise | 
	Eva Bendien (* 8. Januar 1921 in Arnhem; † 8. Marz 2000 in Amsterdam) war eine niederlandische Kunsthandlerin, Galeristin und Grunderin der ersten Galerie fur zeitgenossische Kunst in den Niederlanden. | 
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  "url": "https://de.wikipedia.org/wiki/Eva_Bendien"
} | 
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	c-540 | 
	Justus H. Schwab (geboren 1847 in Frankfurt am Main; gestorben 17. Dezember 1900 in New York City) war der Betreiber einer New Yorker Kneipe, die als Treffpunkt fur Radikale galt, und eine wichtige Figur in der New Yorker anarchistischen Bewegung.
Leben Justus Schwab wurde 1847 in Frankfurt am Main geboren. Sein Vater war vermutlich auch Wirt und in der Deutschen Revolution 1848/1849 aktiv gewesen. Schwab war gelernter Maurer und wanderte 1869 nach New York aus. Moglicherweise wurde er 1873 arbeitslos und trat der deutschen Sektion der Workingmen’s Association bei. Bei einer Demonstration auf dem Tompkins Square im Januar 1874 wurde er festgenommen, nachdem er und andere deutsche Sozialisten von der Polizei geprugelt worden waren und er im Anschluss mit einer roten Flagge und die Marseillaise singend auf den Platz zuruckgekehrt war. Er heiratete kurz darauf Louisa, mit der er zwei Sohne und zwei Tochter hatte. 1876 wurde er wegen des Verkaufs von Bier an einem Sonntag festgenommen, aber nach einer Anhorung freigelassen, es folgte 1877 eine Festnahme nach der Teilnahme an einer Versammlung. 1879 war Schwab Mitglied der Socialist Labor Party, von der er sich aber schon bald abwendete, weil er ihre reformistische Strategie ablehnte und die Zusammenarbeit mit der Greenback Party verurteilte. Nach einer Auseinandersetzung mit Charles Sotheran uber die unterschiedlichen Positionen zu Wahlen kam es sogar zu einer Schlagerei. Er abonnierte Johann Mosts Zeitschrift Freiheit und grundete mit anderen linken Sozialisten eine Gruppe, die sich spater als Sozial-Revolutionarer Klub konstituierte, fur die Schwab 1882 an einem anarchistischen Kongress in Chicago teilnahm. Wahrend Mosts Uberfahrt nach New York 1882 ubertrug er Schwab die Herausgabe der Freiheit und Schwab unterstutzte Most auch nach der Ankunft in New York, bis er 1886 wegen Mosts Haltung zu Gewalt mit ihm brach. 
Im Jahr 1895 erkrankte Schwab an Tuberkulose und war bis zu seinem Tod am 17. Dezember 1900 bettlagerig. Beim Trauermarsch zu seiner Kremation waren mehr als 2000 Menschen anwesend. John Swinton und Johann Most hielten Trauerreden. In ihrer Autobiographie schreibt Emma Goldman, die eine gute Freundin Schwabs war:
Fur Joseph Cohen war Schwab „das Zentrum und die Seele der anarchistischen Bewegung in New York, sowohl unter amerikanischen als auch deutschen Genossen.“ Nach Schwabs Tod ubernahm sein Sohn Justus Jr. die Kneipe.
Schwabs Kneipe Schwabs Kneipe mit der Adresse 50 First Street in der Lower East Side befand sich im Untergeschoss eines funfstockigen Hauses und war mit gerahmten Szenen der franzosischen Revolution und einer Shakespeare-Buste dekoriert. Sie wurde wegen ihrer Kellerlage auch „Bierhohle“ (als Wortwitz auf Bierhalle) genannt; Schwab bewarb sie auch als „Pechvogel’s Hauptquartier“ und mit dem Motto „Thu’ des Maul nit unnutz auf, Red’ was Geistreich’s oder sauf“. Gesang war ein fester Bestandteil der Kneipenatmosphare. Schwab war selbst Mitglied der Arbeiter-Liedertafel und sang gelegentlich unterhaltsame Lieder oder spielte auf dem alten Klavier die Marseillaise oder die Internationale. Er hielt auch eine umfangreiche Bibliothek sozialistischer und anarchistischer Literatur bereit. Wenn Journalisten wie Nellie Bly das Lokal besuchten, zeigten sie sich nicht nur erstaunt daruber, dass Manner und Frauen durch die gleiche Tur eintraten und die Gaste sich duzten, sondern auch schockiert uber die auf einer Tafel lesbaren Slogans wie „The bright sun rises in his course and salutes a race of slaves“ (deutsch etwa: „Die helle Sonne geht auf und grußt eine Rasse von Sklaven“). Laut Joseph Cohen sei der Konflikt zwischen Most und Schwab auch an der Frage des Umgangs mit schwierigen Gasten entbrannt; nachdem Schwab Most gebeten habe, in der Freiheit gegen diese „antisozialen Elemente“ zu schreiben, verweigerte dieser die Bitte mit dem Hinweis, es handle sich um die Opfer der sozialen Ordnung.
Zu den Gasten der Kneipe, die sich unter den Radikalen und Bohemiens der East Side großer Beliebtheit erfreute, gehorten Ambrose Bierce, Sadakichi Hartman und der Kunst- und Literaturkritiker James Huneker. Claus Timmermann gab sie als Buroadresse seiner kurzlebigen Zeitschrift Sturmvogel an, und auch Emma Goldman nutze die Kneipe als Postadresse. Sie beschrieb Schwabs Kneipe als „Mekka fur die franzosischen Kommunarden, spanische und italienische Fluchtlinge, russische politisch Verfolgte und deutsche Sozialisten und Anarchisten, die vor Bismarcks eisernem Stiefel flohen“. Samuel Gompers berichtet in seiner Autobiografie, dass das Etablissement sogar in Europa beruhmt gewesen sei und „das internationale Postamt und Informationszentrum der Revolution“ dargestellt habe. In den 1880ern war New York weltweit die Stadt mit der drittgroßten Anzahl an deutschsprachigen Bewohnern nach Berlin und Wien, sodass auch Schwabs Gaste hauptsachlich Deutsch sprachen. Auch fur aus Russland emigrierte Juden stellte die Kneipe einen wichtigen Treffpunkt dar. Seit 2012 erinnert eine von der Greenwich Village Society for Historic Preservation angebrachte Gedenktafel am Gebaude der Kneipe an ihre Geschichte.
Weblinks Einzelnachweise | 
	Justus H. Schwab (geboren 1847 in Frankfurt am Main; gestorben 17. Dezember 1900 in New York City) war der Betreiber einer New Yorker Kneipe, die als Treffpunkt fur Radikale galt, und eine wichtige Figur in der New Yorker anarchistischen Bewegung. | 
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	c-541 | 
	Das Memorial to Heroic Self-Sacrifice (deutsch Denkmal fur heldenhafte Selbstaufopferung) ist eine Gedenkstatte in London, die an einfache Menschen erinnert, die bei dem Versuch starben, anderen Menschen das Leben zu retten. Sie befindet sich im Postman’s Park, wenige hundert Meter nordlich der St Paul’s Cathedral.
Geschichte des Denkmals = Vorgeschichte =
Das Memorial to Heroic Self-Sacrifice geht auf den Maler und Bildhauer George Frederic Watts zuruck. Er verfolgte schon ab den 1860er Jahren die Idee, ein Denkmal fur gewohnliche Menschen zu schaffen, die anderen Menschen das Leben gerettet (oder es zumindest versucht) und dabei ihr Leben geopfert hatten, die aber in Vergessenheit zu geraten drohten. Im August 1866 teilte Watts seinem Gonner Charles Rickards mit, er plane zu diesem Zweck die Errichtung einer Kolossalstatue aus Bronze im Hyde Park. Das Projekt scheiterte allerdings an der Finanzierung.
Anlasslich des Goldenen Thronjubilaums von Konigin Victoria im Jahr 1887 schrieb Watts einen Leserbrief an die Times:
Watts schwebte nun eine Anlage ahnlich einem Camposanto vor – eine Art Kreuzgang, auf dessen Marmorwanden die Namen der Verstorbenen eingraviert werden sollten. Auch mit diesem Vorschlag konnte er sich jedoch nicht durchsetzen.
Watts und seine zweite Frau Mary verfolgten ihre Plane fur die Errichtung eines Denkmals fur Lebensretter mit so viel Leidenschaft, dass sie ihr Testament anderten und den großten Teil ihres Vermogens fur diesen Zweck verwenden wollten. Sie zogen sogar den Verkauf ihrer Londoner Immobilie in Erwagung. Watts glaubte dabei, sein Denkmal in London wurde nur das erste einer ganzen Reihe ahnlicher Denkmaler im ganzen Land sein.
= 1898 bis 2009 =
1898 schlug ein Freund von Watts dem Pfarrer von St Botolph’s Aldersgate vor, das Denkmal in einfacherer und kleinerer Form in der neuesten Erweiterung des Postman’s Park zu errichten. Watts erklarte sich einverstanden.
Nach Planen des Architekten Ernest George wurde an der Außenwand eines Gebaudes im nordwestlichen Teil des Parks ein 15 m langer und 2,7 m hoher, offener holzerner Anbau mit Ziegeldach errichtet. Der Langsbalken unterhalb der Dachkante tragt die Inschrift „IN COMMEMORATION OF HEROIC SELF-SACRIFICE“. Entlang der gesamten Wand wurde außerdem eine holzerne Sitzbank angebracht. Die gesamten Baukosten (ohne Gedenktafeln) betrugen 402 Pfund (nach anderen Quellen 700 Pfund).
Anstatt die Namen in Marmorplatten zu meißeln, sollten aus Kostengrunden nun handbemalte und glasierte Tafeln aus Keramik zum Einsatz kommen. Fur die Gestaltung der ersten Tafeln wurde der Kunstler William De Morgan engagiert, der kurz zuvor schon mit George Frederick Watts Ehefrau Mary Seton Watts zusammengearbeitet hatte.
Links neben der eigentlichen Gedenkwand befindet sich eine Informationstafel, die ebenfalls aus Keramikfliesen zusammengesetzt und im gleichen Stil bemalt ist wie die Gedenktafeln von William De Morgan. Neben einem kurzen Text zur Entstehungsgeschichte des Denkmals sind dort auch zwei Zitate zu lesen, namlich einmal ein Satz aus Watts’ Leserbrief an die Times:
und zum anderen ein Vers aus dem Johannesevangelium:
Insgesamt bot die terrakottafarben geflieste Wand in sechs flachen Nischen Platz fur 120 Tafeln in funf Reihen ubereinander (je vier Tafeln pro Reihe in jeder Nische). Zum Zeitpunkt der Eroffnung am 30. Juli 1900 waren jedoch erst vier Tafeln angebracht.
Im Mai 1902 wurden die nachsten 9 Gedenktafeln enthullt. Nach dem Tod von George Frederic Watts am 1. Juli 1904 fuhrte seine Witwe Mary das Projekt weiter. 1905 wurde die mittlere (dritte) Reihe mit weiteren elf Tafeln komplettiert. Gleichzeitig wurde in der Mitte der Wand ein kleines holzernes Halbrelief angebracht, das von Thomas H. Wren gestaltet worden war und das den Ideengeber George Frederick Watts zeigt.
1908 wurden weitere 24 Tafeln angebracht und damit die vierte Reihe auf einen Schlag gefullt. Da sich William De Morgan 1906 aus der Keramikkunst zuruckgezogen hatte, um sich der Schriftstellerei zu widmen, wurden die neuen Fliesen von Royal Doulton in Lambeth hergestellt.
1919 wurde eine einzelne Tafel angebracht (fur den Polizisten Alfred Smith, der 1917 bei einem deutschen Luftangriff umgekommen war).
1927 wandte sich der Gemeindeschreiber von St Botolph’s an Watts’ Witwe Mary und schlug vor, mit der Installation neuer Tafeln fortzufahren. Eine Spendensammlung im Mai 1929 erbrachte statt der erhofften 500 Pfund allerdings nur 250 Pfund. Davon wurden 30 Pfund fur die Renovierung des schon etwas heruntergekommenen Denkmals aufgewendet, so dass noch 220 Pfund fur neue Tafeln zur Verfugung standen. Zunachst sollten die zu ehrenden Personen aus den von Watts gesammelten Namen ausgewahlt werden, doch diese Falle erschienen dem zustandigen Komitee als „zu viktorianisch“. Daher wurden die British Medical Association, die Metropolitan Police und (in Anbetracht des Namens des Parks) die Post gebeten, jeweils aus ihren Reihen geeignete Kandidaten vorzuschlagen. Nur die Polizei antwortete und nominierte drei umgekommene Polizisten (nach anderen Quellen hatte die Polizei durch eine Spendensammlung auch die Kosten fur die drei Tafeln aufgebracht). Die drei neuen Gedenktafeln wurden im Oktober 1930 in einer feierlichen Zeremonie enthullt. Außerdem wurde eine von De Morgan fehlerhaft beschriftete Tafel ersetzt. Da sich die Fliesen von Royal Doulton jedoch stilistisch deutlich von denen De Morgans unterschieden, wurde die Ersatztafel nicht mehr in der dritten Reihe platziert, sondern zusammen mit den drei anderen in der zweiten Reihe. Die Kosten fur eine Tafel betrugen zu diesem Zeitpunkt neun Pfund.
Die Lucke in der dritten Reihe wurde im Jahr 1931 mit einer weiteren Tafel geschlossen. Um das einheitliche Erscheinungsbild zu wahren, engagierte Mary fur diese eine Tafel den Kunstler Fred Passenger, der schon fruher fur De Morgan gearbeitet hatte.
Nach Marys Tod im Jahr 1938 wurde das Projekt zunachst nicht weiter verfolgt und das Denkmal blieb unvollendet. Die jungste Erganzung stammt von 2009 und erinnert an den 30-jahrigen Drucker Leigh Pitt, der einen neunjahrigen Jungen vor dem Ertrinken gerettet hatte und dabei selbst umgekommen war.
= Diskussion um weitere Tafeln =
Watts selbst hatte noch zu seinen Lebzeiten 120 Falle von Selbstaufopferung ausgewahlt, mit denen das Denkmal komplett gefullt werden sollte. Das Hinzufugen von Personen aus neuerer Zeit macht also streng genommen die Moglichkeit zunichte, das Denkmal doch noch in der ursprunglich von Watts angedachten Form vollenden zu konnen.
Nach der Enthullung der Tafel fur Leigh Pitt ging bei der Corporation of London und der Diozese London ein weiterer Vorschlag ein. Im Juli 2010 wurde ein Komitee gegrundet, in dem alle involvierten Interessensgruppen vertreten waren. Nach ausgiebigen Diskussionen entschied das Komitee, es sei „nicht langer angemessen, weitere Gedenktafeln zur Wand hinzuzufugen“. Als Begrundung wurden folgende Punkte genannt:
Die Gedenkstatte war ein personliches Projekt von G. F. Watts und sein personlicher Einfluss ist fur sie von zentraler Bedeutung.
Die Gedenkstatte wurde zu einer Zeit konzipiert, als es noch kaum Orden und Ehrenzeichen gab, mit denen Zivilisten fur solche tapferen Taten (auch postum) geehrt werden konnten. Durch die Einfuhrung solcher Auszeichnungen ist einer der Grunde fur die Errichtung des Denkmals entfallen.
Die Sprache des Viktorianischen Zeitalters auf den Tafeln und deren kunstlerische Gestaltung tragen heute wesentlich zu dem besonderen Reiz des Denkmals bei. Die Anbringung neuer Tafeln wurde diesen Effekt verwassern.
2013 wurde aus den Interessengruppen erneut ein Komitee gebildet, das sich zukunftig um den Schutz und die Erhaltung des Denkmals kummern soll.
2021 unterzeichneten knapp 150.000 Menschen eine Petition, in der gefordert wurde, Folajimi Olubunmi-Adewole mit einer Tafel auf dem Denkmal zu ehren. Der Zwanzigjahrige war am 24. April desselben Jahres in der Nahe der London Bridge in die Themse gesprungen, um eine ihm unbekannte Einundzwanzigjahrige zu retten. Die Frau uberlebte, er selbst ertrank.
Die Tafeln = Allgemeine Beschreibung =
Insgesamt besteht das Denkmal derzeit (Stand: 2024) aus 54 Tafeln, davon sechs in der zweiten und jeweils 24 in der dritten und vierten Reihe.
Die Große ist nicht bei allen Tafeln exakt gleich, aber bei den meisten liegt sie bei etwa 30 × 50 cm. Wahrend die ursprunglichen vier Tafeln aus je zwei speziell angefertigten rechteckigen Keramikfliesen bestanden, waren die nachsten Tafeln aus Kostengrunden aus kleineren quadratischen Fliesen mit der Standard-Kantenlange von gut 15 cm zusammengesetzt. Spater wurden auch andere Fliesengroßen verwendet.
Auf die einfarbig weißen Fliesen wurden der Text und die Ornamente von Hand aufgemalt, wobei die Farbe bei den alten Tafeln von De Morgan grau-grun, bei den neueren von Royal Doulton eher blaulich-violett ist. Auf jeder Tafel ist neben dem Namen des oder der Verstorbenen und dem Todesdatum eine kurze Schilderung der Todesumstande zu lesen. Außerdem sind die Tafeln mit Ornamenten verziert – diese sind großtenteils eher floraler oder abstrakter Natur, teilweise aber auch thematisch an den jeweiligen Todesfall angelehnt. So sind etwa auf der Tafel fur Mary Rogers, eine Stewardess, die 1899 mit der Stella unterging, ein Schiff und ein Anker abgebildet, und auf der neuesten Tafel fur den ertrunkenen Leigh Pitt sind mehrere Fische zu sehen.
= Auswahl der Namen =
Watts fand die Namen vor allem durch Zeitungsmeldungen, in denen uber die jeweiligen Unglucksfalle berichtet wurde. Aus dieser Sammlung von Zeitungsausschnitten wahlte er dann die 120 Falle fur die Gedenkwand aus. Eine Uberprufung der Meldungen oder auch nur ein Quervergleich mit den Artikeln in anderen Zeitungen fand nicht statt. Dies fuhrte nicht nur dazu, dass in etlichen Fallen auf den Tafeln die Namen von Personen falsch geschrieben oder Daten falsch wiedergegeben wurden – mindestens einer der Unglucksfalle (der von G. Garnish) hat sich mit großer Wahrscheinlichkeit nie ereignet. Die entsprechende Zeitungsmeldung war ein Hoax, was sich schon wenige Tage spater herausstellte und was auch in der Zeitung zu lesen war, von Watts aber offensichtlich nicht zur Kenntnis genommen wurde.
Auf dem Denkmal werden derzeit (Stand: 2024) 62 Personen genannt, davon acht Kinder, neun Frauen und 45 Manner. Unter letzteren befinden sich sechs Polizisten und zwei Feuerwehrmanner.
Der am langsten zuruckliegende Todesfall ist der von Sarah Smith, einer Pantomimin im Prince’s Theatre, deren eigenes Kleid 1863 Feuer fing, als sie versuchte, eine Kollegin zu loschen, der letzte der des bereits erwahnten Leigh Pitt. Die jungste erwahnte Person ist der 8-jahrige Henry James Bristow, der 1890 ebenfalls todliche Verbrennungen erlitt, als er seine kleine Schwester loschte. Die alteste ist mit 61 Jahren Daniel Pemberton, ein Vorarbeiter der London and South Western Railway, der 1903 noch seinen Kollegen aus dem Gleis stieß, dann aber selbst vom Zug erfasst wurde. Die Tafel mit den meisten Namen erinnert an vier Arbeiter eines Abwasserpumpwerks in East Ham, die 1895 bei dem Versuch umgekommen waren, einen Kollegen zu retten (das ist auch die Tafel, die 1930 ersetzt wurde).
= Tabellarische Auflistung der einzelnen Tafeln =
= Mobile App =
Im Jahr 2013 wurde eine Mobile App fur iOS und Android veroffentlicht. Nutzer der App konnten die Tafeln des Denkmals mit der Kamera ihres Mobiltelefons scannen und erhielten dann weiterfuhrende Informationen uber die verstorbene Person und die Umstande ihres Todes. Außerdem konnten mittels einer interaktiven Karte Veranstaltungen und interessante Orte gefunden werden.
Denkmalschutz Das Memorial to Heroic Self Sacrifice wird in der Denkmalliste als „besonders bedeutendes Bauwerk von allgemeinem Interesse“ (Grade II*) gefuhrt.
Kunstlerische Rezeption = Film =
In dem 2004 erschienenen Film Hautnah benutzt eine von Natalie Portman gespielte Person drei Jahre lang den Namen Alice Ayres. Erst spater entdeckt der von Jude Law gespielte mannliche Protagonist, dass sie diesen Namen einer der Gedenktafeln entnommen hatte.
= Musik =
Der britische Komponist Howard Goodall ließ sich von dem Denkmal zu einem zwolfminutigen Stuck fur Kammerorchester mit dem Titel The Ordinary Heroes of Postman’s Park inspirieren. Die Urauffuhrung durch das English Chamber Orchestra unter Andrew Litton fand am 16. Juni 2022 in der Londoner Cadogan Hall statt. Dem Werk ist das bereits oben erwahnte Zitat aus Watts’ Leserbrief an die Times vorangestellt: “The material prosperity of a nation is not an abiding possession: the deeds of its people are”.
Literatur John Price: Postman’s Park: G. F. Watts’s Memorial to Heroic Self-Sacrifice, Watts Gallery, Compton (Surrey) 2008, ISBN 978-0-9561022-1-8.
John Price: Heroes of Postman’s Park: Heroic Self-Sacrifice in Victorian London, The History Press, 2015, ISBN 978-0-7509-5643-7.
Richard Jones, Adam Wood: Edgar’s Guide to Postman’s Park, Indiana University Press, August 2022, ISBN 978-1-8382342-2-5.
Weblinks Mike Dash: On Heroic Self-Sacrifice: a London Park Devoted to Those Most Worth Remembering im Smithsonian Magazine, 19. Marz 2012
Einzelnachweise | 
	Das Memorial to Heroic Self-Sacrifice (deutsch Denkmal fur heldenhafte Selbstaufopferung) ist eine Gedenkstatte in London, die an einfache Menschen erinnert, die bei dem Versuch starben, anderen Menschen das Leben zu retten. Sie befindet sich im Postman’s Park, wenige hundert Meter nordlich der St Paul’s Cathedral. | 
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  "url": "https://de.wikipedia.org/wiki/Memorial_to_Heroic_Self-Sacrifice"
} | 
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	c-542 | 
	Der Innerkoflerturm (ladinisch Piza Innerkofler, Ciampanil Innerkofler, italienisch Torre Innerkofler) ist ein 3081 m s.l.m. hoher Gipfel der Langkofelgruppe, eines Gebirgsstocks in den Grodner Dolomiten, an der Grenze zwischen Sudtirol und dem Trentino in Italien. Benannt ist der Innerkoflerturm nach Michl Innerkofler, der diesen im August 1880 zum ersten Mal bestiegen hat.
Lage, Beschreibung, Zugang Das Gebirgsmassiv der Langkofelgruppe erhebt sich zwischen dem Grodner Tal und dem Fassatal, fallt im Westen zur Seiser Alm ab und ist im Osten durch das Sellajoch vom Sellamassiv getrennt. Der Innerkoflerturm ist der dritthochste Gipfel der Langkofelgruppe, wird aber von der ostlich direkt daneben gelegenen Grohmannspitze (3114 m) dominiert, von der er durch die Grohmannscharte getrennt ist. Westlich des Gipfels befindet sich  – getrennt durch die Zahnkofelscharte – der Zahnkofel (3000 m). Die Funffingerspitze, die Grohmannspitze, der Innerkoflerturm und der Zahnkofel bilden eine Gipfelkette, die sich zum Sellajoch offnet.
Der Zugang zum Innerkoflerturm ist von mehreren Seiten moglich, er wird meist jedoch vom Sellajoch her bestiegen. Vom Sellajoch kommend geht man zum Rifugio Valentini und dann auf dem Fahrweg zum Sattel des Col Rodella und von dort uber einen Rucken zum Fuß der Grohmannspitze; unter dieser wird zum Innerkoflerturm gequert. Eine Besteigung ist nur fur Kletterer moglich, fur diese eroffnen sich einige Moglichkeiten (siehe Alpinismus).
Geschichte der Besteigung Erstmals bestiegen wurde der Turm von Michael Innerkofler im August 1880 uber den Normalweg, allerdings eher zufallig, da er eigentlich die Grohmannspitze besteigen wollte, sich aber im Gipfel geirrt hatte, da er zum ersten Mal in der Langkofelgruppe unterwegs war.
Am 18. August 1908 eroffnete Luigi Rizzi mit Guido Maier, Max Mayer und G. Davarda eine Tour durch den beruchtigten „Rizzikamin“, einen 500 m hohen, sehr tiefen, innen meist feuchten, eher abweisenden Kamin. Selbst der damalige Kletterstar Paul Preuß hatte bei der zweiten Begehung Schwierigkeiten, sie galt lange als eine der schwersten Routen. Heini Holzer gelang am 22. Dezember 1971 die erste Winterbegehung im Alleingang, er stieg auch durch den Kamin wieder ab.
Die Innerkoflerturm-Ostwand wurde erstmals am 6. August 1910 von Angelo Dibona, Luigi Rizzi, Guido und Max Mayer in einer Ost-West-Uberschreitung begangen. Die nach dem Erstbesteiger benannte „Dibona“ ist auch heute noch eine beliebte Klettertour.
Alpinismus Obwohl der Innerkoflerturm der dritthochste Gipfel der Langkofelgruppe ist, wird er vergleichsweise selten bestiegen. Selbst der Normalweg auf den Gipfel ist anspruchsvoll, er hat einige Stellen, die der Schwierigkeit UIAA 3 entsprechen. Es ist kein Wanderweg und nicht gesichert.
Fur Kletterer gibt es einige lohnende Klettertouren, beliebt ist die „Dibona“  (siehe oben) und die „Via del Calice“ in der Innerkoflerturm-Sudwand. Der Abstieg von beiden Touren erfolgt uber den Normalweg.
Fur Eistouren ist das Eis-Couloir Mistica beliebt, das bei moderaten Schwierigkeiten vom Kar bis zum Gipfelplateau des Innerkoflerturms fuhrt.
	Innerkoflerturm
		
			
			
		
		
			
			
		
		
			
			
		
Weblinks Einzelnachweise | 
	Der Innerkoflerturm (ladinisch Piza Innerkofler, Ciampanil Innerkofler, italienisch Torre Innerkofler) ist ein 3081 m s.l.m. hoher Gipfel der Langkofelgruppe, eines Gebirgsstocks in den Grodner Dolomiten, an der Grenze zwischen Sudtirol und dem Trentino in Italien. Benannt ist der Innerkoflerturm nach Michl Innerkofler, der diesen im August 1880 zum ersten Mal bestiegen hat. | 
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  "url": "https://de.wikipedia.org/wiki/Innerkoflerturm"
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	c-543 | 
	Helen Holmes (* 19. Juni 1892 in Cook County; † 8. Juli 1950 in Burbank) war eine US-amerikanische Schauspielerin, Drehbuchautorin, Regisseurin und Filmproduzentin. Bekannt wurde sie vor allem fur ihre Hauptrolle im Abenteuer-Serial The Hazards of Helen. Es nahm im Vergleich zu anderen damaligen Serials mit weiblichen Charakteren eine besondere Rolle ein, unter anderem da Holmes’ Figur sich eigenstandig aus gefahrlichen Situationen rettete und die Darstellerin die Stunts selber ausfuhrte. Deswegen wird die Reihe mitunter als erstes Action-Franchise der Kinogeschichte angesehen. Holmes war durch die beliebte Reihe in der Offentlichkeit bekannt, wobei sich ihre Popularitat durch nach dem Ende von The Hazards of Helen gedrehte, ahnliche Produktionen weiter steigerte.
Trotz ihrer insgesamt relativ kurzen Karriere im Filmgeschaft wird Holmes von einigen Filmhistorikern aufgrund der von ihr verkorperten emanzipierten Frauen sowie ihrer Tatigkeit als eine der wenigen weiblichen US-amerikanischen Filmschaffenden im fruhen 20. Jahrhundert als Vorreiterin bezeichnet.
Fruhe Jahre Uber Helen Holmes’ fruhes Leben finden sich nur wenige gesicherte Fakten. Ihr Vater Louis war 25 Jahre vor ihrer Geburt aus Norwegen in die Vereinigten Staaten eingewandert und arbeitete zunachst als Angestellter fur die Eisenbahngesellschaft Illinois Central Railroad, anschließend fur die Chicago and Eastern Illinois Railroad. Wie Holmes spater berichtete, brachte er ihr das Steuern einer Lokomotive bei. Er und seine Ehefrau Sophia hatten außer Helen einen alteren Sohn sowie eine jungere Tochter.
Zu Holmes’ Geburtsdatum und -ort gibt es unterschiedliche Angaben. Laut einem Sachbuch von 1990 wurde sie am 7. Juli 1892 in Louisville geboren. Andere Quellen geben stattdessen 1891 oder 1894 als Geburtsjahr sowie South Bend als Geburtsort an. Letztere Information basiert womoglich auf einem Interview von Holmes, in dem sie behauptete, auf einer Farm in South Bend geboren worden zu sein und spater in Chicago gelebt zu haben. Ein mehrere Jahre spater erschienener Zeitschriftenartikel erwahnte einen privaten Eisenbahnwaggon ihres Vaters als Geburtsort. Tatsachlich wurde Holmes gemaß einer nationalen Volkszahlung aus dem Jahr 1900 am 19. Juni 1892 in Cook County geboren.
Laut einigen Publikationen ging Holmes als Madchen in eine kirchliche Schule, den St Mary’s Convent in South Bend. Nach eigenen Angaben besuchte sie als junge Frau die Kunstschule des Art Institute of Chicago und verdiente Geld als Werbeposter-Model der Eisenbahngesellschaft Atchison, Topeka and Santa Fe Railway. Ungefahr im Alter von 18 Jahren zog sie ins Death Valley, erlernte auf einer Ranch im Inyo County den Umgang mit Pferden, den Gebrauch von Schusswaffen sowie das Goldschurfen und lebte angeblich eine Zeit lang zusammen mit Ureinwohnern. Zu ihren Beweggrunden existieren ebenfalls mehrere Versionen. Laut einer lud ihr Bruder, der sich als Farmer in Kalifornien versuchte, sie dorthin ein. Gemaß einer anderen zog Holmes zusammen mit ihrer Familie auf die Ranch. Die Eltern sollen sich vom dortigen Klima eine Genesung des lungenkranken Sohns erhofft haben, zumal der Vater ins kalifornische Minengeschaft einsteigen wollte. In einer dritten Version war Holmes’ Mutter verwitwet und wollte mit dem Umzug in das warme Gebiet die Tuberkulose ihrer Kinder lindern. Aufgrund ihrer Geldnot habe sie in ein geplantes Immobiliengeschaft investiert, das sich als Betrugsmasche herausstellte und die Familie ihre gesamten Ersparnisse kostete.
Karriere = Anfange =
Holmes verließ Anfang der 1910er Jahre nach dem Tod ihres Bruders das Death Valley. Nach einigen Quellen lebte sie fur eine kurze Zeit in New York City und feierte dort am Theater ihr Debut als Schauspielerin, ehe sie nach Kalifornien zuruckkehrte. Es ist jedoch nicht klar, ob es sich bei der Frau wirklich um Holmes oder eine Namensvetterin handelte, die zur selben Zeit am Broadway wirkte. Hingegen ist erwiesen, dass Holmes in dem Zeitraum die Schauspielerin Mabel Normand kennenlernte und sich mit ihr anfreundete.
Normand machte Holmes mit ihrem Arbeitgeber Mack Sennett bekannt. Er erklarte sich bereit, sie unter Vertrag zu nehmen, worauf Holmes in Produktionen seiner Keystone Studios kleine Nebenrollen ubernahm. Sie blieb ungefahr ein Jahr lang bei Keystone beschaftigt, bis sie 1912 den Schauspieler und Regisseur J. P. McGowan kennen lernte. Er uberzeugte sie davon, zu kundigen und stattdessen fur die Kalem Company tatig zu werden, fur die er seit einigen Jahren regelmaßig drehte. Der geburtige Australier McGowan hatte wie Holmes eine Verbindung zur Eisenbahn, da er in der Eisenbahnerstadt Terowie geboren worden war und in Camperdown nahe Sydney aufwuchs, wo sein Vater als Ingenieur fur die New South Wales Government Railways arbeitete. Er drehte fortan etliche Kurzfilme mit Holmes in der Hauptrolle, meistens im Eisenbahnmilieu spielende Dramen und Western.
= The Hazards of Helen =
Im November 1914 wurde die erste Episode des Kalem-Serials The Hazards of Helen veroffentlicht. Es handelte von der titelgebenden, von Holmes verkorperten Telegraphistin, die in einem abgelegenen Depot arbeitet und beispielsweise mit außer Kontrolle geratenen Lokomotiven oder Banditen, die die Zuge ausrauben wollen, konfrontiert wird. The Hazards of Helen unterschied sich aus zwei Grunden von den meisten anderen damaligen Serials mit weiblichen Charakteren. Zum einen wurde die Hauptfigur großtenteils nicht von einem Mann gerettet, sondern bewaltigte die gefahrlichen Situationen selbst, wobei ihre Fahigkeiten oft von sexistischen mannlichen Charakteren unterschatzt wurden. Daneben erzahlte jede Episode eine abgeschlossene Geschichte. Damals waren bei Serials Cliffhanger-Enden ublich, weswegen The Hazards of Helen von einigen Filmhistorikern nicht als Serial, sondern Kurzfilmreihe eingestuft wird. Es wird aus demselben Grund vereinzelt als erstes Action-Franchise der Filmgeschichte bezeichnet.
Holmes spielte nicht nur die Protagonistin in The Hazards of Helen, sondern verfasste auch die Drehbucher einiger Folgen und ubernahm gelegentlich die Regie. Eine weitere Besonderheit der Reihe war, dass die Hauptdarstellerin die Stunts oft selbst ausfuhrte. In den 1910er Jahren ubernahmen sonst nur Frauenkleider tragende Manner fur Schauspielerinnen zu gefahrliche Szenen. Auch Holmes wurde mitunter gedoubelt, wobei neben zwei Stuntmannern am haufigsten die Schauspielerin Helen Gibson zum Einsatz kam, die aus diesem Grund als erste professionelle Stuntfrau der Vereinigten Staaten gilt.
Holmes schilderte 1916 in einem Interview, dass Schauspielerinnen, die in ihren Filmen „echte Nervenkitzel“ erleben wollen, das Skript selbst verfassen mussten. Fast alle Drehbucher wurden von Mannern geschrieben, die ihre weiblichen Figuren „nichts Waghalsiges“ machen ließen, da sie das selbst auch nicht tun wurden. So fuhr Holmes auf einem schnellen Motorrad von einem hochgelegenen Pier oder klammerte sich an einer Trestle-Brucke fest, um anschließend auf das Dach eines fahrenden Zugs zu springen. In weiteren Folgen kletterte sie auf einen Wasserturm, wurde von ihren Gegnern an Gleise gefesselt und musste sich befreien, um nicht von einem Guterwagen uberfahren zu werden, oder verfolgte einen Rauber, indem sie von einer Brucke auf ein Waggondach und anschließend in einen Fluss sprang, ehe sie ihn am Ufer uberwaltigte.
The Hazards of Helen war beim Publikum sehr erfolgreich, weswegen uber Holmes regelmaßig in Filmzeitschriften und damals neu gegrundeten Boulevardzeitungen berichtet wurde. Zudem fuhrte sie 1917 auf dem California State Fair einen ihrer Stunts vor. Sie stand dabei auf einer Lokomotive, die auf eine andere zuraste. Kurz vor dem Zusammenstoß sprang Holmes in ein nahestehendes Auto. Laut einer Tageszeitung wollten ihr derart viele Personen zusehen, dass der Zuschauerandrang von der Polizei unter Kontrolle gebracht werden musste. Der Beruf brachte ihr jedoch neben diesen Vorteilen auch gesundheitliche Nachteile. Bei einem Setunfall rammte Holmes einen Kaktus, wodurch sie beinahe ein Auge verlor. Daneben kostete ein Sprung von einem Pferd auf einen vorbeirasenden Zug sie angeblich einen Daumen. Bei zwei weiteren Zwischenfallen blieb Holmes nur durch Gluck unverletzt. An einem Drehtag fing ihre Kleidung fast Feuer, als sie in einem brennenden Waggon drehte. In einer anderen Episode fuhr sie einen steilen Abhang in einem Lastwagen hinunter, dessen Bremsen versagten. Das Fahrzeug kam erst nach einem Unfall zum Stehen.
Ein Hobby von Holmes erwies sich fur ihre Arbeit als nutzlich. In ihrer Freizeit fuhr sie gerne Rennwagen und wollte oft an Autorennen teilnehmen, was ihr aufgrund ihres Geschlechts aber in der Regel untersagt wurde. Dafur ubernahm sie in ihren Serials ofter das Autosteuer und fuhr beispielsweise in einer Episode von The Hazards of Helen mit ihrem Wagen vom San Pedro Pier in Los Angeles auf eine knapp neun Meter entfernte Schute. Fur die erfolgreiche Ausubung des Stunts brauchte sie vier Versuche.
= Weitere Karriere =
Nach der Produktion von 48 The Hazards of Helen-Episoden kundigten Holmes und McGowan aus nicht naher bekannten Grunden bei Kalem. Nach einem kurzen Zwischenstopp bei Universal Pictures grundeten die beiden ein eigenes Filmunternehmen, die Signal Film Corporation, und drehten von 1915 bis 1917 mehrere Produktionen. Holmes war nicht nur deren Hauptdarstellerin, sondern auch Co-Drehbuchautorin und Mitproduzentin. Sie ubernahm zumeist der Protagonistin aus The Hazards of Helen ahnliche Rollen. Diese waren die einzigen Frauen in Depots beziehungsweise Bergbaustadten, verhinderten Zugunglucke, stellten Rauber und retteten Manner aus misslichen Lagen. Die Serials spielten an den Kinokassen jeweils mehr als zwei Millionen Dollar ein, wodurch Holmes’ Popularitat weiter stieg. 1918 wurde die Signal Film Corporation aufgelost, da ihr Partnerunternehmen, die Mutual Film Company, sich nicht mehr an der Finanzierung beteiligen wollte. Zudem beendete Holmes die Zusammenarbeit mit McGowan, weil er in ihren Projekten weiterhin auf gefahrlichen Stunts und abgelegenen Drehorten bestand, was sie korperlich stark belastete.
1919 war Holmes abermals in einem Serial zu sehen. Es wurde von einem unabhangigen Unternehmen finanziert, das der Inhaber fur Holmes personlich gegrundet hatte. Um das Serial zu bewerben, ließ er sie in zwischen dem Broadway und der 42nd Street Loopings fliegen. Im Gegensatz zu ihren gewohnten Rollen spielte sie in The Fatal Fortune eine Zeitungsreporterin, die in der New Yorker High Society „haarstraubende Abenteuer“ erlebte. Allerdings sagte Holmes die Rolle nicht zu, weswegen sie im Jahr darauf beschloss, selbst ein Filmunternehmen zu grunden. Zu diesem Zweck traf sie eine Vereinbarung mit Albert und Harry Warner, die ihre Produktionen finanzieren und vertreiben sollten. Sie ließ sich von den finanziell angeschlagenen Brudern uberreden, einen Spielfilm zu drehen, dessen Erlos als Produktionskosten zukunftiger Projekte dienen sollte. Als Holmes mit den Dreharbeiten an ihrem Serial The Tiger Band begann, musste sie den Warners einen Vorschuss von 5000 Dollar zahlen, den sie entgegen der Vereinbarung nicht zuruckerhielt und vor Gericht nicht einklagen konnte. Aufgrund des fehlenden Marketings floppte The Tiger Band, weswegen Holmes ihr Unternehmen und die Karriere als Filmemacherin aufgab.
Holmes wandte sich allerdings nicht vollstandig vom Filmgeschaft ab. Sie spielte weiterhin in Western an der Seite bekannter Darsteller wie Hoot Gibson oder Franklyn Farnum. Im selben Jahr versohnte sie sich mit McGowan, mit dem sie bis zum Ende des Jahrzehnts erneut etliche Action-Produktionen drehte. Jedoch wurden sie im Gegensatz zu ihren fruheren nicht landesweit in den Kinos veroffentlicht, was sich negativ auf die Einspielergebnisse auswirkte. Daneben fand Holmes eine weitere Beschaftigung. Sie trainierte Irish Setter zu Filmhunden, die gelegentlich mit ihr vor der Kamera standen, beispielsweise in einer Komodie mit Hoot Gibson oder in einem von McGowans Actionfilmen.
= Karriereende =
Ab Ende der 1920er Jahre erhielt Holmes keine Rollenangebote mehr. Das lag wahrscheinlich an einem gesellschaftlichen Wandel in den Vereinigten Staaten. Im Laufe des Jahrzehnts war die Beliebtheit von abenteuerlustigen, weiblichen Figuren in Actionfilmen beim Publikum immer mehr gesunken, das stattdessen Flapper und Vamps bevorzugte. Ein Redakteur der Los Angeles Times schrieb in einem Artikel von 1936, dass in Serials nun Manner „die Hosen anhaben“ und ehemalige Serial-Stars wie Holmes im Ruhestand seien. Außerdem wollten Studiobosse die Emanzipation von Darstellerinnen einschranken, die auch hinter der Kamera an der Filmproduktion beteiligt waren. Deswegen wurden in diesem Zeitraum wieder verstarkt als Frauen verkleidete Stuntmanner eingesetzt. Holmes’ Comebackversuche waren trotz großerer Nebenrollen in bekannten Filmkomodien nicht erfolgreich, weswegen sie ab 1936 nur noch in einigen Statistenrollen zu sehen war. 1938 wurde sie zur Prasidentin einer Interessenvertretung fur Stuntfrauen gewahlt.
Personliches = Familie =
Aus der Zusammenarbeit zwischen Holmes und McGowan entwickelte sich eine Liebesbeziehung. Sie heirateten wahrend der Produktion von The Hazards of Helen. 1916 wurden die beiden Eltern eines Madchens. Laut Holmes suchte sie fur eine Szene im Serial Lass of the Lumberlands ein passendes Baby und wurde fundig, als sie die Bekanntschaft mit einer kinderreichen, mittellosen Familie machte. Sie habe sich in die kleine Dorothy „verliebt“ und von den leiblichen Eltern die Erlaubnis erhalten, sie zu adoptieren.
Holmes und McGowan gingen 1918 sowohl beruflich als auch privat getrennte Wege. Sie nahmen ihre Beziehung wahrend ihrer erneuten Zusammenarbeit in den 1920er Jahren wieder auf. Nach dem Ende der Dreharbeiten ihres letzten gemeinsamen Films ließen sie sich scheiden. 1926 heiratete Holmes Lloyd Saunders, einen Western-Stuntman.
= Berufe außerhalb des Filmgeschafts =
1918 erwarb Holmes eine Ranch in Utah und hielt dort einige Nutztiere, unter anderem Huhner, Pferde und Ziegen. In einem ihrer zahlreichen Gesprache mit der Filmzeitschrift Photoplay erwahnte sie, eines Tages eine „Viehkonigin“ werden zu wollen. Die weitere Entwicklung ihrer Farm ist nicht uberliefert.
Im Jahr 1926 zog Holmes mit ihrer Familie nach Sonora, wo sie eine weitere Ranch betrieb. Infolge mehrerer schlechter Ernten kehrte sie wenige Jahre spater nach Hollywood zuruck. Angesichts ihrer fehlgeschlagenen Ruckkehr ins Filmgeschaft ließ sie sich schließlich im San Fernando Valley nieder. In Burbank eroffnete sie mit ihrem Ehemann einen Antiquitatenladen, in dem sie hauptsachlich Puppen verkaufte.
= Tod =
Holmes litt gegen Ende ihres Lebens an einer Herzkrankheit und Tuberkulose. Ihre Gesundheit war bereits durch haufige Lungenentzundungen in ihrer Jugend beeintrachtigt. Sie starb im Juli 1950 im Alter von 58 Jahren an einem Herzinfarkt. Ihr Grab befindet sich auf dem Forest Lawn Memorial Park in Glendale.
Filmografie (Auswahl) 1912: Kings Court (Kurzfilm)
1914–1915: The Hazards of Helen (Serial, 48 Folgen, auch Drehbuch und Regie)
1915: A Desperate Leap (Kurzfilm, auch Drehbuch und Produktion)
1915: A Fight to Finish (Kurzfilm, auch Drehbuch und Produktion)
1915: The Girl Engineer (Kurzfilm, auch Drehbuch und Produktion)
1915: The Mettle of Jerry McGuire (Kurzfilm, auch Drehbuch und Produktion)
1915: When Rogues Fall Out (Kurzfilm, auch Drehbuch und Produktion)
1915: The Yellow Star (Kurzfilm, auch Drehbuch und Produktion)
1916: The Girl and the Game (Serial, 15 Folgen, auch Drehbuch und Produktion)
1916: A Lass of the Lumberlands (Serial, 15 Folgen, auch Drehbuch und Produktion)
1917: The Railroad Raiders (Serial, 15 Folgen, auch Drehbuch und Produktion)
1917: The Lost Express (Serial, 15 Folgen, auch Drehbuch und Produktion)
1919: The Fatal Fortune (Serial, 15 Folgen)
1920: The Tiger Band (Serial, 15 Folgen, auch Produktion)
1921: Ghost City
1924: The Riddle Rider (Serial, 15 Folgen)
1943: Immer mehr, immer frohlicher (The More the Merrier)
Wurdigungen = Filmfestivals =
Im Oktober 2013 stellten die Filmdozentin Jane Gaines und die Filmhistorikerin Ruby Rich beim Filmfestival To Save and Project des Metropolitan Museum of Art unter anderem die Arbeit von Holmes vor. Sie und andere damalige, „wegweisende“ Filmemacherinnen stunden fur die emanzipierte Neue Frau, zudem konnten ihr „korperlicher Mut und ihre intellektuellen Fahigkeiten“ auch das heutige Publikum begeistern.
Im Marz 2017 wurden 13 Episoden von The Hazards of Helen anlasslich eines Thementags uber fruhe weibliche Filmemacherinnen auf dem Hippodrome Silent Film Festival in Bo’ness aufgefuhrt. Allison Strauss, die Direktorin des Festivals, bezeichnete Holmes als „bedeutenden kreativen Kopf“.
Holmes wurde zusammen mit anderen weiblichen Filmschaffenden auf dem Florida Film Festival 2019 gewurdigt. Die Filmhistorikerin Elizabeth Weitzman stellte dort bei einer Podiumsdiskussion einige Produktionen sowie die Biografien unter anderem von Holmes und Grace Cunard vor. Sie bezeichnete beide als „fruhe Action-Heldinnen“. Sie seien nicht nur Regisseurinnen und Drehbuchautorinnen gewesen, sondern hatten in einer Zeit, als offentlich diskutiert wurde, ob Frauen „Hosen tragen, Auto fahren und arbeiten“ sollten, diese und andere fur damalige Frauen nicht selbstverstandliche Tatigkeiten in ihren Filmen „locker“ ausgefuhrt. Im selben Jahr war das Wirken von Holmes Gegenstand einer ahnlichen Veranstaltung der Austin Film Society. Die mexikanisch-amerikanische Filmemacherin Kelly Daniela Norris erlauterte am Beispiel von The Hazards of Helen die Geschichte der Serial-Hauptdarstellerinnen. Schauspielerinnen wie Holmes stellten, so Norris, Frauen als stark, unabhangig, intelligent und in der Uberwindung von Hindernissen kompetent dar. Ebenfalls 2019 wurden Folgen von The Hazards of Helen innerhalb der Reihe Women Pioneer Filmmakers auf dem Not-So-Silent Short Film Festival in San Diego prasentiert.
Im Februar 2024 wurde eine Folge von The Hazards of Helen als Teil der Reihe Gender Rebels auf dem Stummfilmfestival Zurich gezeigt, da Holmes laut Veranstaltern als „Revolutionarin“ der Filmbranche gelte.
= Sonstige Wurdigungen =
2010 wurde die australische Kurzdokumentation Stunt Love uber die gemeinsamen Filmarbeiten von Holmes und McGowan veroffentlicht.
Drei von Holmes gedrehte Hazards of Helen-Episoden waren 2018 auf der DVD-Sammlung Pioneers: First Women Filmmakers des US-amerikanischen Filmvertriebs Kino Lorber enthalten. Sie bestand aus uber 50 Kurz- und Spielfilmen fruher Filmemacherinnen, neben Holmes’ unter anderem Produktionen von Alice Guy-Blache, Cleo Madison und Lois Weber.
Im Marz 2019 fuhrte der The Daily Telegraph Holmes in einer Liste der 35 Frauen, die die Filmgeschichte stark beeinflussten. Sie habe die Tradition weiblicher Action-Darstellerinnen mitbegrundet, weswegen ihre Figuren die Vorlauferinnen bekannter moderner Heldinnen des Genres wie Katniss oder Ellen Ripley gewesen seien.
Literatur Kalton C. Lahue: Winners of the West: The Sagebrush Heroes of the Silent Screen. A. S. Barnes Publishing, New York 1971, ISBN 0-498-07396-3.
Karen Ward Mahar: Women Filmmakers in Early Hollywood. Johns Hopkins University Press, Baltimore 2008, ISBN 978-0-8018-9084-0.
Geoff Mayer: Encyclopedia of American Film Serials. McFarland & Company, Jefferson 2017, ISBN 978-0-7864-7762-3.
John J. McGowan: J.P. McGowan: Biography of a Hollywood Pioneer. McFarland & Company, Jefferson 2005, ISBN 0-7864-1994-6.
Buck Rainey: Serial Film Stars: A Biographical Dictionary, 1912–1956. McFarland & Company, Jefferson 2005, ISBN 0-7864-2010-3.
Susan Goldman Rubin: The Women Who Built Hollywood: 12 Trailblazers in Front of and Behind the Camera. Astra Publishing House, New York 2023, ISBN 978-1-6626-8011-3.
Weblinks Helen Holmes bei IMDb
Einer von Holmes’ Motorradstunts
Ein Zugsprung von Holmes
Holmes’ Stunt auf dem Wasserturm
Einzelnachweise | 
	Helen Holmes (* 19. Juni 1892 in Cook County; † 8. Juli 1950 in Burbank) war eine US-amerikanische Schauspielerin, Drehbuchautorin, Regisseurin und Filmproduzentin. Bekannt wurde sie vor allem fur ihre Hauptrolle im Abenteuer-Serial The Hazards of Helen. Es nahm im Vergleich zu anderen damaligen Serials mit weiblichen Charakteren eine besondere Rolle ein, unter anderem da Holmes’ Figur sich eigenstandig aus gefahrlichen Situationen rettete und die Darstellerin die Stunts selber ausfuhrte. Deswegen wird die Reihe mitunter als erstes Action-Franchise der Kinogeschichte angesehen. Holmes war durch die beliebte Reihe in der Offentlichkeit bekannt, wobei sich ihre Popularitat durch nach dem Ende von The Hazards of Helen gedrehte, ahnliche Produktionen weiter steigerte.
Trotz ihrer insgesamt relativ kurzen Karriere im Filmgeschaft wird Holmes von einigen Filmhistorikern aufgrund der von ihr verkorperten emanzipierten Frauen sowie ihrer Tatigkeit als eine der wenigen weiblichen US-amerikanischen Filmschaffenden im fruhen 20. Jahrhundert als Vorreiterin bezeichnet. | 
	{
  "url": "https://de.wikipedia.org/wiki/Helen_Holmes"
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	c-544 | 
	AktenEinsicht ist der Titel eines Sachbuches der Rechtsanwaltin Christina Clemm, in dem sie sexualisierte, hausliche und staatliche Gewalt gegen Frauen aufzeigt. Das Werk erschien 2020 im Kunstmann Verlag.
Inhalt Das 2020 veroffentlichte Sachbuch AktenEinsicht tragt den Untertitel Geschichten von Frauen und Gewalt. Darin werde exemplarisch die Geschichten von acht Frauen erzahlt, die auf unterschiedliche Art und Weise Gewalt ausgesetzt waren. Es werden die Vorgeschichte und der Tathergang angefuhrt sowie die sich anschließenden Gerichtsprozesse. Es wird auch geschildert, dass Polizei und Justiz nicht ganz frei von sexistischen Einstellungen seien, die sich in den an die Frauen gerichteten Fragen und Feststellungen manifestiere. In ausfuhrlichen Einschuben bei jedem der Falle erlautert Clemm die jeweilige Rechtslage, die Arbeit von Polizei und Justiz und wie ein Gerichtsprozess ablauft. Sie umreißt auch das gesellschaftliche Umfeld, um einen Gesamtkontext herzustellen, und stellt fest, dass gesamtgesellschaftlich mannliche Gewalt besser adressiert werden muss.
Folgende acht Falle werden geschildert:
= Claudia S. – Vergewaltigung =
Claudia befindet sich in einer ungleichen Partnerschaft, ihr Partner Kevin uberschuttet sie einerseits mit Liebe und Geschenken, ist andererseits eifersuchtig und schottet sie von ihren fruheren Freunden und Verwandten ab. Diese Beziehung geht solange gut, bis Claudia einen alten Freund wiedertrifft und mit diesem zwei Stunden lang intensiv uber alte Zeiten spricht. Wieder zuhause vergewaltigt Kevin Claudia und misshandelt sie erheblich. Diese flieht vor ihm und versteckt sich monatelang vor ihm, bis sie ihn zufallig wiedersieht. Erst dann zeigt sie ihn an. Bei der Verhandlung steht es Aussage gegen Aussage und Kevin wird in 2. Instanz nur zu einer Bewahrungsstrafe verurteilt.
= Marcella E. – Polizeigewalt =
Marcella ist Mutter zweier kleiner Kinder, Migrantin und alleine zuhause, als 2 Polizeibeamte wegen eines nicht bezahlten Strafzettels in die Wohnung eindringen und diese durchsuchen. Sie stoßen Marcella brutal weg und separieren sie von ihren Kindern. Als Marcella die Polizeibeamten anzeigt, reagieren diese mit einer Gegenanzeige wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Sie wird zwar in 2. Instanz freigesprochen, die Polizei aber nicht verfolgt.
= Alina S. – abgewiesener Liebhaber =
Alina ist Migrantin und arbeitet in Berlin als Prostituierte. Als ein Freund ihres Bruders sich in sie verliebt, weist sie ihn ab. Darauf greift er sie auf der Straße mit einem Messer an und verletzt sie lebensgefahrlich. Vor Gericht zieht sein Verteidiger alle Register, um Alina eine Mitschuld zuzuweisen.
= Mia P. – rechtsextreme Gewalt =
Mia P. demonstriert gegen einen Aufmarsch von Rechtsextremen, am Rande davon wird sie von einem Neonazi mit einer Krucke niedergeschlagen und schwer am Kopf verletzt. Ein Passant hat die Szene gefilmt, daher wird der Tater schnell gefasst. Der Richter ist rechtem Gedankengut freundlich gesinnt und lasst Milde walten. Da die Tat durch den Film unstrittig ist, wird der Tater zur Mindeststrafe von einem halben Jahr, ausgesetzt zur Bewahrung, verurteilt.
= Eva H. – hausliche Gewalt =
Eva stammt aus problematischen Verhaltnissen und wachst bei Pflegefamilien auf. In ihren Beziehungen wird sie immer wieder Opfer hauslicher Gewalt. Als sie sich von ihrem letzten Partner endgultig trennen will, ermordet sie dieser heimtuckisch und geplant. Nur durch die Hartnackigkeit der Nebenklage wird der Mord aufgedeckt.
= Monique B. – sexueller Missbrauch =
Moniques Mutter stirbt, als sie ein Kleinkind ist, und sie wachst bei ihrem alleinerziehenden Vater, einem Pfarrer, auf. Dieser missbraucht sie ab ihrem 6. Lebensjahr. Der Missbrauch fallt erst 10 Jahre spater einer aufmerksamen Vikarin auf, wird aber nicht zur Anzeige gebracht. Monique verlasst ihr Elternhaus und kehrt nie wieder zuruck, der Missbrauch wird aber auch nicht angezeigt. Sie weist nach Jahren die Gemeinde auf den Missbrauch hin, diskreditiert damit ihren Vater.
= Iryna R. – hausliche Gewalt =
Iryna ist Migrantin und Muslimin und lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern in einem Fluchtlingsheim. Gewalt hat schon immer ihre Ehe bestimmt. Nach einem besonders schweren Ubergriff verlasst sie ihren Mann und flieht mit ihren Kindern in ein Frauenhaus. Sie will eine Gewaltschutzverfugung durchsetzen und muss deshalb vor Gericht aussagen. Aufgrund ihres Kopftuchs und ihres Mantels wird sie von der Richterin herablassend behandelt, erst als diese begreift, dass diese Aufmachung dazu da ist, ihren Ex-Mann in die Irre zu fuhren, wird Iryna unterstutzt.
= Faizah M. – hausliche Gewalt unter Ausnutzung eines Abhangigkeitsverhaltnisses =
Faizah ist Syrerin und kommt erst durch die Heirat mit Tom, einem Deutschen, nach Deutschland. Sobald sie in Deutschland ist, schlagt er sie, auch als sie schwanger wird. Er sperrt sie ein und uberwacht sie. Eines Tages wurgt und prugelt er sie wieder, sie kann weglaufen, er lauft hinter ihr her und prugelt wie von Sinnen auf der Straße weiter. Als sie vor Gericht aussagen soll, kollabiert sie; das passiert mehrfach. Ohne Aussage des Opfers kommt es nur zu einer geringen Strafe. Das Opfer leidet noch Jahre unter der erlittenen Gewalt.
Wirkung und Rezensionen Das Buch war im April 2020 auf Platz 4 der Sachbuch-Bestenliste von DLF Kultur, ZDF und Die Zeit. Darin wird festgestellt, Gewalt gegen Frauen sei ein alltagliches Phanomen, auch wenn es nur selten in die Offentlichkeit gerate. Clemm erzahle Geschichten von Frauen, die korperliche und sexualisierte Gewalt erlebt haben. Dabei schildere sie auch die Arbeit von Justiz und Polizei. Das Buch sei eine wichtige Studie gegen das Schweigen.
Die Zeit schreibt im August 2020, das Buch umfasse acht Geschichten von Vergewaltigungen, Mordversuchen und Mord. Der Textfluss wird immer wieder unterbrochen, um juristische Sachverhalte zu erklaren, beispielsweise was Mord oder Totschlag oder Gewalteinwirkung mit Todesfolge ist. Clemm erklare, wie Justiz funktioniert und wie Ermittlungen ablaufen.
Christine Gorny von Radio Bremen stellt fest: „Das Buch liest sich spannend wie ein Krimi. Oder eben wie acht Kriminal-Kurzgeschichten, die zugleich aufschlussreiche Milieustudien sind. Christina Clemm beschreibt sachlich und nuchtern, sie kann gut mit Sprache umgehen, ohne jegliche Anklange an kompliziertes Juristendeutsch. Sie erlebt in ihrer Arbeit tagtaglich, wie verbreitet diese Gewalt ist und wie schwer es den Opfern anschließend in den juristischen Verfahren gemacht wird.“
Amira Klute schreibt in der taz, dass Clemm aufzeige, dass bei Verfahren von sexualisierter Gewalt die Gefahr groß sei, dass der Prozess mit einem Freispruch oder einer Einstellung endet. Fur die Opfer sei das unertraglich.
In der Bayerischen Rundschau konstatiert Julia Salzmann: „Die beschriebenen Geschichten sind schwer auszuhalten und dass obwohl Clemm angibt, die im Buch beschriebenen seien nicht die schlimmsten. Systematische Schwachen der Justiz kommen noch dazu und so sei es manchmal schwer, Gehor und Verstandnis bei Gericht zu finden.“
Carolin Emcke schreibt in der Suddeutschen Zeitung, Clemm beschreibe Geschichten von Frauen und Gewalt, in einer solchen Dichte und Prazision, dass es niemand mehr vergesse. Das abstrakte Wissen um hausliche Gewalt werde anschaulich. Es sei eine Balance zwischen der Beschreibung der Misshandlung und gleichzeitig, wie Frauen ihre Handlungs- und Sprechfahigkeit zuruckerlangen wurden.
Ausgaben Erstausgabe: AktenEinsicht. Geschichten von Frauen und Gewalt. Verlag Antje Kunstmann, Munchen 2020, ISBN 978-3-95614-357-1
Einzelnachweise | 
	AktenEinsicht ist der Titel eines Sachbuches der Rechtsanwaltin Christina Clemm, in dem sie sexualisierte, hausliche und staatliche Gewalt gegen Frauen aufzeigt. Das Werk erschien 2020 im Kunstmann Verlag. | 
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	c-545 | 
	Gesprache mit verruckten Frauen (Originaltitel: Dialogues with Madwomen) ist ein Dokumentarfilm von Allie Light aus dem Jahr 1994, der sich mit psychischen Erkrankungen bei Frauen befasst. Er zeigt Interviews mit sieben Frauen, darunter die Filmemacherin selbst, bei denen verschiedene psychische Storungen diagnostiziert wurden.
Produktion und Veroffentlichung Das Budget betrug 63.000 US-Dollar, von denen 20.000 US-Dollar aus Spenden und 43.000 US-Dollar durch Allie Light und ihren Mann Irving Saraf aufgebracht wurden. Produziert wurde der Film durch ihre Firma Light-Saraf Films. Die Interviews stammen aus dem Jahr 1991. Wegen des gewaltsamen Todes einer der Frauen war Allie Light die weitere Arbeit am Film uber ein Jahr lang nicht moglich, und sie stellte ihn erst spater fertig.
Der Film wurde erstmals im Januar beim Sundance Film Festival 1994 gezeigt und erschien in den USA am 3. Juni 1994, in Australien am 10. September 1994 und im Vereinigten Konigreich am 19. Oktober 1994. Spater wurde er im Fernsehen in der Serie POV des Public Broadcasting Service (PBS) ausgestrahlt. In Deutschland wurde er am 18. Mai 1995 im Kino uraufgefuhrt, lief am 19. Juli 1996 im Fernsehen auf 3sat und erschien am 21. April 1997 auf Video. Der Vertrieb erfolgt uber Women Make Movies.
Inhalt und Aufbau Im Film schildern sieben Frauen ihre Erfahrungen mit bipolaren Storungen, dissoziativen Identitatsstorungen, Schizophrenie, selbstverletzendem Verhalten, alkoholkranken und missbrauchlichen Eltern, Genesungen sowie Erinnerungen und Erlebnisse aus ihrem Leben. „Sie erzahlen von ihren Familienverhaltnissen, ihren Wahnvorstellungen, ihren Diagnosen und Medikamenten, ihrer Ruckkehr in die Welt der Normalen“.
So berichtet R.B., eine afroamerikanische Frau, von Studienabbruch und Obdachlosigkeit, nachdem sie vergewaltigt wurde, die manisch-depressive Hannah Ziegellaub von ihren Weltrettungsfantasien und ihrer Besessenheit von Bob Dylan. DeDe Bloom beschreibt ihren Glauben an die katholische Kirche und ihre Selbstverletzungen, und Susan Pedrick die Misshandlungen, denen sie bereits als Kind ausgesetzt war. Karen Wong spricht von erfahrenem Rassismus und Ausgrenzung, Mairi McFall uber ihre durch sexualisierte Gewalt entstandenen verschiedenen Personlichkeiten. Allie Light erzahlt von ihren 1963 erstmals aufgetretenen Depressionen und der damit einhergehenden Interesselosigkeit an ihrem hauslichen Leben, die sie veranlasste, sich stationar behandeln zu lassen, sowie den Verhaltensanderungsversuchen ihres Arztes, der ihren Wochenendheimurlaub nur bewilligte, wenn sie sich verpflichtete, wahrenddessen einen Truthahn zuzubereiten oder alle Boden zu wischen. Sie thematisiert auch die damalige Scham, in einer psychiatrischen Einrichtung sein zu mussen. Die meisten der Frauen erzahlten, „dass Psychiater, Arzte, medikamentose Therapien und institutionelle Erfahrungen eher desorientierend als hilfreich“ gewesen seien.
Teilweise werden kurze, bruchstuckhafte Einblicke in das gegenwartige Leben der Frauen zur Zeit der Interviews gegeben. „Wahrend ihre ‚Genesung‘ offensichtlich ein fortlaufendes Projekt ist, scheinen die meisten einigermaßen ihr Alltagsleben zu bewaltigen.“ So erfahrt man, dass R.B. Musik machte, Hannah Ziegellaub als Kunstlerin tatig war, Allie Light Filme machte, DeDe Bloom Homoopathie studierte und lesbisch lebte, Mairi McFall an einem Punkt angelangt war, an dem sie sich nicht mehr in weitere Personlichkeiten aufspalten musste, und Karen Wong sich politisch engagierte. Am Ende des Films erfahren die Zuschauenden, dass Wong kurz nach dem Interview ermordet wurde.
Die Interviews wechseln mit dramatischen Visualisierungen der Geschichte, der Emotionen und der Traume der einzelnen Frauen. Die sozialen Dimensionen und psychischen Erkrankungen von Frauen werden durch Aussagen uber sexualisierte Gewalt, sexuellen Missbrauch von Kindern, Rassismus und Homophobie, den Missbrauch durch das medizinische Establishment, die Familie und die Kirche erganzt.
Gekonnt wird der Fokus des Talking Head Shot aufgebrochen, indem Vorfalle, Halluzinationen und psychische Zustande der interviewten Frauen „durch stille dramatisierte Segmente, Archivmaterial, Standbilder und Kunstwerke veranschaulicht“ werden. Fur den Film stellten einige der Frauen auch eigene Fotos aus ihrer Kindheit und Jugend zur Verfugung. Die meisten der Visionen und  Vorstellungen der Frauen wurden durch Schauspielerinnen in symbolhaften Bildern dargestellt, die wenigsten spielten sich selbst. Der Film verzichtet auf erklarende Einordnungen psychischer Erkrankungen oder Kritik an Behandlungen.
Hintergrund In Allie Lights Film wird nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Leben der sieben Darstellerinnen gezeigt, der Fokus liegt auf den vergangenen Erfahrungen und dem heutigen Umgang damit. „Soziografisch bilden sie einen Querschnitt durch die Bevolkerungsgruppen der USA: eine Schwarze, eine Chinesin, funf Weiße, eine davon Judin, zwei lesbisch“. Unter den sieben Frauen sind auch die Filmemacherin Allie Light und die Koproduzentin des Films, Karen Wong.
Nach den Klinikaufenthalten wegen Depressionen studierte Allie Light, wurde Dozentin fur Frauenstudien und unterrichtete am College. Außerdem wurde sie Filmemacherin und grundete mit ihrem Mann zusammen eine Filmproduktionsfirma. Ihr Film Im Schatten der Stars gewann 1992 den Oscar als Bester Dokumentarfilm. Gesprache mit verruckten Frauen entstand unter anderem aus ihrem wachsenden Bedurfnis, ihre eigene Geschichte zu erzahlen.
Durch ihre Lehrtatigkeit am Laney College in Oakland kannte Light zwei der interviewten Frauen. Hannah Ziegellaub war fruher als Tutorin fur Lights Kurse tatig und DeDe Bloom war eine Schulerin Lights, die auf deren Bitte fur den Film aus ihrem damaligen Wohnort Juneau in Alaska anreiste und danach in Oakland homoopathische Medizin studierte. Mairi McFall, Bibliothekarin in Oakland, die vor dem Film mit Allie Light gut bekannt war, bekundete ihr Interesse, darin mitzuwirken, verbunden mit der Eroffnung, multipel zu sein. Susan Pedrick wurde von ihrem langjahrigen Therapeuten, der mit Light und Saraf befreundet war, auf den Film hingewiesen. R.B. kam uber gemeinsame Freunde zur Mitwirkung am Film. Sie hatte ein Jurastudium an der Stanford University abgeschlossen und die Zulassung als Rechtsanwaltin erhalten, arbeitete aber hauptsachlich fur Kunstorganisationen und hat die gesamte Musik fur den Film gemacht.
Karen Wong lernte Allie Light kennen, als sie beide der Writers’ Union beitraten und wurde auch die Associate Producerin des Films. Karen Wong war Mitarbeiterin der San Francisco Opera, engagierte sich als Mitglied einer leninistischen Organisation in San Francisco und als politische Aktivistin in der Politik. Sie wurde Ende Februar 1991 mit 38 Jahren kurz nach dem Interview vergewaltigt und erstochen, nachdem der Tater in ihre Wohnung in der 47th Avenue eingebrochen war.
Rezeption Durch den Ruckgriff auf authentisches Bildmaterial wie Fotos, Heimvideos, Archivmaterial und durch nachgespielte Szenen entsteht „ein komplexes und bewegendes Portrat von Frauen, deren Geisteskrankheit mit inspirierender Energie und Kreativitat einhergeht.“ (Frauenfilmfest 2013)
Dass der Film auf schockierende Bilder verzichtet, „(das wirklich Schockierende sind die Familiengeschichten und manche Schilderung aus der Psychiatrie), entspricht seiner Absicht, den verruckten Frauen den Wahn zuzugestehen und sie dennoch nicht in allen ihren Lebensaußerungen fur unzurechnungsfahig zu erklaren.“ Die Darstellung im Film versucht, „den verruckten Frauen ihre Wurde zuruckzugeben, die ihnen die in ihren Familienverhaltnissen implodierten sozialen Normen genommen haben und die auch unter den Bedingungen der modernen Psychiatrie nicht immer geachtet wird.“ (Eva Hohenberger, Filmdienst)
Der Film zeigt die interviewten Frauen als in hohem Maße reflektierte Menschen, „die in keiner Weise, wie so oft in Filmen uber »Irre«, von der Kamera noch einmal pathologisiert werden. Ausgesprochen beredt verdeutlichen sie den Zusammenhang zwischen familiarer und gesellschaftlicher Repression und weiblichem »Irrsinn«.“ Der Film dokumentiert „die erstaunliche Fassung, die nicht zugleich Resignation ist, und die analytische Kraft, mit der die Frauen die Stationen ihres »Irrewerdens«, bzw. ihres Irregemachtwerdens beschreiben.“(Annette Brauerhoch, Frauen und Film)
Nominierungen und Auszeichnungen Der Film wurde auf mehreren namhaften Filmfestivals gezeigt, wie etwa beim Sundance Film Festival, den Internationalen Filmfestspielen Berlin 1994, dem International Documentary Film Festival Amsterdam, dem Atlanta Film Festival, dem Sinking Creek Film Festival (heute Nashville Film Festival), und wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet:
1994: Media Award, Health and Science Communications Association (HeSCA)
1994: Special Jury Award, National Educational Film and Video, 1994
1994: Freedom of Expression Award, Sundance Film Festival 1994
1994: Nominierung fur den Großen Preis der Jury als Bester Dokumentarfilm
1995: News & Documentary Emmy Award fur „Outstanding Interview Program“
Best of Festival, Sinking Creek Film Festival
Grand Jury Award, Atlanta Film Festival
Weblinks Gesprache mit verruckten Frauen bei IMDb
Einzelnachweise | 
	Gesprache mit verruckten Frauen (Originaltitel: Dialogues with Madwomen) ist ein Dokumentarfilm von Allie Light aus dem Jahr 1994, der sich mit psychischen Erkrankungen bei Frauen befasst. Er zeigt Interviews mit sieben Frauen, darunter die Filmemacherin selbst, bei denen verschiedene psychische Storungen diagnostiziert wurden. | 
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  "url": "https://de.wikipedia.org/wiki/Gespräche_mit_verrückten_Frauen"
} | 
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	c-546 | 
	Die Nanas in Hannover sind drei Nana-Figuren der Kunstlerin Niki de Saint Phalle, die 1974 in Hannover installiert wurden. Als Kunst im offentlichen Raum sind sie Teil der Skulpturenmeile am Leibnizufer.
Beschreibung Die drei Nanas sind aus Polyester und Fiberglas gefertigte Plastiken. Zwei Figuren haben eine Hohe von funf Metern und die dritte ist 3,75 Meter hoch. Sie weisen betont weibliche Formen mit ausladenden und voluminosen Rundungen auf. Die Figuren haben eine Bemalung mit leuchtend bunten Farben. Die Nanas sind als Gruppe angeordnet und stehen im Abstand von funf bis zu 15 Metern. Ihr Standort ist ein weitlaufiger Gehwegbereich zwischen der sechsspurigen Straße Leibnizufer und der Leine in Hohe des Historischen Museums. Samstags werden die Figuren durch Verkaufsstande in den Altstadt-Flohmarkt einbezogen. Benannt sind sie nach bekannten Frauen aus Hannover. Sie erhielten die Namen „Sophie“, „Caroline“ und „Charlotte“.
= Nana „Sophie“ =
Die Nana „Sophie“ hat weiße Arme und Beine. Sie tanzt auf einem Bein und hebt die Arme in der Luft. Die Figur ist nach der Kurfurstin Sophie von der Pfalz (1630–1714) benannt, die den Großen Garten Hannover-Herrenhausen ausgestaltete.
= Nana „Caroline“ =
Die auf dem Kopf stehende Nana „Caroline“ hat grune Arme und Beine. Die Figur ist nach der in Hannover geborenen Astronomin, Violinistin und Sangerin Caroline Herschel (1750–1848) benannt. Sie folgte in jungen Jahren ihrem Bruder Wilhelm Herschel nach England, wo sie seine astronomischen Beobachtungen als wissenschaftliche Assistentin unterstutzte.
= Nana „Charlotte“ =
Der Benennung der kunterbunten voluminosen Nana „Charlotte“ erinnert an Charlotte Buff (1753–1828), die durch Heirat mit Johann Christian Kestner den hannoverschen Hubschen Familien angehorte. Sie war der Schwarm von Johann Wolfgang von Goethe und Vorbild fur die Lotte in seinem autobiografischen Roman Die Leiden des jungen Werthers. Darin verarbeitete Goethe seine platonische Beziehung zu der bereits verlobten Charlotte literarisch, die er 1772 auf einem Ball in Volpertshausen kennengelernt hatte.
		
			
			
		
		
			
			
		
		
			
			
		
Geschichte Die Installation der Skulpturen erfolgte am 14. Januar 1974. Anwesend war auch die Kunstlerin Niki de Saint Phalle, die die Plastiken geschaffen hatte. Sie waren eine Auftragsarbeit fur die Stadt, die sie fur 180.000 DM erwarb. Wahrend der Aufstellung erfolgte die Namensgebung spontan durch die Befragung von Schaulustigen nach bekannten Frauen aus Hannover.
Im Vorfeld der Aufstellung sammelte eine Burgerinitiative 15.000, anderen Angaben nach 20.000 Unterschriften gegen die Frauenfiguren. In Leserbriefen an die Hannoversche Allgemeine Zeitung wurden die Nanas unter anderem als „Ekelhafte Scheußlichkeiten“, „Kulturschande“ und „Umweltverschmutzung“ bezeichnet. Sie seien „die Schnapsidee einer besoffenen Ratsherren-Stammtischrunde“. Wegen der Proteste wurde der damalige Stadtimagepfleger Mike Gehrke unter Polizeischutz gestellt. Der Protest bewirkte auch die erste Diskussion uber Kunst im offentlichen Straßenraum. Letztlich gaben die Figuren den entscheidenden Anstoß zu einer intensiven Auseinandersetzung uber Kunst als eine Form der Alltagskultur. Die Aufstellung war Abschluss des hannoverschen Straßenkunstprogramms „Experiment Straßenkunst“ der fruhen 1970er Jahre unter dem damaligen Oberstadtdirektor Martin Neuffer. Spater wurden die Nanas zum Grundstein der Skulpturenmeile Hannover.
Alle zwei Jahre werden die Nanas gereinigt. 1988 und 2004 kam es zu großeren Sanierungen. 2018 lag der Wert der Figurengruppe einem Gutachten zufolge bei 3,5 Millionen Euro. Die Nanas werden von der Stadt Hannover zur Image- und Stadtwerbung eingesetzt. Laut der Stadt stehen sie fur eine sinnliche Weiblichkeit und seien Sinnbild des Feminismus. Sie sind ein beliebtes Fotomotiv in der Stadt.
Das 50-jahrige Aufstellungsjubilaum im Jahr 2024 beging die Stadt Hannover mit Veranstaltungen im zeitlichen Umfeld des Weltfrauentages.
Literatur Ines Katenhusen: Lebenslust per Ratsbeschluss. Das Experiment Straßenkunst und der Nana-Skandal im Hannover der 1970er Jahre. In: Daniela Munkel, Jutta Schwarzkopf (Hrsg.): Geschichte als Experiment. Studien zu Politik, Kultur und Alltag im 19. und 20. Jahrhundert, Festschrift fur Adelheid von Saldern, Frankfurt/Main; New York: Campus-Verlag, 2004, ISBN 3-593-37489-7, S. 307–319
Helmut Knocke, Hugo Thielen: Nanas. In: Hannover Kunst- und Kultur-Lexikon, Hannover, 2007, S. 40, 166
Ines Katenhusen: Nanas. In: Klaus Mlynek, Waldemar R. Rohrbein (Hrsg.) u. a.: Stadtlexikon Hannover. Von den Anfangen bis in die Gegenwart. Schlutersche, Hannover 2009, ISBN 978-3-89993-662-9, S. 459.
Weblinks Nanas bei hannover.de
Am Leibnizufer bei den Nanas bei hannover.de
„Nanas“ in Hannover feiern 50. Geburtstag bei ndr.de vom 14. Januar 2024
Panorama-Foto: Drei „Nanas“ am Leibnizufer in Hannover (2005)
Einzelnachweise | 
	Die Nanas in Hannover sind drei Nana-Figuren der Kunstlerin Niki de Saint Phalle, die 1974 in Hannover installiert wurden. Als Kunst im offentlichen Raum sind sie Teil der Skulpturenmeile am Leibnizufer. | 
	{
  "url": "https://de.wikipedia.org/wiki/Nanas_(Hannover)"
} | 
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	c-547 | 
	Das Cadillac V16 Hartmann Cabriolet (alternativ: Cadillac Series 90 Hartmann Cabriolet) ist ein 1937 gebautes offenes Oberklasseauto auf dem Fahrwerk eines zeitgenossischen Cadillac, das von einem Sechzehnzylindermotor angetrieben wird und eine individuelle, im Art-deco-Stil gehaltene Karosserie hat. Der Aufbau wurde von dem kaum bekannten Unternehmen Hartmann in Lausanne gestaltet und hergestellt; stilistisch lehnt er sich an einen Aufsehen erregenden Entwurf von Figoni & Falaschi aus dem Jahr 1936 an. Das fast sieben Meter lange Auto ist ein Einzelstuck. Es existiert noch immer und wird in der Literatur mit verschiedenen Superlativen verbunden. Nicht alle Einzelheiten seiner Geschichte sind zweifelsfrei geklart.
Entstehungsgeschichte Initiator des Fahrzeugs war Philippe Barraud (1912–1993), der wohlhabende Sohn eines Ziegeleibesitzers aus der Gemeinde Bussigny am Genfersee.
Barraud, ein Automobilenthusiast, hatte im Oktober 1936 auf dem Pariser Autosalon ein von Figoni & Falaschi karossiertes Cabriolet aus der Delahaye-135M-Reihe gesehen, das wegen seines außergewohnlichen, auf eine Zeichnung von  Geo Ham zuruckgehenden Aufbaus der „Star der Show“ gewesen war. Obwohl Barraud von dem Auto beeindruckt war, kaufte er weder das Ausstellungsstuck, das an den pakistanischen Prinz Aly Khan ging, noch einen der zehn Nachbauten, die Figoni & Falaschi bis zum Sommer 1937 herstellte und als Delahaye 135M Phaeton Grand Sport auf den Markt brachte.
Stattdessen entschied sich Barraud dafur, ein eigenes Auto bauen zu lassen, dessen Design als freie Interpretation des Figoni-Falaschi-Entwurfs angesehen werden kann. Als technische Basis wahlte Barraud ein US-amerikanisches Cadillac-Chassis, das sich unter anderem durch seine wesentlich großeren Abmessungen und seinen Sechzehnzylinder-V-Motor von dem kleineren, sechszylindrigen Delahaye unterscheidet. Barraud bestellte das Fahrgestell bei der Lausanner Garage Edelweiss, dem ortlichen Cadillac-Handler. Das Chassis wurde uber General Motors’ europaische Zentrale in Antwerpen geliefert und kam im April 1937 in Lausanne an. Mit den Karosseriearbeiten beauftragte Barraud das kleine Unternehmen Carrosserie Hartmann, das wie Barraud in Bussigny ansassig war und bei den wenigen bis dahin produzierten Karosserien vor allem fremde Entwurfe nachgebaut hatte.
Hartmann stellte Barrauds Cadillac im August 1937 fertig. Das Auto wurde einige Jahre lang von Barraud in der Umgebung des Genfersees bewegt, bevor es eingelagert wurde. Seit 1969 ging der Cadillac durch mehrere Hande. Inzwischen steht er in den USA und befindet sich seit 2017 wieder annahernd im Originalzustand.
Modellbeschreibung des Originalfahrzeugs = Karosserie =
Das Cadillac V16 Hartmann Cabriolet ist ein offener Zweisitzer mit Stahlkarosserie und Stoffverdeck. In der Automobilliteratur wird die Karosseriebauform teilweise als Torpedo beschrieben.
Hartmanns Cadillac Cabriolet greift zahlreiche markante Stilelemente des Delahaye 135M Phaeton Grand Sport von Figoni & Falaschi auf, ohne allerdings eine exakte Kopie des franzosischen Sportwagens zu sein.
Zu den ubereinstimmenden Merkmalen gehoren tropfenformige vordere und hintere Kotflugel mit voll verkleideten Vorder- und Hinterradern. Auf allen Kotflugeln finden sich geschwungene, an Wellen erinnernde Konturformen. Seitliche Trittbretter oder sonstige Verbindungen zwischen den Kotflugeln fehlen. Die Scheinwerfer sind unmittelbar oberhalb der Stoßstange in die vorderen Enden der Kotflugel eingelassen und haben eine verchromte Einfassung, die sich wimpernartig nach oben hin verjungt. An beiden Seiten der Kuhlermaske sind kleine Zusatzscheinwerfer eingelassen. Von der Motorhaube bis in die Wagenflanken hinein verlaufen Akzentstreifen in kontrastierender Farbe.
In der Gestaltung der Gurtellinie unterscheiden sich Figoni & Falaschis Delahaye und Hartmanns Cadillac: Wahrend die Gurtellinie beim Delahaye im Bereich der Turen leicht abfallt, verlauft sie beim Cadillac waagerecht. Außerdem ist das Passagierabteil beim franzosischen Vorbild weiter nach hinten geruckt als beim Schweizer Cabriolet.
= Fahrwerk =
Das V16 Hartmann Cabriolet basiert auf einem Series-90-Chassis von Cadillac, dem großten Modell des Herstellers und in erster Linie fur Reprasentationsfahrzeuge gedacht. Im Modelljahr 1937 baute Cadillac lediglich 49 Fahrzeuge dieser Baureihe. 47 von ihnen wurden mit Werkskarosserien von Fleetwood ausgeliefert; hinzu kamen zwei fahrbereite Chassis mit Motor und Getriebe, aber ohne Karosserie. Eines der beiden unkarossierten Chassis (Fahrgestellnummer 5030328) ubernahm Barraud fur sein Hartmann-Cabriolet.
Es war ein Leiterrahmen aus Stahl, der von Cadillacs Achtzylindermodellen der Serie 353 abgeleitet war. Hartmann verwendete das Fahrwerk ohne Anderung der Abmessungen, musste es aber wegen des hohen Gewichts des Aufbaus an mehreren Stellen verstarken.
= Antriebstechnik =
Hartmann ubernahm den serienmaßigen Motor des Cadillac Series 90 ohne Veranderungen fur sein Cabriolet. Die ab 1926 unter der Leitung von Owen Nacker entwickelte und seit 1930 verkaufte Konstruktion war der weltweit erste in Serie produzierte Sechzehnzylinder-V-Motor fur ein Straßenfahrzeug und in den spaten 1930er-Jahren der einzige verfugbare Motor mit dieser Auslegung.
Der Hubraum des 452 genannten Motors betragt 7407 cm³ (Bohrung × Hub: 3 × 4 Zoll; 452 cui), wird jedoch in einigen Publikationen unzutreffend mit 7,7 Liter angegeben. Die beiden Zylinderreihen stehen in einem Winkel von 45 Grad zueinander. Jede Zylinderreihe hat eine obenliegende Nockenwelle und jeder Zylinder zwei Ventile, die uber Hydrostoßel betatigt werden. Serienmaßig wurden zwei Strombergvergaser eingebaut, einer fur jede Zylinderreihe. Das Verdichtungsverhaltnis betragt 5,3 : 1. Das Werk gab die Motorleistung fur 1937 – das letzte Baujahr dieses Motors – mit 185 bhp an. Er war damit wesentlich leistungsstarker als der Sechszylindermotor des Delahaye 135M, der nach Werksangaben 130 PS leistete.
= Abmessungen und Gewicht =
Der Radstand von Hartmanns Cabriolet betragt 3912 mm. Er ist damit einen Meter langer als der des Delahaye, der als Vorbild fur die Hartmann-Kreation diente. Die Gesamtlange des Autos wird in mehreren Quellen mit 22 Fuß (6706 mm) angegeben. Die Angaben zum Leergewicht gehen dagegen auseinander. Sie reichen von 2800 kg uber 3000 kg bis hin zu 3300 kg.
Mehrere Quellen berichten, dass es 1937 großenbedingt Schwierigkeiten bei der Zulassung des Autos gab. Aufgrund der Lange und des Gewichts des Autos erwogen die Schweizer Behorden danach eine Zulassung als Lastkraftwagen; diese Entscheidung ließ sich erst nach einigen Umbauten abwenden.
= Lackierung =
Bei seiner Auslieferung im August 1937 war das Fahrzeug weiß lackiert; die Akzentstreifen auf der Motorhaube und den Wagenflanken waren orangefarben. Spater ließ Barraud die Farbe der Akzentstreifen zunachst in Hellblau und dann in einen Braunton andern.
Weitere Entwicklung Das Hartmann-Cabriolet wechselte im Laufe der Jahrzehnte vielfach den Eigentumer. 1969 verkaufte der Inhaber des Lagers, in dem Barraud das mittlerweile nicht mehr fahrbereite Auto untergebracht hatte, den Wagen ohne Wissen Barrauds an einen Schweizer Sammler, der ihn drei Jahre spater an einen franzosischen Kaufer aus Macon weiterreichte. 1977 ubernahm ein Sammler aus Lyon das Auto. In den 1980er-Jahren wurde der Wagen mehrmals in Europa offentlich gezeigt, darunter 1982 in mehreren bundesdeutschen Stadten im Rahmen einer als Veedol Star Parade bezeichneten Wanderausstellung, 1983 auf der Retro Lyon und 1985 auf der Retromobile in Paris. Im Anschluss an die Pariser Ausstellung ging der Wagen zu einem neuen Eigentumer in die USA, wo er in den folgenden Jahren auf mehreren Auktionen erfolglos zum Verkauf angeboten wurde. Die bei diesen Anlassen genannten Daten und Geschichten zum Auto waren teilweise grob falsch. 1990 wurde das Auto in Zinnoberrot neu lackiert; die Akzentstreifen erhielten eine silberne Farbe. In dieser Aufmachung wurde es an das Blackhawk Museum in Danville, Kalifornien, verkauft. 2013 ging der Wagen schließlich an einen amerikanischen Sammler, der ihn in den folgenden Jahren in Kanada restaurieren und annahernd in den Originalzustand versetzen ließ. Das mittlerweile wieder weiß lackierte Auto wird seitdem gelegentlich auf amerikanischen Ausstellungen gezeigt, darunter beim Pebble Beach Concours d’Elegance.
Mythen und Fehlinformationen In einer Reihe von Verkaufsanzeigen und auf Auktionen vor allem in Nordamerika wurde die Karosserie des Cadillac V16 Hartmann Cabriolet fehlerhaft Figoni & Falaschi zugeschrieben, wahrscheinlich um mit Blick auf den herausragenden Bekanntheitsgrad des franzosischen Carrossiers einen hoheren Kaufpreis zu erzielen. Um die These des franzosischen Ursprungs zu stutzen, installierte das etablierte amerikanische Auktionshaus Barrett-Jackson bereits 1985 ein Metallemblem von Figoni & Falaschi auf dem Armaturentrager des Hartmann.
Fehlinformationen gab es auch zum Ursprung des Autos. Ein Beitrag von 1982 schreibt es unrichtig einem (nicht namentlich genannten) Zurcher Bankier zu. Etwas spater wurde des Ofteren der „bolivianische Zinn-Baron“ Simon I. Patino, einer der reichsten Manner der Zwischenkriegszeit, als Urheber und Auftraggeber des Hartmann-Cadillac bezeichnet. Patino war in den 1930er-Jahren Botschafter Boliviens in Frankreich, hatte mit dem Auto aber gar nichts zu tun.
Rezeption Hartmanns Cadillac wird in der Literatur mit verschiedenen Superlativen verbunden. Unter anderem gilt er „als der verruckteste jemals gebaute Cadillac“ oder als das „extremste jemals gebaute Cabriolet“.
Literatur Georg Amtmann: Cadillac. Lechner Verlag, Genf 1990, ISBN 3-85049-071-8.
Ferdinand Hediger: Schweizer Carrossiers 1890–1970. 1. Auflage. 2013, SwissSlassics Publishing AG, Bach SZ (Schweiz); ISBN 978-3-9524171-0-2.
Richard M. Langworth: Encyclopedia of American Cars 1930–1980. New York (Beekman House) 1984, ISBN 0-517-42462-2.
Dirk Maxeiner: Traum mit 16. In: Ausstellungskatalog zur Auto Show der Superlative Veedol Starparade 1982, S. 10 ff.
Weblinks Anmerkungen Einzelnachweise | 
	Das Cadillac V16 Hartmann Cabriolet (alternativ: Cadillac Series 90 Hartmann Cabriolet) ist ein 1937 gebautes offenes Oberklasseauto auf dem Fahrwerk eines zeitgenossischen Cadillac, das von einem Sechzehnzylindermotor angetrieben wird und eine individuelle, im Art-deco-Stil gehaltene Karosserie hat. Der Aufbau wurde von dem kaum bekannten Unternehmen Hartmann in Lausanne gestaltet und hergestellt; stilistisch lehnt er sich an einen Aufsehen erregenden Entwurf von Figoni & Falaschi aus dem Jahr 1936 an. Das fast sieben Meter lange Auto ist ein Einzelstuck. Es existiert noch immer und wird in der Literatur mit verschiedenen Superlativen verbunden. Nicht alle Einzelheiten seiner Geschichte sind zweifelsfrei geklart. | 
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	c-548 | 
	i3i6
Der Nationalpark Forets (franzosisch Parc national de forets) ist der jungste der elf Nationalparks von Frankreich. Er liegt auf dem Gebiet der Departements Cote-d’Or und Haute-Marne, an der Grenze zwischen den Verwaltungsregionen Grand-Est und Bourgogne-Franche-Comte. Der Nationalpark wurde am 6. November 2019 per Dekret des Staatsrats gegrundet und dient dem Schutz von Laubwaldern. Er schutzt die bewaldeten Mittelgebirgszuge im Gebiet „Chatillonnais“, genauer gesagt auf dem Plateau von Langres im Bereich der Stadte Chatillon-sur-Seine, Arc-en-Barrois und Auberive. Diese Gegend ist reprasentativ fur die Laubwaldbedeckung der Hochebenen im Sudosten des Pariser Beckens. Der Nationalpark besteht aus einer geschutzten Kernzone mit einer Flache von 56.614 ha, die zu 95 % bewaldet ist, wobei das Gebiet eines Totalreservats eine Flache von fast 3100 ha hat. Weiter wurde eine Erweiterungszone ohne besonderen Schutz auf dem Gebiet der Gemeinden Chateauvillain, Chatillon-sur-Seine und Auberive eingerichtet, die 127 Ortschaften umfasst und 184.475 ha groß ist.
Grundung des Nationalparks Die Grundung des Nationalparks verlangte eine 12-jahrige Vorbereitungszeit. Es ist aber bemerkenswert, dass nur drei Jahre vergingen vom Wunsch, einen Nationalpark zu grunden, bis zur Entscheidung uber dessen Lage.
Sommer 2007: Nach der Einberufung eines umweltpolitischen Runden Tisches wurde die Einrichtung von drei neuen Nationalparks beschlossen.
Herbst 2008: Ein Standort fur den kunftigen Nationalpark wurde gesucht, der dem Laubwald des Pariser Beckens gewidmet sein sollte.
Sommer 2009: Anlasslich seines Besuchs in Leuglay gab Premierminister Francois Fillon die Entscheidung fur das Gebiet zwischen „Champagne und Burgund“ bekannt.
Sommer 2010: Eine „offentliche Interessenvereinigung“ (Groupement d’interet public, GIP) wurde gegrundet, die den kunftigen Nationalpark einrichten sollte. Der GIP vereinte uber 200 Mitglieder in drei Arbeitsgruppen: Staat und offentliche Einrichtungen, Gebietskorperschaften und Zivilgesellschaft.
Fruhjahr 2013: Das Umweltministerium anerkannte und zertifizierte die Außergewohnlichkeit des landschaftlichen Erbes des vorgeschlagenen Gebiets und sicherte dem GIP die Finanzierung des Projekts zu.
November 2019: Der Nationalpark Forets wurde gegrundet.
Aufgaben des Nationalparks Ziel des Nationalpark Forets ist die Erhaltung und der Schutz von Fauna, Flora und des Kulturerbes der Region. Dieser Schutz berucksichtigt die wirtschaftlichen und touristischen Bedurfnisse, die fur die Entwicklung des Gebiets notwendig sind. Vier Aufgabenbereiche wurden definiert:
Verbesserung der Kenntnis des Natur- und Kulturerbes durch wissenschaftliche Begleitung.
Erhaltung, Verwaltung und Wiederherstellung des Natur- und Kulturerbes.
Sensibilisierung der Offentlichkeit und Forderung der Bildung fur Umwelt und nachhaltige Entwicklung.
Mobilisierung aller Krafte, um einen nachhaltigen okologischen Umbau zu gewahrleisten.
Die Umsetzung dieser Aufgaben wurde in der Charta des Nationalparks festgelegt.
Charta des Nationalparks Die Charta des Parks bezieht die zahlreichen lokalen Akteure in diese Aufgaben mit ein und starkt die Beteiligung der Burger. Die Charta hat das Ziel, einen gemeinsamen Rahmen fur die lokale Politik zu schaffen, und vor allem eine globale Ubereinstimmung zum Schutz, zur Planung und zur nachhaltigen Entwicklung herbeizufuhren. Sie behandelt vier großen Herausforderungen:
Verbesserung der Kenntnisse uber das Kulturerbe und die menschlichen Aktivitaten sowie deren Wechselwirkungen.
Erhalt und Wiederherstellung des Kulturerbes fur kunftige Generationen.
Unterstutzung bestehender Wirtschaftszweige und Anregung zu Innovationen zum Nutzen eines lebendigen landlichen Raumes.
Forderung des Engagements fur ein beispielhaftes und anerkanntes Gebiet.
Das Totalreservat ist vorrangig der wissenschaftlichen Forschung gewidmet. Hier konnen langfristig die Umformung eines bewirtschafteten Waldes in einen naturnahen Zustand sowie seine Entwicklung im Kontext des globalen Wandels beobachtet, verfolgt und analysiert werden.
Die Charta des Nationalparks ist in drei Hefte gegliedert.
Heft 1: Hier werden die Ambitionen und Herausforderungen des Nationalparks dargestellt. Es fuhrt insbesondere folgende Punkte detailliert aus:
Die Daseinsberechtigung und den Charakter dieses Nationalparks, wobei die Grundprinzipien, die allen anderen franzosischen Nationalparks gemeinsam sind, in Erinnerung gerufen werden ;
Eine Diagnose, die die Starken, Schwachen, Moglichkeiten und Bedrohungen des Gebiets aufzeigt und die wichtigsten Herausforderungen herausarbeitet;
Eine Zusammenfassung der vier Herausforderungen, die das Gebiet durch die Grundung des Waldnationalparks bewaltigen mochte;
Die Verwaltung des Nationalparks als offentlichen Einrichtung sowie die Verpflichtungen und Vorteile fur die Gemeinden und Projekttrager, die sich an seiner Seite engagieren mochten.
Heft 2: Hier wird das gesamte Gebietsprojekt fur die nachsten 15 Jahre entwickelt. Es ist in zwei Teile gegliedert:
Ein Schutzprojekt fur das Kerngebiet des Nationalparks, das in 10 „Schutzziele“ unterteilt ist. In diesem Gebiet, das vorrangig dem Schutz der naturlichen, kulturellen und landschaftlichen Reichtumer gewidmet ist, halten sich die unternommenen Aktionen an eine besondere Regelung;
Ein Projekt der nachhaltigen Entwicklung fur das gesamte Gebiet (Kerngebiet und Beitrittsgebiet), das in 18 „Leitlinien fur die nachhaltige Entwicklung“ unterteilt ist;
Fur jedes dieser Ziele sind, detailliert in einzelne Maßnahmen, Aktionen und Partnerschaftsansatze vorgeschlagen. Diese werden mit den lokalen Gebietskorperschaften, Unternehmen, Vereinen oder Privatpersonen, die sich engagieren mochten, umgesetzt. Ein Evaluierungssystem, das die koharente und effiziente Umsetzung der im Rahmen dieser Charta durchgefuhrten Maßnahmen gewahrleisten soll, vervollstandigt Heft 2.
Heft 3: Dieses Heft enthalt die spezifischen Vorschriften fur das Kerngebiet des Nationalparks, die den langfristigen Schutz der naturlichen, kulturellen und landschaftlichen Reichtumer gewahrleisten sollen. Hier werden die allgemeinen Regeln, die unter das Dekret zur Einrichtung des Parks fallen, und die detaillierteren Regeln, die unter die Charta fallen, erlautert. Diese Broschure ist in drei Teile gegliedert:
Die Regeln zum Schutz des Kulturerbes;
Die Regeln fur bestimmte Arbeiten;
Die Regeln fur bestimmte Aktivitaten.
Fur bestimmte Kategorien von Akteuren wie Anwohner, Eigentumer, Forster, Landwirte werden Ausnahmeregelungen identifiziert. Im Anhang werden die Elemente mit hohem Vermogenswert vorgestellt, die die Anwendung dieser Vorschriften rechtfertigen.
Management und Verwaltung Die Suche nach territorialer Koharenz zwischen den Departements Haut-Marne und Cote d’Or erschien in der Vorgrundungsphase als eine Prioritat. Diese standige Suche nach einem Gleichgewicht zwischen den Regionen Bourgogne-Franche-Comte und Grand-Est sowie den beiden Departements stellt noch heute eine Herausforderung fur die Verwaltung des Nationalparks dar. Der Nationalpark ist eine offentliche Einrichtung, die dem Umweltministerium untersteht. Die Verwaltung dieser Einrichtung ist lokal organisiert.
= Der Verwaltungsrat (Conseil d’administration) =
Der Verwaltungsrat lenkt die Politik des Nationalparks, verabschiedet den Haushalt und trifft die wichtigsten Entscheidungen bezuglich der Parkverwaltung. Er setzt sich aus 54 Mitgliedern zusammen, sowohl aus Vertretern des Zentralstaats als auch der Gebietskorperschaften.
= Der wissenschaftliche Rat (Conseil scientifique) =
Der wissenschaftliche Rat des Nationalparks unterstutzt den Verwaltungsrat und den Direktor des Parks bei der Ausubung ihrer Geschafte. Er ist eine beratende Instanz, die sich aus 29 nationalen, multidisziplinaren Experten zusammensetzt.
= Der Wirtschafts-, Sozial- und Kulturrat (Conseil economique, social et culturel) =
Der Wirtschafts-, Sozial- und Kulturrat berat zu Themen der politischen Zusammenarbeit sowie zu soziookonomischen und kulturellen Themen und gibt einen Einblick in die Umsetzung der Charta des Nationalparks. Er hat eine beratende Funktion und besteht aus 51 Mitgliedern.
= Die Konferenz der Burgermeister (Conference des maires) =
Die Burgermeisterkonferenz ist eine Instanz, die es nur im Nationalpark Forets gibt. Sie ist in der Charta des Nationalparks festgeschrieben. Durch das partizipatives Format starkt sie die Einbindung der Gemeinden in den Nationalpark, indem sie uber die Umsetzung der Charta informiert. Sie setzt sich aus den Burgermeistern der 127 Gemeinden des optimalen Beitrittsgebiets zusammen. Die Vorsitzenden der Gemeindeverbande (Communautes de communes), der Departementsrate (Conseils departementaux) und der Regionalrate (Conseils regionaux) sind ebenfalls eingeladen. Die Konferenz tritt mindestens einmal im Jahr auf Initiative des Vorsitzenden des Verwaltungsrats zusammen.
Lage des Nationalparks Das Gebiet des Nationalparks liegt auf dem Plateau von Langres im Nordosten Frankreichs und erstreckt sich zwischen den Departements Haute-Marne (Region Grand-Est) und Cote-d’Or (Region Bourgogne-Franche-Comte). Er liegt grob zwischen den großeren Stadten Chatillon-sur-Seine, Langres und Chaumont. Im franzosischen Mutterland liegen nur der Nationalpark Forets und der Nationalpark Calanques im Flachland. Seine Hohe ubersteigt kaum 500 m bei einer maximalen Hohe von 523 m auf der Hohe von Baissey (Haut de Baissey), die auch der hochste Punkt des Plateaus von Langres sowie des Departements Haute-Marne ist.
Der Nationalpark Forets ist in drei Gebiete aufgeteilt, das Totalreservat, das Kerngebiet und das Beitrittsgebiet.
Das Totalreservat ist das am starksten geschutzte Gebiet und hat eine Flache von fast 3100 ha, das entspricht etwa 5 % der Flache der Schutzzone. Es liegt innerhalb des Staatswaldes von Arc-Chateauvillain, im Departement Haute-Marne, in den Gemeinden Arc-en-Barrois, Chateauvillain, Cour-l’Eveque und Richebourg.
Das Kerngebiet hat eine Flache von 56.614 ha und ist zu 95 % mit Wald bedeckt. Insgesamt 60 Gemeinden liegen ganz oder teilweise im Kerngebiet.
Das Beitrittsgebiet ist kein Schutzgebiet. Es umfasst alle Gemeinden, die in geografischer Kontinuitat oder in okologischer Solidaritat mit dem Kerngebiet des Parks stehen. Seine optimale Ausdehnung wurde durch das Dekret zur Grundung des Nationalparks festgelegt und umfasst 127 Gemeinden mit einer Flache von 184.475 ha. Bis zum Jahr 2022 sind 110 Ortschaften von 127 dem Gebiet beigetreten, 57 aus dem Departements Cote d’Or und 53 aus dem Departement Haute-Marne. Folgende Gemeinden des Departements Cote d’Or gehoren zum Beitrittsgebiet des Parks:
Folgende Gemeinden des Departements Haute-Marne, gehoren zum Beitrittsgebiet des Parks:
Eine genaue Karte der Lage der Gebiete des Nationalparks findet sich im Anhang.
Geologie Der Nationalpark liegt im Sudosten des Pariser Beckens auf dem Plateau von Langres, welches aus Sedimentgestein des Mitteljura (Dogger) besteht, hauptsachlich aus oolithischem Kalk, der wahrend des Bathonium und Bajocium abgelagert wurde. Durch die Absenkung des Zentrums des Pariser Beckens wurden die verschiedenen Sedimentschichten an dessen Randern stark geneigt. Durch Erosion entsteht eine Schichtstufenlandschaft ohne große Hohenunterschiede, in der die verschiedenen geologischen Schichten schrag auf die Oberflache treffen. Die so abgelagerten Schichten konnen mit aufeinander gestapelten, unterschiedlich großen Tellern verglichen werden, beginnend mit dem großten Teller unten und mit dem kleinsten Teller oben. Blickt man von oben auf den Tellerstapel, bildet der sichtbare Rand jedes Tellers, der nicht vom oberen Teller bedeckt wird, einen Ring. Man spricht von den Heiligenscheinen (franz. Aureoles) des Pariser Beckens. Das Plateau de Langres liegt in der Aureole der Ablagerungen aus dem Dogger, die das Kalkseingerust des Plateaus bilden. Die Hange (franz. Cote), die sich am oberen Ende einer jeden Gesteinsschicht bilden, werden Cuestas genannt. Die Aureole des Plateau de Langre ist schematisch im Anhang angegeben.
Durch Erosion bildete sich eine verkarstete Landschaft mit eingeschnittenen Flusstalern. Die hydrogeologische Aktivitat zeigt sich in zahlreichen Karstquellen, wie denen von Marne, Douix, Coquille und Beze sowie der Laignes.
Landschaft des Nationalparks Hange (Cote) begrenzen den Nationalpark auf zwei Seiten, die fur die Rander des Pariser Beckens charakteristisch sind (sogenannte Cuestas).
Die Hange der Maas (Cote de Meuse) im Nordwesten des Gebiets uberragen das „Tal von Chatillonnaise“ in dem sich die Stadte Chatillon-sur-Seine und Chateauvillain befinden. Wahrend in der Ebene vor allem Ackerbau betrieben wird, gibt es an den Hangen kleine Weinberge, Obstgarten, jungen Waldern und, sofern noch vorhanden, Trockenrasen mit einer bemerkenswerten Flora.
Die Hange der Mosel (Cote de Moselle) gehen weiter sudlich in die prestigetrachtigen Weinbaugebiete „Cote de Nuits“ und „Cote de Beaune“ uber. Diese Hange konnen geografisch zwar nicht als Cuesta bezeichnet werden, ihre Bezeichnung als Cote ist jedoch zulassig.
Zum besseren Verstandnis befindet sich im Anhang ein Langsschnitt durch das Plateau de Langres von der Cote de Meuse bis zur Cote de Moselle.
In die Kalksteinplateaus wurden von Wasserlaufen Taler eingeschnitten, wobei vor allem die Flusse Aujon, Aube, Ource, Tille und Seine in ihren Oberlaufen die Landschaft des Nationalparks pragen. Die Taler sind besiedelt und Orte wirtschaftlicher Aktivitat. In den von großen Waldern bedeckten Hochebenen liegen noch einige Bauernhofe in Lichtungen, die schon vor Jahrhunderten von Monchen gerodet wurden. Die Besiedelung der weitlaufigen Walder ist aber gering.
Im Park befinden sich 694 km Fließgewasser und zahlreiche Quellen sowie Feuchtgebiete wie die Kalktuffsumpfe.
Klima Im Nationalpark herrscht kontinentales Klima vor, das sich durch kalte, lange Winter und warme, kurze Sommer auszeichnet. Die Westwinde uberwiegen und bringen reichlich Niederschlage mit einem leichten Niederschlagsmaximum im Herbst. An der Wetterstation von Meteo-France in Auberives, betragt gemaß den Mittelwerten von 1981 bis 2010 die jahrliche Durchschnittstemperatur 15,9 °C bei einem jahrlichen Niederschlag mit 956,1 mm. 
Reglementierte Aktivitaten Der Nationalpark Forets unterliegt dem franzosischen Umweltrecht, das im Umweltgesetzbuch (Code de l’environnement) niedergelegt ist. Insbesondere werden Aktivitaten durch die Artikel L. 331-2, L. 331-6 und R. 331-5 geregelt (siehe Heft 3 der Charta). Es ist grundsatzlich verboten, die Tierwelt zu storen, insbesondere wahrend der Brut- oder Nistzeit. Es ist weiter verboten, Storungen durch Larm- oder Licht (bei Einbruch der Dunkelheit) zu verursachen, den Charakter des Ortes durch Beschriftungen aller Art auf naturlichen Elementen (Baumen, Felsen usw.) oder Gebauden zu beeintrachtigen, und Abfalle, Mull oder andere Materialien außerhalb der dafur vorgesehenen Sammelstellen zu hinterlassen.
= Betreten des Nationalparks =
Der Zutritt zur Kernzone des Nationalparks ist fur Kraftfahrzeuge nur entlang geoffneter Gemeinde- und Departementsstraßen erlaubt. Außerhalb dieser Straßen ist der motorisierte Verkehr in der Kernzone verboten, um die Ruhe dieser Naturraume zu gewahrleisten.
Spazierganger und Wanderer durfen sich in der Kernzone des Nationalparks frei bewegen. In Abhangigkeit des besonderen Schutzbedarfs ausgewahlter Gebiete, oder der notwendigen Einhaltung von Ruhezonen (z. B. Nistgebiete des Schwarzstorchs), kann der Zugang lokal verboten werden, bzw. zeitlich eingeschrankt werden. Fahrradfahren und die Benutzung anderer nicht motorisierter Fahrzeuge ist erlaubt.
Das Ubernachten (in Zelten oder Fahrzeugen) außerhalb eingezaunter oder privater Grundstucke ist in der Kernzone des Nationalparks verboten. Biwakieren ist erlaubt in dem Zeitraum von einer Stunde vor Sonnenuntergang bis eine Stunde nach Sonnenaufgang. Es ist verboten, in der Kernzone außerhalb der dafur vorgesehenen Einrichtungen Feuer zu machen.
Es ist erlaubt, Hunde in das Kerngebiet mitzunehmen. Die Ruhe der Wildtiere und der Herden ist aber zu gewahrleisten. Es wird empfohlen, Hunde in Waldern und in der Nahe von Weidegebieten an der Leine zu fuhren.
= Das Sammeln im Nationalpark =
Eine Aufgabe des Nationalparks ist, ein Leben in Harmonie von Mensch und Natur zu fordern. Sammeln und Pflucken von Pflanzen und Fruchten ist in den drei Zonen des Parks unterschiedlich reglementiert:
Im Totalreservat, einem Gebiet von fast 3100 ha im Staatswald von Arc-Chateauvillain, entwickelt sich der Wald ungestort von menschlichen Eingriffen. Sammeln und Pflucken ist strengstens verboten.
In der Kernzone der Nationalparks ist Sammeln lokal und zeitabhangig geregelt. Es ist unter Auflagen moglich, einige nicht geschutzte Pflanzen und Fruchte zu sammeln.
Im Beitrittsgebiet gelten die ublichen Naturschutzvorschriften.
Das Pflucken von Pflanzen fur den privaten Gebrauch oder Verzehr ist in der Kernzone des Nationalparks moglich, unterliegt aber Regelungen. Die Pflanzen, die nicht gepfluckt werden durfen, sind in Heft 3 der Charta aufgelistet. Pilze durfen bis zu einer Hochstmenge von 5 Litern pro Tag und Person gesammelt werden, wenn sie zu den folgenden Arten gehoren: Morcheln, Pfifferlinge, Steinpilze, Totentrompeten, Semmel-Stoppelpilz, Maipilz, Violetter Rotelritterling, Edel-Reizker, Essbare Porlinge.
= Jagd =
Die Jagd ist ein integraler Bestandteil des Lebens in den Waldern des Nationalparks. Die Modalitaten der Jagd sind an die verschiedenen Zonen des Waldnationalparks angepasst:
Im Totalreservat ist die Jagd gemaß dem Grundungsdekret (Artikel 4) verboten. Dagegen ist die „Regulierung“ der Populationen von Hirsch, Reh, und Wildschwein moglich und wird unter der Verantwortung des Nationalparks organisiert. Dabei geht es darum, die naturliche Entwicklung des Waldes mit der Prasenz großer wilder Huftiere in Einklang zu bringen.
In der Kernzone ist das Ziel die Exzellenz in der Jagdbewirtschaftung. Die Exzellenz strebt die Abschaffung von Futterung und Einzaunungen an sowie ein harmonisches und sicheres Nebeneinander von Jagd und Besuchern.
Im Beitrittsgebiet untersteht die Jagdordnung nicht direkt dem Nationalpark. Ziel ist es, eine vorbildliche Jagd zu fordern.
= Holzwirtschaft =
Im Naturschutzgebiet soll ein Vorbild fur die Bewirtschaftung und Nutzung des Waldes geschaffen werden, indem auch Traditionen gepflegt werden. Holzeinschlag in Gemeindewaldern wird von den Gemeinden in Zusammenarbeit mit dem „Office National des Forets“ (ONF) geregelt und durchgefuhrt. Selbst in Gemeindewaldern der Kernzone wird Holzeinschlag beibehalten, unter Berucksichtigung des außergewohnlichen Naturerbes dieses Gebietes. Große, qualitativ hochwertige Holzer werden verkauft und kleine Holzer werden unter interessierten Einwohnern aufgeteilt. In Staatswaldern werden Holzabtretungen direkt vom ONF durchgefuhrt. Etwa 3000 Haushalte im Umland des Nationalparks heizen mit Holz. Privater Holzeinschlag ist in der Region Tradition und sehr verbreitet. Er ermoglicht „Waldpachtern“ so einen Teil der Heizkosten zu decken.
= Landwirtschaft =
Fast die Halfte der Flache des Beitrittsgebiets des Nationalparks ist landwirtschaftliche Flache. Die Landwirtschaft ist uberwiegend konventionell, doch die Zahl biologisch arbeitender Betriebe steigt stetig. Die meist in den Talern liegenden 550 landwirtschaftliche Betriebe betreiben uberwiegend Viehzucht und Ackerbau. Die Schafzucht, die im 19. Jahrhundert dominant war, wurde großtenteils durch Rinderzucht fur die Milch- und Fleischproduktion ersetzt. Die in den Talern liegenden Wiesen werden beweidet und/oder zur Futterproduktion gemaht. Einige Wiesen haben eine bemerkenswerte Flora und sind Gegenstand von Erhaltungsprogrammen. Auf den anderen landwirtschaftlichen Flachen wird Getreide angebaut (Weizen und Gerste), die in der Fruchtfolge haufig mit Raps kombiniert werden.
Von August 2018 bis Marz 2019 wurde eine Studie zur Landwirtschaft im Nationalpark von der „offentlichen Interessenvereinigung“ (Groupement d’interet public, GIP) durchgefuhrt. Sie brachte Landwirte und institutionelle Akteure in Arbeitsgruppen zusammen, um eine gemeinsame Vision zu entwickeln bezuglich der landwirtschaftlichen Herausforderungen und der Zukunft der Landwirtschaft im Park. Die Arbeitsgruppen entwickelten Strategien um der Landwirtschaft eine mittelfristige Zukunft zu geben, und sie langfristig zu einer tragenden Branche im Nationalpark zu machen. Von den 13 erarbeiteten Entwicklungspfaden wurden funf fur einen kollektiven und prioritaren Aktionsplan ausgewahlt. Hierbei handelt es sich um die Erweiterung des Bio-Ackerbaus, der Herstellung unterschiedlicher Milchprodukte, Futtermittelproduktion und graslandbasierte Rindfleischproduktion sowie den Truffelanbau.
Die Ergebnisse der Studie steht im Einklang mit der Charta des Nationalparks und dessen Ziel, eine nachhaltige Landwirtschaft zu unterstutzen. Folgende Maßnahmen sind in der Charta genannt;
ein Pilotgebiet im Bereich der Agrarokologie werden,
lebensfahige und leistungsfahige Agrarsysteme der Mischkultur und der Weidewirtschaft anleiten und unterstutzen,
biologische Landwirtschaft unterstutzen,
lokale Verarbeitung und Diversifizierung fordern.
Geschutzte Lebensraume Die große Waldflache umfasst einerseits Buchenwalder an unterschiedlichen Standorten, einige sind trocken, andere haben einen gebirgigen Charakter. Andererseits wachsen in den Talern reiche Mischwalder aus Eichen und Eschen und an einigen Wasserlaufen auch Erlen-Eschen-Mischwalder. Weitere Waldhabitate wachsen auf Felsblocken und Karren. Andere haufige felsige Lebensraume sind Gerollhalden und Felsabbruche. Das Gebiet beherbergt auch waldinterne Trockenrasen, zum Teil sogar auf felsigem Untergrund oder auf Kalksteinplatten. Sie stellen einzigartige und reichhaltige Lebensraume dar, in denen sudlandische Arten leben, darunter zahlreiche Orchideen. Weiter entspringen im Park zahlreiche Kalktuffquellen, viele sogar in den Hangen in Form von Schichtquellen, die mehr oder weniger ausgedehnte Sumpfe bilden konnen.
= Walder =
Zum Schutz der Walder wurde der Nationalpark gegrundet. Sie nehmen 53 % des Territoriums ein (uber 120.000 ha, davon 54.000 ha im Kerngebiet) und bestehen zu 89 % aus Laubbaumen (Buche, Eiche, Hainbuche, Ahorn, Kirsche, Linde, …) und zu 11 % aus Nadelbaumen (Fichte, Waldkiefer, Schwarzkiefer, …). Diese Okosysteme sind typisch fur Tieflandwalder auf Kalksteinplateaus. Erscheinungsbild und Biodiversitat der Walder sind gepragt von Faktoren wie Lage, Exposition und Hohe, Boden, Mikroklimata, Alter, fruhere oder aktuelle Bewirtschaftung sowie Zusammensetzung. Pro Hektar konnen bis zu 15 verschiedene Baumarten wachsen, was diese Walder zu den vielfaltigsten Tieflandwaldern Frankreichs macht.
In den großen Staatswaldern Forets de Chatillon, Arc-Chateauvillain und Auberive ist der Baumbewuchs besonders dicht. Diese Walder sind durch ein mehr oder weniger breites durchgehendes Band aus offentlichen und privaten Waldern miteinander verbunden. Diese Waldkontinuitat wird von wenigen landwirtschaftlichen Flachen unterbrochen. Die Walder gehorten reichen Eigentumern wie Abteien, Landesherren und Konigen, was sie vor Zerstuckelung und Rodung bewahrte.
Die Staatswalder umfassen uber 30.000 ha und werden vom Office national des forets (ONF) verwaltet.
Die Gemeindewalder erstrecken sich uber 50.000 ha. Die Waldgemeinden sind in den Departements Haute-Marne und Cote-d’Or in Departementsverbanden zusammengeschlossen. Die Bewirtschaftung der Walder erfolgt gemeinsam mit dem ONF in der Federation nationale des communes forestieres.
Die ubrigen Walder sind in privater Hand und werden von Forstexperten, Genossenschaften oder den Eigentumern selbst bewirtschaftet. Die regionalen Delegations regionales du Centre National pour la Propriete Forestiere (CNPF-Bourgogne und CNPF-Champagne-Ardenne) helfen durch technische Beratung.
80 % der Walder im Gebiet des Nationalparks sind alte Walder, d. h. sie sind seit mehr als zwei Jahrhunderten durchgehend bewaldet. Sie existierten bereits wahrend des letzten franzosischen „Waldminimums“ in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die andauernde Bewaldung begrenzte die Schadigung des Bodens und ermoglichte die Erhaltung besonderer Waldarten und zahlreicher archaologischer Uberreste. Diese Walder zeichnet eine hohere Widerstandsfahigkeit und Resilienz gegenuber Krankheitserregern aus. Die alten Walder des Nationalparks besitzen einen hohen Anteil an Alt-, Stark- und Totholz. Das Totholz beherbergt mehr als 25 % der biologischen Vielfalt des Waldes, insbesondere Pilze, Moose und Flechten sowie zahlreiche Saproxylophage (Totholz verzehrende) oder hohlenliebende Wirbellose. Auch Vogel und Fledermause finden hier Unterkunft, Nistplatze, Schutz und Nahrung.
Buchenwalder: Das Gebiet beherbergt die gesamte Vielfalt der Buchenwalder auf Kalkboden: trockene Buchenwalder an Sudhangen, Buchenwalder auf Hochebenen und kalte Buchenwalder an Nordhangen oder in engen Graben. Die Vegetation dieser Lebensraume weist mediterrane (z. B. Seggen, Sußgraser und Orchideen, darunter der Gelber Frauenschuh (Cypripedium calceolus) ) oder im Gegensatz dazu submontane Merkmale auf.
Eichen-Eschen-Mischwalder: Die kuhlen Taler sind oft Zufluchtsorte fur eine submontane Flora und sogar fur eine wenig mobile Fauna (z. B. Schnecken). Langfristig konnen einige dieser Taler angesichts der Auswirkungen des Klimawandels auch einen Ruckzugsort fur die Buche darstellen, die frische Boden und eine feuchte Atmosphare schatzt.
Erlen-Eschen-Mischwalder: Da es im Gebiet zahlreiche Wasserlaufe in Waldern gibt, konnen Erlen-Eschen-Mischwalder vorkommen, bei denen es sich um besonders gefahrdete Lebensraume handelt.
Ahornwalder: Die felsigen Lebensraume des Nationalparks, wie sie normalerweise auf Berggebiete beschrankt sind, sind auch auf europaischer Ebene von vorrangigem Schutzinteresse. An sehr steilen, klippenartigen oder gerollhaltigen, schattigen Hangen findet man submontane „Scolopendra-Ahornhaine“. An sonnigen Hangen wachst ein trockener Mischwald aus Linden und Spitzahorn. Auf Karren, an den Randern des Plateaus finden sich Linden-Hainbuchen-Mischwalder, die an das Plateau von Langres gebunden sind und fur dessen Erhalt der Nationalpark daher eine wichtige Verantwortung tragt.
In den Waldern lebt das gesamte Spektrum der Waldfauna. Fuchse, Dachse, Marder, Wiesel, Igel und Fledermause sind hier neben vielen anderen Saugetieren anzutreffen. Dazu gibt es eine große Anzahl an Huftieren wie Hirsch, Wildschwein und Reh. Sie sind das Ergebnis einer sehr alten, mit der Jagd verbundenen Forstwirtschaft. Hier lebt auch eine Population der Europaischen Wildkatze (Felis silvestris silvestris). Die Waldkatze bevorzugt große Waldgebiete mit naturlichen Wiesen, die ihr Ruhe, Unterschlupf und Nahrungsquellen bieten.
= Kalktuffsumpfe =
Die Kalktuffquellen des Plateaus von Langres bilden teilweise Sumpfe, die eines der großten Kalktuff-Sumpfgebiete Frankreichs bilden. Fast funfzig Sumpfe sind im Rahmen des Natura-2000-Netzwerks inventarisiert worden. Kalktuff ist ein leichtes Gestein, das durch die Ablagerung von Kalk in Gegenwart bestimmter Moose (z. B. Palustriella commutata) entsteht. Kalktuffquellen sind also durch Kalkablagerungen versteinernde Quellen, die manchmal von einigen Dezimeter hohen Graserbandern uberragt werden.
Diese Lebensraume sind Gegenstand zahlreicher Schutzbemuhungen. Wegen des reichlich vorhandenen Wassers hoher Qualitat beherbergen sie eine einzigartige und oft geschutzte Flora und Fauna. Sie sind zwar haufig in Kalksteingebirgen anzutreffen, doch ist ihr Vorkommen in niedrigeren Hohenlagen eher selten. Vor allem in den Bergen von Chatillon und Auberive gibt es viele solcher Sumpfe. Diese sind ein zeitstabiler Lebensraum, solange das Wasser normal zirkuliert. Sie sind nur dann bedroht, wenn sie entwassert werden oder wenn ihr Quellwasser fur die Trinkwasserversorgung angezapft wird.
Die Sumpfe beherbergen eine reiche Flora mit gebirgigem oder nordlichem Charakter, darunter das seltene Rostrote Kopfried (Schoenus ferrugineus), der mehrjahrige Sumpfenzian (Swertia perennis) oder Wollgraser (Eriophorum). Hinzu kommen weitere seltene oder geschutzte Arten wie der Sibirische Goldkolben (Ligularia sibirica), der im Roten Buch der gefahrdeten Flora Frankreichs als gefahrdet eingestuft ist. Nur ein Standort ist im Burgund bekannt, namlich die Kernzone des Nationalparks.
Zur Tierwelt gehoren Libellen und zahlreiche andere im Gebirge beheimatete Insekten (darunter verschiedene Schmetterlinge). Auch seltene Weichtiere sind hier haufig anzutreffen, ebenso wie eine Vielzahl von Amphibien wie die Gelbbauchunke (Bombina variegata). In den feuchteren Abschnitten lebt auch der in Frankreich besonders gefahrdete Dohlenkrebs (Austropotamobius pallipes).
= Wasserlaufe und aquatische Lebensraume =
Das Gebiet des Nationalparks liegt auf der Wasserscheide zwischen Seine und Saone und ist reich an Quellen und Wasserlaufen. Das Wassereinzugsgebiet der Seine nimmt den großten Teil des Gebiets ein. Von ihren direkten Nebenflussen entspringen hier Coquille, Brevon, Ource und Aube. Im Sudosten des Gebiets, hinter der hochsten Hohenlinie, befinden sich die Quellen von Tille und Vingeanne, die in die Saone munden.
Viele Quellen konnen sich bei extremen Wetterverhaltnissen wie Durre oder Starkregen verlagern. Zahlreiche Bache fließen in die Hauptflusse und formen versteckte Graben und Taler. Der kalkhaltige Untergrund der Region kann zu vollstandigen oder partiellen Versickerungen des Wassers fuhren. Die Austrittsstellen des versickerten Wassers sind Kalktuffquellen und Karstquellen (Source de la Douix).
Wasserlaufe und Walder sind eng miteinander verflochten. Walder fungieren als naturlicher Filter. Der Großteil der Wasserlaufe des Gebiets befindet sich daher in einem guten okologischen Zustand. Dank des sauberen, kuhlen und sauerstoffreichen Wassers gibt es zahlreiche Laichgebiete, insbesondere fur die Bachforelle (Salmo trutta fario). Auch Groppe (Cottus gobio), Bachneunauge (Lampetra planeri) und Dohlenkrebs (Austropotamobius pallipes) sind hier zahlreich vertreten.
Flusse und ihre Umgebung ziehen auch zahlreiche andere Tiere an, darunter Nagetiere, Insekten, Weichtiere und Vogel. Letztere, zu denen auch der Schwarzstorch (Ciconia nigra) gehort, schatzen schnell fließende, klare und futterreiche Gewasser. Aufgrund des kalkhaltigen Untergrunds gibt es in der Region nur wenige Seen und Teiche, da das Wasser sehr schnell versickert.
= Wiesenlandschaft =
In den Talern des Nationalparks liegen viele Wiesen. Einige haben einen sehr hohen okologischen Wert, so wurden die Taler der Aube und des Aujon aufgrund der Qualitat ihrer Lebensraume in das europaische Netzwerk Natura 2000 aufgenommen. Dank einer angepassten Mah- und Beweidungspraxis gibt es hier noch Wiesen mit der Weißen Narzisse (Narcissus poeticus), einer Art, die eher in den Bergen vorkommt. Die Wiesen werden auch von zahlreichen Tieren aufgesucht, unter den geschutzten Arten insbesondere von Vogeln (z. B. Braunkehlchen (Saxicola rubetra)), Schmetterlingen (z. B. Lungenenzian-Ameisenblauling (Phengaris alcon, Syn.: Maculinea alcon)) und Fledermausen (z. B. Großen Mausohr (Myotis myotis)). Aufgrund des Vorkommens des Großen Mausohrs wurde ein Teil des Aujon-Tals auch als Natura-2000-Gebiet eingestuft.
= Trockenrasen =
Trockenrasen werden aus dauerhaften krautigen Pflanzen auf meist kalkreichem, dunnschichtigem und nahrstoffarmen Boden gebildet. Diese formen einen dunnen, niedrig wachsenden Teppich, der von drei oder vier Grasern dominiert wird. Wasserdurchlassige Kalkboden ohne Beschattung durch Baume und Straucher fuhren zu Wassermangel und Austrocknung. Bergwiesen oder die Rasen auf Felsplatten bilden einzigartige und reichhaltige Lebensraume. So beherbergen die Trockenrasen des Nationalparks uber 200 Pflanzenarten, die 30 % der geschutzten Flora der Region Champagne-Ardenne ausmachen.
Mehr als ¾ der fruheren Trockenrasenflache ist bereits verschwunden und die Flache geht weiter zuruck. Viele der Rasen dienten fruher als Schafweiden, und auch Kaninchen trugen zum Erhalt der Weiden bei. Die Aufgabe der Schafzucht nach dem Zweiten Weltkrieg fuhrte zu einer allmahlichen Verodung der Weiden, die durch die Myxomatose-Epidemie noch verschlimmert wurde, die die Kaninchen dezimierte. Andere Rasenflachen wurden mit Nadelbaumen bepflanzt.
Die Rasen sind Lebensraume, in denen sowohl mediterrane als auch mitteleuropaische Arten vorkommen, bis hin zu Bergpflanzen. Die uberwiegende Mehrheit der dort wachsenden Pflanzen sind kalkliebend, darunter zahlreiche Orchideenarten. Auch eine eigene Fauna ist hier anzutreffen, bestehend aus Vogeln wie der Heidelerche (Lullula arborea), Reptilien wie der Westlichen Smaragdeidechse (Lacerta bilineata) oder Insekten wie dem Libellen-Schmetterlingshaft (Libelloides coccajus).
Einige dieser Rasenflachen sind heute Gegenstand aktiver Managementmaßnahmen, oft in Zusammenarbeit mit der Naturpark-Verwaltung. Auch an der Wiederherstellung von Rasenflachen wird gearbeitet. Durch die regelmaßige Pflege einiger Straßenrander bieten diese heute vielen Arten, die an diese Lebensraume gebunden sind, sichere Zufluchtsorte.
Architektonisches, archaologisches und kunstlerisches Erbe = Architektur =
Im Gebiet des Nationalparks liegen außergewohnliche Bauwerke. Die aus dem Mittelalter stammenden Klosteranlagen der Zisterzienser, Kartauser und Templer zeugen von den Gemeinschaften, die das Land nutzbar machten und dadurch die Landschaften des Plateaus von Langres weitreichend formten.
Der Zisterzienserorden hat ab dem 11. Jahrhundert die Abteien von Longuay, Auberive, Vauxbons und spater Val des Choues grundete. Sie gestalteten die Landschaft durch Rodungen und den Bau von Wasserleitungsnetzen.
Die Kartauser lebten im Kloster von Lugny und in der Abtei Notre-Dame in Chatillon-sur-Seine.
Mehrere Komtureien bezeugen den Einfluss des Templerordens (spater manchmal auch Hospitalorden) auf die Region. Dessen Wiege liegt ganz in der Nahe in der Champagne in den Komtureien von Epailly, Bure-les-Templiers, Voulaines-les-Templiers, Mormant sowie Chatillon-sur-Seine.
In der Neuzeit entwickelte sich die Eisenindustrie, die zu einer der Machtigsten in Europa wurde, bevor sie im 19. Jahrhundert langsam zugrunde ging. Die Standorte und Gebaude dieses Wirtschaftszweig zeugen vom Abbau des Eisenerzes (unter- oder oberirdisch) und dessen Verarbeitung in Mischern, Hochofen, Schmieden, Raffinerien und Werkstatten. Diese Aktivitaten verwendeten Holz als Brennstoff und nutzte die Wasserkraft als Antriebskraft fur die Anlagen. Dazu kamen Muhlen und Schleusen um landwirtschaftliche Produkte zu Mehl und Ol weiterzuverarbeiten und zu transportieren. Spuren all dieser Industriezweige sind in der Landschaft noch deutlich sichtbar.
Die Dorfer sind eher unauffallige Zeugen der Entwicklung des lokalen Lebens im Laufe der Jahrhunderte und bieten heute einen qualitativ hochwertigen Lebensraum.
= Archaologie =
Wahrend der ersten Eisenzeit (Hallstattzeit), zwischen 850 und 450 v. Chr., entwickelte sich auf dem Mont Lassois eine gut organisierte Gesellschaft. Sie stand im Zentrum der Zinnstraße, die damals Europa von den Britischen Inseln bis nach Großgriechenland durchzog.
Das bedeutendste archaologische Relikt aus dieser Zeit ist der Krater von Vix, besser bekannt als „Vase von Vix“. Sie ist die großte griechische Vase, die bis heute gefunden wurde: 1,64 m hoch und 208,6 kg schwer. Sie lag in einem Furstengrab und wurde 1953 von Maurice Moisson und Rene Joffroy entdeckt. Sie ist im „Musee du Pays Chatillonnais“ zu besichtigen.
In der gallo-romischen Zeit wurde die Region als Pays Lingon bezeichnet. Ein Netz aus Villen, kleinen Siedlungen sowie uber das Gebiet verstreuten Wohnhausern und Betrieben wurde angelegt. Einige diese Statten sind noch nicht erforscht und durch den dichten Waldboden geschutzt.
= Kunst =
Im Waldnationalpark spielen Kunst und Kultur eine wichtige Rolle fur die lokale Verankerung und die soziale Bindung. Der Nationalpark versucht die Kunst in der Region aufzuwerten, indem er der breiten Offentlichkeit spielerische, kulturelle und kunstlerische Aktivitaten anbietet. Zu den Projekten, gehoren beispielsweise „La Belle Balade“, ein Kunstpfad unter freiem Himmel im Staatswald von Arc-Chateauvillain, der in Partnerschaft mit dem Kunsttrainingslager SIMONE in Chateauvillain angelegt wurde. Auch die Prasenz des Vereins „Art in Nature“ im Gebiet wird gefordert. Mehrere Kunstzentren organisieren Ausstellungen fur zeitgenossische Kunst, wie z. B. die „Abbaye d’Auberive“ oder „La Nouvelle Laurentine“.
Tourismus Die Nutzung des Nationalparks als Erlebniswelt fur Besucher ist Teil der Charta. Er bietet eine Vielzahl an Freizeitaktivitaten wie Wandern, Radfahren, Beobachtung der Waldflora und -fauna sowie kulturellen Aktivitaten wie der Besuch der Abteien von Auberive, Longuay, Val des Choues oder des Mausoleums von Faverolles oder der Museen des Pays Chatillonnais und der Ausgrabungen von Vix.
Der Park bietet neben 50 Millionen Baumen fast 1000 km Wanderwege, 10 Routen fur Reiter, einen in Frankreich einmaligen Sternenhimmel ohne Lichtverschmutzung. Weiter befinden sich im Park zahlreiche Quellen und 700 km Flusse, die in die Seine oder die Rhone fließen, wobei 60 % kleine Bache sind.
An folgenden Anlaufstellen sind Informationen zum Park und Tourismus allgemein erhaltlich:
Sitz des Nationalparks Forets, 20 rue Anatole Gabeur – 52210 Arc-en-Barrois.
Haus des Nationalparks Forets (Maison de la Foret), 1 ruelle de la Ferme – 21290 Leuglay
Maison du Parc national de Forets / Tour de l’Auditoire, 14 bis rue de Penthievre – 52120 Chateauvillain.
Empfangsbereich des Nationalparks Forets im Rathaus von Auberive, Place de la mairie – 52160 Auberive.
Anmerkungen Weblinks Wanderungen, Radtouren und Reitwege im Park
Einzelnachweise | 
	i3i6
Der Nationalpark Forets (franzosisch Parc national de forets) ist der jungste der elf Nationalparks von Frankreich. Er liegt auf dem Gebiet der Departements Cote-d’Or und Haute-Marne, an der Grenze zwischen den Verwaltungsregionen Grand-Est und Bourgogne-Franche-Comte. Der Nationalpark wurde am 6. November 2019 per Dekret des Staatsrats gegrundet und dient dem Schutz von Laubwaldern. Er schutzt die bewaldeten Mittelgebirgszuge im Gebiet „Chatillonnais“, genauer gesagt auf dem Plateau von Langres im Bereich der Stadte Chatillon-sur-Seine, Arc-en-Barrois und Auberive. Diese Gegend ist reprasentativ fur die Laubwaldbedeckung der Hochebenen im Sudosten des Pariser Beckens. Der Nationalpark besteht aus einer geschutzten Kernzone mit einer Flache von 56.614 ha, die zu 95 % bewaldet ist, wobei das Gebiet eines Totalreservats eine Flache von fast 3100 ha hat. Weiter wurde eine Erweiterungszone ohne besonderen Schutz auf dem Gebiet der Gemeinden Chateauvillain, Chatillon-sur-Seine und Auberive eingerichtet, die 127 Ortschaften umfasst und 184.475 ha groß ist. | 
	{
  "url": "https://de.wikipedia.org/wiki/Nationalpark_Forêts"
} | 
| 
	c-549 | 
	Die Louis-Armstrong-Tournee durch die DDR fand im Marz und April 1965 statt. Sie bestand aus 17 Konzerten des US-amerikanischen Musikers Louis Armstrong in Ost-Berlin, Leipzig, Magdeburg, Erfurt und Schwerin.
Vorgeschichte Ab den fruhen 1960er Jahren nahmen die Vorbehalte gegenuber Jazz und Blues in den realsozialistischen Landern im ostlichen Europa etwas ab. 1959 hatte Armstrong erstmals in Jugoslawien gespielt, 1962 Benny Goodman in der Sowjetunion, 1964 gastierte das American Folk Blues Festival in Ost-Berlin und im Marz 1965 spielte Leo Wright in Dresden.
Das Management von Louis Armstrong bot diesen Landern 1965 fur seine Europatournee Auftritte an. Das wurde vom Außenministerium der Vereinigten Staaten maßgeblich unterstutzt, da es Armstrong als prominenten Kulturbotschafter der westlichen Welt ansah. In der DDR ubernahm die Kunstler-Agentur der DDR die Organisation, als sachkundiger Begleiter wurde der Jazz-Experte Karlheinz Drechsel ausgewahlt. Die DDR beglich die Kosten selbst, obwohl die USA sie bei solchen Konzerten in ostlichen Landern oft ubernahmen. Dafur wurden dem Schweizer Musikunternehmer Werner Schmid Wertobjekte wie Optik vom VEB Carl Zeiss Jena und wahrscheinlich auch Jagdwaffen aus Suhl und Antiquitaten zum Weiterverkauf geliefert. Die Erlose wurden an Armstrongs Management als Entgelt fur die Konzerte weitergegeben.
Verlauf Die Band kam am 10. Marz zunachst nach Kopenhagen in Danemark und flog noch am selben Tag in die CSSR nach Prag. Dort spielte sie vom 12. bis 18. Marz neun Konzerte im Lucerna-Palast.
Am 19. Marz landeten die Musiker auf dem Flughafen Berlin-Schonefeld. In der Empfangshalle wurden sie von den Jazz-Optimisten Berlin mit dem Standard Sleepy time begrußt, bei dem Armstrong spontan mitsang. Danach hielt der Leiter der Kunstleragentur Zielke eine langere politische Rede. Anschließend gab es eine Pressekonferenz im Hotel Metropol, bei der westliche und ostliche Journalisten vor allem politische Fragen stellten, denen der Musiker jedoch diplomatisch auswich.
Am 20. Marz fanden die ersten beiden Konzerte im Friedrichstadt-Palast in Berlin statt, die bekannte US-Sangerin Ella Fitzgerald sang bei mindestens einem mit. In den nachsten beiden Tagen folgten vier weitere Konzerte in Berlin mit jeweils 3000 Zuschauern im ausverkauften Haus. Am 23. und 24. Marz traten die Musiker in der Messehalle in Leipzig viermal auf, ebenfalls vor jeweils 3000 begeisterten Zuschauern.
Am nachsten Tag war Armstrong bei der ZDF-Fernsehshow Der goldene Schuß in Frankfurt am Main zu Gast. Danach reiste er zu Konzerten nach Bukarest in Rumanien (27./28. Marz), Belgrad, Novi Sad und Ljubljana in Jugoslawien und nach Bulgarien.
Anschließend kehrten die Musiker in die DDR zuruck. Sie spielten am 5. April noch einmal im Friedrichstadt-Palast in Berlin, an den folgenden Tagen in Magdeburg, in Erfurt in der Thuringenhalle und in Schwerin in der Sport- und Kongresshalle. Dort musste eine der Vorstellungen wegen mangelnder Nachfrage ausfallen.
Am 9. April flog die Band vom Flughafen Barth zunachst in die USA zuruck. Am 23. Mai kam sie in die Niederlande zu weiteren Konzerten, und am 9. Juni trat sie im Budapester Nepstadion vor etwa 91.000 Zuschauern auf.
Einzelheiten Zu den All Stars gehorten bei diesen Konzerten Jewel Brown (Gesang), Billy Kyle (Piano), Tyree Glenn (Posaune), Eddie Shu (Klarinette), Arvell Shaw (Kontrabass) und Danny Barcelona (Schlagzeug). Sie wurden von dem Moderator Karlheinz Drechsel in den Konzerten namentlich angesagt, was Louis Armstrong spater sehr lobte, da dies sonst nicht ublich sei.
Die Band fuhr mit einem Tourbus durch das Land. Wegen einer Panne mussten die Musiker einen ungeplanten Zwischenstopp in Genthin bei Magdeburg einlegen. Dort erhielt Louis Armstrong in der beliebten HO-Gaststatte „Grune Kachel“ keine Bockwurst, weil die ausverkauft war, dafur aber Bier. Einige Schulkinder nutzten die unverhoffte Gelegenheit, um Autogramme zu bekommen.
In Leipzig brauchte Louis Armstrong einen Zahnarzt, dem er 50 Mark und zwei Konzertkarten fur die Behandlung gab, ebenso in Erfurt, wo er kostenlos behandelt wurde.
Beim Empfang fur Louis Armstrong in Magdeburg saß der damals 19-jahrige Reinhard Lakomy am Klavier.
In Erfurt erhielt Louis Armstrong auch Blumensamen als Geschenk; mit einem Foto davon warb das Unternehmen N.L. Chrestensen jahrelang fur seine Produkte.
In Leipzig wies das Ministerium fur Staatssicherheit alle inoffiziellen Mitarbeiter an, verdachtige Personen im Zusammenhang mit den Konzerten genauer zu beobachten.
Nachwirkungen Die Auftritte losten bei vielen Besuchern große Begeisterung aus. Auch Zeitungen berichteten sehr positiv. Seitdem war Jazzmusik in der DDR akzeptiert, es erschienen in den nachsten Jahren etliche Schallplatten, seit den 1970er Jahren gab es verschiedene Jazzfestivals.
2010 veroffentlichte der Journalist Stephan Schulz ein umfangreiches Buch uber diese Tournee mit Informationen aus Zeitzeugeninterviews, Archivmaterialien, Zeitungsberichten und Fotos.
2023/24 gab es die Fotoausstellung I’ve Seen the Wall im Kunsthaus Das Minsk in Potsdam uber die Tournee, auch mit Kunstinstallationen mit Bezugen zu Louis Armstrong.
Aufnahmen Von dem Konzert im Friedrichstadtpalast am 22. Marz 1965 gibt es
Louis Armstrong & His All Stars, TV-Aufzeichnung
Louis Armstrong And His All Stars. Satchmo live in Friedrichstadtpalast, 2000, 2 CD
Auch von den Konzerten in Prag und Budapest gibt es Aufnahmen mit der gleichen Bandbesetzung
Louis Armstrong. Lucerna Hall Prague 1965, 1979, 3 LP
Literatur Stephan Schulz: What A Wonderful World. Als Louis Armstrong durch den Osten tourte. Neues Leben, Berlin 2010, ISBN 978-3-3550-1772-5; erweiterte Neuauflage 2017, ISBN 978-3-7450-5244-2
Stephan Domes: Stephan Schulz. What A Wonderful World. In: Forum Musikbibliothek. 2011. S. 77ff. Text, Rezension mit einigen Einzelheiten
Janko Tietz: Louis in Leipzig. Jazzmusiker auf DDR-Tournee. In Der Spiegel vom 23. Mai 2015 Text, mit Fotostrecke
Weblinks Louis Armstrong in Schwerin 1965 youtube, 3sat Landermagazin Mecklenburg-Vorpommern, etwa April 2010
Tour-Info von rbb24
Einzelnachweise | 
	Die Louis-Armstrong-Tournee durch die DDR fand im Marz und April 1965 statt. Sie bestand aus 17 Konzerten des US-amerikanischen Musikers Louis Armstrong in Ost-Berlin, Leipzig, Magdeburg, Erfurt und Schwerin. | 
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	c-550 | 
	Frederick Charles „Freddie“ Steele (* 6. Mai 1916 in Stoke-on-Trent; † 23. April 1976 in Newcastle-under-Lyme) war ein englischer Fußballspieler und -trainer. Der englische Nationalspieler pausierte zeitweise wegen einer Depression und war noch wahrend seiner aktiven Karriere der erste Trainer in der Geschichte der islandischen Nationalmannschaft. Sein Mannschaftskamerad Stanley Matthews beschrieb ihn als besten Sturmer in der Geschichte von Stoke City.
Sportlicher Werdegang Steele kam 1931 im Alter von 15 Jahren vom Downing’s Tileries FC zu Stoke City, wo er vor Erreichen der Volljahrigkeit und der damit verbundenen Moglichkeit, einen Profivertrag zu unterzeichnen, offiziell im Klubburo angestellt war. Beim 4:1-Erfolg uber Huddersfield Town am 22. Dezember 1934 debutierte er in der First Division, in seinem zweiten Ligaspiel – einem 3:0-Sieg uber West Bromwich Albion – erzielte er sein erstes Tor:
Zunachst vornehmlich als Außensturmer eingesetzt, ruckte er 1936 nach dem Wechsel von Tommy Sale zu den Blackburn Rovers an dessen Stelle in die Sturmspitze. Er wusste als Mittelsturmer zu reussieren und traf in der Spielzeit 1936/37 33 Mal in 35 Ligaspielen, damit kronte er sich zum Torschutzenkonig der englischen Meisterschaft. Zum Rekordsieg des Klubs in der hochsten Spielklasse, einem 10:3-Sieg uber WBA am 4. Februar 1937, trug er funf Tore bei. Parallel avancierte er auch zum Nationalspieler, als er im Rahmen der British Home Championship 1936/37 bei der 1:2-Niederlage bei Wales am 17. Oktober 1936 debutierte.
Nachdem Steele sich auch zum Auftakt der folgenden Spielzeit als erfolgreicher Torschutze ausgezeichnet hatte, kam es nach einer Knieverletzung zu einem Einbruch. Zwar beendete er die Spielzeit mit 15 Toren ins 23 Ligaspielen, er wurde jedoch nach acht Toren in sechs Landerspielen vor der Verletzungspause in der Folge nicht mehr in die englische Auswahl berufen. In der Spielzeit 1938/39 kehrte er zu alter Torgefahr zuruck und fuhrte die Mannschaft mit 27 Saisontoren auf den siebten Tabellenplatz. Anschließend verkundete er wegen einer Depression sein vorzeitiges Karriereende, kehrte aber nach einer erfolgreichen Hypnosebehandlung im Fruhjahr 1939 wieder auf den Platz zuruck. Aufgrund des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs war der landesweite Spielbetrieb jedoch weitgehend zum Erliegen gekommen und neben dem Football League War Cup wurden regionale Meisterschaften gespielt; dort gewann Stoke City vor dem FC Liverpool, dem FC Everton, Manchester United und Manchester City die erste Ausgabe im Westen. Nach seiner Ruckkehr erzielte er wettbewerbsubergreifend in neun Spielen zehn Tore und stand damit hinter Ruckkehrer Tommy Sale (28 Spiele/24 Tore), Syd Peppitt (25/15) und Alexander Ormston (26/11) an vierter Stelle in der vereinsinternen Torschutzenliste. In den folgenden Jahren kam er neben Stoke City fur verschiedene Mannschaften als Gastspieler zum Einsatz. Im Januar 1944 erzielte er fur die Potters beim Wiederholungsspiel zum Auftakt des Football League War Cups beim 9:3-Erfolg uber die Wolverhampton Wanderers sechs Tore, ab 1945 war er wieder dauerhaft fur den Klub im Einsatz. In der letzten Kriegsmeisterschaft erzielte er dabei 36 Tore in 37 Spielen. 
Im Sommer 1946 reiste Steele wahrend der spielfreien Zeit nach Island, um KR Reykjavik fur funf Spiele zu trainieren. Wahrend seines Aufenthalts auf der Insel wurde er mit der Betreuung der islandischen Nationalmannschaft im Vorfeld ihres ersten Landerspiels am 17. Juli 1946 gegen Danemark betraut. Das Heimspiel endete mit einer 0:3-Niederlage. Ihm zur Seite stand dabei der bereits zuvor in Island tatige Schotte Murdo McDougall, der in der Folge die Auswahlmannschaft betreute. Im August kehrte Steele in den englischen Ligabetrieb zuruck, da zur Spielzeit 1946/47 der regulare Spielbetrieb wieder aufgenommen wurde. Hier erzielte er 31 Tore, reihte sich damit jedoch hinter dem 38 Mal erfolgreichen Dennis Westcott von den Wolverhampton Wanderers in der nationalen Torschutzenliste ein. In der folgenden Saison sah sich der Klub mit zahlreichen langerfristigen Ausfallen konfrontiert, als Steele, der sich einen Schienbeinbruch zugezogen hatte, sowie Jock Kirton, Neil Franklin, Frank Baker, George Mountford und Frank Mountford mit jeweils schwereren Verletzungen ausfielen. Mit zehn Treffern war er wiederum vereinsintern bester Torschutze, als die Mannschaft auf dem 15. Tabellenplatz die Klasse hielt. Nach anhaltenden Knieproblemen verlor er jedoch seinen Stammplatz im Sturmzentrum an Frank Bowyer und verließ daher 1949 den Klub.
Ab 1949 war Steele als Spielertrainer bei Mansfield Town im unterklassigen Bereich der Football League tatig, wo er mit wettbewerbsubergreifend 44 Toren in 62 Spielen reussierte. In der Spielzeit 1950/51 wurde er mit der Mannschaft unter anderem nach einer Serie von 23 Spielen ohne Niederlage Vizemeister der Third Division hinter Rotherham United. Im Dezember 1951 warb Ligakonkurrent Port Vale aus seiner Heimatstadt Stoke-on-Trent ihn ab, wo er noch bis 1953 ebenso auf dem Feld stand. In der Spielzeit 1953/54 gewann er mit dem Klub die Drittligameisterschaft, in 46 Spielen kassierte die Mannschaft nur 21 Gegentore und Vorjahresabsteiger FC Barnsley wurde als Vizemeister mit elf Punkten Vorsprung distanziert. Der Klub schien sich nach einem 17. und einem zwolften Platz in der Second Division etabliert zu haben, rutschte aber nach einer Verletzenmisere in der Zweitliga-Spielzeit 1956/57 in den Abstiegskampf und im Januar 1957 trat Steele zuruck. Unter Nachfolger Norman Low stieg die Mannschaft am Saisonende ab. Im Oktober 1962 kehrte er jedoch als dessen Nachfolger zuruck und fuhrte die Mannschaft in der Drittliga-Saison 1962/63 noch auf den dritten Platz, vier Punkte hinter den von Swindon Town belegten Relegationsplatz. Anschließend blieb jedoch der Erfolg aus und der Klub stand zwei Jahre spater im Kampf um den Klassenerhalt, als Steele im Februar 1965 vom Klub freigestellt wurde.
Hauptberuflich betrieb Steele ein Hotel in Stoke-on-Trent.
Weblinks Chris Goodwin: Freddie Steele. In: England Football Online. 6. April 2018; abgerufen am 6. Marz 2024 (englisch). 
Freddie Steele in der Datenbank von National-Football-Teams.com (englisch)
Steele Freddie. In: Vintage Footballers. 27. Juli 2023; abgerufen am 6. Marz 2024 (englisch). 
Einzelnachweise | 
	Frederick Charles „Freddie“ Steele (* 6. Mai 1916 in Stoke-on-Trent; † 23. April 1976 in Newcastle-under-Lyme) war ein englischer Fußballspieler und -trainer. Der englische Nationalspieler pausierte zeitweise wegen einer Depression und war noch wahrend seiner aktiven Karriere der erste Trainer in der Geschichte der islandischen Nationalmannschaft. Sein Mannschaftskamerad Stanley Matthews beschrieb ihn als besten Sturmer in der Geschichte von Stoke City. | 
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  "url": "https://de.wikipedia.org/wiki/Freddie_Steele_(Fußballspieler)"
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	c-551 | 
	Rudolf Hiller (* 7. Februar 1894 in Zittau; † 12. Mai 1972 in Hannover) war ein deutscher Maschinenbauingenieur, Erfinder und Unternehmer. Unter seiner Leitung wurden die Phanomen-Werke seines Vaters Gustav Hiller, des Pioniers fur luftgekuhlte Ottomotoren in Deutschland, zu einem Vorreiter im Bau und Einsatz solcher Motoren in wartungsarmen Nutzfahrzeugen.
Leben Rudolf war eines der vier Kinder des Grunders der Phanomen-Fahrradwerke Gustav Hiller und dessen Ehefrau Bert(h)a Hiller, geborene Freund (1869–1942). Nach dem Tod des Vaters im Jahr 1913 ubernahm Rudolfs Onkel Josef Freund (* 1873) die Geschaftsleitung, uberfuhrte die Phanomen-Werke ein Jahr spater in eine Gesellschaft mit beschrankter Haftung oder eine Offene Handelsgesellschaft und 1916 in die Aktiengesellschaft Phanomen-Werke Gustav Hiller AG.
Im Ersten Weltkrieg kam Rudolf Hiller im August 1914 zu einer Kraftfahr-Ersatz-Abteilung. Ab Mai 1917 nahm er an Stellungskampfen an der Yser und am Wytschaete-Bogen, danach in Artois teil. Hierfur erhielt er das Ehrenkreuz fur Frontkampfer. Danach begann er ein Studium im Fach Maschinenbau. Im Fruhjahr 1919 brannte das Phanomen-Werk in Zittau fast vollstandig nieder. Die Produktion von Fahrradern und von Motoren kam dadurch fast vollig zum Erliegen. Lediglich der 1911 errichtete Shedbau mit dem Kraftfahrzeugbau blieb verschont. Nach dem zugigen Abschluss des Studiums mit dem akademischen Grad Diplom-Ingenieur kam Hiller 1921 in das Unternehmen und wurde dort technischer Leiter. Er war maßgeblich am Wiederaufbau des Werks in Zittau von 1921 bis 1923 beteiligt.
Ende August 1924 heiratete Rudolf Hiller in Berlin-Charlottenburg die aus Magdeburg stammende Erika Leonie Julie Friederika Husmann (* 1905), mit der er eine Tochter hatte. Am 1. Januar 1925 bezog die Familie den Neubau in der Bismarckallee 20 (heute Weinauallee 20, Kulturdenkmal). Zusammen mit seinem Onkel und Mentor Josef Freund fuhrte Hiller bei Fahrradern und Kraftfahrzeugen neue Produktlinien ein und machte das Werk zu einem der beiden großten Industriebetriebe Zittaus. Ein großer Abnehmer fur Lastkraftwagen mit Kastenaufbau und mit luftgekuhltem 4-Zylinder-Ottomotor war ab 1927 die Reichspost. Die Fahrzeuge waren hauptsachlich Kastenwagen des Typs Phanomen 4RL/K. Fur die Reichspost, aber auch zunehmend fur die Reichswehr, kam ab 1931 der großere Phanomen Granit 25 dazu, der dann zum Typ 30 weiterentwickelt wurde.
Die Arisierung hatte schon ab 1933 Einfluss auf das Unternehmen. Josef Freund wurde auf Beschluss des Aufsichtsratsvorsitzenden Felix Popper und seiner Stellvertreterin Bertha Hiller, beide selbst judischer Abstammung, vom 5. Mai 1933 „von seiner Tatigkeit als Vorstandsmitglied enthoben“. Josef Freunds Eltern waren beide Juden. Der Vater Samuel Freund (1834–1893) war Muhlenbesitzer und Kaufmann aus Jungbunzlau in Bohmen (heute Mlada Boleslav). Er wurde wie auch seine Ehefrau Maria, geborene Strenitz (1842–1920), auf dem judischen Friedhof in Zittau begraben.
Statt Josef Freund ubernahm der bisherige Prokurist Hermann Lucke (1879–1944), der Leiter der seit 1917 bestehenden Berliner Zweigniederlassung der Phanomen-Werke AG, die kaufmannische Leitung im Vorstand der Zittauer Aktiengesellschaft. In der außerordentlichen Generalversammlung am 29. Mai 1933 trat der gesamte Aufsichtsrat zuruck. Die judischen Mitglieder – die stellvertretende Vorsitzende, Rudolf Hillers Mutter Bertha, der Oberjustizrat Felix Popper (1858–1937) und der Bankier Viktor von Klemperer – wurden nicht wieder gewahlt.
Josef Freund ging 1938 auf Rudolf Hillers Anraten nach Santiago de Chile und kehrte nie wieder nach Zittau zuruck. Bertha Hiller durfte die seit 1899 von der Familie Hiller bewohnte Villa Ottokarplatz 1 (heute Hillersche Villa, Klienebergerplatz 1) weiter bewohnen. Seit 1938 war dafur allerdings eine jahrlich zu zahlende Judenvermogensabgabe von 300.000 Reichsmark fallig, und Bertha Hiller durfte die Villa bis zu ihrem Tod im Jahr 1942 nicht mehr verlassen. Selbst das Begrabnis neben ihrem Ehemann auf dem Friedhof an der evangelischen Frauenkirche wurde offenbar fur die Kirchengemeinde zum Problem.
In der Fahrzeugentwicklung ging es weiter, insbesondere beeinflusst durch den Schell-Plan von 1939, der eine drastische Reduktion der Typenvielfalt forderte. Dies fuhrte zur Entwicklung des Phanomen Granit 1500, der 1941 in Produktion ging. Rudolf Hiller bekam jedoch zunehmend Schwierigkeiten, weil er als „Judischer Mischling ersten Grades“ eingestuft wurde. So holten zum Beispiel die Wanderer-Werke seit 1933 Auskunfte und Informationen ein, die unter anderem 1938 zur Absage der Teilnahme an den Feierlichkeiten zum 50-jahrigen Unternehmensjubilaum der Phanomen-Werke fuhrten. Im Dezember 1942 schließlich schrieb Karl Maria Hettlage aus dem Reichsministerium fur Bewaffnung und Munition einen Brief an Rudolf Hiller, ihm seien „… Mitteilungen uber Vorkommnisse zugegangen, die Ihre mangelnde Eignung zum Betriebsfuhrer dartun sollen. Hauptanlaß zu diesen Beschwerden ist offenbar die Tatsache, daß Sie Halbjude sind.“ Zur „Losung der Schwierigkeiten“ schlug Hettlage insbesondere vor, dass Hiller aus dem Vorstand ausscheidet und stattdessen Vorsitzender des Aufsichtsrats wird und dass der Name des Vaters Gustav Hiller aus der Firma geloscht werden sollte. Von 1943 bis 1945 war Rudolf Hiller tatsachlich nur noch als selbststandiger Ingenieur im Aufsichtsrat tatig. Der Zusatz Gustav Hiller in der Firma wurde jedoch nicht entfernt. Einen letzten Wechsel im Vorstand wahrend des Kriegs gab es, nachdem der inzwischen zum Wehrwirtschaftsfuhrer ernannte Hermann Lucke 1944 im Alter von 65 Jahren an Gelbsucht infolge eines Gallensteinleidens starb.
Nach Kriegsende wurde Rudolf Hiller wieder Vorstandsvorsitzender der Phanomen-Werke Gustav Hiller AG und schied damit aus dem Aufsichtsrat aus. Nicht zuletzt die umfangreichen Demontage-Wellen in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) fuhrten in Sachsen zu einem fast volligen Stillstand der Fahrzeugproduktion. Aus diesem Grund bat der Staatssekretar fur Wirtschaft und Arbeit der Landesverwaltung Sachsen Hiller im September 1945 um einen entsprechenden Produktionsvorschlag zur „Aktivierung der sachsischen Fahrrad- und Kraftfahrzeugindustrie“ im Jahr 1946 und um entsprechend notwendige Untersuchungen dazu. Diese Aufgabe wurde auch rasch auf das Gebiet der gesamten SBZ ausgeweitet, und Rudolf Hiller erledigte alles sehr zugig und gewissenhaft. Nach der Enteignung (1946 in sachsisches Landeseigentum, 1949 in Volkseigentum) verließ er jedoch noch 1946 die SBZ und ubernahm in der Folge die technische Leitung bei Hanomag in Hannover.
Die Mantelgesellschaft der AG wurde 1949 nach Hamburg verlagert und bestand dort unter der alten Firma weiter. Vorstandsvorsitzender war Rudolfs jungerer Bruder, der Diplom-Kaufmann Kurt Hiller (1902–1966). Da der operative Bereich komplett in der SBZ verblieb und nur noch ein kleines Restvermogen ubrig blieb, verzichtete man jedoch auf eine eigene Fertigung in Hamburg und verdiente sein Geld ausschließlich mit der Vergabe von Marken und Lizenzen als Patentverwertung. Dazu ließ Rudolf Hiller auch alte Reichspatente in neue Patente nach bundesdeutschem Recht uberleiten, wie zum Beispiel das Patent zur Radabfederung fur Kraftfahrrader von DRP 720 424 in das Patent 876 052. Aufgrund einer erfolgreichen Klage der Hiller-Bruder erhielt der Betrieb in Zittau ab 1. Januar 1957 den neuen Namen VEB Robur-Werke Zittau und die Fahrzeugmodelle hießen ab Juli 1956 nicht mehr Granit, sondern Garant. Die Mehrheit der Aktien der nach Hamburg verlegten Gesellschaft war zuletzt (Stand 1959) im Besitz der Familie Hiller. Die letzte bekannte Emission einer Aktie der Phanomen-Werke Gustav Hiller AG (in Hamburg) erfolgte im Marz 1969. Verkauft wurden hauptsachlich Fahrrader und Motorrader der Meister-Fahrradwerke Bielefeld mit dem Markennamen Phanomen. 1965 wurde der Hamburger Kaufmann Hans Grummer alleinvertretungsberechtigter Vorstand. Er wurde auch im Dezember 1971 als Abwickler bestellt. Die Firma erlosch 1973 und wurde aus dem Handelsregister Hamburg gestrichen.
Rudolf Hiller starb im Alter von 78 Jahren in Hannover. Im Jahr 2018 bekamen Hillers Mutter und sein Onkel je einen Stolperstein in Zittau. Das Grab der Eltern und der Schwester Charlotte verheiratete Handl (1900–1942) auf dem Frauenfriedhof tragt eine Gedenkplakette fur Rudolf und Kurt sowie den altesten Bruder Friedrich, der Neurologe war und vor 1940 zeitweise im Aufsichtsrat der Phanomen AG saß. Friedrich zog 1941 dauerhaft in die Vereinigten Staaten und verstarb 1953 in Evanston (Illinois).
Weblinks Geschaftsberichte 1924–1943 zur Phanomen-Werke Gustav Hiller AG in den Historischen Pressearchiven der ZBW
Einzelnachweise | 
	Rudolf Hiller (* 7. Februar 1894 in Zittau; † 12. Mai 1972 in Hannover) war ein deutscher Maschinenbauingenieur, Erfinder und Unternehmer. Unter seiner Leitung wurden die Phanomen-Werke seines Vaters Gustav Hiller, des Pioniers fur luftgekuhlte Ottomotoren in Deutschland, zu einem Vorreiter im Bau und Einsatz solcher Motoren in wartungsarmen Nutzfahrzeugen. | 
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	c-552 | 
	Zellershub ist ein Gemeindeteil des Marktes Isen im oberbayerischen Landkreis Erding.
Lage und Zugehorigkeit Der Weiler Zellershub liegt in der Gemarkung Westach, 2,5 Kilometer sudwestlich von Isen.
Um 1866 gehorte Zellershub zur Gemeinde Westach, zum Landgericht Haag, zum Bezirksamt Wasserburg und zum Postbestellungs-Bezirk Isen.
Name und Grundungsgeschichte Der Name weist auf die Hube einer Zelle hin, d. h. die Nutzungsrechte einer Hof- und Wohnstatte fur Monche, in der sich moglicherweise bereits die von den damaligen Hochwaldern und Mooren angelockten irischen Fruhmissionare angesiedelt hatten. Die Zelle, aus der das Benediktinerstift Isen entstand, wurde wohl vom heiligen Rupert von Dorfen aus gegrundet. Bei der Umbildung der alten Monchszelle in ein formliches Kloster an dem hierzu geeigneteren Standpunkt in Isen und der Einweihung der neuen Munsterkirche zu Ehren des heiligen Zeno geriet das Patrozinium der fruher auf demselben Platz errichteten, allem Anschein nach holzernen Johanneskirche in Vergessenheit. Nach anderen Quellen handelte es sich bei den Zellen um die Filialen von Metropolen, die an den Bischofssitzen, in Stadten oder an anderen wichtigen Platzen errichtet worden, wobei die Zellen aber in den weniger bedeutenden Ortschaften oder, wie in Zellershub, sogar in abgelegenen Einoden angelegt wurden.
Der Hof war im 17. Jahrhundert noch im Besitz des Hochstifts Freising, denn es ist urkundlich belegt, dass Joseph Clemens, der Bischof von Freising und Regensburg, die Nutzungsrechte am 13. September 1686 nach dem Tod des Bischofs Albrecht Sigmund von Freising und Regensburg († 4. November 1685) an Hans Prandl, einen Bauern aus Zellershub, verlieh.
Neuere Geschichte Am 3. Dezember 1837 brachen wahrend des vormittaglichen Gottesdiensts zwei Rauber gewaltsam bei Georg Wandler ein, einem Bauern zu Zellershub. Der Bauer und seine Tochter wurden von den Raubern auf die grausamste Weise misshandelt. Die Rauber verletzten die beiden mit Messerstichen und banden ihnen die Hande und Fuße zusammen. Daraufhin raubten die Eindringlinge 216 Gulden, 100 Ellen Leinwand und verschiedene Wertgegenstande. Sie ließen die Opfer blutuberstromt und hilflos zuruck und ergriffen die Flucht.
Einer der Tater, Isaak Hauswirth, wurde noch am selben Tag abends von Mathias Oberhausleitner, einem schon fast sechzigjahrigen Gendarmen zu Pferd von der Polizeistation Hohenlinden, festgenommen. Dabei wurde dem Rauber eine geladene Pistole abgenommen, mit der er den Gendarmen erschießen wollte. Bei seiner Durchsuchung wurden mehrere der gestohlenen Wertgegenstande vorgefunden.
Der Rauber Hauswirth wurde anschließend in der Fronfeste von Markt Schwaben inhaftiert, von wo ihm aber bereits ein Jahr spater die Flucht gelang. Zusammen mit einem weiteren Ausbrecher beging er mehrere Gewalttaten, bei denen Menschen ums Leben kamen.
Bevolkerungsentwicklung Um 1861 lebten in Zellershub zehn Einwohner in sechs Gebauden. Um 1871 gab es dort zwolf Einwohner und nach dem Ersten Weltkrieg sogar 17 Einwohner. Im Mai 1987 lebten dort nur noch elf Einwohner in zwei Wohngebauden. Bis zum 31. Dezember 2019 stieg die Bevolkerungszahl wieder auf 13 Einwohner an.
Bekannte Personen Lorenz Seilbeck (* 1. April 1878 in Zellershub; † 28. Marz 1938 in Holzhausen), Kaplan in Taufkirchen und Pfarrer in Holzhausen.
Weblinks Zellershub in der Ortsdatenbank von bavarikon, abgerufen am 11. Februar 2024.
Ortsschild von Zellershub auf Google Street View
Anmerkungen Einzelnachweise | 
	Zellershub ist ein Gemeindeteil des Marktes Isen im oberbayerischen Landkreis Erding. | 
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	c-553 | 
	Als Stecknadelbraut ging die Bayreuther Burgerstochter Margareta Katharina Schlenck (* 23. Juli 1702 in Bayreuth; † 25. Juni 1721 ebenda) in die Stadtgeschichte ein.
Leben Margareta Katharina Schlenck wurde am 23. Juli 1702 in Bayreuth geboren. Sie war das einzige Kind des Rotgerbers Johann Adam Schlenck und seiner Frau Anna Elisabeth, die aus Wunsiedel im Fichtelgebirge stammte. Der Vater betrieb von 1701 bis 1712 eine Gerberei an der ehemaligen Straße Graben direkt vor der Stadtmauer. Er war, wie sein Bruder Wolff Ludwig Schlenck (1659–1737), von Berneck nach Bayreuth gekommen, um hier zu arbeiten.
Sie starb in ihrem 19. Lebensjahr am 25. Juni 1721. Der Uberlieferung nach war das der Tag ihrer Hochzeit, an dem sie beim Anlegen des Brautkleides unvorsichtigerweise eine Stecknadel verschluckte, die sie vorher zwischen die Lippen genommen hatte. Das soll zu ihrem fruhen Tod gefuhrt haben. Historische Belege dafur, wie es in Bayreuth von Generation zu Generation mundlich weitergegeben wurde, gibt es nicht. Tatsache ist aber, dass kaum eine Geschichte, ein Grabmal die Bayreuther seit Jahrhunderten so geruhrt hat wie das der Stecknadelbraut.
In den Kirchenbuchern der Stadtkirche Bayreuth findet sich bei den Beerdigungen fur Anno 1721 fur „Sonnabend den 28. dito [Juni]“ der schriftliche Eintrag, dass die Familie „2 fl Leuthgeld,“ also zwei Gulden fur das Lauten der Totenglocke bezahlt hat. Es folgen die personlichen Daten, wie sie auch auf dem Epitaph stehen: „Margaretha Catharina, weyl[and] Meister Johann Schlenckens, gewesenen Burgers und Rothgerbers alhier nachgelassene ehel[iche] einige Tochter, aetat[is] 19 Jahre weniger 4 Wochen und 2 Tag.“ Und es wurde weiterhin vermerkt, dass sie „haben des […] Leichtuch gebraucht“ und noch „6 Cr[euzer] vors Breth“ zahlen mussten. Die Beerdigung hielt der Superintendent der Stadtkirche, auch das ist hinterlegt.
Nachfahren der Familie Schlenck leben immer noch in Bayreuth. Sie kauften 1861 ein Haus in der Kulmbacher Straße 6, um dort die Familientradition der Gerberei fortzusetzen, und betreiben bis heute ein Fachgeschaft fur Leder und Bekleidung. Das Haus in der Kulmbacher Straße wurde in den 1980er Jahren verkauft und war uber Jahrzehnte Sitz eines Geschaftes fur Brautmoden.
Epitaph Das Epitaph (Sandstein, 167 × 100 cm, mit 4 cm breiter Randleiste) von Margareta Katharina Schlenck wurde von Elias Rantz (1649–1732) angefertigt. Er war unter der Regentschaft des Markgrafen Christian Ernst (1644–1712) zum Hofbildhauer ernannt worden. Das Epitaph stand jahrhundertelang an der Mauer des Stadtfriedhofs gegenuber der 1779 neu erbauten Gottesackerkirche. Aus konservatorischen Grunden wurde es 1998 in die Aussegnungshalle uberfuhrt und ist dort fur die Offentlichkeit zuganglich. Wilhelm Hausenstein besuchte in den 1930er Jahren Bayreuth und den Stadtfriedhof und fasste seinen ersten Eindruck so zusammen:
Der rechteckige Stein mit leicht abgeschragten Ecken zeigt die Burgerstochter Margareta Katharina Schlenck fast lebensgroß, wie sie seitlich vor einem geoffneten Vorhang steht. Sie tragt ein eng geschnurtes Brautkleid und hochhackige Schuhe. Im Haar tragt sie einen Jungfernkranz. In der rechten Hand halt sie einen Strauß aus Myrten, der Zeigefinger deutet auf die Magengegend. Dies ist als Hinweis auf die verschluckte Nadel zu verstehen. Mit der linken Hand zeigt sie auf das Kreuz, das auf einem Altartisch steht. Der Gekreuzigte ist von Sonnenstrahlen umgeben und zu seinen Fußen liegt ein Schadel als Symbol der Vanitas. Am Schadel angelehnt liegt ein aufgeschlagenes Buch und gut lesbar steht dort der Bibelvers aus dem Johannesevangelium: Ich bin der Weg die Wahrheit u. das Leben Joh 14 VI.
Die lange Inschrift des Altartisches verrat, wer hier dargestellt ist:
Hier ruhet in Gott seel. [seelig] Jungfer Margaretha Katharina Schlenkin weyl. [weiland] Meister Johann Adam Schlenckens gewesenen Burgers und Rothgerbers allhier die Fr. Mutter Anna Elisabetha eine gebohrne Gesellin von Wonsiedel einige [einzige] Tochter ist gebohren Anno 1702 den 23. July und gestorben Anno 1721 den 25. Juno ihres Alters 19 Jahr weniger 4 Wochen u. 2 Tag.
Auf der linken Randleiste stehen die schon leicht verwitterten Worte: Zu letzten Ehren und Andenken ließ die Mutter diesen Grab Stein verfertigen. Da Anna Elisabeth Schlenck zum Zeitpunkt des Todes ihrer Tochter schon Witwe war, wird hier der Vater als Stifter nicht mitgenannt.
Auf der oberen und rechten Randleiste findet sich wieder ein Vers aus dem Johannesevangelium:
geschrieben Evan. Joh: 3. V. 16: Also hat Gott die Welt geliebet daß Er seinen eingebohrnen Sohn gab auf daß alle die an ihn glauben nicht. Hier bricht der Text ab, denn die Fußzeile ist stark verwittert, es sind nur noch schwer entzifferbare Reste der weiteren Inschrift zu sehen. Es ist aber anzunehmen, dass der Satz fortgefuhrt wurde: verloren werden, sondern das ewige Leben haben.
Dieser Vers, der als Evangelium im Evangelium gilt und die gesamte christliche Erlosungsbotschaft zusammenfasst, druckt die Hoffnung aus, dass auch Margareta Katharina Schlenck das ewige Leben erlangt hat.
Wilhelm Hausenstein formuliert in seinen Besinnlichen Wanderfahrten fur das Epitaph abschließend die folgenden Satze:
Nachleben Wilhelm Hausenstein war der Uberzeugung, dass die Uberlieferung, die sich um den Tod und den Grabstein der Margareta Katharina Schlenck rankt, alles besitzt, was ein Volkslied in jeglicher Hinsicht auszeichnet:
Dazu ist es nicht gekommen, aber in die Literatur Oberfrankens hat Margareta Katharina Schlencks kurzes Leben Eingang gefunden. So verfasste der Lehrer und Heimatdichter Karl Meier-Gesees (1888–1960) das Gedicht Die Braut: Es ist in voller Lange auf der Gedachtnistafel beim Epitaph wiedergegeben.
Uber das Andenken der lokalen Bevolkerung hinaus wird die Stecknadelbraut und ihre Geschichte in einigen Reisefuhrern erwahnt und die Stadt Bayreuth nennt in ihrem Prospekt Spaziergange durch Bayreuth Margareta Katharina Schlenck als Personlichkeit, die auf dem Stadtfriedhof begraben ist. Ihr Name wird in einer Reihe genannt mit Jean Paul, Franz Liszt, Alexander von Wurttemberg und den Nachfahren Richard Wagners, die hier ebenfalls ihre letzte Ruhestatte haben. Und auch der Ratgeber fur den Trauerfall der Stadtkirche Bayreuth verweist auf die Stecknadelbraut und ihr besonderes Epitaph in der Aussegnungshalle.
Quellen Kirchenbuch Bayreuth – Stadtkirche (Trauungen 1716–1724, Bestattungen 1716–1724), 9.5.000-580-92, Bild 243, Eintrag Nr. 134.
Literatur Philipp Hirschmann: Das Grabmal der Schlenkin. In: Bayreuther Land (Heimatbeilage zum Bayreuther Tagblatt, hrsg. von Karl Meier-Gesees), Jg. 1, Nr. 4, Bayreuth 15. April 1927, S. 60–62.
Susanne Sturm: Der Bildhauer Elias Rantz (1649–1732), Ein Beitrag zur Frankischen Kunstgeschichte. Erlangen 1944, S. 10.
Karl Sitzmann: Der Bayreuther Hofbildhauer Elias Rantz. Bayreuth 1949, S. 15, 19.
Karl Sitzmann: Die Gottesackerkirche im Stadtfriedhof zu Bayreuth. In: Franken-Heimat (Beilage des Bayreuther Tagblatt), Nr. 10, November 1951, S. 42.
Wilhelm Hausenstein: Besinnliche Wanderfahrten. 2. Aufl., Munchen 1957, S. 144–148.
Rainer Trubsbach: Das Handwerk der Rotgerber in Bayreuth. In: Frankischer Heimatbote (Monatsbeilage Nordbayerischer Kurier). Jg. 19, Nr. 5, Bayreuth 1986, S. 2.
Bernd Mayer: Vom grausigen Ende der Stecknadelbraut. In: Heimat–Kurier, Jg. 30, Nr. 1, Bayreuth 1997, S. 7.
Helmut Haas: Bayreuther Grabsteine und Epitaphien. Bayreuth 2004, S. 3.
Dietmar Bruckner: 111 Orte in Bayreuth und der Frankischen Schweiz, die man gesehen haben muss. Koln 2013, ISBN 978-3-95451-130-3, S. 76 f.
Heike Thissen: Stein der Stecknadelbraut. Tod am schonsten Tag des Lebens. In: Geheimnisse aus Bayreuth – 50 spannende Geschichten aus der Festspielstadt-Stadt. Hrsg. von Eva-Maria Bast u. Heike Thissen. Bayreuth 2014, ISBN 978-3-9816796-1-8, S. 77–79.
Weblinks Stein der Stecknadelbraut. Familienchronik Schlenk
Spaziergange durch Bayreuth. Broschure der Stadt Bayreuth
Schimmer der Heiterkeit. Das Grabmal der „Stecknadelbraut“ in Bayreuth. Fundort Geschichte Franken. Ausfluge in die Vergangenheit – Bd. 2, Cadolzburg 2015.
Stein der Stecknadelbraut. Tragischer Tod am schonsten Tag des Lebens. Kurier vom 4. Dezember 2018.
Bayreuths Graben – Als ein Stadtteil dem Stadtkern weichen musste. Bayreuther Tagblatt vom 5. Juni 2020.
Vor 300 Jahren: Die Bayreuther Stecknadelbraut – der Tod am schonsten Tag des Lebens. Bayreuther Tagblatt vom 25. Juni 2021.
Einzelnachweise Anmerkungen | 
	Als Stecknadelbraut ging die Bayreuther Burgerstochter Margareta Katharina Schlenck (* 23. Juli 1702 in Bayreuth; † 25. Juni 1721 ebenda) in die Stadtgeschichte ein. | 
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	c-554 | 
	George Mizo (* 21. Oktober 1945, Waltham, Massachusetts; † 18. Marz 2002) war ein amerikanischer Aktivist, Veteran und Grunder des Vietnam Friendship Village in Hanoi, Vietnam. Die Einrichtung betreut Menschen, die an Erkrankungen im Zusammenhang mit Agent Orange leiden, und eroffnet gleichzeitig Moglichkeiten fur den interkulturellen Dialog.
Er wurde mit der vietnamesischen Vietnam Friendship Medal (Huy chuong huu nghi, Freundschafts-Medaille) ausgezeichnet.
Leben = Jugend =
Mizo wurde am 21. Oktober 1945 in Waltham, Massachusetts, geboren. Er war der Sohn eines Blackfoot Sioux und einer irisch-amerikanischen Mutter. Die Eltern gehorten der Arbeiterklasse an. Bevor er an der Lou-Gehrig-Krankheit erkrankte, arbeitete der Vater fur Raytheon, einen Rustungskonzern. Im Herbst 1963 trat George in die US-Armee ein, wo er bis 1966 diente. Nach dem Ende seines ersten Einsatzes in der Armee entschied sich Mizo, sich erneut freiwillig fur den Einsatz in Vietnam zu melden.
Er erhielt im Einsatz die Auszeichnungen Purple Heart und Silver Star.
= Aktivismus =
Wahrend er zur Genesung in einem Militarkrankenhaus in Seattle war, erfuhr er, dass alle Kameraden seines Zuges in der Tet-Offensive gefallen waren. Als er das erfuhr, brach er mit der Armee. Er entschied sich, nicht in den Krieg zuruckzukehren, wurde vor ein Kriegsgericht gestellt und verbußte zweieinhalb Jahre im Gefangnis, bevor er schließlich unehrenhaft entlassen wurde.
1986 schloss sich Mizo den Veteranen-Kollegen Charles Liteky, S. Brian Wilson und Duncan Murphy im Protest Veterans Fast for Life an. Die Gruppe trat fur eine Anderung der US-Politik in Lateinamerika ein, fastete 46 Tage lang auf den Stufen des Kapitols in Washington, D.C. und erklarte den Verzicht auf die Medaillen, die sie fur ihre Militardienste erhalten hatten. Als das Protest-Fasten am 10. Oktober zu Ende ging, beschrieb die New York Times Mizo als „...dem Tode nahe. Er [George Mizo] hat 45 Pfund (20,4 kg), 25 Prozent seines Korpergewichts, abgenommen. Und wegen einer Atemwegsinfektion, sagt er, habe ihm der Arzt gesagt, dass er in ‚funf oder sechs Tagen abrutschen werde‘. Seine Muskeln ziehen sich zusammen, wahrend sie verkummern, und nachts, sagte er, ‚wache ich mit qualenden Krampfen in meinen Beinen auf‘.“ Einen Monat nach dem Protest-Fasten wurde die Iran-Contra-Affare offentlich.
Vietnam Friendship Village Nach dem Protest Veterans Fast for Life und den Enthullungen uber die schadlichen Auswirkungen von Agent Orange auf Veteranen aller Kriegsparteien engagierte sich Mizo in der Versohnungsarbeit in Vietnam. Mizo plante ursprunglich den Bau einer Friedenspagode und begrundete dann das Vietnam Friendship Village.
Das Dorf beherbergte 2014 mehr als 120 Personen und bietet Aufenthalt, Bildung, Berufsausbildung und Physiotherapie an. Zusatzlich zu der Arbeit mit Kindern arbeitet das Friendship Village auch direkt mit Veteranen zusammen und bietet Gesundheitsdienste, Bildung und Moglichkeiten zum interkulturellen Dialog.
Das Vietnam Friendship Village wird von einem globalen Netzwerk aus Spendern und Freiwilligen unterstutzt. Zahlreiche Fundraising Committees fur das Friendship Village existieren weltweit, in den Vereinigten Staaten, in Vietnam, in Deutschland und Frankreich. Die Organisation nutzt diese internationale Unterstutzung, um Projekte und den taglichen Betrieb der Haupt-Residenz in Hanoi, Vietnam, zu finanzieren.
In den Medien Uber George Mizo wurde in vielen Beitragen uber Antikriegsaktivismus und die Folgen des Vietnamkrieges berichtet.
Am Ende der Fastenaktion am Kapitol trat Mizo mit seinen Mitdemonstranten in der Phil Donahue Show auf, um uber ihre Aktion zu diskutieren.
Im Rahmen einer Geschichte uber die friedliche Zusammenarbeit zwischen den Vereinigten Staaten und Vietnam interviewte PBS einen Unterstutzer des Dorfprojekts und berichtete uber Mizos Vision of Reconciliation.
George Mizo und das Vietnam Friendship Village standen im Mittelpunkt von Michelle Masons preisgekrontem Dokumentarfilm The Friendship Village Darin wird der Prozess, der zur Grundung des Dorfes fuhrte, beschrieben und die Vision und das Potenzial des Projekts.
Mizo und The Friendship Village standen auch im Mittelpunkt von Matthias Leupolds Dokumentarfilm Lighter than Orange.
Familie Mizo lernte seine Frau Rosemarie Hohn-Mizo 1986 wahrend eines Friedensmarsches in Deutschland kennen. Spater im selben Jahr schloss sie sich ihm an, um in Washington, D.C., sein Fasten zu unterstutzen. Nach dem Fasten kehrten George und Rosemarie nach Deutschland zuruck, wo der Sohn Michael geboren wurde. Rosemarie ist Leiterin des Deutschen Freundschaftsdorfkomitees.
Am 18. Marz 2002 verstarb George Mizo an den Folgen von Komplikationen im Zusammenhang mit Agent Orange in Deutschland.
Einzelnachweise | 
	George Mizo (* 21. Oktober 1945, Waltham, Massachusetts; † 18. Marz 2002) war ein amerikanischer Aktivist, Veteran und Grunder des Vietnam Friendship Village in Hanoi, Vietnam. Die Einrichtung betreut Menschen, die an Erkrankungen im Zusammenhang mit Agent Orange leiden, und eroffnet gleichzeitig Moglichkeiten fur den interkulturellen Dialog.
Er wurde mit der vietnamesischen Vietnam Friendship Medal (Huy chuong huu nghi, Freundschafts-Medaille) ausgezeichnet. | 
	{
  "url": "https://de.wikipedia.org/wiki/George_Mizo"
} | 
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	c-555 | 
	Der Pelikantaler oder Patriotentaler war der funfte sogenannte emblematische Taler des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbuttel (1589–1613). Der 1599 gepragte Taler folgte auf den Muckentaler. Auf dem Geprage wurde die Fabel vom Pelikan, der seine Jungen mit dem eigenen Blut ernahrt, als Symbol der Opferfreudigkeit dargestellt. Damit wollte der Herzog seinen Einsatz fur das Land und die Untertanen symbolisieren.
Munzgeschichte Eine haufige Darstellung als Sinnbild fur Opferfreudigkeit auf Munzen und Medaillen war der Pelikan, der seine Jungen mit dem eigenen Blut nahrt.
Der emblematische Taler diente Heinrich Julius als Propagandamittel fur seine Politik. Mit dem Pelikan- oder Patriotentaler wollte der Herzog seine eigenen landesvaterlichen Tugenden zum Ausdruck bringen. Die Aussage ist: So wie der Pelikan in der Fabel, der seine Jungen mit dem eigenen Blut nahrt, so setzt sich der Herzog fur das Land und die Untertanen ein. Unterstrichen wird das durch die Umschrift PRO ARIS ET FOCIS (lat., Fur Haus und Herd).
„Der Benennungsgrund [des Talers] ist klar. Der Herzog hat aber durch diesen Revers“, so Karl Christoph Schmieder,
„Recht ruhrend“ kann allerdings auch sarkastisch aufgefasst werden, da sich der Herzog bald nach seinem Regierungsantritt durch Verschwendungssucht und Steuererhohungen unbeliebt gemacht hatte. Am Kaiserhof in Prag wurde er spater Direktor des Geheimen Rats und Vertrauter des Kaisers Rudolph II. (1576–1612). Der Kaiser hatte eine große Leidenschaft fur den Okkultismus und einen stark ausgepragten Hang zu den Geheimwissenschaften. Diese Vorlieben hatten wahrscheinlich mit dazu beigetragen, dass Heinrich Julius am Kaiserhof mit kurzen Unterbrechungen bis zu seinem Lebensende blieb. Er fuhrte dort ein glanzendes Leben, fur das er sein Furstentum bezahlen ließ. Als er starb, hinterließ er ein ruiniertes und verarmtes Land.
Munzbeschreibung Der Pelikantaler des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbuttel ist ein nach dem Reichsmunzfuß gepragter Reichstaler, der in den Munzstatten Goslar und Osterode im Harz gepragt wurde. Der silberne Taler wurde mit dem Munzmeisterzeichen Herz uber Zainhaken mit Pfeil gekreuzt, jedoch ohne Kunstlersignatur gepragt.
= Vorderseite =
Der dreifach behelmte Wappenschild mit drei Helmzieren und neun Feldern mit Herzschild wird vom rechts stehenden Wilden Mann gehalten. Das Munzmeisterzeichen rechts im Feld ist das Zeichen des Munzmeisters Heinrich Depsern, der 1599 sein Amt in Goslar angetreten hatte.
Umschrift: HENRICUS ۰ JULIUS ۰ D(ei) : G(ratia) ۰ P(ostulatus) ۰ E(piscopus) ۰ HA(lberstadensis) ۰ D(ux) ۰ B(runsvicensis) ۰ ET ۰ L(uneburgensis) ۰ 99 ۰ P(ro) ۰ P(atria) ۰ C(onsumo)
Ubersetzung: Heinrich Julius von Gottes Gnaden, postulierter Bischof zu Halberstadt, Herzog zu Braunschweig und Luneburg. Die Zahl 99 ist das Pragejahr 1599.
Sein Wahlspruch Pro Patria Consumor in der Umschrift lautet ubersetzt: Fur das Vaterland verzehre ich mich.
= Ruckseite =
Die Erlauterung des Wahlspruchs auf der Vorderseite gab der Pelikan auf der Ruckseite, der sich die Brust aufreißt und mit seinem Blut seine Jungen im Nest speist. Die Ruckseite zeigt den Pelikan als Sinnbild der Opferfreudigkeit.
Umschrift: PRO ARIS ET FOCIS, dazwischen vier Pfeilbundel
Ubersetzung: Fur Haus und Herd
= Kohlers Erklarung der Ruckseite =
Nach Johann David Kohlers Munzbelustigung zeigt der „Patrioten-Thaler“ auf der Gegenseite einen Pelikan im Nest, der, um seine von den Schlangen gebissenen drei Jungen vom Gift zu befreien, seine Brust aufhackt und ihnen sein Blut zu trinken gibt. In der Umschrift sind „die vier Worte zwischen so viel Gebund Pfeile zu lesen: PRO ARTIS ET FOCIS“. Die Worte bedeuten, so Kohler:
„Fur die Kirche und Vatterland
Soll mein Blut seyn angewandt.“
Statt Fur Haus und Herd hat Kohler Fur die Kirche und Vaterland als Bedeutung der Worte im Zusammenhang mit dem Munzbild gewahlt. Die Quintessenz ist die gleiche.
Anmerkung: Die funf Sinnbild- oder emblematischen Taler des Herzogs sind der Rebellentaler von 1595, der den mehrfach ausbrechenden Rechtsstreit mit seinem Landadel symbolisiert; der Lugentaler von 1596 und 1597, den der Herzog wegen Verbreitung falschlicher Dinge uber ihn pragen ließ; der Wahrheitstaler von 1597 und 1598, der als Pendant zum Lugentaler gepragt wurde; der Muckentaler oder falschlich Wespentaler von 1599, auf dem der Herzog nunmehr seinen kaiserlichen Schutz symbolisch darstellen ließ, und der hier im Artikel beschriebene Pelikantaler oder Patriotentaler von 1599.
Siehe auch Brillenmunze oder Brillentaler aus der Munzstadte Goslar und Wolfenbuttel
Literatur Helmut Kahnt: Das große Munzlexikon von A bis Z, Regenstauf 2005.
Heinz Fengler, Gerd Gierow, Willy Unger: transpress Lexikon Numismatik, Berlin 1976.
Johann David Kohler: Munzbelustigung, 1731, Teil III, S. 349.
Karl Christoph Schmieder: Handworterbuch der gesammten Munzkunde, Halle und Berlin 1811.
Friedrich von Schrotter, Nikolai Bauer, Kurt Regling, Arthur Suhle, Richard Vasmer, J. Wilcke: Worterbuch der Munzkunde, Berlin 1970 (Nachdruck der Originalausgabe von 1930).
Albrecht Eckhardt: Heinrich Julius. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 8, Duncker & Humblot, Berlin 1969, ISBN 3-428-00189-3, S. 352–354 (Digitalisat).
Einzelnachweise Weblinks Kunker: Pelikantaler, Variante | 
	Der Pelikantaler oder Patriotentaler war der funfte sogenannte emblematische Taler des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbuttel (1589–1613). Der 1599 gepragte Taler folgte auf den Muckentaler. Auf dem Geprage wurde die Fabel vom Pelikan, der seine Jungen mit dem eigenen Blut ernahrt, als Symbol der Opferfreudigkeit dargestellt. Damit wollte der Herzog seinen Einsatz fur das Land und die Untertanen symbolisieren. | 
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  "url": "https://de.wikipedia.org/wiki/Pelikantaler"
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	c-556 | 
	Castor Watt, auch P. Castor Watt (burgerlich Paul Burwig; * 7. Marz 1858 in Potsdam; † 6. August 1932 in Berlin-Kopenick), war ein deutscher Schauspieler, Humorist, Mimiker und international bekannter Verwandlungskunstler.
Leben Paul Burwig wurde 1858 als Sohn von Helene und Karl Friedrich Burwig, einem Schneidermeister, in Potsdam geboren. Er war zeitlebens in Berlin beheimatet und wohnte viele Jahre im Ortsteil Friedrichshagen.
1880 heiratete er Clara. Beide kannten sich bereits aus fruhester Kindheit. Aus der Ehe gingen zwei Tochter hervor. Als Schauspieler arbeitete Burwig unter anderem an der Krolloper in Berlin. Mitte der 1880er Jahre sind offentliche Auftritte sowohl als „Genre-Humorist Herr P. Castor“ als auch „Mimiker Mr. Watt“ dokumentiert, darunter Engagements mit beiden Kunstlerrollen nacheinander. So begeisterte er 1886 das Publikum in Hamburg zunachst mit einer „Declamation von ‚Wilhelm Tell‘ im sachsischen Dialekt“, bot Minuten spater als Mimiker „Staunenswertes“ mit der „Nachahmung hervorragender Personen“.
Etwa zeitgleich – Mitte der 1880er Jahre – wandte er sich unter dem Kunstlernamen Castor Watt auch der Verwandlungskunst und Tierdressur zu. Zu seinen Auftrittsstatten als Verwandlungskunstler gehorten etablierte Varietes, Theater und Music Halls in Metropolen und Hauptstadten. Bisher offentlich dokumentiert sind Auftritte zwischen 1886 und 1910.
Pressemitteilungen zu seinen Vorstellungen 1889 im Walhalla-Theater in Halle (heute: Steintor-Variete) und im Posener Victoria-Theater kundigten hier neben Castor Watt auch Miniatur-Soubrette Alice Watt an – seine Tochter, damals neun Jahre alt. Zahlreiche Engagements im ganzen deutschen Kaiserreich und auch im Ausland folgten.
Im Januar 1896 reiste Burwig per Schiff in die USA. Dort fand am 27. Januar 1896 in New York im wenige Monate zuvor neu eroffneten Hammerstein’s Olympia Theatre sein amerikanisches Buhnen-Debut statt. Noch im selben Jahr kehrte Burwig nach Europa zuruck und setzte im In- und Ausland seine Tatigkeit als Varietekunstler Castor Watt fort.
In spateren Lebensjahren wurde er Gastwirt, betrieb den Dachsbau in der Seestraße, dann die Bahnhofswirtschaft in Friedrichshagen und war auch als Haus- und Grundstucksmakler tatig.
Paul Burwig starb am 6. August 1932 im Alter von 74 Jahren im Krankenhaus Kopenick.
Castor Watts Quick-Change-Show Castor Watts Quick-Change-Show bestand darin, verschiedene Charaktere und beruhmte Personlichkeiten sekundenschnell wechselnd in entsprechenden Kostumen mimisch darzustellen.
Im Gegensatz zu vielen ahnlichen Darbietungen nutzte er dabei keinerlei kaschierende Hilfsmittel. Er warf keine Kleidungsstucke ab, nahm keine dazu, verließ fur den Wechsel nicht die Buhne. Seine „Verwandlung“ fand auf offener Buhne, direkt vor den Augen des Publikums statt.
Typische Charaktere der Performance waren „Schiffs-Kapitan“, „Matrose“, „Großpapa“, „Amme mit Kind“, „Tirolerin“, „alte Jungfer“, „Kadett“, die Schauspielerin „Sarah Bernhardt“ und er selbst, „Castor Watt im Ball-Anzug“. Teilweise wurden 20 Wechsel dargeboten.
Burwigs professionelle Erfahrungen als Schauspieler durften bei der unterhaltsamen Prasentation der Charaktere eine Grundlage gewesen sein. Da der Verwandlungstrick ohne Hilfsmittel ablief, muss man annehmen, dass er spezielle, nach technisch-kreativen, „geheimen“ Ideen konstruierte Kleidungsstucke verwendete. Es lasst sich vermuten, dass dabei die Inspiration durch das Schneiderhandwerk seines Vaters eine weitere Basis darstellte.
In Presseartikeln und Ankundigungen wurde Castor Watt nicht nur „Verwandlungskunstler“ oder „Quick Change Artist“ genannt, sondern auch „Chamaleon-Mensch“, „Transformationskunstler“ oder „The Living Metamorphose“.Im Laufe seiner Karriere erweiterte Castor Watt seine Darbietung: Er fuhrte das viel belachte parodistische Sittendrama Pinte Quinte auf, in dem „funf Personen, der Mann, die Frau, der Liebhaber, der Diener und ein Geist auftreten – alle von Watt dargestellt.“
Rezeption (Auswahl) Auftrittsstatten (Auswahl) Paul Burwig alias Castor Watt trat auf namhaften Buhnen im In- und Ausland auf. Die genannten Varietes, Theater und Music Halls waren populare Unterhaltungsstatten mit einer Publikumskapazitat von 1000 Personen und auch deutlich mehr. Die Dauer seiner Engagements betrug meist einige Wochen bis hin zu mehreren Monaten.
Europa
Amsterdam, Theater Carre, 1901, 1909.
Antwerpen, Scala, 1905.
Berlin, Concordia-Palast-Theater, 1891; Apollo-Theater, 1893; Wintergarten, 1893, 1904; Belle-Alliance-Theater, 1894.
Belfast, Empire Theatre, 1896.
Breslau, Victoria-Theater/Simmenauer Garten, 1887; Zeltgarten, 1891.
Bristol, The People`s Palace, 1896.
Brunn, Bruenske Variete, 1910.
Brussel, Palais d´Ete, 1905.
Christiania, Tivoli, 1892.
Danzig, Wilhelm-Theater, 1891; Freundschaftlicher Garten, 1895.
Den Haag, Scala-Theater, 1909.
Dublin, The Star Theatre, 1896.
Dortmund, Olympia-Theater, 1904.
Dresden, Central-Theater, 1901; Victoria-Salon, 1903; Konigshof, 1908.
Essen, Colosseum, 1902.
Frankfurt, Hippodrom, 1904.
Graz, Grazer Orpheum, 1908.
Groningen, De Harmonie, 1893.
Haarlem, Societeit Vereeniging, 1901.
Halle, Walhalla-Theater, 1889.
Hamburg, Elb-Pavillon, 1886; Hansa-Saal (spater: Hansa-Theater), 1893; Hornhardt`s Konzertgarten, 1895; Hansa-Theater, 1897.
Hannover, Mellini-Theater, 1891, 1892.
Helsinki, Brunnshusteatern, 1909.
Koln, Reichshallentheater, 1890; Scala-Theater, 1898.
Kopenhagen, National, 1886, 1902; Cirkus Variete, 1890, 1891.
Krakau, Teatr Rozmaitosci, 1908.
Leipzig, Trietschler, 1889; Krystall-Palast, 1910.
London, Empire Theatre, 1910.
Middelburg, Schuttershof, 1896.
Munchen, Kolosseum, 1895, 1906.
Paris, Olympia, 1898.
Posen, Victoria-Theater, 1889.
Prag, Theatre Variete, 1889, 1891, 1892, 1910.
Reims, Le Casino, 1897.
Reval, Variete auf den Schmiedepfortenanlagen, 1909.
Rom, Grand´ Orfeo, 1888.
Rotterdam, Circus-Variete, 1897; Casino Variete, 1904, 1905.
Stettin, Centralhallen, 1902.
Stockholm, Sveasalen Variete, 1890.
Straßburg, Variete-Theater, 1888.
Teplitz-Schonau, Variete Schwan, 1902.
Trondheim, Hjorten Revue- und Varietetheater, 1907/1908.
Turin, Caffe Romano, 1891.
Utrecht, Tivoli, 1893.
Wien, Danzers Orpheum, 1890, 1893; Etablissement Ronacher, 1894; Venedig in Wien, 1897.
Amerika:
New York City, Olympia Theatre (auch: Hammerstein’s Olympia, Olympia Music Hall), 1896.
Trivia Die franzosische Folk-Band „La Lune A Tics“ hat auf ihrer CD …Et Tac! eine instrumentale Komposition mit dem Titel Castor Watt veroffentlicht. Es handelt sich dabei um den traditionellen bretonischen Tanz Kost ar c’hoad.
Ein Artikel in der italienischen Schriftenreihe La Commedia Umana bezieht sich auf Agostino Depretis und den Trasformismo. Der Autor nimmt dabei einen Auftritt des „Transformisten“ Castor Watts zum Anlass, um aus dem Wortspiel eine politische Glosse zu schaffen.
Sein Plakat Castor Watt, The Living Metamorphose (siehe Abbildung) hat Burwig selbst gestaltet, es tragt seine personliche Signatur.
Einzelnachweise | 
	Castor Watt, auch P. Castor Watt (burgerlich Paul Burwig; * 7. Marz 1858 in Potsdam; † 6. August 1932 in Berlin-Kopenick), war ein deutscher Schauspieler, Humorist, Mimiker und international bekannter Verwandlungskunstler. | 
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  "url": "https://de.wikipedia.org/wiki/Castor_Watt"
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	c-557 | 
	Lampions (russisch Бумажные фонари ‚Papierlaternen‘) ist ein Olgemalde des russischen Impressionisten Konstantin Korowin, das 1896 entstanden sein durfte, nach anderen Quellen 1895 oder 1898. Der Offentlichkeit zuganglich ist es in der Tretjakow-Galerie in Moskau.
Beschreibung und Rezeption Das Bild stellt eine Szene bei einsetzender Dammerung dar. Es zeigt eine junge Frau mit Kopfbedeckung, roter Bluse und schwarzem, langem Rock, die Lampions entzundet und aufhangt. Das Gesicht und die Haltung der jungen Frau strahlen eine große Friedlichkeit und Gluck aus und das Bild verkorpert eine erstaunliche Leichtigkeit der Farbkomposition. Das Bild lebt von der Transluzenz der drei Laternen und ihrem Widerschein im Gesicht der jungen Frau.
Die dargestellte Frau ist wahrscheinlich Anna Jakowlewna Fidler, damals kaum 20 Jahre alt, ein Mitglied des Ensembles der Mamontow-Oper in Moskau. Sie wurde als „freigeistiger Vogel“ (свободолюбивая пташка) bezeichnet. 1897 heiratete sie Korowin, wurdigte aber seine Arbeit nicht. Das erste ihrer beiden Kinder lebte nicht lange. Das zweite Kind wurde von einer Straßenbahn angefahren und war seitdem dauerhaft behindert. Kurz vor seinem Tod konstatierte Korowin: „Sie versteht mich nicht. Ich bin so einsam.“
Das Bild zierte Ausstellungskataloge wie beispielsweise die Kunstlermappe der Tretjakow-Galerie von 1965 oder die Sonderausstellung mit dem Titel Konstantin Korowin. Malerei. Theater zu seinem 150. Geburtstag 2012, gerade auch, weil es die beiden wichtigen Genres Theatermalerei und Freilichtmalerei zusammenbringt.
Kritiker beobachten in diesem Gemalde eine interessante Kombination von Theatermalerei, der er Ende der 1890er Jahre immer noch nachging, und Freilichtmalerei. „Waren die ersten Anleihen [an diese Maltechnik] noch mit der Flachigkeit der Figurendarstellung verbunden, so zeigten sie sich spater in der bewussten Dekorativitat.“ Korowin experimentiert hier mit zwei verschiedenen Lichtquellen, der des naturlichen Sonnenlichts und dem durch bemaltes Papier gebrochenen Kerzenschein. Augenfallig sind die Lampions im Vordergrund, und sie bescheinen frontal das Gesicht der jungen Frau.
Auch wenn die Ornamentik der Laternen nicht deutlich zu erkennen ist, geben sie dem Bild eine ostgerichtete, vielleicht auch asiatische, vielleicht exotische Ausstrahlung, wahrend die europaische Kleidung, die Hausfassade, die Holzveranda und der angedeutete Tisch sowie das Gebusch im Hintergrund russisch-heimatliche Gefilde wiedergeben. Die gesamte Bildkomposition sei „zweifellos [ein] beredter Beweis fur den fortschrittlichen Stil des Meisters. Er verwandelt bisher ruhige Tone mit dynamischer Textur in eine kontrastreiche Dekorpalette und geht damit einen weiteren Schritt in Richtung Impressionismus.“ Das Gemalde Lampions ist ein typisches Beispiel dafur.
Einzelnachweise | 
	Lampions (russisch Бумажные фонари ‚Papierlaternen‘) ist ein Olgemalde des russischen Impressionisten Konstantin Korowin, das 1896 entstanden sein durfte, nach anderen Quellen 1895 oder 1898. Der Offentlichkeit zuganglich ist es in der Tretjakow-Galerie in Moskau. | 
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	c-558 | 
	Der Uranios-Palimpsest (Uranii Alexandrini de regibus Aegyptiorum libri tres) ist eine von Konstantinos Simonides gefalschte Geschichte Agyptens in altgriechischer Sprache „mit den Thiniten beginnend und ohne Unterbrechung herunter bis zu den Ptolemaern“, die 1855 der Koniglichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin zum Kauf angeboten wurde.
Beschreibung Der Palimpsest umfasste nach Angaben von Wilhelm Dindorf 72 Pergamentblatter in Großquart. Die blasse, scheinbar untere Schrift mit der Konigsgeschichte des Uranios war demnach in zwei Kolumnen und Scriptio continua in Majuskeln ausgefuhrt. Die gut lesbare, scheinbar obere Schrift in mittelalterlichen Minuskeln datierte etwa ins 12. Jahrhundert und umfasste die Makkabaergeschichte des Josephus, eine Geschichte der Jungfrau Maria und der Auffindung ihres heiligen Gewandes, eine Geschichte des Kaisers Konstantin und der Ubersendung des Abgar-Bildes an ihn sowie eine Geschichte Johannes des Taufers und der Auffindung seiner Kopfreliquie.
Der angebliche Autor der agyptischen Konigsgeschichte, Uranios, wird von Stephanos Byzantinos im 6. Jahrhundert mehrfach als Verfasser einer Geschichte Arabiens erwahnt. Aus Simonides’ Falscherwerkstatt stammte auch eine Schriftrolle, die ein Werk uber gleichnamige Schriftsteller enthielt (Περι ομωνυμων ποιητων και συγγραφεων). Sie lag Dindorf ebenfalls vor, und ihr war unter anderem die Biografie des Uranios zu entnehmen: Er sei Alexandriner gewesen, Sohn des Anaximenes und der Kallikratis, Schuler des Chrysippos von Alexandria und Verfasser mehrerer Werke uber agyptische, athiopische, arabische, libysche, lykische und karische Geschichte. Gewidmet habe Uranios seine drei Bucher der agyptischen Konigsgeschichte einem Deimachos, Sohn des Xenokles, der zehn Bucher romische Geschichte geschrieben habe.
Das erste Buch der Konigsgeschichte beginnt mit Mesrachamis, Sohn des Nuachmis, und fuhrt uber Balchumis, Memphathanchis, Achmanthos, Phaathes, Chnemachothis, Aegypthoris (nach dem Agypten benannt worden sei) bis zu Amthachonthis, der den Ammon-Tempel in Themphis erbaut habe und von seiner Frau vergiftet worden sei. Das zweite Buch beginnt mit Menes, der Agypten von der Herrschaft der Araber befreit habe und mehrere Tempel erbauen und seine Vorganger als Gotter verehren ließ. Auf ihn folgen Atothis I., Atothis II., Kenchenes, Uannephetis, Usaphaenephis, Niebaches, Semempsis, Ubiennethis, Phemphosochochir, Buchonophis (dessen Morder und Nachfolger) und Boethos. Zu dessen Zeit habe sich ein großer Aufstand ereignet, aber die Erde habe sich aufgetan und die Rebellen verschlungen. Auf Boethos folgen Choos und Kaeochos (dessen Bruder, Morder und Nachfolger). Ausfuhrlich wird beschrieben, wie zu seiner Zeit der Apis-Kult in Memphis eingefuhrt worden sei.
Simonides in Leipzig Im Juli 1855 traf Konstantinos Simonides, der zu dieser Zeit bereits einen schillernden Ruf als Handler mit echten und gefalschten antiken Manuskripten hatte, in Leipzig ein. Die Universitatsstadt zog auch griechische Studenten an, die kleine Wohngemeinschaften bildeten. Einer solchen in der Eisenbahnstraße 1 schloss sich Simonides an. Dort wohnte Alexandros Lykurgos, der mit einem Stipendium des griechischen Staates studierte und mit dem Simonides seit Jahren in Kontakt stand. Lykurgos machte ihn mit dem Theologieprofessor Rudolf Anger bekannt. Simonides hatte sich in seiner Jugend auf dem Athos aufgehalten und dort drei Papierblatter eines mittelalterlichen griechischen Manuskripts der fruhchristlichen Schrift Der Hirte des Hermas entwendet (Mone Gregoriu 96) und weitere 31 Seiten des Textes abgeschrieben. Diese zeigte er Anger, der die große Bedeutung des fruhchristlichen Textes erkannte. Er war bislang nicht im griechischen Original, sondern nur in lateinischer Ubersetzung bekannt. Anger vermittelte den Ankauf sowohl der Original-Blatter als auch der Blatter mit Simonides’ Abschrift durch die Universitatsbibliothek Leipzig und besorgte die Edition des Textes. Diese Aufgabe wurde allerdings dadurch erschwert, dass Simonides in seine Abschrift absichtliche Fehler eingebaut hatte. Lykurgos vermutete spater, dass er auf diese Weise die Herstellung  und den Verkauf eines gefalschten Palimpsests des Hirten des Hermas vorbereiten wollte, der einen gegenuber der Anger ausgehandigten Abschrift uberlegenen Text enthielt, namlich den von Simonides tatsachlich auf dem Athos kopierten mittelalterlichen Originaltext. Dieser Hermas-Palimpsest ging an einen Leipziger Antiquar zum Weiterverkauf.
Einige Zeit nach dem Verkauf der Hermas-Blatter gab Simonides bekannt, dass sich auch ein Uranios-Palimpsest in seinem Besitz befinde; diese Handschrift wurde Wilhelm Dindorf zur Begutachtung vorgelegt. Er erkannte die obere Schrift als zweifellos echt (12. Jahrhundert); von der blassen unteren Schrift konnte er nur wenige Kolumnen entziffern, die bei ihm keinen Verdacht weckten, zumal altagyptische Geschichte nicht sein Fachgebiet war.
Prufung des Ankaufs fur die Konigliche Bibliothek Ende Dezember 1855 ging bei dem Berliner Altphilologen August Boeckh ein Schreiben Dindorfs ein, der ihn uber den sensationellen Fund des Uranios-Palimpsests informierte. Dindorf gab an, er habe die Pergamentblatter der Handschrift zu seiner „ausschliesslichen Verfugung – sowohl was die Veroffentlichung des Inhalts als den Besitz der Handschrift betrifft“. Er bot den Palimpsest der preußischen Regierung fur 5000 Taler zum Kauf an. Am 31. Dezember legte Dindorf ein Doppelblatt August Boeckh und dem Agyptologen Richard Lepsius vor; keiner von ihnen schopfte Verdacht, dass „die matten, aber meisterhaft im Stile der ersten Jahrhunderte nach Christus geschriebenen Zuge der Unzialschrift“ gefalscht sein konnten.
Am 11. Januar 1856 legte Dindorf den gesamten Palimpsest in Berlin einer Gruppe von 14 Fachleuten zur Prufung vor. Wie Lepsius ruckblickend schrieb, wurden dabei verschiedene Zweifel „aus den entzifferten Stellen und den außeren Umstanden“ vorgebracht, die Dindorf aber zerstreute. Die Akademie beschloss, den Palimpsest „vorlaufig fur Berlin zu sichern“, und Lepsius leistete die Anzahlung von 2500 Talern aus eigenen Mitteln. Dafur erhielt er den Uranios-Palimpsest zur weiteren Untersuchung ausgehandigt. Erst nach fast zwei Wochen hatte er die Zeit und „die nothigen Reagentien“, um die Entzifferung der Unzialschrift anzugehen. Was er las, befremdete ihn immer mehr. Die Angaben des Uranios zur Geschichte der Hyksos standen im klaren Widerspruch zum Stand der Forschung, und nirgends hatte er etwas beizutragen, was man als neue Information hatte ansehen konnen. Bei den agyptischen Konigsnamen brachte Uranios nur die bekannten griechischen Formen und zeigte keine Kenntnis der agyptischen Sprache; offensichtlich wurde das bei den Konigen der 22. Dynastie, wo Simonides als Falscher genotigt war, Namen zu erfinden. Damit war fur Lepsius die Falschung erwiesen; er trug nun noch weitere Beweise der Unechtheit zusammen, um Zweifler zu uberzeugen. Zwei Argumente hatten besonderes Gewicht: Die Tinte der Unzialschrift war an einigen Stellen in die eingekerbten Linien der mittelalterlichen Handschrift geflossen. Außerdem farbten die chemischen Reagentien die Unzialschrift schwarz, die mittelalterliche Minuskelschrift aber nur braun, und die Unzialschrift erschien nun uber, nicht unter der Minuskelschrift.
In Leipzig hatte der Handschriftenexperte Konstantin Tischendorf geruchteweise von den kostbaren Manuskripten gehort, die Simonides in seinem Besitz hatte; er war aber nicht hinzugezogen worden. Nachdem ihm griechische Studenten angedeutet hatten, dass eine Falschung im Gange sein konnte, bat er Dindorf um Einsicht in die Manuskripte und erhielt am 22. Januar ein Blatt des Hermas-Palimpsests und eins des Uranios-Palimpsests von Dindorf zur Ansicht. Tischendorfs Befurchtungen bestatigten sich. Die unteren Schriften beider Palimpseste, die aus unterschiedlichen Zeiten stammen sollten, waren sich in bestimmten Kriterien zu ahnlich. Das Pergament des Uranios-Palimpsests hatte typische Eigenschaften, die Tischendorf von Pergamenten des 11. Jahrhunderts kannte, sollte aber ein Pergament des 5. Jahrhunderts sein. Diese und weitere Beobachtungen teilte er Dindorf mit, fand bei diesem aber kein Gehor. Tischendorf deutete an, er konne mit seinem Gutachten zum Uranios-Palimpsest auch an die Offentlichkeit treten. Daraufhin warnte ihn Dindorf, er habe womoglich kein Recht, sich „uber ein Privateigenthum, wie das Palimpsest des Uranios sei, … offentlich auszusprechen. In der That namlich hatte Professor Dindorf am 23. Jan. das Palimpsest des Uranios bereits um 2000 Thlr. von Simonides gekauft und bezahlt, sowie er auch bereits ein Stuck des Textes in Oxford hatte drucken lassen, dessen Ankunft er taglich erwartete.“
Verhaftung in Leipzig Am 27. Januar 1856 erhielt Lepsius eine von ihm erbetene Audienz bei Konig Friedrich Wilhelm IV. und warnte vor dem Ankauf des Uranios-Palimpsests. Am 30. Januar legte Lepsius seine Falschungsbeweise den Berliner Kollegen vor und versicherte sich ihrer Zustimmung. Lepsius sprach nun beim Berliner Generalpolizeidirektor vor und reiste am Folgetag mit dem Berliner Polizeidirektor Stieber nach Leipzig, um Simonides verhaften zu lassen. Am gleichen Tag traf in Berlin ein Brief Tischendorfs aus Leipzig ein, in dem dieser nicht nur den Uranios-Palimpsest zu einer Falschung erklarte, sondern auch mitteilte, Alexandros Lykurgos sei bereit, gegen Simonides auszusagen. Am Morgen des 1. Februar nahm die Leipziger Polizei in Anwesenheit Stiebers und Lepsius’ die Verhaftung vor, „in dem Augenblick, wo Simonides zwischen den bereits gepackten und nach London adressirten Reiseeffecten stand. … Die Ueberraschung gelang vollstandig und die Haussuchung brachte die klarsten Beweise an den Tag, daß Simonides noch in Leipzig selbst den falschen Palimpsest angefertigt hatte. Eine Anzahl echter und falscher Handschriften, zahlreiche Pausen und Schriftversuche, die Urschriften des von ihm componirten Uranios, die aus verrosteten Nageln bereitete Tinte, die Rohrfedern, deren er sich bedient, wurden gefunden, und unter seinen Buchern befanden sich alle die griechischen und andern Werke, die er zu der uberaus klug und selbst gelehrt berechneten Abfassung seines Werks gebraucht hatte, darunter auch Bunsen’s und meine eigenen [Lepsius’] Publicationen.“ Die 2000 Thaler, die Dindorf Simonides ausgezahlt hatte, wurden vollstandig bei diesem sichergestellt; Dindorf erhielt sein Geld zuruck.
Nachwirkungen Dindorf versuchte, die Veroffentlichung seiner Ausgabe des Uranios-Palimpsests bei der Clarendon Press in Oxford noch zu stoppen. Am selben Tag, an dem Simonides verhaftet wurde, lag Dindorfs Edition aber schon in den Schaufenstern britischer Buchhandler. Da anschließend die gesamte Auflage vernichtet wurde, entwickelten sich die wenigen bereits verkauften Exemplare in der Folge zu bibliophilen Raritaten. Der Rezensent des Londoner Athenaeum resumierte: „Simonides erwartet sein Urteil, Professor Dindorf ruft seine Broschure zuruck und die Berliner Akademie wird wahrend der Fastenzeit Trauer tragen.“
In Berlin wurde (wahrscheinlich im Konigsstadtischen Vaudeville Theater) der von Ernst Dohm geschriebene Schwank Simonides oder die Wissenschaft muss umkehren aufgefuhrt. Dindorfs, aber auch Lepsius’ wissenschaftliche Reputation hatten Schaden genommen. Lepsius verteidigte in Zeitungsartikeln seine Rolle bei der Aufdeckung des Simonides-Betrugs und beschwerte sich bei seinem franzosischen Kollegen Emmanuel de Rouge brieflich uber den Spott, der in Paris uber die Berliner Akademie geaußert wurde.
Simonides wurde aus Sachsen ausgewiesen. Er hielt sich ein paar Monate in Wien und Munchen auf, wo er in mehreren Publikationen die Echtheit seines Uranios-Palimpsests verteidigte. Im April 1858 traf er in London ein, den Palimpsest im Gepack. Er stellte ihn bei mehreren Gelegenheiten zur Schau und versuchte den Buchersammler Thomas Phillipps fur eine Veroffentlichung des Uranios zu gewinnen. Zunachst machte das Projekt Fortschritte, und Simonides warb Subskribenten, aber dann zog sich Phillipps zuruck, und der Druck wurde nie realisiert. In Liverpool, wo er nun wohnte, trat Simonides mit einer neuen Sensation an die Offentlichkeit: dem Codex Mayerianus. Die von ihm fabrizierten angeblichen neutestamentlichen Papyri aus dem 1. Jahrhundert wurden ofter zusammen mit dem Uranios-Palimpsest gezeigt. Der Sammler John Eliot Hodgkin, der mit Simonides befreundet war und unverdrossen dessen Integritat gegen Betrugsvorwurfe verteidigte, ließ den Uranios-Palimpsest von dem Chemiker Henry Deane mikroskopisch untersuchen (Juni 1863 bis April 1864), uberzeugt, damit werde die Echtheit eindeutig festgestellt. Deane kam aber zum gegenteiligen Ergebnis. Hodgkin, tief verletzt, ließ den Uranios-Palimpsest an Simonides zuruckgeben und brach den Kontakt ab. Der weitere Verbleib des Palimpsests ist unbekannt.
Literatur Wilhelm Dindorf (Hrsg.): Uranii Alexandrini De Regibus Aegyptiorum Libri Tres. Clarendon, Oxford 1856 (Digitalisat).
Alexandros Lykurgos: Enthullungen uber den Simonides-Dindorfschen Uranios. Zweite Auflage. Fritzsche, Leipzig 1856 (Digitalisat).
Wilhelm Dindorf: Konstantin Simonides I. In: Deutsche Allgemeine Zeitung. Nr. 31 (6. Februar 1856), S. 253 f. (Digitalisat)
Konstantin Tischendorf: Konstantin Simonides II. In: Deutsche Allgemeine Zeitung. Nr. 31 (6. Februar 1856), S. 254. (Digitalisat)
Richard Lepsius: Ueber den falschen Uranios des Simonides. In: Deutsche Allgemeine Zeitung. Nr. 34 (9. Februar 1856), S. 279 f. (Digitalisat).
N. N.: Literary Forgery. In: The Athenaeum. Nr. 1477 (16. Februar 1856), S. 200 f. (Digitalisat).
Thomas L. Gertzen: Aber die Zeit furchtet die Pyramiden. Die Wissenschaften vom Alten Orient und die zeitliche Dimension von Kulturgeschichte (= Chronoi. Band 4). De Gruyter, Berlin/ Boston 2022 (Open Access).
Andreas E. Muller, Lilia Diamantopoulou, Christian Gastgeber, Athanasia Katsiakiori-Rankl (Hrsg.): Die getauschte Wissenschaft: Ein Genie betrugt Europa – Konstantinos Simonides. V & R unipress, Gottingen 2017, darin besonders:
Anna Mykoniati: Biographische Bemerkungen zu Konstantinos Simonides. S. 87–106.
Pasquale Massimo Pinto: Simonides in England: A Forger’s Progress. S. 109–126.
Friederike Berger: Konstantinos Simonides in Leipzig: Der Hirte des Hermas. S. 127–142.
Anmerkungen | 
	Der Uranios-Palimpsest (Uranii Alexandrini de regibus Aegyptiorum libri tres) ist eine von Konstantinos Simonides gefalschte Geschichte Agyptens in altgriechischer Sprache „mit den Thiniten beginnend und ohne Unterbrechung herunter bis zu den Ptolemaern“, die 1855 der Koniglichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin zum Kauf angeboten wurde. | 
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	c-559 | 
	Sheldon Mayer Harnick (* 30. April 1924 in Chicago; † 23. Juni 2023 in New York City) war ein US-amerikanischer Librettist, Liedtexter und Komponist. Er arbeitete lange Zeit mit dem Komponisten Jerry Bock zusammen und wurde gemeinsam mit ihm 1960 mit dem Pulitzer-Preis sowie 1990 mit dem Johnny Mercer Award geehrt. 1972 fand er Eingang in die Songwriters Hall of Fame.
Leben und Werk Sheldon entstammte dem judischen Elternhaus von Esther, geborene Kanter, und dem Zahnarzt Harry Harnick. Er nahm Geigenunterricht und schrieb bereits wahrend seiner Zeit als Schuler an der im Nordwesten der Stadt gelegenen Carl Schurz High School Lieder. Zwar wurde er im Zweiten Weltkrieg eingezogen, doch nahm er nicht am aktiven Dienst teil. Schon bei dem Versuch, mit dem Bajonett eine Erdnussdose zu offnen, zog er sich eine Wunde zu, schrieb er spater zu seiner Militarzeit. Nach 1945 ging er an die Northwestern University School of Music in Illinois, wo er 1949 seinen Abschluss als Bachelor of Music machte. Er beschloss bereits 1947, ans Theater zu gehen, nachdem er eine Aufnahme von Burton Lane und Yip Harburgs Finian’s Rainbow gehort hatte, und zog 1950 nach New York.
Seine Karriere am Broadway begann 1952 mit dem Lied The Boston Beguine, das in der Revue New Faces von Alice Ghostley gesungen wurde. Schnell erkannte er, dass das aufkommende Fernsehen die Broadway-Revuen zerstoren wurde, und suchte nach einem anderen Betatigungsfeld. So kam er im Juni 1956 durch Jack Cassidy mit Bock zusammen. Philip Lambert (* 1958) weist auf ihre Gemeinsamkeiten hin: Beide waren nur vier Lebensjahre auseinander, beide hatten einen Hochschulabschluss und, vielleicht am wichtigsten, beide waren Konner sowohl als Komponisten als auch als Texter. Vielleicht spielten auch ihre Wurzeln als judische Immigrantenkinder eine Rolle. In den 14 Jahren ihrer Zusammenarbeit sollten sieben gemeinsame Musicals entstehen. Bock war zu dieser Zeit in der Zusammenarbeit mit Jule Styne gerade etwas glucklos. So fiel es ihm nicht schwer, etwas Neues zu versuchen. Bock und Harnick begannen mit dem Musical The Body Beautiful, das zwar ein Misserfolg wurde, aber doch die Aufmerksamkeit auf das neue Autoren-Duo zog. Der Produzent und Regisseur George Abbott trat an sie heran und sie erschufen das Musical Fiorello!, welches 1959 auf die Buhne kam. In den nachsten Jahren sollte es 800 Mal aufgefuhrt werden, gewann drei Tony Awards sowie – ungewohnlich fur ein Musical – einen Pulitzer-Preis.
Von Harburg bekam Harnick den Rat, mit einer moglichst großen Zahl von Komponisten zusammenzuarbeiten, und auch, eher Lieder fur die Werbung (Image songs) oder Novelty Songs zu schreiben und keine Balladen. In der Mitte der 1960er Jahre schrieben die beiden Kassenschlager im Jahrestakt. Vor allem She Loves Me, The Apple Tree und The Rothschilds blieben besonders in Erinnerung, doch Fiddler on the Roof (auf Deutsch Anatevka) von 1964 avancierte zu einem der beliebtesten Broadway-Musicals.
58 Jahre wohnte er zusammen mit seiner dritten Frau Margery Gray, die er 1965 geheiratet hatte, an der Upper West Side mit Blick auf den Central Park. Zuvor war er mit Mary Boatner und Elaine May zusammen gewesen. Harnick hatte zu Lebzeiten zwei Kinder und vier Enkel. Am  23. Juni 2023 verstarb Sheldon Harnick in New York City im Alter von 99 Jahren.
Buhnenproduktionen New Faces of 1952 (1952) (Musik)
Shangri-La (1956) (Musik)
The Body Beautiful (1958) (Bock)
Portofino (1958) (Liedtexte mit Richard Ney)
Fiorello! (1959) (Bock)
Songs to Ford-ify Your Future (1959) (Bock), ein Produktion fur die Ford Motor Company
Tenderloin (1960) (Bock)
Smiling the Boy Fell Dead (1961) (David Baker)
She Loves Me (1963) (Bock)
Fiddler on the Roof (dt. Anatevka, 1964) (Bock)
The Apple Tree (1966) (Bock)
Her First Roman (1968) (Bock)
The Rothschilds (1970) (Bock)
Pinocchio (1973) (Mary Rodgers)
Captain Jinks of the Horse Marines (1975) (Jack Beeson)
Alice in Wonderland (1975) (Joe Raposo)
Rex (1976) (Richard Rodgers)
The Madwoman of Central Park West (1979)
The Umbrellas of Cherbourg (1979) (Michel Legrand) (steuerte englische Texte fur die Buhnenadaption bei)
A Christmas Carol (1981) (Michel Legrand)
A Wonderful Life (1986) (Joe Raposo)
Cyrano: The Musical (1993) (contributed English lyrics)
The Phantom Tollbooth (1995) (Liedtexte und gemeinsam mit Norton Juster fur das Buch verantwortlich)
Coyote Tales (1998) (Henry Mollicone)
Dragons (2003) (Musik von ihm)
Fiddler on the Roof (2004) (Textbeitrage fur den neuen Song „Topsy Turvy“) (Jerry Bock)
Lady Bird: First Lady of the Land (2016)
Weblinks Harnick, Sheldon, Northwestern Libraries, Archival and Manuscript Collections, 2013
37 Liedkompositionen von Sheldon Harnick auf Save the music, Quelle fur judische Musik einschließlich Jiddisch, Judeo-Espanyol, Hebraisch, Klezmer und Chazonish.
Einzelnachweise | 
	Sheldon Mayer Harnick (* 30. April 1924 in Chicago; † 23. Juni 2023 in New York City) war ein US-amerikanischer Librettist, Liedtexter und Komponist. Er arbeitete lange Zeit mit dem Komponisten Jerry Bock zusammen und wurde gemeinsam mit ihm 1960 mit dem Pulitzer-Preis sowie 1990 mit dem Johnny Mercer Award geehrt. 1972 fand er Eingang in die Songwriters Hall of Fame. | 
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	c-560 | 
	Ethel May Caterham (* 21. August 1909 in Shipton-Bellinger, Hampshire als Ethel May Collins) ist eine britische Supercentenarian und Altersrekordlerin. Seit dem Tod der Brasilianerin Inah Canabarro Lucas am 30. April 2025 gilt sie als alteste lebende Person der Welt. Außerdem ist sie die alteste britische Person, die jemals gelebt hat, sowie die letzte lebende Person der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts.
Leben Ethel May Caterham wurde am 21. August 1909 als Ethel May Collins in Shipton-Bellinger geboren. Sie wuchs als siebtes von acht Kindern in Tidworth in der Grafschaft Wiltshire auf. Nennenswert ist, dass eine ihrer Schwestern ein hohes Alter von 104 Jahren erreichte. 1927 reiste Caterham nach ihrem Schulabschluss nach Britisch-Indien, um dort als Kindermadchen fur eine britische Familie zu arbeiten. Nach drei Jahren dort kehrte sie in ihr Heimatland zuruck, wo sie auch fur einige Zeit ihren Beruf ausubte.
1931 lernte sie ihren zukunftigen Ehemann Norman Caterham (1905–1976) kennen, der beruflich Major der British Army war. 1933 heirateten die beiden in der Kathedrale von Salisbury, wo Norman zuvor Chorknabe war. Norman Caterham stieg zum Oberstleutnant der Royal Army Pay Corps auf, und die beiden lebten fur einige Zeit in Salisbury, bis Norman Caterham in Hongkong sowie in Gibraltar militarisch stationiert wurde. In Hongkong grundete Ethel Caterham einen Kindergarten fur einheimische und britische Kinder. Sie lehrte dort Englisch, Spiele und Kunsthandwerk. In Gibraltar bekam das Ehepaar die zwei Tochter Gem und Anne, die allerdings in Großbritannien aufwuchsen.
Im Jahr 1976 starb ihr Mann, womit Ethel Caterham sein Automobil erbte, das sie bis ins Alter von 97 Jahren noch fuhr. Die Tochter Gem starb in den fruhen 2000er-Jahren, wahrend Anne 2020 an Krebs starb. Damit uberlebte Caterham sowohl ihren Ehemann als auch ihre Kinder.
Bereits 2015, als Caterham 106 Jahre alt war, gab es uber sie mediale Berichterstattung, als die Burgermeisterin von Surrey Heath sie besuchte. Am 21. August 2019 wurde Ethel Caterham mit ihrem 110. Geburtstag zur Supercentenarian. 2020 erkrankte sie an COVID-19, konnte jedoch genesen, womit sie zu den altesten Uberlebenden der Krankheit gehort. Im selben Jahr wurde sie mit ihrer Enkelin von BBC interviewt und feierte eine Woche spater ihren 111. Geburtstag mit einer Teeparty. Am 22. Januar 2022 verstarb Mollie Walker, womit Caterham zur altesten lebenden Person im Vereinigten Konigreich wurde. Am 28. Januar 2023 wurde Caterhams Alter von der Gerontology Research Group verifiziert. Am 19. August 2024 wurde Caterham mit dem Tod von Maria Branyas Morera zur altesten lebenden Person in Europa. Am 21. August 2024 feierte Caterham ihren 115. Geburtstag. Zu diesem Ereignis benannte ihr Altenheim einen Garten nach ihr. Am 7. April 2025 ubertraf Caterham das Alter von Charlotte Hughes und wurde so zur altesten britischen Person, die jemals gelebt hat. Mit dem Tod von Inah Canabarro Lucas am 30. April 2025 wurde Caterham zur altesten lebenden Person der Welt.
Aktuell ist Ethel Caterham 115 Jahre und 323 Tage alt und lebt in Surrey. Sie gilt als alteste lebende Person der Welt sowie als alteste britische Person, die jemals gelebt hat. Caterham erfreut sich weiterhin guter Gesundheit. Ihre Langlebigkeit fuhrt sie darauf zuruck, niemals Streit zu haben, zuzuhoren und das zu tun, was ihr gefallt.
Einzelnachweise | 
	Ethel May Caterham (* 21. August 1909 in Shipton-Bellinger, Hampshire als Ethel May Collins) ist eine britische Supercentenarian und Altersrekordlerin. Seit dem Tod der Brasilianerin Inah Canabarro Lucas am 30. April 2025 gilt sie als alteste lebende Person der Welt. Außerdem ist sie die alteste britische Person, die jemals gelebt hat, sowie die letzte lebende Person der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts. | 
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	c-561 | 
	Die Villa Cranz ist das Gemeindehaus von Interlaken im Kanton Bern in der Schweiz. Sie wurde im heutigen Umfang 1924 erbaut und war von 1941 bis 1944 das Hauptquartier des Oberbefehlshabers der Schweizer Armee Henri Guisan. Nachdem die Villa als Hemdenfabrik und Hotel gedient hatte, wurde sie 1978 Sitz der Gemeindeverwaltung und 2000 unter Denkmalschutz gestellt.
Geschichte Der Architekt Bernhard Hauser aus Buenos Aires hatte die Villa «La Tourelle» als Eigenheim erbaut. Sie wurde 1920 von dem Hamburger Rechtsanwalt Rudolf Cranz erworben, der bis 1921 die «Kammgarnspinnerei Interlaken» errichtete. Die Gemeinde stellte dazu unentgeltlich Bauland zur Verfugung, hinzu kamen funf Jahre Steuerfreiheit fur Grund- und Einkommensteuer sowie ermassigter Bezug von elektrischer Energie fur die ersten sieben Jahre. Das Anwesen wurde 1924 «an-, um- und aufgebaut». Das Baubewilligungsgesuch vom 18. Marz 1924 sah des Weiteren daran anschliessend den Bau einer Autogarage mit gedecktem Verbindungsgang sowie die Erweiterung des Pflanzenhauses an der Gartenstrasse vor.
Nach dem Konkurs des Unternehmens wurde die Villa 1928 versteigert. Cranz wurde 1930 nach 17 Monaten Untersuchungshaft zu zehn Monaten Korrektionshaus verurteilt sowie vom Vorwurf des betrugerischen Konkurses freigesprochen. Der Erwerber des Anwesens, Dr. Elves, Direktor der Allgemeinen Elektricitats-Gesellschaft (AEG), benannte das Gebaude in «Villa Rheinland» um. Nach seinem Tod stand sie 1933 erneut zum Verkauf. Der Schweizer Armeestab zog im Herbst 1939 in das leerstehende Haus ein. Wahrend des Reduits wurde es am 1. April 1941 Hauptquartier von General Guisan und seinem Stab. Das Umland wurde durch das Artilleriewerk 301 («Bodeliwerke») befestigt, der nahgelegene Stollen «Moosli», die Schiffstation, die Bahn und der Reduitflugplatz boten Ruckzugsmoglichkeiten. Nach der Invasion in der Normandie zog der General im Oktober 1944 in das Schloss Jegenstorf um.
Die Liegenschaft an der General-Guisan-Strasse (ehemalige «Gartenstrasse») wurde 1947 von Gottlieb Bolliger erworben und zur Hemdenfabrik umgenutzt. Rund zwanzig Jahre spater war ein Hotel garni der Nachnutzer. Die Stimmburger der Gemeinde stimmten 1978 dem Kauf der Villa Cranz zu. Beim Umbau zum Gemeindehaus wurde das «gediegene» Interieur 1978 «liquidiert». Der «grosszugige Park» mit altem Baumbestand blieb erhalten.
Das Gebaude wurde 2000 rechtswirksam im Bauinventar des Kantons als «schutzenswert» verzeichnet und mit Vertrag vom 12. Februar 2002 vom Kanton unter Schutz gestellt. Kulturguter-Objekte der «Kategorie C» wurden (Stand: Februar 2024) noch nicht veroffentlicht.
Beschreibung Die Villa ist ein «ausgewogen proportionierter» Massivbau im Berner Landhausstil. Der zweigeschossige Bau hat «straff achsierte» Langsfronten. Gebanderte Lisenen fassen die Eckrisalite, ihnen vorgesetzt sind eingeschossige Verandenzimmer (sudseitig rund und nordseitig rechteckig). Das neubarocke Kunststeindekor gilt als «qualitatvoll». Die Fenster haben Laden und ihre Teilung behalten. Westseitig fuhrt ein Verbindungsgang zur Autogarage. Das «voluminose» Knickwalmdach zeigt an den Langsseiten dreiachsige Dachhauser mit stark profiliertem Fronton. Die parkartige Gartenanlage ist mit Terrassen, Bassin und Einfriedung erhalten. Die Denkmalpflege beurteilt die Villa als «hochherrschaftlichen Landsitz von reprasentativer Eleganz».
Eine einfache Gedenktafel zeigt in Versalien den Text: «In schwerer Kriegszeit | Sitz des Oberbefehlshabers | der Schweizer Armee | General Henri Guisan | 1941 – 1944».
Siehe auch Liste der Kulturguter in Interlaken
Weblinks Belege | 
	Die Villa Cranz ist das Gemeindehaus von Interlaken im Kanton Bern in der Schweiz. Sie wurde im heutigen Umfang 1924 erbaut und war von 1941 bis 1944 das Hauptquartier des Oberbefehlshabers der Schweizer Armee Henri Guisan. Nachdem die Villa als Hemdenfabrik und Hotel gedient hatte, wurde sie 1978 Sitz der Gemeindeverwaltung und 2000 unter Denkmalschutz gestellt. | 
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	c-562 | 
	Flugessen (auch Essen im Flugzeug) ist ein Sketch des deutschen Humoristen Loriot. Er zeigt drei Fluggaste wahrend einer Mahlzeit im Flugzeug. Der Sketch ist Teil der funften Folge der Sendereihe Loriot, die im Juni 1978 im Deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde.
Handlung Protagonisten des Sketches sind drei Passagiere, die in einer Sitzreihe eines Flugzeugs sitzen. Es wird Essen serviert. Der in der Mitte sitzende Mann bringt das Gesprach auf die Lekture der am Gang sitzenden Frau. Sie gibt an, dass sie Gedichte von Rilke liest. Beide beginnen nun, Verse aus dessen Werken zu zitieren. Nebenbei packen sie ihr Essen und ihre Getranke aus. Dabei kommt es zu zahlreichen Missgeschicken, bei denen sich die Fluggaste bekleckern. Trotzdem reden die beiden weiter uber ihre Liebe zur Poesie. Als der Flugkapitan meldet, dass man gerade uber Kassel fliege, mischt sich der am Fenster sitzende Fluggast in das Gesprach ein. Er berichtet von seiner Zeit an der Gewerbefachschule in Kassel und von Kassels neuem Schwimmbad. Außerdem erwahnt er seinen Cousin, der auch Gedichte mache, unter anderem: „Ich muss die Nase meiner Ollen an jeder Grenze neu verzollen.“ Als er aufstehen will und die anderen beiden Gaste dazu ihre Tische samt der Essensreste hochklappen, meldet eine Stewardess, dass der Landeanflug begonnen hat und man sich wieder hinsetzen solle. 
Produktion und Ausstrahlung Der Sketch entstand fur die funfte Folge der von Radio Bremen produzierten Sendereihe Loriot. Er bildet darin zusammen mit den Sketchen Abflug und Landung eine durchgehende Geschichte. Die drei Sketche wurden an drei Tagen im April 1978 in einer dafur extra im Studio aufgebauten Flugzeugkulisse gedreht. In allen drei Sketchen spielt Loriot den in der Mitte sitzenden Fluggast, der sich in Landung als Staatssekretar herausstellt. Evelyn Hamann spielt seine Gesprachspartnerin und Heinz Meier den am Fenster sitzenden Passagier. Loriot ist uber die Sprechanlage auch als Flugkapitan zu horen. Daneben stellen einige Statisten Stewardessen und Fluggaste dar. So sitzt beispielsweise Hanni Nitsch, die vorher unter anderem im Sketch Schmeckt’s? auftrat, im Flugzeug hinter Loriot.
Die funfte Folge von Loriot wurde am 15. Juni 1978 im Ersten Programm ausgestrahlt. Das Thema Fliegen spielt darin eine große Rolle. Zunachst ist eine Leibesvisitation mit einem kitzligen Fluggast zu sehen. Dann folgen die drei Sketche im Flugzeug, wobei sie jeweils von einer Ansage unterbrochen werden. Den Sketch Flugessen kundigt Loriot mit folgenden Worten an:
Nach der Landung folgt noch der Sketch Fluggepack, in dem funf gleich gekleidete Manner am Gepackband ihre Koffer verwechseln.
1997 ordnete Loriot sein Fernsehwerk neu und machte aus den sechs ursprunglichen 45-minutigen Loriot-Folgen vierzehn Folgen mit einer Lange von jeweils 25 Minuten. Der Sketch Flugessen ist Teil der zweiten Folge Alles uber das Fliegen, die am 29. April 1997 im Ersten ausgestrahlt wurde. Die Folge enthalt alle Flughafensketche der Loriot-Reihe, neben den funf aus der funften Original-Folge auch jeweils einen aus der ersten und der dritten Folge. Außerdem war Flugessen 1983 in der Sendung Loriots 60. Geburtstag zu sehen.
Anders als viele andere Sketche Loriots erschien der Text von Flugessen nie in gedruckter Form. Gleiches gilt fur Abflug und Landung. In Loriots autobiographischem Buch Mopse & Menschen gibt es eine kurze Beschreibung der Dreharbeiten, die mit funf Fotos illustriert wird. Auch Loriots Ansage zum Sketch wird darin wiedergegeben. Die Ansage ist unter dem Titel Zeit und Raum Teil des Kapitels Lyrisches in Loriots Sammelband Gesammelte Prosa. Im selben Kapitel findet sich das Gedicht vom Cousin des Flugreisenden, das unter dem Titel Grenzen der Menschheit abgedruckt wurde.
Analyse und Einordnung Die Germanistin Anne Uhrmacher sieht in dem Sketch eine Parodie auf eine Gesellschaftsschicht, die sie als Niveaumilieu bezeichnet, ein Begriff, den der Soziologe Gerhard Schulze in seiner Studie Die Erlebnisgesellschaft einfuhrte. Laut Schulze sind die Angehorigen dieser Schicht durch ein hoheres Einkommen und hohere formale Bildung sowie ihr Interesse an Hochkultur gekennzeichnet. Gleich zu Beginn des Sketches lasse der von Loriot dargestellte Mann eine gehobene gesellschaftliche Stellung erkennen, indem er auf den guten Service der Fluglinie verweist. Damit deute er an, Vielflieger zu sein, was in den 1970er Jahren – der Entstehungszeit des Sketches – noch ein Hinweis auf eine hohere Stellung bzw. Wohlstand war. Auch in der Diskussion mit der Frau uber Rilke zeige er typische Verhaltensweisen des Niveaumilieus. So kommentiert er Rilke mit „Etwas Schoneres ist in deutscher Sprache wohl nie geschrieben worden“ und lasse damit den laut Schulze fur das Niveaumilieu typischen Hang zu hierarchischen Ordnungen erkennen.
Das Gesprach uber die Poesie Rilkes wird im Sketch auf zwei Weisen konterkariert. Zum einen ubernimmt dies der dritte Fluggast, der durch seine Aussagen zeigt, dass er kein Akademiker ist und auch keinen Sinn fur Hochkultur hat. Seine Bemerkungen zum Gedicht seines Cousins und dem neuen Schwimmbad sind vollkommen unpassend fur das Gesprach. Zudem flucht er genau in dem Moment „Scheiße!“ als seine Sitznachbarin das „tonlose Los“ aus Rilkes Duineser Elegien zitiert. Ein zweiter Kontrast entsteht durch den chaotischen Ablauf des Flugessens, durch den am Ende alle drei Fluggaste gleichermaßen verschmutzt sind. Laut Uhrmacher werden damit ihre unterschiedlichen Stellungen in der Gesellschaft nivelliert. Die beiden Rilke-Liebhaber scheinen das Chaos komplett zu ignorieren und setzen ihr Gesprach uber Rilke unbeirrt fort. Anne Uhrmacher interpretiert dies als eine Parodie der starren Etikette gehobener Schichten. Der Medienwissenschaftler Eckhard Pabst sieht darin hingegen ein Beispiel fur kulturellen Verfall. Damit zeige sich in dem Sketch Loriots modernisierungskritische Haltung, laut Pabst die Leitlinie im Werk des Humoristen. 
Die Komik des Sketches richtet sich laut Uhrmacher nicht gegen Rilkes Poesie, fur die sich Loriot auch selbst begeistern konnte. Ziel sei stattdessen das Publikum, das sein Werk verklare und dazu benutze, sich von anderen abzusetzen. Die Schonung der Kunst gilt als typisch fur Loriots Sketche zu kulturellen Themen und wurde von der Germanistin Claudia Hillebrandt zum Beispiel auch beim Sketch Flotenkonzert festgestellt. In Flugessen zeigt sich Loriot laut Uhrmacher den Parodierten gegenuber aber auch versohnlich, ein weiteres Merkmal seiner Komik. So seien die zwei Fluggaste anscheinend wirklich von Rilke begeistert und zitierten seine Poesie nicht nur aus Prahlerei. Dies erlaube es dem Zuschauer, gewisses Verstandnis und Sympathie fur die beiden aufzubringen.
Die Literaturwissenschaftler Lucas Marco Gisi, Torsten Hoffmann und Moira Paleari sehen Flugessen als Teil einer Gegenreaktion auf den verklarenden Rilke-Kult, der in Nachkriegsjahren nicht nur unter dessen Lesern, sondern auch unter Philologen geherrscht habe. Gleiches gelte fur Ernst Jandls ironischen Gedichtzyklus Der gewohnliche Rilke, der im selben Jahr wie Flugessen erschien.
Bildtontrager Loriots Vibliothek. Band 2: Wo laufen sie denn? und andere Probleme des gehobenen Lebensstils. Warner Home Video, Hamburg 1984, VHS Nr. 2.
Loriot – Sein großes Sketch-Archiv. Warner Home Video, Hamburg 2001, DVD Nr. 1 (als Teil von Loriot 2).
Loriot – Die vollstandige Fernseh-Edition. Warner Home Video, Hamburg 2007, DVD Nr. 4 (als Teil von Loriot V).
Literatur Stefan Neumann: Loriot und die Hochkomik. Leben, Werk und Wirken Vicco von Bulows. Wissenschaftlicher Verlag Trier, Trier 2011, ISBN 978-3-86821-298-3. 
Anne Uhrmacher: „Sie lesen Gedichte, gna’ Frau?“ – Loriots Blick auf die Komik bundesrepublikanischer Milieus. In: Anna Bers, Claudia Hillebrandt (Hrsg.): Loriot und die Bundesrepublik. De Gruyter, Berlin/Boston 2023, ISBN 978-3-11-100409-9, S. 47–66, doi:10.1515/9783111004099-006. 
Einzelnachweise | 
	Flugessen (auch Essen im Flugzeug) ist ein Sketch des deutschen Humoristen Loriot. Er zeigt drei Fluggaste wahrend einer Mahlzeit im Flugzeug. Der Sketch ist Teil der funften Folge der Sendereihe Loriot, die im Juni 1978 im Deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde. | 
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	c-563 | 
	Der Bodenseewickler (Pammene rhediella) ist ein Schmetterling aus der Familie der Wickler (Tortricidae). Die Art wurde 1759 von dem schwedischen Entomologen Carl Alexander Clerck als Phalaena rhediella erstbeschrieben. Im deutschsprachigen Raum tragt die Art den Trivialnamen „Bodenseewickler“, vermutlich wegen der großflachigen Apfelplantagen am Nordufer des Bodensees, welche die Art anlocken.
Merkmale Die Falter sind unverwechselbar. Sie sind etwa 6 mm lang, die Flugelspannweite betragt 9–12 mm. Die Vorderflugel sind an der Basis dunkelviolett-grau gefarbt. Die Farbung reicht etwa uber zwei Drittel der Flugellange. Der apikale Teil der Vorderflugel ist orangerot aufgehellt mit mehreren silberfarbenen Streifen, von welchen gewohnlich einer als ein Band den Hinterrand erreicht. Der Außenrand der Vorderflugel weist einen dunklen Saum auf. Die Hinterflugel sind uniform grau gefarbt.
Die durchscheinend weißen und uhrglasformigen Eier besitzen einen Durchmesser von 0,6 mm. Die bis zu 12 mm langen weißlichgelb bis rotlich gefarbten Raupen besitzen große, hellbraune Warzen. Der Kopf sowie der Nackenschild sind braun gefarbt. Die Puppe misst 4–5 mm und ist hellbraun gefarbt.
Verbreitung Die Art ist in Mittel- und Nordeuropa weit verbreitet. Im Norden reicht das Vorkommen bis in den Suden von Fennoskandinavien und bis nach Schottland. In Irland ist die Art offenbar nicht vertreten. Im Mittelmeerraum gibt es nur wenige Funde. In England ist die Art nur lokal verbreitet und gilt als selten.
Lebensweise Pammene rhediella ist eine univoltine Art mit einer Generation im Jahr. Die Flugzeit der tagaktiven Falter dauert von April bis Juni. Die Raupen fressen an zusammengesponnenen Bluten oder an der Oberflache unreifer Fruchte von Weißdornen (Crataegus). Neben Weißdornen dienen in geringerem Umfang auch Roter Hartriegel, Apfel (Malus), Birnen (Pyrus) und Prunus (darunter verschiedene Kirschen) als Wirtspflanzen. Die Raupen verlassen im Juli die Fruchte, um ihre Uberwinterungsquartiere aufzusuchen, meist unter Rindenschuppen ihrer Wirtspflanzen. Die Raupen spinnen einen Kokon, in dem sie ihre Diapause verbringen und schließlich uberwintern. Gegen Ende des Winters findet im Kokon die Verpuppung statt. Als Agrarschadling im Obstbau tritt die Art speziell bei Apfeln in Erscheinung. Die Raupen bohren sich ins Fruchtinnere. Der 2 mm breite Fraßgang verlauft am Kerngehause vorbei zur Stielbasis. Die Art gilt als ein Schadling im Obstbau mit geringerer Bedeutung. Entsprechend werden nur selten spezielle Gegenmaßnahmen ergriffen.
Einzelnachweise Weblinks Pammene rhediella (Clerck, 1759) – Bodenseewickler. In: lepiforum.org. Lepiforum e.V., abgerufen am 5. April 2024. | 
	Der Bodenseewickler (Pammene rhediella) ist ein Schmetterling aus der Familie der Wickler (Tortricidae). Die Art wurde 1759 von dem schwedischen Entomologen Carl Alexander Clerck als Phalaena rhediella erstbeschrieben. Im deutschsprachigen Raum tragt die Art den Trivialnamen „Bodenseewickler“, vermutlich wegen der großflachigen Apfelplantagen am Nordufer des Bodensees, welche die Art anlocken. | 
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	c-564 | 
	Die Krone des Schafers (englischer Titel: The Shepherd’s Crown) ist ein posthum erschienener Fantasy-Roman von Terry Pratchett aus dem Jahr 2015. Es ist das funfte Buch, das Terry Pratchett dem Schicksal von Tiffany Weh widmet, zugleich sein 41. Scheibenwelt-Roman. Er ist nach Kleine freie Manner, Ein Hut voller Sterne, Der Winterschmied und Das Mitternachtskleid der letzte Band, der Tiffany Wehs Erwachsenwerden, ihre Hexenausbildung und Bestehen in Krisen begleitet. Die Tiffany-Weh-Pentalogie ist eine Untergruppe der Hexengeschichten der Scheibenwelt.
Das Buch gilt als „Abschiedsroman“ Pratchetts von der Scheibenwelt. Im Juni 2015 kundigte seine Tochter Rhianna Pratchett an, dass The Shepherd’s Crown der letzte Scheibenwelt-Roman sei und keine weiteren Werke, auch keine unvollendeten, veroffentlicht wurden. Der Roman erschien am 27. August 2015 im Vereinigten Konigreich beim Verlag Penguin Random House und verkaufte sich dort in den ersten drei Tagen 52.846 Mal. Am 1. September 2015 wurde er in den Vereinigten Staaten veroffentlicht und in Deutschland am 9. November 2015.
Die Krone des Schafers wurde 2016 mit dem Deutschen Phantastik-Preis in der Kategorie „Bester internationaler Roman“ ausgezeichnet sowie mit dem Locus Award in der Kategorie „Best Young Adult Book“.
Handlung Als mittlerweile vollgultige Hexe muss Tiffany Weh erneut die Scheibenwelt retten, wobei sie von etlichen anderen bekannten Scheibenwelt-Figuren unterstutzt wird. Ort der Handlung sind das Kreideland und Lancre.
Nach ihren vorangegangenen Erfolgen ist Tiffany Weh mittlerweile die von weiten Teilen der Bevolkerung anerkannte offizielle Hexe ihrer Heimat. Sie hat alle Hande voll zu tun, sich um die Menschen, Tiere und alle Hexenangelegenheiten des Kreidelandes zu kummern. Jeannie, die „Kelda“ (Konigin) des Koboldstamms der Wir-sind-die-Großten, unter deren Schutz Tiffany steht, ist besorgt, dass sie sich uberarbeitet. Als Esmeralda Wetterwachs, Tiffanys Lehrmeisterin, stirbt, vermacht sie Tiffany alles, einschließlich ihres Hauschens in Lancre und die Sorge fur ihre Bienen, nur ihre geheimnisvolle Katze Du nicht, die gehen kann, wohin sie mochte, sich aber eng an Tiffany anschließt. Tiffany Weh wird zur ersten unter den Hexen und muss nun nicht nur das Kreideland, sondern zusatzlich auch die Menschen in Lancre betreuen, was trotz ihres unermudlichen Einsatzes kaum zu schaffen ist, obwohl sie sich großte Muhe gibt, allen ihren Verpflichtungen nachzukommen. Zudem sind nicht alle Hexen uber Tiffanys wachsenden Einfluss glucklich, allen voran Letizia Ohrwurm.
Tiffany bekommt Unterstutzung durch Gottfried, den sechzehnjahrigen wissensdurstigen dritten Sohn von Lord Harold Schwenk. Als Vegetarier und Pazifist ist er unzufrieden mit den barbarischen Jagdpraktiken seines Vaters. Nach einem Streit mit diesem macht er sich mit seinem wundersamen Ziegenbock Mephisto, der ihn beschutzt, auf den Weg nach Lancre, um entgegen allen gesellschaftlichen Konventionen die erste mannliche Hexe zu werden. Gottfried versteht sich gut mit allen und hat eine bemerkenswerte Gabe als Friedensstifter. Tiffany nimmt ihn schließlich trotz der Bedenken anderer Hexen zur Ausbildung an und lasst den alten Besen von Oma Wetterwachs fur ihn reparieren. Gottfried erweist sich als Naturtalent im Besenfliegen. Außerdem fuhrt er nebenbei die Idee und den Bau von Schuppen als Man Cave ein, um den alten Mannern im Land zu einer gewissen Autonomie gegenuber ihren Frauen zu verhelfen.
Wahrenddessen spurt im Elfenreich der Elfenfurst Erbsenblute, dass nach dem Tod von Oma Wetterwachs die Barrieren zwischen den Reichen geschwacht sind. Als ein gefangener Goblin dem Feenhof enthullt, dass die Menschen mit dem von den Elfen gefurchteten Eisen und Stahl fahig sind, Eisenbahnen zu bauen, entmachtet Lord Erbsenblute die Konigin Nachtschatten und lasst ihr die Flugel ausreißen. Er plant, erneut in die Scheibenwelt einzufallen, um die Menschen zu unterjochen. Nach ihrer Verbannung aus dem Marchenland wird Nachtschatten von den Wir-sind-die-Großten im Kreideland gefunden. Die Kobolde halten sie fest, bis Tiffany eintrifft und ihre fruhere Widersacherin auf dem elterlichen Bauernhof in einem Heuschober unterbringt. Tiffany versucht Nachtschatten beizubringen, was es heißt, ein Mensch zu sein, und welche Beweggrunde es fur Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft gibt. Bei einem Besuch auf dem elterlichen Hof nimmt sie den Talisman mit, der von ihrem Vorfahren Daniel Weh in den Hugeln des Kreidelandes gefunden wurde und sich seit vielen Generationen im Besitz der Schaferfamilie Weh befindet. Die „Schaferkrone“ ist ein versteinerter Echinoid mit einem Stuck Feuerstein darin, den sie fortan bei sich tragt.
Tiffany versammelt die Hexen, um sich auf eine Invasion der Elfen, die immer mehr Raubzuge und Uberfalle in die Menschenwelt unternehmen, vorzubereiten, und Gottfried stellt aus den alten Mannern, die in ihren Schuppen mittlerweile Waffen gebaut haben, eine Kampftruppe zusammen. Tiffany versucht außerdem, den Elfenkonig, der sich in ein Hugelgrab zuruckgezogen und die Regentschaft des Marchenlands der Elfenkonigin ubergeben hat, um Hilfe zu bitten. Als das scheitert, beauftragt sie die Wir-sind-die-Großten, vor dem Grabhugel fur den gelangweilten Konig ebenfalls einen Schuppen zu bauen, in der Hoffnung, damit seine Unterstutzung zu gewinnen.
Der Angriff der Elfen erfolgt schließlich an zwei Steinkreisen in Lancre und im Kreideland. In Lancre werden die Elfen besiegt durch die versammelten Hexen, unterstutzt von Gottfried mit Mephisto und den alten Mannern mit ihrem Eisenspane verschießenden Kriegsgerat. Im Kreideland werden sie von der Regentin des Kreidelandes Baronin Latitia, der Hexe Fraulein Tick, Tiffany und den Wir-sind-die-Großten empfangen. Nachdem Nachtschatten ihre Elfenkraft wiedergewonnen hat, kampft sie fur Tiffany, die sie nun als Freundin betrachtet, bis sie von Lord Erbsenblute getotet wird. Die Elfen scheinen die Oberhand zu gewinnen, bis Tiffany, die die Schaferkrone tragt, die dem Land innewohnende Macht der Kreide und die Geister der Hunde ihrer Großmutter, Donner und Blitz, herbeiruft, um einen Sturm auf die Elfen herabzubeschworen. Als der Konig der Elfen erscheint, totet er Lord Erbsenblute fur den Mord an Nachtschatten und kehrt mit den uberlebenden Elfen in das Marchenreich zuruck.
Nachdem wieder Frieden eingekehrt ist, verkundet Tiffany den versammelten Hexen, dass sie sich wieder nur dem Kreideland widmen werde. Ihr Vorschlag, Gottfried als „Eintrachtwirker“ das Revier und das Hauschen von Oma Wetterwachs zu geben, stoßt auf allgemeine Zustimmung. Tiffany lernt schreinern und baut sich ihre eigene Schaferhutte, wobei sie die alten Eisenrader des Schaferkarrens ihrer verstorbenen Oma wiederverwendet.
Alternatives Ende Terry Pratchetts langjahrigem Freund Neil Gaiman zufolge wollte dieser den Tod von Esmeralda Wetterwachs anders gestalten, sei aber wegen seiner fortschreitenden Krankheit nicht mehr dazu gekommen. Geplant sei gewesen, dass Oma Wetterwachs bei ihrem Tod ihr Bewusstsein tatsachlich in die Katze Du legt, die im weiteren Verlauf nicht mehr ganz katzenartig ist. Hinweise dazu finden sich im Buch angelegt, aber nicht mehr aufgelost. Es sollte eine letzte Szene geben, in der Oma Wetterwachs sagt: „Ich gehe jetzt zu meinen eigenen Bedingungen.“ Erst dann wurde der Tod kommen, um sie endgultig mitzunehmen.
Ansatze zu diesem Plot finden sich im Buch in verschiedenen Szenen. Nachdem Esmeralda Wetterwachs in Erwartung von TOD ihre Angelegenheiten geordnet und ihr Haus geputzt hat, unterhalt sie sich bei seiner Ankunft mit ihm und sagt: „Klar, es kommt mir nicht gerade gelegen und ich kann mir auch wirklich was Schoneres vorstellen, aber ich weiß ja, dass Ihr jeden holt, Herr Tod. Oder habe ich eine Wahl?“ Da er sie sehr schatzt, antwortet er darauf: „NEIN, LEIDER NICHT. WIR TREIBEN ALLE IM WIND DER ZEIT. ABER DEINE KERZE, FRAULEIN WETTERWACHS, WIRD NOCH EIN WEILCHEN FLACKERN, EHE SIE ERLISCHT – ALS KLEINE BELOHNUNG FUR EIN GUTES LEBEN.“ Danach taucht die Katze Du an allen moglichen Orten auf, obwohl sie sich zuvor nur in Lancre bei Oma Wetterwachs aufgehalten hatte. Als erstes erscheint sie nach deren Tod im Kreideland bei Tiffany, die gerade als Hebamme bei einer Geburt hilft. Als Tiffany in Lancre gemeinsam mit Nanny Ogg die Beerdigung vorbereitet und die Katze neben der Toten auf dem Bett liegen sieht, fragt sie sich, ob Oma Wetterwachs nicht ihr Bewusstsein in die Katze gelegt haben konnte, eine unter Hexen „Borgen“ genannte Praxis, in der Oma Wetterwachs Meisterin gewesen war. Auf einem Pappschild auf der Waschetruhe steht: BIN WAHRSCHEYNLICH TODT und „Tiffany Weh kriegt alles, bloss die Katze nicht. Die kann gehen, wohin sie will“. Wahrend der Beerdigung beendet die Katze die beginnenden Rangeleien um die Nachfolge durch ein gellendes Miauen, das die Bienen von Oma Wetterwachs herbeiruft, die sich um Tiffany sammeln. Als im spateren Handlungsverlauf Gottfried mit seinem wundersamen Ziegenbock bei Tiffany auftaucht, verhalten sich Bock und Katze zu Tiffanys Verwunderung ungewohnlich friedlich. Zudem meint sie, einen aus den Augen der Tiere hervorkommenden Blitz in der Farbe der Magie gesehen zu haben. Als Tiffany den Elfenkonig allein in seinem Grabhugel aufsucht und es fraglich scheint, ob er sie wieder gehen lassen wird, steht plotzlich die weiße Katze bei Tiffany, auf die der Elfenkonig mit dem staunenden Ausruf „Du!“ reagiert, bevor Katze und Hexe fluchtartig das Hugelgrab verlassen. Zum Ende des Buches sieht Tiffany bei ihrer selbstgebauten Hutte in der Dammerung die Silhouetten ihrer Großmutter Oma Weh und Oma Wetterwachs mitsamt ihrer Hunde, die sie grußen. Als Tiffany die neben ihr stehende Katze fragt: „Wo ist Oma Wetterwachs, Du?“, antwortet diese miauend: „Uberall.“
Rezeption Tasha Robinson ordnete im National Public Radio das Buch als „unverkennbar ein personlicher, bedeutungsvoller, aber unkomplizierter Abschied von der Welt“ ein. Die Hauptfigur vieler Bucher Terry Pratchetts, die Hexe Oma Wetterwachs, sei „eine seiner ikonischsten Figuren und spiegelte seine Gedanken zu Intelligenz, Pflicht, Psychologie und Fuhrung wider“. Die melancholische, gemachliche Anfangssequenz zu ihrem Tod liefere „eine passende, geradlinige Illustration von Pratchetts Gedanken uber den Tod“, uber den er „schon lange vor dem Schreiben dieses Buches ausfuhrlich nachgedacht hat“. David Barnett von The Independent befand, es sei daher „schwierig, ‚Die Krone des Schafers‘ als etwas anderes als Sir Terrys Abschiedsbrief an seine Legion von Fans zu sehen – obwohl es sich naturlich um einen Pratchett-Roman handelt, der fur sich genommen ein ziemlich guter Roman ist“. Kat Brown schrieb im The Daily Telegraph, es sei nicht nur ein großartiges, außergewohnliches Scheibenweltbuch, sondern auch „ein wurdiger Abschied fur Pratchett und diese Mammutserie. Es ist von einem elegischen Ton durchzogen, man hat das Gefuhl, es sei die „letzte Szene“ seines eigenen Stucks. Wenn das nicht beabsichtigt war, ist es ein verdammt guter Zufall“.
Amanda Craig schrieb im Guardian: „Im Kern ist dies ein Buch uber Tod, Mut und Demut“. und Anna Stemmann konstatierte in kinderundjugendmedien.de der Universitat Hamburg, das Thema des Abschiednehmens sei im gesamten Handlungsverlauf des Romans prasent: Unmittelbar am Beginn stirbt mit Oma Wetterwachs eine der wichtigsten Figuren der Scheibenwelt und Tiffany Weh lost sich „endgultig von ihrer Familie, so dass es um ihren Prozess des Erwachsenwerdens, respektive den Abschied von der Kindheit geht. Eine Entwicklung, die am Ende des Romans auch in ihrer topographischen Verortung symbolisiert wird: Tiffany zieht endgultig aus dem Kinderzimmer im Familienhaus aus und errichtet ihre eigene Hutte“.
Anna Stemmann charakterisierte Tiffany Weh wie in den vorausgegangenen Banden als „Sinnbild einer emanzipierten Madchenfigur, die selbstbewusst zupackt und fur sich selber sorgt“. Zusatzlich wird die „Auflosung von tradierten Gender-Rollen“ in der Figur von Gottfried zugespitzt. „Die Verhandlungen von sozialer Rolle und Geschlecht nimmt der Roman an vielen Stellen bestandig wieder auf“. Auch David Barnett sieht die Themen „Anfange, Veranderungen, Fortschritt und Pflicht“ im Roman angesprochen mit Gottfried, „der entgegen aller Tradition eine Hexe sein will“, einer aus ihrem Reich vertriebenen Feenkonigin, die erstaunt daruber ist, wie sich die Welt wahrend ihrer Abwesenheit verandert hat, und es „gibt ein Hin und Her zwischen Familie und Beruf, wahrend Tiffany mit der Frage ringt, ob die moderne Hexe wirklich alles haben kann“.
Anna Stemmann lobte außerdem den narrativen Aufbau innerhalb des Buches: „Die einzelnen Erzahlstrange wechseln sich immer wieder ab und installieren verschiedene Fokalisierungsebenen. (…) Mit fortlaufender Erzahlzeit verschranken sich die einzelnen Faden und sorgen im immer straffer werdenden Wechsel fur einen gelungen dramaturgischen Aufbau“. Den of Geek verlieh dem Buch funf von funf Sternen.
Amanda Craig befand, Terry Pratchett sei „noch nie so geistreich, direkt und großzugig wie in diesem, seinem letzten Scheibenwelt-Roman“ gewesen, wahrend das Bucher Magazin urteilte, dem Roman sei anzumerken, dass Pratchett ihn vor seinem Tod nicht mehr beenden konnte. „Die Motivstrange um erdgeschichtliche Meeresfossilien versus das Binnenland mit a) Schafern und b) Hexen finden nicht zusammen“. „So kommt "Die Krone des Schafers" nicht an MacBest heran oder an Die Nachtwachter oder Ab die Post“. Auch Tasha Robinson fuhrt bestimmte Schwachen des Buches darauf zuruck. So sei der Schreibstil an manchen Stellen ungewohnlich direkt und schlicht, und die Erzahlung sei ungleichmaßig detailliert – „einige farbenfrohe Nebenmomente ziehen sich in schwarmerischer Lange hin, wahrend die Haupthandlung an einem vorbeizieht und die Charaktere gelegentlich in der Unscharfe verloren gehen“. Christoph Holowaty vom Lesering stellte fest, Terry Pratchett sei „zum Zeitpunkt, zu dem er Die Krone des Schafers verfasst hatte, nicht mehr das vor Wortwitz spruhende Sprachgenie, das in seinen besten Scheibenwelt-Romanen aufblitzte. Es fehlen die zundenden Dialoge, die beißende Ironie und die sich teilweise schnell ubersturzende Handlung fruherer Werke. (…) Was bleibt, ist ein amusanter, kurzweiliger, aber nicht brillanter Roman.“ Amanda Craig zog als Fazit: „Dies ist kein perfektes Beispiel fur Pratchetts Genie, aber es ist ein bewegendes“.
Ausgaben Die Krone des Schafers. Ubersetzt von Regina Rawlinson. Manhattan, Munchen 2015, ISBN 978-3-442-54770-8
Die Krone des Schafers. Horbuch. Gelesen von Volker Niederfahrenhorst. der Horverlag, Verlagsgruppe Random House, Munchen 2015, ISBN 978-3-8445-2062-0
Weblinks Review von Cory Doctorow in Boing Boing.
Anna Stemmann: Pratchett, Terry: Die Krone des Schafers. Ein Marchen von der Scheibenwelt. In: kinderundjugendmedien.de der Universitat Hamburg
Einzelnachweise | 
	Die Krone des Schafers (englischer Titel: The Shepherd’s Crown) ist ein posthum erschienener Fantasy-Roman von Terry Pratchett aus dem Jahr 2015. Es ist das funfte Buch, das Terry Pratchett dem Schicksal von Tiffany Weh widmet, zugleich sein 41. Scheibenwelt-Roman. Er ist nach Kleine freie Manner, Ein Hut voller Sterne, Der Winterschmied und Das Mitternachtskleid der letzte Band, der Tiffany Wehs Erwachsenwerden, ihre Hexenausbildung und Bestehen in Krisen begleitet. Die Tiffany-Weh-Pentalogie ist eine Untergruppe der Hexengeschichten der Scheibenwelt.
Das Buch gilt als „Abschiedsroman“ Pratchetts von der Scheibenwelt. Im Juni 2015 kundigte seine Tochter Rhianna Pratchett an, dass The Shepherd’s Crown der letzte Scheibenwelt-Roman sei und keine weiteren Werke, auch keine unvollendeten, veroffentlicht wurden. Der Roman erschien am 27. August 2015 im Vereinigten Konigreich beim Verlag Penguin Random House und verkaufte sich dort in den ersten drei Tagen 52.846 Mal. Am 1. September 2015 wurde er in den Vereinigten Staaten veroffentlicht und in Deutschland am 9. November 2015.
Die Krone des Schafers wurde 2016 mit dem Deutschen Phantastik-Preis in der Kategorie „Bester internationaler Roman“ ausgezeichnet sowie mit dem Locus Award in der Kategorie „Best Young Adult Book“. | 
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	c-565 | 
	Die Grune Post war ein einsitziges Segelflugzeug, das Anfang der 1930er Jahre von Alexander Lippisch konstruiert wurde.
Entwicklung Lippisch erhielt 1932 von der Redaktion der Zeitschrift Die Grune Post den Auftrag zur Konstruktion eines im Aufbau einfach gehaltenen Segelflugzeuges, um den Fliegerklubs des Landes und besonders der fluginteressierten Jugend die Moglichkeit zum selbsttatigen Nachbau zu geben und sie damit in die Lage zu versetzen, kostengunstig Flugsport zu betreiben.
Er entwarf einen abgestrebten Hochdecker in stoffbespannter Holzbauweise mit rechteckiger Tragflache, freitragendem Normalleitwerk und wahlweise offener oder geschlossener Kabine. Es wurde ein Prototyp aufgelegt, der unter der Leitung von Lippisch in der Flugtechnik-Werkstatt auf der Wasserkuppe im selben Jahr vollendet wurde. Die Erprobung im November ubernahm der Leiter der dortigen RRG-Flugschule, Fritz Stamer, der ihm gute Flugeigenschaften bescheinigte. Im Anschluss fertigte Lippisch Konstruktionplane auf zwei DIN-A3-Seiten an, die erste noch im selben Monat, die zweite im Februar 1933, die von der Grunen Woche vervielfaltigt und einschließlich Bauanleitung zum Kauf angeboten wurden. Im Juni 1933 waren Nachbauten in Brasilien, Zentralafrika und Kanada erfolgt, in  Osterreich wurde ein Bau angekundigt. Am 29. Januar 1934 wurde die erste osterreichische Maschine in Lienz auf den Namen Lisl getauft.
Fur den Fall, dass fertige Flugzeuge mit dem Logo der Zeitschrift fliegen sollten, wurden Sponsorengelder in Aussicht gestellt. Etwa 2500 Bauzeichnungen konnten verkauft werden. Es wird davon ausgegangen, dass ungefahr 5 % davon zu Nachbauten fuhrten, was 125 gebauten Flugzeugen entsprechen wurde. Fur die Qualitat von Lippischs Entwurf spricht folgender Bericht:
Bis zur ersten Halfte der 1930er Jahre war das Muster durchaus popular, verlor danach aber rasch an Bedeutung. Die letzte nachweisbare Grune Postwar am 1. Januar 1948 in der Schweiz als HB–131 registriert und flog bei der Segelfliegergruppe Freiburg. Ein Nachbau kann im Deutschen Segelflugmuseum auf der Wasserkuppe besichtigt werden. Ein Neubau wurde von 2020 bis 2024 realisiert, erhielt im September 2024 die Zulassung und absolvierte im gleichen Monat die ersten Fluge in Kropp und Aukrug.
= AEKKEA-Raab Grune Post =
In Griechenland entstanden mehrere Segelflugzeuge nach Planen der Grunen Post bei AEKKEA-Raab in Athen. Antonius Raab und sein Chefkonstrukteur Georgios Pagakis, der bereits in seiner Studienzeit an der Technischen Universitat von Athen das Segelflugzeug Diavolos konstruiert hatte, uberarbeiteten die Originalplane der RRG und nahmen bei AEKKEA-Raab in Moschato 1939 eine Kleinserien-Produktion der AEKKEA-Raab Grune Post auf. Insgesamt wurden 8–10 Grune Post bei AEKKEA-Raab 1939 und 1940 gebaut, die bei griechischen Luftsportvereinen in Athen und Thessaloniki ohne Zulassung flogen.
Technische Daten Literatur Peter W. Cohausz: Die „Grune Post“ geht ab. In: Flugzeug Classic, Nr. 3/2002. GeraNova, Munchen, ISSN 1617-0725, S. 22–25.
Martin Simons: Segelflugzeuge. 1920–1945. 4. Auflage. Eqip, Bonn 2017, ISBN 3-9806773-6-2, S. 44 und 46 (eingeschrankte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 29. April 2024]). 
Weblinks Xeneco – Seite mit Bildern der griechischen AEKKEA-Raab Grune Post
Einzelnachweise | 
	Die Grune Post war ein einsitziges Segelflugzeug, das Anfang der 1930er Jahre von Alexander Lippisch konstruiert wurde. | 
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	c-566 | 
	Willy Hornstein, auch John William Horton, (* 17. Dezember 1893 in Kassel; † 2. Februar 1974 in Munchen) war ein deutscher Jurist in der Finanzverwaltung, zuletzt Richter am Bundesfinanzhof.
Leben Willy Hornstein war judischer Herkunft, aber evangelisch getauft. Er war ein Sohn des Kaufmanns David Hornstein (1849–1930) und dessen Frau Florence, geb. Lilienfeld (geboren 1863 in Hopetown, Sudafrika, gestorben 1943 im Konzentrationslager Theresienstadt). Sein Vater war Vorsitzender des Aufsichtsrats der Jute-Spinnerei und Weberei Kassel. Sein Bruder Carl (* 1889) floh 1939 in die Niederlande und wurde 1943 im Vernichtungslager Sobibor umgebracht.
Nach dem Abitur begann Willy Hornstein ein Studium der Rechtswissenschaften. Dieses wurde unterbrochen durch die Teilnahme am Ersten Weltkrieg, in dem er mit dem Eisernen Kreuz II. und I. Klasse ausgezeichnet wurde. Promoviert zum Dr. jur., trat er 1923 in den Dienst der Reichsfinanzverwaltung, zunachst beim Finanzamt Braunschweig, dann in Dortmund. Hier erfolgte seine Ernennung zum Regierungsrat. Mit der Machtubernahme der NSDAP 1933 war er zunehmenden rassistischen Repressionen ausgesetzt, zunachst schutzte ihn das Frontkampferprivileg noch vor einer Entlassung. Aufgrund des 1935 erlassenen Reichsburgergesetzes mit seiner Ersten Durchfuhrungsverordnung wurde er schließlich aus seinem Amt entfernt; seine Versetzung in den Ruhestand erfolgte zum 31. Dezember 1935.
Im Zuge der Novemberpogrome 1938 wurde er festgenommen und am 26. November 1938 im Konzentrationslager Sachsenhausen interniert. Nach einigen Wochen wurde er freigelassen und floh sofort nach London. Wahrenddessen hatte die Familie durch Vermittlung der Quaker eine Ausreise nach Australien fur September 1939 in Aussicht. Vermutlich uber gemeinsame Bekannte in Kassel erfuhr Prinzessin Catherine Hilda Duleep Singh, die Tochter des letzten Maharadschas von Punjab Duleep Singh, von dem Wunsch der Familie, lieber sofort Deutschland zu verlassen. Catherine Duleep Singh hatte mit ihrer Lebenspartnerin Karoline (Lina) Schafer (1858–1937) bis zu deren Tod in der Villenkolonie Mulang in Kassel-Bad Wilhelmshohe gewohnt. Anfang 1939 burgte sie fur die Familie Hornstein, was dieser ein Einreisevisum nach Großbritannien ermoglichte. Am 2. Marz 1939 gelang der Familie die Emigration. Catherine Duleep Singh nahm sie in ihrem Anwesen Coalhatch House (heute Hilden Hall) in Penn, Buckinghamshire auf. Auch andere Fluchtlinge aus Deutschland kamen dort unter.
Bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs meldete sich Hornstein wie viele der nach Großbritannien Gefluchteten freiwillig, um im Royal Pioneer Corps der britischen Armee den Kampf gegen das nationalsozialistische Deutschland zu unterstutzen. Unter dem anglisierten Namen John William Horton wurde er in das Intelligence Corps versetzt. Seine Hauptaufgabe war das Abhoren von deutschen Kriegsgefangenen in Wilton Park bei Beaconsfield (Buckinghamshire). Mit Dekret vom 2. August 1946 erhielten er und seine Familie die britische Staatsburgerschaft.
Im Juni 1950 kehrte Willy Hornstein nach Deutschland und in die Finanzverwaltung zuruck. Er war als Regierungsdirektor am Niedersachsischen Finanzgericht in Hannover tatig; von 1954 bis 1956 war er dessen Prasident. Im November 1956 wurde er zum Bundesrichter beim Bundesfinanzhof in Munchen ernannt; hier wirkte er bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 1961.
= Familie =
Willy Hornstein war verheiratet mit Ilse, geb. Konigsberger (* 1902). Das Ehepaar hatte zwei Kinder: Klaus-Georg (George K. Horton, 1926–2009), Professor fur Physik an der Rutgers University in den USA, und Ursula, verheiratete Bowles (geboren 1929), die Lehrerin in Großbritannien wurde.
Literatur Hornstein, Willy, in: Werner Roder; Herbert A. Strauss (Hrsg.): Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933. Band 1: Politik, Wirtschaft, offentliches Leben. Munchen: K. G. Saur, 1980, ISBN 3-598-10088-4, S. 316.
Krithika Varagur: The Anti-Nazi Punjabi Princess. In: New York Review of Books vom 27. November 2021 online
Einzelnachweise | 
	Willy Hornstein, auch John William Horton, (* 17. Dezember 1893 in Kassel; † 2. Februar 1974 in Munchen) war ein deutscher Jurist in der Finanzverwaltung, zuletzt Richter am Bundesfinanzhof. | 
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	c-567 | 
	Der Temple de Saint-Gervais ist ein protestantisches Kirchengebaude in Genf, das nach dem heiligen Gervasius benannt ist. Die Grundmauern sind das Uberbleibsel einer grossen Grabkirche aus dem 5. Jahrhundert am rechten Ufer der Rhone, kurz nachdem diese den Genfer See verlasst. Eine an der Aussenwand der Apsis angebrachte Tafel erinnert daran.
Der Grossteil der heutigen Kirche entstand in der ersten Halfte des 15. Jahrhunderts im gotischen Stil. Im Zuge der Reformation wurde die Kirche 1535 umgestaltet, wobei die meiste vorreformatorische Kirchenausstattung wie Altare und Heiligenbilder entfernt wurde. Dennoch gibt es eine bedeutende Sammlung mittelalterlicher Kunstwerke, die aus diesem Gebaude stammen, wie in sonst keiner Kirche in Genf. Hervorzuheben sind die Wandmalereien, die im fruhen 20. Jahrhundert bei Restaurierungsarbeiten freigelegt werden konnten und dem Kircheninnern sein heutiges Geprage verleihen.
Eine grosse Renovierung fand zwischen 1993 und 2000 statt, bei der auch die heutige Felsberg-Orgel installiert wurde. Ansonsten wurden keine baulichen Strukturen verandert mit Ausnahme der Krypta, in der archaologische Ausgrabungen durchgefuhrt wurden. Das Kirchengebaude steht unter nationalem Kulturguterschutz, Kategorie A mit nationaler Bedeutung, und gilt als eines der wichtigsten Genfer Baudenkmaler. Die Kirchgemeinde gehort zur Eglise Protestante de Geneve.
Geschichte Der Ort, an dem die Kirche steht, ist als naturraumliches Plateau ausgebildet und war schon zur Romerzeit ein Rhoneubergang, der den Kulturaustausch zwischen dem heutigen Sudfrankreich und dem Mittelland ermoglichte. Im Jahr 58 v. Chr. liess Casar die Rhone-Brucke abbrechen, die zuvor hier bereits errichtet worden war. Erdfunde auf diesem Plateau reichen bis 4000 v. Chr. zuruck. Es ist somit der Ort in Genf, an dem die altesten Siedlungsspuren nachgewiesen werden konnten. Die letzten Ausgrabungen, die 2000 zu Ende gegangen sind, haben gezeigt, dass keltische Graber und Megalithen und auch ein gallo-romisches Heiligtum fur eine nahezu ununterbrochene Besiedlung und kultische Nutzung dieses Ortes sprechen. Als erste Kirche entstand an dieser Stelle im 5. Jahrhundert eine grosse, kreuzformig angelegte Grabkirche, von der sich die Krypta erhalten hat. Fur diesen Bau wurden Steine eines antiken Mausoleums wiederverwendet.
Im 10. Jahrhundert gehorte dieser Ort zu einem karolingischen Komplex, in dem ein Gerichtshof abgehalten wurde. Diese die Kirche umgebenden Gebaude wurden bei einem Brand 1345 zerstort. Die Kirche selbst war ab dem 11. Jahrhundert Pfarrkirche des Stadtviertels St-Gervais. 1428 entstand die Rue de Coutance. Dieser Umstand spricht dafur, dass es im 15. Jahrhundert offenbar einen besonderen Entwicklungsschritt in der Stadtgeschichte gegeben haben muss.
Zwischen 1430 und 1450 wurde die Kirche einheitlich im spatgotischen Stil umgebaut. Die damaligen Hochbauten der Vorgangerkirche wurden dazu vollstandig abgetragen und uber der erhalten gebliebenen Krypta neu errichtet. Zu dieser Zeit erhielt sie reiches dekoratives Skulpturwerk und Malereien. Um 1478 wurde an den Chor im Flamboyantstil eine zweischiffige, grosse Kapelle angebaut, die «Chapelle de l’Escalade», auch «Kapelle der Deutschen», die dem Heiligen Geist gewidmet war. Zuvor war eine Gruppe von Handwerkern aus Suddeutschland eingereist, die sich in der Pfarrei St-Gervais ansiedelten. Sie grundeten die Bruderschaft von Saint-Esprit und nutzten die Kapelle als ihr Gotteshaus.
Nach der Einfuhrung der Reformation 1535 wurde der Bau 1547 der schlichten calvinistischen Liturgie angepasst, indem ikonoklastische Sauberungen ausgefuhrt wurden, um alle Anzeichen an einen Gotzendienst zu vermeiden. Alle Ornamente wurden entfernt und die Wande weiss gekalkt. Die Kanzel wurde eingebaut, um der Anforderung Predigt mehr Stellenwert zu verleihen. Auch spater noch ging bauliche Substanz verloren. Mit dem Zustrom von Hugenotten 1685 durch das Edikt von Nantes bekam die Kapelle eine Galerie.
= Baugeschichte =
Unter Beteiligung von Maurern aus dem Piemont wurde das heute noch existierende Gebaude zwischen 1430 und 1446 aus Bruchstein und Ziegeln erbaut. Die Steine stammten aus dem molassehaltigen Material der Umgebung, die Ziegel aus einer Produktionsstatte am Ende der Rue de Coutance. 1809 erhielt das Bauwerk an seiner Sudseite einen Laufbrunnen und wurde 1826 mit Loscheimern (bemalt in den Stadtfarben Gelb und Rot) bestuckt, die noch heute oberhalb des Brunnens an der Wand hangen. 1930/31 wurde der Glockenturm an der Nordseite restauriert und dabei die mittelalterliche Aussentreppe abgerissen. Der Zugang zum Turm erfolgte ab jetzt durch das Kircheninnere.
Beschreibung = Ausseres =
Die Fassade wird von glatten Flachen aus weichem, lokal geschlagenem Sandstein dominiert. Zartrosa schimmert das Gestein unter dem Einfluss des piemontesisch-typischen Sagezahnfrieses. Diese zeituberdauernden Gebaudeelemente konnen nicht daruber hinwegtauschen, dass bei der Restaurierung 1901–1905 durch Gustave Brocher wertvolle historische Substanz verloren gegangen ist. Der heutige aussere Zustand des Gebaudes wird durch die Restaurierung 1905 bis 1905 bestimmt, die von Gustave Brocher geleitet wurde. So liess er beispielsweise auf der Sudseite grossere Fenster einbauen.
= Kircheninneres =
Das Kirchenschiff ist mit vier Jochen angelegt und wird vom Chor mit zwei Kreuzgewolben nach Osten verlangert. Unter dem erhohten Chor befindet sich die Krypta. Die drei nach Suden und vier nach Norden angrenzenden Seitenkapellen wurden wahrend der Reformation geoffnet und als Durchgange umgebaut, sodass im Kirchenschiff mehr Glaubige Platz finden konnten. Original erhalten sind zahlreiche mittelalterliche Wandmalereien wie beispielsweise polychrome Schlusssteine mit einer Darstellung des mystischen Lamm Gottes, Engelssockel am Fuss des Gewolbes und der bemalte Wandtabernakel mit Engeln.
Auch Teile des ursprunglichen Chorgestuhls aus der Werkstatt von Jean de Vitry von 1440, an dem noch Reste polychromer Bemalung zu sehen sind, sind noch vorhanden. Dargestellt werden in Doppelfiguren der heilige Johannes der Taufer, der heilige Franziskus von Assisi und ein Engel mit dem Wappen von Florenz.
Zahlreiche Wandgemalde oder Fragmente von Wandmalereien sind noch erhalten. Besonders hervorzuheben ist die Notre-Dame de Consolation en Savoie, ein 3 auf 4 Meter grosses Deckengemalde einer Schutzmantelmadonna von 1447 bis 1449, das Giacomo Jaquerio (1380–1453) zugeschrieben wird. Darauf ist in der Bildmitte uberlebensgross die Gottesmutter in blauem Mantel zu sehen, die mithilfe von vier Engeln ihren weiss gefutterten Mantel weit aufspannt, um den Glaubigen Schutz zu bieten. Unter den Knienden ist anhand seines Wappens Herzog Amadeus VIII. von Savoyen zu erkennen, der 1440 zum Gegenpapst Felix V. gewahlt wurde. Der Mantel ist ein beliebtes Symbol des Christentums. Die einzige ikonografische Studie zu diesem Gemalde stammt von Paul Perdrizet aus dem Jahr 1908, der darin vor allem die Regionen Dauphine und das ehemalige Herzogtum Savoyen untersucht hat. Danach beruht eine derartige Abbildung auf mittelalterlicher Anthropologie, in der der Volksglaube mit der Barmherzigkeit Mariens einen spezifischen Charakter annimmt und im westlichen Teil der rauen Alpenwelt besonders ausgepragt war. Demnach sind 20 Vorkommen in dieser Region bekannt.
Kirchenfenster Originalkirchenfenster aus der Zeit des Kirchenbaus sind keine mehr vorhanden. Alle Fenster bis auf ein letztes, das 2011 hinzukam, stammen aus dem 20. Jahrhundert. Aus der ersten Halfte des 20. Jahrhunderts sind Buntglasfenster «Amour, joie et paix» von Georges-Albert «Geo» Fustier (1944), «L’accueil des refugies de la Saint-Barthelemy 1572» von Franck-Edouard Lossier aus dem Jahr 1905 und aus dem Jahr 1903 ornamentale Darstellungen in den hohen Fenstern von Kirsch und Fleckner.
Orgeln Nach der grossen Renovierung in den Jahren 1808 bis 1810 wurden 1811 die beiden Orgeln eingeweiht, die 1873 wieder ersetzt wurden. Dieses erste Instrument war auch schon auf der Westempore aufgebaut worden. Die Bruder Walpen, eine weitverzweigte Familie aus Reckingen VS im Kanton Wallis, zeichneten fur den Bau verantwortlich. Wahrscheinlich war es die dritte Generation, namentlich Johannes Sylvester (1767–1837) und Joseph Ignatius (1761–1836), die den Bauauftrag annahmen. Das Instrument besass ein Ruckpositiv.
1873 bis 1875 wurde eine grossere Orgel eingebaut. Der aus dem Markgraflerland stammende Orgelbauer Joseph Merklin wurde mit dieser Aufgabe betraut, hatte er doch zu dieser Zeit bereits einige namhafte Referenzen vorzuweisen. Vor allem in Frankreich und Belgien war er bereits tatig, aber auch die Orgel in der Elisabethenkirche in Basel stammt von ihm. Seine Aufgabe war es, entsprechend dem zeitgenossischen Musikgeschmack ein romantisch-symphonisches Instrument zu liefern. Es war dreimanualig mit 26 Registern, ohne Ruckpositiv.
Mit der Restaurierung des Gotteshauses in den Jahren 1902 bis 1906 waren auch die Orgeln von Veranderungen betroffen. Die seit 1873 in Genf ansassige Manufaktur Bernhard Tschanun verlegte die Orgel auf den Lettner, der damals noch den Chorraum abriegelte. Auch erhielt sie zusatzliche zwolf Register und einen weicheren, franzosischen Klang. Wieder war es die Firma Tschanun, die 1941–42 den Auftrag erhielt, das Instrument erneut zu translozieren: Durch den Wegfall des Lettners wurde es jetzt in zwei Teilen seitlich der Fenster auf dem alten Chorgestuhl angebracht und auf 42 Register erweitert.
Die heutige Orgel stammt von Orgelbau Felsberg in Chur und wurde 1995 eingebaut. Schopfer ist Jean-Marie Tricoteaux (* 1948) aus Praden. Bei diesem Instrument handelt es sich um eine Rekonstruktion im Stil der Normandie zu Beginn des 17. Jahrhunderts, pradestiniert zum Spiel der Literatur von Jean Titelouze. Aus seinem Stil entwickelte sich die charakteristische, polyphone franzosische Orgelmusik, die sich insbesondere fur das Spielen von Vokalrepertoires eignet. Konsequent wurde beim Bau des Instrumentes Material verwendet, wie es auch zu der Zeit um 1650 benutzt wurde. Zusatzlich wurden zwei an Gottfried Silbermann orientierte Register hinzugefugt, Soubasse 16′ und Bombarde 16′, um auch Musik deutscher Herkunft spielen zu konnen. Die Disposition lautet:
Koppeln: I/P als Registerzug, II/I als Manual-Schiebekoppel
Traktur: Schleifladen, vollmechanisch
Neben- und Effektregister: Rossignol (Nachtigall)
Stimmung: nach Arnolt Schlick, mit Stimmtonhohe a1 = 440 Hz
Eine Chororgel steht unter dem Bogen zwischen Chor und Kapelle. Sie wurde 1966 von der Firma Grandes Orgues Geneve SA gefertigt. Sie besitzt ein Manual und Pedal mit folgender Disposition:
Koppeln: I/P
Traktur: Schleifladen, vollmechanisch
Stimmung: nach Bach-Kellner, mit Stimmtonhohe a1 = 440 Hz
Glocken Die drei Kirchenglocken sind in unterschiedlichen Ebenen des Glockenturms im 90-Grad-Winkel zueinander aufgehangt. Sie stammen aus unterschiedlichen Werkstatten und Zeitaltern:
Glocke 1 wurde 1786 von Jean-Daniel Dreffet (1746–1817) gegossen, wiegt 1'200 Kilogramm und ist auf den Ton e′ gestimmt.
Glocke 2 wurde 1493 von Guillaume Fribor: gegossen, wiegt 600 Kilogramm und ist auf den Ton gis′ gestimmt.
Glocke 3 wurde 1949 von H. Ruetschi, Aarau gegossen, wiegt 350 Kilogramm und ist auf den Ton b′ gestimmt. Ihr Name ist «La Paix».
Siehe auch Liste der Backsteinbauwerke der Gotik in der Schweiz
Literatur Nicolas Schatti, Jean Terrier, Diego Innocenzi: Le temple de Saint-Gervais – 6000 ans d’histoire. Hrsg.: Eglise Protestante de Geneve. (franzosisch, epg.ch [PDF; 1000 kB]). 
Le Temple de St-Gervais. Fondation pour la conservation du temple, 1991
Weblinks Un espace ouvert au cœur de la ville. Abgerufen am 9. April 2024 (franzosisch, Website der Kirchgemeinde). 
Einzelnachweise | 
	Der Temple de Saint-Gervais ist ein protestantisches Kirchengebaude in Genf, das nach dem heiligen Gervasius benannt ist. Die Grundmauern sind das Uberbleibsel einer grossen Grabkirche aus dem 5. Jahrhundert am rechten Ufer der Rhone, kurz nachdem diese den Genfer See verlasst. Eine an der Aussenwand der Apsis angebrachte Tafel erinnert daran.
Der Grossteil der heutigen Kirche entstand in der ersten Halfte des 15. Jahrhunderts im gotischen Stil. Im Zuge der Reformation wurde die Kirche 1535 umgestaltet, wobei die meiste vorreformatorische Kirchenausstattung wie Altare und Heiligenbilder entfernt wurde. Dennoch gibt es eine bedeutende Sammlung mittelalterlicher Kunstwerke, die aus diesem Gebaude stammen, wie in sonst keiner Kirche in Genf. Hervorzuheben sind die Wandmalereien, die im fruhen 20. Jahrhundert bei Restaurierungsarbeiten freigelegt werden konnten und dem Kircheninnern sein heutiges Geprage verleihen.
Eine grosse Renovierung fand zwischen 1993 und 2000 statt, bei der auch die heutige Felsberg-Orgel installiert wurde. Ansonsten wurden keine baulichen Strukturen verandert mit Ausnahme der Krypta, in der archaologische Ausgrabungen durchgefuhrt wurden. Das Kirchengebaude steht unter nationalem Kulturguterschutz, Kategorie A mit nationaler Bedeutung, und gilt als eines der wichtigsten Genfer Baudenkmaler. Die Kirchgemeinde gehort zur Eglise Protestante de Geneve. | 
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	c-568 | 
	Fort Dimanche (haitianisch-kreolisch: Fo Dimanch) war eine Befestigungsanlage in der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince, die anfanglich zur Verteidigung und spater als Kaserne diente. Wahrend der Diktatur der Familie Duvalier (1957–1986) war Fort Dimanche schließlich ein Gefangnis fur Gegner des Regimes. In dieser Zeit kam es in dem Komplex zu massenhaften Folterungen und Hinrichtungen, woraufhin er in der Bevolkerung die Bezeichnung Fort Mort (sinngemaß: Fort des Todes) erhielt. Auf dem Gelande befindet sich heute unter anderem eine Gedenkstatte.
Lage Fort Dimanche liegt im Sudwesten des Stadtbezirks Port-au-Prince unweit des Hafenterminals Varreux wenige Hundert Meter von der Route National Nr. 1 entfernt, die entlang des Golfs von Gonave verlauft. Der Gemeindebezirk La Saline liegt im Suden und das Elendsviertel Cite Soleil nordlich des Standorts.
Gebaude Im Laufe der Jahrhunderte gab es in Port-au-Prince mehrere Gebaude mit der Bezeichnung Fort Dimanche.
Das ursprungliche Fort Dimanche war Teil einer aus mehreren Forts bestehenden Verteidigungsanlage. Es wurde von den franzosischen Kolonialherren errichtet, als das heutige Haiti noch Teil der Kolonie Saint-Domingue war. Aus dieser Zeit stammt der Name der Anlage (deutsch: Fort Sonntag). Er geht auf damalige Praxis zuruck, die Forts an der Kuste vor Port-au-Prince nach Wochentagen zu benennen.
Nach der Unabhangigkeit Haitis 1804 verfiel die Anlage zunachst, wurde aber wahrend des Zweiten haitianischen Kaiserreichs (1849–1859) wieder hergestellt und erneut als Fort genutzt. Unter der Prasidentschaft Tiresias Simon-Sams (1896–1902) wandelte sich das Areal in einen Schießplatz. Wahrend der US-amerikanischen Besetzung Haitis wurde Fort Dimanche als Kaserne genutzt; außerdem war ein Polizeiposten darin eingerichtet. In dieser Zeit wurden auf dem Gelande weitere Gebaude erstellt.
Nachdem Francois Duvalier („Papa Doc“) 1957 Prasident Haitis geworden war, wurde Fort Dimanche zunachst zum Hauptquartier und Trainingslager der von Duvalier kontrollierten Terrormiliz Tonton Macoute (Milice de Volontaires de la Securite Nationale). Duvalier selbst kam wiederholt fur Schießubungen auf das Gelande. Seit den 1960er-Jahren nutzten die Tonton Macoute das stadtnahe, zugleich abgeschieden gelegene Fort als Gefangnis. In diesem Zusammenhang wurden einige neue Gebaude mit Gefangniszellen errichtet, die die Inhaftierten als „Nirvana“ bezeichneten. Francois Duvaliers Sohn und Nachfolger Jean-Claude („Baby Doc“) ließ ab 1971 neben den alten Gebauden einen ganzlich neuen Gefangniskomplex bauen, der 1976 fertiggestellt war. Die neue Anlage wurde nur kurzzeitig als Gefangnis genutzt. Ab 1977 war sie Kaserne und Waffenlager. Im Februar 1991, zwei Monate nach seiner Wahl, ordnete Prasident Jean-Bertrand Aristide die Schließung von Fort Dimanche an.
Das alte Fort und seine Nebenanlagen wurden 1994 abgerissen. In Teilen des 1977 fertiggestellten Neubaus befand sich ab 2005 vorubergehend eine Schule fur Kinder aus dem Viertel La Saline. Die Gebaude wurden beim Erdbeben vom Januar 2010 schwer beschadigt. Auf Teilen des ehemaligen Forts ist mittlerweile ein Slum entstanden.
Fort Mort in der Duvalier-Diktatur Fort Dimanche war wahrend der Diktaturen von Francois (1957–1971) und Jean-Claude Duvalier (1971–1986) Folter- und Hinrichtungszentrum. Eine seiner Direktorinnen war Madame Max Adolphe, die als „Sadistin“ galt.
Die Haftlinge wurden ublicherweise in den Gebauden untergebracht, die in den fruhen 1960er-Jahren entstanden waren. Die Haftbedingungen waren außerordentlich inhuman. Uberlebende Haftlinge berichteten, dass bis zu 40 Menschen in Zellen untergebracht waren, die eine Grundflache von vier mal vier Metern hatten. Die Menschen waren komplett unbekleidet und standen in den eigenen Fakalien. Sie erhielten nur etwa 300 Kilokalorien Nahrung am Tag. Nach Aussagen uberlebender Insassen wurde in die von Auspeitschungen verursachten blutigen Wunden Zitronensaft, Pfeffer und Ahnliches gerieben. Es gab keine medizinische Versorgung; viele Haftlinge erkrankten und starben an Tuberkulose, Ruhr, Malaria, Unterernahrung oder Lungenentzundungen. Entstellte Leichen wurden vor dem Gebaude zur Schau gestellt. In den Nachten hatten Hunde die nur oberflachlich verscharrten Leichen ausgegraben und das Fleisch gefressen.
Zu der Zahl der in Fort Dimanche inhaftierten und gestorbenen Menschen gibt es keine verlasslichen Angaben. Schatzungen reichen von 5000 bis 60.000 Menschen. Es gibt vereinzelte Bemuhungen, Listen der Opfer von Fort Dimanche zusammenzustellen. Zu den in Fort Dimanche Gefolterten gehoren unter anderem der spater – wahrscheinlich an einem anderen Ort – exekutierte Schriftsteller und Aktivist Jacques Stephen Alexis sowie mehrere Mitglieder der Bewegung Jeune Haiti, die 1964 einen Umsturzversuch gegen das Duvalier-Regime unternommen hatten.
Gedenktag Fort Dimanche wurde 1987 zum Denkmal erklart, um an die dort begangenen Unmenschlichkeiten zu erinnern. Seit 2005 ist es Platz einer Bildungseinrichtung. 2015 erklarte die haitianische Regierung den 26. April zum Tag des Gedenkens an die Opfer von Fort Dimanche (Journee nationale du Souvenir a la Memoire des Victimes de Fort Dimanche).
Das Datum wurde mit Bezug auf die zwei Massaker gewahlt, die am 26. April 1963 und am 26. April 1986 verubt wurden und jeweils Bezug zu Fort Dimanche haben. Am 26. April 1986 – etwa zwei Monate nach dem Sturz Jean-Claude Duvaliers – zog eine Menschenmenge durch Port-au-Prince, die an die gewaltsamen Sauberungen vom 26. April 1963 erinnern wollte, „einen der blutigsten Tage der Duvalier-Diktatur“, in dessen Verlauf 70 Menschen ums Leben gekommen und zahlreiche weitere in Fort Dimanche interniert worden waren. Der Gedenkmarsch vom 26. April 1986 fuhrte auch am Fort Dimanche vorbei. Die Teilnehmer forderten unter anderem die Umwandlung des Fort Dimanche in eine Erinnerungsstatte, in der an die Opfer der Duvalier-Diktatur erinnert werden sollte. Als der Zug vor dem ehemaligen Gefangnis angekommen war, schossen Polizisten in die Menge der Demonstranten. Dabei wurden elf Menschen getotet und viele verletzt.
Einordnungen Fort Dimanche wird in internationalen Publikationen vielfach mit Konzentrationslagern im nationalsozialistischen Deutschland verglichen, manche ziehen Parallelen zum kambodschanischen Autogenozid. Vor allem in der US-amerikanischen Presse wird Fort Dimanche oft „das Auschwitz Haitis“ genannt, andere sprechen von den „haitianischen Killing Fields“.
Literatur Patrick Lemoine: Fort-Dimanche, Fort-La-Mort. 2011 (1. A. 1996)
Bernard Diederich: Fort Dimanche: The Devil’s Palace. 2015
Alex von Tunzelmann: Red Heat. Conspiracy, Murder, and the Cold War in the Caribbean. Henry Holt and Co., 2011
Weblinks Der Fluch auf den „Killing Fields“ von Haiti (Artikel von Hans Christoph Buch in der TAZ, 1991)
Anmerkungen Einzelnachweise | 
	Fort Dimanche (haitianisch-kreolisch: Fo Dimanch) war eine Befestigungsanlage in der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince, die anfanglich zur Verteidigung und spater als Kaserne diente. Wahrend der Diktatur der Familie Duvalier (1957–1986) war Fort Dimanche schließlich ein Gefangnis fur Gegner des Regimes. In dieser Zeit kam es in dem Komplex zu massenhaften Folterungen und Hinrichtungen, woraufhin er in der Bevolkerung die Bezeichnung Fort Mort (sinngemaß: Fort des Todes) erhielt. Auf dem Gelande befindet sich heute unter anderem eine Gedenkstatte. | 
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	c-569 | 
	Die Waldbahn Quara–Febbio (italienisch Ferrovia Decauville Quara – Val d’Asta) war eine schmalspurige Waldbahn in der italienischen Provinz Reggio Emilia fur den Transport von Holz, das in den Waldern an den Hangen des Monte Cusna im toskanisch-emilianischen Apennin fur Kriegszwecke geschlagen wurde.
Streckenverlauf Die etwa 16 km lange Waldbahn Quara – Gova – Novellano – Val d’Asta – Febbio mit einer Spurweite von 600 mm und mit einer gleichmaßigen Steigung von weniger als 30 ‰ fuhrte von Quara di Toano zum Zentrum des oberen Asta-Tals auf der linken Seite des Dolo-Tals. Sie durchquerte die Dorfer Gova, Novellano und Pian del Monte und erreichte von Fosso Balocchi aus die Ortschaft Masareto flussaufwarts des Ortsteils Riparotonda, knapp unterhalb von Rescadore di Febbio, wo sich die Quellen des Secchiello-Bachs und die Endstation der Waldbahn befanden.
Geschichte Mit dem italienischen Kriegseintritt in den Ersten Weltkrieg im Mai 1915 stieg die Nachfrage an kriegswichtigen Rohstoffen im Konigreich Italien stark an. Um den Bedarf an Holz decken zu konnen, richtete das Koniglich-Italienische Heer sogenannte Holzkomitees im Hinterland der Front ein. Letztere sollten zu festgesetzten Preisen das Heer mit Holz versorgen.
Nach der verheerenden italienischen Niederlage in der Zwolften Isonzoschlacht Ende Oktober 1917 und dem Ruckzug der italienischen Truppen hinter den Piave sah sich das Heer auch zu einem Neuaufbau seines Nachschubs gezwungen. Die Militars machten fur den Holzschlag nach den Gebietsverlusten im Nordosten Italiens unter anderem den emilianischen Apennin aus und richteten dort ein neues Holzkomitee ein. Vom Apennin aus sollte das Holz, das beim Heer als Bau- und Brennholz benotigt wurde, auf dem Wasserweg in Richtung Front transportiert werden. Ein anderer Teil sollte an die Kriegsindustrie geliefert werden.
Ende 1917 wurden die bereits vor der Schlacht von Karfreit mit der Holzversorgung im Holzkomitee Karnien betrauten Unternehmer Matteo Brunetti und Umberto De Antoni auch mit dem Holzschlag im emilianischen Apennin betraut. Brunetti, vormals Burgermeister im karnischen Paluzza, war im Laufe des Jahres 1917 dem karnischen Holzkomitee beigetreten. De Antoni hatte bereits vorher Geschafte mit dem Heer gemacht und mit Hilfe offentlicher Gelder ein 8000 m² großes Sagewerk in Villa Santina errichtet. Die beiden hatten nach ihrer Flucht aus dem Friaul die Gesellschaft Brunetti – De Antoni & Co gegrundet.
= Bau und Betrieb =
Die Gesellschaft erhielt im Apennin eine bis 1920 dauernde Lizenz fur den Holzschlag und fur den Bau einer Waldbahn am Monte Cusna. Letztere war noch 1917 im Auftrag des Holzkomitees geplant worden. In der Folge begannen die von Matteo Brunetti geleiteten Arbeiten, die sich bis Dezember 1918 hinzogen.
Die Gleise mussten in einem unwegsamen Waldgebiet in relativ kurzer Zeit verlegt werden, um sie vor dem bald erhofften Waffenstillstand fertigzustellen. An den 333 Arbeitstagen pro Jahr sollten Brennholz und Holzkohle transportiert werden. Das dringend benotigte Brennholz wurde an den Hangen von Cusna gefallt, dann in der Nahe von Gova in den Bach Dolo gerollt, darin zum Fluss Secchia geschwemmt und in der Nahe von Sassuolo auf Lastwagen verladen. Das bei der Kriegsindustrie begehrte Langholz hingegen wurde mit der Waldbahn bis zur Straße bei Quara gebracht, wo es auf Lastwagen umgeladen wurde.
Die Trasse der Eisenbahnlinie verlief uber Holzbrucken auf steinernen Widerlagern, die heute vollstandig verschwunden sind. Die Einheimischen waren anfangs misstrauisch gegenuber der von Fremden errichteten Waldbahn und beobachteten das auslandische Personal (Fahrdienstleiter, Mechaniker, Arbeiter usw.) mit einer Mischung aus Argwohn und Nachstenliebe. Es gab holzerne Baracken fur die etwa tausend osterreichisch-ungarischen Kriegsgefangenen in Novellano, mit einer Krankenstation, einem Militararzt und mit anderen angeschlossenen Gebauden. Sie waren in großen Holzhutten auf einer Lichtung mit dem Namen Masareto oberhalb von Case Balocchi auf einer Hohe von 1900 m und in Pian Vallese auf einer Hohe von 1500 m untergebracht.
Das Arbeitslager, das fur den Bau der Waldbahn eingerichtet wurde, war das einzige in der Provinz Reggio. Es stand wie der Betrieb der Waldbahn unter der Leitung von Matteo Brunetti. Es gibt immer noch viele Flurnamen, die seinen Namen tragen, wie Brunettis Baracke, Brunettis Lagerhaus (Magazzino di Brunetti) und Brunettis Eisenbahn.
Die Kriegsgefangenen mussten das Holz fallen, es zur Waldbahn rucken und auf die Zuge der Bahn laden, die jeweils aus etwa zehn Wagen bestanden. Die Waldbahnlokomotiven durchquerten Pian del Monte, fuhren an Novellano und anderen kleinen Dorfern vorbei und hielten in Gova an. Dort wurde das Brennholz abgeladen und bei den Hohlen von Gova (Le Grotte di Gova) uber eine 150 m lange Schienenseilbahn und durch eine holzerne Floßerrinne in den Dolo geschwemmt. Von dessen Stromung wurde es dann flussabwarts bis zu dem Platz getrieben, wo es entnommen und an Land aufgestapelt wurde. Danach setzten die Zuge ihre Fahrt nach Quara fort, das bereits uber eine befestigte Straße erschlossen war. Hier wurden die besten Buchenstamme, die fur die Kriegsindustrie bestimmt waren, auf Lastwagen umgeladen.
Auf der Ruckfahrt nach Masareto wurden Proviant, Kleidung und Medikamente fur den Lebensunterhalt der Haftlinge transportiert. Auf diese Weise konnte die Strecke drei- bis viermal am Tag mit einer Ladung von jeweils etwa 20–25 t Holz zuruckgelegt werden. Wahrend des Betriebes kam es mindestens einmal zu einem Unfall, bei dem ein Zug entgleiste. Bei dem Unfall wurden mehrere Personen verletzt, einige davon schwer.
= Stilllegung =
Am 15. August 1919 wurde eine Ausflugsfahrt am italienischen Sommerfeiertag Ferragosto mit etwa hundert Teilnehmern organisiert, die sich fur die Instandhaltung der Eisenbahn einsetzten. Nach einigem Hin und Her wurde erkannt, dass zur Tilgung der Schulden und zur Instandhaltung ein Betrag erforderlich gewesen ware, der fur Gemeinden und Privatpersonen in der Nachkriegszeit als zu hoch angesehen wurde. Nach Ablauf der Konzession stellte die Betreibergesellschaft Brunetti – De Antoni & Co den Betrieb im Laufe des Jahres 1920 ein.
Nach dem schweren Erdbeben im toskanisch-emilianischen Apennin am 7. September 1920 ruckte die Bahn wieder in das offentliche Interesse. Sie sollte fur die Lieferung von Hilfsgutern in den vom Erdbeben betroffenen und schwer zuganglichen Orten Febbio, Cervarolo, Novellano und Civago wieder in Betrieb genommen werden. Es ist allerdings nicht bekannt, ob es dazu auch tatsachlich kam. In der Folge wurde die Waldbahn Quara–Febbio abgebaut, da niemand an einer Ubernahme der Betriebslizenz interessiert war.
Auf Teilen der im Nationalpark Toskanisch-Emilianischer Apennin gelegenen ehemaligen Bahntrasse verlauft die zur Gemeindestraße deklassierte Provinzstraße SP 95 „Quara – Pian del Monte“.
Weblinks Einzelnachweise | 
	Die Waldbahn Quara–Febbio (italienisch Ferrovia Decauville Quara – Val d’Asta) war eine schmalspurige Waldbahn in der italienischen Provinz Reggio Emilia fur den Transport von Holz, das in den Waldern an den Hangen des Monte Cusna im toskanisch-emilianischen Apennin fur Kriegszwecke geschlagen wurde. | 
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	c-570 | 
	Soriculus beibengensis ist eine Spitzmausart aus der Gattung Soriculus. Sie kommt im ostlichen Himalaya vor, wo sie bisher lediglich von einer Lokalitat im Kreis Medog im Autonomen Gebiet Tibet dokumentiert wurde. Es handelt sich um kleine Vertreter der Spitzmause mit deren typischem außerlichen Erscheinungsbild. Markant sind die dunkle Fellfarbung und die vergroßerten Krallen der Vorderfuße; Letzteres ist ein Charakteristikum der Gattung Soriculus. Die Tiere bewohnen Mischwalder; genauere Informationen zur Lebensweise liegen nicht vor. Die Art wurde im Jahr 2024 wissenschaftlich eingefuhrt.
Merkmale = Habitus =
Soriculus beibengensis ist ein kleinerer Vertreter der Gattung Soriculus. Seine Kopf-Rumpf-Lange variiert anhand von zehn vermessenen Individuen zwischen 7,0 und 8,1 cm. Hinzu kommt ein 3,8 bis 4,4 cm langer Schwanz. Im Verhaltnis zur Gesamtlange ist der Schwanz relativ kurz, er nimmt nur 53 % der Lange des restlichen Korpers ein. Das Korpergewicht betragt 8,8 bis 23,2 g. Die Art ist dadurch etwas großer als Soriculus minor, aber kleiner als alle anderen Angehorigen der Gattung. Im Erscheinungsbild ahnelt Soriculus beibengensis anderen Spitzmausen, typisch fur die Gattung sind die Vorderfuße und die Klauen vergroßert. Das Ruckenfell zeigt eine dunkelgraue bis schwarze Farbgebung, die Unterseite ist etwas heller getont. Entsprechend weist der Schwanz oberseits eine dunkle, unterseits eine hellere Tonung auf. Die Oberseite der Vorder- und Hinterfuße tragen eine hellbraune bis schwarze Behaarung. Der Hinterfuß wird 1,1 bis 1,4 cm lang, die Ohren sind maximal 1,0 cm hoch.
= Schadel- und Gebissmerkmale =
Der Schadel ist 20,4 bis 21,3 mm lang und am Hirnschadel 10,2 bis 11,0 mm breit sowie 6,0 bis 6,5 mm hoch. Der hintere Schadelabschnitt wirkt im Profil niedrig und flach, das Rostrum hingegen eher breit.  Das Hinterhaupt ist gerundet, auf der Schadeloberseite verlauft ein gut entwickelter Scheitelkamm. Auf der Schadelunterseite sind das Basisphenoid und das Basioccipital miteinander verwachsen. Die Lange des Unterkiefers reicht von 11,3 bis 11,9 mm. Der spatelformige Kronenfortsatz ragt steil auf, die Vorderkante ist eingedellt. Der Gelenkfortsatz steht in einem Winkel von etwa 45° zum Kronenfortsatz und erreicht nicht dessen Hohe. Am hinteren Ende des Unterkiefers ist der Winkelfortsatz dunn ausgezogen, seine Spitze richtet sich etwas auf. Das Gebiss besteht aus 30 Zahnen, die Zahnformel lautet: 
  
    
      
        
          
            3.1.2.3
            2.0.1.3
          
        
      
    
    {\displaystyle {\frac {3.1.2.3}{2.0.1.3}}}
  
. Der vorderste obere Schneidezahn steht senkrecht. Er zeigt an der Spitze eine leichte orangefarbene Pigmentierung. Sie ist deutlicher am inneren unteren Schneidezahn ausgebildet, der zudem nach vorn ragt. Abweichend von einigen anderen Arten der Gattung Soriculus kommt bei Soriculus beibengensis nur eine sparliche Zahnpigmentierung vor. In der oberen Zahnreihe folgen auf den ersten Schneidezahn vier einspitzige Zahne, die nach hinten an Große verlieren. Im Unterkiefer stehen die Schneidezahne und der einzige Pramolar dicht beieinander. Sowohl in der oberen als auch der unteren Gebisshalfte sind die jeweils hintersten Molaren am kleinsten ausgebildet. Die obere Zahnreihe wird zwischen 8,8 und 9,2 mm lang, die untere zwischen 8,0 und 8,5 mm.
Verbreitung und Lebensraum Das Verbreitungsgebiet von Soriculus beibengensis ist auf das ostliche Gebiet des tibetischen Hochlandes beschrankt. Die Art wurde bisher lediglich von der Typuslokalitat Beibeng bei der Ortschaft Damu im Kreis Medog im Autonomen Gebiet Tibet dokumentiert. Die Hohenverbreitung reicht von 1500 bis 2125 m uber dem Meeresspiegel. Die meisten Individuen wurden in von Eichen dominierten Mischwaldern gesichtet, einige wenige auch in solchen aus Nadel- und Laubgeholzen.
Lebensweise Uber die Lebensweise von Soriculus beibengensis liegen keine Informationen vor.
Systematik Soriculus beibengensis ist eine Art aus der Gattung Soriculus innerhalb der Familie der Spitzmause (Soricidae). Der Gattung Soriculus gehoren momentan funf Arten an. Der bekannteste Vertreter ist die Sikkim-Großklauenspitzmaus (Soriculus nigrescens), die zuvor auch den einzigen reprasentierte. Erst molekulargenetische Untersuchungen aus den 2020er Jahren deckten weitere Angehorige auf. Alle Arten der Gattung sind im Himalaya verbreitet. Typisches Kennzeichen bilden die vergroßerten Krallen der Vorderfuße, die moglicherweise zum Graben im Untergrund eingesetzt werden. Innerhalb der Spitzmause wird die Gattung Soriculus der Unterfamilie der Soricinae zugeordnet. Diese Stellung unterstreicht die orangefarbene Pigmentierung der vorderen Zahne. Es bestehen nahere Verwandtschaften zu den Gattungen Chodsigoa und Episoriculus. Die Gattungen spalteten sich im Oberen Miozan vor rund 7 Millionen Jahren voneinander ab. Soriculus selbst diversifizierte sich kurz darauf zu Beginn des Pliozans. Die Schwesterart von Soriculus beibengensis bildet Soriculus minor. Beide trennten sich vor rund 2 Millionen Jahren und somit im Unterpleistozan.
Die wissenschaftliche Erstbeschreibung von Soriculus beibengensis erschien im Jahr 2024 unter der Autorschaft von Pei Xiaoxin und Kollegen. Die neue Art war aber bereits zuvor im Rahmen genetischer Analysen erkannt worden, aufgrund zu weniger Vergleichsindividuen blieb eine genaue Definition jedoch vorerst aus. Wahrend einer Felduntersuchung im Jahr 2023 konnten neun weitere Exemplare gefangen werden, welche die Grundlage fur die Artbeschreibung bildeten. Der Holotyp ist ein ausgewachsenes weibliches Tier von Beibeng im Kreis Medog im Autonomen Gebiet Tibet, was gleichzeitig das Typusgebiet darstellt. Darauf verweist auch das Artepitheton.
Bedrohung und Schutz Zur Gefahrdung des Bestandes von Soriculus beibengensis liegen keine Informationen vor, die Art wird von der IUCN gegenwartig nicht erfasst. Allgemein gilt die Gattung als relativ haufig.
Literatur Pei Xiaoxin, Chen Zhongzheng, Li Quan, Li Xueyou, Pu Changzhe, Luo Kang, Luo Jing, Pu Mingjin, Wang Hongjiao, Laxman Khanal und Jiang Xuelong: A new species of the genus Soriculus (Soricidae, Eulipotyphla, Mammalia) from Medog in the eastern Himalaya. ZooKeys 1195, 2024, S. 139–155, doi:10.3897/zookeys.1195.115699
Einzelnachweise Weblinks | 
	Soriculus beibengensis ist eine Spitzmausart aus der Gattung Soriculus. Sie kommt im ostlichen Himalaya vor, wo sie bisher lediglich von einer Lokalitat im Kreis Medog im Autonomen Gebiet Tibet dokumentiert wurde. Es handelt sich um kleine Vertreter der Spitzmause mit deren typischem außerlichen Erscheinungsbild. Markant sind die dunkle Fellfarbung und die vergroßerten Krallen der Vorderfuße; Letzteres ist ein Charakteristikum der Gattung Soriculus. Die Tiere bewohnen Mischwalder; genauere Informationen zur Lebensweise liegen nicht vor. Die Art wurde im Jahr 2024 wissenschaftlich eingefuhrt. | 
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  "url": "https://de.wikipedia.org/wiki/Soriculus_beibengensis"
} | 
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	c-571 | 
	Der Nationale Botanische Garten von Lettland (lettisch: Nacionalais Botaniskais Darzs) ist ein botanischer Garten in der lettischen Stadt Salaspils. Er gehort zu den großten botanischen Garten in den baltischen Staaten und untersteht dem lettischen Ministerium fur Umweltschutz und regionale Entwicklung.
Geschichte Der Ursprung des Botanischen Gartens reicht in das Jahr 1836 zuruck. Damals richtete Christian Wilhelm Schoch an der Straße Ganibu Dambis (Weidendamm) in Riga einen Laden fur Saatgut und eine Aufzuchtstation ein. Durch die Vergroßerung des Hafens von Riga wurde der Umzug nach Salaspils notwendig. Die Pflanzen wurden zu dieser Zeit aus Westeuropa, unter anderem von der Baumschule Spath aus Berlin, importiert. Vor dem Ersten Weltkrieg wurden tausende Obst- und Zierbaume nach ganz Lettland und in den westlichen Teil Russlands verkauft. Wahrend der ersten Unabhangigkeit Lettlands war Salaspils die großte Baumschule des Baltikums, sowohl in Bezug auf die Flache als auch auf die Pflanzenvielfalt.
1944 erfolgte die Verstaatlichung der Baumschule und die Grundung der Staatlichen Versuchsanstalt fur Obstbaume und Beerengeholze. Unabhangig von der Umbenennung zur Versuchsanstalt wurden weiterhin Obstbaume, Beeren- und Zierstraucher angebaut, wobei man sich auf den reichhaltigen Erfahrungsschatz der vergangenen Jahrzehnte stutzen konnte.
Am 1. September 1956 wurde die Versuchsanstalt unter maßgeblicher Fuhrung der lettischen Wissenschaftler Pauls Galenieks, Alfreds Kalnins, J. Sudrabs und Alfreds Ozols zum Botanischen Garten der lettischen Akademie der Wissenschaften und die Versuchsanstalt umgegliedert. Grundlage bildeten unter anderem die Anbauflachen und die umfangreichen Pflanzensammlungen der Versuchsanstalt, die bereits uber 2000 Pflanzensorten umfasste.
Mit der Grundung und Umgliederung wurden die Hauptaufgaben des Botanischen Gartens definiert:
Forschung in den Bereichen Botanik, Zierpflanzenbau und Pflanzung
Pflanzengenetik
Zuchtung
Verbreitung der Forschungsergebnisse
Die erfolgreichen Forschungsarbeiten fuhrten dazu, dass der Garten den Status eines wissenschaftlichen Forschungsinstituts erhielt.
Als 1992 Lettland seine Unabhangigkeit wiedererlangte, erhielt der Garten den Status eines Nationalen Botanischen Gartens und damit die gesetzliche Anerkennung als Bildungs-, Kultur- und Forschungseinrichtung von nationaler Bedeutung.
Die neue Orangerie konnte nach zweijahriger Bauzeit am 23. April 2015 eingeweiht werden; die Investitionssumme von 3,4 Millionen Euro fur den Neubau wurde vom Europaischen Fonds fur regionale Entwicklung mitfinanziert.
Mit dem Projekt smartgardens wurde zwischen 2008 und 2013 eine Datenbank entwickelt, in der Wildarten und Kultivaren der Botanischen Garten in Lettland und Litauen aufgefuhrt sind. Neben den Namen in Englisch, Lettisch, Estnisch und Latein sind auch volkstumliche Benennungen sowie Informationen zum Standort im jeweiligen Botanischen Garten, zu Okologie und Lebensraum der jeweiligen Pflanze enthalten. In der Datenbank, die als grenzubergreifendes Projekt unter anderem von der Europaischen Union gefordert wurde, sind inzwischen uber 3000 Datensatze enthalten.
Gliederung Organisatorisch teilt sich der Botanische Garten in vier Bereiche auf:
Abteilung der Okophysiologie der Pflanzen
Orangerie-Abteilung
Abteilung Dendroflorie
Abteilung der Kuchen-, Medizin- und Aromatischen Pflanzen
Sammlungen Der Nationale Botanische Garten Lettlands besitzt etwa 18.000 lebende Pflanzenarten und 15.000 Pflanzentaxa in Kultur, die in verschiedenen Sammlungen ausgestellt werden, die wichtigsten davon sind:
Rhododendren mit 227 Unterarten, Hybriden und Kultivaren,
Weißdorne (lateinisch:Crataegus) mit 224 Unterarten,
Zwergmispeln (lat:Cotoneaster) mit 120 Taxa,
Weiden (lat:Salix) mit 176 Taxa,
Pappeln (lat:Populus) mit 138 Taxa,
Nadelholzer mit 771 Arten und Sorten von Koniferen,
Rosarium mit ca. 100 Wildarten und ca. 1.020 Kultursorten von Rosen,
Tulpen (lat:Tulipa) mit etwa 900 Taxa
Außerdem verfugt der Garten uber eine 5 ha große Flache mit erhaltener naturlicher Wildvegetation und ein Arboretum mit 60 Hektar, das 5000 Arten von Baumen und Strauchern beherbergt.
Zusammenarbeit Auf nationaler Ebene arbeitet der Botanische Garten mit der staatlichen Baumschule Arboretum Kalsnava (lettisch Kalsnavas arboretums) des lettischen staatlichen Forstunternehmens Latvijas valsts mezi im Bezirk Madona zusammen. International ist der Park Mitglied in den Organisationen International Plant Sentinel Network (IPSN) und European Botanic Gardens Consortium (EBGC).
Weblinks Einzelnachweise | 
	Der Nationale Botanische Garten von Lettland (lettisch: Nacionalais Botaniskais Darzs) ist ein botanischer Garten in der lettischen Stadt Salaspils. Er gehort zu den großten botanischen Garten in den baltischen Staaten und untersteht dem lettischen Ministerium fur Umweltschutz und regionale Entwicklung. | 
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	c-572 | 
	Tequila Sunrise ist ein Lied der US-amerikanischen Hip-Hop-Gruppe Cypress Hill, das sie zusammen mit dem Rapper Barron Ricks, der hier unter dem Pseudonym B Smooth auftritt, aufnahm. Der Song ist die zweite Singleauskopplung ihres vierten Studioalbums IV und wurde am 14. September 1998 veroffentlicht.
Inhalt Tequila Sunrise ist inhaltlich dem Gangsta-Rap zuzuordnen und handelt davon, durch kriminelle Geschafte von Drogenkartellen schnell Geld und Reichtum zu erlangen. Dabei spielt es auf den gleichnamigen Film von 1988 an. B-Real, Barron Ricks und Sen Dog rappen jeweils aus der Perspektive des lyrischen Ichs als Gangmitglieder, deren Leben durch Waffen, Gewalt und gefahrliche Geschafte gepragt sind. So wurden Verrat und Schwache schnell mit dem Tod bestraft, weshalb dieser immer im Hinterkopf sei. Auch wird die Konkurrenz durch andere Banden, die den eigenen Wohlstand und das Leben gefahrden, hervorgehoben. Der Text enthalt zudem Kraftausdrucke, wie „Nigga“ oder „Motherfucker“.
Produktion Das Lied wurde von dem Cypress-Hill-Mitglied und Musikproduzenten DJ Muggs produziert, der neben B-Real, Sen Dog und Barron Ricks auch als Autor fungierte.
Musikvideo Bei dem zu Tequila Sunrise gedrehten Musikvideo fuhrte 	Kevin Kerslake Regie. Es verzeichnet auf YouTube uber 22 Millionen Aufrufe (Stand: Marz 2024) und zeigt Cypress Hill auf Tour. Dabei sind sie in ihrem Tourbus auf der Autobahn, wahrend Konzerten auf der Buhne und Backstage mit Fans sowie anderen Musikern zu sehen. Wahrend der Strophen laufen die Rapper auch durch ein Waldgebiet, wobei sie den Song rappen. Am Ende verlasst die Band ein Hotel und die Crew baut die Buhne zusammen. Die Szenen im Tourbus und Backstage sind großtenteils schwarz-weiß gehalten.
Single = Covergestaltung =
Das Singlecover zeigt eine Alkoholflasche mit schwarzem Etikett und den weißen Schriftzugen Soul Assassins, Cypress Hill, Tequila Sunrise, 120 Proof, 60% Alcohol, Product of Los Angeles und 750 ml sowie einem Totenkopf. Der Hintergrund ist grun gehalten.
= Titellisten =
= Chartplatzierungen =
Tequila Sunrise stieg am 10. Oktober 1998 auf Platz 23 in die britischen Singlecharts ein und belegte in der folgenden Woche Rang 43, bevor es die Top 100 verließ. Zudem erreichte der Song Position 48 in der Schweiz und Platz acht in Norwegen.
Weblinks Songtext mit Interpretationen auf genius.com
Musikvideo auf YouTube
Lied (Albumversion) auf YouTube
Einzelnachweise | 
	Tequila Sunrise ist ein Lied der US-amerikanischen Hip-Hop-Gruppe Cypress Hill, das sie zusammen mit dem Rapper Barron Ricks, der hier unter dem Pseudonym B Smooth auftritt, aufnahm. Der Song ist die zweite Singleauskopplung ihres vierten Studioalbums IV und wurde am 14. September 1998 veroffentlicht. | 
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	c-573 | 
	Monica (Emily) Wichfeld (geboren als Massy-Beresford am 12. Juli 1894 in London; gestorben am 27. Februar 1945 in Waldheim) war eine Widerstandskampferin gegen die deutsche Besatzungsmacht in Danemark im Zweiten Weltkrieg.
Kindheit und Jugend Monica Massy-Beresford wurde am 12. Juli 1894 im Haus ihres Vaters George Massy-Beresford am Eaton Square 7 in London geboren. Ihre Mutter war Alice Elizabeth Mulholland, eine Tochter des Barons John Mulholland. Das Paar hatte ebendort ein Jahr zuvor geheiratet. Die Familie war irisch-schottischer Abstammung und gehorte zu den vermogenden irischen Großgrundbesitzern. Kurz nach der Geburt der ersten Tochter kehrte die Familie auf die irischen Guter in St. Hubert am Lough Erne nach Irland zuruck. Bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs verlebte Monica mit ihren drei jungeren Brudern, Tristram, John Clarina und Desmond, eine zugleich behutete und erlebnisreiche Kindheit und Jugend in einem großburgerlichen Umfeld in weitraumigen Gebauden, die von Parks und Garten sowie den bewirtschafteten Flachen umgeben waren. Ihre Biografin Christine Sutherland beschreibt Monica als ein wildes und ideenreiches Kind, das in Gruppen mit anderen Kindern schnell zur Anfuhrerin wurde, in der Jugend eigenwillig, vielfaltig begabt und Mittelpunkt ihres Freundeskreises.
Erwachsenenjahre bis 1941 Als junge Frau reiste Monica viel, sprach fließend Franzosisch und Deutsch und hatte ein positives Verhaltnis zu Deutschland, besonders zu dem weltoffenen Berlin. Nach einigen anderen intensiven Beziehungen lernte sie den danischen Aristokraten und Diplomaten Jørgen Adalbert Wichfeld kennen, der zu dieser Zeit Sekretar der danischen Gesandtschaft in London war. Das Paar heiratete am 15. Juni 1916 und ließ sich auf dem Anwesen Wichfelds in Engestofte in der Nahe von Maribo auf der Insel Lolland in Danemark nieder. Ihr Verhaltnis zu Deutschland anderte sich durch den Tod ihres Bruders John Clarina, der im Ersten Weltkrieg als Freiwilliger bei der franzosischen Armee kampfte und im August 1918 fiel.
Monica Wichfeld wurde danische Staatsburgerin und bekam mit ihrem Mann drei Kinder: Ivan (1919), Varinka (1922) und Viggo (1924). Unter Beibehaltung der Ehe unterhielt sie neun Jahre lang eine Liebesbeziehung zu Graf Kurt Heinrich Eberhard Erdmann Georg von Haugwitz-Hardenberg-Reventlow, der im benachbarten Herrenhaus Hardenberg lebte. Als die Weltwirtschaftskrise auch die Familie Wichfeld erreichte und große Teile des Vermogens verloren gingen, erwies sie sich als erfolgreiche Geschaftsfrau. Sie zog alleine nach Paris und entwickelte eine erfolgreiche Parfum- und Modeschmucklinie. Nach der Besetzung Danemarks durch die Nationalsozialisten blieb Wichfeld mit ihrer Mutter zunachst in Italien. Im Jahr 1941 kehrte sie nach Danemark zuruck und kummerte sich neben ihrem Unternehmen um die Familienguter.
Widerstand gegen die deutsche Besatzung In Kooperation mit der britischen Special Operations Executive (SOE) beteiligte Wichfeld sich vom Gut der Familie in Engestofte aus am danischen Widerstand, ohne dass ihr Mann und die Nachbarschaft davon wussten. Dabei arbeitete sie ab Fruhjahr 1943 eng mit ihrem Schwiegersohn, dem in London von der SOE ausgebildeten danischen Major Flemming B. Muus, zusammen und war ein entscheidendes Bindeglied zwischen den Widerstandskampfern Hilmar Wulff und Erik Kjersgaard. Sie unterstutzte Carl „Bobby“ Adam von Moltke, der uber weitreichende Kontakte in die USA und verschiedene Lander Europas verfugte und einen danischen Geheimdienst in Schweden begrundet hatte. Sie beherbergte Menschen, die auf der Flucht vor der deutschen oder danischen Polizei waren, bevor sie sich nach Schweden absetzen konnten. Ohne dass ihre Familie davon wusste, wurde das Gut Engestofte zum sicheren Haus der Widerstandsbewegung. Sie unterstutzte die Untergrundzeitschrift Frit Danmark („Freies Danemark“) und deren Verbreitung auf Lolland und war an Sabotageakten gegen die Besatzungsmacht beteiligt. Spater waren auch ihr Sohn Viggo und die Tochter Varinka Mitglieder des Widerstands.
Festnahme, Verurteilung und Tod Am 13. Januar 1944 wurde sie von den Deutschen in ihrem Haus in Engestofte verhaftet. Vier Monate wurde sie im Kopenhagener Gefangnis Vestre Fængsel gefangen gehalten und taglich verhort. Der Widerstand versuchte, ihre Flucht zu ermoglichen, was aber durch einen der Beteiligten verraten wurde. Im Mai 1944 stand Wichfeld mit zehn weiteren Angeklagten, zu denen auch ihr Sohn Viggo gehorte, vor dem deutschen Gericht. Mit drei weiteren Angeklagten (Georg Brockhoff Quistgaard, Arne Lutzen-Hansen und Carl Jørgen Larsen) wurde sie zum Tode verurteilt. Die anderen Inhaftierten erhielten Gefangnisstrafen, zwei wurden freigesprochen, darunter auch ihr Sohn. Das Angebot, ein Gnadengesuch stellen zu durfen, beantwortete sie mit der Frage, ob das auch fur ihre Mitangeklagten gelte. Als dies verneint wurde, lehnte sie das Angebot ab mit den Worten: „Dann habe ich kein Interesse.“
Das Urteil wurde spater in eine lebenslange Zuchthausstrafe umgewandelt. Zusammen mit Else Baastrup Thomsen, Hornslet und Grete Jensen wurde Wichfeld am 2. Juni 1944 zunachst in das Zuchthaus Cottbus deportiert. Anfang Februar 1945 erfolgte eine dreitagige Fluchtverlegung vor der Roten Armee ohne Verpflegung in das Zuchthaus Waldheim bei Chemnitz. Dort verstarb sie am 27. Februar an einer den Haftbedingungen geschuldeten Lungenentzundung.
Waldheim lag bei Kriegsende in der sowjetischen Besatzungszone. Einige Monate nach Kriegsende erteilten die Sowjets den danischen Behorden die Erlaubnis, die sterblichen Uberreste nach Engestofte zu uberfuhren. Bei Graboffnung wurde aber festgestellt, dass das Grab leer war. Der Leichnam wurde nie gefunden.
Ehrungen, Rezeption Gedenktafel in der Kirche Vabensted
Gedenktafel in der Engestofter Kirche Sakskøbing
Aufnahme in den Gedenkhain in Ryvangen
Urauffuhrung des Theaterstucks Monica Wichfeld und der Weltkrieg von Claus Flygare, Museum Lolland Falster. 2022
Literatur Christine Sutherland: Monica. Eine Frau im Widerstand gegen die deutsche Besatzung. Aus dem Englischen ubersetzt von Michael Schulte. Schoffling & Co, Frankfurt am Main 1997, 289 Seiten. ISBN 3-89561-601-X.
Marc E. Vargo: Women of the resistance. Eight who defied the Third Reich. McFarland & Co., Jefferson, N.C. 2012, ISBN 978-1-4766-0038-3, Monica Wichfeld and the Danish Resistance, S. 52–80. 
Weblinks Literatur von und uber Monica Wichfeld im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Gedenktafel fur Monica Wichfeld – vom 24. Februar 1946 im Bildarchiv der Danischen Koniglichen Bibliothek (unter CC-BY-NC-ND 4.0)
Einzelnachweise | 
	Monica (Emily) Wichfeld (geboren als Massy-Beresford am 12. Juli 1894 in London; gestorben am 27. Februar 1945 in Waldheim) war eine Widerstandskampferin gegen die deutsche Besatzungsmacht in Danemark im Zweiten Weltkrieg. | 
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  "url": "https://de.wikipedia.org/wiki/Monica_Wichfeld"
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	c-574 | 
	Die Salicornia ist eine 2023 gebaute Auto- und Personenfahre der portugiesischen Hafenstadt Aveiro, die uber den Rio Vouga Sao Jacinto mit Gafanha da Nazare verbindet. Sie ist die erste elektrisch betriebene Fahre im Nahverkehr Portugals.
Geschichte Als Ersatz fur die 1960 in Schweden gebaute und seit 2004 in Aveiro eingesetzte Fahre Cale de Aveiro schrieb die Stadt Aveiro im Jahr 2019 den Bau einer neuen Fahre aus, die erstmals rein elektrisch betrieben werden sollte.
Der Bau der Fahre wurde 2020 an die zur Grupo ETE gehorende portugiesische Werft Navaltagus Reparacao e Construcao Naval in Seixal vergeben. Der Baubeginn war zu Beginn des dritten Quartals 2021, die Fertigstellung sollte innerhalb von 18 Monaten erfolgen. Die Auslieferung der Fahre fand im November 2023 statt. Ihr Name Salicornia lehnt sich an die auch an der portugiesischen Kuste heimische Pflanze Queller an.
Eigentumer des Schiffes ist die Stadt Aveiro, betrieben wird die Fahre von dem zur Transdev Group gehorenden Unternehmen Aveiro Bus. Nach Abnahme-, Test- und Schulungsfahrten nahm sie Anfang Februar 2024 den Betrieb auf. Von Sao Jacinto in Aveiro quert sie den Ria de Aveiro und verbindet die Stadt mit Forte da Barra in Ilhavo. Sie ist Bestandteil des offentlichen Nahverkehrs in der Region. Die Uberfahrten finden taglich von ca. 7:00 bis 23:00 Uhr statt; eine Uberfahrt dauert rund 15 Minuten.
Am 13. Marz 2024 sank die Anlegepier der Fahre in Aveiro, die Fahrverbindung musste bis auf Weiteres ausgesetzt werden. Fur die Nutzer der Verbindung wurde eine Ersatzverbindung mit Bussen eingerichtet.
Das Schiff Die Lange des Schiffes betragt 37,4 Meter, es ist 9,20 Meter breit und hat einen Tiefgang von 1,7 Metern. Die Fahre ist ein herkommliches Einrumpfschiff. Der Antrieb besteht aus zwei Elektromotoren mit jeweils 200 kW Leistung, die von Akkumulatoren mit einer Kapazitat von 2 × 511 kWh gespeist werden. Uber zwei Propellergondeln erreicht die Fahre eine Geschwindigkeit von 9,0 Knoten. Die Fahre ist fur 260 Passagiere und 19 Pkw zugelassen.
Weblinks Ferryboat EFB3709 Data Sheet.pdf Datenblatt (PDF; 944 kB)
Einzelnachweise | 
	Die Salicornia ist eine 2023 gebaute Auto- und Personenfahre der portugiesischen Hafenstadt Aveiro, die uber den Rio Vouga Sao Jacinto mit Gafanha da Nazare verbindet. Sie ist die erste elektrisch betriebene Fahre im Nahverkehr Portugals. | 
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	c-575 | 
	Die Bleeck’sche Villa in Butzow, Landkreis Rostock, Vor dem Ruhner Tor 22, war eine großburgerliche Unternehmer-Villa, die 1907 als Wohnsitz des Papierfabrikanten Bleeck erbaut wurde. Das Gebaude stand unter Denkmalschutz, wurde aber trotzdem 2014 abgebrochen.
Geschichte und Architektur Im Jahr 1823 wurde die ehemalige herzogliche Papiermuhle in Butzow zum Verkauf angeboten und von ihrem bisherigen Pachter Isaak Kramer erworben. Kramer hatte jedoch Schwierigkeiten mit den notwendigen Investitionen, und im Jahr 1837 war der Konkurs unvermeidlich. Der Papiermacher Heinrich Bleeck (1807–1886) erwarb die Anlage. Unter seiner Leitung bluhte die Papiermuhle wieder auf. Sie wurde zu einer der fuhrenden Papierfabriken in der Region. 1875 ubergab Bleeck das Unternehmen an seine Sohne Helmut (1848–1926) und Ludwig (1850–1925). Die Bruder nutzten alle technischen Neuerungen ihrer Zeit und entwickelten die Papiermuhle zur Papierfabrik.
		
			
			
		
Helmut Bleeck verließ das Unternehmen vor der Jahrhundertwende und zog als Rentier nach Lubeck. Die Papiermuhle und das Wohngebaude wurden durch Brande immer wieder schwer beschadigt, so auch am 14. Mai 1907. Ludwig Bleeck ließ die Fabrik und ein Wohnhaus neu erbauen. Die Villa in zeitgemaßer Reformarchitektur mit Jugendstil-Einflussen war dabei ein Symbol fur Erfolg und Wohlstand in der Region. Ludwig Bleecks einziger Sohn Reinhard stieg 1910 in der dritten Generation an der Seite seines Vaters in das Geschaft ein. Aufgrund von Schwierigkeiten wurde die Fabrik im Jahr 1917 verkauft. Nach dem Verkauf setzte sich Ludwig Bleeck in Rostock zur Ruhe, wo er auch starb. Die Villa wurde bis 1945 als Wohnsitz der Werksdirektoren der Papierfabrik genutzt.
Nach 1949 wurde die Villa von einem volkseigenen Betrieb fur Bau- und Mobeltischlerei genutzt. Nach der Wende wurde das Gebaude teilweise wieder als Wohnhaus genutzt. Ab der Jahrtausendwende stand die Villa leer. 
Obwohl das Ensemble „Fabrik mit Villa, Garten mit Gedenkstein fur E. Mundt und Fabrikhalle mit Anbau“ unter Denkmalschutz stand, wurde die Villa 2014 abgerissen, um Platz fur eine Wohnanlage fur Senioren zu schaffen.
	Bleeck’sche Villa vor dem Abriss 2014
		
			
			
		
		
			
			
		
Literatur Hans Wilhelm Barnewitz: Von Mecklenburgischen Muhlen. In: Ostmecklenburgische Heimat, 4. Jahrgang 1931, Heft 3, S. 1 ff.
Erika Uhma, Gunther Camenz: Papierfabrik zu Butzow. In: Heimatverein fur Butzow und Umgebung e. V. (Hrsg.): Unsere regionale Heimatgeschichte. Band 4. Butzow 1999. 
Weblinks Einzelnachweise | 
	Die Bleeck’sche Villa in Butzow, Landkreis Rostock, Vor dem Ruhner Tor 22, war eine großburgerliche Unternehmer-Villa, die 1907 als Wohnsitz des Papierfabrikanten Bleeck erbaut wurde. Das Gebaude stand unter Denkmalschutz, wurde aber trotzdem 2014 abgebrochen. | 
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	c-576 | 
	Der Steintorwall ist eine knapp 280 Meter lange Innerortsstraße im Zentrum von Hamburg zwischen den Stadtteilen Hamburg-Altstadt (Westseite) und St. Georg (Ostseite). Als Teil des historischen Wallrings (Ring 1) um die Hamburger Innenstadt gehort er zum Hauptverkehrsstraßennetz von Hamburg und tragt die amtliche Schlusselnummer S653. Er verlauft in nord-sudlicher Richtung zwischen der Spitalerstraße im Norden (Lage) und der Steinstraße im Suden (Lage). Etwa auf halbem Wege kreuzt der Straßenzug Monckebergstraße–Steintordamm. Nordlich schließt der Glockengießerwall an, sudlich der Klosterwall.
Geschichte Benannt ist der Steintorwall nach dem fruheren Steintor, das sich zuletzt am Sudende des heutigen Hauptbahnhofes (Steintordamm) befand. Die Bezeichnung des Wallabschnitts beiderseits des Tores als „Steintorwall“ ist etwa seit den 1860er Jahren nachweisbar, vorher bildete er gewissermaßen die außere (ostliche) Begrenzung des Schweinemarktes, der im 17. Jahrhundert zwischen der alten Stadtmauer („Lange Muhren“) und dem neuen Festungswall entstanden war. Nachdem der Viehhandel 1867 aus hygienischen und logistischen Grunden auf den neuen Zentralen Vieh- und Schlachthof am Heiligengeistfeld verlagert worden war, wurde der Schweinemarkt sukzessive uberbaut, wodurch der Steintorwall als eigenstandige Straße entstand: Bereits 1855 war am Sudende des Platzes (zur Steinstraße hin) das erste deutsche Volksbad eroffnet worden. Es uberstand trotz Bombenschaden den Zweiten Weltkrieg und wurde 1963 zugunsten eines Parkhauses abgerissen. 1891 folgte nordlich der Badeanstalt das im Krieg zerstorte Naturhistorische Museum, an dessen Stelle in den 1960er Jahren das Kaufhaus Horten erbaut wurde.
Gegenwart Der Steintorwall wird an seiner Westseite vom ehemaligen Horten-Kaufhaus (spater Saturn, heute MediaMarkt) sowie nordlich der Monckebergstraße von der ehemaligen Karstadt-Sport-Filiale (seit 2021 als Kulturzentrum „Jupiter“ genutzt) flankiert; die Ostseite wird vom Hauptbahnhof bzw. dessen sudlichem Gleisvorfeld eingenommen. Unter dem Steintorwall verlauft seit 1966 der Wallringtunnel, zwischen diesem und dem Hauptbahnhof befindet sich mit dem dreistockigen Tiefbunker Steintorwall eine der großten Zivilschutzanlagen aus dem Zweiten Weltkrieg. Außerdem wird die Straße von den Linien U1 und U3 der Hamburger U-Bahn sowie von einer Fußgangerunterfuhrung zwischen Hauptbahnhof und Monckebergstraße unterquert.
Die Fußgangerampel zwischen der Fußgangerzone Spitalerstraße und dem nordwestlichen Eingang des Hauptbahnhofs zeigt seit 2006 einen Countdown, der die verbleibende Rotzeit optisch herunterzahlt. Grund fur die Einfuhrung dieser in Deutschland eher seltenen Anlagen war seinerzeit ein hoher Anteil an bei Rot gehenden Fußgangern (Fachbegriff: Rotlaufer) und daraus folgenden Unfallen und Unfallrisiken. Der Anteil an Rotlaufern hatte sich nach einer die zuvor erste Einsatzstelle 2005 am Gansemarkt begleitenden Studie deutlich verringert.
Weblinks Einzelnachweise | 
	Der Steintorwall ist eine knapp 280 Meter lange Innerortsstraße im Zentrum von Hamburg zwischen den Stadtteilen Hamburg-Altstadt (Westseite) und St. Georg (Ostseite). Als Teil des historischen Wallrings (Ring 1) um die Hamburger Innenstadt gehort er zum Hauptverkehrsstraßennetz von Hamburg und tragt die amtliche Schlusselnummer S653. Er verlauft in nord-sudlicher Richtung zwischen der Spitalerstraße im Norden (Lage) und der Steinstraße im Suden (Lage). Etwa auf halbem Wege kreuzt der Straßenzug Monckebergstraße–Steintordamm. Nordlich schließt der Glockengießerwall an, sudlich der Klosterwall. | 
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  "url": "https://de.wikipedia.org/wiki/Steintorwall_(Hamburg)"
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	c-577 | 
	Die Mollner Maultrommel ist ein traditionelles Musikinstrument aus der Gemeinde Molln in Oberosterreich. Die Erzeugung der Mollner Maultrommel wurde als Jahrhunderte alte Handwerkstechnik im Jahr 2014 in das Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes in Osterreich aufgenommen.
Geschichte Die ersten schriftlichen Nachweise von Maultrommelmachern in Molln stammen aus der Zeit um 1650: Im Grundbuch der Herrschaft Steyr, das 1647 angelegt wurde, werden ein Pankraz Hueber Maultrummelmacher (Breitenau, alte Nr. 114) und sein Nachbar Georg Schneidersperger Maultrummelmacher vom Hausl bey der Pruggen (Breitenau, alte Nr. 118) genannt. Laut Trauungsmatrikeln heiratete im Jahr 1650 der „Trumblmacher“ Sebastian Salzhueber eine Margarete und am 20. Oktober 1657 der „Thrummerlmacher“ Wolfgang Stainer eine Margareta.
Urkunden, die sich direkt auf die Herstellung der Maultrommeln beziehen, finden sich erstmals in den 1670er-Jahren: Am 20. Marz 1673 beschwerten sich funf, durch Krieg und andere Misslichkeiten beeintrachtigte Mollner Hufschmiede bei der Verwaltung, dass sie um ihren Lebenserwerb gebracht werden, weil die (korperlich leichte) Herstellung von Kloben (Ausgangsprodukt fur die Maultrommeln) nicht nur durch (nicht mehr voll arbeitsfahige) Hufschmiede, sondern auch durch irgendwelche Sensenschmiede und Bauernknechte vorgenommen werde. Laut Ratsprotokoll des Jahres 1677 ersuchen die „gesambten Trumblmacher zu Molln“ die Herrschaft um den Erlass einer dringend notwendigen Handwerksordnung. Im Jahr 1679 trat dann tatsachlich die erste Handwerksordnung fur die Maultrommelmacher in Kraft.
Herstellung = Uberblick =
Zuerst werden zwei Halbfabrikate erzeugt, namlich der Kloben (Rahmen) und die Zunge (Feder), die abschließend verbunden und gestimmt werden.
= Klobenschmiede =
Ursprunglich wurden die Kloben – ahnlich wie die Nagel in einer Nagelschmiede – handgeschmiedet. Vor allem altere oder gebrechliche Hufschmiede, die nur mehr leichtere Arbeiten ausfuhren konnten, verdienten damit ihren Lebensunterhalt.
Mit der Zeit bildete sich der Beruf des „Klobenschmiedes“ heraus. Das Roheisen wurde vorzugsweise aus Wendbach in der Katastralgemeinde Trattenbach von Ternberg bezogen, wo eine Eisensorte hergestellt wurde, die fur die Erzeugung der Kloben geeignet war. Seit den 1930er-Jahren wird als Ausgangsmaterial ein starker, gewalzter Draht mit rhombischem Querschnitt verwendet, von dem geeignet lange Stucke abgezwickt werden.
In den 1820er-Jahren gab es in der Umgebung von Molln insgesamt 6 Klobenschmiede, davon zwei „Globenschmiden“ direkt in Molln:
Robert Stoger auf der Waldeckersolde, wo schon im Theresianischen Kataster um 1750 ein Maultrommelmacher nachweisbar ist.
Franz Popp im Hausel am Eck, wo ursprunglich Buchsenmacher und Schaufelhacker tatig waren.
= Kloben =
Der Rohling wird gerade gestreckt, seine Enden werden gefeilt, und das Meisterzeichen wird eingestanzt. Am Amboss werden die beiden Endstucke um 90 Grad abgewinkelt. Mit zwei Zangen wird die Rundung hergestellt. Danach wird der Rahmen in seine endgultige Form gebracht. Die Kerbe fur die Zunge wird mit einer Handpresse in den Rohling gedruckt.
Fruher wurden die Kloben in Putzmuhlen gereinigt. Diese mit groben Sagespanen gefullten Holztrommeln wurden durch fließende Gewasser angetrieben. Tausend Kloben wurden darin etwa 24 Stunden lang durcheinandergeschuttelt, bis das Eisen blank gescheuert war.
= Zunge =
Die Zungen (Federn, Lamellen) werden mit einer großen Schere aus dem Stahlblech geschnitten, zugefeilt, zweimal rechtwinkelig gebogen und gehartet.
= Endfertigung =
Im letzten Produktionsschritt werden die beiden Halbfabrikate miteinander verbunden. Die Zunge wird in den Rahmen „geschlagen“. Das Musikinstrument muss abschließend gestimmt werden.
Die Frauen und Kinder in der Stube vergoldeten fruher bei Bedarf die Maultrommeln und packten sie auf kleine Holzgestelle, um die empfindlichen Stahlzungen zu schutzen.
Bauarten Aus Molln stammen Bugelmaultrommeln aus Eisen (daher auch die Bezeichnung „Brummeisen“) oder aus Messing. Die federnde Zunge war stets aus Stahl.
Folgende Formen waren im Gebrauch:
deutsche Form: das gebrauchlichste Modell
Lyra- oder Birnform
Genueser oder auch „Ganauser“ (nach dem Wort Ganserich, weil das Instrument wie ein Gansekopf mit langem Hals aussieht)
Eichelform
Vertrieb Die Maultrommelmacher unterstanden ursprunglich der Eisenobmannschaft und waren ab 1625 im Verlagssystem der Innerberger Hauptgewerkschaft integriert. Der Verlag war ein Liefervertrag zwischen Produzenten und Abnehmern, wobei sich im Eisenhandel sogar Verlagsketten bildeten. Es gab auch einen Sensenverlag.
Im 19. Jahrhundert wurde die Abhangigkeit von den Verlegern unertraglich, sodass 15 von 21 Meistern im Jahr 1891 eine Genossenschaft bildeten, die bis 1938/39 bestand.
= Anzahl der Meister und Gesellen =
= Meisterzeichen =
= Veranstaltungen =
1851 nahmen 5 Mollner Maultrommelmacher an der Ersten Weltausstellung in London teil, und zwar Franz Grabner, Karl Schwarz, Franz Schwarz senior und junior, Ignaz Schwarz.
Bei der Landesausstellung 1893 in Linz erhielten die Mollner Maultrommelerzeuger die Silberne Medaille (Urkunde bei Firma Schwarz).
Bei der Landesausstellung fur Industrie und Gewerbe 1898 in Steyr erlangten die Mollner Maultrommelerzeuger das Diplom 1. Klasse (Urkunde bei Firma Schwarz).
Das 3. Internationale Maultrommelfestival fand 1998 in Molln statt und wurde vom 1992 gegrundeten Osterreichischen Maultrommelverein organisiert.
Die Oberosterreichische Landesausstellung 1998 hatte unter anderem die Erzeugung der Maultrommeln als Themenschwerpunkt.
Film Elfriede Lies: Herstellung von Maultrommeln. Aufgenommen 1966 bei der Maultrommelerzeugung Karl Schwarz Molln/Oberosterreich. In: mediathek.at. Osterreichische Mediathek, 1966, abgerufen am 10. Marz 2024 (tonlose FLV-Videodatei). 
Literatur Gustav Otruba: Die Maultrommeln und ihre Erzeugung zu Molln. Von der Zunft zur Werkgenossenschaft. In: Oberosterreichische Heimatblatter. Jahrgang 40, Nr. 1, 1986, S. 59–94 (ooegeschichte.at [PDF]). 
Angela Mohr: Die Geschichte der Mollner Maultrommelerzeugung. Reihe Kulturguter in Molln, Ennsthaler, Steyr 1998.
Maria Himsl: Die Maultrommel. In: Heimatkunde des politischen Bezirkes Kirchdorf an der Krems. Band 3, Linz 1938–1939 (abgedruckt in Angela Mohr, 1998, S. 94–99).
Karl Magnus Klier: Volkstumliche Musikinstrumente in den Alpen. Barenreiter, Kassel 1956.
Regina Plate: Kulturgeschichte der Maultrommel (= Orpheus-Schriftenreihe zu Grundfragen der Musik. Band 64). Verlag fur systematische Musikwissenschaft, Bonn 1992, ISBN 3-922626-64-5.
Weblinks Roman Sandgruber: Die Maultrommel. Aufnahme in das nationale Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes. Empfehlung. In: unesco.at. 17. April 2012, abgerufen am 10. Marz 2024. 
Olaf Bockhorn: Gutachten zu: „Die Maultrommelerzeugung der Mollner Maultrommelmacher“. In: unesco.at. 27. Dezember 2013, abgerufen am 10. Marz 2024. 
Einzelnachweise | 
	Die Mollner Maultrommel ist ein traditionelles Musikinstrument aus der Gemeinde Molln in Oberosterreich. Die Erzeugung der Mollner Maultrommel wurde als Jahrhunderte alte Handwerkstechnik im Jahr 2014 in das Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes in Osterreich aufgenommen. | 
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  "url": "https://de.wikipedia.org/wiki/Mollner_Maultrommel"
} | 
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	c-578 | 
	Der Schweizerische Forstverein (SFV; franzosisch Societe forestiere suisse (SFS); italienisch Societa forestale svizzera (SFS)) ist eine gemeinnutzige Organisation in der Schweiz und der nationale Fachverband fur Forstwirtschaft. Er wurde im Jahr 1843 gegrundet und hat seinen Sitz in Pfaffikon.
Der SFV spielt als Vereinigung von Fachleuten kantonaler und kommunaler Forstbetriebe, offentlicher und privater Waldbesitzer sowie von Personen und Institutionen der Forstwissenschaft eine wichtige Rolle fur die Vermittlung von Informationen uber den Zustand der Walder in der Schweiz, uber neue Methoden des Waldbaus und uber okologische Zusammenhange und Entwicklungen in der Naturlandschaft und in den bewirtschafteten Sekundarbiotopen.
Zweck Der Schweizerische Forstverein setzt sich fur eine auf forstwissenschaftliche Grundlagen gestutzte, nachhaltige Pflege der Pflanzengesellschaften in den Waldern ein, um die Holznutzung auch fur spatere Generationen zu sichern und die allgemeinen Funktionen des Waldes als Teil der Landschaft, als Schutz vor Naturgefahren, als Grundlage der Biodiversitat und der Trinkwasserreserven sowie als Erholungsraum zu fordern. Er organisiert Informations- und Fortbildungsangebote, Versammlungen und Exkursionen, publiziert eine Fachzeitschrift und andere Veroffentlichungen und engagiert sich in der Politik und gegenuber den Behorden fur die Anliegen der Forstwirtschaft und fur eine zweckmassige Forstgesetzgebung. Er unterstutzt die Berufsausbildung der Forstfachleute.
Organisation Der Schweizerische Forstverein ist als Verein im Sinne des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) organisiert. Ihm gehoren gemass den Statuten von 1988 sowohl Einzelpersonen als auch Kollektivmitglieder wie z. B. Gemeinden, Forstbetriebe, Verbande und andere Fachvereine an. Schweizer Berufsleute aus den Fachbereichen Wald, Wildtiere, Landschaft, Naturgefahren, Naturschutz, Biodiversitat und mit Fragen des Waldbaus vertraute Personen aus den Bereichen Raumplanung, Recht, Bauwirtschaft, Soziologie und Gesundheit konnen die Mitgliedschaft erhalten. Fachleute, die sich um das Forstwesen verdient machten, kann der Verein zum Ehrenmitglied ernennen.
Die Vereinstatigkeit wird von einem Vorstand geleitet, dem seit 2019 die Forstingenieurin Regina Wollenmann vorsteht. Fur besondere Aufgaben sind eine Geschaftsstelle, eine Administrationsstelle, fachspezifische Arbeitsgruppen und die Redaktion der Vereinszeitschrift Schweizerische Zeitschrift fur Forstwesen – Journal forestier suisse eingesetzt. Der Sitz des SFV befindet sich bei der Administrationsstelle in Pfaffikon, Kanton Schwyz, die von Lukas Denzler gefuhrte Geschaftsstelle in Zurich. Der SFV fuhrt fur seine Dokumentationen ein Archiv.
Der SFV hat (Stand 2024) drei Expertengruppen eingesetzt: die Arbeitsgruppe «Wald und Wildtiere», die Arbeitsgruppe «Waldplanung und ‑management» und die Arbeitsgruppe «Waldbiodiversitat».
Fur die Redaktion der vom Verein herausgegebenen Schweizerischen Zeitschrift fur Forstwesen sind (Stand 2024) der Umweltnaturwissenschaftler This Rutishauser, die Biologin und Politikerin Brigitte Wolf, die Forstingenieurin Christina Giesch und Thorsten Kaletsch, fur die Version des E-Journal Alley Ulrich, Allen Press (USA) zustandig. Die Zeitschrift wird unterstutzt durch das Bundesamt fur Umwelt (BAFU), die Schweizerische Akademie fur Naturwissenschaften (SCNAT) sowie die Kantone.
Geschichte = 19. Jahrhundert =
Als eine Versammlung von Oberforstbeamten des Kantons Bern am 29. Januar 1843 die Idee zur Grundung eines nationalen Forstvereins unterstutzt hatte, sandten der Oberforster, Berner Regierungsrat und Professor fur Forstwissenschaften an der Universitat Bern Karl Albrecht Kasthofer und der Berner Forstfachmann und ehemalige bayerische Forstinspektor von Augsburg Gottlieb von Greyerz am 10. Februar 1843 an die ihnen bekannten Forstwarte in der Schweiz die Einladung zur Grundungsversammlung vom 27. bis 28. Mai 1843 in Langenthal. 42 Personen aus 6 Schweizer Kantonen – Forster, Forstinspektoren, grosse private Waldbesitzer und kantonale Oberforster – folgten dem Aufruf und konstituierten sich bei der Versammlung sogleich als Schweizerischer Forstverein. Sie setzten die Statuten des neuen Vereins in Kraft und bestimmten als erstes Vereinsorgan die Mittheilungen uber Haus-, Land- und Forstwirthschaft fur die Schweiz, eine Zeitschrift, die von der 1838 gegrundeten Landwirthschaftlichen Gesellschaft im Kanton Aargau herausgegeben wurde.
Wie der schweizerische Verein entstanden um die Mitte des 19. Jahrhunderts noch andere regionale Forstvereine im deutschen Sprachraum, so zum Beispiel 1839 der Forstverein fur das badische Oberland, 1847 der Sachsische Forstverein, 1851 der Verein Thuringer Forstwirte sowie der Forstverein osterreichischer Alpenlander und 1852 der Forstverein fur Tirol und Vorarlberg.
Seit 1843 fuhrte der Schweizerische Forstverein jedes Jahr in einer Stadt der Schweiz eine mehrtagige Vereinsversammlung durch, ausser in den Jahren 1845, 1848 und 1859, wo die politischen Verhaltnisse – Freischarenzuge, Folgen des Sonderbundskriegs, Grenzbesetzung wahrend der osterreichisch-italienischen Kriege – die Zusammenkunfte verhinderten. Die ersten Tagungsorte lagen alle in der Deutschschweiz (Aarau, Solothurn, Zurich). Bis 1850 waren dem Verein erst drei Mitglieder aus der Romandie beigetreten, darunter waren der bedeutende Forstwissenschaftler und Botaniker Albert Davall von Vevey und sein Vater Edmond Davall (1793–1860), ein Offizier und Forstfachmann, der die erste Jahrestagung des Vereins in der Westschweiz im Juni 1853 in Lausanne und eine Exkursion in den Joratwald leitete. Mit dem etappenweisen Bau der Eisenbahnlinien in den 1850er Jahren wurde die Reise zu den Versammlungen einfacher. Durch die in der Zeitschrift veroffentlichten Protokolle wurden stets neue Informationen uber aktuelle forstwirtschaftliche Probleme der Schweiz veroffentlicht. In jedem Kanton sammelten Mitglieder des Vereins Informationen uber die Forstwirtschaft der Regionen und berichteten an den Versammlungen und mit Artikeln in der Zeitschrift uber die kantonale Forstgeschichte.
Weil sich Schweizer Berufsanwarter in der ersten Halfte des 19. Jahrhunderts nur an Fachschulen wie der fuhrenden Koniglich-Sachsischen Forstakademie in Tharandt, der Land- und Forstwirtschaftlichen Akademie Hohenheim und dem Polytechnikum Karlsruhe oder in grossen Forstdomanen im Ausland zu Forstern ausbilden konnten, verfugten die Grunder des Schweizerischen Forstvereins uber gute Beziehungen zu dortigen Lehrpersonen. Einige davon wurden von der Vereinsversammlung zu Ehrenmitgliedern gewahlt. Bis 1860 zahlten unter anderen folgende Personen zu dieser Gruppe:
Edmund von Berg, Direktor der Forstakademie zu Tharandt in Sachsen (heute Fachbereich Forstwissenschaften der TU Dresden)
August Cotta, Forstinspektor und Professor an der Forstakademie zu Tharandt
Karl Gebhard, furstlich Furstenbergischer Forstrat, Donaueschingen
Wilhelm Heinrich von Gwinner, Administrator der hohenzoller’schen Besitzungen Bohmen, Bistritz (heute in Tschechien)
Gustav Heyer, Oberforster, Professor an der Universitat Giessen
Adolphe Parade, Schuler der Forstakademie zu Tharandt, Direktor der koniglichen Forstschule Ecole royale forestiere zu Nancy, Frankreich (seit 1965 Teil der Ecole nationale du genie rural, des eaux et des forets)
Max Pressler, Professor der Mathematik an der Forstakademie zu Tharandt
Schon bald nach dem SFV wurden auch in ersten Schweizer Kantonen regionale Forstvereine gegrundet, zum Beispiel der Bernische Forstverein 1845 und die Societe vaudoise de Sylviculture (Kanton Waadt) 1853. Andere Kantonalvereine bildeten sich ein halbes Jahrhundert spater so wie der St. Galler Forstverein 1899, der Bundner Forstverein 1901 und die Societe Neuchateloise des Forestiers (Kanton Neuenburg) 1909.
1849 beschloss der Schweizerische Forstverein auf seiner Jahresversammlung in Burgdorf, eine eigene Publikationsreihe herauszugeben, und veroffentlichte ab dem folgenden Jahr die Zeitschrift «Schweizerisches Forst-Journal», deren Redaktion zuerst in den Handen von Karl Albrecht Kasthofer und seit dem zweiten Jahrgang bei Walo von Greyerz, dem langjahrigen Forstverwalter von Lenzburg, lag. 1856 wurde fur die Westschweiz eine franzosischsprachige Version der Reihe eingefuhrt. Kasthofer widmete schon das erste Heft vom Januar 1850 wichtigen Fragen der Schweizer Forstwirtschaft. Er wies auf einen Missstand hin, mit dem sich der Schweizerische Forstverein seit seiner Grundung und auch in den folgenden Jahrzehnten immer wieder zu befassen hatte: dass namlich gerade in einigen Kantonen im Hochgebirge, wo die Walder eine wesentliche Funktion zum Schutz von Siedlungen und Kulturland haben, gar keine staatliche Forstwirtschaft oder Waldaufsicht vorhanden war und die Gemeinden und Korporationen wegen der vorherrschenden Weidewirtschaft nichts gegen die Ubernutzung der Walder unternahmen: «Die Entwaldung, deren verderbliche Folgen wir beklagen, ist vielmehr die Folge der gegenwartigen Betriebsart der Alpenwirthschaft, der unbeschrankten Viehweide, der fehlerhaften, die naturliche Besaamung vereitelnden Fuhrung der Holzschlage.» Nach den Bemerkungen zum Zustand des Waldbaus in der Schweiz stellte Kasthofer programmatisch die forstwirtschaftlichen Themen vor, deren sich die Redaktion der Zeitschrift annehmen wolle: «Da in mehreren Kantonen noch keine Forstwirthschaft besteht, und in den mehrsten die Volksbegriffe uber ihre Zwecke sehr mangelhaft oder irrig sind, so geben wir schliesslich die Uebersicht ihrer verschiedenen Zweige mit Bezug auf die der Schweiz eigenthumlichen Verhaltnisse und Bedurfnisse.»
Wahrend Jahrzehnten machte der Schweizerische Forstverein auf den ursachlichen Zusammenhang zwischen der Abholzung und mangelhaften Pflege der Walder im Gebirge und den haufigen Uberschwemmungen in den Talern und den Flussgebieten im Alpenvorland aufmerksam. Mit Vortragen und Denkschriften wandten sich seine Experten an die Forster und die Politik in den Bergkantonen mit Vorschlagen, wie der Bergwald gestarkt und die Wildbache durch Verbauungen gesichert werden konnen. Das Schweizerische Forst-Journal berichtete 1852 uber die Folgen von Kahlschlagen im Greyerzerland des Kantons Freiburg, die auch zu Hochwasser gefuhrt hatten. Als an der Vereinsversammlung 1882 in St. Gallen Regierungsrat Ludwig Zollikofer uber das ungeloste Problem der Bachverbauungen referierte, beschloss der Forstverein, selbst ein Handbuch fur den Schutz gegen Naturgefahren herauszugeben; 1886 bewilligte die Versammlung in Glarus den Druck der vom Forstwissenschaftler Elias Landolt (1821–1896) verfassten Schrift.
Der Verein begleitete wenige Jahre nach der Grundung des Bundesstaats (1848) den Aufbau einer «Schweizer Forstschule» an der 1855 eingerichteten Eidgenossischen polytechnischen Schule, der heutigen ETH Zurich. Von Anfang an war der Zurcher Oberforstmeister und Forstwissenschaftler Elias Landolt als Professor fur Forstwirtschaft an diesem Institut angestellt, fur den zweiten Lehrstuhl fiel die Wahl auf den Berner Oberforster Xavier Marchand (1799–1859). 1861 bis 1893 fuhrte Landolt die Redaktion der Vereinszeitschrift mit dem neuen Namen «Schweizerische Zeitschrift fur das Forstwesen» und berichtete dort regelmassig uber die Tatigkeit der Forstschule. Von 1881 bis 1893 war Landolt zugleich Prasident des Schweizerischen Forstvereins, der ihn 1893 zum Ehrenprasidenten wahlte. Nach dem Tod des renommierten Forstwissenschaftlers publizierte die Vereinszeitschrift einen ausfuhrlichen Nachruf und die an der Trauerfeier gehaltenen Reden.
Die Eidgenossische polytechnische Schule in Zurich grundete 1885 nach einem Vorschlag Elias Landolts und des Eidgenossischen Forstinspektors Johann Wilhelm Coaz fur praktische Forschungsarbeiten die Centralanstalt fur das forstliche Versuchswesen; die Abteilung hiess seit 1933 Eidgenossische Anstalt fur das forstliche Versuchswesen und ging 1989 in der Eidgenossischen Forschungsanstalt fur Wald, Schnee und Landschaft auf.
Die Aufsicht uber die Walder war in der Schweiz traditionell eine hoheitliche Aufgabe der Kantone. Der Schweizerische Forstverein beobachtete seit seiner Grundung die Entwicklung der kantonalen Forstgesetze und empfahl den politischen Behorden immer wieder Massnahmen fur eine bessere Bewirtschaftung der besonders im Alpenraum und im Jura stark ubernutzten Walder. Elias Landolt verfasste 1862 einen Bericht an den hohen schweizerischen Bundesrath uber die Untersuchungen der schweizerischen Hochgebirgswaldungen, doch erst mit der revidierten Bundesverfassung von 1874 wurde die Aufsicht uber die Bergwalder eine Aufgabe des Bundes. Das Gesetz betreffend die Oberaufsicht des Bundes uber die Forstpolizei im Hochgebirge von 1876 fuhrte Vorschriften fur eine nachhaltige Bewirtschaftung des Schutzwaldes ein.
= 20. Jahrhundert =
Bei den Vorarbeiten zum Bundesgesetz zur eidgenossischen Oberaufsicht uber die Forstpolizei vom 11. Oktober 1902 wirkte der Schweizerische Forstverein wiederum mit. Mit diesem Gesetz wurde der Wald gegenuber der Weidewirtschaft wirksam geschutzt, denn nun galt ein Rodungsverbot, und die Waldflachen durften nicht mehr verkleinert werden. Auch der Baumbestand auf den Waldweiden etwa im Jura fiel nun unter das Waldgesetz, das zudem ein Walderhaltungsgebot einfuhrte und damit die Kantone zu einem geordneten Forstwesen anhielt.
Auf seinen Versammlungen und in den Publikationen kamen neue Themen aus der Forstwirtschaft wie die Arbeitssicherheit und die zunehmende Mechanisierung zur Sprache. Der Verein setzte sich 1904 fur die Einfuhrung einer nationalen Kollektivversicherung fur die Forstarbeiter ein, die gemass der Statistik des Schweizerischen Arbeitersekretariats im spaten 19. Jahrhundert dem grossten Unfallrisiko unter den 56 verglichenen Berufsgruppen ausgesetzt waren. Als Beitrag zu einer sicheren Arbeitsweise veroffentlichte die Vereinszeitschrift 1897 einen Textentwurf des deutschen Reichsversicherungsamts fur allgemeine «Normal-Unfallverhutungsvorschriften».
Schon fruh hatte der Schweizerische Forstverein auf seltene Waldgebiete und auffallige Einzelbaume aufmerksam gemacht, erstmals 1851 mit dem Hinweis von Forstrat Albert Davall auf eine besonders grosse und alte Larche in Gebiet von Ormont in den Waadtlander Alpen; von diesem Baum, der nach einem Blitzeinschlag gefallt werden musste, gelangte damals eine Holzprobe in das kantonale Naturkundemuseum in Lausanne. Seit 1871 hatte der Schweizerische Forstverein den Schutz einzelner Baume als Naturdenkmaler und die Errichtung von Naturreservaten in ausgewahlten Waldgebieten befurwortet. Im fruhen 20. Jahrhundert wurden die Anliegen des Naturschutzes auch in der Forstwirtschaft aufgenommen. 1914 druckte die Schweizerische Zeitschrift fur Forstwesen die Eroffnungsrede von Bundesrat Ludwig Forrer an der von Paul Sarasin initiierten Ersten Weltnaturschutz-Konferenz von 1913 in Bern ab. Der Aargauer Naturwissenschaftler und Politiker Rudolf Siegrist machte u. a. mit Beitragen in der Schweizerischen Zeitschrift fur Forstwesen auf den Wert der Auengebiete an den Schweizer Flussen aufmerksam, von denen der grosste Teil durch Flusskorrektionen und Rodung zerstort worden war. Die Auwalder bildeten besondere, der Gewasserdynamik angepasste Pflanzengesellschaften. Die Schweizerische Zeitschrift fur Forstwesen berichtete 1967 uber die wissenschaftliche Forschung in den Auengebieten und die Schutzmassnahmen an einigen Flussabschnitten wie der Toten Reuss bei Fischbach (1926), dem Vogelschutzgebiet im Haftli bei Meienried (1929), dem Naturreservat Elfenau bei Bern und dem aargauischen Auenreservat Umiker Schachen (1962).
1907 nahm der Schweizerische Forstverein die «Schaffung von Urwald-Reservationen in der Schweiz» als ein neues Ziel in sein Tatigkeitsprogramm auf. Sogleich gelang es dem Graubundner Kreisforster und spateren Regierungsrat und Standerat Johann Joseph Huonder (1878–1935) die Gemeinde Brigels in der Surselva dazu bewegen, den Urwald im Gebiet Scatle von der wirtschaftlichen Nutzung auszuschliesse. Mit der Ausweisung des Gebiets Scatle als Naturwaldreservat (seit 1910 ein Schutzgebiet von Pro Natura) und der Grundung des Schweizerischen Nationalparks 1914 in den Alpen wurden erste bedeutende Waldflachen geschutzt, die nun als forstwissenschaftliche Studienobjekte zur Verfugung standen. 1947 richtete die ETH das Waldreservat «Moos» bei Birmensdorf ein, das auch ein Hochmoor umfasst. Ganz in der Nahe stehen seit 1958 die Gebaude der Eidgenossischen Anstalt fur das forstliche Versuchswesen (heute WSL). Das Schutzgebiet «Moos» war das erste forstliche Totalreservat im Schweizer Mittelland (heute Schutzgebiet Nr. 160 ZH 229). Die Redaktion der Schweizerischen Zeitschrift fur Forstwesen berichtete in den folgenden Jahren mehrmals uber die Entwicklung der Vegetation in diesem Studiengebiet.
1919 grundete der Schweizerische Forstverein die Forstwirtschaftliche Zentralstelle als standige Organisation fur die Information zwischen Forstdiensten und dem Holzhandel. 1920 anderte die Einrichtung ihren Namen in «Schweizerischer Verband fur Waldwirtschaft».
Wahrend der Jahresversammlung 1934 in Langenthal liess der Schweizerische Forstverein am Waldrand beim Moosrain an einer Stelle, die heute «Kasthoferplatz» genannt wird, als Naturdenkmal zur Jahrhundertfeier eine Eiche pflanzen. Der inzwischen etwa 100 Jahre alte Baum wird auch «Kasthofereiche» genannt und ist so wie auch der zehn Jahre spater daneben aufgestellte «Kasthoferstein» der Erinnerung an den Vereinsgrunder gewidmet. Der drei Meter lange Gedenkstein ist ein Findling aus der eiszeitlichen Endmorane des Rhonegletschers, der in den 1930er Jahren in einer Kiesgrube bei Langenthal zum Vorschein kam. Der Steinblock aus Hornblendegranit stammt aus dem Dent-Blanche-Massiv im Unterwallis. Der durch Regierungsratsbeschluss vom 5. Oktober 1951 als Naturdenkmal geschutzte Stein auf dem kleinen Festplatz beim Wasserreservoir von Langenthal tragt eine Bronzetafel, die den Berner Forstmann Karl Albrecht Kasthofer und die Grundung des Forstvereins in Langenthal 1834 erwahnt.
1993 – im Jahr des 150-jahrigen Jubilaums des Schweizerischen Forstvereins – trat das neue Schweizerische Waldgesetz in Kraft. Der Verein stellte das Jubilaumsprogramm als Folge der Konferenz der Vereinten Nationen uber Umwelt und Entwicklung von Rio de Janeiro 1992 unter das Motto der «Nachhaltigkeit» und klarte im Seminarprogramm an der Jahresversammlung in Interlaken dessen Bedeutung fur die Schweizer Waldwirtschaft.
Mit der Schweizerischen Zeitschrift fur Forstwesen unterstutzt der Verein forstwissenschaftliche Publikationen zum Beispiel aus der Forschungsgruppe «Nachhaltige Forstwirtschaft» der Eidgenossischen Forschungsanstalt fur Wald, Schnee und Landschaft (WSL) und aus dem Programm «Waldokonomischer Wissenstransfer», mit dem die Ergebnisse von Veranstaltungen des Instituts Multifunktionale Waldwirtschaft an der Hochschule fur Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften in Zollikofen veroffentlicht werden.
Veroffentlichungen des SFV Schweizerisches Forst-Journal (Digitalisat auf e-periodica.ch der ETH-Bibliothek).
Schweizerische Zeitschrift fur das Forstwesen (frz. Journal suisse d’economie forestiere), seit dem Jahrgang 1895 neuer Name: Schweizerische Zeitschrift fur Forstwesen (Digitalisat auf e-periodica.ch).
Elektronische Version der Zeitschrift, seit 1999: www.szf-jfs.org.
Gottlieb Zotl: Uber die Behandlung und Anlegung von Bannwaldungen im Hochgebirge. Burgdorf 1844.
Elias Landolt: Der Wald, seine Verjungung, Pflege und Benutzung, bearb. fur das Schweizervolk. Zurich 1866.
Die Wiederbewaldung der Hochgebirge. 1871.
Elias Landolt: Wiener Weltausstellung. Verzeichniß der Ausstellungsgegenstande des Schweizerischen Forstvereins. Mit einem erlauternden Bericht. Zurich 1873.
Elias Landolt: Die Bache, Schneelawinen und Steinschlage und die Mittel zur Verminderung der Schadigung durch dieselben. 1886.
Philipp Flury: Die forstlichen Verhaltnisse der Schweiz. Zurich 1914; 1925.
Beihefte zu den Zeitschriften des Schweizerischen Forstvereins. 1925 bis 1982.
Die Produktionssteigerung der schweizerischen Forstwirtschaft. Eine nationale Pflicht. Denkschrift. Bern 1919.
Schoner Wald in treuer Hand. Sauerlander, Aarau 1949.
Wohltatiger Wald. Neue Aufgaben unserer Walder. Zurich 1962.
Christian Kuchli: La foret suisse. Ses racines, ses visages, son avenir (edite par la Societe forestiere suisse, a l’occasion de son 150e anniversaire). Lausanne 1992.
Christian Kuchli: Wurzeln und Visionen. Promenaden durch den Schweizer Wald. AT Verlag, Aarau 1992.
Personen = Prasidenten =
(Quelle: )
1843–1844: Karl Albrecht Kasthofer (1777–1853), Professor fur Waldbau an der Universitat Bern
1846: Niklaus Kaiser (1806–1869), Oberforster, Regierungsrat, Solothurn
1847: Friedrich Finsler (1804–1882), Oberforstmeister, Zurich
1849: Christoph Friedrich Manuel (1809–1891), Oberforster, Burgdorf
1850: Johannes Bohl (1801–1879), Kantonsforstinspektor, St. Gallen
1851: Walo von Greyerz (1815–1904), Forstverwalter, Lenzburg
1852: Xavier Marchand (1799–1859), Kantonsforstmeister, Bern, spater Professor fur Forstwirtschaft am Eidgenossischen Polytechnikum Zurich
1853: Edmond Davall (1793–1860), Offizier und Forstrat, Vevey
1854: Johann Wilhelm Coaz (1822–1918), kantonaler Forstinspektor, Chur
1855: Xaver Konrad Amrhyn (1804–1885), Oberforster, Luzern
1856: Jakob Kopp (1819–1889), Kantonsoberforster, Frauenfeld, Mitgrunder des Schweizerischen Landwirtschaftlichen Vereins, 1860 bis 1888 Professor an der land- und forstwirtschaftlichen Abteilung des Eidgenossischen Polytechnikums
1857: Adolf von Greyerz (1818–1871), Forstinspektor, Freiburg
1858: Hermann Stokar (1807–1861), Stadtforstmeister, Schaffhausen
1860: Johann Baptist Wietlisbach (1822–1887), Oberforster, Aarau
1861: Theodore de Meuron, Kantonsforstinspektor, Neuenburg
1862: Elias Landolt (1821–1896), Professor fur Forstwissenschaft ETH Zurich, Sekretar des Schweizerischen Landwirtschaftlichen Vereins
1863: Johann Weber (1828–1878), Landwirt und Politiker, Kanton Bern
1864: Johannes Bohl, St. Gallen
1865–1878: Johann Weber (1828–1878), Landwirt, Kanton Bern
1878–1883: Franz Fankhauser (1822–1900), Oberforster, Kanton Bern
1883–1893: Elias Landolt
1894–1902: James-Constant Roulet (1842–1918), inspecteur general des forets, Kanton Neuenburg
1903–1905: Theodor Felber (1849–1924), 1894 bis 1917 Professor fur Forstwissenschaften an der ETH Zurich
1906: Franz Fankhauser (1849–1932), Eidgenossischer Forstinspektor, Redaktor der Schweizerischen Zeitschrift fur Forstwesen
1907–1908: Arnold Engler (1869–1923), Kantonsoberforster des Kantons Nidwalden, Professor fur Forstwissenschaften an der ETH Zurich, 1902 bis 1923 Direktor der Eidgenossischen Anstalt fur das forstliche Versuchswesen
1909–1920: Ernest Muret (1865–1955), Chef du service Forets, Chasse et Peche du canton de Vaud 1903–1935
1921–1926: Theodor Weber (1870–1952), Oberforstmeister des Kantons Zurich
1927–1932: Fritz Graf (1885–1932), Kantonsoberforster des Kantons St. Gallen
1932–1935: Otto Furrer (1878–1954), Kantonsoberforster des Kantons Solothurn
1936–1938: Kaspar Knobel, Kantonsoberforster und Politiker, Kanton Schwyz
1939–1941: Frederic Grivaz (1884–1972), Chef du service Forets, Chasse et Peche du canton de Vaud
1942–1947: Hans Jenny (1897–1960), Lehrer an der Landwirtschaftlichen Schule Plantahof, Kantonsforstinspektor des Kantons Graubunden
1947–1953: Ernest Schonenberger (?–1964), Politiker, von Tavannes, Berner Jura, Prasident der Federation jurassienne
1953–1957: Josef Jungo (1903–1980), Kantonsforstinspektor des Kantons Freiburg, Eidgenossischer Oberforstinspektor
1957–1959: Jacques Barbey (1904–1959), inspecteur des forets, Stadt Lausanne
1959–1965: Gottfried Wenger (1909–1992), Forstingenieur, Kanton Bern
1965–1971: Wilfried Kuhn (1922–2013), Oberforstmeister des Kantons Zurich
1971–1977: Giacomo Viglezio, Forstinspektor, Kanton Tessin
1977–1983: Francois Borel, inspecteur des forets, Stadt Neuenburg
1983–1992: Werner Giss, Kantonsoberforster des Kantons Zug
1992–1998: Anton Brulhart, Kantonsoberforster des Kantons Freiburg
1998–2005: Heinz Kasper (* 1947), Kantonsoberforster des Kantons Aargau, Chef der Sektion Waldbau an der Eidgenossischen Forschungsanstalt fur Wald, Schnee und Landschaft
2005–2012: Adrian Lukas Meier-Glaser (* 1957), Forstinspektor, Kanton Bern
2012–2019: Jean Rosset, Inspecteur cantonal des forets, Service des forets, de la faune et de la nature du canton de Vaud
seit 2019: Regina Wollenmann, Forstingenieurin ETHZ, Grun Stadt Zurich 2011–2020, Leiterin Werkbetrieb der Stadt Chur seit 2020
= Weitere Personen =
Albert Davall (1821–1892), Forstwissenschaftler, Forstinspektor des Kantons Waadt, Autor wissenschaftlicher Aufsatze fur die Zeitschrift des Schweizer Forstvereins und das Bulletin der Societe Vaudoise des Sciences Naturelles
Karl Gayer (1822–1907), Forstwissenschaftler, Professor an der Universitat Munchen, Ehrenmitglied des Schweizerischen Forstvereins
Karl Schuberg (1827–1899), Forstwissenschaftler, Ehrenmitglied des Schweizerischen Forstvereins
Ulrich Meister (1838–1917), Stadtforstmeister in Zurich, 1906 Ehrenmitglied des Schweizerischen Forstvereins
Robert Hartig (1839–1901), Forstwissenschaftler, Professor an der Universitat Munchen, Ehrenmitglied des Schweizerischen Forstvereins
Anton Buhler (1848–1920), Professor der Forstschule des Eidgenossischen Polytechnikums, ab 1888 Direktor der Centralanstalt fur das forstliche Versuchswesen
Conrad Bourgeois (1855–1901), Professor fur Forstwissenschaften am Eidgenossischen Polytechnikum, Vorstand der Forstschule, Direktor der Centralanstalt fur das forstliche Versuchswesen
Maurice Decoppet (1864–1922), 1902 bis 1914 Professor fur Forstwissenschaften am Eidgenossischen Polytechnikum Zurich (seit 1911 ETH Zurich), Redaktor des Journal forestier suisse, 1914 bis 1922 Eidgenossischer Oberforstinspektor
Henri Badoux (1871–1951), 1915 bis 1941 Professor fur Forstwissenschaften an der ETH Zurich, Direktor der Eidgenossischen Anstalt fur das forstliche Versuchswesen, 1915 bis 1945 Redaktor des Journal forestier suisse, Ehrenmitglied des Schweizerischen Forstvereins sowie der Societe vaudoise de sylviculture
Walter Schadelin (1873–1953), Oberforster der Burgergemeinde Bern, Professor fur Waldbau an der ETH Zurich, Ehrenmitglied des Schweizerischen Forstvereins
Hermann Knuchel (1884–1964), 1922 bis 1952 Professor fur Forstwissenschaften an der ETH Zurich, 1922 bis 1945 Redaktor der Schweizerischen Zeitschrift fur Forstwesen
Hans Burger (1889–1973), 1934 bis 1955 Direktor der Eidgenossischen Anstalt fur das forstliche Versuchswesen, 1935 bis 1954 Dozent und Professor an der ETH, 1948 bis 1952 Prasident der International Union of Forestry Research Organizations, 1943 Ehrenmitglied des Schweizerischen Forstvereins
Charles Gonet (1892–1963), 1941 bis 1957 Professor fur Forstokonomie an der ETH Zurich
Hans Leibundgut (1909–1993), Vertreter des naturnahen Waldbaus, von 1946 bis 1979 Redaktor der Schweizerischen Zeitschrift fur Forstwesen
Albert Hauser (1914–2013), Wirtschaftshistoriker, Professor fur Geschichte und Soziologie der Land- und Forstwirtschaft an der ETH
Hans Heinrich Bosshard (1925–1996), Professor fur Holzkunde und ‑technologie sowie Leiter des Instituts fur mikrotechnische Holzforschung an der ETH Zurich
Kurt Eiberle (1930–1993), Professor fur Wildkunde an der ETH, 1981 bis 1990 Redaktor der Schweizerischen Zeitschrift fur Forstwesen
Viktor Kuonen (1931–1990), Professor fur forstliches Ingenieurwesen an der ETH Zurich
Anton Schuler (* 1944), Leiter des ehemaligen Arbeitsbereichs Wald- und Forstgeschichte an der Professur fur Forsteinrichtung und Waldwachstum der ETH Zurich, ab 1990 Redaktor der Schweizerischen Zeitschrift fur Forstwesen
Siehe auch WaldSchweiz
Deutscher Forstverein
Literatur Bericht an den Bundesrath uber das Forstwesen in der Schweiz. Vom Schweizerischen Forstverein. 7. Juli 1856.
W. J., Bisaz, Jenny: Jahrhundertfeier des Schweizerischen Forstvereins in Langenthal. 28./29. August 1943 (= Beiheft zu den Zeitschriften des Schweizerischen Forstvereins. Bd. 22). Bern 1944.
Heinrich Grossmann: Naturforscher und Forstwirtschaft. In: Schweizerische Zeitschrift fur Forstwesen. 97. Jg., 1946, S. 464–471.
Heinrich Grossmann: Die schweiz. Forstwirtschaft in der zweiten Halfte des 19. Jahrhunderts. In: Schweizerische Zeitschrift fur Forstwesen. 100. Jg., 1949, S. 464–486.
August Henne: Einfluss des Schweizerischen Forstvereins auf die Entwicklung des Forstwesens in der Schweiz 1843–1938. Langenthal 1943.
Elisabeth Johann: Zur Entwicklung des Forschungsgebietes Wald- und Forstgeschichte in Europa – Ruckblick und Ausblick. In: Schweizerische Zeitschrift fur Forstwesen. 157. Jg., 2006, S. 372–376.
Viktor Kuonen: 125 Jahre forstliche Ausbildung an der ETH. In: Schweizerische Zeitschrift fur Forstwesen. 131. Jg., 1980, S. 1025–1054.
Otto Muller: Dursrutti. Festspiel zur Grundungsfeier des Schweizerischen Forstvereins. Langenthal 1943.
Anton Schuler: Forstwissenschaft. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
Anton Schuler: Forstgeschichte – Waldgeschichte. In: Der Geschichtsfreund. Mitteilungen des Historischen Vereins Zentralschweiz. 161. Jg., 2008, S. 22–46.
Anton Schuler: La fondation de la societe forestiere suisse en l’an 1843 et son role dans la politique et la legislation forestiere helvetique. In: Annales des Ponts et Chaussees. Bd. 103, 2002, S. 51–57.
Elias Landolt: Bericht an den hohen schweizerischen Bundesrath uber die Untersuchung der Schweiz. Hochgebirgswaldungen, vorgenommen in den Jahren 1858, 1859 und 1860. Bern 1862.
Elias Landolt: Festschrift zum funfzigjahrigen Jubilaum des schweizerischen Forstvereins gegr. am 27. Mai 1843. Zurich 1893.
Erwin Wullschleger: 100 Jahre Eidgenossische Anstalt fur das forstliche Versuchswesen 1885–1985. In: Mitteilungen der EAFV. 61, 1985, Heft 1.
Weblinks Literatur von und uber Schweizerischer Forstverein im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Website des Schweizerischen Forstvereins
Einzelnachweise | 
	Der Schweizerische Forstverein (SFV; franzosisch Societe forestiere suisse (SFS); italienisch Societa forestale svizzera (SFS)) ist eine gemeinnutzige Organisation in der Schweiz und der nationale Fachverband fur Forstwirtschaft. Er wurde im Jahr 1843 gegrundet und hat seinen Sitz in Pfaffikon.
Der SFV spielt als Vereinigung von Fachleuten kantonaler und kommunaler Forstbetriebe, offentlicher und privater Waldbesitzer sowie von Personen und Institutionen der Forstwissenschaft eine wichtige Rolle fur die Vermittlung von Informationen uber den Zustand der Walder in der Schweiz, uber neue Methoden des Waldbaus und uber okologische Zusammenhange und Entwicklungen in der Naturlandschaft und in den bewirtschafteten Sekundarbiotopen. | 
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	c-579 | 
	Das Schwein beim Friseur und anderes (auch: Das Schwein beim Friseur und andere Geschichten) ist ein Sammelband fur Kinder von Erich Kastner mit Illustrationen von Horst Lemke. Die Erstausgabe erschien 1962 im Atrium Verlag (Zurich) und bei Dressler (Berlin). Es ist neben Der kleine Mann und Der kleine Mann und die kleine Miss eines seiner spaten Kinderbucher.
Entstehung Das Kinderbuch enthalt sechzehn Texte mit diversen Themen, die meistens schon um das Jahr 1930 herum in verschiedenen Zeitungen und Magazinen veroffentlicht worden waren. Kastner hat sie vor der Veroffentlichung als Buch stilistisch bearbeitet. Die Textsammlung erschien im Taschenbuchformat – eine Anregung der Verlegerin Cecilie Dressler.
Inhalt In der Erstausgabe erscheint ein Vorwort, das als Brief gestaltet ist. Es beginnt mit Liebe Kinder und endet mit der Unterschrift Euer EK. In diesem Brief erlautert der Erzahler, dass die Herausgabe dieser Textsammlung am Fehlen preisgunstiger Taschenbucher fur Kinder liege und er deshalb in der eigenen Schreibtischschublade als Taucher nach Texten gesucht habe.
Der Band beginnt mit der titelgebenden Erzahlung Das Schwein beim Friseur. In der Geschichte werden die Erlebnisse von Berthold geschildert, der sich nicht gerne die Haare schneiden lassen mochte und von seiner Mutter zum „Friseur am Zoo“ gebracht wird. Dort sitzen die Kinder statt auf Stuhlen auf lebendigen Tieren wie einem Pony, einem Esel und einem kleinen Elefanten. Fur Berthold ist gerade das Schwein frei. Nachdem seine Haare zur Halfte geschnitten sind, jagt das Tier mit ihm aus dem Laden und durch die Stadt, bis es in eine Villa rennt. Dort trifft Berthold auf die kranke Bella, die bei seinem Anblick so lachen muss, dass sie schnell wieder gesund wird. Die beiden verwitweten Elternteile der Kinder verlieben sich, heiraten und gemeinsam leben alle mitsamt dem Schwein in der Villa. Das Schwein beim Friseur ist eine der drei phantastischen Geschichten. In einer anderen wird Friedrich, der gerne spioniert, von Sherlock Holmes hochstpersonlich von seiner Neugierde geheilt.
Andere Texte im Buch sind realistische Erzahlungen; manche sprechen auch ernste Themen an. Es finden sich auch in diesem Band Anklange an Kastners eigene Kindheit: Frau Hebestreit spioniert erzahlt davon, wie eine Mutter aus Sorge ihren Sohn heimlich verfolgt. Von dieser Angewohnheit seiner Mutter berichtet Kastner auch in seiner Autobiografie Als ich ein kleiner Junge war. Bei Ein Kind hat Kummer nimmt der Text (bis hin zum Wortlaut) Anleihen bei Punktchen und Anton. In der Erzahlung Zwei Schuler sind verschwunden besuchen Uli und Matz, die schon aus Das fliegende Klassenzimmer bekannt sind, heimlich die Olympischen Winterspiele in Garmisch-Partenkirchen. Außer Prosatexten finden sich auch funf Gedichte, von denen eines (Als der Nikolaus kam) als Ubersetzung der amerikanischen Geschichte A Visit from St. Nicholas von Clement Clarke Moore (1822) ausgegeben wird.
Rezeption Beim Erscheinen gab es einige meist positive Rezensionen. Hanns-Hermann Kersten empfahl das Buch fur alle Kinderbuchereien, auch wenn einige Erzahlungen sich an ein alteres Publikum richten.
Ausgaben Erich Kastner: Das Schwein beim Friseur. Atrium Verlag, Zurich 1962, mit Illustrationen von Horst Lemke, Titelbild von Walter Trier.
Sekundarliteratur Stefan Neuhaus (Hrsg.): Kastner-Handbuch: Leben – Werk – Wirkung, Springer Verlag, Berlin 2023, ISBN 978-3-662-67226-6.
Hanns-Hermann Kersten, Das Schwein beim Frisor. Bucherei und Bildung (14) 1962, S. 562–563.
Sven Hanuschek: Keiner blickt dir hinter das Gesicht. Das Leben Erich Kastners. Carl Hanser Verlag, Munchen 2024, ISBN 978-3-446-27987-2.
Einzelnachweise | 
	Das Schwein beim Friseur und anderes (auch: Das Schwein beim Friseur und andere Geschichten) ist ein Sammelband fur Kinder von Erich Kastner mit Illustrationen von Horst Lemke. Die Erstausgabe erschien 1962 im Atrium Verlag (Zurich) und bei Dressler (Berlin). Es ist neben Der kleine Mann und Der kleine Mann und die kleine Miss eines seiner spaten Kinderbucher. | 
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	c-580 | 
	Thomas Johnson Britten (* 6. Marz 1858 in Byton; † 24. Oktober 1910 in Johannesburg) war ein walisisch-englischer Fußballspieler und Bergbauingenieur.
Karriere und Leben Thomas Britten wurde im landlichen Herefordshire in England als Sohn von Charles Britten und dessen Ehefrau Mary Ann Jeffries geboren. Er wuchs nach seiner Geburt in der nachstgelegenen Stadt Presteigne jenseits der walisischen Grenze auf. Nach seiner Ausbildung an der Doncaster Grammar School kam er 1874 nach Glasgow, um eine Ingenieurslehre zu absolvieren, und arbeitete vier Jahre lang in Govan und Linthouse. Als er Glasgow verließ, arbeitete er in Grantham und spater in Liverpool und London. Britten wanderte 1887 wahrend des Sudafrikanischen Goldrauschs als beratender Ingenieur fur das Maschinenbau-Unternehmen Richard Hornsby & Sons nach Sudafrika aus. Im selben Jahr wurde er Grundungsmitglied des Rand Clubs fur Gentlemens. Er errichtete viele Reduktionsanlagen am Witwatersrand, unter anderem in Roodepoort. Im September 1889 gab er seine Position bei Hornsby auf und begann als beratender Ingenieur fur verschiedene Unternehmen zu arbeiten, bis er im Juli 1893 zum Generaldirektor der Wolhuter Gold Mine in Johannesburg ernannt wurde. Er gab diese Position 1903 auf und wurde beratender Ingenieur von Abe Bailey, wo er mindestens bis 1908 blieb. Brittens patentierter Zerstauber wurde mit dem ersten Preis in Hohe von 500 Pfund Sterling und einer Goldmedaille im weltweit offenen Wettbewerb der „Transvaal Chamber of Mines“ zur Verhinderung von Schwindsucht bei Bergleuten ausgezeichnet. Diese Vorrichtung zur Verringerung des beim Schießen (Bohr- oder Sprengarbeiten im Bergbau) entstehenden Staubs wurde 1904 in den Vereinigten Staaten patentiert.
Er starb 1910 in Johannesburg im Alter von 52 Jahren und hinterließ seine Frau Cecilia (* 1865, geborene Botha), die er im Juni 1888 in Greytown, KwaZulu-Natal geheiratet hatte, und zwei Kinder, davon mindestens eine Tochter (* 1889).
= Fußball =
Am 23. Marz 1878 absolvierte er bei einer 0:9-Niederlage von Wales gegen Schottland sein erstes Landerspiel, das bis heute (Stand 2024) die hochste Niederlage von Wales darstellt. Der zu dieser Zeit 20-jahrige Sturmer wurde ausgewahlt, als er fur den im Glasgower Stadtteil Govan ansassigen FC Parkgrove spielte. Parkgrove war fur sein multiethnisches Team bekannt, wobei neben dem Waliser Britten die zwei schwarzen Spieler Robert Walker und Andrew Watson und der aus Niederlandisch-Indien stammende Tommy Marten spielten, was in der Anfangszeit des Fußballs sehr ungewohnlich war. Zwei Jahre spater absolvierte Britten sein zweites und letztes Landerspiel, als er bei einem Verein aus Presteigne in Wales spielte. Sein letztes Spiel im Nationaltrikot ging im Hampden Park mit einer 1:5-Niederlage gegen Schottland verloren. In Sudafrika spielte er mit den Wanderers und gewann den Transvaal Cup.
Weblinks Thomas Britten in der Datenbank von transfermarkt.de
Thomas Britten in der Datenbank der Scottish Sport History (englisch)
Thomas Britten Biographical Database Southern African Science (englisch)
Einzelnachweise | 
	Thomas Johnson Britten (* 6. Marz 1858 in Byton; † 24. Oktober 1910 in Johannesburg) war ein walisisch-englischer Fußballspieler und Bergbauingenieur. | 
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	c-581 | 
	Die Wallnerkaserne liegt in der Stadt Saalfelden im Pinzgau im Bundesland Salzburg. Benannt ist sie nach dem Freiheitskampfer und Schutzenmajor Anton Wallner (verm. 1758–1810).
Geschichte Durch die Vergroßerung des Bundesheeres in den 1930er-Jahren und die Wiedereinfuhrung der allgemeinen Wehrpflicht 1936 wurde ein Mangel an Kasernen deutlich. 1936 wies Landeshauptmann Franz Rehrl in einem Brief an den Bundesminister Eduard Baar-Baarenfels und den General der Infanterie Wilhelm Zehner auf die Eignung von Saalfelden als Standort fur militarische Einheiten hin; Argumente waren die Nahe zur strategisch bedeutsamen Glocknerstraße und der Grenzschutz gegen das im Norden gelegene NS-Deutschland. Auch die Gemeinde unter Burgermeister Bartholomaus Fersterer unterstutzte dieses Anliegen durch die Uberlassung eines entsprechenden Grundstuckes und die Bereitstellung von Bauholz, Wasser und elektrischer Energie auf Gemeindekosten. Bereits im Juli 1937 war der Großteil der Kasernengebaude errichtet, die Kollaudierung erfolgte im Juni 1938, also zu einer Zeit, zu der Osterreich bereits von Deutschland annektiert war.
Die ersten 240 Soldaten, die im Oktober 1937 die Kaserne bezogen, gehorten dem 1. Infanteriebataillon des Wiener Infanterieregiments Alt-Starhemberg Nr. 2 an. 1938 ubernahm die Wehrmacht die Kaserne und erweiterte sie durch den Bau von Baracken. Hier untergebracht waren das Erganzungsbataillon des Gebirgsjagerregiments 137, die Gebirgs-Sanitatsstaffel Saalfelden (Gebirgs-Sanitatsabteilung 42), die Korpsgebirgssanitatsschule (spater Heeresgebirgssanitatsschule) sowie die Sanitatsersatz- und Ausbildungseinheit 18.
Im Mai 1945 ubernahmen Soldaten des 2. Bataillons / 506. Fallschirmjagerregiment / 101. US-Luftlandedivision die Wallner-Kaserne. Zwischen 1945 und 1949 dienten die Kasernengebaude als Fluchtlingslager fur bis zu 1800 Displaced Persons und anschließend unter der Bezeichnung Givat Avoda als Lager des Roten Kreuzes fur judische Emigranten.
In der Besatzungszeit bezog 1949 das 2. Bataillon des 350. Infanterieregiments der U.S. Army die Gebaude von Camp Saalfelden. Hier waren das 1. Bataillon / 350. US-Infanterieregiment („Blue Devils“), verstarkt durch eine mittlere Panzerkompanie, sowie zeitweise die A, B und C-Kompanie des 70. US-Pionierbataillons stationiert. Die Amerikaner belegten die Kaserne mit bis zu 3000 Soldaten. Die von ihnen erbauten Offiziersunterkunfte in der Burgerau wurden nach ihrem Abzug als Zoglingsinternat der BEA (Bundeserziehungsanstalt) – die heutige HIB (Hohere Internatsschule des Bundes) – weiterverwendet. In der Besatzungszeit wurde die Kasernenflache durch die Anlage von Sport- und Lagerplatzen sowie eines Feldflugplatzes flachenmaßig verdoppelt sowie die Kaserne durch eine neue Straße besser erschlossen.
Nach dem Osterreichischen Staatsvertrag und dem Abzug der US-Armee wurde die Kaserne 1955 fur die B-Gendarmerie verwendet und die 1. Unterabteilung der Gendarmerieschule Tirol II dort untergebracht. Nach Grundung des Bundesheeres wurde die Kaserne 1956 zum Standort der 2. Kompanie des Jagerbataillons 30, 1957 folgte die Unterstutzungskompanie des JgB 30. Das Kommando des Truppenubungsplatzes Hochfilzen befand sich von 1959 bis 1961 ebenfalls in Saalfelden. Von 1960 bis 1970 war hier die Tragtierkompanie des Ausbildungsregimentes 8 stationiert. Von 1961 bis 1986 war hier auch das Kommando des Heeresmunitionslagers Lofer-Hochfilzen untergebracht.
Am 1. Januar 1963 wurde hier die Jagerschule gegrundet; wichtig dafur waren das Ubungsgelande am Ramseider- und Oedterberg sowie der Schießplatz Lenzing und die Nahe zum Truppenubungsplatz Hochfilzen. In der Kaserne wurde ein Hubschrauber-Landeplatz angelegt sowie eine Gedenkstatte fur die im Dienst verungluckten und gefallenen Soldaten des Ersten und Zweiten Weltkrieges angelegt. Danach waren hier untergebracht: die Jagerschule, bestehend aus der Stabskompanie und der 1. und 2. Lehrkompanie, das Kasernenkommando mit Krankenrevier, Teile des Landwehrstammregiments 83 und Teile der Verwaltungsstelle St. Johann, das Katastrophen-Einsatzmagazin des Amtes der Salzburger Landesregierung und der Stab des mobil zu machenden Jagerbataillons 29.
Die Jagerschule entwickelte sich zu einer der bekanntesten Infanterieschulen auch fur auslandische Armeen fur die Alpin- und Gebirgskampfausbildung in Europa. Ab 1986 kamen vornehmlich amerikanische Militareinheiten, darunter auch Spezialeinheiten wie die Navy SEALs, regelmaßig hierher, um Spezialtrainings abzuhalten.
Aktuelle Verwendung Am 25. September 2008 wurde die Jagerschule des Bundesheeres nach 45 Jahren nach Bruckneudorf verlagert. Der Standort Saalfelden dient seitdem als Gebirgskampfzentrum der Heerestruppenschule. Hier werden auch Kurse zum Heeresbergfuhrer, Heeresskilehrer und Heeresflugretter abgehalten. Die Soldaten stehen ebenfalls fur Katastropheneinsatze zur Verfugung. Hier ist die „Pooling & Sharing Mountain Training Initiative“ der EU lokalisiert. Daneben werden Soldaten befreundeter Armeen fur den Gebirgskampf ausgebildet (z. B. deutsche Bundeswehr, British Army, U.S. Army, Japanische Selbstverteidigungsstreitkrafte); die Unterrichtssprache dabei ist Englisch.
Lage und Verkehr Die Kaserne befindet sich im Sudosten von Saalfelden an der Ramseiderstraße und kann uber die Haltestelle Saalfelden Wallnerkaserne mit offentlichen Verkehrsmitteln erreicht werden.
Siehe auch Liste der Kasernen des osterreichischen Bundesheeres
Liste von Kasernen und weiteren militarischen Einrichtungen in Salzburg
Literatur Eduard Schuster: Wallnerkaserne Saalfelden. In: Marktgemeinde Saalfelden: Chronik Saalfelden (Band II). Saalfelden 1992 (S. 731–734).
Weblinks Wallner-Kaserne auf bundesheer.at, abgerufen am 28. Marz 2024.
So entstand die Wallner-Kaserne auf Bundesministerium Landesverteidigung, abgerufen am 28. Marz 2024.
Anton Wallner Kaserne auf saalfelden.at, abgerufen am 28. Marz 2024.
Anton-Wallner-Kaserne auf Salzburgwiki, abgerufen am 28. Marz 2024.
Einzelnachweise | 
	Die Wallnerkaserne liegt in der Stadt Saalfelden im Pinzgau im Bundesland Salzburg. Benannt ist sie nach dem Freiheitskampfer und Schutzenmajor Anton Wallner (verm. 1758–1810). | 
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	c-582 | 
	Die Schiffsschraubenfabrik Ostermann & Co  war ein deutsches Unternehmen im Metallbau in Koln. Es war zeitweilig das fuhrende deutsche Unternehmen in der Herstellung von Schiffsschrauben.
Geschichte Das Unternehmen Ostermann & Flus wurde 1890 von dem Formermeister Gustav Ostermann und dem Kaufmann Wilhelm Flus in Koln-Riehl gegrundet. Es eroffnete sein erstes Werk an der Mulheimer Heide, heute Boltensternstraße. Auf einem 24.000 Quadratmeter großen Gelande wurden eine Kupferhochofenanlage, eine Metallhutte und eine Raffinerieanlage errichtet. Anfanglich wurden hauptsachlich Lagerschalen fur das Eisenbahn-Ausbesserungswerk in Koln-Nippes produziert.
1890 war die Propellerentwicklung noch in ihren Anfangen. Neben anderen Produkten der Metallverarbeitung spezialisierte sich das Unternehmen ab 1900 auf die Herstellung von Wellenanlagen und Schiffspropellern mit einem Gewicht von bis zu 20 Tonnen aus Bronze und im Schleudergussverfahren.
1915 wurden zudem die Mendener Drahtwerke erworben, wo nach dem Zweiten Weltkrieg uberwiegend Kuchenherde produziert wurden. 
Wegen der schlechten Wirtschaftslage wurde die Produktion in Riehl 1931 eingestellt, die Propellerproduktion aber von Gustav Ostermanns Sohnen Kurt und Hans zunachst in Koln-Bayenthal weitergefuhrt. Nachdem man 1937 den Betrieb der Eisengießerei Wiedenbruck & Wilms am Grunen Weg in Ehrenfeld ubernommen und auch den Firmensitz dorthin verlegt hatte, befand sich dort bis 1992 die Produktion. Anette Essam, Lehrbeauftragte im Bereich Denkmalpflege und Historische Bauforschung der RWTH Aachen, schrieb hierzu 2009: „Heute wundert uns, in Anbetracht der zuletzt hergestellten Propeller fur Ozeanriesen, diese Standortwahl in Koln-Ehrenfeld, weit weg vom Fluss.“
Im Mai 1944 wurde die Gießerei in Ehrenfeld zerstort, und das Unternehmen verlegte den Rest der Produktion nach Gartz an der Oder, wo indes nur Propeller fur Schnellboote und Minensuchboote gefertigt wurden. Nach Kriegsende wurde die Produktionsstatte in Gartz von der Sowjetunion demontiert.
In Ehrenfeld wurden nach dem Krieg zunachst Produkte wie Waffeleisen, Lampenstander und andere Haushaltsgerate hergestellt. In den 1950er Jahren kam es wieder zu einer verstarkten Nachfrage nach Schiffspropellern. 1952 wurde das Firmengelande mit dem Kauf des Grundstucks Lichtstraße 25 von den Erben der Familie Wahlen (Mitbegrunder Ehrenfelds) vergroßert und 1961/62 die Gießereihalle an der Lichtstraße errichtet. Die Halle machte es moglich, Propeller mit den großten Abmessungen herzustellen. So goss Ostermann 1963 den 25 Tonnen schweren Propeller fur das nuklear angetriebene Frachtschiff Otto Hahn, der aus einer speziellen Bronze bestand und einen Durchmesser von sechs Metern hatte. Nach dem Konkurs des Hamburger Unternehmens Theodor Zeise im Jahre 1979 wurde Ostermann zum großten deutschen Propellerhersteller.
In den 1980er Jahren produzierte die Firma Leitrader, eine Erfindung des Hamburger Schiffbauingenieurs Otto Grim. Die Herstellung dieses Produkts musste aber wegen technischer Probleme eingestellt werden, was erhebliche Verluste verursachte. Wegen dieser Verluste sowie der internationalen Schiffsbaukrise musste 1992 der Betrieb in Koln aufgegeben werden, nachdem Plane, die Fertigung nach Rostock zu verlegen, nicht mehr hatten umgesetzt werden konnen. Kurz vor der Stilllegung produzierte Ostermann noch den zu dieser Zeit großten Propeller Deutschlands, mit einem Durchmesser von 10 Metern und einem Gewicht von 65 Tonnen. Zum Zeitpunkt der Stilllegung beschaftigte Ostermann in Ehrenfeld rund 140 Mitarbeiter. Nach dem Verkauf des Gelandes wurden die Anlagen großtenteils abgerissen. Ubrig geblieben sind ein Teil des Empfangsgebaudes, die Gießereihalle und die 1982 entstandene Schleifereihalle, die umgebaut anderen Zwecken dienen.
Literatur Johannes Maubach: Auf den Spuren der alte Ehrenfelder Industrie. Flock-Druck, Koln 2005, S. 122/3. 
Weblinks Einzelnachweise | 
	Die Schiffsschraubenfabrik Ostermann & Co  war ein deutsches Unternehmen im Metallbau in Koln. Es war zeitweilig das fuhrende deutsche Unternehmen in der Herstellung von Schiffsschrauben. | 
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	c-583 | 
	Die Hochzeit von Furst Rainier III. von Monaco und Grace Kelly fand am 19. April 1956 in der Kathedrale Notre-Dame-Immaculee in Monaco statt. Am Tag vor der kirchlichen Trauung erfolgte die standesamtliche Zeremonie im Thronsaal des Furstenpalastes von Monaco.
Furst Rainier lernte die US-amerikanische Filmschauspielerin Grace Kelly im Mai 1955 bei einem von der franzosischen Wochenzeitschrift Paris Match anlasslich der Filmfestspiele von Cannes arrangierten Zusammentreffen im Palast kennen. Die Verlobung wurde Anfang Januar 1956 offiziell bekannt gegeben, nachdem Rainier einen Monat zuvor in die Vereinigten Staaten gereist war und den Eltern der zukunftigen Landesmutter seine Aufwartung gemacht hatte.
Die Vermahlung wurde zu einem der bedeutendsten Medienereignisse der 1950er-Jahre und von mehr als 30 Millionen Fernsehzuschauern in neun Landern verfolgt. Das gesteigerte Interesse der Weltoffentlichkeit machte Monaco zum Zentrum der internationalen High Society und leitete einen wirtschaftlichen Aufschwung im von politischen und finanziellen Problemen betroffenen Furstentum ein. Mit der Vermahlung beendete die Schauspielerin ihre Karriere. Sie nahm einen neuen Titel an und hieß fortan Princesse Grace de Monaco, wahrend im deutschen Sprachraum die verkurzte Bezeichnung Gracia Patricia ublich wurde. Im Jahr 1982 starb die Furstin an den Folgen eines Autounfalles.
Aus der Ehe gingen die drei Kinder Caroline, Albert und Stephanie hervor, die der Herrscherdynastie der Grimaldis die Erbfolge sicherten. Seit dem Tod seines Vaters im Jahr 2005 ist Albert II. regierender Furst von Monaco. Neben anderen europaischen Adelshausern steht die Furstenfamilie zeitlebens im besonderen Interesse der Medien.
Vorgeschichte = Ausgangssituation =
Furst Rainier III. ubernahm im Mai 1949 als Thronfolger die Regentschaft uber das Furstentum Monaco als eines der altesten Herrscherhauser Europas. Seine mehrjahrige Beziehung zu der geschiedenen franzosischen Schauspielerin Gisele Pascal scheiterte 1953 unter anderem aus Grunden der Staatsraison. Nach den Statuten des mit dem angrenzenden Frankreich abgeschlossenen Vertrages aus dem Jahr 1918 war die Sicherung der Nachkommenschaft fur die konstitutionelle Monarchie von existentieller Bedeutung. Der charismatische Furst galt zu diesem Zeitpunkt als einer der begehrtesten Junggesellen der Welt. Der Stadtstaat hingegen steckte in einer ernsten Finanzkrise, da die Besucherzahlen des Casinos als wichtigste Einnahmequelle Anfang der 1950er-Jahre einbrachen. Die wohlhabenden Gaste aus dem europaischen Adel verfugten nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht mehr uber die notwendigen Geldmittel und suchten zunehmend andere Orte an der franzosischen Riviera oder außerhalb des Kontinentes auf. Plane des Fursten, den Stadtstaat zu modernisieren und in ein internationales Kultur- und Erholungszentrum fur ein breiteres Publikum umzugestalten, fuhrten zu Konflikten mit den Traditionalisten im monegassischen Nationalrat. Die notwendige Transformation wurde durch Machtkampfe mit dem Reeder Aristoteles Onassis zusatzlich erschwert. Der griechische Geschaftsmann erwarb 1955 durch Aktienkaufe eine Mehrheitsbeteiligung an der Societe des bains de mer (SBM), dem staatlichen Hotel- und Casinokonzern, und rettete spater die großte Bank des Landes vor dem Konkurs. Mit der Kontrolle uber die einflussreiche SBM leitete Onassis einen wirtschaftlichen Aufschwung Monacos ein. Eine baldige Vermahlung Rainiers, die zur Beschleunigung dieser Entwicklung beitragen und das kleine Land in das Zentrum der Weltoffentlichkeit rucken konnte, schien erstrebenswert.
Die US-amerikanische Filmschauspielerin Grace Kelly feierte 1952 neben Theater- und Fernsehauftritten mit dem mehrfach ausgezeichneten Western Zwolf Uhr mittags ihren ersten großen Filmerfolg. Im Herbst 1954 hatte sie die Dreharbeiten in Sudfrankreich zum romantischen Thriller Uber den Dachern von Nizza, der dritten und letzten Zusammenarbeit mit Regisseur Alfred Hitchcock, beendet und befand sich auf dem Hohepunkt ihrer Karriere. Mehrere ihr gewidmete Coverstorys, darunter Ende Januar 1955 im auflagenstarken Nachrichtenmagazin Time und knapp drei Monate spater in der popularen Zeitschrift Life, machten sie einer breiten Offentlichkeit bekannt. Zudem erhielt sie am 30. Marz 1955 einen Academy Award als beste Hauptdarstellerin fur ihre Darbietung im Filmdrama Ein Madchen vom Lande. Vertraglich an Metro-Goldwyn-Mayer (MGM) gebunden, drehte sie innerhalb von anderthalb Jahren sechs ihrer insgesamt elf Spielfilme fur verschiedene Filmstudios. Trotz der Begeisterung fur ihren Beruf fuhrte insbesondere die mediale Aufmerksamkeit um ihre Person bei ihren Aufenthalten in Hollywood zu einem Sinneswandel. Aus diesem Grund nahm Kelly unter Ausnutzung einer Vertragsklausel eine Auszeit von ihren Verpflichtungen bei MGM. Wahrend der Erholungspause, die bis zum Fruhjahr 1955 dauerte, richtete sie unter anderem ihre neu gemietete Wohnung an der Fifth Avenue in New York City ein. Zwischenzeitlich endete das von Schlagzeilen in der Regenbogenpresse begleitete Verhaltnis mit dem bereits geschiedenen Modeschopfer Oleg Cassini. Sein Lebenswandel widersprach den Vorstellungen ihrer vom katholischen Glauben gepragten Eltern John B. Kelly senior („Jack“) und Margaret, was ihn ahnlich wie bei zuruckliegenden Romanzen mit Schauspielerkollegen zu einem ungeeigneten Heiratskandidaten machte. In der Folge ließ Kelly ihre fruhere Affare mit dem franzosischen Schauspieler und Drehbuchautor Jean-Pierre Aumont kurzzeitig wieder aufleben, ohne dass sich ein fortwahrendes Lebensgluck einstellte.
= Erste Begegnung =
Im Marz 1955 kontaktierte Rupert Allan, der Herausgeber des Magazins Look, Grace Kelly telefonisch in ihrem Apartment in Manhattan und uberredete sie zur Teilnahme an den bevorstehenden Internationalen Filmfestspielen von Cannes. Auf Drangen der Motion Picture Association sollte sie als Reprasentantin der Vereinigten Staaten den Oscar-pramierten Film Ein Madchen vom Lande vorstellen. Wenig spater erhielt der Filmredakteur Pierre Galante der franzosischen Zeitschrift Paris Match anlasslich einer redaktionellen Konferenz im Vorfeld des Festivals den Auftrag, eine Fotoreportage uber die prominente Schauspielerin vorzubereiten. Auf Vorschlag des Chefs vom Dienst, Gaston Bonheur, war als besondere Attraktion eine Zusammenkunft mit Furst Rainier III. im Palast von Monaco vorgesehen, weil man sich eine publicitytrachtige Story mit dem heiratswilligen Junggesellen und der ebenfalls ledigen Schauspielerin versprach.
Am 4. Mai 1955 traf Grace Kelly in Paris ein, begleitet von ihrer Freundin, der Kostumbildnerin Gladys de Sogonzac. Im Nachtzug nach Cannes trafen sie auf Pierre Galante und seine damalige Ehefrau, die Filmschauspielerin Olivia de Havilland. Galante nutzte die Gelegenheit, um Kelly einen Ausflug in das nicht weit entfernte Furstentum als Abwechslung zu ihrem Pflichtprogramm nahezulegen, nachdem er bereits zuvor formlich beim Sekretariat des monegassischen Palastes angefragt hatte. Als Furst Rainier sich zu einer zeitnahen Begegnung am 6. Mai um 16:00 Uhr bereit erklarte, musste der Leiter der MGM-Vertretung in Europa, Elias Lapinere, weitere Uberzeugungsarbeit leisten, bevor Kelly endgultig einwilligte. Um 17:30 Uhr desselben Tages war sie jedoch als Gastgeberin der US-amerikanischen Delegation fur einen offiziellen Empfang in Cannes eingeplant. Daraufhin wurde der Termin im Palast kurzfristig um eine Stunde vorverlegt.
Am nachsten Morgen stand das Treffen kurz vor der Absage. Wegen eines landesweiten Streiks der Elektrizitatswerke war Kelly nicht in der Lage, ihre von der langen Anreise verknitterte Garderobe im Hotelzimmer zu bugeln und ihre nassen Haare zu fohnen. In der Not entschied sie sich fur ein unversehrtes schwarzes Kleid aus Taftseide mit einem fur den Anlass nach Meinung von Beobachtern eher unpassenden auffalligen rot-grunen Blumenmuster und steckte ihr Haar zu einem Knoten hoch. Statt des von der Etikette vorgeschriebenen Hutes arbeitete de Sogonzac ein Stirnband zu einem diademartigen Kopfschmuck um. Wahrend der zweistundigen Fahrt nach Monaco kam es zu einem Zusammenstoß mit geringfugigem Blechschaden zwischen dem Fahrzeug, in dem Lapinere, Kelly, de Sogonzac und Galante saßen, sowie dem Wagen der Fotografen von Paris Match. Bei der Ankunft war Furst Rainier noch nicht rechtzeitig von einer vorherigen Veranstaltung zuruck. Die Wartezeit von etwa 45 Minuten uberbruckten Kelly und ihr Gefolge mit einer Besichtigung des 220 Zimmer umfassenden Palastes. Nach einer Entschuldigung fur sein verspatetes Eintreffen, erwidert von einem angedeuteten Hofknicks des Gastes, fuhrte der Regent Kelly durch seinen Privatzoo und die Palastgarten. Den Einschatzungen der anderen Besucher zufolge entwickelte sich trotz des protokollarischen Rahmens eine gegenseitige Sympathie. Bedingt durch den engen Zeitplan dauerte der Rundgang weniger als eine Stunde. Bei der Verabschiedung kundigte Rainier eine Reise in die Vereinigten Staaten im kommenden Winter an, verbunden mit der Hoffnung, die Schauspielerin wiederzusehen.
= Brautwerbung =
Noch am Abend nach dem Kennenlernen der Schauspielerin suchte Furst Rainier seinen engsten Berater Pater Francis Tucker auf und berichtete von seinen Eindrucken. Der Hofkaplan mit irisch-amerikanischen Wurzeln stammte aus der Nahe von Grace Kellys Geburtsort Philadelphia und kannte die Familie. Auf der Suche nach einer passenden Gemahlin fur den Monarchen hatte er zuvor einige Kandidatinnen in Erwagung gezogen, darunter Prinzessin Margaret, die Schwester der britischen Konigin Elisabeth II., sowie die US-amerikanischen Schauspielerinnen Deborah Kerr, Eva Marie Saint und Natalie Wood. Im Auftrag seiner Durchlaucht verfasste Tucker einen anfangs noch formlichen Dankesbrief, den Kelly gleichermaßen zuruckhaltend beantwortete. Beide fuhlten sich von der gegenseitigen Wertschatzung ermutigt, sodass die Korrespondenz im Laufe der Zeit vertraulicher wurde. Im Mai 1955 reiste Tucker in seinen Heimatort Wilmington, um Hintergrundinformationen uber Kelly zu beschaffen und ihres tadellosen Leumundes gewiss zu werden.
Derweil konnte sich Grace Kelly im Spatsommer 1955 den vertraglichen Verpflichtungen gegenuber MGM nicht langer entziehen. Dore Schary, der als damaliger Produktionschef von MGM die spekulativen Presseberichte uber eine Liebesbeziehung des Filmstars mit Furst Rainier verfolgte, sah die Gelegenheit gekommen, ein bereits zweimal adaptiertes Theaterstuck von Franz Molnar erneut zu verfilmen. Ruckblickend nahm das historische Gesellschaftsdrama Der Schwan die kommenden realen Ereignisse vorweg. In der mitunter komodiantisch gepragten Handlung spielte Kelly eine junge Aristokratin, die durch Vermittlung ihrer Mutter mit einem Kronprinzen vermahlt werden soll. Eine ihrer prophetischen Textzeilen als Prinzessin lautete: „I want to be a queen.“ (deutsch: „Ich mochte eine Konigin sein.“) Wahrend der Dreharbeiten umwarb Rainier den Filmstar mit Briefen und Telefonaten, wodurch sie zeitweise abgelenkt und geistesabwesend wirkte. In einer strategischen Entscheidung wurde der US-Kinostart aus Marketinggrunden bis zum 18. April 1956, dem Tag der standesamtlichen Trauung, von MGM hinausgezogert. Doch das Publikum interessierte sich mehr fur die wahre Geschichte und brachte dem Studio einen Verlust von knapp 800.000 US-Dollar ein.
Zur selben Zeit konkretisierten sich die Reiseplane des Fursten. Neben zwei Jahrestagen, die Pater Tucker Anfang 1956 in seinem Geburtsort feierlich begehen wollte, lieferte ein mit den Kellys befreundetes Ehepaar wahrend eines Aufenthaltes in Monaco einen weiteren Vorwand fur eine Stippvisite. Anfang November 1955 unterrichtete er in Ubereinstimmung mit dem franko-monegassischen Vertrag von 1918 pflichtgemaß die franzosische Regierung uber seine wahren Absichten. Auch in teilweise arrangierten Interviews befeuerte er die Geruchte um eine bevorstehende Brautschau im Rahmen seiner mehrwochigen Reise in die Vereinigten Staaten. In diesem Zusammenhang lieferte er eine auf Kelly passende Beschreibung seines Idealbildes einer Ehefrau und erwahnte beilaufig ihren Namen. Am 8. Dezember brach Rainier zusammen mit seinem Kaplan sowie seinem Sekretar und Leibarzt Robert Donat per Schiff von Le Havre nach New York City auf. Ursprunglich sollte er nach seiner Ankunft nach Los Angeles zum MGM-Filmset weiterfliegen, wo ein erneut von Fotografen begleitetes Wiedersehen mit der Schauspielerin vorgesehen war. Verzogerungen im Drehplan ließen die Beteiligten jedoch umdisponieren. Rainier wurde nun zu einem Besuch am Abend des Ersten Weihnachtsfeiertages im Haus der Kellys erwartet. Im Gegensatz zu den fruheren Bekanntschaften ihrer Tochter erachteten die Eltern den ehrwurdigen Gast wahrend der Festtage als eine Bereicherung.
= Verlobung =
Am 27. Dezember reiste Grace Kelly gemeinsam mit Furst Rainier zu Stimmubungen fur ihren letzten Kinofilm Die oberen Zehntausend nach Manhattan. Tags darauf uberreichte ihr der Furst bei einem intimen Abendessen im New Yorker Hotel Waldorf-Astoria ein bebildertes Buch uber die Geschichte Monacos. Wahrend des nachfolgenden Spazierganges hielt er auf dem Mittelstreifen der Park Avenue nach einigen vergeblichen Anlaufen um ihre Hand an.
Die Verlobung wurde offiziell am 5. Januar 1956 im Philadelphia Country Club bekannt gegeben, zu dem neben dem engsten Freundes- und Familienkreis unter anderem der damalige Gouverneur George Michael Leader sowie Burgermeister Richardson Dilworth eingeladen waren. Nachdem Rainier beim Heiratsantrag nur uber ein provisorisches Schmuckstuck verfugt hatte, trug Kelly nun einen Verlobungsring mit einem zwolfkaratigen Diamanten und kleineren Rubinen, welche die Nationalfarben Monacos reprasentierten. Am selben Tag ließ auch der Innenminister des Furstentums die Nachricht seinen Landsleuten verlautbaren. Nach dem Lunch versammelten sich etwa 100 Reporter im Haus der Kellys. Am nachsten Tag besuchte das Paar den Wohltatigkeitsball im Hotel Waldorf-Astoria, der unabhangig von den jungsten Begebenheiten unter dem Motto „A Night in Monte Carlo“ stand. Spater ließen sie den Abend im Harwyn Club beim Tanz ausklingen.
Am 8. Januar 1956 nahmen Kelly und Rainer am feierlichen Hochamt in der St. Anthony’s Church in Wilmington teil, um Pater Tuckers Ordensjubilaum und seinen 67. Geburtstag zu begehen. Noch am selben Nachmittag reiste die Schauspielerin nach Los Angeles zum Drehbeginn fur das Filmmusical. In der Zwischenzeit gab Margaret Kelly ein vom Journalisten Richard Gehman aufgezeichnetes und vom King Features Syndicate weltweit verbreitetes Interview mit pikanten Details uber das Vorleben ihrer Tochter, das im Los Angeles Herald Examiner als zehnteilige Serie abgedruckt wurde. Nach Abschluss der Dreharbeiten blieb Kelly in Los Angeles und uberreichte am 21. Marz 1956 bei ihrem letzten offentlichen Auftritt vor der Abreise aus den Vereinigten Staaten anlasslich der Oscarverleihung als Vorjahressiegerin die Auszeichnung als bester Hauptdarsteller.
Von Familienangehorigen und Freunden nach ihrem spontanen Entschluss gefragt, antwortete Kelly wiederholt, dass es neben der aus ihrer Sicht rechtzeitigen Abkehr vom Filmbusiness auch um die lange versagte Anerkennung durch ihren Vater ging. Bedenken aus ihrem Umfeld, die Heirat ware angesichts der kurzen Zeit zum gegenseitigen Kennenlernen ein Risiko, begegnete sie selbstsicher mit der Aussicht auf Stabilitat nach ihrem zuvor von kurzzeitigen Beziehungen gepragten Liebesleben.
= Voreheliche Vereinbarungen =
Wahrend Rainiers Aufenthalt in den Vereinigten Staaten unterzog sich Grace Kelly einer gynakologischen Untersuchung in einem Privatsanatorium außerhalb Philadelphias, die vor ihrer Familie und der Offentlichkeit geheim gehalten wurde. Derartige Vorkehrungen waren durchaus ublich, da eine Adoption im Vorfeld einer Eheschließung in Adelskreisen kaum ernsthaft in Erwagung gezogen wurde. Robert Donat, der mitgereiste Vertraute Rainiers, fungierte als Mittelsmann zwischen der ausfuhrenden Frauenarztin und den Beamten des monegassischen Palastes.
Der von den Anwalten des Furstentums ausgehandelten Mitgift in Hohe von zwei Millionen US-Dollar, die von den Pressesprechern im Laufe der Jahre diplomatisch als „finanzielle Vereinbarung“ etikettiert wurde, stimmte Kellys vermogender Vater Jack nur widerwillig zu. Von den Gepflogenheiten in der europaischen Aristokratie zeigte er sich befremdet und nahm zunachst an, der „bankrotte Furst“ wolle seinen maroden Besitz auf Kosten der Kellys sanieren. Unter Hinweis auf die zahlreichen Landereien, die der Regent sein Eigentum nannte, konnte Jack vom Gegenteil uberzeugt werden. Letztendlich verband er mit der prestigetrachtigen Heirat seiner zweitaltesten Tochter die Hoffnung, das eigene Image in der hoheren Gesellschaft Philadelphias aufzuwerten, das ihm trotz seiner geschaftlichen Erfolge bislang versagt geblieben war. Wie erst nachtraglich bekannt wurde, ubernahm die spatere Braut die Halfte des Betrages.
Uberdies zeigten sich Rainier und seine Gefolgsleute bei der Ausarbeitung des Ehevertrages anfangs unnachgiebig. Obwohl das franzosische Recht ublicherweise eine Gutertrennung vorsieht, bestanden die Anwalte des Palastes faktisch auf einer Zugewinngemeinschaft. Jack war jedoch mit diesem Vorschlag nicht einverstanden, weil er beabsichtigte, seiner Tochter einen Anteil an seiner Baufirma als Hochzeitsgeschenk zu uberschreiben, ohne dass die Beteiligung in den Besitz des Furstentums ubergeht. Zudem fuhlte er sich von der Gegenseite abschatzig behandelt. Dank des in ihrer Schauspielkarriere angeeigneten Verhandlungstalentes erzielte Kelly schließlich im personlichen Gesprach mit Rainier einen Kompromiss: Ein Teil ihrer Vermogenswerte verblieb weiterhin bei US-amerikanischen Banken. Im Gegenzug wurden alle aus der Ehe hervorgehenden Nachkommen im Fall einer Scheidung dem Vater zugesprochen.
Der Leiter des Privatkabinetts des Fursten gab derweil zu Protokoll, dass die Hochzeit aufgrund gesetzlicher Vorgaben in Monaco stattfinden musse. Diese Ankundigung verargerte Kellys Eltern, denen Rainier die Ausrichtung der Feier im heimatlichen Philadelphia zunachst in Aussicht gestellt hatte. Mit diplomatischem Geschick und unter Verweis auf die prunkvolle Zeremonie, die der Braut nicht versagt bleiben durfe, gelang es Pater Tucker, sowohl die Familie zu besanftigen als auch den Wunschen des monegassischen Nationalrates nachzukommen. Um ihre Heimatgemeinde dennoch an dem Ereignis zu beteiligen, finanzierten Jack und Margaret Kelly eine Deckenneubemalung in der St. Bridget’s Roman Catholic Church im Stadtteil East Falls, der Taufkirche ihrer Tochter, die dem Stil der Kathedrale Notre-Dame-Immaculee in Monaco nachempfunden sein sollte. Mit der Zeit kamen Ausstellungsstucke uber die Kellys in einem Schaukasten hinzu.
Nach der verklarenden Romanze wurde Kelly bei diesen unerwarteten Begleiterscheinungen mit Charaktereigenschaften ihres zukunftigen Ehemannes konfrontiert, welche zwar fur seine Amtsfuhrung unabdingbar waren, die Ehe in den Folgejahren aber wiederholt vor eine Belastungsprobe stellen sollten.
= Uberfahrt =
Am 4. April 1956 versammelten sich Reporter und Fans am Pier 84 im Westen Manhattans, um Grace Kelly im Rahmen einer Pressekonferenz zu verabschieden. Wegen des Andranges legte das Passagierschiff Constitution vom Schiffsanleger am Hudson River mit 45-minutiger Verspatung ab. Neben etwa 70 Angehorigen und Freunden – darunter drei ihrer sechs Brautjungfern – begleiteten uber 100 Journalisten die zukunftige Furstin auf der achttagigen Seereise nach Monaco. Zu den Gefahrten gehorte auch ein schwarzer Pudel namens Oliver, ein Geschenk von Cary Grant und seiner Frau. Die Reederei American Export Lines hatte aufgrund der zu erwartenden Unannehmlichkeiten allen anderen gebuchten Passagieren angeboten, zu luxuriosen Konditionen auf ein anderes Schiff zu wechseln. Wahrend die Hochzeitsgaste auf Kosten von Jack Kelly in der Ersten Klasse untergebracht waren, wurden die Pressevertreter in der Deckklasse separiert. Trotz mancher melancholischen Momente voller Ungewissheit wurde die Uberquerung des Atlantiks zu einer geselligen Angelegenheit.
Aufgrund der zahlreichen festlichen Anlasse an Bord reiste Kelly mit großem Gepack, zu dem einige voluminose Schiffskoffer gehorten, wahrend die restlichen Gepackstucke zwei Lieferwagen ausfullten. Im Vorfeld der Uberfahrt hatte sie mithilfe der Modeberaterin Eleanor Lambert Garderobe im Wert von 25.000 US-Dollar erstanden, darunter ein Zobel- und Nerzmantel sowie jeweils annahernd zwei Dutzend Hute und Schuhe. Das Hochzeitskleid befand sich in einer Metallkiste im Laderaum, die den neugierigen Fotografen verborgen blieb. Uber Radio Monte Carlo hielt Kelly vom Schiff aus eine Ansprache an das monegassische Volk.
Bei der Ankunft am Morgen des 12. April 1956 nach einem Zwischenhalt in Cannes musste die Constitution in der Bucht vor Monaco vor Anker gehen, weil Schiffe dieser Großenordnung im beengten Hafen des Furstentums nicht anlegen konnten. Die Gaste wurden mitsamt ihrem Gepack in Barkassen an Land gebracht. Begleitet von musikalischen Darbietungen und Hubschrauberlarm wurde Kelly von Furst Rainier auf dessen Yacht Deo Juvante II in Empfang genommen und von nahezu 20.000 Einheimischen und Touristen begrußt. Aristoteles Onassis ließ Tausende roter und weißer Nelken fur 15.000 US-Dollar von einem Wasserflugzeug aus in das Meer werfen. Zum Unwillen der Fotografen und Zuschauer verdeckte ein breitkrempiger Hut wahrend des gesamten Begrußungsaktes Kellys Gesicht. Nach der Vorstellung der Honoratioren Monacos und offiziellen Ansprachen fuhr das Paar in einem grunen Chrysler zum Palast, in dem auch ihre Eltern wahrend der Feierlichkeiten untergebracht waren. Nachdem die zukunftige Furstin mit dem Personal bekannt gemacht worden war, begaben sich die vier zusammen mit Pater Tucker zur Schlosskapelle, um ein Dankgebet fur die wohlbehaltene Ankunft zu sprechen.
Standesamtliche Trauung = Zeremonie =
Die standesamtliche Trauung nach monegassischem Recht fand am Morgen des 18. April 1956 im mit rot-goldenem Samt ausgeschlagenen Thronsaal des Palastes statt. Seit der letzten Eheschließung der inzwischen geschiedenen Eltern des Fursten Pierre de Polignac und Charlotte von Monaco waren mehr als 35 Jahre vergangen. Der Saal fasste etwa 100 Personen, sodass neben den obligatorischen Wurdentragern und Reprasentanten aus 25 Landern nur die engsten Angehorigen und Freunde des Brautpaares teilnehmen konnten. Von Kellys Familie fehlten nur ihre Schwagerin Mary sowie die jungere Schwester Elizabeth Anne („Lizanne“) wegen der unmittelbar bevorstehenden Geburt ihres ersten Kindes, das spater den Namen Grace erhielt.
Das Brautpaar nahm in hochlehnigen sesselartigen Stuhlen mit vergoldetem Damastbezug Platz. Kelly trug ein rosenholzfarbenes wadenlanges Seidentaftkleid mit aufwandiger Spitze, kleinem Kragen und Dreiviertelarmeln sowie Seidenpumps. Auf ihrem farblich passend abgestimmten Barett befand sich eine Stoffblume, in kurzen Handschuhen hielt sie einen Rosenstrauß. Rainier trug einen Stresemann mit perlgrauer Weste und grau gestreifter Hose. Aufgrund der Anspannung hatte Kelly seit ihrer Abreise in New York City an Gewicht eingebußt. Zudem hatten die Belastungen der zuruckliegenden Woche Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen. Ferner war beiden die nervose Anspannung anzumerken. Die Distanziertheit und Emotionslosigkeit war ein unter Aristokraten ubliches Verhaltensmuster bei offiziellen Anlassen. Hinzu kam, dass insbesondere Rainier in dem ohnehin stickigen Saal unter der Hitze der großen Bogenlampen litt, die das Geschehen fur die Fernsehkameras ausleuchteten. Im Anschluss wurden Teile des Zeremoniells noch einmal fur die Kameras von MGM wiederholt.
Marcel Portanier, der Justizminister von Monaco, vollzog die zivile Trauung. In einer ausschweifenden 40-minutigen Prozedur verlas der Richter die vorgeschriebenen Trauungsformeln aus dem Code civil mit einer langen Liste von Pflichten und zahlte die 142 Titel Rainiers und weitere 134 Titel auf, die die Furstin erhalten sollte, darunter zweifache Herzogin, Viscountess, achtfache Grafin, vierfache Marquise und neunfache Baronin. Das frisch verheiratete Paar musste sich neben den Eltern der Brautleute und anderen Personen in ein Registerbuch eintragen.
Die Trauzeugen des Brautigams waren Rainiers altere Schwester Prinzessin Antoinette, sein Cousin Comte Charles de Polignac sowie sein Freund und Haushofmeister Oberstleutnant Jean-Marie Ardant. Auf Seiten der Braut ubernahmen Kellys altere Schwester Margaret Katherine („Peggy“) und ihr alterer Bruder John B. Kelly junior („Kell“) diese Funktion.
= Feierlichkeiten =
Die Hochzeitsgaste versammelten sich danach zu einem Mittagessen im Stadtbezirk La Condamine. Am Nachmittag wurde ein Empfang mit Kuchenbuffet und Champagner fur 3.000 geladene monegassische Burger im Ehrenhof des Palastes ausgerichtet. Zum Unterhaltungsprogramm gehorte ebenso ein Fußballspiel zwischen AS Monaco und Sampdoria Genua im 1939 erbauten alten Nationalstadion Louis II sowie eine Varietegala am Quai Albert Ier.
Am Abend veranstaltete das Opernhaus eine von Stan Kenton komponierte und vom London Festival Ballet getanzte Ballettauffuhrung mit dem Titel Hommage an eine Furstin (Homage to the Princess), deren Hohepunkt ein Pas de deux von Margot Fonteyn und Michael Somes darstellte. Gracia Patricia trug ein weißes Organzakleid, lange weiß schimmernde Handschuhe, eine weiße Nerzstola sowie ein diamantenbesetztes Diadem. Uber dem Kleid befand sich eine rot-weiße Scharpe mit Großkreuz, der Orden des heiligen Karl, den der Furst ihr als offentliche Anerkennung seiner Wertschatzung zuvor im privaten Kreis uberreicht hatte. Zu den Gasten außerhalb der Furstenloge gehorten ihre Brautjungfern, ihr Zahnarzt aus Philadelphia, ihr ehemaliger Babysitter, der Journalist Rupert Allan, der Hollywood-Agent Jay Kanter, der MGM-Pressevertreter und ihre MGM-Friseuse Virginia Darcy.
Nach Mitternacht zogen sich die rechtskraftig Verheirateten in getrennte Quartiere zuruck, weil nach der damals vorherrschenden Sittenstrenge erst die kirchliche Trauung den Ehestand besiegelt. Rainier ubernachtete in seiner Residenz am Cap Ferrat. Kelly bezeichnete diese Regelung missmutig als Relikt aus dem Viktorianischen Zeitalter.
Kirchliche Trauung = Zeremonie =
Am 19. April 1956 gegen 10:30 Uhr vormittags wurde Grace Kelly am Arm ihres Vaters Jack zum Hochaltar der unweit des Palastes befindlichen und mit weißen Blumengestecken geschmuckten Kathedrale Notre-Dame-Immaculee gefuhrt. Im Gefolge befanden sich ihre sechs Brautjungfern und die Ehrenbrautjungfer in gelben Organdykleidern und steifkrempigen Huten, die vier Blumenmadchen in weißen Kleidchen sowie die beiden Ringtrager in weißen Ruschenhemden und Kniebundhosen aus Satin. Vor dem Portal der Hauptkirche Monacos stand die Palastgarde in Galauniform mit aufgepflanztem Bajonett Spalier. Auf dem gegenuberliegenden Vorplatz erwiesen Matrosen der US-Navy sowie der britischen, franzosischen und italienischen Marine von den im Hafen liegenden Schiffen USS Heermann, HMS Dalrymple, Kersaint und Airone dem Brautpaar ihre Ehre. Zu beiden Seiten des Mittelganges hingen große Goldkorbe mit Lowenmaulchen und in antiken goldenen Kandelabern brannten weiße Kerzen.
Gemaß Brauchtum mussten Burgerliche grundsatzlich auf Angehorige des Adels warten. Von Fanfaren angekundigt, traf Rainier einige Minuten nach der Braut an der Seite seines Adjutanten Graf d’Aillieres ein. Der Furst hatte seine Hochzeitsuniform nach napoleonischen Modellen selbst entworfen. Neben einer schwarzen Uniformjacke mit goldbestickten Manschetten und Epauletten sowie verschiedenen Ehrenzeichen der franzosischen und italienischen Militargeschichte, zu denen auch die rot-weiße Scharpe mit dem Orden des heiligen Karl gehorte, trug er eine himmelblaue Hose, die seitlich mit goldenen Streifen besetzt war. An der linken Seite befand sich das Schwert. In seinen mit weißen Handschuhen bedeckten Handen hielt er einen hellblauen und mit Straußenfedern versehenen Zweispitz.
Monsignore Gilles Barthe, der Bischof von Monaco, leitete die Zeremonie mit einer knapp 20-minutigen religiosen Ansprache ein. Neben dem Geistlichen assistierten Pater John Cartin, der Priester der Kellys aus Philadelphia, und Pater Francis Tucker, der mitunter dezente Hinweise zu den gebotenen Verhaltensregeln flusterte. Im Anschluss an die Gebete und Gelubde gaben sich Braut und Brautigam gegenseitig auf Franzosisch das Jawort und tauschten die Eheringe. Die mit gedampfter Stimme geaußerte Zustimmung „Oui, Monseigneur“ war fur die anwesenden Gaste und Korrespondenten kaum verstandlich. Gracia Patricia musste dem nervosen Rainier beim Anstecken ihres Ringes helfen. Danach fuhrten das Orchester und Solisten der Opera de Monaco unter der Leitung von Kapellmeisterin Nadia Boulanger ein musikalisches Programm auf, zu dem der Organist Emile Bourdon den selbst komponierten und dem Brautpaar gewidmeten Cortege Nuptial (deutsch: „Hochzeitszug“) beisteuerte. Zum Abschluss der Messe richtete Paolo Marella, Gesandter von Papst Pius XII., den Neuvermahlten die Gluckwunsche des Vatikans aus.
Zu den dargebotenen Werken gehorten unter anderem In dir ist Freude, Ave Maria und Praludien von Johann Sebastian Bach, die Motette Ecce sacerdos magnus von Tomas Luis de Victoria, der Lobgesang Alleluia von Henry Purcell, Kyrie aus dem Requiem von Wolfgang Amadeus Mozart, das Gloria aus Missa Papae Marcelli von Giovanni Pierluigi da Palestrina, Benedictus aus der Kleinen Orgelsolomesse von Joseph Haydn, Hallelujah von Georg Friedrich Handel sowie Stucke von Giovanni Gabrieli, Thomas Tallis und Gilles Binchois.
Der Zeremonie ging drei Tage zuvor eine Generalprobe voraus, mit der sowohl die komplizierten Ablaufe einstudiert als auch die besten Positionen fur die Kameras und Scheinwerfer ermittelt werden sollten. Dabei behielt Kelly auch in der Kirche ihre Sonnenbrille auf, um die dunklen Ringe unter den Augen zu verbergen.
= Brautkleid =
Bereits am 23. Januar 1956 gab MGM bekannt, dass das Hochzeitskleid von der Kostumbildnerin und Modedesignerin Helen Rose entworfen wird. Es entstand uber einen Zeitraum von zwei Monaten unter Einsatz von 35 Mitarbeitern der Kostumabteilung am Hauptsitz des Studios in Culver City. Zwei Tage vor der kirchlichen Trauung wurden Details zur Gestaltung veroffentlicht. Das in einem sanften Elfenbeinton gehaltene Kleid hatte einen Stehbund, lange Armel und einen langen Rock, aus dessen V-formigen ruckwartigem Schlitz die Schleppe facherartig auslief. MGM umschrieb die Kreation mit den Worten „in regal style designed along Renaissance lines“ (deutsch: „im koniglichen Stil mit Renaissance-Schnitt“), den Rock als „bell-shaped“ (deutsch: „glockenformig“) und die drei Petticoats sowie die Rockstutze als „masterpiece of engineering“ (deutsch: „Meisterwerk der Handwerkskunst“). Gemaß MGM-Archiv beliefen sich die Kosten auf 7.266,68 US-Dollar fur Material und Verarbeitung, die Vergutung der Designerin nicht eingerechnet. Rose bezeichnete ihr Werk als das teuerste Kleid, das sie jemals nach ihren Vorgaben fertigen ließ. Verbraucht wurden knapp 25 Meter Peau de soie, 25 Meter Seidentaft, nahezu 100 Meter Seidentull und annahernd 280 Meter Spitze. Fur die perlenbestickte Corsage, den Brautschleier und die Schleppe kam Brusseler Rosalinenspitze zum Einsatz, wahrend fur den Saum der Rockstutze und der Petticoats Valenciennesspitze verwendet wurde. Uber dem nach hinten zuruckgekammten Haar befand sich eine mit Perlen und wachsernen Orangenbluten kranzformig versehene, auch Juliet-Cap genannte Kopfbedeckung. Das gesamte Kleid bestand aus vier Teilen, die in einer muhsamen Prozedur nacheinander angezogen werden mussten. Neben einem Bukett aus Maiglockchen trug die Braut wahrend der Trauung eine kleine Bibel aus Rosalinenspitze mit einem gestickten Perlenkreuz und stofflich passendem Einschlag. Außerdem fuhrte sie ein Taschentuch bei sich, das sie nach angelsachsischer Tradition von ihrer Schwester Lizanne „geliehen“ hatte.
Die Reaktionen der Presse waren uberwiegend positiv: The Philadelphia Inquirer beschrieb die Braut als „truly beautiful, both at a distance and close up“ (deutsch: „wirklich schon, sowohl aus der Ferne als auch von Nahem“). Der Syracuse Herald-Journal kommentierte: „Her manner made driven snow look unchaste.“ (deutsch: „Ihr Auftreten ließ Schneetreiben unkeusch aussehen.“) Die Associated Press merkte an: „Grace was gorgeous, her attire setting off to perfection her classic blonde features and little figure. […] The bride looked serenely regal and serious as she entered the cathedral.“ (deutsch: „Grace war wunderschon, ihre Kleidung brachte die klassischen Zuge einer Blondine und ihre zarte Figur perfekt zur Geltung. […] Die Braut wirkte hoheitsvoll und ernst, als sie die Kathedrale betrat.“) Ein Reporter beschrieb die Schleppe beim Niederknien der Braut „like a river of whipped cream along the plush red floor“ (deutsch: „als einen Fluss aus Schlagsahne uber den pluschigen roten Boden“). Auf die Rivalitat zwischen europaischer und US-amerikanischer Mode anspielend, nannte The New York Times das Kleid lakonisch „the loveliest example of the American product“ (deutsch: „das schonste Beispiel fur ein amerikanisches Produkt“). Die Kolumnistin Ilka Chase meinte hingegen: „Her bridal gown was, in effect, an extremely tony shirtwaist and skirt — a charming dress but not a superb one.“ (deutsch: „Ihr Brautkleid bestand eigentlich nur aus einer außerst schicken Hemdbluse und einem Rock – ein entzuckendes Kleid, aber kein uberragendes.“)
Eineinhalb Monate nach der Trauung wurde das schon vorab als Ausstellungsstuck bestimmte Hochzeitskleid in Gracia Patricias Heimatort erstmals einem breiten Publikum prasentiert. Die feierliche Eroffnung der Ausstellung im Philadelphia Museum of Art fand am 4. Juni 1956 im Beisein der Brauteltern und von uber 500 fachkundigen Gasten statt. Innerhalb der ersten zwolf Tage zahlte das Museum 15.125 Besucher. Danach folgte Furstin Gracia Patricia personlich zwei Einladungen: Ende Oktober 1956 im Verlauf einer USA-Reise in Begleitung ihres Ehemannes sowie im April 1963 im Rahmen einer Ehrung als Modeikone. Nach mehreren Umzugen und wechselnden Themenausstellungen wurde das Kleid ab Ende der 1970er-Jahre aus Konservierungsgrunden nur noch zu besonderen Anlassen offentlich gezeigt, darunter im April 1981 zum 25-jahrigen und im Fruhjahr 2006 zum 50-jahrigen Jubilaum der Hochzeit. Infolge der Beanspruchung durch die verwendeten Schaufensterpuppen und jahrelanger Lichteinwirkung begannen sich Teile des empfindlichen Materials zu verfarben und zu zersetzen.
= Funktionstrager =
Die sechs Brautjungfern setzten sich aus Kellys engsten Bekannten aus ihrer Jugend und fruhen Karriere zusammen. Judy Kanter war die Ehefrau des Produzenten Jay Kanter, der als Agent der Schauspielagentur MCA tatig war, bei der Kelly zu Beginn ihrer Laufbahn unter Vertrag stand. Maree Frisby zahlte zu ihren altesten Freundinnen aus der gemeinsamen Zeit an der Stevens High School in Germantown. Mit Bettina Thompson teilte sie sich wahrend der Ausbildung ihr erstes Zimmer am New Yorker Barbizon Hotel for Women. Carolyn Scott verhalf Kelly Ende der 1940er-Jahre zur vorubergehenden Arbeit als Model und wohnte ebenfalls im Barbizon Hotel. Sally Parrish und Rita Gam lebten mit Kelly bei ihren Aufenthalten in New York City und Hollywood in der Wohnanlage Manhattan House beziehungsweise an der Sweetzer Avenue in Los Angeles zusammen. Kellys Schwester Peggy und Prinzessin Antoinette, die altere Schwester von Rainier, dienten als Ehrenbrautjungfern.
Elisabeth-Ann und Christine Alix, die Tochter von Antoinette aus ihrer Ehe mit dem Rechtsanwalt und Tennisspieler Alexandre Noghes, sowie Margaret Ann und Mary Lee, die Tochter von Peggy, fungierten als Blumenmadchen.
Sebastian von Furstenberg, jungerer Bruder des Modedesigners Egon von Furstenberg und der Schauspielerin Ira von Furstenberg, sowie Christian Louis, der Sohn von Antoinette, uberreichten als Pagen die Eheringe auf einem silbernen Tablett.
Die Trauzeugen der standesamtlichen Zeremonie kamen erneut zum Einsatz.
= Geladene Gaste =
Viele der etwa 600 Hochzeitsgaste waren standesgemaß im Hotel de Paris untergebracht. Sie wurden gebeten, sich bereits um 09:30 Uhr auf den Kirchenbanken einzufinden. Wegen des begrenzten Platzangebotes waren keine Privatwagen in den engen Gassen des Stadtbezirkes Monaco-Ville erlaubt. Nach der Anfahrt mit der Limousine wurden die Gaste mit Pendelbussen vom Hafen zum Eingang der Kathedrale gebracht. Zu den prominenten Personlichkeiten zahlten der ehemalige Konig Faruq von Agypten, der Imam Aga Khan III. mit Begum Yvette Labrousse, der Reeder Aristoteles Onassis und seine Tochter Christina, die Schauspielerinnen Gloria Swanson und Ava Gardner sowie die Publizisten Rupert Allan und Morgan Hudgins. Der Entertainer Frank Sinatra, der sich bereits 1953 von seiner zweiten Ehefrau Ava Gardner getrennt hatte, zog seine Zusage mit Rucksichtnahme auf seine Filmpartnerin aus Die oberen Zehntausend unter Verweis auf die andernfalls zu erwartende mediale Aufmerksamkeit zuruck. Wahrend der Zeremonie musste Kellys Cousine Jean Goit ohnmachtig aus der Kirche getragen werden.
Das Ansehen Monacos in Adelskreisen war nur schwach ausgepragt, weil die Familie Grimaldi nicht als Hochadel galt und viele den Zwergstaat nur fur einen unbedeutenden mondanen Badeort mit einem Spielkasino hielten. So blieben einige hochrangige Staatsgaste, deren Teilnahme unter anderen Voraussetzungen ublich war, der Zeremonie fern, woruber sich Furst Rainier bruskiert zeigte. Konigin Elisabeth II. hatte ihr Erscheinen fruhzeitig abgesagt und Major-General Sir Arthur Guy Salisbury-Jones, den Chef des Diplomatischen Dienstes, sowie Lieutenant-Commander Wolstan Beaumont Charles Weld Forester, den koniglichen Konsul in Nizza, entsandt. Ferner ließ das britische Konigshaus ein goldenes Tablett als Hochzeitsgeschenk schicken. Auch der US-amerikanische Prasident Dwight D. Eisenhower verzichtete und schickte anstelle eines Regierungsvertreters aus dem Weißen Haus den Hotelier Conrad Hilton. Frankreich wurde durch den damaligen franzosischen Justizminister und spateren Prasidenten Francois Mitterrand reprasentiert.
= Feierlichkeiten =
Nach dem religiosen Ritus wandte sich das Paar zur Gemeinde um und verließ die Kathedrale. In einem schwarz und cremefarbenen offenen Rolls-Royce, einem Geschenk des monegassischen Volkes, fuhren sie durch die Straßen Monacos zur Kapelle Saint-Devote am Hafen, in der die Martyrerin und Schutzpatronin Devota begraben liegt. Gracia Patricia legte ihren Brautstrauß vor dem Standbild nieder und erflehte den Segen der Heiligen fur ihre Ehe.
Im Anschluss fuhr das Paar zuruck zum Palast, um einen weiteren Hochzeitsempfang im Schlosshof fur die Hochzeitsgaste zu geben und die funfstockige Hochzeitstorte anzuschneiden. Spater fand im Nationalstadion erneut ein Fußballspiel zwischen FC Barcelona und AA Portuguesa statt.
= Hochzeitsreise =
Noch am Nachmittag der kirchlichen Trauung verabschiedete sich das Furstenpaar. Rainier und Gracia Patricia verbrachten die Flitterwochen auf der Yacht Deo Juvante II, begleitet von einer neunkopfigen Crew. In den ersten Tagen der siebenwochigen Kreuzfahrt im westlichen Mittelmeer wurde die Furstin grippe- und seekrank. Die Reise fuhrte zunachst von der franzosischen Riviera zu den balearischen Inseln Mallorca und Ibiza. Der zweite Abschnitt verlief entlang der Kusten Spaniens nach Valencia, Granada und Malaga. Bei einem Landausflug nach Madrid traf sich das Paar zu einem Mittagessen mit General Franco. Auf der Ruckfahrt steuerte das Schiff auch Korsika an. Wahrend des bis zum 6. Juni 1956 dauernden Urlaubes wurde die Furstin zum ersten Mal schwanger.
Berichterstattung = Medienprasenz =
Zur standesamtlichen Trauung war nur ein franzosisches Fernsehteam zugelassen, das die gut halbstundige Zeremonie mit vier Kameras an alle wichtigen europaischen Fernsehstationen, darunter der als erster Privatrundfunk Europas neu gegrundete monegassische Fernsehsender Tele Monte Carlo, ubertrug. Fur die Aufstellung der Kameras und Scheinwerfer mussten Teile des Thronsaales umgebaut werden.
Wahrend der kirchlichen Trauung befand sich die Ausrustung von drei Teams in der Kathedrale: vier Kameras der Wochenschaukorrespondenten, vier Fernsehkameras und drei Kameras im Auftrag des Studios MGM. Jeweils eine Kamera pro Team stand oberhalb des Altars hinter einer Blumenwand. Weitere Journalisten waren im Dachgebalk versteckt. Gemaß vertraglicher Abmachungen mit dem Furstentum durften die Berichterstatter der Wochenschau im Gegensatz zum Fernsehteam nur maximal zwei Minuten Bildmaterial aus dem Kircheninneren zeigen. Wahrend der Fernsehubertragung kam es zu einer etwa einminutigen Unterbrechung. Nach Aussage des Brautpaares wurde die wurdevolle Stimmung von der Positionierung der Mikrofone und Bogenlampen sowie durch vernehmbare Gerausche der erforderlichen Technik beeintrachtigt.
Die abgedrehten Filmspulen wurden mit einem Hubschrauber nach Nizza und unter Einsatz eines Dusenjagers der franzosischen Armee nach Paris gebracht. Noch am selben Abend wurden Kopien mit der Fluggesellschaft Trans World Airlines nach New York City geschickt, um sie als Wochenschauberichte zeitnah in den US-amerikanischen Kinos zu veroffentlichen. Seit der Verlobung wurden die Beitrage von schatzungsweise uber 100 Millionen US-Kinogangern gesehen.
Neben der Hochzeit von Prinz Charles und Lady Diana, die gut 25 Jahre spater rund 700 Millionen Zuschauer vor den Fernsehern vereinte, gilt die Vermahlung in Monaco als das erste von den Medien als „Wedding of the Century“ (deutsch: „Hochzeit des Jahrhunderts“) bezeichnete Großereignis. Die Anteilnahme ubertraf das Interesse an der drei Jahre zuvor vollzogenen Kronung von Elisabeth II. in der Londoner Westminster Abbey. Die Nachrichtenagentur United Press schickte 20 Korrespondenten, der International News Service sowie der US-amerikanische Fernsehsender NBC entsandten jeweils neun Beobachter und die Station CBS elf Journalisten. Insgesamt waren 31 Lander vertreten. Uber 30 Millionen Fernsehzuschauer in neun Landern verfolgten jeweils die standesamtliche und kirchliche Trauung, eine Premiere in der Geschichte der Eurovision.
= Begleitumstande und Kontroversen =
Bereits nach der Verlobung kam Furst Rainier wahrend der Pressekonferenz im Haus von Grace Kellys Eltern in Philadelphia mit den Gepflogenheiten des US-amerikanischen Journalismus in Beruhrung. Die beengten Raumlichkeiten fuhrten zu teils chaotischen Verhaltnissen. Rucksichtslos ruckten die etwa 100 Reporter Mobelstucke aus dem Weg, drangelten sich um die gunstigsten Platze und uberhauften das Paar ungeduldig mit etlichen Fragen. Die Medien beidseits des Atlantiks erfassten instinktiv, dass sich eine großere Story anbahnte, die durch das Aufeinandertreffen von Gegensatzen wie Hollywood-Glamour und koniglicher Aura sowie American Way of Life und europaischer Kulturtradition gekennzeichnet war. Rainier und Kelly nahmen daraufhin wochenlang die Titelseiten der Weltpresse ein.
Wahrend der Uberfahrt begleiteten zahlreiche Journalisten die Familie, obwohl Kelly die Schifffahrtslinie darum gebeten hatte, keine Tickets an die Zeitungen zu verkaufen. Als das Schiff noch im Hafen lag, gab es im Rahmen einer Pressekonferenz tumultartige Szenen, als sich rund 250 Reporter und Fotografen um die besten Platze stritten. Kelly sprach uber den Beginn der Reise von „Irrenhaus“, „Hektik“ und „Hysterie“. Spater wurden die Pressevertreter auf hoher See mit vorher festgelegten Interview-Terminen beschwichtigt. Bei der Ankunft der Constitution saumten Dutzende von Booten und Hubschrauber den Hafen. Binnen weniger Tage stromten neben den unzahligen Touristen rund 1.500 Korrespondenten in den Zwergstaat. Selbst der erfahrene MGM-Presseagent Morgan Hudgins telegrafierte seinem Chef Howard Strickling „Durcheinander hier unvorstellbar“. Noch vor der Vermahlung bezeichnete Kelly ihrer Schulfreundin Charlotte Winston gegenuber die Reporter als „Heuschrecken“ und das bevorstehende Ereignis als „Karneval des Jahrhunderts“.
Furst Rainier und seine Berater verfugten nicht uber die Erfahrung, um die Aktivitaten der Berichterstatter und Fotografen zu kanalisieren. Der Monarch hatte anfangs kein Presseburo eingerichtet, hielt weder Konferenzen noch Lagebesprechungen ab und organisierte keine Fototermine. Die unter Erfolgsdruck stehenden Journalisten ergriffen daher eigene Maßnahmen. Die Frustration mundete in Handgreiflichkeiten untereinander sowie zwischen ihnen und der monegassischen Polizei. Fotografen bespitzelten die Hochzeitsgaste durch das Hotelfenster und den Fursten in seiner Villa auf Cap Ferrat. Beim Verlassen eines Bankettes warfen sich Reporter vor das fahrende Auto des Paares. Rainier erklarte daraufhin, nur drei Fotografen seien zur standesamtlichen Trauung zugelassen und die anschließende Gartenparty wurde unter Ausschluss der Presse stattfinden. Die voreilige Entscheidung fuhrte zu weiteren Diskussionen zwischen dem Fursten auf der einen und Pater Tucker sowie Jack Kelly auf der anderen Seite. Der in letzter Minute ernannte Presseattache weigerte sich zudem, seine Arbeit aufzunehmen. Als Ausweg empfahl Morgan Hudgins taglich zweisprachige Kommuniques und regelmaßige Fototermine. Die Reporter ließen sich jedoch nicht besanftigen und waren nach wie vor der Ansicht, der Palast wurde ihnen nicht genugend handfestes Material liefern. Durch ihren Unmut wurden schlagzeilentrachtige Geschichten von Kollegen ungepruft ubernommen und kolportiert. Der Zwergstaat wurde in einigen herabwurdigenden Berichten als „postage stamp realm“ (deutsch: „Briefmarkenreich“) und „pre-shrunk principality“ (deutsch: „eingelaufenes Furstentum“) umschrieben, der Furst respektlos „Ray“ und „Shorty“ genannt. Die Wochenzeitschrift Variety kundigte die Hochzeit mit den ironischen Worten an: „Bride is film star; groom non-pro.“ (deutsch: „Die Braut ist ein Filmstar; der Brautigam ein Amateur.“) Einige als Klatschreporter verrufene Kolumnisten wie Dorothy Kilgallen befanden sich ebenfalls unter den Anwesenden und degradierten das festliche Ambiente zu einer Seifenoper.
Der kommerzielle Aspekt sprengte ebenso die Grenzen des guten Geschmacks. Straßenhandler verkauften Souvenirs zu horrenden Preisen. Um die Berichterstattung finanzieren zu konnen, verkaufte die US-amerikanische Fernsehgesellschaft ABC Sendezeit an einen Miederwarenkonzern. Daruber hinaus hatten es Juwelendiebe auf den Schmuck der Hochzeitsgaste abgesehen, darunter Mrs. Matthew H. McCloskey, Gattin des Schatzmeisters der US-amerikanischen Demokraten, und Maree Frisby, eine der Brautjungfern.
Nachwirkung = Beendigung der Schauspielkarriere =
Das Kommunique zur Verlobung hielten viele Hollywood-Beobachter zunachst fur einen Publicity-Trick unter Mitwirkung von MGM, zumal Grace Kelly in ihrem vorletzten noch unveroffentlichten Spielfilm eine Prinzessin spielte. Sie hatte dem Studio aber bereits im Vorfeld ihre Heiratsabsichten mitgeteilt. Furst Rainier, der aus seiner Abneigung gegen das Showbusiness kein Geheimnis machte, verdeutlichte seit der Ankunft in den Vereinigten Staaten mehrfach seine Auffassung uber die mogliche Fortsetzung der Filmkarriere seiner zukunftigen Ehefrau. Fur ihn stand außer Frage, dass Kelly aus Rucksicht auf die Befindlichkeiten des monegassischen Volkes ihre Ambitionen aufgeben musse. Anfang 1956 hielt Kelly bei offentlichen Stellungnahmen noch an der Uberzeugung fest, sie konne ihren Beruf auch in der spateren Rolle als Furstin eines Tages wieder aufgreifen, obwohl sie den Standpunkt von Rainier bereits kannte. Dieser wiederum benutzte die Medien, um ein beiderseitiges Einvernehmen in dieser Frage kundzutun, das es nie gegeben hatte. Im Bestreben, eine schlechte Presse durch Hochspielen der Angelegenheit zu vermeiden, widersprach sie dieser Darstellung zu jener Zeit nicht. Trotzdem fuhrten die teils widerspruchlichen Aussagen zu medialen Spekulationen uber „voreheliche Zwistigkeiten“.
Zur Besturzung der Furstin verhielt sich das Filmstudio MGM unerwartet kooperativ, sodass sie in der Argumentation Rainier gegenuber kein Druckmittel mehr besaß. Der Vertrag wurde vor Ablauf der Vierjahresfrist von beiden Seiten nicht gekundigt. Das nachste mit Kelly und Filmpartner James Stewart geplante Filmprojekt Warum hab’ ich ja gesagt?, das ein Jahr danach mit Gregory Peck und Lauren Bacall in den Hauptrollen in die Kinos kam, sagte sie allerdings selbst ab. MGM scheute nicht nur aus PR-Grunden eine gerichtliche Auseinandersetzung. Zum einen sollte die Schauspielerin fur den Fall einer Ruckkehr in das Filmgeschaft an das Studio gebunden bleiben. Im Gegenzug fur die Freistellung von ihren Pflichten durfte sie fur die Dauer des Vertragsverhaltnisses keinen Film bei einem anderen Studio drehen und musste nach Ablauf des Vertrages zu ihrem alten Arbeitgeber zuruckkehren. Zudem sicherte sich MGM die Exklusivrechte an der Verfilmung ihrer Hochzeit, da die Verantwortlichen von der Werbewirksamkeit des Ereignisses uberzeugt waren. Der Dokumentarfilm The Wedding in Monaco wurde von einer monegassischen Crew gedreht, aber im Verleih der MGM als Wochenschau in den Kinos sowie im US-amerikanischen Fernsehen mit guter Publikumsresonanz ausgestrahlt. Ein Teil des Erloses floss nach Abzug der Verleihgebuhr von 30 Prozent dem ortlichen Roten Kreuz als Spende zu. MGM erwies sich gegenuber dem scheidenden Filmstar trotz der Unstimmigkeiten als großzugig: Fur das Jahr 1956 zahlte man Kelly eine Pramie von uber 65.000 US-Dollar. Daruber hinaus liefen die wochentlichen Bezuge von 1500 US-Dollar ebenso wie die Betreuung durch die Studiostylistin Virginia Darcy noch viele Wochen nach der Hochzeit weiter. MGM hatte ihr neben dem Hochzeitskleid auch die Garderobe aus Die oberen Zehntausend unentgeltlich uberlassen.
Das Leben von Gracia Patricia im Palast gestaltete sich anfangs schwierig, da ihr Ehemann mit taglichen Regierungsgeschaften und politischen Problemen des Furstentums beschaftigt war. Die ungewohnte Rolle als Ehefrau und Mutter hatte im Vergleich zu ihrem geregelten Leben am Filmset einen Orientierungsverlust zur Folge, der auch durch die zunehmende Ubernahme sozialer Aufgaben nicht kompensiert wurde. Zudem kam sie mit dem starren Hofprotokoll nicht zurecht. Anfang der 1960er-Jahre verfiel die Furstin durch den Tod ihres Vaters infolge einer Krebserkrankung sowie zwei Fehlgeburten in eine Depression. Wiederholt nach den Chancen einer Fortsetzung der Karriere befragt, antwortete sie stets diplomatisch, sich vollumfanglich ihrer Familie widmen zu wollen. Der griechischstammige Produzent Spyros Skouras ließ Ende der 1950er-Jahre seine Verbindungen zu seinem Landsmann Aristoteles Onassis spielen und bemuhte sich darum, die ehemalige Schauspielerin als Jungfrau Maria fur den Monumentalfilm Die großte Geschichte aller Zeiten zu verpflichten. Dieselbe geheiligte Rolle sollte sie ein Jahr danach im MGM-Leinwandepos Konig der Konige ubernehmen. Rainier verweigerte jedoch seine Zustimmung aufgrund der Befurchtung, seine Landsleute konnten die Mitwirkung der Furstin an einer Bibelverfilmung als Sakrileg ansehen.
Die Stimmungsschwankungen seiner Frau bewogen Rainier schließlich dazu, aus Sorge um deren psychische Gesundheit die temporare Ruckkehr in das Filmgeschaft zu erlauben. Nachdem sie vier Jahre zuvor in der Produktion Gluck und Liebe in Monaco unter der Regie von Hermann Leitner einen unbedeutenden Gastauftritt hatte, plante Alfred Hitchcock fur den Sommer 1962 eine Literaturverfilmung mit dem Titel Marnie. Das Drehbuch uber eine Kleptomanin, deren krankhaftes Handeln auf die Angst vor Intimitat aufgrund traumatischer Erlebnisse in ihrer Kindheit zuruckzufuhren ist, galt als heikler Stoff. Die mit wenig Fingerspitzengefuhl formulierte offizielle Ankundigung des Comebacks sorgte unter anderem fur Kritik bei der lokalen Presse. Nachtragliche Klarstellungen anderten nichts an der Sichtweise des monegassischen Volkes, die Schauspielerei vertrage sich grundsatzlich nicht mit der Wurde einer Landesmutter. Die Pressestelle konnte selbst mit der Ankundigung, die Gage von 880.000 US-Dollar fur karitative Zwecke spenden zu wollen, die Wogen nicht mehr glatten. Konsterniert uber die unerwarteten Reaktionen, gab Gracia Patricia unter dem Druck der offentlichen Meinung ihre Plane endgultig auf. Erschwerend kam hinzu, dass sich auch MGM von der Einflussnahme durch Universal Pictures irritiert zeigte, da der ruhende Vertrag nach Lesart des Studios noch immer auf einer exklusiven Zusammenarbeit beruhte.
= Furstentum im Wandel =
Wie von den Beratern des Fursten erhofft, verlief die wirtschaftliche Entwicklung von Monaco als unmittelbare Folge der Hochzeit vielversprechend. Ende der 1950er-Jahre hatte sich das Touristenaufkommen als Haupteinnahmequelle im Vergleich zum Jahr 1954 fast verdoppelt. Zu den erfreulichen Zahlen trugen sowohl Tagesausflugler als auch wohlhabende Besucher bei, die den Hotels, Restaurants und Casinos hohe Umsatze bescherten und den Kleinstaat wieder zu einem gefragten Luxustreff des europaischen Jetsets machten. Die exorbitanten Preise bewahrten das Furstentum zugleich vor den nachteiligen Auswirkungen des Massentourismus, der sich auf die preiswerteren Orte an der Cote d’Azur verteilte. Aufgrund der steigenden Ertrage verdreifachte sich auch die Apanage der Furstenfamilie auf umgerechnet 963.000 DM im Jahr 1961.
Die Steuerfreiheit lockte internationale Unternehmen an und die Beschaftigungsquote stieg so hoch wie nie zuvor. Nachdem mehr als 50 Firmen ihren Hauptsitz nach Monaco verlagert hatten, sah sich der damalige franzosische Prasident Charles de Gaulle gezwungen, Maßnahmen gegen die Steuereinbußen in seinem Land zu ergreifen. Er stelle Furst Rainier ein sechsmonatiges Ultimatum, um die Regierung bis zum 1. Oktober 1962 umzustrukturieren sowie Einkommens- und Korperschaftssteuern einzufuhren, die vollumfanglich an Frankreich abzufuhren seien. Zur Erhohung des Druckes ließ de Gaulle Zollner an der Landesgrenze stationieren und Reisende mit burokratischen Formalitaten belastigen. Da Monaco in die Infrastruktur des Nachbarlandes eingebunden war, sorgten Geruchte uber eine mogliche Unterbrechung der Versorgung mit Wasser, Strom und Gas zusatzlich fur Verunsicherung. Aufgrund der in den Vorjahren gewachsenen Bedeutung des Zwergstaates verfolgte die Weltpresse den Konflikt mit Interesse, wobei der uberwiegende Anteil der Meinungen nicht zuletzt durch die Anwesenheit der ehemaligen Schauspielerin zur Sichtweise des Furstentums tendierte. Beide Staatsfuhrer einigten sich letztlich auf einen gesichtswahrenden Kompromiss, bei dem die reformierte Steuergesetzgebung nur franzosische Unternehmen betraf, die in den letzten Jahren ubergesiedelt waren.
Uber das rein okonomisch bedingte Wachstum hinaus entwickelte Gracia Patricia ein personliches Interesse an der Verbesserung der Lebensqualitat fur die monegassischen Burger. Nach der Umbenennung zu ihren Ehren ließ sie im Jahr 1958 das Krankenhaus Centre Hospitalier Princesse Grace modernisieren. Daruber hinaus grundete sie ein Forum freiwilliger Helfer, die regelmaßige Besuche im stadtischen Altenheim machten und das Pflegepersonal entlasteten. Im selben Jahr ubernahm sie die Prasidentschaft des monegassischen Roten Kreuzes und organisierte Spendengelder. Der jahrlich stattfindende Rot-Kreuz-Ball zog viele Prominente an und sicherte neben dem staatlich bewilligten Jahresetat die Ausstattung der Organisation mit finanziellen Mitteln. Die Furstin entwickelte auch Vorsorgeprogramme fur werdende Mutter und war an den Planungen fur den Bau von Kindertagesstatten, Waisenhausern sowie anderen sozialen Einrichtungen beteiligt. Sie veranlasste außerdem die Renovierung der Privatgemacher des Palastes und der Sommerresidenz Roc Agel nach ihren eigenen Vorstellungen.
Einfluss Mehrere historische Romane wurden von dem gesellschaftlichen Ereignis inspiriert. Im Jahr 2019 veroffentlichte die britische Autorin Hazel Gaynor zusammen mit Heather Webb den Roman Meet Me in Monaco (deutscher Titel: Miss Kelly und der Zauber von Monaco, ubersetzt von Claudia Geng), der vor dem Hintergrund der Internationalen Filmfestspiele von Cannes und der Furstenhochzeit eine erdachte Liebesgeschichte zwischen einem Fotografen und einer Parfumeurin erzahlt. Naher an der Realitat ist die ein Jahr darauf publizierte fiktionale Biografie The Girl in White Gloves von Kerri Maher (Grace. Das Madchen mit den weißen Handschuhen, ubersetzt von Claudia Feldmann). Der ebenfalls 2020 erschienene Roman The Grace Kelly Dress der US-amerikanischen Autorin Brenda Janowitz behandelt den Einfluss des Hochzeitskleides von Grace Kelly uber drei Generationen und einen Zeitraum von 60 Jahren.
Noch Jahrzehnte spater werden dem Brautkleid konzeptionelle Einflusse auf die Schopfungen bekannter Designer fur die Hochzeiten anderer prominenter Personen nachgesagt. Dazu zahlten Catherine Middleton bei der Vermahlung mit Prince William am 29. April 2011 (Design: Alexander McQueen), Miranda Kerr bei der Heirat mit Evan Spiegel am 27. Mai 2017 (Design: Maria Grazia Chiuri), und Paris Hilton bei der Eheschließung mit Carter Milliken Reum am 11. November 2021 (Design: Oscar de la Renta).
Das Miniatur Wunderland in Hamburg stellt im Abschnitt Monaco die Hochzeit vor der nachgebildeten Kathedrale Notre-Dame-Immaculee nach. Sowohl die Kirche als auch der umliegende Bereich wurden im Gegensatz zum Großteil der Anlage farblos konzipiert, nachdem die Modellbauer bei ihren Recherchen uberwiegend historische Schwarz-Weiß-Fotografien vorgefunden hatten. Der neue Bauabschnitt, dessen Errichtung bereits im Mai 2018 begann, wurde am 25. April 2024 im Beisein von Furst Albert II., Charlene von Monaco und ihren beiden Kindern offiziell eroffnet.
Literatur = Deutschsprachig und ins Deutsche ubersetzt =
Gregor Ball: Grace Kelly. Ihre Filme – ihr Leben. 1. Auflage. Heyne Verlag, Munchen 1983, ISBN 978-3-453-86059-9. 
Sarah Bradford: Gracia Patricia, Furstin von Monaco. Bastei Lubbe, Munchen 1985, ISBN 978-3-404-61081-5 (englisch: Princess Grace. New York 1984. Ubersetzt von Jutta Hein). 
James Spada: Grace. Das geheime Vorleben einer Furstin. 1. Auflage. Ullstein Verlag, Frankfurt am Main 1989, ISBN 978-3-7844-2175-9 (amerikanisches Englisch: Grace. The Secret Lives of a Princess. New York 1987. Ubersetzt von Gertrud Theiss). 
J. Randy Taraborrelli: Grace Kelly und Furst Rainier: Ein Hollywoodmarchen in Monaco. Kruger Verlag, Frankfurt am Main 2004, ISBN 978-3-8105-1990-0 (amerikanisches Englisch: Once Upon a Time. Behind the Fairy Tale of Princess Grace and Prince Rainier. New York 2003. Ubersetzt von Astrid Becker, Marion Kappel). 
Norbert Loh: Rainier von Monaco. Ein Furst und seine Familie. Weltbild, Munchen 2005, ISBN 978-3-8289-7872-0. 
Thilo Wydra: Grace. Die Biographie. Aufbau Verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-351-02756-8. 
= Englisch- und franzosischsprachig =
Ceremonies Officielles du Mariage de Son Altesse Serenissime le Prince Souverain Rainier III avec Miss Grace-Patricia Kelly. In: Journal de Monaco – Bulletin Officiel de la Principaute. Numero Special. 19. April 1956, ISSN 1010-8742 (franzosisch, journaldemonaco.gouv.mc (Scan) [PDF; 1,3 MB]). 
Jeffrey Robinson: Rainier and Grace: An Intimate Portrait. Atlantic Monthly Press, New York 1989, ISBN 978-0-87113-343-4 (amerikanisches Englisch). 
Judith B. Quine: The Bridesmaids: Grace Kelly, Princess of Monaco, and Six Intimate Friends. Weidenfeld & Nicolson, New York 1989, ISBN 978-1-55584-067-9 (amerikanisches Englisch). 
Robert Lacey: Grace. G. P. Putnam’s Sons, New York 1994, ISBN 978-0-399-13872-0 (britisches Englisch). 
H. Kristina Haugland: Grace Kelly: Icon of Style to Royal Bride. Hrsg.: Philadelphia Museum of Art. Yale University Press, Philadelphia 2006, ISBN 978-0-300-11644-1 (amerikanisches Englisch). 
Frederic Mitterrand: Les Annees Grace Kelly: Princesse de Monaco. Skira Editore, Mailand 2007, ISBN 978-88-6130-343-0 (franzosisch). 
Donald Spoto: High Society: The Life of Grace Kelly. Harmony Books, New York 2009, ISBN 978-0-307-39561-0 (amerikanisches Englisch). 
Nyna Giles, Eve Claxton: The Bridesmaid’s Daughter: From Grace Kelly’s Wedding to a Women’s Shelter – Searching for the Truth About My Mother. St. Martin’s Press, New York 2018, ISBN 978-1-250-11549-2 (amerikanisches Englisch). 
Dokumentationen = Video =
Die Furstenhochzeit von Monaco (The Wedding in Monaco), US-amerikanischer Dokumentarfilm, Regie: Jean Masson, 1956, 31 Minuten.
Grace – Filmstar und Furstin (Grace – face a son destin), franzosische Fernsehdokumentation, Regie: Patrick Jeudy, 2006, 59 Minuten.
Verschollene Filmschatze – 1956. Hochzeit von Grace Kelly mit Furst Rainier von Monaco (Mysteres d’Archives – 1956. Mariage de Grace Kelly avec Rainier de Monaco), franzosische Fernsehdokumentation, Regie: Serge Viallet, 2010, 26 Minuten.
= Audio =
Wedding in Monaco (A-Seite: Hommage to the Princess, 18:54 Minuten, B-Seite: Wedding Ceremony, 20:47 Minuten), Berichte zur Ballettveranstaltung sowie zur standesamtlichen und kirchlichen Hochzeitszeremonie vom 18. und 19. April 1956, 12-Inch-Schallplatte, Label: Mercury Records (Angaben zum Werk mit Horproben. In: allthingskenton.com. Abgerufen am 24. Februar 2024. )
Wochenschauberichte = British Pathe (Pathe News) =
Grace Kelly And Her Prince (1956) auf YouTube, 13. April 2014 (englisch; 1:09 min).
Grace Kelly Sails For Monaco (1956) auf YouTube, 13. April 2014 (englisch; 1:51 min).
She’s There – Grace Kelly (1956) auf YouTube, 13. April 2014 (englisch; 2:23 min).
Grace Kelly Royal Wedding to Prince Rainier III (1956) auf YouTube, 13. April 2014 (englisch; 3:39 min).
= British Movietone =
Monaco Engagement – Prince Rainier and Grace Kelly auf YouTube, 21. Juli 2015 (englisch; 0:51 min).
The Wedding Draws Near – Miss Kelly Leaves auf YouTube, 21. Juli 2015 (englisch; 2:23 min).
The Monaco Royal Wedding auf YouTube (englisch; 4:25 min).
Einzelnachweise Anmerkungen | 
	Die Hochzeit von Furst Rainier III. von Monaco und Grace Kelly fand am 19. April 1956 in der Kathedrale Notre-Dame-Immaculee in Monaco statt. Am Tag vor der kirchlichen Trauung erfolgte die standesamtliche Zeremonie im Thronsaal des Furstenpalastes von Monaco.
Furst Rainier lernte die US-amerikanische Filmschauspielerin Grace Kelly im Mai 1955 bei einem von der franzosischen Wochenzeitschrift Paris Match anlasslich der Filmfestspiele von Cannes arrangierten Zusammentreffen im Palast kennen. Die Verlobung wurde Anfang Januar 1956 offiziell bekannt gegeben, nachdem Rainier einen Monat zuvor in die Vereinigten Staaten gereist war und den Eltern der zukunftigen Landesmutter seine Aufwartung gemacht hatte.
Die Vermahlung wurde zu einem der bedeutendsten Medienereignisse der 1950er-Jahre und von mehr als 30 Millionen Fernsehzuschauern in neun Landern verfolgt. Das gesteigerte Interesse der Weltoffentlichkeit machte Monaco zum Zentrum der internationalen High Society und leitete einen wirtschaftlichen Aufschwung im von politischen und finanziellen Problemen betroffenen Furstentum ein. Mit der Vermahlung beendete die Schauspielerin ihre Karriere. Sie nahm einen neuen Titel an und hieß fortan Princesse Grace de Monaco, wahrend im deutschen Sprachraum die verkurzte Bezeichnung Gracia Patricia ublich wurde. Im Jahr 1982 starb die Furstin an den Folgen eines Autounfalles.
Aus der Ehe gingen die drei Kinder Caroline, Albert und Stephanie hervor, die der Herrscherdynastie der Grimaldis die Erbfolge sicherten. Seit dem Tod seines Vaters im Jahr 2005 ist Albert II. regierender Furst von Monaco. Neben anderen europaischen Adelshausern steht die Furstenfamilie zeitlebens im besonderen Interesse der Medien. | 
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| 
	c-584 | 
	The Struggle for Mozambique, in der deutschen Ubersetzung Kampf um Mozambique, ist ein unter der posthumen Autorschaft Eduardo Mondlanes 1969 veroffentlichtes Werk, in dem Mondlanes Erlebnisse von seiner Ernennung zum ersten Frelimo-Prasidenten im Jahr 1962 bis zum Jahr vor seiner Ermordung geschildert werden. Die Beschreibungen des Einflusses der Kolonialherrschaft auf die mosambikanische Gesellschaft, des Ursprungs der antikolonialen Bewegungen, der Entwicklung des Befreiungskampfes der Frelimo und ihrer internen Konflikte gelten als erste historiografische Darstellung dieser Zusammenhange. Als ‚Grundstein‘ fur die Geschichtsschreibung Mosambiks hat das Buch die historische Forschung stark beeinflusst. The Struggle for Mozambique erschien drei Monate nach Mondlanes Tod im Mai 1969 in englischer Sprache im britischen Penguin Books Verlag. Ubersetzungen des Werkes erschienen in mehreren Sprachen, u. a. in der Bundesrepublik 1970 im Marz-Verlag (Frankfurt am Main) und in der DDR 1973 im SED-Parteiverlag Dietz (Berlin).
Werk = Veroffentlichungskontext =
The Struggle for Mozambique wurde aus Textentwurfen Mondlanes fur das von ihm begonnene Buch, aus Berichten und Interviews nachtraglich von Frelimo-Mitarbeitern der Informations- und Propagandaabteilung in Daressalam zusammengestellt, wobei der Umfang der redaktionellen Uberarbeitung nicht bekannt ist. Paratextuell wird eine vollstandige Autorschaft Mondlanes suggeriert, eine redaktionelle Bearbeitung wird nicht angezeigt.
Obwohl das Werk als ‚Autobiografie‘ und ‚Lebensgeschichte‘ gekennzeichnet ist, hat es stark propagandistischen Charakter. Konzipiert wurde es fur ein internationales Publikum mit dem Ziel, Aufmerksamkeit und Unterstutzung fur den Befreiungskampf zu gewinnen. Es reiht sich damit ein in die lange Liste von Veroffentlichungen fur diese Zielgruppe, produziert von der Informations- und Propagandaabteilung der Frelimo, deren Auslandskommunikation entscheidend fur den Aufbau des internationalen Solidaritatsnetzwerks der Frelimo war. Mehr denn je war Ende der 1960er-Jahre der Zeitgeist gepragt von der 68er-Bewegung – vor allem den Protesten der Studierendenbewegungen, die der Frelimo und ihren Zielen gewogen waren. Mit diesem Werk sollte nicht nur um Solidaritat geworben werden, sondern es sollte als ‚politisches Manifest‘ den revolutionaren Charakter der Frelimo betonen, ihr Legitimation verleihen, um weltweit die Vision des mosambikanischen Nationalismus als radikales Modernitatsversprechen bekannt zu machen. Dieses Ziel konnte am besten mit einer englischsprachigen Veroffentlichung bei einem großen Verlagshaus wie Penguin Books erreicht werden.
Diese Intention von The Struggle for Mozambique wird zudem durch den Umstand illustriert, dass eine Veroffentlichung fur die mosambikanische Bevolkerung in portugiesischer Sprache selbst offenbar nicht vorgesehen war; die erste portugiesische Ubersetzung unter dem Titel Lutar por Mocambique erschien erst 1975 in Lissabon. Inwiefern das Buch in Mosambik zirkulierte, ist nicht bekannt. Es finden sich Auszuge der portugiesischen Ubersetzung des Werkes in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften des Landes, u. a. 1976 in der Tageszeitung Noticias, 1981 erneut in der Noticias und 1989 in der Wochenzeitschrift Tempo. Die erste in Mosambik veroffentlichte portugiesische Ubersetzung des Werkes erschien erst 1995, nach Ende der Frelimo als Staatspartei, veroffentlicht vom Centro de Estudos Africanos in Maputo.
= Aufbau und Inhalt =
The Struggle for Mozambique gliedert sich inhaltlich in zwei Teile: „Under Portugal“ thematisiert und analysiert in vier Kapiteln die Kolonisierung Mosambiks mit Blick auf die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen auf die mosambikanische Gesellschaft: 1) Colonization – The Tradition, 2) Social Structure – Myth and Fact, 3) Education and Submission und 4) The Economics of Exploitation.
Darauf baut der zweite Teil („Towards Independence“) auf, in dem in sechs Kapiteln die Geschichte des mosambikanischen Widerstandskampfes bis zum Zeitpunkt der Veroffentlichungsgegenwart dargestellt wird wie auch anschließend die politische Vision des zukunftigen Mosambiks, was dem Werk den Charakter eines Manifests gibt: 5) Resistance – The Search for a National Movement, 6) Consolidation, 7) The War, 8) The New Mozambique, 9) International Relations und 10) The Future. Eine Einleitung und ein Nachwort rahmen die Darstellung ein.
Diese Struktur und dieser Aufbau lassen auf eine strategische Narrativierung schließen, die den politischen Intentionen der Frelimo Ausdruck verleiht. Durch die lineare Erzahlkonstruktion dient die anfangs ausfuhrliche Darstellung der Unterdruckung und Ausbeutung durch die Kolonialmacht als Grundlage und Rechtfertigung der anschließend dargestellten Grundung der Frelimo als vereinte mosambikanische Unabhangigkeitsbewegung und des begonnenen Unabhangigkeitskrieges gegen Portugal.
Auf diese Weise wird die Geschichte Mosambiks mit der Geschichte der Frelimo verbunden bzw. mit ihr gleichgesetzt. Dies begrundet sich im Selbstverstandnis der Frelimo als alleinige und einzige Vertreterin des mosambikanischen Volkes und dem damit verbundenen exklusiven Anspruch auf Geschichtsschreibung und dem Recht, Nation, Narrativ und Identitat zu definieren. Diese inhaltliche Anordnung des Werks unterstreicht ebenso die eigens entwickelte Vision des „Modernisierungsnationalismus“ marxistischen Charakters, insbesondere im Kontrast zu anderen afrikanischen Nationalismen. Die eigene Erfahrung der Unterdruckung und des Leids durch den Kolonialismus sowie des Befreiungskampfes werden hier metanarrativ zur Grundlage der mosambikanischen Identitat erklart. Trotz der im Werk deutlich erkennbaren politischen Radikalisierung von Duktus und Rhetorik kann hier noch nicht wirklich von einer marxistischen Ideologie gesprochen werden, wie sie sich ab 1970 bei der Frelimo manifestiert. Im Großen und Ganzen ist das Werk, laut Costa, vor allem als antikolonial einzuschatzen.
= Erzahlstruktur =
Als ‚Autobiografie‘ leitet Eduardo Mondlane selbst als Erzahler erster Person durch das gesamte Buch mit einer je nach Thema zwischen dezidiert wissenschaftlich und personlich-emotional changierender Tonalitat. Die personliche Erzahlform Mondlanes – nicht zu vergessen bereits vor Erstveroffentlichung verstorben und somit gewissermaßen im auktorialen Jenseits – verleiht ihm damit die Rolle eines ‚Vaters der mosambikanischen Nation‘ und Helden auf dem Weg zur Unabhangigkeit Mosambiks.
Insgesamt lassen sich anhand des Werkes bereits Versuche einer Mythifizierung der Person Eduardo Mondlane erkennen, dessen Heroisierung in den spateren Jahren starker wurde. Seine Biographie ist stark auf die Zeit in Mosambik fokussiert, seine lange Zeit im Ausland wird im Buch nicht erwahnt. Die Suche nach der ‚Einheit Mosambiks‘ lasst sich als das Leitmotiv des Werks ausmachen, der ‚Architekt der Einheit‘ Mondlane illustriert die Herausforderungen dieser historischen Entwicklung. Zentral ist dabei seine Feststellung, dass der mosambikanische Nationalismus ein Produkt der europaischen Kolonisation und nicht etwaiger primordialer, ethnischer Verbundenheit sei. Die angestrebte Einheit sei in der kollektiven Erfahrung der Unterdruckung und Ausbeutung durch die Kolonialmacht begrundet, als ‚territoriale Gemeinschaft‘ mit ‚psychologischer Koharenz‘.
Rezeption The Struggle for Mozambique war fur lange Zeit die einzige im Ausland verfugbare – und bewusst weit verbreitete – und zitierte Darstellung portugiesischer Gewaltverbrechen wahrend des mosambikanischen Unabhangigkeitskrieges (u. a. des Massakers von Mueda). The Struggle for Mozambique war fur die Frelimo eine erfolgreiche und bedeutende Veroffentlichung, sowohl in einer historiografischen als auch in politischer Dimension: Insbesondere aufgrund der Verschrankung beider Dimensionen mit dem Ziel, die Frelimo in ihrer Grundung und ihrem Bestehen zu legitimeren, ihren Alleinvertretungsanspruch in Mosambik zu unterstutzen und ihre Macht auszubauen.
Als erstes englisches Buch eines portugiesischsprachigen afrikanischen Nationalisten erzielte es enormen Erfolg. Laut Georgi Derluguian erreichte es die anvisierte Zielgruppe: „seine Analyse des kolonialen Mosambik und der Politik der Frelimo hinterließ tiefen Eindruck bei vielen westlich erzogenen und ausgebildeten Lesern, von Kommunisten bis hin zu Mainstream-Liberalen“ („its analysis of colonial Mozambique and Frelimo’s politics deeply impressed a wide range of Western-educated readers ranging from communists to mainstream liberals“). Der amerikanische Afrikawissenschaftler Colin Darch schrieb 1981: „The Struggle for Mozambique [...] war von großter Bedeutung, um die Aufmerksamkeit der Welt auf den Kampf des mosambikanischen Volkes zu lenken und die Unterstutzung der progressiven Krafte fur diesen Kampf zu mobilisieren. Es bleibt ein grundlegendes Dokument fur die Untersuchung und Analyse der Natur des portugiesischen Kolonialismus in Mosambik und der Ursprunge der FRELIMO.“
Relevant ist das Werk auch in der Hinsicht, dass es angesichts der vermutlich geringeren Verbreitung der Frelimo-eigenen Zeitschriften wie Mozambique Revolution fur viele sich im Ausland mit der Befreiungsfront solidarisierende Menschen wahrscheinlich den ersten Kontakt mit einer Frelimo-Veroffentlichung darstellte und damit entscheidend zum Aufbau des Unterstutzungs- und Solidaritatsnetzwerks beigetragen haben kann. Insbesondere in den skandinavischen Landern warb die Frelimo erfolgreich um Unterstutzung fur ihren Kampf, was sich bspw. auch an der Verbreitung und Ubersetzung von The Struggle for Mozambique ins Danische, Finnische, Norwegische und Schwedische zeigt.
Comic-Adaption als „Mocambique por Eduardo Mondlane“ Im Januar 1984 veroffentlichte der mosambikanische Staatsverlag Instituto Nacional do Livro e do Disco eine Comic-Adaption des Werkes unter dem Titel Mocambique por Eduardo Mondlane der Autorin und Zeichnerin Helana Motta. Der Comic erschien als dritter Band der 1981 begrundeten neuen Comic-Reihe „Banda Desenhada“. Er basiert auf dem 1969 veroffentlichten Werk The Struggle for Mozambique und ist aufgrund seines avantgardistischen Charakters und der narrativen Komplexitat fur den mosambikanischen Kontext der 1980er Jahre herausragend. Fur den Zeitpunkt bzw. -raum der Veroffentlichung des Comics lasst sich keine rezipierende Quelle nachweisen und das Werk scheint gewissermaßen ‚vergessen‘ worden zu sein, bis 2021 der erste wissenschaftlichen Beitrag zum Werk uberhaupt erschien.
Die Adaption der Autorin orientiert sich in Aufbau und Inhalt in großen Teilen am Original, viele der Textpassagen sind wortwortlich entnommen. Obwohl der Bezug zu Mondlanes Werk außer Frage steht, wird dieser nicht explizit im Paratext erwahnt. Die erste bekannte portugiesischsprachige Ubersetzung unter dem Titel Lutar por Mocambique erschien 1975 in Lissabon und muss der Autorin als Grundlage gedient haben. Die mosambikanische Adaption Mocambique por Eduardo Mondlane erschien so vor der ersten mosambikanischen Ausgabe von Lutar por Mocambique im Jahr 1995. Die Autorin musste somit keinen expliziten Bezug auf das Original nehmen, da dieses in Mosambik nicht im Umlauf war, was ihr erlaubte, Inhalt, Aufbau und Erzahlung zu adaptieren. Die Adaption folgt grob der Struktur von The Struggle for Mozambique und nutzt alle historischen Kapitel bis etwa 1968: Zunachst wird die Kolonisierung der mosambikanischen Bevolkerung thematisiert (Kapitel 1 bis 4), danach die Entwicklung des antikolonialen Widerstands bis zum Befreiungskrieg (5 bis 6). Das siebte Kapitel des Comics ist dagegen inhaltlich komplett losgelost von The Struggle for Mozambique.
Mocambique por Eduardo Mondlane basiert zwar auf Eduardo Mondlanes The Struggle for Mozambique, die Autorin und Zeichnerin Helena Motta historisiert die Erzahlung des Originals jedoch in ihrer Adaption und stellt dabei Mondlande selbst in den Mittelpunkt. Das Werk als Ganzes – Erzahlstruktur, Inhalt, visuelle Darstellung – dient der Mythifizierung Eduardo Mondlanes als ‚Vater der Nation‘ und seinem Vermachtnis der ‚mosambikanischen Einheit‘.
Bibliographie Originalausgabe:
The Struggle for Mozambique (= Penguin African library AP28). Penguin, Harmondsworth 1969, ISBN 978-0-14-041028-0. 
The Struggle for Mozambique. Zed Press, London 1983, ISBN 978-0-86232-016-4.  (mit einem Vorwort von John S. Saul und biographischen Abriss zu Mondlane von Herbert Shore)
Portugiesischsprachige Ausgaben:
Lutar por Mocambique. Livraria Sa da Costa Editora, Lissabon 1975.  (ubersetzt von Maria da Graca Forjaz)
Lutar por Mocambique (= Coleccao Nosso Chao). Centro de Estudos Africanos, Maputo 1995. 
Portugiesischsprachige Comic-Adaption:
Helena Motta: Mocambique por Eduardo Mondlane. Instituto Nacional do Livro e do Disco, Maputo 1984. 
Deutschsprachige Ausgaben:
Kampf um Mozambique. Marz Verlag, Frankfurt am Main 1970.  (ubersetzt von Heidi Reichling, Stefan Rossel und Burkhard Bluem)
Kampf um Mocambique. Dietz Verlag, Berlin 1973.  (lizenzierter Nachdruck der Ausgabe des Marz Verlages)
Weitere Ubersetzungen
Chinesisch: 为莫桑比克而斗争. 上海人民出版社, Shanghai 1976. 
Danisch: Kampen mod Portugal i Mocambique. Samleren, Kopenhagen 1971.  (ubersetzt von Vibeke Weitemeyer)
Finnisch: Mosambikin taistelu. Demo, Helsinki 1969. 
Franzosisch:Mozambique: De la colonisation portugaise a la liberation nationale. Edition L’Harmattan, Paris 1979, ISBN 978-2-85802-104-8. 
Japanisch: アフリカ革命=モサンヒクの闘争. 理論社, 東京, 1971. 
Norwegisch: Kampen om Mocambique. Gyldendal Norsk Forlag, Oslo 1970.  (ubersetzt von Haakon Børde)
Russisch: Борьба за Мозамбик. Издат. Наука, Moskau 1972. 
Schwedisch: Kampen for Mocambique. Raben & Sjogren, Stockholm 1969.  (ubersetzt von Olof Hoffsten, Vorwort von Tore Linne Eriksen)
Einzelnachweise | 
	The Struggle for Mozambique, in der deutschen Ubersetzung Kampf um Mozambique, ist ein unter der posthumen Autorschaft Eduardo Mondlanes 1969 veroffentlichtes Werk, in dem Mondlanes Erlebnisse von seiner Ernennung zum ersten Frelimo-Prasidenten im Jahr 1962 bis zum Jahr vor seiner Ermordung geschildert werden. Die Beschreibungen des Einflusses der Kolonialherrschaft auf die mosambikanische Gesellschaft, des Ursprungs der antikolonialen Bewegungen, der Entwicklung des Befreiungskampfes der Frelimo und ihrer internen Konflikte gelten als erste historiografische Darstellung dieser Zusammenhange. Als ‚Grundstein‘ fur die Geschichtsschreibung Mosambiks hat das Buch die historische Forschung stark beeinflusst. The Struggle for Mozambique erschien drei Monate nach Mondlanes Tod im Mai 1969 in englischer Sprache im britischen Penguin Books Verlag. Ubersetzungen des Werkes erschienen in mehreren Sprachen, u. a. in der Bundesrepublik 1970 im Marz-Verlag (Frankfurt am Main) und in der DDR 1973 im SED-Parteiverlag Dietz (Berlin). | 
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	c-585 | 
	Louis Arje Salomon (geboren 17. April 1872 in Schwersenz bei Posen; gestorben 16. Dezember 1955 in Ein Charod, Israel) war ein deutscher Kaufmann judischen Glaubens und der letzte Vorsteher der judischen Gemeinde in Berlin-Spandau.
Leben Louis Salomon war der zweite von drei Sohnen des Glasers Gabriel Salomon und dessen Frau Liebchen Salomon (geb. Schmuckler). Der altere Bruder Josef (genannt Julius) wurde am 26. November 1868 geboren, der jungere Benno (Baruch) am 15. Januar 1875. Neben der Glaserei betrieben die Eltern einen Handel mit Landprodukten (Felle, Metalle, Wolle, Flachs und Honig). Die Kinder besuchten in Schwersenz die judische Volksschule und wurden von zwei Lehrern unterrichtet. Die Schule wurde von der großen judischen Gemeinde von Schwersenz betrieben, zu der 100 Kinder gehorten. Aus finanziellen Grunden konnten Louis und seine Bruder nicht das Gymnasium in Posen besuchen, da die Eltern keinen der Sohne bevorzugen wollten, aber das Schulgeld fur drei Kinder zu teuer war.
Louis Salomon begann mit 14 Jahren eine Lehre als Verkaufer in einem Geschaft fur Kurz-, Weiß- und Wollwaren sowie Damen- und Herrenhute in Kurnik (Inhaber: Max Oelsner). Nach der Lehre wurde er von der Firma ubernommen. Um 1890 wechselte er als Verkaufer nach Posen.
Am 1. Marz 1896 kam Salomon aus der Kleinstadt Schwersenz zunachst nach Berlin in eine „sehr angenehme Vertrauensstellung“ bei einem Berliner Textilienhandler und dann nach Spandau, wo sein Arbeitgeber an der Adresse Markt 6 (Ecke Breite Straße) ein Filialgeschaft besaß. Am 15. Februar 1897 konnte Louis Salomon es kaufen und wurde selbstandig. Er schrieb dazu: „Dieses war zwar klein, aber ich war Detaillist und traute mir zu, es ertragsfahig zu machen.“ Er verkaufte es bald wieder und erwarb das benachbarte Haus Markt 7, wo er sein Geschaft neu eroffnete und bis 1929 leitete.
Am 29. Juni 1897 verlobte er sich mit Franze (Franziska) Brasch, die aus Posen stammte und dort zeitweise im selben Unternehmen wie Salomon gearbeitet hatte; am 30. November 1897 fand die Hochzeit statt. Das Ehepaar wohnte im 2. Stock uber dem Geschaft in Spandau, Markt 7. Aus der Ehe gingen zwei Tochter hervor: Margot Salomon, spater verheiratete Weiss, und Gerta Salomon, verheiratete Kallner. 1901 wurde als drittes Kind ein Sohn geboren, der nach kurzer Zeit starb. Franze Salomon wollte nach dem Tod des Kindes nicht in der Wohnung bleiben, und so zog die Familie um in die Potsdamer Straße 40 (heute Carl-Schurz-Straße 39) in das Haus des judischen Apothekers Julius Siegmann. Weil Franze wegen eines Herzfehlers leidend war, besuchte die Familie verschiedene Seebader und Kurorte (u. a. Swinemunde, Misdroy, Bad Sulza und zuletzt Bad Nauheim und Bad Oeynhausen). Franze Salomon starb am 17. November 1917.
Salomon vertrat die Spandauer Kaufmannschaft in verschiedenen Gremien und Korperschaften und war als stadtischer Amtsvormund, als Delegierter der Berliner Handelskammer beim Finanzamt Spandau sowie als Schoffe beim Amtsgericht in Spandau tatig. 1915 ließ er sich im Alter von 43 Jahren im Ersten Weltkrieg als Soldat einziehen, was er als „Ehrenpflicht“ betrachtete.
Nach vier Jahren als Witwer heiratete er im Januar 1922 Ernestine (genannt Alma) Tarnowski, verwitwete Rosenheimer, und zog mit ihr in das Haus Breite Straße 33, das er 1917 gekauft hatte; das Ehepaar bewohnte eine große Wohnung im 2. Stock. Almas Mann, ein Kegelbruder Salomons, war plotzlich gestorben. Dessen Mobelgeschaft fuhrte zunachst die Witwe weiter, nach der Heirat ubernahm es ihr altester Sohn Fredy Rosenheimer. Fur den jungeren Stiefsohn Gerd richtete Salomon eine Filiale ein, doch dieser wahlte einen anderen Beruf.
= Unternehmenstatigkeit =
Louis Salomon war vielfaltig als Unternehmer tatig. Er grundete und verlagerte Geschafte fur sich und Familienangehorige in ganz Berlin, baute sie um und erweiterte sie. Bereits am 1. Oktober 1898 errichtet er am Lutherplatz 3 eine erste Filiale seines im Februar 1897 gegrundeten Geschafts. „Da meine Frau sehr tuchtig war, hatte ich viel Zeit“, schreibt er als Begrundung in seinen Erinnerungen. Nach der Geburt seiner beiden Tochter stellte er einen Vetter namens Powidzer als Filialleiter ein. Dieses Geschaft fur Modewaren ubernahm sein Bruder Benno, nachdem Louis es hatte umbauen lassen; als Benno erkrankte und 1924 starb, fuhrte es dessen Frau Zilka (auch Cella), eine Schwester von Louis’ erster Frau Franze. Sie wurde mit ihren Kindern Gerhard und Leonie 1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet.
1904 eroffnete er eine Filiale seines eigenen Geschafts an der Pichelsdorfer Straße 16, „die eine Goldgrube fur uns wurde“. Margot erhielt diese Filiale zu ihrer Hochzeit als Geschenk; Inhaber wurde ihr Ehemann Julius Weiss. Als seine Tochter Gerta 1925 Alfred Kallner heiratete, nachdem dieser sein Medizinstudium beendet hatte, uberschrieb Salomon ihr dreiviertel seiner Hauser als Heiratsgut. Fur seinen Bruder Joseph (genannt Julius) und dessen Sohn Martin kaufte er auf der Neuendorfer Straße 98 ein Textilwarengeschaft, das diese bis zur Reichspogromnacht 1938 fuhrten. 1929 errichtete er ein kleines Geschaft in der Seegefelder Straße „mehr zum Sport, damit spater [sein Stiefsohn] Gerd eine Existenz haben sollte“, doch dieser hatte „die Lust zum Kaufmann verloren“, so dass Salomon es Anfang 1933 wieder aufloste. Fur seine Schwagerin Jenny Hartmann, der es in Lissa „sehr schlecht“ ging, errichtete er ein Lebensmittelgeschaft in der Lynarstraße, bis sie nach kurzer Zeit nach Posen ubersiedelte, als ihr Mann dort eine Anstellung erhalten hatte. Weitere Geschafte eroffnete er als „Starthilfe“ fur seine Schwagerinnen Hedwig (1912 in Tegel) und Marta (1913 in Neukolln). 1918 kaufte er die Hauser an der Breiten Straße 33 und 34 in Spandau (heutige Adresse: Breite Straße 33), ließ sie instand setzen, „moderne Laden“ ausbauen und wegen der Wohnungsknappheit Notwohnungen in ehemaligen Gesellenzimmern einbauen. Im Haus Breite Straße 33 richtete er ein Waschegeschaft fur seine Schwagerin Margarete Brasch, eine Schwester seiner ersten Frau, ein; diese erkrankte jedoch bald, und er loste es wieder auf. Louis Salomon nahm auf die Partnerwahl seiner Tochter Einfluss und achtete auch auf das kaufmannische Geschick der Schwiegersohne.
1929 unterbreitete die Firma Woolworth Salomon und seiner Tochter Gerta Kallner das Angebot, im Erdgeschoss der Hauser Breite Straße 33 und 34 eine Filiale zu errichten. Salomon ließ die Hauser abreißen und bis 1931 einen großen Neubau errichten. Woolworth ubernahm einen großen Teil der Baukosten. Im Erdgeschoss befand sich ein 660 m² großer Laden, in dem Woolworth als Mieter 1931 eine der ersten Filialen der Firma in Deutschland eroffnete, daneben lag ein zweiter von 100 m² Große fur die Firma „Babybasar“ von A. Baer, die bereits vorher dort Mieterin gewesen war. Spater folgte auf den „Babybasar“ das Schuhgeschaft Tack. Im ersten Stock lagen die Praxis des Frauenarztes Dr. Hans Lowenstein und des Nervenarztes Dr. Rudolf Mansbacher, im zweiten Stock wohnte Louis Salomon mit seiner Familie, im vierten Stock der Hauswart Fritz Fila, weitere Wohnungen waren vermietet. Als das Kaufhaus Pieck zur selben Zeit Salomons Haus mit dem Stammgeschaft am Markt 6 (Ecke Markt/Breite Straße 53, heute Woolworth) kaufen wollte, zogerte er zunachst, doch „auf Anraten der Kinder und auf Grund des fabelhaften Preises ließ ich mich dazu uberreden“.
= Leitungsaufgaben in der judischen Gemeinde =
Ab 1901 wurde Salomon von der judischen Gemeinde mehrfach zum Mitglied der Reprasentantenversammlung gewahlt. Er war Mitglied der Vorstande im Humanitatsverein „Gemiluth Chassodim“ und in „Chevra Kadischa“ (‚Heiliger Verband‘), in dem sich Manner ehrenamtlich bei Krankheit und Todesfallen einsetzten, etwa als Beerdigungsbruderschaft, außerdem gehorte er zum Kuratorium des judischen Altenheims in der Feldstraße 8. Die Spandauer Gemeinde war mehr oder weniger liberal ausgerichtet. Salomon war Logenmitglied des „Unabhangigen Ordens B’nai B’rith“ in der Kleiststraße.
Nach dem Tod von Joseph Kallner am 20. Juni 1938 ubernahm er dessen Amt als Vorsteher der judischen Gemeinde Spandau. Er war der letzte Vorsteher der Gemeinde, die nach dem 4. Juli 1938 zwangsweise aufgelost und mit der Berliner Gemeinde zusammengefasst wurde. Die Berliner Gemeinde wollte die Spandauer bereits vorher zur Aufgabe ihrer Selbstandigkeit uberreden, doch dies konnten die Spandauer Juden ablehnen, bis die Behorden nicht mehr mehrere judische Gemeinden in Berlin zulassen wollten. In seine Amtszeit fielen die Novemberpogrome 1938 und die zwangsweise Auflosung des gemeindeeigenen Friedhofs.
= Zeit des Nationalsozialismus =
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurden seine Geschafte wie andere von Juden gefuhrte Unternehmen am 1. April 1933 boykottiert. Louis Salomon war nicht mehr in der unmittelbaren Leitung tatig, aber besaß zu dem Zeitpunkt Immobilien in der Breiten Straße 33/34, am Lutherplatz 3 und an der Pichelsdorfer Straße 16 (Inhaber: Julius Weiss), sein Neffe Martin auf der Neuendorfer Straße 98, die alle auf hektographierten Handzetteln aufgefuhrt waren, die als Boykottaufruf von der SA herausgegeben wurden. Sein Enkel wurde mit Steinen beworfen. Die Enkel Fritz und Hans Weiss mussten 1936 das Kant-Gymnasium verlassen, weil sie Juden waren; vorher waren sie von Mitschulern diskriminiert worden. Die Familie besaß seit den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg ein Landhaus in Jorsfelde, das zum Refugium wurde.
Franz Paulus, der Herausgeber von Salomons Lebenserinnerungen, macht in der Einleitung darauf aufmerksam, dass in den Aufzeichnungen Louis Salomons diese und andere „geschichtlichen Umbruche“ nicht erwahnt werden wie der Spartakusaufstand mit Besetzung des Spandauer Rathauses und „die Tatsache, dass gerade Spandau ein fruher Ort nationalsozialistischer Umtriebe war“; die Machtergreifung Hitlers und das Jahr 1933 hatten fur Salomon keine einschneidende Zasur dargestellt. In den Lebenserinnerungen scheine „der Ubergang von der burgerlichen Normalitat in die Katastrophe von Deportation und Mord an den Familienmitgliedern […] fast beilaufig zu erfolgen“. Paulus schließt daraus, dass Salomon ein „unpolitischer Kaufmann“ geblieben sei, der bis zum Schluss „die Fiktion burgerlicher Normalitat aufrechterhalten“ habe.
Infolge der „Arisierung“ oder „Entjudung“ erfolgte die Einschrankung des Mieterschutzes fur Juden, die Hermann Goring im Dezember 1938 bekanntgab. Salomon verlor seine Geschafte. Das Haus in der Breiten Straße wurde nicht vollstandig „arisiert“, da der Umbau durch die amerikanische Firma Woolworth kreditfinanziert worden war. Nach der Veroffentlichung des „Entmietungsgesetzes“ im April 1939 wurden judische Familien gezwungen, in einzelnen Hausern („Judenhausern“) zusammengedrangt zusammenzuziehen. Mehrere Verwandte Salomons zogen daraufhin in das Haus Breite Straße 33/34, dem vom Staat ein Verwalter, Martin Schmidt, vorangestellt wurde. 1938 wohnte vorubergehend der Spandauer Rabbiner Arthur Lowenstamm im 3. Stock. Louis Salomon und seine Frau Ernestine Alma hatten zunachst die Funf-Zimmer-Wohnung im 2. Stockwerk bewohnt und mussten jetzt in eine kleinere Wohnung im 3. Stock umziehen, zuletzt mit Schwagerin Marta Tarnowski und ihrem Sohn Hans zusammen als Untermieter seines Schwiegersohns Julius Weiss und seiner Tochter Margot Weiss fur eine Miete von 35 RM. Der mit Louis Salomon befreundete Hauswart Fila hatte eine Klingel von seiner Wohnung im Dachgeschoss in Salomons Wohnung gelegt, die er beispielsweise betatigte, wenn die Gestapo in der Nahe war. Neun Bewohner des Hauses wurden zwischen 1942 und 1944 deportiert und in Auschwitz ermordet. Das Haus wurde am 28. Marz 1945 von einer Bombe im hinteren Teil schwer beschadigt. Nach dem Wiederaufbau nach Kriegsende zog erneut die Firma Woolworth ein, bis sie in ein neu errichtetes Haus am Markt 7 umzog. Heute gehort das Gebaude der Gesellschaft Gewobag, die Ladenraume sind an ein Geschaft und ein vietnamesisches Restaurant vermietet.
In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 brannte die Synagoge in der Kammerstraße/Ecke Lindenufer. An den von Juden gefuhrten Geschaften in der Stadt wurden die Schaufensterscheiben zertrummert, die Laden wurden geplundert. Salomon ging mit Rabbiner Lowenstamm in der Nacht zur Synagoge und in die Breite Straße, wo sie angegriffen und niedergeschlagen wurden. Am nachsten Tag gelang es Salomon zusammen mit dem Synagogendiener Hermann Blumenthal, einige Torarollen aus der Synagoge zu retten. Rabbiner Arthur Lowenstamm wurde am 11. November 1938 verhaftet und ins KZ Sachsenhausen gebracht, wo er bis Marz 1939 blieb und dann nach Großbritannien emigrierte.
Noch 1938 wurde die Gemeinde offiziell aufgelost, die Mitglieder der judischen Gemeinde Berlin angeschlossen. 1939/1940 wurde die Gemeinde gezwungen, ihren seit 1859 in den Schulerbergen in der Spandauer Nordstadt bestehenden Friedhof mit etwa 400 Grabern aufzugeben, weil die Militarverwaltung das Gelande benotigte. Die Uberreste der Bestatteten wurden von judischen Arbeitern der Berliner Gemeinde auf einen besonderen Teil des Adass-Jisroel-Friedhofs in Berlin-Weißensee umgebettet, die Grabdenkmaler wurden dort wieder aufgestellt. Louis Salomon wirkte als Gemeindevorsteher bei der Schlussandacht in Spandau und bei der Einweihung des Graberfeldes in Weißensee mit und sprach hier das letzte und dort das erste Kaddisch.
= Theresienstadt =
Louis Salomon und seine Frau Alma wurden mit dem 77. Alterstransport vom 16. Dezember 1942 ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, das von der NS-Propaganda beschonigend als angebliches „Altersghetto“ dargestellt wurde. Von den 98 aus Berlin stammenden Deportierten dieses Transports uberlebten nur 13 Personen. Seine Schwagerin Marta Tarnowski folgte einen Tag spater mit dem 78. Alterstransport; sie wurde von Theresienstadt nach Auschwitz gebracht, wo sie verschollen ist. Ihr Sohn Hans Joachim wurde am 2. Marz 1943 nach Auschwitz deportiert und dort umgebracht. Salomons Tochter Margot Weiss, ihr Mann Julius Weiss und Sohn Fritz Weiss wurden von den Nationalsozialisten ermordet, Enkel Hans (Schimʿon) Weiss ging im Rahmen der Jugend-Alija nach Palastina. Salomons Tochter Gerta war bereits 1933 mit ihrer Familie nach Palastina ausgewandert, nachdem ihrem Mann Dr. Alfred Kallner seine arztliche Praxis entzogen worden war und ihre Tochter Franze die Schule hatte verlassen mussen. Sie lebten im Kibbuz Ein Harod, wo Kallner als Arzt tatig wurde.
Louis Salomon und seine Frau erhielten am 23. November 1942 die Aufforderung, sich fur die Abreise nach Theresienstadt bereitzuhalten. Am 24. November wurden sie mit einem Mobelwagen zunachst ins Altersheim Gerlachstraße (vorher Lietzmannstraße) gebracht, das als Sammellager fur Theresienstadt-Transporte diente. Die mitgebrachten Mobel wurden dort jedoch von der Gestapo konfisziert und verschleudert. Am 16. Dezember brachen sie nachts zum Anhalter Bahnhof auf, wo der Zug um 6 Uhr abfuhr und am fruhen Abend den Bahnhof Bauschowitz an der Eger, drei Kilometer von Theresienstadt entfernt, erreichte. Dort wurden ihnen personliche Gegenstande aus ihrem Gepack abgenommen, sie mussten anfangs auf Strohsacken schlafen. Obwohl Manner uber 70 und Frauen uber 60 Jahren in Theresienstadt nicht arbeiten mussten, meldete sich Louis Salomon fur den Hausdienst, bediente die Ofen, half bei der Essensausgabe, machte Botengange; spater war er als Straßenreiniger eingesetzt, bis er aus gesundheitlichen Grunden die Arbeit einstellen musste. Mitte Februar 1943 erhielt Salomon ein Bett in einem mit 16 Personen belegten Zimmer, getrennt von seiner Frau. Alma Salomon betatigte sich beim Kartoffelschalen und als Hilfe in einem Kinderzimmer, sie bekam dafur eine Portion Kartoffeln und hatte Zugang zu den Kuchenabfallen, so dass beide nicht hungern mussten; spater erhielten sie zweimal ein Packchen mit Lebensmitteln von Bekannten aus Spandau. Im Ghetto trafen sie auf Verwandte aus verschiedenen Gegenden und Spandauer, die spater deportiert worden waren und von den Bombenangriffen auf Spandau und Berlin berichteten. Am Sabbat besuchte das Ehepaar Salomon die Gottesdienste, die verschiedene Rabbiner abhielten.
Im September 1944 kamen 2000 Juden aus Holland in das Ghetto. Louis Salomon schreibt in seinen Erinnerungen:
Mehrfach verließen im September und Oktober Transporte mit jeweils mehreren Tausend Menschen im Alter bis zu etwa 68 Jahren das Lager; „wohin diese kommen sollen, weiß niemand“, schreibt Salomon; „Es sollen noch ca. 10.000 Personen hier sein, die hier bleiben sollen, ob es wahr wird, weiß keiner.“ Das Ziel der Transporte war meist das Vernichtungslager Auschwitz.
Franz Paulus fuhrt es auf Salomons Pragmatismus und seine Entschlossenheit zuruck, dass er die Zeit im Ghetto Theresienstadt uberlebt hat. Er bezeichnete sich selbst als Optimisten und bemuhte sich um eine Arbeit im Ghetto. Auch seine praktizierte Religiositat war ein stabilisierender Faktor. Von ihm selbst nicht zu beeinflussen war der Umstand, dass er und seine krankelnde Frau nie in Situationen gerieten, die zur Selektion und somit zur Ermordung fuhrten.
= Schweiz und Palastina =
Am 5. Februar 1945 konnten Louis Salomon und seine Frau mit einem Sammeltransport von 1200 Juden „zum Austausch“ in die neutrale Schweiz ausreisen, zu dem Salomon sich „trotz der Gegnerschaft meiner Frau“ gemeldet hatte. Die Ausreisemoglichkeit war das Ergebnis von Verhandlungen zwischen Rabbiner Isaac Steinbuch, Schweizer Reprasentant des Rescue Committee of the Union of the Orthodox Rabbies, dem Schweizer Bundesrat Jean-Marie Musy und Heinrich Himmler. Alma Salomon hatte wie andere Lagerinsassen die Angst, es konne sich in Wirklichkeit wieder um einen Transport in ein Vernichtungslager handeln. Die SS versuchte angesichts der absehbaren militarischen Niederlage im Herbst 1944 mit solchen Maßnahmen „guten Willen“ zu zeigen, bis Adolf Hitler weitere dieser Transporte verbot.
Am 5. Februar 1945 fuhren 1200 Lagerbewohner mit wenig Gepack mit dem Zug nach Konstanz und weiter nach Sankt Gallen. Salomon schrieb: „Als wir am Dienstag kurz vor der Einfahrt in Kreuzlingen […] die Aufforderung erhielten, die Judensterne von unseren Kleidern abzutrennen, da glaubten auch die großten Pessimisten, dass wir in die Schweiz kommen. Alle weinten vor Freude.“ Sie bekamen warme Suppe, Obst, Kase, Bonbons, Zigarren und Zigaretten und blieben drei Wochen in Quarantane.
In der Schweiz lebten Louis und Alma Salomon unweit des Genfer Sees in Hotels, die als Fluchtlingslager dienten, unter schwierigen finanziellen Umstanden; sie wurden von judischen Bekannten in den USA und Julius Sternberg in Bogota finanziell unterstutzt. Von St. Gallen kamen sie zunachst nach Les Avants. Alma Salomon wurde auf Rheuma und Ischias behandelt; spater stellte sich heraus, dass eine Knochenschwache infolge der Mangelernahrung in Theresienstadt vorlag. In Schweizer Zeitungen lasen sie mit Entsetzen von der Misshandlung und Ermordung zahlloser Juden in den Konzentrationslagern. Bereits von der Schweiz aus leitete Salomon erste Schritte zur Ruckerstattung seines Vermogens in die Wege. Am 10. Mai 1946 beantragte er beim Magistrat von Berlin die Ruckgabe der beschlagnahmten Hauser Breite Straße 33/34 und Lindenufer 9. Das Haus in Jorsfelde erhielt er am 6. Februar 1951 nach einem Ruckerstattungsprozess zuruck.
Bereits im April 1945 sollten sich alle melden, die nach Palastina auswandern wollten. Wegen Almas Krankheit und wegen des Kriegsendes nach der Kapitulation des Deutschen Reiches kam eine Ausreise jedoch noch nicht zustande. Alma kam am 26. Mai 1945 nach Montreux ins Krankenhaus, wo sie bis Anfang Juli blieb. Ab dann lebte sie im Hotel Belmonte in Montreux; Louis wurde die Umsiedlung nach dort wegen einer Quarantane zunachst nicht genehmigt, so dass er weiter im Grand Hotel in Les Avants wohnen musste. Ab 11. August 1945 lebten beide wieder zusammen im Hotel Bristol in Territet. Am 31. Juli 1946 wurden sie ins Fluchtlingsheim Mirabeau in Clarens umquartiert. Sie hatten freundschaftlichen Kontakt mit Ruth Ascher, einer Verwandten aus der Familie Kallner, die in Bex verheiratet war; dort nahmen sie auch ofter an Gottesdiensten teil, da in Montreux die Gottesdienste nach polnischer, chassidischer Art gefeiert wurden, was ihnen nicht zusagte. Seit Ende Juni bestand auch wieder Briefkontakt zu Verwandten und Bekannten, die in verschiedenen Landern lebten.
Belastend war, dass von Salomons Tochter Margot und ihrer Familie keine Nachrichten vorlagen, ebenso von seiner Schwagerin Marta Tarnowski und ihrer Familie; sie alle waren ermordet worden. Am 25. Mai 1945 hatte Salomon ihretwegen einen Suchbrief an den Verband Schweizer Judischer Fluchtlingshilfen gerichtet. Am 31. Januar 1946 schrieb Salomon in sein Tagebuch: „Von unseren lieben Verwandten haben wir nichts gehort. Wenn nicht ein Wunder an ihnen geschehen ist, dann gehoren sie wohl auch zu den Opfern dieser Unmenschen.“
Deutschen, Osterreichern und Polen rieten die Schweizer Behorden ab, in ihre Heimat zuruckzukehren; ihnen wurde empfohlen, abzuwarten, ob eine Ubersiedlung zu Verwandten nach Palastina, Amerika oder anderswo in Ubersee moglich werden wurde. In Palastina suchten die Araber die weitere Zuwanderung von judischen „Displaced persons“ zu verhindern, und aus Furcht vor Ausschreitungen angesichts des arabischen Aufstands erschwerte die britische Mandatsmacht die Einreise, wahrend sich die Amerikaner fur die sofortige Einwanderung einsetzten und am 31. August 1946 den britischen Premierminister aufforderten, sofort 100.000 Juden aus Deutschland und Osterreich nach Palastina einwandern zu lassen.
Ende Juni 1947 erhielt das Ehepaar Salomon den Hinweis, dass es mit einem Einburgerungs-Zertifikat fur den Kibbuz Ein Charod rechnen konne. Die Passe und weitere Papiere zur Ausreise erhielten sie vom englischen Konsulat dann erst am 1. September, und eine Fahruberfahrt konnten sie erst fur Oktober buchen. Die Koffer holte ein Spediteur am 29. September ab. Am 3. Oktober reisten Alma und Louis Salomon per Zug nach Genf, nach einer Zwischenubernachtung nach Marseille, und am 9. Oktober begann dort die Schiffspassage. Am 16. Oktober erreichten sie den Hafen von Haifa, wo sie von Louis’ Tochter Gerta Kallner mit ihrem Mann Alfred sowie von Almas Sohnen Gerd Rosenheimer mit Frau Yella und Fredy Rosenheimer mit seiner Frau Anita erwartet wurden. Alma und Louis erhielten eine Wohnung im Kibbuz Ein Charod unmittelbar neben Familie Kallner.
Alma Salomon starb am 17. Januar 1954, Louis am 16. Dezember 1955. Sie wurden auf dem Friedhof in Ein Charod beigesetzt. Nach Deutschland waren sie nie zuruckgekehrt.
Lebenserinnerungen und Gedenken Die handschriftliche Originalfassung der Lebenserinnerungen von Louis Salomon und eine Abschrift hatte die Familie dem Archiv der Gedenkstatte Yad Vashem ubergeben. Er schrieb sie vermutlich wahrend seines Aufenthaltes in der Schweiz nieder, nachdem sein Tagebuch in Theresienstadt verloren gegangen war, und fuhrte sie bis zum 3. Dezember 1947 fort. Die Jugendgeschichtswerkstatt Spandau veroffentlichte die Erinnerungen 2000 als Buch.
Am Wohnhaus Breite Straße 33 in Spandau ließ die Jugendgeschichtswerkstatt Spandau eine Gedenktafel mit den Namen der judischen Bewohner des Hauses anbringen, die am 18. Mai 2014 eingeweiht wurde.
Literatur Louis Salomon: Hoffentlich werden wir jetzt aufhoren, Menschen und Burger II. Klasse zu sein. Die Lebenserinnerungen des letzten Vorstehers der Judischen Gemeinde zu Spandau. Hrsg.: Franz Paulus, Jugendgeschichtswerkstatt Spandau, Berlin 2000, DNB 1037962346.
Einzelnachweise | 
	Louis Arje Salomon (geboren 17. April 1872 in Schwersenz bei Posen; gestorben 16. Dezember 1955 in Ein Charod, Israel) war ein deutscher Kaufmann judischen Glaubens und der letzte Vorsteher der judischen Gemeinde in Berlin-Spandau. | 
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	c-586 | 
	Katastrophe auf der Enterprise (Originaltitel: Disaster) ist die funfte Folge der funften Staffel der US-amerikanischen Science-Fiction-Fernsehserie Raumschiff Enterprise – Das nachste Jahrhundert. Sie wurde in den Vereinigten Staaten uber Syndication vermarktet und erstmals am 21. Oktober 1991 auf verschiedenen Fernsehsendern ausgestrahlt. In Deutschland war sie zum ersten Mal am 5. April 1994 in einer synchronisierten Fassung auf Sat.1 zu sehen.
Handlung Im Jahr 2368 bei Sternzeit 45156.1 hat die Enterprise gerade eine Mission beendet und die Besatzung hat nun einige Tage Freizeit. Der erste Offizier Will Riker, der zweite Offizier Data und der Sicherheitschef Worf begeben sich in die Bar „Zehn Vorne“. Dort befinden sich auch Transporterchief Miles O’Brien und seine hochschwangere Frau Keiko, die sich nicht uber den Namen ihres Kindes einigen konnen. Schiffsarztin Beverly Crusher und Chefingenieur Geordi La Forge fuhren in einem Frachtraum eine Inventur durch. Auf der Brucke stellt Schiffsberaterin Deanna Troi Captain Picard drei Kinder vor, die in der Schule einen Forschungswettbewerb gewonnen haben und nun als Preis eine von Picard geleitete Fuhrung durch das Schiff erhalten sollen. Miles O’Brien begibt sich auf die Brucke, um dort seinen Dienst anzutreten. Gleichzeitig betritt Picard mit den Kindern den Turbolift, um mit der Fuhrung zu beginnen.
Plotzlich erfasst eine gewaltige Erschutterung das gesamte Schiff. Auf der Brucke stellt Fahnrich Mandel fest, dass die Enterprise mit einem Quantumfaden kollidiert ist. Kurz darauf wird sie von einem zweiten Faden getroffen. Das Schiff treibt jetzt ohne Hauptenergie durch das All und auf der Brucke wird Lieutenant Monroe durch eine Explosion getotet. O’Brien stellt fest, dass die Turbolifts ausgefallen sind und die Brucke vom Rest des Schiffs abgeschnitten ist. Unerwartet offnet sich die Tur eines Turboliftschachts. Fahnrich Ro Laren, die ihn hinaufgeklettert ist, tritt ein. Durch den Tod von Monroe hat aktuell niemand das Kommando auf der Brucke. O’Brien weist darauf hin, dass Troi die ranghochste Offizierin ist. Da sie jedoch keine Kommandoerfahrung hat, ubernimmt sie die Fuhrung nur widerstrebend und ist sehr auf den Rat ihrer Kollegen angewiesen. Als Halb-Betazoidin kann Troi Gefuhle von anderen Lebewesen empfangen. Sie spurt, dass es neben der Bruckenbesatzung noch viele andere Uberlebende der Kollision gibt, doch sie kann nicht sagen, wo sie sich aufhalten. Auch Mandel kann sie nicht aufspuren, da die Sensoren nur eingeschrankt arbeiten. Ro gelingt es, Energie in die Maschinenkontrollkonsole umzuleiten. Dadurch findet sie heraus, dass das Antimaterie-Eindammungsfeld des Warp-Antriebs schwacher wird. Es droht eine Explosion, die das gesamte Schiff zerstoren wird.
Picards Turboliftkabine sturzt bei der Kollision mehrere Meter in die Tiefe. Er bricht sich dabei einen Knochel. Die Kinder bleiben unverletzt, sind jedoch verangstigt. Um sie zu beruhigen, macht er sie zu seiner „Mannschaft“. Marissa als Alteste der Gruppe ernennt er zu seiner ersten Offizierin, Jay Gordon zum Wissenschaftsoffizier und Paterson als den Jungsten zum „ausfuhrenden Offizier verantwortlich fur Radieschen“. Er lasst sie die Deckenverkleidung der Kabine entfernen und Jay Gordon soll ihm beschreiben, was er sieht. Dadurch wird Picard klar, dass die Sicherheitsklemmen der Kabine beschadigt wurden. Sie droht weiter abzusturzen und er weist die Kinder an, sie zu verlassen. Die weigern sich jedoch, den verletzten Picard zuruckzulassen, und helfen ihm, aus der Kabine zu klettern. Picard stimmt ein Lied an und klettert gemeinsam mit den Kindern an Leitersprossen den Turboliftschacht hinauf, in der Hoffnung, eine Tur zu erreichen, die sich offnen lasst.
Das „Zehn Vorne“ wird zu einem notdurftigen Lazarett umfunktioniert. Riker und Data versuchen, den Maschinenraum zu erreichen, und uberlassen Worf die Verantwortung fur die Verletzten. Da alle anderen Wege versperrt sind, ist der Maschinenraum nur durch die Jefferies-Rohren zu erreichen, doch auch hier lauern Hindernisse. Schließlich ist der Weg durch eine elektrische Entladung blockiert. Da Data ein Android ist, schlagt er vor, diese mit seinem Korper zu unterbrechen. Sein Korper wird dadurch vorubergehend funktionsunfahig, doch sein Kopf arbeitet unabhangig. Riker soll ihn abtrennen und mitnehmen. Zogernd geht Riker auf diesen Vorschlag ein.
Im Frachtraum stellen Crusher und La Forge fest, dass sie eingeschlossen sind. Hinter einer Wandverkleidung lodert ein Plasmafeuer. Das ist ein Problem, denn neben Hitze erzeugt es auch radioaktive Strahlung und im Frachtraum sind große Mengen an Quaratum gelagert, das durch die Strahlung zur Explosion gebracht werden kann. Crusher und La Forge lagern die Behalter um, sodass sie moglichst weit vom Feuer entfernt sind, doch das genugt nicht. Der einzige Weg, eine Explosion zu verhindern, ist die Loschung des Feuers. Hierfur musste dem Frachtraum aber jeglicher Sauerstoff entzogen werden. La Forge kommt auf die Idee, das Tor des Frachtraums fur einige Sekunden zu offnen. Durch das schlagartige Entweichen der kompletten Luft sollte das Feuer ausgehen und zugleich mussten die verstrahlten Behalter ins All geblasen werden. Er und Crusher suchen sich etwas zum Festhalten, dann offnet La Forge zunachst das Tor und deaktiviert danach das Kraftfeld, das die Luft im Frachtraum halt. Tatsachlich funktioniert der Plan und kurz bevor sie ohnmachtig werden, gelingt es den beiden, das Tor wieder zu schließen und frische Luft in den Frachtraum einzuleiten.
Worf kummert sich um die Verletzten und Keiko O’Brien hilft ihm dabei, doch plotzlich setzen bei ihr die Wehen ein. Worf steht vor der unerwarteten Situation, ein Kind zur Welt bringen zu mussen. Er hat bisher nur Erfahrungen mit einer simulierten Geburt wahrend eines Erste-Hilfe-Kurses und ist leicht uberfordert damit, dass Keikos Geburt nicht ganz nach Vorschrift verlauft. Nach einer Weile ist es jedoch uberstanden: Sie bringt eine gesunde Tochter zur Welt und gibt ihr den Namen Molly.
Auf der Brucke besteht Ro darauf, die Untertassensektion der Enterprise von der Antriebssektion zu trennen. So konnte zumindest die Halfte des Schiffs vor der Explosion des Antriebs bewahrt werden. Troi will allerdings die Hoffnung nicht aufgeben, dass es Uberlebende in der Antriebssektion gibt, und ist nicht bereit, sie ihrem Schicksal zu uberlassen. Schließlich gelingt es Riker, Datas Kopf mit dem Kontrollsystem des Maschinenraums zu verbinden. Data bemerkt das Versagen des Eindammungsfelds des Warp-Antriebs und in letzter Sekunde gelingt es ihm, den Schaden zu reparieren.
Die Hauptenergie wird wiederhergestellt und das Leben auf der Enterprise normalisiert sich. Die Kinder kommen noch einmal auf die Brucke, um Picard zu danken, und der verspricht, die Fuhrung durch das Schiff in Kurze nachzuholen.
Verbindungen zu anderen Star-Trek-Produktionen Deanna Troi erwahnt hier das Phanomen eines „kosmischen Bands“ aus Folge 4.10 (Das kosmische Band) aus dem Jahr 1990.
Einige Elemente aus dieser Folge wurden in spateren Star-Trek-Produktionen wieder aufgegriffen:
Deanna Troi beschließt in Folge 7.16 (Radioaktiv) von Raumschiff Enterprise – Das nachste Jahrhundert aus dem Jahr 1994 ein Trainingsprogramm fur Bruckenoffiziere zu absolvieren. Die Entscheidung geht direkt auf ihre Uberforderung mit dem Kommando in Katastrophe auf der Enterprise zuruck.
Auf die Umstande von Molly O’Briens Geburt wird in mehreren Folgen von Star Trek: Deep Space Nine Bezug genommen. Als Worf in Folge 4.17 (Die Ubernahme) aus dem Jahr 1996 erfahrt, dass die O’Briens ein weiteres Kind erwarten, plant er eilig einen Urlaub, um nicht wieder als Hebamme aushelfen zu mussen. In Folge 5.12 (Das Baby) aus dem Jahr 1997 bedauert Miles O’Brien, die Geburt seiner Tochter verpasst zu haben.
Der von Geordi La Forge angestimmte Major General Song von Gilbert und Sullivan kommt erneut in der Folge 2.01 (Fragerunde) von Star Trek: Short Treks aus dem Jahr 2019 vor.
Produktion = Drehbuch =
Die Idee zu dieser Folge stammte von dem Autorenduo Ron Jarvis und Philip A. Scorza. Die beiden hatten ansonsten lediglich das Drehbuch fur eine Folge der Serie Familie Munster aus dem Jahr 1989 geschrieben. Produzentin Jeri Taylor hatte das Gefuhl, dass die Folgen von Raumschiff Enterprise – Das nachste Jahrhundert zu sehr nach der immer gleichen Formel produziert wurden, und sah in dieser Geschichte eine angenehme Abwechslung.
= Darsteller =
Die Nachnamen der drei Kinder, die Picard begleiten, sind von den Namen ihrer Darsteller abgeleitet. Im Drehbuch sind die Kinder nur mit Vornamen aufgefuhrt, ihre vollstandigen Namen sind nur auf der Plakette zu sehen, die sie Picard am Ende der Folge uberreichen. Der Name „Paterson Supra“ weicht dabei doppelt von den Vorlagen ab, da der Vorname der Figur laut Drehbuch „Patterson“ lauten sollte und der Name seines Darstellers Max Supera lautet.
Jana Marie Hupp, Darstellerin von Lieutenant Monroe, hatte zuvor bereits Fahnrich Pavlik in Folge 4.16 (Die Begegnung im Weltraum) gespielt.
Die neugeborene Molly O’Brien wurde in dieser Folge von den Zwillingen Angela und Angelica Tedeski dargestellt, die Molly auch in Folge 5.15 (Ungebetene Gaste) verkorperten. In Folge 6.07 (Erwachsene Kinder) und in elf Folgen von Star Trek: Deep Space Nine wurde Molly von Hana Hatae gespielt. Michelle Krusiec spielte in Folge 6.24 (Das Zeitportal) von Star Trek: Deep Space Nine die erwachsene Molly O’Brien.
= Kulissen =
In dieser Folge ist erstmals das Set der Kreuzung zweier Jefferies-Rohren der Enterprise zu sehen.
Rezeption Keith DeCandido bewertete Katastrophe auf der Enterprise 2012 auf tor.com als eine gute Folge von Raumschiff Enterprise – Das nachste Jahrhundert. Er empfand die Geschichte zwar als außerst klischeebeladen, da alle Hauptcharaktere sich in einer fur sie ungewohnten und unangenehmen Situation wiederfinden, doch die Umsetzung fand er großtenteils gelungen. Die Szenen mit Picard und den Kindern, Riker und Data sowie Worf und Keiko O’Brien fand er gut gespielt. Die Figur der Deanna Troi erfahre zudem eine enorme Charakterentwicklung. Schwach fand DeCandido lediglich den Handlungsstrang um La Forge und Crusher, der auf ihn den Eindruck machte, als ob die Autoren mit diesen beiden Figuren nichts anzufangen gewusst hatten.
Charlie Jane Anders fuhrte Katastrophe auf der Enterprise 2014 auf gizmodo.com in einer Liste der 100 besten bis dahin ausgestrahlten Star-Trek-Folgen auf Platz 94.
Mike Bloom zahlte Katastrophe auf der Enterprise 2019 auf der Website hollywoodreporter.com zu den 25 besten Folgen von Raumschiff Enterprise – Das nachste Jahrhundert.
Weblinks Katastrophe auf der Enterprise bei IMDb
Katastrophe auf der Enterprise bei Fernsehserien.de
Katastrophe auf der Enterprise im Star-Trek-Wiki Memory Alpha
Katastrophe auf der Enterprise in der Deutschen Synchronkartei
Katastrophe auf der Enterprise beim Deutschen StarTrek-Index
Disaster Transkript auf chakoteya.net (englisch)
Disaster Transkript auf st-minutiae.com (englisch)
Disaster auf trekcore.com (englisch)
Disaster (Observations) auf ex-astris-scientia.org (englisch)
Einzelnachweise | 
	Katastrophe auf der Enterprise (Originaltitel: Disaster) ist die funfte Folge der funften Staffel der US-amerikanischen Science-Fiction-Fernsehserie Raumschiff Enterprise – Das nachste Jahrhundert. Sie wurde in den Vereinigten Staaten uber Syndication vermarktet und erstmals am 21. Oktober 1991 auf verschiedenen Fernsehsendern ausgestrahlt. In Deutschland war sie zum ersten Mal am 5. April 1994 in einer synchronisierten Fassung auf Sat.1 zu sehen. | 
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	Die Sopwith Baby war ein britisches Seekampfflugzeug, das von der Royal Navy im Ersten Weltkrieg eingesetzt wurde.
Entwicklung Die Entwicklung der Sopwith Baby beruhte auf dem Vorkriegsmodell und Rekordflugzeug Sopwith Schneider der Sopwith Aviation Company in Kingston-upon-Thames und war der Versuch, der Royal Navy endlich ein dringend benotigtes seetaugliches, mit MG bewaffnetes und damit kampfstarkes Aufklarungsflugzeug zur Verfugung zu stellen. Von ihrem Vorganger unterschied sie sich vor allem durch den starkeren Motor, erkennbar an seiner hufeisenformigen Motorabdeckung. Nachdem in die ersten funf Exemplare zunachst noch der 100 PS (74 kW) starke Gnome-Monosoupape-Motor eingebaut worden war, wurde danach der Clerget 9Z mit 110 PS (81 kW) und schließlich auch der Clerget 9B-Motor mit 130 PS (96 kW) verwendet. Bewaffnet waren die von Sopwith gebauten Flugzeuge mit einem schrag nach oben durch einen Flugelausschnitt uber den Propellerkreis hinweg feuernden Lewis-MG oder die ubrigen Flugzeuge mit einem synchronisierten Vickers-MG. Außerdem wurden 40 der von Fairey als Humble Baby gebaute Flugzeuge zur Luftschiffbekampfung ausschließlich mit Le-Prieur-Raketen oder Ranken-Fliegerpfeilen bewaffnet.
An der Verbesserung der Seetuchtigkeit des Flugzeugs war auch die Blackburn Aircraft in Leeds beteiligt.
Produktion Der Royal Naval Air Service (RNAS) bestellte unter der Bezeichnung Admiralty Type 8200 insgesamt 286 Sopwith Babies, von denen 100 von Sopwith und 186 von Blackburn gebaut wurden. Unter Lizenz produzierte der italienische Rustungskonzern Ansaldo in Turin weitere 100 Stuck fur die Seeflieger der Regia Marina.
Varianten
Ein großes Problem war die standige Uberladung, die das Flugverhalten der Sopwith Baby gefahrlich einschrankte: Zur Bombenlast von zwei 29-kg-Bomben kamen das Gewicht des Lewis-MGs plus Munition, eines Taubenkorbs, der Notrationen, des Seeankers und des Piloten. Da Sopwith inzwischen mit der Produktion der Sopwith Camel voll ausgelastet war, blieben notwendige Modifikationen den eingesetzten Unterauftragnehmern uberlassen.
Die ersten 40 Flugzeuge lieferte Blackburn noch ohne MG; diese wurden dafur mit Behaltern fur Ranzen-Fliegerpfeile ausgerustet und erst danach mit einem synchronisierten Lewis-MG bewaffnet. Nach 71 wie geplant mit dem 110 PS Clerget-Motor ausgelieferten Flugzeugen verwendete Blackburn den 130 PS Clerget-Motor, um fur die inoffiziell als Blackburn Baby bezeichneten Flugzeuge eine entsprechende Leistungssteigerung zu erreichen.
Nachdem am 23. Oktober 1916 die Sopwith Baby No. 8134 zur Reparatur an Fairey Aviation Co., Ltd. in London, einem Unterauftragnehmer fur Reparaturauftrage, geschickt worden war, ergriff diese die Chance und machte sich daran, die Konstruktion des Flugzeugs eingehend zu uberarbeiten. Die bedeutendste Anderung war das Fairey Patent Camber Gear, eine Steuerklappe zur Erhohung des Auftriebs. Dazu wurde die gesamte Hinterkante der Tragflachen entlang des hinteren Holms durch Drehen eines Handrads im Cockpit abgesenkt. Mit einer Differenzialvorrichtung konnten die Klappen weiterhin als Querruder betatigt werden, um die Seitenkontrolle zu erhalten. Die Produktion der Hamble Babies unterschied sich außerlich von denen von Sopwith und Blackburn durch die Grundform von Tragflachen und Hohenleitwerk. Außerdem wurden die Spannweite vergroßert und die Flugelspitzen abgerundet. Das Hohenleitwerk unterschied sich von den halbkreisformigen Umrissen des Sopwith-Originals durch eine kantige Flosse. Hinzu kam noch der von Fairey entworfene Hauptschwimmer und ein vergroßerter Heckschwimmer sowie eine modifizierte Motorhaube. Das Ergebnis war die Fairey Hamble Baby, von der 180 Stuck gebaut wurden.
Im Wettbewerb damit entstand der Prototyp Port Victoria P.V.1 mit einem 110 PS (81 kW) PS leistenden Clerget-9Z-Motor, eine auf der RNAS-Versuchsstation auf der Isle of Grain unter Squadron-Commander J. W. Seddon umgebaute Sopwith Baby zur Erprobung spezieller Hochauftriebstragflachen mit starkerer Staffelung und langeren Schwimmern. Trotz hoheren Gewichts und zusatzlich geladenen Ballasts erreichte das Flugzeug zwar eine Hohe von 2438 Metern und eine Geschwindigkeit von 124 km/h, konnte sich aber damit nicht gegen die Fairey Hamble Baby durchsetzen.
An der Serienproduktion der Fairey Hamble Baby war als weiterer Unterauftragnehmer auch George Parnall & Co. Ltd. in Bristol beteiligt, der sie in weiteren Details anpasste. Die letzten 74 Flugzeuge wurden von Parnall unter der Bezeichnung Parnall Hamble Baby Convert als Landversion mit Radfahrgestell ausgeliefert.
Einsatz Die Sopwith Baby wurde von der Royal Navy als Bordflugzeug zur Seeaufklarung und zum Angriff auf Seeziele an Bord von Flugzeugmutterschiffen und Kreuzern, aber auch von Hilfsschiffen, Trawlern und Minenlegern sowie von RNAS-Flugstationen in England, Schottland, Agypten, Griechenland und Italien eingesetzt. Dabei diente sie der Aufklarung gegen die deutsche Hochseeflotte und der Bekampfung von Luftschiffen in der Nordsee.
Der Einsatz uber der rauen Nordsee war auch fur die Sopwith Baby gefahrlich. So fuhrte die HMS Vindex bei einem Vorstoß am 25. Marz 1916 unweit von Horns Riff an Bord zwei Sopwith Baby und drei Short 184 mit, um von dort mit den Flugzeugen einen vermeintlichen Zeppelinstutzpunkt in Hoyer anzugreifen. Dabei gingen im Schneegestober zwei der Shorts und eine der Sopwiths verloren.
Auch der Angriff am 4. Mai 1916 endete in einem Fiasko. Kurz nach 3 Uhr morgens wurden elf Sopwith Baby vor der Insel Sylt aus den Tragern HMS Vindex und HMS Engadine zu Wasser gelassen. Dabei brachen bei vier Flugzeugen die Propeller, drei fielen wegen Motorschadens aus und eines kenterte im Kielwasser eines begleitenden Zerstorers. Nur drei Maschinen gelang der Start, wovon eine die Funkantenne des Zerstorers Goshawk rammte und absturzte, eine zweite musste mit Motorschaden zuruckkehren und nur das dritte erreichte seinen Zielort Tondern. Da jedoch das Ziel in Nebel gehullt war, verfehlten die beiden abgeworfenen 29-kg-Bomben das Ziel.
Um das waghalsige Zu-Wasser-Lassen der Flugzeuge zu vermeiden, wurden auf der HMS Campania Deckstarts mit Rollwagen geubt. Am 31. Mai 1916, dem Tag der Skagerrakschlacht, war das Schiff jedoch zu spat gestartet, um mit seinen funf Sopwith Baby, vier Sopwith Schneider und drei Short 184 an Bord die Grand Fleet im Gefecht noch unterstutzen zu konnen.
Am 24. Juni 1916 uberfuhrte die HMS Vindex vier Sopwith Baby nach Dunkirchen, um die dort stationierten Kampfflugzeuge fur Einsatze gegen deutsche Patrouillenboote und als Begleitschutz fur Zweisitzer zu verstarken. Im Mai 1917 wurden noch weitere neun Baby-Wasserflugzeuge nach Dunkirchen verlegt, bevor die Wasserflugzeuge zwei Monate spater durch Sopwith Pups ersetzt wurden.
Die Sopwith Baby operierten im Mittelmeerraum sowohl von Seeflugzeugstationen aus als auch von Bord von Flugzeugtragern:
Am 27. Dezember 1916 starteten neun Flugzeuge, darunter drei Sopwith Baby von den Tragern HMS Ben-my-Chree und HMS Raven II, und bombardierten die strategisch wichtige Chikaldir-Brucke der Bagdad-Bahn, nahe des Golfs von Alexandretta, deren Beschadigung den Transport schwerer turkischer Artillerie nach Bagdad verzogerte.
Sechs Baby-Wasserflugzeuge wurden im Februar 1917 zur Einrichtung einer Wasserflugzeugstation nach Otranto verlegt.
In der Agais operierten drei Sopwith Baby von Thasos in der Bucht von Kavala.
Vom Flugzeugtrager HMS Empress starteten im November 1917 vier Sopwith Baby und zwei Fairey Hamble Baby am 2. und 3. November 1917 und bombardierten eine Eisenbahnbrucke und eine Olraffinerie bei Haifa.
Zwei von Blackburn gebaute Sopwith Babys versuchten am 20. Januar 1918 von Imbros aus einen Bombenangriff auf das Flaggschiff der osmanischen Marine, den Schlachtkreuzer Yavuz Sultan Selim (vormals die deutsche SMS Goeben) durchzufuhren. Die Babys und die sie begleitenden Camels wurden von zehn feindlichen Wasserflugzeugen angegriffen, wobei eine Blackburn Baby brennend abgeschossen wurde. Dem Piloten der zweiten Sopwith Baby, Flight Sub-Lieutenant R. W. Peel, gelang es nach Auftreten eines Motorschadens nur mit knapper Not, die Maschine teils fliegend, teils auf dem Wasser fahrend nach Imbros zuruckzubringen.
Am 31. Oktober 1918 waren noch 58 Sopwith Baby aller Typen im Einsatz, davon 21 im Mittelmeer, drei bei der Grand Fleet und der Rest an verschiedenen Kustenstationen auf den britischen Inseln.
Weitere Einsatzlander
Die Sopwith Baby wurde bis in die 30er Jahre von den Seestreitkraften zahlreicher Nationen eingesetzt.
Australien Australien
Die Royal Australian Navy ubernahm 1917 ein Flugzeug als Bordflugzeug fur den leichten Kreuzer HMAS Brisbane.
Chile Chile
Die chilenische Marine verwendete von 1919 bis 1923 drei Sopwith Baby.
Frankreich Frankreich
Zwischen 1916 und 1919 verwendete die franzosische Marine Nationale 33 Flugzeuge.
Griechenland Griechenland
Die Koniglich-Griechische Marine ubernahm 1918/19 neun britische Flugzeuge.
Italien Italien
Von 1917 bis 1923 setzte die Aviazione della Regia Marina 102 Flugzeuge ein, darunter zwei fur die Lizenzproduktion aus England importierte Prototypen.
Japan Japan
Die Kaiserlich Japanische Marine beschaffte 1916 eine Sopwith Baby.
Niederlande Niederlande
Die Niederlandische Luftwaffe verwendete bis 1919 ein Flugzeug des RNAS, das 1916 vor der niederlandischen Kuste geborgen und interniert wurde.
Norwegen Norwegen
Die Norwegische Marine verwendete von 1917 bis 1931 zehn Flugzeuge.
Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten
Die US-Marine verwendete ebenfalls eine Sopwith Baby.
Technische Daten Leistungsvergleich einsitziger See-Kampfflugzeuge an der Nordsee, Mitte 1917
Bilder Erhaltene Flugzeuge und Nachbauten Quellen = Siehe auch =
Liste von Flugzeugtypen
= Literatur =
Enzo Angelucci, Paolo Matricardi: Die Flugzeuge. Von den Anfangen bis zum Ersten Weltkrieg. Falken-Verlag, Wiesbaden 1976, ISBN 3-8068-0391-9, S. 182. (Falken-Handbuch in Farbe), S. 199.
J. M. Bruce: Sopwith Baby. Windsock Datafile Nr. 60, Albatros Publications, Berkhamsted, Herts, UK
J. M. Bruce: The British Aeroplanes 1914-18. Funk & Wagnalls, New York 1957.
Kenneth Munson: Bomber 1914–1919. 1. Auflage. Orell Fussli Verlag, Zurich 1968, S. 95, 172f. (Flugzeuge der Welt in Farben)
Heinz Nowarra: Die Entwicklung der Flugzeuge 1914–1918. Munchen 1959, S. 102/103.
= Weblinks =
Fairey Humble Baby. Abgerufen am 27. Marz 2024.
Sopwith Baby. Abgerufen am 27. Marz 2024.
Sopwith Baby bei Hargrave Pioneers. Abgerufen am 27. Marz 2024.
Sopwith Baby. Abgerufen am 27. Marz 2024.
Royal Navy Sopwith Baby on trials (c1917) (youtube.com). Abgerufen am 27. Marz 2024.
Sopwith Baby at RNAS Yeovilton Museum England - 2018 (youtube.com). Abgerufen am 27. Marz 2024.
Sopwith Baby opwith Baby- Aeromodelismo Uyuyuy/Peru' (youtube.com). Abgerufen am 27. Marz 2024.
= Einzelnachweise = | 
	Die Sopwith Baby war ein britisches Seekampfflugzeug, das von der Royal Navy im Ersten Weltkrieg eingesetzt wurde. | 
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  "url": "https://de.wikipedia.org/wiki/Sopwith_Baby"
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	c-588 | 
	Das Weserhochwasser 1946 war ein Jahrhunderthochwasser, das Teile der heutigen Bundeslander Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Thuringen betraf. Es begann am 2. Februar 1946 am Zusammenfluss von Werra und Fulda zur Weser in Hann. Munden und hatte seinen Hohepunkt am 10. Februar 1946. Verursacht war es durch tagelange Regenfalle, die auf einen zum Teil noch gefrorenen und wassergesattigten Boden trafen. In der Folge traten die Weser und eine Reihe von Nebenflussen uber die Ufer, was zu Uberschwemmungen fuhrte.
Wetterlage Im Januar 1946 stand Mitteleuropa bei frostigen Temperaturen unter Hochdruckeinfluss. Nach einer langsamen Erwarmung zum Monatsende hin setzte am 28. Januar Tauwetter ein. Gleichzeitig fiel bei niedrigem Luftdruck und milden Temperaturen ergiebiger Regen an der Nordgrenze subtropischer Warmluft. Außergewohnlich viel Niederschlag wurde zwischen dem 4. und 10. Februar 1946 verzeichnet. Die starksten Niederschlage gab es im Bergland mit stellenweise uber 100 l/m². Anfang Februar 1946 wurde innerhalb von sieben Tagen der durchschnittliche Niederschlag des Monats um das Zwei- bis Dreifache ubertroffen.
Die auftauenden Boden waren wassergesattigt und konnten kaum Niederschlag aufnehmen. So wurden die Niederschlage schnell abflusswirksam und gelangten in die Gewasser. Im Gegensatz zu anderen Winterhochwassern der Weser war das von 1946 kein durch Schneeschmelze verursachtes Hochwasser, sondern ein Regenhochwasser.
Betroffene Gebiete Von Uberschwemmungen betroffen waren die Ober- und Mittelweser sowie Gebiete mit Zu- und Nebenflussen der Weser, wie Fulda, Eder, Schwalm, Diemel, Emmer, Werre, Aller, Oker, Leine und Innerste. Im Rahmen des zeitgleichen Emshochwassers gab es auch Uberschwemmungen im Gebiet der Ems und der Vechte. An etwa 100 Deichen kam es im Einzugsbereich der Weser zu Beschadigungen sowie Bruchen und es gab Uberstromungen, insbesondere an der Mittelweser und an Aller, Diemel, Werre, Leine und Innerste. Eine Vielzahl von Orten wurde uberschwemmt. An der Weser waren die Orte Bodenwerder, Hann. Munden, Hameln, Hoya, Karlshafen, Minden und Rinteln besonders betroffen. Zu starken Schaden kam es in Hannover, nachdem  die Ihme und die Leine  uber die Ufer getreten waren. In der Stadt gab es drei Todesopfer.
		
			
			
		
		
			
			
		
		
			
			
		
		
			
			
		
Auswirkungen Die Bevolkerung im hochwasserbetroffenen Gebiet hatte im Februar 1946 einen Winter mit strengem Frost hinter sich. Eine Hochwasserwarnung erging nicht, da der Wetterdienst von den Alliierten aufgelost worden war. Er wurde bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 vom Reichswetterdienst bzw. der Luftwaffe betrieben. Das Hochwasser traf die Bevolkerung in den uberschwemmten Bereichen hart, denn das Kriegsende mit dem Zusammenbruch von Wirtschaft und Versorgung lag erst neun Monate zuruck. Das Wasser vernichtete unter anderem in den Kellern lagernde Lebensmittel- und Brennstoffvorrate, die im ersten Winter der Nachkriegszeit knapp waren. Vereinzelt kamen Menschen durch die Uberschwemmungen ums Leben.
Es wurden Brucken, Wehre und andere Flussbauwerke beschadigt. Dadurch war der Straßen- und Schienenverkehr beeintrachtigt oder unterbrochen. Ebenso waren der Fernsprechverkehr und die Stromversorgung betroffen. Im landwirtschaftlichen Bereich entstanden Schaden durch Bodenabtrag, Vernichtung von Einsaaten, Viehverluste sowie durch die Beschadigung von Bauten.
In den Stadten gab es durch die Luftangriffe wahrend des Krieges erhebliche Zerstorungen, wie in Hannover. Dort fiel mit dem Hohepunkt der Flut am 10. Februar 1946 bis zum Monatsende der Strom aus, weil uber 50 Trafostationen uberflutet waren. In der Stadt gab es auch Wasserschaden an kulturellen Gutern, wie an Archivgut im Hauptstaatsarchiv Hannover und im Neuen Rathaus.
Analyse und historische Einordnung 1948 veroffentlichte das Niedersachsische Ministerium fur Ernahrung, Landwirtschaft und Forsten einen umfassenden Bericht uber das Hochwasser im Wesergebiet. Grundlage waren Berichte von Wasserwirtschaftsamtern im Einzugsgebiet der Weser, die der Oberprasident der Provinz Hannover noch wahrend des Hochwassers mit Erlass vom 11. Marz 1946 angefordert hatte. Der Bericht stellt die wetterbedingten Ursachen, den Verlauf, die Folgen sowie die Bekampfung dar. Demnach war das Hochwasser nicht vorhersehbar gewesen, da im Gegensatz zur Vorkriegszeit kein Wettervorhersagedienst bestand. Zudem funktionierte der Hochwasserwarndienst nur unzureichend, da das Nachrichtenwesen (Telefon, Telegramm) kriegs- und hochwasserbedingt gestort war. Durch ihr Stauvolumen sorgten die Talsperren im Harz und die im Krieg teilweise zerstorte Edertalsperre fur eine Entlastung der Wasserlaufe. Ohne die Edertalsperre ware der Wasserstand auf der Weser einen halben Meter hoher gewesen. Um die Gefahr kunftiger Hochwasser zu mindern, nennt der Bericht 20 Maßnahmen des Hochwasserschutzes, wie Deichverstarkung und - erhohung, Anlage von weiteren Talsperren und Hochwasserruckhaltebecken sowie Ausbau des Wettermelde- und Wettervorhersagedienstes. Zudem fordert der Bericht die Schaffung einer Zentralstelle wie die bis 1945 bestehende Preußische Landesanstalt fur Gewasserkunde, was 1949 mit der Grundung der Bundesanstalt fur Gewasserkunde realisiert wurde.
Im Bereich der Oberweser wurde am 10. Februar 1946 die hochste bisher gemessene Flut mit einem Pegelstand 7,47 m in Hoxter verzeichnet. Seither treffen sich anlasslich des Jahrestages des Hochwassers regelmaßig Vertreter von Weseranrainer-Stadten zum Thema Hochwasserschutz. 2018 hatte die Veranstaltung mit 40 Experten bereits ein dutzendmal stattgefunden. 
Im Jahr 2005 bewertete der Niedersachsische Landesbetrieb fur Wasserwirtschaft, Kusten- und Naturschutz (NLWKN) das Hochwasser folgendermaßen: „In den letzten 100 Jahren war das Hochwasser von 1946 das Einzige, was in die Kategorie »extreme Uberschwemmungen« einzuordnen war.“
Die Bundesanstalt fur Gewasserkunde bewertet mit Stand von 2023 das Februarhochwasser 1946 als eines der Extremereignisse der Weser und ihrer Nebenflusse Werra, Fulda und Aller seit 1855.
Siehe auch Februarhochwasser 1946 in Herford
Hochwasser in Bremen
Hochwasser in Celle
Hochwasser in Hann. Munden
Hochwasser in Minden
Literatur Ferdinand Schweicher, Wilhelm Groth: Das Februarhochwasser 1946 in Nordwestdeutschland. in Neues Archiv fur Landes- und Volkskunde von Niedersachsen, Heft 4, 1948, S. 1–74
Wilhelm Hartmann: Die meteorologischen Ursachen des Februarhochwassers in Niedersachsen im Jahre 1946 in Neues Archiv fur Landes- und Volkskunde von Niedersachsen, Heft 4, 1948, S. 75–116
Niedersachsischer Minister fur Ernahrung, Landwirtschaft und Forsten, Landesamt fur Gewasserkunde (Hrsg.): Deutsches Gewasserkundliches Jahrbuch: Wesergebiet – Abflußjahr 1946, Hannover, 1950
NLWKN (Hrsg.): Hochwasserschutz in Niedersachsen. Oberirdische Gewasser. Band 23, NLWKN, 2005, S. 25–28 (Online, pdf, 33 MB)
Weblinks Hochwasserereignisse im Wesergebiet: Das Februarhochwasser 1946 bei Informationsplattform Undine
Fotos vom Weserhochwasser bei Lunsen und Thedinghausen
Einzelnachweise | 
	Das Weserhochwasser 1946 war ein Jahrhunderthochwasser, das Teile der heutigen Bundeslander Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Thuringen betraf. Es begann am 2. Februar 1946 am Zusammenfluss von Werra und Fulda zur Weser in Hann. Munden und hatte seinen Hohepunkt am 10. Februar 1946. Verursacht war es durch tagelange Regenfalle, die auf einen zum Teil noch gefrorenen und wassergesattigten Boden trafen. In der Folge traten die Weser und eine Reihe von Nebenflussen uber die Ufer, was zu Uberschwemmungen fuhrte. | 
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  "url": "https://de.wikipedia.org/wiki/Weserhochwasser_1946"
} | 
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	c-589 | 
	Die White Memorial Fountain (deutsch White-Gedenkbrunnen), auch als The Claw (deutsch Die Klaue) bezeichnet, ist ein 1964 eingeweihter Springbrunnen auf dem Gelande der Stanford University in Kalifornien.
Lage Der Brunnen befindet sich im sudlichen Teil des Universitatscampus in Stanford zentral auf der White Memorial Plaza, westlich vor dem Buchladen der Universitat.
Gestaltung und Geschichte Der Brunnen wurde vom Bildhauer Aristides Demetrios geschaffen und 1964 installiert. Demetrios’ Entwurf setzte sich 1963 in einem Wettbewerb durch. Er hatte drei Entwurfe eingereicht, die die ersten drei Platze belegten. Er gab an, zur Erarbeitung des Entwurfs einen Monat lang jeden Tag zu jeder Tageszeit den zukunftigen Aufstellungsort aus unterschiedlichen Blickwinkeln beobachtet zu haben. Demetrios fiel auf, dass durch die vielen den Platz passierenden und aufsuchenden Studierenden der untere Teil der zu schaffenden Skulptur haufig verdeckt wird. Es entstand eine Skulptur, die aus jedem Blickwinkel anders wirkt. Außerdem konzipierte er die Skulptur so, dass ihr oberer Teil auch bei großeren Menschenansammlungen noch gut sichtbar ist.
Die Idee fur den Brunnen stammt von den Eheleuten White, die damit ihrer Sohne William N. White und John B. White gedenken wollten. Diese waren vor ihrem Studienabschluss in Stanford bei unterschiedlichen Unfallen ums Leben gekommen; sie gehorten zum Studienjahr 1949. Die Tragodie der so jung Verstorbenen wollte Demetrios damit ausdrucken, dass etwas mit einer festen Form beginnt und dann im Wasser amorph endet, wie auch der mogliche weitere Verlauf des Lebens der beiden fur immer unklar bleibt.
Die 4,9 Meter hohe Skulptur besteht aus Bronze und Kupfer und steht in einem flachen, blau gefliesten mehreckigen Wasserbecken. An den Ecken des Beckens befinden sich halbrunde Banke aus Beton.
Die Installation des Brunnens durch Demetrios dauerte einen Monat. Bei der ersten Inbetriebnahme des Brunnens vibrierte die Brunnenskulptur zunachst nur, dann schossen kleine Bronzestucke heraus, denen die Anwesenden ausweichen mussten. Der zweijahrige Sohn von Demetrios, Eames, hatte in der Werkstatt seines Vaters unbemerkt die Metallstucke in die Dusen gestopft. Die ungewohnliche Inbetriebnahme erregte große Heiterkeit.
In den Jahren 2010/2011 wurden die Dusen restauriert und Stufen, die in das Becken hineingefuhrt hatten, wurden entfernt. Nun verfugt die Wasseranlage uber 65 Dusen und ein erneuertes Brunnenbecken aus witterungsbestandigem Material.
Der Brunnen hat einen hohen Identifikationswert fur die Universitat gewonnen und ist fester Bestandteil des universitaren und studentischen Lebens. Es ist Tradition, dass jeweils im Herbst vor dem Big Game, dem American-Football-Spiel gegen die University of California, Berkeley, ein Plusch-Bar, das Maskottchen Oski von Berkeley, in einer Beerdigungszeremonie oben auf dem Brunnen aufgespießt wird.
Weblinks Ann Tyler Moses, The Claw in perspective vom 23. Januar 2012 auf stanforddaily.com (englisch)
Sculptor Aristides ‘Aris’ Demetrios, maker of ‘The Claw,’ dies at 89 vom 11. Januar 2022 auf news.stanford.edu (englisch)
Stanford’s White Memorial Fountain vom 11. Februar 2017 auf theorangeexplorer.com (englisch)
Einzelnachweise | 
	Die White Memorial Fountain (deutsch White-Gedenkbrunnen), auch als The Claw (deutsch Die Klaue) bezeichnet, ist ein 1964 eingeweihter Springbrunnen auf dem Gelande der Stanford University in Kalifornien. | 
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	Helene „Lene“ Kessler (geboren am 2. Dezember 1921 in Kunwald, Tschechoslowakei als Helene Scheuer; gestorben am 15. April 2015 in Leonberg) war eine Uberlebende des Holocaust und Zeitzeugin. Sie war in mehreren Konzentrationslagern wie Theresienstadt und Auschwitz interniert und konnte wahrend eines Todesmarsches entkommen. Sie hat als Zeitzeugin vor Schulklassen gesprochen, und ihr Leidensweg wurde von der Shoa Foundation aufgezeichnet.
Leben = Jugend =
Lene Scheuer wurde im Dezember 1921 in Kunwald, Mahren, in eine liberal-religiose judische Familie geboren. Ihr Vater war Erwin Scheuer, ihre Mutter Emmy Weinberger, außerdem hatte sie einen dreieinhalb Jahre jungeren Bruder namens Otto Willy. Kunwald liegt im Sudetenland und gehorte nach dem Untergang der osterreichisch-ungarischen Monarchie zur Tschechoslowakei, war aber immer noch gemischtsprachig: Sowohl das Deutsche als auch das Tschechische wurde gesprochen. Wie fur die meisten mahrischen Juden war auch in der Familie Scheuer Deutsch die Umgangssprache.
Die Familie ihres Vaters war bereits seit rund 200 Jahren im Dorf ansassig. Die Familie fuhrte eine kleine Landwirtschaft und einen Gasthof, die allerdings nur ein geringes Einkommen abwarfen. Aus diesem Grund und um den Kindern eine gute Schulausbildung zu ermoglichen, siedelte die Familie nach Mahrisch-Ostrau (heute Ostrava) um. Hier eroffnete der Vater Erwin Scheuer ein Geschaft, in dem er eingelegte Gurken, Sauerkraut und Senf herstellte und verkaufte.
Lene Scheuer absolvierte die deutsche Grundschule und besuchte anschließend das Madchenreformgymnasium in Ostrau. Etwa ein Viertel der Schulerinnen waren Judinnen, die an den judischen Feiertagen frei bekamen, um an den Gottesdiensten in der Synagoge teilnehmen zu konnen. Nach der 6. Klasse wechselte sie an das tschechische Gymnasium; da ihr Tschechisch aber nicht ausreichte, blieb sie nur 6 Wochen. Dann wechselte sie erneut, diesmal auf eine Hausfrauenschule.
Mit 16 Jahren trat Scheuer in den Bund „Techelet Lawan“ ein, eine zionistische Jugendgruppe, deren Name auf Deutsch „Purpurblau-Weiß-Gruppe“ bedeutet. Mit dieser Gruppe verbrachte sie eine schone Zeit, vor allem in den Sommerlagern.
= Ausgrenzung und Verfolgung =
Antisemitismus bekam Scheuer sehr fruh zu spuren; bereits in der Schule wurde sie von Mitschulerinnen ausgegrenzt und auch auf der Straße angepobelt. Andererseits waren die Lehrer am Realgymnasium immer korrekt und zeigten keinen Antisemitismus. Durch das Munchner Abkommen uber das Sudetenland von 1938 fiel dieses an Deutschland. Das hatte enorme Konsequenzen fur die judische Bevolkerung; so mussten z. B. alle judischen Schuler Ende Januar 1939 die Schulen verlassen; so auch Scheuer. Die Einschrankungen waren vielfaltig: Die Familie lebte in einem Raum, es gab abends ein Ausgehverbot, die Benutzung von offentlichen Verkehrsmitteln war verboten.
Sie ging deshalb nach Brunn und lebte dort bei einer Tante, der altesten Schwester ihrer Mutter. Nachdem das Geschaft ihres Vaters „arisiert“, also enteignet worden war, zogen auch ihr Vater, ihre Mutter und ihr Bruder nach Brunn um. Die Familie dachte vermehrt uber Auswanderung nach, diese scheiterte nicht zuletzt an fehlendem Geld. Scheuers Bruder hatte kurzzeitig die Chance, mit der Jugend-Alijah auszuwandern, erkrankte aber vor der Abfahrt schwer und konnte deshalb nicht mitkommen. Eine zweite Chance gab es nicht mehr, da die Hafen in Jugoslawien bereits von der Wehrmacht besetzt waren.
Die judische Gemeinde richtete eine eigene Schule ein, hier konnte Scheuer 1940/41 einen Kurs fur Kinder- und Krankenpflege besuchen. Auch diese Schule wurde spater verboten. Am 10. November 1941 heiratete sie Ernst Kessler, genannt „Zachi“, den sie in der judischen Schule kennengelernt hatte. Kessler war gelernter Elektromechaniker und unterrichtete Elektrotechnik. Am Tag ihrer Hochzeit mussten sich beide fur die anstehenden Transporte registrieren lassen.
= Deportation und Lager =
Im Dezember 1940 wurde der Großteil von Lene Kesslers Familie nach Theresienstadt deportiert. Kessler, ihr Mann und ihre Schwiegermutter kamen am 8. April 1942 ebenfalls in das KZ Theresienstadt. Manner und Frauen wurden getrennt untergebracht, daher wurde Kessler von ihrem Mann getrennt. Am 26. April 1942 wurden Kesslers Eltern und ihr Bruder nach Warschau deportiert, sie hat sie nie wiedergesehen. Sie erhielt aber noch vier Postkarten von ihren Eltern.
Die Lebensbedingungen in Theresienstadt waren hart, die Verhaltnisse primitiv: Es gab 60 cm schmale Doppelstockbetten fur die Frauen, oft schliefen zwolf und mehr Frauen in einem Zimmer. Die Manner hatten Dreistockbetten und noch engere Raume. Es gab keine Heizung. Die hygienischen Zustande waren schlimm: Es gab nur zentrale Waschraume mit kaltem Wasser und zentrale Latrinen, die alle gemeinsam benutzen mussten. Besonders schlecht war die Versorgung mit Lebensmitteln; alle hungerten und verloren an Gewicht – so nahm Kesslers Mutter in nur 4 Monaten 20 kg ab. Kessler konnte auf der Kinder-Krankenstation arbeiten, die Kinder waren etwas besser versorgt.
Im Juli 1942 musste eine Kaserne auf dem Gelande geraumt werden und die Manner mussten woanders untergebracht werden. Kesslers Mann, der handwerklich sehr geschickt war, konnte einen kleinen Verschlag direkt unter dem Dach ausbauen, der uber eine Leiter zu erreichen war. In diesem winzigen Raum konnte das junge Paar bis September 1944 zusammen wohnen. Das half den beiden, sich mit den Verhaltnissen etwas zu arrangieren und zu uberleben.
Ende September 1944 wurden Kessler und ihr Mann in getrennten Transporten nach Auschwitz deportiert. Nach der Selektion auf der Rampe – „sie gehorte zu den Glucklichen, die noch eine Weile zum Leben bestimmt waren“ – erlebte sie die Ungeheuerlichkeiten des Vernichtungslagers. Auschwitz war darauf ausgelegt, das Selbstwertgefuhl zu untergraben; alles in Auschwitz sei ein einziger Prozess der Erniedrigung gewesen, der den korperlichen Verfall beschleunigte. Die Kopfe wurden geschoren, es gab nur schlechte Kleidung, die der Witterung nicht angepasst war. Es gab keine Moglichkeit, sich zu waschen, die Latrine war ubermaßig verdreckt, dazu kam stundenlanges Appellstehen in der Sonne, kaum Lebensmittel und alle wurden in enge Raume gepfercht. Sie sah endlose Baracken hinter Stacheldraht, Mord hatte sie bereits am ersten Tag erlebt. Der Verlust der Menschenwurde traf sie hart. Sie verbrachte nur 10 Tage in Auschwitz, es sollte sie trotzdem ein Leben lang pragen. Hier verlor sie auch ihren Mann aus den Augen.
Am 10. Oktober 1944 wurde Kessler mit 2000 anderen Frauen in das KZ-Außenlager Schlesiersee gebracht. Dieses war ein Außenlager des KZ Groß-Rosen und lag nordlich von Glogau, an der damaligen polnisch-schlesischen Grenze. Es war ein ehemaliges Gehoft, Kessler wurde in der Scheune untergebracht. Diese war zugig und kalt, am Boden lag etwas Stroh, das den Frauen als Schlafunterlage diente. Die Frauen waren von der „Organisation Todt“ (OT) angefordert worden, um Panzergraben auszuheben, die den Vormarsch der Roten Armee aufhalten sollten. Die Arbeit war hart, da der Boden gefroren war und nur Spitzhacken zur Verfugung standen. Hunger und Kalte waren die standigen Begleiter. Kessler erinnert sich, dass sie so hungrig war, dass alles Denken bestandig um Essen kreiste. Die Kleidung bestand nur aus einem Sommerkleid, einem Pullover, einem Sommermantel und Holzpantinen – Kleidung, die bei Eis und Schnee nicht genug Schutz bot.
Anfang Dezember 1944 bekam Kessler hohes Fieber und zog sich Erfrierungen dritten Grades am linken Fuß zu, der darauf zu eitern anfing. Mehrere Tage lang war sie bewusstlos. Medizinische Versorgung gab es nicht, daher verwendete Kessler das Futter ihres Mantels als provisorischen Verband. Acht Wochen lang, von Dezember 1944 bis Ende Januar 1945, war sie in der „Marodenstube“, dem Krankenrevier. Dort befielen sie Flohe und Lause, außerdem bekam sie die Kratze. Trotz der enormen Verletzungen und des korperlichen Verfalls hatte Kessler einen unbandigen Lebenswillen, der sie aufrecht hielt.
= Todesmarsch und Flucht =
Am 21. Januar 1945 wurde das gesamte Lager geraumt und auf einen „Todesmarsch“ geschickt. Sie mussten stundenlang marschieren, in Eis und Schnee, mit nur leichter Bekleidung und nahezu ohne Verpflegung. Wer nicht mehr weitergehen konnte, wurde erschossen. Nach 100 km Marschieren kamen sie in Grunberg an, einem anderen KZ-Arbeitslager. Am 29. Januar 1945 wurde auch dieses Lager geraumt, und zu den 1700 Frauen aus Schlesiersee kamen noch 700 Haftlinge aus Grunberg dazu. Im Lager hatte Kessler gemerkt, dass ihre Wunde am linken Fuß wieder aufgebrochen war; ihr wurde dadurch bewusst, dass sie nicht mehr lange durchhalten wurde.
Die Straßen in Schlesien waren in diesen Tagen voll mit Fluchtlingen und Gruppen der Wehrmacht. Diese hatten Vorrang vor dem Zug der Lagerinsassen, die im Straßengraben warten mussten, bis die anderen vorbei waren. Bei einem dieser Halte konnte sie im allgemeinen Chaos unbemerkt entkommen und im Keller eines nahen Hauses Zuflucht finden. Nachdem der Zug weitergezogen war, kam sie aus ihrem Versteck und schlug sich alleine durch die Walder Richtung Tschechien durch. Sie gab sich als deutscher Fluchtling aus. Auf dieser Wanderung ubernachtete sie in verlassenen Bauernhofen und in Scheunen; ihr wurde aber auch von vielen Fluchtlingen geholfen, obwohl einige sehr wohl erkannten, wer sie wirklich war. In Guben ging sie zur NSV (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt), deren Mitarbeiter gaben ihr warme Kleidung und einige Lebensmittel. Von dort gelangte sie auf Umwegen nach Dresden und nach mehrmaligen Versuchen mit dem Zug nach Prag. In Prag konnte sie kurz bei einer Freundin unterschlupfen, sich waschen, und mit neuen Kleidern kam sie in ein Krankenhaus, wo ihre Erfrierungen am Fuß behandelt wurden. Im Krankenhaus erkannte eine Pflegerin auch, wer sie war, schwieg aber.
= Befreiung und Leben nach dem Krieg =
Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus arbeitete sie bei Bauern und kurz bei der Wehrmacht. Nach Kriegsende bekam sie wieder Papiere auf ihren richtigen Namen. Mitte Juni kam auch ihr Mann, Ernst Kessler, zuruck; er hatte Theresienstadt und Auschwitz uberlebt und es hatte ihn bis Rumanien verschlagen.
Das Paar ließ sich in Brunn nieder. Ernst Kessler holte das Abitur nach, studierte Physik und promovierte. 1947 und 1952 wurden zwei Tochter geboren. Nach der Niederschlagung des Prager Fruhlings 1968 waren die Grenzen kurzzeitig offen und die Familie verließ die Tschechoslowakei. Lene und Ernst Kessler ließen sich in der Nahe von Stuttgart nieder, Ernst Kessler bekam eine Anstellung an der Universitat Stuttgart, Lene Kessler arbeitete im Katharinenhospital. Die beiden Tochter waren bereits kurz vorher zum einzig uberlebenden Verwandten nach England gegangen, wo sie studierten und bis heute leben (Stand April 2024).
Ernst Kessler starb 2006, Lene Kessler am 15. April 2015 in Leonberg, nahe Stuttgart.
Erinnerung und Gedenken Mitte der 1990er Jahre hatte Lene Kessler erstmals ihre Erinnerungen fur die Shoah Foundation von Steven Spielberg in einem vierstundigen Video aufgenommen. Das war der Anlass, ihre Erinnerungen auch in einem kleinen Buch zusammenzufassen, das von der Leonberger KZ-Gedenkstatte ausgegeben wird.
Kessler sprach offentlich uber ihren Leidensweg, sie wurde oft eingeladen, um vor Schulklassen und bei offentlichen Veranstaltungen zu berichten. Es wurde auch ein Radiointerview mit ihr aufgenommen, in dem sie ihr Leben schilderte. Auch wenn es ihr schwerfiel, uber ihre grauenvolle Erlebnisse zu sprechen, hat sie es als ihre Pflicht angesehen, Zeugnis abzulegen und „den Kindern zu sagen, wie es damals wirklich war“.
Ihr Mann, Ernst Kessler, hat nie uber seine Erlebnisse gesprochen.
Schicksal der Familienmitglieder Die Eltern von Lene Kessler, Erwin Scheuer (geb. 1881) und Emmy Scheuer, geb. Weinberger (geb. 1897) und ihr Bruder Otto Willy Scheuer (geb. 1925) sind vermutlich aus Auschwitz nach Treblinka deportiert und dort ermordet worden. Ihre Spur verlor sich im Sommer 1942.
Die Geschwister von Lene Kesslers Vater wurden ebenfalls ermordet:
Robert Scheuer (geb. 1874, gestorben 1942 in Theresienstadt)
Dr. Leo Scheuer (geb. 1878, verschollen 1942–1945 in Polen)
Ida Berger, geb. Scheuer (geb. 1884, ermordet 1942 in Riga)
Auch zwei Geschwister von Lene Kesslers Mutter sind dem Holocaust zum Opfer gefallen:
Lilly Weinberger (geb. 1895, verschollen 1942–1945 in Polen)
Berta Goldmann, geb. Weinberger (geb. 1901, ermordet 1942 in Treblinka)
Nur ein Bruder von Lene Kesslers Mutter konnte rechtzeitig nach England migrieren, er ist der einzige uberlebende Verwandte.
Werke/Schriften Lene Kessler: Wie ich uberlebte. Ein Ruckblick nach fast siebzig Jahren. Hrsg.: KZ-Gedenkstatteninitiative Leonberg e.V. 2.  Auflage. Landeszentrale fur politische Bildung Baden-Wurttemberg, Leonberg 2016. 
Weblinks Veroffentlichung in der Leonberger Kreiszeitung und bei der KZ Gedenkstatteninitiative Leonberg
Interview mit Lene Kessler, Veroffentlichung des Evangelischen Medienhauses Stuttgart
Einzelnachweise | 
	Helene „Lene“ Kessler (geboren am 2. Dezember 1921 in Kunwald, Tschechoslowakei als Helene Scheuer; gestorben am 15. April 2015 in Leonberg) war eine Uberlebende des Holocaust und Zeitzeugin. Sie war in mehreren Konzentrationslagern wie Theresienstadt und Auschwitz interniert und konnte wahrend eines Todesmarsches entkommen. Sie hat als Zeitzeugin vor Schulklassen gesprochen, und ihr Leidensweg wurde von der Shoa Foundation aufgezeichnet. | 
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	c-591 | 
	Der Bahnhof Earlestown steht im Ortsteil Newton-le-Willows des Metropolitan Borough of St Helens an der Bahnstrecke Liverpool–Earlestown–Manchester. Er gilt als der alteste noch betriebene Bahnhof der Welt.
Geschichte Der Bahnhof ging am 25. Juli 1831 in Betrieb, als die Warrington and Newton Railway eroffnete und hier an die am 15. September 1830 eroffnete Liverpool and Manchester Railway anschloss. Damit gilt der Bahnhof Earlestown auch als weltweit erster Eisenbahnknoten.
Die Bahnhofsbezeichnung anderte sich mehrfach:
In der Anfangszeit verwendeten die Fahrplane die Bezeichnungen Viaduct (1831), Warrington Junction (1832), folgend: Newton Junction
Warrington Junction (1852)
Earlestown Junction (1861)
Earlestown (1950)
1831 war nur die Verbindungskurve Richtung Liverpool erstellt worden. Damit Zuge auch nach Manchester durchfahren konnten, entstand 1837 eine zweite Verbindungskurve dorthin und damit ein Gleisdreieck. Die Warrington and Newton Railway ging bereits Ende 1834 an die Grand Junction Railway uber, die sie als Anschluss fur ihre Strecke nach Birmingham nutzte (eroffnet 1837), von wo aus ab 1838 bis London durchgefahren werden konnte.
Das fuhrte zu folgendem Betriebsmodell: Je ein Zug verließ Liverpool Crown Street und Manchester Liverpool Road, um sich in Earlestown zu treffen. Dort wurden sie zusammengekuppelt und als ein Zug nach Birmingham weitergefuhrt. Ab 1839 fuhrte die Verbindung Kurswagen nach London. In umgekehrter Richtung wurde der Zug bereits im Bahnhof Warrington Bank Quay geteilt und die Zugteile fuhren getrennt nach Liverpool und Manchester. Das war die erste Zugflugelung weltweit.
Die Zuge der spateren London and North Western Railway in Richtung Schottland verkehrten eine Zeit lang uber Earlestown und Parkside und nutzten dabei einen kurzen Abschnitt der Strecke zwischen Liverpool und Manchester. Spater wurde diese Linienfuhrung durch den Golborne Cut-off ersetzt.
Anlage Der Bahnhof Earlestown liegt in einem Gleisdreieck, das 1837 fertiggestellt wurde und als das alteste der Welt gilt. Entsprechend den damals geringen gefahrenen Geschwindigkeiten weisen seine Gleisbogen einen sehr geringen Radius auf, was bei steigenden Geschwindigkeiten zu Problemen und einer niedrigen Hochstgeschwindigkeit fuhrte. Durch den Anschluss der Strecke nach Birmingham erhielt die Bahnhofsanlage eine dreieckige Form mit sechs Bahnsteigen. Heute ist das Gleisdreieck des Bahnhofs Earlestown eines von zweien, die es in Großbritannien noch gibt.
Durch dieses Dreieck verliefen zudem die Gleise der Haydock Colliery Railway, die Kohle aus den Bergwerken in Haydock zu den Kaianlagen am Mersey in Warrington abfuhr. Die Haydock Colliery Railway kreuzte die Gleise der beiden anderen Bahnstrecken niveaugleich und besaß Gleisverbindungen zu ihnen in Richtung Manchester und Warrington.
Der Beeching-Report von 1963 schlug die Schließung des Bahnhofs Earlestown vor, was jedoch unterblieb.
Der ostliche Abschnitt des Gleisdreiecks wurde mit der West Coast Main Line mit 25 kV 50 Hz Wechselstrom elektrifiziert. Die verbleibenden Teile des Bahnhofs erhielten im Rahmen der „North West Electrification“ Oberleitung. Die Arbeiten wurden im Februar 2015 abgeschlossen, der fahrplanmaßige Personenverkehr mit elektrischer Traktion im Marz 2015 aufgenommen.
Ursprunglich waren alle drei Seiten des Gleisdreiecks zweigleisig ausgebaut. Heute ist im Bogen in der Verbindung Liverpool–Warrington ein Gleis abgebaut.
Empfangsgebaude Das Empfangsgebaude von Earlestown liegt an der Sudseite der Bahnstrecke Liverpool–Manchester, im Zwickel des westlichen Verbindungsbogens des Gleisdreiecks. Es wurde moglicherweise um 1840 errichtet. Unterlagen, die den genauen Entstehungszeitpunkt belegen, scheinen nicht vorhanden zu sein. Es ist erhalten und diente zuletzt (derzeit ungenutzt) als Wartesaal des Bahnhofs. Es gilt als das alteste erhaltene Empfangsgebaude eines Bahnhofs, der noch betrieben wird.
Das einstockige Gebaude tragt ein Schieferdach mit drei achteckigen Schornsteinen. Die Hauptfassade weist zur Bahnstrecke Liverpool–Manchester. Gestaltet ist sie asymmetrisch in den Formen des Gothic Revival und weist mehrere Vor- und Rucksprunge auf. Gleisseitig ist dort eine Bahnsteiguberdachung vorgebaut, die auf acht Stutzen ruht und weit Richtung Bahnsteigkante vorkragt. Die Ruckseite ist, um sich etwas dem Gleisbogen nach Warrington anzupassen, ebenfalls stark gestaffelt. Hier gibt es kein Bahnsteigdach. Die „Straßenseite“ des Gebaudes ist dessen ostliche Schmalseite.
Das Bauwerk ist als Kulturdenkmal zweiter Kategorie (Grade II) gelistet und steht unter Denkmalschutz.
Umfeld Das dem Bahnhof westlich vorgelagerte Sankey-Viadukt ist eine der altesten noch als solche genutzten Eisenbahnbrucken der Welt.
Das Gebiet zwischen dem Bahnhof und dem Sankey-Viaduct nutzten ab 1833 die Viaduct Locomotive Works als Betriebsgelande. 1853 pachtete die London and North Western Railway das Areal und errichtete dort die Waggonfabrik fur ihr Unternehmen. Die aus den Industriebetrieben entstehende Arbeitersiedlung erhielt den Spitznamen Earle’s Town, nach Hardman Earle, einem der Direktoren. Der Name hielt sich, anderte sich in die heute gebrauchliche Schreibweise und wurde schließlich als Bezeichnung fur den Bahnhof ubernommen.
Verkehr Gegenwartig (Stand 2024) gibt es regelmaßige Verbindungen nach Liverpool Lime Street, Manchester Victoria, Manchester Airport, Warrington Bank Quay, Chester und weiter uber die North Wales Coast Line und den nordlichen Abschnitt der Conwy Valley Line nach Llandudno.
Literatur Mike Bridge: TRACKatlas of Mainland Britain. 2. Aufl. Platform 5, Sheffield 2017. ISBN 978-1-902336-97-8
Weblinks Earlestown Station auf Rainhill Railway and Heritage Society (Hg.): The Rainhill Trials; abgerufen am 29. Marz 2024, Sprache: englisch
Earlestown Station auf der Homepage von National Rail, Sprache: englisch
English Heritage: Earlestown station building to south of railway; abgerufen am 29. Marz 2024, Sprache: englisch
Newton-le-Willows Heritage Trail; abgerufen am 29. Marz 2024, Sprache: englisch
Galerie Anmerkungen Einzelnachweise | 
	Der Bahnhof Earlestown steht im Ortsteil Newton-le-Willows des Metropolitan Borough of St Helens an der Bahnstrecke Liverpool–Earlestown–Manchester. Er gilt als der alteste noch betriebene Bahnhof der Welt. | 
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	Franz Eibel (* 14. April 1904 in Straß; † 24. Juni 1934 in Bruck an der Mur) war ein katholischer Geistlicher in der Steiermark und ein fruhes Opfer der Nationalsozialisten.
Leben = Herkunft und erste Priesterjahre =
Franz Eibel wurde am 14. April 1904 als Sohn des Haus- und Grundbesitzers Franz Eib(e)l (* 9. Marz 1868 in St. Peter am Ottersbach; † 26. August 1919 in Straß) und dessen Ehefrau Not(h)burga (geborene Hafner; * 9. April 1871 in Ratschendorf bei Mureck; † 6. Janner 1954 in Graz) in Straß geboren und wurde am 15. April 1904 getauft. Seine Eltern hatten am 30. April 1902 geheiratet. Am 29. Juni 1915 wurde er gefirmt. In Graz, wo er maturiert hatte, wurde er in seinem Maturajahr vom zustandigen „Jahrgangsdichter“ in einem Distichon wie folgt charakterisiert: „Eibel ist klug und verstandig, doch ‚fein‘ wie des Birnbaumes Rinde…“.
Er studierte in Graz und legte am 18. April 1927 im Grazer Dom seine Profess ab. Seine Primiz feierte er am 11. Juli 1927 in seiner Heimatpfarre in Straß. Als Berufsanfanger war er in verschiedenen Pfarren tatig und kam so am 1. September 1927 an die Pfarrkirche Liezen, an der er bis zum 1. September 1930 wirkte. Hier fiel er unter anderem als tuchtiger Katechet auf, galt als kinderlieb und außerordentlicher Organisator im Vereinswesen. In Liezen grundete er einen Burschenverein sowie eine Madchengruppe, trat als Leiter beider Vereine in Erscheinung und fuhrte auch mit den Burschen und Madchen Theaterstucke auf. 1928 fuhr er mit der Liezener Jugend zum Reichsbundestag nach Bregenz und im Jahre 1929 nach Klagenfurt. Kurz vor seiner Ubersetzung nahm er im Sommer 1930 noch an der Gaukonferenz der katholischen Burschenvereine teil.
= Kaplan in Ligist =
Spatestens ab 1931 war er Kaplan in Ligist; vermutlich wurde er bereits im September 1930 dorthin entsandt. In seiner Amtszeit verlegte er die Erstkommunion bereits auf den Anfang des zweiten Schuljahres. In der Weststeiermark machte er sich um das katholische Vereinsleben verdient, fungierte als Dietwart des Christlich-deutschen Turnvereins Ligist und als Prases des Katholisch-deutschen Burschenvereins, wobei es aufgrund seiner Initiative zu einer regen Tatigkeit beider Vereine kam. Außerdem war er einige Zeit Obmannstellvertreter der Ortsgruppe Ligist des Deutschen Schulvereines Sudmark und gehorte der zweiten Sektion der Untersteirischen Meßbruderschaft an. Wie bereits bei seiner fruheren Station machte er sich auch um die Jugend von Ligist und Umgebung verdient. Zur Forderung des Volksgesangs ging Eibel moderne Wege, horte mit den gangigen Schulmessliedern auf und schlug den Lehrkorpern vor, dass Singmessen von Joseph Haydn, Franz Schubert und Anton Faist eingeubt werden sollten. Auch von ihm organisierte Theater- und Kinoauffuhrungen, Ausfluge und gesellige Zusammenkunfte waren bei den Jugendlichen sehr beliebt.
= Versetzung nach Kapfenberg-St. Oswald =
Im Kirchlichen Verordnungsblatt Nr. 8 fur die Diozese Seckau wurde im Dezember 1932 die Ubersetzung Eibels von Ligist nach Pernegg mit Zuweisung zur Dienstleistung an der Pfarre Kapfenberg bekanntgegeben. Im August 1933 wurde Eibel in die Pfarrkirche Kapfenberg-St. Oswald versetzt, wo er gemeinsam mit Kaplan Schrey unter Pfarrer Florian Plaschk die Pfarre betreute. Schrey war zur selben Zeit von Spital am Semmering kommend nach Pernegg mit Zuweisung zur Dienstleistung in Kapfenberg versetzt worden. Als Kaplan engagierte er sich sehr in der Jugendarbeit, was den seit 1933 in Osterreich verbotenen Nationalsozialisten, die ebenfalls die Jugend fur sich gewinnen wollten, ein Dorn im Auge war. Er galt als großes Organisationstalent, war als Arbeiterpfarrer fur die Ostmarkischen Sturmscharen tatig und reaktivierte den Katholischen Arbeitsbund in der als seelsorglich schwierig beschriebenen Industrie- und Arbeiterstadt Kapfenberg. Auch war er im Reichsbund der katholisch-deutschen Jugend Osterreichs aktiv und fungierte als Seelsorger im Kapfenberger Werksspital. Aufgrund seiner tatigen Hilfsbereitschaft und seiner volkstumlichen Art galt Eibel in der Bevolkerung als sehr beliebt.
= Todlicher Sprengstoffanschlag =
Nachdem im Fruhsommer 1934 ein von den illegalen Nazis abgelegter Kranz am Kriegerdenkmal der Stadtpfarrkirche Kapfenberg-St. Oswald von der Pfarrei entfernt worden war, wurde der Unmut gegen die Pfarrverantwortlichen immer deutlicher. Nach der Ernennung des Stadtpfarrers Florian Plaschk zum Geistlichen Rat wurde fur ihn am 23. Juni 1934 in Kapfenberg ein Fackelzug veranstaltet. In der Nacht vom 23. auf den 24. Juni 1934 deponierte der Nationalsozialist Max Kalcher vor dem Pfarrhof der Stadtpfarrkirche eine – wie Schrey spater schrieb – Ecrasitbombe. Sie explodierte in dem Moment, als die Kaplane Eibel und Schrey wegen verdachtiger Gerausche Nachschau hielten. Dabei wurde Eibel, der sich rund zehn Meter vom Explosionsort entfernt gerade mit dem Sturmscharler und Werksarbeiter Ernst Hering und der Frau des militarischen Leiters der Ostmarkischen Sturmscharen Kapfenberg, Amalie Spitzmayer, unterhalten hatte, durch die sich um etwa 23:30 Uhr ereignende Explosion schwer am Unterleib verletzt. Wahrend seine beiden Gesprachspartner leicht verletzt worden waren, kam sein Amtsbruder Schrey unverletzt davon. Der entstandene Sachschaden betrug rund 150 Schilling. Nachdem Eibel zuerst in das nahe Organistenhaus und danach mit dem Rettungswagen in das Rudolfsspital in Bruck an der Mur gebracht worden war, starb er dort am 24. Juni 1934 gegen 7:45 Uhr morgens an seinen Verletzungen und dem starken Blutverlust.
Am 25. Juni fand in Kapfenberg in Anwesenheit des damaligen Justiz- und Unterrichtsministers und spateren Bundeskanzlers Kurt Schuschnigg ein großer Trauerzug nach Kapfenberg-Diemlach statt, von wo aus Eibel in seine Heimatpfarre in Straß uberfuhrt und am 27. Juni auf dem erst vier Jahre zuvor errichteten Waldfriedhof beigesetzt wurde. Verschiedenen Zeitungsberichten zufolge hatte die Beerdigung am Dienstag, den 26. Juni, um 10 Uhr stattfinden sollen; im Sterbebuch ist allerdings der 27. Juni als Beerdigungsdatum eingetragen. Darauf stutzen sich auch andere Berichte, wonach das Fahrzeug mit dem Leichnam am 27. Juni um 01:30 Uhr in der Nacht in Straß eingetroffen sei. Der Trauerzug, dem geschatzt 3000 Personen angehorten, begann nach der ersten Einsegnung an der Kapfenberger Aufbahrungshalle. Von dort ging es in die Pfarrkirche St. Oswald zur zweiten Einsegnung und in weiterer Folge zum Johanniskreuz, unweit von Diemlach, zur dritten Einsegnung. Hier hielt auch Schuschnigg eine Trauerrede, in der er Eibel als einen ausgezeichneten Priester, guten Menschen und vollkommenen Charakter beschrieb. Der damalige steirische Landeshauptmann Alois Dienstleder, der sich zu dieser Zeit auf einer Dienstreise in Mariazell und im Murztal befand, brach diese ab und kam umgehend nach Kapfenberg, nachdem er von dem todlichen Sprengstoffanschlag erfahren hatte. Die Uberfuhrung des Leichnams nach Straß erfolgte durch einen Leichenwagen der Stadtgemeinde Kapfenberg. Eibel hinterließ seine Mutter Notburga sowie seine Geschwister; der Vater war bereits 1919 an einer bakteriellen Lungenentzundung gestorben. In den Tagen danach kam es zu einem Trauergottesdienst in Liezen oder einer von der Akademischen Vereinigung (AV) Winfridia organisierten Seelenmesse in der Grazer Domkirche. Zahlreiche Organisationen, in denen Eibel aktiv gewesen war, hielten ebenso Trauerfeiern ab. Selbst in Wien gab es im Juli eine große Gedenkfeier; in der Wiener Antonskirche, in der Eibel als noch junger Priester eine Woche lang die heilige Messe gelesen hatte, fanden sich in Wien tatige steirische Priester am 8. Juli zu einer Trauerfeier ein.
= Nachwirkungen =
Die Behorden verdachtigten anfangs nicht nur Nationalsozialisten, sondern auch Sozialdemokraten der Tat, wobei sich schon bald herausstellte, dass es sich bei dem Tater eindeutig um einen nationalsozialistischen Parteiganger, den damals 22-jahrigen Max Kalcher aus Deuchendorf bei Kapfenberg, handelte. Beihilfe soll ihm der etwas altere Schmiedgehilfe Karl Stromberger geleistet haben. Bereits sechs Wochen vor dem Anschlag wurde eine mit 12. Mai 1934 datierte Flugschrift der Nationalsozialisten abgefangen, die eindeutig einer Morddrohung gegenuber Eibel glich. Beiden Angeklagten wurde auch ein einen Monat spater durchgefuhrter Sprengstoffanschlag auf den Gendarmerieposten in Hafendorf zur Last gelegt. Kalcher wurde am Abend des 20. September 1934 am Kreisgericht Leoben wegen Verstoßes gegen das Sprengmittelgesetz zum Tode durch den Strang verurteilt; ebenso Stromberger, bei dem verfugt wurde, dass die Hinrichtung zuerst zu erfolgen habe. Nach Annahme einer Nichtigkeitsbeschwerde gegen dieses Urteil, die vom Obersten Gerichtshof verworfen worden war, wurde Kalcher am 24. Januar 1935 von einem Schwurgericht in Leoben abermals zum Tode verurteilt.
Strombergers Strafe wurde noch im Dezember 1934 vom damaligen Bundesprasidenten von der Todesstrafe auf 20 Jahre schweren Kerker reduziert. Bezuglich des Hauptangeklagten hatte sich der Bundesprasident die Entscheidung uber die Vollstreckung des Todesurteiles vorbehalten bis zur rechtskraftigen Entscheidung des Kreisgerichts Leoben uber den Wiederaufnahmeantrag der Verteidigung, der sich auf die Schuldigsprechung wegen des Priestermordes bezog. Anfang Marz 1935 wurde Kalchers Strafe vom Bundesprasidenten ebenfalls zu zwanzig Jahren schwerem Kerker herabgesetzt. Im Vorfeld hatte die Staatsanwaltschaft Leoben aufgrund von Ergebnissen des von Kalcher beantragten Wiederaufnahmeverfahrens einen Antrag auf Einstellung bzw. Abbruch des Strafverfahrens im Bezug auf den Anschlag auf den Kapfenberger Pfarrhof gestellt. Nach dem Anschluss Osterreichs wurde Kalcher mit einer auf drei Jahre ausgesetzten Bewahrungsfrist fruhzeitig aus der Haft entlassen. Kurz darauf wurde er bei der Reichstagswahl 1938 in den Reichstag gewahlt, aus dem er im Janner 1939 wieder ausschied.
Kaplan Franz Eibel ist ein fruhes Opfer des Nationalsozialismus in Osterreich und wurde in den Zeitungen gar als „erster Blutzeuge fur das wiedererstandene katholische Osterreich“ bezeichnet. Wenige Monate nach dem Attentat wurde im Oktober 1934 an der Außenwand des Pfarrhofs eine Gedenktafel fur Eibel enthullt. Schuschnigg, der bei der Enthullung ebenfalls zugegen war, außerte uber Eibel, er sei ein „Martyrer und Held im Priesterkleid“ gewesen. Nach Eibel ist seit demselben Tag (14. Oktober 1934) eine nahe – aber nicht direkt – an der Pfarrkirche St. Oswald vorbeifuhrende Straße benannt. Diese tragt offiziell den Namen Franz-Eibel-Straße, ist aber auch unter anderen Schreibweisen und Abkurzungen etwa als Franz-Eibel-Strasse, Franz-Eibelstraße oder F.-Eibel-Straße bekannt und trug zum Zeitpunkt der Benennung den Namen Kaplan Eibel Strasse, wie alte Hausnummernschilder noch heute bezeugen. Eine weitere (Marmor-)Gedenktafel wurde im Vorraum vor dem Festsaal des Winfridenheims, der Bude der AV Winfridia Graz, platziert.
Mitgliedschaften Eibel war Mitglied der AV Winfridia Graz im Kartellverband katholischer nichtfarbentragender akademischer Vereinigungen Osterreichs (OKV).
Galerie Literatur Josef Windisch: Kaplan Franz Eibel – Opfertod am 24. Juni 1934. In: Der Freiheitskampfer. Organ der Kampfer fur Osterreichs Freiheit. 40 (1988), Nr. 3, S. 6 (online; PDF; 5,5 MB).
Die letzte Fahrt des Kaplans Franz Eibel. Das Leichenbegangnis im Heimatsorte Straß.. In: Grazer Volksblatt, 27. Juni 1934, S. 6 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/gre, abgerufen am 6. Februar 2024
Der Blutzeuge fur Oesterreichs Freiheit. Wandel und Wirken des Stadtkaplans Franz Eibel.. In: Grazer Volksblatt, 1. Juli 1934, S. 5–6 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/gre, abgerufen am 6. Februar 2024
Der Martyrerpriester Franz Eibel.. In: Grazer Volksblatt, 23. Juni 1935, S. 9 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/gre, abgerufen am 7. Februar 2024
Weblinks Franz Eibl – Opfer des Terrors der NS-Bewegung in Osterreich 1933 – 1938
Kaplan Franz Eibel, Opfer des NS-Terrors, AV Winfridia Graz
Einzelnachweise | 
	Franz Eibel (* 14. April 1904 in Straß; † 24. Juni 1934 in Bruck an der Mur) war ein katholischer Geistlicher in der Steiermark und ein fruhes Opfer der Nationalsozialisten. | 
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  "url": "https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Eibel"
} | 
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	c-593 | 
	Maximilian „Max“ Anton Kalcher (* 22. Juli 1911 in Deuchendorf bei Kapfenberg; † 27. April 1982 in Modling) war ein osterreichischer politischer Aktivist. Er wurde bekannt aufgrund seiner Mitwirkung an nationalsozialistischen Bombenattentaten gegen die osterreichische Republik sowie als Reichstagsabgeordneter fur die (NSDAP).
Leben Kalcher wurde als uneheliches Kind der Wirtschafterin Anna Kalcher (* 30. Janner 1892 in Potschach; † 9. Dezember 1965 in Kapfenberg) geboren. Seine Großeltern waren der Fabrikarbeiter Josef Kalcher und dessen Ehefrau Rosa, geborene Maurer. Kalcher behielt den Madchennamen seiner Mutter auch nachdem seine Mutter im 1914 den Fabrikarbeiter Anton Krenner (* 17. Janner 1882 in Schnabling bei Gutau; † 20. Juni 1947 in Kapfenberg) heiratete.
Nach dem Besuch der Volksschule, der Burgerschule und der Gewerbeschule arbeitete Kalcher in wechselnden Berufen als Kellner, Schankbursche, Lohndiener oder Hilfsarbeiter. Bereits in seiner Jugend fiel Kalcher durch kriminelle Aktivitaten auf. So arbeitete er als 16-Jahriger unter anderem als Kellner im Bahnhofsrestaurant von Bruck an der Mur, wo er immer wieder kleinere Reise- und Taschendiebstahle verubte, ehe er Anfang des Jahres 1928 von der Gendarmerie verhaftet und dem Bezirksgericht Bruck an der Mur vorgefuhrt wurde.
= Teilnahme an den Februarkampfen 1934 =
Im Februar 1934 nahm Kalcher an den bewaffneten Auseinandersetzungen, die zu dieser Zeit zwischen der autoritaren osterreichischen Regierung unter Engelbert Dollfuß und dem Republikanischen Schutzbund organisierten Kraften der Bevolkerung, die den auf die Errichtung eines diktatorischen Standestaates abzielenden Kurs der Regierung ablehnten, teil (sogenannte Februarkampfe 1934). Die Kampfe begannen in der Stadt Linz, breiteten sich rasch in den landlichen Raum aus (unter anderem wurde auch Kapfenberg von ihnen erfasst) und eskalierten, als die sozialdemokratische Arbeiterpartei in Wien den Generalstreik ausrief und den Schutzbund landesweit alarmierte.
Kalcher gehorte zu dem Zeitpunkt, als die Kampfe begannen, politisch eigentlich dem rechtsgerichteten Steirischen Heimatschutz unter Walter Pfrimer an. Aus Ablehnung der Regierung stellten er und mindestens acht weitere Manner seiner lokalen Heimatschutzgruppe sich nach Ausbruch der Unruhen jedoch dem Schutzbund, konkret der lokalen Schutzbundgruppe in Hafendorf, zur Verfugung. Die Hafendorfer Schutzbundgruppe erhielt nach ihrer Alarmierung zu Beginn der Kampfe den Befehl, nach Kapfenberg zu marschieren, um in die dortigen Kampfe einzugreifen.
Ein Teil der Hafendorfer Schutzbundler wurde in Kapfenberg gegen die dortigen Vertreter der Staatsmacht eingesetzt, indem die Manner unter anderem den lokalen Gendarmerieposten belagerten und beschossen. Eine andere Gruppe ruckte derweil weiter nach Bruck/Mur vor. Die Belagerer des Kapfenberger Gendarmeriepostens waren so schwer bewaffnet, dass erst der Eingriff einer mit Artilleriegeschutzen bewaffneten Einheit des osterreichischen Bundesheeres ihr ein Ende machen und die Schutzbundler zum Abzug zwingen konnte. Spateren Feststellungen zufolge waren von den Belagerern uber 4000 Schuss auf den Gendarmerieposten abgegeben und zumindest drei Personen verletzt worden.
Nach dem Zusammenbruch des Putsches kehrten einige der Manner, die nach Kapfenberg marschiert waren, wieder nach Hause zuruck, wahrend andere sich Koloman Wallisch anschlossen, der die Absicht hatte, uber den Eisenpass und den Laufnitzgraben weiter nach Suden vorzudringen. Aufgrund des starken Schneeaufkommens auf dem Pass loste sich aber auch diese Gruppe allmahlich auf und kehrte heim.
Im Juni 1934 wurde Kalcher aufgrund seiner Teilnahme an den Februarkampfen zusammen mit acht weiteren Schutzbundlern (darunter Johann Brandl) in einem Prozess vor dem Kreisgericht Leoben wegen des Vorwurfs des Hochverrats angeklagt. Kalcher und die meisten seiner Mitangeklagten waren bezeichnenderweise bereits wegen anderer Delikte vorbestraft. Kalcher gab den amtlich festgestellten Sachverhalt der Kapfenberger Vorgange in seiner Vernehmung zu, erklarte aber „von nichts zu wissen [?] und [...] [wie andere] nur aus Neugierde dabeigewesen zu sein“. Am Ende des Prozesses (5. Juni 1934) war Kalcher einer von nur zwei der neun Angeklagten, die freigesprochen wurden.
= Bombenattentat in Kapfenberg =
In der Nacht vom 23. zum 24. Juni 1934 ereignete sich in der Gemeinde Kapfenberg ein Sprengstoffanschlag: Im Pfarrhof der Gemeinde wurde eine Bombe gezundet. Bei diesem Anschlag wurde der Stadtkaplan Franz Eibel todlich verletzt. Nachdem die Behorden sich zunachst unschlussig waren, ob die Tater in den Reihen der Nationalsozialisten oder der Sozialdemokraten zu suchen seien, stellten sie sich schnell auf den Standpunkt, dass Max Kalcher, der damals in einem Gasthaus arbeitete, den sie den Nationalsozialisten zurechneten, der Bombenleger war.
Kalcher wurde im Juli 1934 in Haft genommen, nachdem mehrere Personen erklarten, dass er ihnen gegenuber geaußert hatte, dass er an kurzlich erfolgten Sprengstoffanschlagen beteiligt gewesen sei. Unter anderem behauptete ein Arbeitskollege von Kalcher namens Reff, dass dieser ihm gegenuber gestanden habe, dass er den Anschlag von Kapfenberg begangen hatte. Außerdem soll er sich uber weitere Anschlagsplane geaußert und Reff um eine Alibi und Unterkunft ersucht haben. Reff zufolge soll Kalcher sich selbst sogar als den „Terrorfuhrer von Kapfenberg“ bezeichnet haben. Die Behorden behaupteten, dass Kalcher zum Zeitpunkt seiner Verhaftung geplant hatte, in der Nacht vom 20. auf den 21. Juli einen Anschlag auf den Gendarmerieposten in Hafendorf auszufuhren.
Presseberichten zufolge war Reff es auch, der Kalcher der Polizei ubergab. Durchsuchungen seiner Wohnungen sollen eine Sprengrohre und eine Pistole zutage gefordert haben. Als mutmaßlicher Helfer von Kalcher wurde der Schmiedegehilfe Karl Stromberger festgenommen. Dieser wurde verdachtigt, Kalcher zu den angeblich von ihm begangenen Sprengstoffanschlagen verleitet und ihm die Schusswaffe und den Sprengstoff besorgt zu haben. Die Verhaftung der beiden fand nach Ablauf der in der Sprengstoffverordnung festgesetzten Schutzfrist statt.
Als Kalcher im September 1934 wegen des Vorwurfes, dass er den Anschlag in Kapfenberg begangen hatte, vor Gericht gestellt, wurde stritt er jedoch jede Beteiligung an der Tat ab. Er behauptete, dass seine ihm vorgehaltenen Selbstbezichtigungen gegenuber Dritten wegen dieser Tat, die diese den Behorden mitgeteilt hatten, Falschbehauptungen gewesen seien. Er hatte sich bloß ein wenig wichtig machen wollen, indem er sich vor Bekannten als Tater der dramatischen Anschlage hinstellte, obwohl er in Wirklichkeit mit diesen gar nicht zu tun hatte. Zu seinem politischen Standort erklarte Kalcher vor Gericht, dass er zwar der Sturmabteilung (SA) angehoren wurde, aber kein radikaler Nationalsozialist sei.
= Zweifaches Todesurteil und Begnadigung =
Am 20. September 1934 wurden Kalcher und Stromberger wegen Verstoßes gegen das Sprengmittelgesetz zum Tode durch den Strang verurteilt.
Kalcher legte eine Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil ein, die von einem untergeordneten Gericht angenommen, dann aber vom Obersten Gerichtshof verworfen worden wurde. In einem Neuverfahren [?] wurde er dann am 24. Januar 1935 von einem Schwurgericht in Leoben abermals zum Tode verurteilt.
Wahrend der Bundesprasident Strombergers Strafe bereits im Dezember 1934 von der Todesstrafe auf 20 Jahre schweren Kerker reduziert hatte, hatte er sich in Kalchers Fall entschieden, mit der Entscheidung uber die Vollstreckung des Todesurteiles abzuwarten, bis nachdem das Kreisgericht Leoben eine rechtskraftige Entscheidung uber den von seinen Verteidigern eingereichten Wiederaufnahmeantrag gefallt haben wurde. Anfang Marz 1935, nach dem Abschluss des Wiederaufnahmeverfahrens, setzte der Bundesprasident Kalchers Strafe ebenfalls auf zwanzig Jahre schwerem Kerkers herab. Ausschlaggebend hierfur war wahrscheinlich, dass die zustandige Staatsanwaltschaft erklart hatte, die Einstellung bzw. den Abbruch des Strafverfahrens gegen Kalcher wegen des Anschlags auf den Kapfenberger Pfarrhof aufgrund der Sachlage fur angemessen zu halten.
= Annexion Osterreichs und Kriegsjahre =
Nach dem Anschluss Osterreichs an das Deutsche Reich im Marz 1938 wurde Kalcher mit einer auf drei Jahre ausgesetzten Bewahrungsfrist fruhzeitig aus der Haft entlassen. Kurz danach beantragte er am 19. Mai 1938 die Aufnahme in die NSDAP und wurde ruckwirkend zum 1. Mai desselben Jahres aufgenommen (Mitgliedsnummer 6.135.447). Er wurde außerdem Mitglied der Sturmabteilung (SA), der er als einfacher SA-Sturmmann angehorte. Einem nach dem Zweiten Weltkrieg erschienen Artikel in der Obersteirischen Zeitung zufolge erhielt er außerdem von der NSDAP fur seine ihm als Verdienste angerechneten Aktivitaten gegen die Regierungen Dollfuß und Schuschnigg wahrend der Jahre von 1934 bis 1938 den Blutorden der NSDAP und eine Wiedergutmachung fur seine erlittene Haft in Hohe von 4000 Reichsmark zugesprochen.
Anlasslich der Reichstagswahl 1938 wurde er als Vertreter des Landes Osterreich in den Reichstag gewahlt. Dieser war zu jener Zeit politisch langst entmachtet und zu einem reinen Akklamationsorgan herabgesunken.
Kalcher schied bereits am 18. Januar 1939 wieder aus dem Reichstag aus. Grund hierfur war, das der 1938 zum Reichskommissar fur die Eingliederung Osterreichs in das Deutsche Reich ernannte Gauleiter der Pfalz, Josef Burckel, darauf aufmerksam gemacht worden war, dass Kalcher zwischen 1927 und 1933 vier Mal wegen Diebstahl bestraft worden war, also vierfach aus nicht-politischen Grunden vorbestraft war, weshalb Burckel beantragt hatte, Kalcher als unwurdig fur die Reprasentationsstellung eines Abgeordneten aus dem Reichstag zu entfernen, woraufhin Kalcher aus der Reichstagsfraktion der NSDAP (der einzigen Fraktion im Reichstag) ausgeschlossen worden war, was den Verlust seines Mandates nach sich zog.
Uber das Leben Kalchers wahrend der Kriegsjahre ist nur wenig bekannt.
= Nachkriegszeit =
Im Februar 1948 wurde Kalcher erneut wegen seiner Aktivitaten in der illegalen NS-Bewegung in Osterreich vor Gericht gestellt. Ihm wurden strafbare Taten nach dem Verbotsgesetz zur Last gelegt. Er wurde noch einmal schuldig gesprochen, bekam aber keine zusatzlichen Strafen auferlegt.
Anschließend lebte Kalcher als Privatmann in Osterreich, zuletzt in Wiener Neudorf. Er starb am 27. April 1982 LKH Modling an den Folgen eines Lungenkarzinoms und an Kachexie. Er wurde am 5. Mai 1982 am Friedhof der Marktgemeinde Wiener Neudorf im Grab der Eltern seiner Ehefrau (Grab A 131) beigesetzt. Nach dem Auslaufen der Grabstelle im Jahr 2015 wurden Kalchers sterbliche Uberreste in das Schachtgrab M 94 des Friedhofs uberfuhrt.
Ehe und Familie Kalcher war seit dem 2. September 1939 mit Anna Schneider verheiratet (* 21. Mai 1912; † 19. Dezember 1997).
Archivische Uberlieferung Im Bundesarchiv Berlin wird eine Akte des Reichsjustizministeriums uber Kalcher verwahrt, die Unterlagen des Kreisgerichts Leoben zu in den Jahren 1928 bis 1935 wegen Diebstahl und Verbrechen gegen das Sprengstoffgesetz gegen ihn gefuhrten Strafprozessen enthalt (R 3001/132275).
Literatur Joachim Lilla, Martin Doring, Andreas Schulz: Statisten in Uniform. Die Mitglieder des Reichstags 1933–1945. Ein biographisches Handbuch. Unter Einbeziehung der volkischen und nationalsozialistischen Reichstagsabgeordneten ab Mai 1924. Droste, Dusseldorf 2004, ISBN 3-7700-5254-4.
Weblinks Max Kalcher in der Datenbank der Reichstagsabgeordneten
Einzelnachweise | 
	Maximilian „Max“ Anton Kalcher (* 22. Juli 1911 in Deuchendorf bei Kapfenberg; † 27. April 1982 in Modling) war ein osterreichischer politischer Aktivist. Er wurde bekannt aufgrund seiner Mitwirkung an nationalsozialistischen Bombenattentaten gegen die osterreichische Republik sowie als Reichstagsabgeordneter fur die (NSDAP). | 
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  "url": "https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Kalcher"
} | 
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	c-594 | 
	Der Oise-Aisne American Cemetery and Memorial ist ein US-amerikanischer Soldatenfriedhof im Norden Frankreichs, auf dem rund 6.000 US-amerikanische Soldaten begraben sind, die wahrend der Kampfe in dieser Gegend im Ersten Weltkrieg fielen. Rund 600 von ihnen konnten nicht identifiziert werden. Daneben gibt es ein Ehrenmal fur 241 vermisste US-amerikanische Soldaten.
Auf dem Gelande befindet sich zudem ein separater Friedhof fur 96 ehemalige Soldaten, die unehrenhaft entlassen und fur Verbrechen wahrend des Zweiten Weltkriegs hingerichtet wurden, die so genannte Parzelle „Plot E“. Er ist auf keiner Karte verzeichnet und nur mit Genehmigung zuganglich.
Das Gelande Der Soldatenfriedhof liegt in Seringes-et-Nesles im Departement Aisne, etwa 100 Kilometer nordostlich von Paris.
Das Gelande erstreckt sich uber 14,7 Hektar und ist der zweitgroßte der acht US-amerikanischen Soldatenfriedhofe des Ersten Weltkriegs außerhalb der USA. Er wurde am 2. August 1918 von der 42. US-Infanterie-Division als provisorischer Friedhof angelegt und 1921 vom Kongress als standiger Friedhof bestatigt. Die franzosische Regierung stellte das Gelande kostenlos fur die Nutzung als Soldatenfriedhof zur Verfugung. Die Denkmaler wurden von Cram and Ferguson Architects entworfen, der Landschaftsarchitekt war George Gibbs jr.
Der Friedhof ist in funf Parzellen unterteilt, die mit den Buchstaben A bis E bezeichnet sind. Er wird von der American Battle Monuments Commission verwaltet.
Friedhof und Gedenkstatte Die Mehrzahl der rund 6.000 Soldaten und Hilfskrafte, die auf den Parzellen A bis D beigesetzt wurden, ist 1918 wahrend der Zweiten Marneschlacht und der Oise-Aisne-Offensive (Teil der Hunderttageoffensive) gefallen. Auf dem Friedhof liegen auch US-amerikanische Soldaten, die auf provisorischen Friedhofen begraben waren und hierher uberfuhrt wurden, nachdem ihre Familien um eine Beisetzung in Ubersee gebeten hatten. 596 Graber sind fur unbekannte Soldaten.
An der Nordseite des Friedhofs befindet sich ein halbkreisformiges Denkmal aus Marmor und Granit im romanischen Stil. Neben dem Denkmal befindet sich eine kleine Kapelle, an deren Wanden die Namen von 241 amerikanischen Soldaten eingraviert sind, die in dieser Gegend vermisst wurden.
Plot E Sudlich des rechteckig angelegten Friedhofs befindet sich die Parzelle Plot E mit den sterblichen Uberresten unehrenhaft begrabener Toter, die von den US-Militarbehorden auch „Plot of Shame“ („Feld der Schande“) genannt wird.
Alle 96 amerikanischen Soldaten, die hier beigesetzt sind, wurden wahrend des Zweiten Weltkriegs von einem Militargericht der Vergewaltigung, des Mordes oder beider Verbrechen fur schuldig befunden, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Ihre Graber tragen nur Zahlen, keine Namen, und uber dem Feld darf keine amerikanische Flagge gehisst werden. Die Parzelle ist auf dem Plan des Friedhofs nicht verzeichnet und wird auf der Website des Friedhofs nicht erwahnt. Diese gesonderte Parzelle wurde 1948 eingerichtet und ist nur mit Genehmigung zuganglich.
Die Toten seien auf der Seite liegend begraben worden, damit sie den ehrenhaft Gefallenen auf der anderen Straßenseite den Rucken zukehren, so der britische Militarhistoriker Paul Johnson:
„Die Manner, die hier bestattet sind, sollen noch im Tod verachtet werden. Das setzt sich selbst unter der Erde fort.“
Ihre Namen und die Lage ihrer einzelnen Graber waren uber Jahrzehnte nicht bekannt, bis sie 2009 auf Antrag gemaß dem Freedom of Information Act eingesehen werden konnten.
Anhand der Listen der Graber, in denen auch Herkunft oder Rasse vermerkt waren, wurde ersichtlich, dass mehr als zwei Drittel der hingerichteten Soldaten schwarz (in den Unterlagen als „negro“ bezeichnet), indigener oder hispanischer Herkunft waren, wahrend etwa der Anteil an schwarzen Mannern in der Army lediglich zehn Prozent betrug; weiße Soldaten kamen in der Regel fur dieselben Delikte mit Haftstrafen davon. „Es ist offensichtlich, dass sich der in den US-Streitkraften vorherrschende Rassismus […] auf die Militarjustiz ubertrug“, so Johnson.
In einigen Fallen wurden Manner zum Tode verurteilt, denen zuvor schon große psychische Probleme oder mindere Intelligenz attestiert worden waren, wie etwa der (weiße) 22-jahrige William Harrison jr. Bei ihm wurden ein „psychopathischer Zustand“ und eine „unzureichende Personlichkeitsentwicklung“ diagnostiziert und nach einem Suizidversuch die Diagnose bestatigt; trotzdem blieb er im aktiven Dienst. 1944 vergewaltigte und ermordete er nach mehreren Tagen intensiven Trinkens eine Siebenjahrige.
Der Gefreite Eddie Slovik (1920–1945), der einzige US-amerikanische Soldat, der wahrend des Zweiten Weltkriegs wegen Desertion hingerichtet wurde, war bis 1987 ebenfalls auf dieser Parzelle bestattet.
Unter den Toten befindet sich auch Louis Till, dessen Sohn Emmett 1955 im Alter von 14 Jahren aus rassistischen Grunden ermordet wurde. Der Vater wurde Anfang der 1940er Jahre wegen hauslicher Gewalt zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und entschied sich anstelle des Gefangnisaufenthalts fur den Dienst in der US Army. 1945 wurde er in Italien wegen Mordes und Vergewaltigung zum Tode verurteilt und im Juli des Jahres durch Erhangen hingerichtet; ob er der Tat schuldig war, ist umstritten. Im Rahmen des Prozesses gegen die vermeintlichen Morder von Emmett Till wurden Informationen aus der (geheimen) Militarakte des Vaters von zwei US-Senatoren an die Presse weitergegeben, um das jugendliche Opfer charakterlich zu diskreditieren.
Literatur French L. MacLean: Fifth Field: The Story of the 96 American Soldiers Sentenced to Death and Executed in Europe and North Africa in World War II. Schiffer, 2013, ISBN 978-0-7643-4577-7. 
Paul Johnson: The Plot of Shame: US Military Executions in Europe During WWII. Frontline, 2023, ISBN 978-1-399-01177-8. 
John Edgar Wideman: Writing to Save a Life. Canongate Canons, 2018, ISBN 978-1-78689-372-7. 
Weblinks Offizielle Webseite
Broschure des Friedhofs (englisch, PDF; 8,9 MB)
Einzelnachweise | 
	Der Oise-Aisne American Cemetery and Memorial ist ein US-amerikanischer Soldatenfriedhof im Norden Frankreichs, auf dem rund 6.000 US-amerikanische Soldaten begraben sind, die wahrend der Kampfe in dieser Gegend im Ersten Weltkrieg fielen. Rund 600 von ihnen konnten nicht identifiziert werden. Daneben gibt es ein Ehrenmal fur 241 vermisste US-amerikanische Soldaten.
Auf dem Gelande befindet sich zudem ein separater Friedhof fur 96 ehemalige Soldaten, die unehrenhaft entlassen und fur Verbrechen wahrend des Zweiten Weltkriegs hingerichtet wurden, die so genannte Parzelle „Plot E“. Er ist auf keiner Karte verzeichnet und nur mit Genehmigung zuganglich. | 
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  "url": "https://de.wikipedia.org/wiki/Oise-Aisne_American_Cemetery_and_Memorial"
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	c-595 | 
	Die Honigernte auf Timor (tetum Ko’a bani) ist die traditionelle Gewinnung von Honig und Bienenwachs von wildlebenden Bienen auf der Insel Timor.  Sie findet zweimal im Jahr statt, das erste Mal, die „bani tinan“ (deutsch Bienen des Jahres), im Marz und das zweite Mal im Mai, „bani loro“ (deutsch Bienen der Trockenzeit). In der Zeit dazwischen mangelt es an ausreichend Bluten, die den Bienen Nahrung liefern konnen. Neben Honig (tetum bani-been oder wortlich „orangefarbenes Sußwasser“), der auf Markten und an der Straße verkauft wird, gewinnt man auch Wachs fur timoresische Kerzen (tetum lilin-timor). Den Sammler nennt man Ailale. Die Aufgabe ist nicht mit einem gesellschaftlichen Status, familiarer Zugehorigkeit oder anderen Vorbedingungen verbunden. Da der Sammler aber fast keine Schutzausrustung tragt, muss er Bienenstiche ertragen konnen. Ublicherweise sind es Manner, welche die Bienenwaben aus den Baumwipfeln holen, weil das Klettern auf Baume sich aus Sicht der landlichen Bevolkerung fur Frauen nicht geziemt. In den Gruppen, die Honig ernten, ubernehmen sie andere Aufgaben, wie zum Beispiel das Kochen der Mahlzeiten.
Bienen auf Timor Der auf Timor gesammelte Honig stammt oft von der Riesenhonigbiene (Apis dorsata), die etwa so groß wie eine europaische Hornisse ist. Sie baut keine geschlossenen Nester, sondern eine einzige Wabenwand mit einem Durchmesser von einem Meter oder mehr, meist weit oben unter dicken, meist waagrechten Asten in den hochsten Baumen, unter uberhangenden Felsklippen, aber auch an Gebauden. Auf Timor sind die Bienenbaume (idate: ai-benun) bis zu 80 Meter hoch. Da die Biene nur zweimal im Jahr Nester baut, sonst aber auf Wanderschaft geht, kann sie nicht in Bienenstocken gehalten werden.
In Erdhohlen, Felsspalten und umgesturzten Baumen baut die Ostliche Honigbiene (Apis cerana) ihr Nest. Bei der Honigernte entfallt hier die Gefahr von Sturzen aus großer Hohe. Außerdem gibt es Stachellose Bienen (Meliponini). Sie produzieren nur sehr kleine Mengen von Honig, der aber von hoher Qualitat ist.
Vorbereitungen Der Haha nain (ein Mensch, der Bitten an die Natur richtet) bestimmt den Zeitpunkt der Ernte. Am Vorabend wird die Ausrustung vorbereitet. Dazu gehoren ein etwa hundert Meter langes Seil (kalui) zum Herablassen der Bienenwaben aus den Baumkronen, ein Bambusbehalter (hilaru), das „tali toi“ (ein zwei Meter langes Seil als Kletterhilfe), das „wai hu'u“ (deutsch Tat des Chefs, ein Bundel aus kleinen Zweigen und darin eingewickelten Krautern, das verbrannt wird, um die Bienen zu vertreiben), ein Hut mit Netz zum Schutz des Gesichts, Tua Sabu und Tua Mutin (Palmschnaps und Palmwein) und weitere, leere Flaschen. Dazu kommen Betelnusse, Limetten, Sußkartoffeln, Maniok und Reis, die in einem Korb aus Palmblattern (Luhu) transportiert werden. Fur die Nacht wunscht man sich gute Traume. Sollte jemand einen Alptraum haben, wird die Honigernte auf einen anderen Tag verschoben.
Transportmittel fur die Ausrustung sind Timor-Ponys. Auf dem Weg zu den Bienenstocken werden Zweige mit Blattern am Ende des Weges zuruckgelassen. Bei den Idate in Funar nennt man diesen Brauch „lata ai-rok“. Zeigen die Zweige nach vorn, weist das die Nachfolgenden darauf hin, dass andere Menschen vor ihnen sind. Zeigen die Zweige in die entgegengesetzte Richtung, hat der Vorangehende aus irgendwelchen Grunden kehrtgemacht und ist zuruckgegangen. Wenn die Bienenstocke weiter vom Dorf entfernt sind, ubernachtet die Gruppe in einer Tetebele, einer Hutte, die nur zum kurzzeitigen Gebrauch gebaut wird. Hier ist man vor der Hitze geschutzt und die Frauen bereiten hier das Essen zu.
Ernte aus den Baumwipfeln Muss der Sammler fur die Ernte in einen hohen Baumwipfel klettern, wird vorab vom Haha nain ein Ritual abgehalten, das ein Ungluck verhindern soll und an dem die gesamte Gruppe teilnimmt. Auf dem Boden steht ein Stein in einem kleinen Holzkreis. Alle mussen schweigen, damit der Haha nain mit der Natur sprechen kann. Ein Luhu mit Betelnussen und Kalk wird neben den Stein gestellt. Der Haha nain zundet eine Kerze an und schuttet etwas Tua Mutin auf den Stein. Tua Sabu wird nicht verwendet, weil die spateren Bienenstiche dann so heiß brennen konnten wie der Schnaps. Es folgt ein Gebet, um den Schutz der Natur zu erbitten. Bei einigen Gruppen wird ein Schwein den Bienen rituell geopfert.
Dann klettert der Ailale barfuß mit dem Hut mit Netz, dem an einem Seil hangenden brennenden „wai hu'u“, einem Messer, dem Kalui und einer Hilaru den Baum hinauf. Ist der Durchmesser des Stamms so groß, dass der Ailale ihn nicht umfassen kann, nutzt er das „tali toi“ als Kletterhilfe. Auch kleine Leitern werden verwendet. An einem Bienenstock angekommen, schneidet der Ailale die Wabe ab, lasst aber ein Stuck als Zeichen des Respekts vor der Natur am Baum zuruck. Oft gibt es an einem Baum mehrere Stocke, die abgeerntet werden konnen.
Die anderen Mitglieder der Gruppe stehen unter dem Baum und singen abwechselnd das „Lied der Bienen“ (aheruk wani). Es soll den Ailale anfeuern, damit er alle Bienenstocke einsammelt. Alte Baume konnen bis zu 120 Bienenstocke in ihrer Krone haben. In Mambai lautet der Text „Fali mama o tatan mauleruk fali eh, fali mama o tatan buileruk fali eh“ und kann am ehesten so interpretiert werden, dass der Ailale wie ein Affe sein muss, um alle Bienenstocke in der Baumkrone zu erreichen. Gleichzeitig soll das Lied auch die Bienen beruhigen.
Wenn der Hilaru mit den Bienenwaben am Seil vom Baum herabgelassen wird, nehmen die Helfer ihn am Boden entgegen, leeren ihn und geben dann das Signal, dass er leer wieder hochgezogen werden kann. Der Vorgang wird so lange wiederholt, bis die Stocke im Baum abgeerntet sind. Am Ende singen der Ailale und seine Helfer ein gemeinsames Lied, um sich von den Bienen zu verabschieden. Helfer entfernen aus der Haut des Ailale die Bienenstacheln. Schwellungen werden mit Honig oder heißem Wasser behandelt, um die Blutzirkulation anzuregen und die Schmerzen zu lindern.
Verarbeitung Die gesammelten Waben werden geknetet, um den Honig herauszudrucken. Jeder Stock kann bis zu funf Liter Honig enthalten. Werden die Waben geschleudert, liefern sie manchmal nur zwei Liter. Die zerkleinerten Waben werden gekocht, um letzte Honigreste herauszulosen. Das flussige Wachs wird zunachst auf Blatter gegossen und trocknen gelassen. Dann werden die Wachsbrocken wieder im Topf erhitzt und das flussige Wachs (hiruk-wer) wird in mit einem Docht vorbereitete Bambusgefaße gefullt. Die Gefaße haben einen Durchmesser von etwa 20 Zentimeter. Nach dem Erkalten entstehen so die sogenannten timoresischen Kerzen. Bienenlarven, die in den gesammelten Waben sind, werden mit den mitgebrachten Lebensmitteln gekocht und gegessen.
Die Ablaufe sind im Marz und im Mai jeweils die gleichen, aber die Produkte unterscheiden sich in Farbe und Geschmack. Der Honig des „Bani tinan“ ist dunkler und weniger suß, der hellere „Bani loro“ hat ein besonderes Aroma. 2024 verlangten die Produzenten vor Ort fur eine 5-Liter-Flasche ihres Honigs 20 US-Dollar. Kauft man eine Flasche in der Hauptstadt Dili, ist der Preis hoher.
In Lookeu, einer Region im sudlichen Zentraltimor, die beiderseits der Grenze zwischen Indonesien und Osttimor liegt, werden die Baume „gereinigt“, nachdem die Bienen sie auf ihrer Wanderung verlassen haben. Die alten Waben werden entfernt und die Aste geglattet, um die Ruckkehr der Bienen zu sichern und gegebenenfalls neue Volker anzulocken.
Lokale Traditionen Am Berg Mutis besingt man die Bienen als die „schonen Waldprinzessinnen“ und bittet sie um Erlaubnis, den Honig ernten zu durfen. Die Honiggewinnung am Mutis ist wahrend der Blute des Eucalyptus alba der Dorfgemeinschaft von Olin-Fobia vorbehalten. Wenn der Eucalyptus urophylla bluht, durfen nach Gewohnheitsrecht die anderen Dorfer der Umgebung Honig ernten.
Im Mai 2018 zeigte der Dokumentarfilm Wild Honey die Honigernte in Lookeu, die hier zu einer großen religiosen Zeremonie wird, die nachts stattfindet. Erntezeiten sind in dieser Region April/Mai („suße Ernte“ vom Eucalyptus alba) und Oktober („bittere Ernte“ von der Dak-Blume). Die Baumkletterer werden Fleckenmusangs (Laku) genannt. Sie umwerben die Bienenkoniginnen und singen bei der Arbeit Liebeslieder. Die Lieder sollen die Dankbarkeit gegenuber den Bienen bezeugen, sie zu ihren halbjahrlichen Besuchen anlocken und die Bienen anflehen, dass sie von ihrem sußen Produkt abgeben. Dem Glauben nach wurden die Bienen nicht zuruckkehren, wenn die Rituale nicht korrekt durchgefuhrt werden. Bis zu sieben „Laku“ ernten bis zu hundert Nester, die ein einzelner Baum beherbergen kann. In fruheren Zeiten war die Zahl der Teilnehmer großer und die Ernte aus einer Reihe von Baumen mit mehreren hundert Nestern fand in mehreren Nachten nacheinander statt. Die herabgelassenen Waben werden von den anderen Dorfbewohnern eingesammelt und zu einem Altar im Wald gebracht. Die Dorfgemeinschaft singt und betet zusammen. Am Ende werden die Waben unter den Dorfbewohnern aufgeteilt. Den Bienen werden kleine Gegenstande wie Korallenketten (Mutissala), metallene Brustplatten (Belak) und ein Schwein als Tribut geopfert.
Es ist nicht nur eine Honigernte, sondern auch eine religiose Zeremonie, bei der Kontakt mit den Ahnen und einer hoheren Macht aufgenommen wird. Die Bienenkoniginnen heißen Buik Lorok und Dahu Lorok. Buik und Dahu sind ubliche Madchennamen, „Lorok“ bezieht sich auf die Sonne und somit auf Gott (Nai Maromak). Die Bienenkoniginnen sind nach dem Glauben Frauen, die sich in Bienen verwandelt haben. Sie seien himmlischen Ursprungs und Manifestationen von Nai Maromak.
Wirtschaftliche Bedeutung In Osttimor wird Honig ausschließlich durch das Ausbeuten von Nestern wilder Bienen gewonnen, in Indonesien zu 80 %.
In der Geschichte Timors zahlten Honig und Wachs uber Jahrhunderte zu den wichtigsten Exportgutern. Malaiische, chinesische und arabische Handler kauften auf Timor beides neben Sandelholz und Sklaven. Wachs brauchte man nicht nur zur Herstellung von Kerzen, auch bei der Batikfarberei auf Java wird es verwendet. Noch bevor es einen gesicherten Bericht von der Landung der Portugiesen auf Timor gab, erwahnte Rui de Brito Patalim 1514 in einem Brief an Konig Manuel I. namentlich die Insel, auf der es unter anderem Honig und Wachs gebe. Das Vorkommen der Handelsware Honig als Ressource war ein Faktor, der zum Reichtum und Wachstum der lokalen Bevolkerung beitrug. Der Export hielt bis ins 19. Jahrhundert hinein an. 2022 exportierte Osttimor nach Indonesien Honig im Wert von 29.300 US-Dollar und importierte Honig im Wert von 41.200 US-Dollar aus verschiedenen Landern. Am Mutis in Westtimor werden jahrlich 30 Tonnen Wildbienenhonig produziert, 25 % der Gesamtproduktion der indonesischen Provinz Nusa Tenggara Timur. Als „Mt. Mutis honey“ wird er auf Java, Sulawesi und Bali verkauft. Auf diese Weise soll eine lukrative Nutzung des Waldes jenseits der Holzgewinnung gefordert werden.
Die Idee, Honig wieder als Exportgut zu etablieren, existiert auch in Osttimor, wo das Staatssekretariat fur Kooperativen (SECOOP) Kurse zur Produktivitatsverbesserung bei der Honigernte anbietet. Doch die Tradition des Honigsammelns von wilden Bienenvolkern verschwindet zunehmend. Die nur saisonalen finanziellen Ertrage sind zu gering, um diese schwierige Arbeit interessant zu machen. Den jungen Leuten fehle oft der Mut und das Wissen, heißt es. Sie hatten Angst vor Bienenstichen und wussten nicht mehr, wie man auf Baume klettert. Die timoresischen Kerzen werden kaum noch gekauft, man benutzt meist aus Indonesien importierte Kerzen und die Elektrifizierung erreicht immer mehr Familien im Land. Es gibt Vorschlage, wie in den Nachbarlandern die Ostliche Honigbiene zu zuchten, statt nur die Nester von Wildbienen auszubeuten. Neben den Wildpflanzen konnten die Bluten der Kaffeepflanze als Honiglieferant dienen. Kaffee ist eines der wichtigsten landwirtschaftlichen Produkte Osttimors. Imkerei gibt es auf Timor bisher nicht. Bei fruheren Versuchen, die Imkerei einzufuhren, wandte man falschlicherweise Wissen uber die Westliche Honigbiene (Apis mellifera) an, ohne auf die Bedurfnisse der einheimischen Bienenarten zu achten, was zu Misserfolgen und Skepsis der Bevolkerung gegenuber der Idee der Imkerei fuhrte.
Literatur Balthasar Kehi, Lisa Palmer, Tamsin Wagner: Wild Honey: Caring for Bees in a Divided Land, Januar 2022, Environment, Media, and Popular Culture in Southeast Asia (S. 31-45), doi:10.1007/978-981-19-1130-9_2.
Weblinks Video: The Honey Harvesters: Tradition and landscape management in West Timor (2016).
Video: Wild Honey: Caring for Bees in a Divided Land (2019)
Einzelnachweise | 
	Die Honigernte auf Timor (tetum Ko’a bani) ist die traditionelle Gewinnung von Honig und Bienenwachs von wildlebenden Bienen auf der Insel Timor.  Sie findet zweimal im Jahr statt, das erste Mal, die „bani tinan“ (deutsch Bienen des Jahres), im Marz und das zweite Mal im Mai, „bani loro“ (deutsch Bienen der Trockenzeit). In der Zeit dazwischen mangelt es an ausreichend Bluten, die den Bienen Nahrung liefern konnen. Neben Honig (tetum bani-been oder wortlich „orangefarbenes Sußwasser“), der auf Markten und an der Straße verkauft wird, gewinnt man auch Wachs fur timoresische Kerzen (tetum lilin-timor). Den Sammler nennt man Ailale. Die Aufgabe ist nicht mit einem gesellschaftlichen Status, familiarer Zugehorigkeit oder anderen Vorbedingungen verbunden. Da der Sammler aber fast keine Schutzausrustung tragt, muss er Bienenstiche ertragen konnen. Ublicherweise sind es Manner, welche die Bienenwaben aus den Baumwipfeln holen, weil das Klettern auf Baume sich aus Sicht der landlichen Bevolkerung fur Frauen nicht geziemt. In den Gruppen, die Honig ernten, ubernehmen sie andere Aufgaben, wie zum Beispiel das Kochen der Mahlzeiten. | 
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  "url": "https://de.wikipedia.org/wiki/Honigernte_auf_Timor"
} | 
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	c-596 | 
	Die Brenta ist eine Gebirgsgruppe der Sudlichen Kalkalpen im Trentino im Norden Italiens. Das teilweise vergletscherte Gebirge erreicht seinen hochsten Punkt in der Cima Brenta mit 3152 m s.l.m. und gehort zu den hochalpinen Bereichen mit sieben weiteren Gipfeln uber 3000 m s.l.m. und zahlreichen anderen Erhebungen uber 2800 m s.l.m. Zusammen mit den westlich angrenzenden Adamello-Presanella-Alpen sind Teile der Brenta seit 1967 ein Naturpark und bilden das großte Naturschutzgebiet im Trentino, das zu den UNESCO Global Geoparks gehort. Der Großteil des Gebirges wurde 2009 in das UNESCO-Welterbe Dolomiten aufgenommen.
Es besteht vorwiegend aus mesozoischen Kalken und Dolomiten der Trias und ist stark verkarstet. Das Gebiet entwassert großtenteils unterirdisch und ist von mehreren Hohlen durchzogen. Das weitgehend naturnahe Gebirge mit seiner stark gegliederten Hohen bietet Lebensraume fur viele Tier- und Pflanzenarten und steht großtenteils unter Naturschutz. Bemerkenswert ist eine Population von Braunbaren (Ursus arctos). Teile der Brenta gehoren zum UNESCO-Biospharenreservat Ledroalpen und Judikarien.
Die Brenta ist eine wild zerkluftete Gebirgsgruppe. Viele Gebiete sind recht einsam und zivilisationsfern und ermoglichen daher ein besonderes Naturerlebnis. Daher ist sie eine beliebte Region fur Kletterer, Wanderer, Mountainbiker und andere Naturliebhaber.  Am Rande der Brenta gibt es auch mehrere Schigebiete.
Geographie = Lage und Abgrenzung =
Die Brenta liegt im Trentino in Norditalien, westlich von Trient und rund 20 Kilometer nordlich des Gardasees. Westlich der Brenta liegt die Adamellogruppe.
Die Sudgrenze beginnt bei Trient und verlauft mehr oder weniger direkt bis zum Sudufer des Lago di Santa Massenza. Von dort folgt die Grenze dem Nordufer des Lago di Toblino und dessen Abflusskanal Rimone bis zum Auslauf am Lago di Cavedine. Die Sarca bildet nun durchgehend die Grenze bis nach Tione di Trento. Im Westen bildet ebenfalls die Sarca die Grenze flussaufwarts bis nach Madonna di Campiglio. Uber den Passo Campo Carlo Magno verlauft die Grenze entlang des Torrente Meledrio bis zur Einmundung in den Noce bei Dimaro. Die nordliche Grenze bildet der Noce bis dessen Einmundung in die Etsch bei Mezzocorona. Von dort folgt der Grenzverlauf der Etsch bis nach Trient.
Die Beschreibung der Brenta folgt der Alpenvereinsteilung der Ostalpen (AVE), hier hat die Brenta die Nummer 51. Sie entspricht der Einteilung nach SOIUSA, in dem sie im Unterabschit 28.IV beschrieben wird.
= Beschreibung =
Fur die Gruppe ist auch der Name Brentner Dolomiten (Dolomiti di Brenta) verbreitet, weil sie zu den Dolomiten gerechnet werden, obwohl sie etwas abseits der anderen Dolomitenregionen liegt. Die Brenta gehort zusammen mit der Adamellogruppe zum Naturpark Adamello-Brenta, die Brenta zudem zum UNESCO-Welterbe Dolomiten.
In der Gruppe gibt es 8 Gipfel uber 3000 m s.l.m. und zahlreiche uber 2800 m s.l.m., die Brenta gehort damit zu den hochalpinen Bereichen. Seit dem Abschmelzen der Eiskuppe der ehemals 3173 m s.l.m. hohen Cima Tosa (heute 3136 m s.l.m.) ist der hochste Gipfel die Cima Brenta (3151,7 m s.l.m.). Ein weiterer markanter Felsturm ist der freistehende Campanile Basso (2883 m s.l.m., auch: Guglia di Brenta). In den hochgelegenen schattigen Karen der Nord-Seite vieler Brenta-Gipfel gab es einige kleinere Gletscher, diese sind in den letzten Jahrzehnten deutlich zuruckgegangen. Laut der letzten vom italienischen glaziologischen Komitee veroffentlichten Erhebung gab es 2015 in der Brenta noch 20 Gletscher. Die Gesamtflache der Gletscher ist seit 1989 von ursprunglich 3,23 km² um 73 % zuruckgegangen. Die Brenta war damit die Gebirgsgruppe im Trentino mit dem großten Gletscherschwund. Weit unterhalb der Kare lassen sich deutliche Moranenwalle ausmachen sowie vom Gletscher glatt geschliffener Fels daruber. Wahrend der letzten Kaltzeit war der Gebirgsstock der Brenta großflachig von Eis bedeckt, nur die hochsten Gipfel ragten aus dem Eis. Spuren davon lassen sich bis weit uber 2000 Hohenmeter durch ortsfremde Gesteine nachweisen. Die gewaltigen Gletscher haben in Fließrichtung große, breite Taler geschaffen und einzelne Berge abgeschliffen, ein schones Beispiel ist die schiffsbugartige Form des Turrion Basso.
= Gliederung und Gipfel =
Die Brenta kann grob in einen nordlichen, zentralen und sudlichen Bereich gegliedert werden. Der nordliche Bereich erstreckt sich vom Monte Peller bis zum Passo del Groste (2422 m s.l.m.). Daran schließt der zentrale Bereich und ab der Bocca di Brenta der abschließende sudliche Bereich an. Der Club Alpino Italiano untergliedert diese Bereiche noch in insgesamt 13 Untergruppen, Gebirgszuge und Massive. Die wesentlichen Gipfel der Brenta sind von Norden nach Suden:
Pietra Grande, 2936 m
Turrion Basso, 2385 m
Cima del Groste, 2898 m
Cima Falkner, 2988 m
Cima Sella, 2917 m
Cima Brenta, 3152 m
Cima degli Armi, 2951 m
Torre di Brenta, 3014 m
Campanile Alto, 2937 m
Campanile Basso (Guglia di Brenta), 2883 m
Cima Brenta Alta, 2960 m
Cima Brenta Bassa, 2809 m
Cima Margherita, 2845 m
Crozzon di Brenta, 3135 m
Cima Tosa, 3136 m
Crozzon di Val d’Agola, 2673 m
Cima d’Ambiez, 3102 m
Die bedeutendsten Taler innerhalb der Brenta sind das im Westen liegende Val Brenta, das 12 km lange Val d'Ambiez an der Sudseite, das enge Val delle Seghe im Osten sowie das Val di Tovel zwischen Nordkette und Campagruppe.
= Hydrologie =
Die umgebenden Taler werden maßgeblich durch die Flusse geformt, so fließt die Sarca ab Pinzolo in sudlicher Richtung bis nach Tione und bildet damit die Grenze zwischen der Adamello- und Brentagruppe. Ab Tione fließt die Sarca ostlich nach Stenico und macht dann einen Knick nach Suden. Es gibt auch einen Fluss namens Brenta, dieser entspringt aber nicht im Gebirgszug Brenta, sondern sudostlich von Trient.
Da die Brenta stark vom Karst gepragt ist, versickert Wasser schnell, sodass oberirdische Gewasser selten sind und meist nicht das ganze Jahr Wasser fuhren. Einige Bache gibt es aber, wie die Tresenica, die den Tovelsee durchfließt und in die Noce mundet. Im Suden der Brenta ist es der Bondai, der den Molvenosee durchfließt.
In der Brenta gibt es einige Seen, die von Bedeutung sind. Im Norden im Val di Tovel liegt der Tovelsee, der bekannt wurde, weil er in warmen Sommermonaten bis 1964 durch Algen eine intensive dunkle Rotfarbung annahm. Im Suden der Gebirgsgruppe liegt der 3,3 km2 große Molvenosee, der vermutlich durch einen Erdrutsch entstanden ist. Es gibt auch einige Wasserfalle, wie der Wasserfall des Rio Bianco in Stenico und eine kleine Hohle im Nonstal, die Bus de la Spia in der Nahe von Sporminore. Im Dezember 2024 wurde festgestellt, dass die Hohle Abisso del Laresot (Kat. Nr. 1827) tiefer ist als erwartet, namlich bis zu 1140 m.
= Klima =
Das Klima in der Brenta ist abhangig von der jeweiligen Hohenlage, die Talsohlen weisen hohe Sommertemperaturen auf. Die mittleren Hohenlagen (zwischen 800 m und 1200 m) zeichnen sich durch einen eher frischen, trockenen Sommer und einen strengen Winter aus. In der Zeit von Juni bis September sind Tagestemperaturen von 20 bis 24 Grad ublich, die Tiefsttemperaturen konnen aber bis 9 Grad sinken. Die Winter sind rau mit Minustemperaturen. In dieser Hohenlage befinden sich die meisten Touristenorte. Das Wetter im Hochgebirge (uber 1200 m) kann auch im Sommer sehr rau sein, plotzliche Wetterumschwunge sind haufig. Da die Brenta-Gipfel eine offene Front zum Gardasee und zum Meer haben, konnen die wasserdampfgesattigten Luftmassen in kurzer Zeit bis in die Gletscherregionen aufsteigen. Die Folge ist eine sehr rasche Abkuhlung mit heftigen gewittrigen Entladungen. Damit kann auf brutende Hitze Eisregen mit großer Kalte folgen. Dies ist auch der Grund, warum der Großteil der Niederschlage im Sommer fallt.
Beispielhaft ist hier das Klima fur Andalo vorgestellt, das auf 1040 m s.l.m. auf einem Sattel liegt.
Geologie Das formgebende Gestein im Zentralbereich der Brenta (Dreitausender) ist der außerst harte Dolomia principale (die sudalpine Aquivalente des Hauptdolomits, Trias: Karnium–Norium), der in diesem Gebirge in einer Machtigkeit bis etwa 1000 Metern ansteht. Bei der Alpidischen Gebirgsbildung wurde dieses Sedimentgestein nicht wie beim Kalkstein oder Schiefer aufgewolbt, sondern gebrochen, was dem Gebiet den schroffen Charakter mit seinen senkrechten Turmen und massiven Felswanden verlieh. Die Brenta zeichnet sich daher durch besonders kuhne und einzigartige Formen aus. Der Dolomia Principale weist etwa 40 bis 50 Meter dicke Lagen aus verschiedenem Dolomitgestein auf, die durch unterschiedliche Verwitterung die waagerechten oder leicht schragen markanten Bander bilden. Diese Bander machten durch ihre Begehbarkeit die touristische Erschließung der Brenta im 19. Jahrhundert erst moglich. Die Berge der Brentagruppe liegen auf einem Gesteinskern aus der Mitteltrias, der Dolomia principale bildet einige der Gipfel wie die Cima Brenta oder die Cima Tosa. Dieser entstand aus Ablagerungen der oberen Trias, als die gesamte Dolomitenregion ein riesiges subtropisches Watt war, das immer wieder vom Meer uberflutet wurde.
In den randlichen, flachenmaßig jedoch uberwiegenden Bereichen der Brenta taucht der Dolomia principale unter jungere Sedimente ab: es folgen in Wechsellagerung Kalkstein, Mergel und Dolomit des Rhaetiums (oberste Trias), weiters weiße und rote Kalksteine des Jura und der Kreide, stellenweise bis ins tiefere Palaogen (vormals Alttertiar). Es handelt sich im Detail um die Gipfelgruppen (im Uhrzeigersinn)
nordlich und ostlich des Passo della Gaiarda (Cima Santa Maria, Turrion Basso),
sudostlich des Passo del Clamer (Cima dei Lasteri, Piz Galin, Croz dell’Altissimo),
nordostlich und sudostlich der Forcolotta di Noghera (Monte Daino, Cima di Ghez),
sudwestlich der Bocca d’Agola (Cima d’Agola, Cima di Vallon),
nordwestlich der Bocca dei Camosci (Cima di Val Stretta, Cima Fracinglo) und
westlich und nordlich des Passo del Groste (Monte Spinale, Pietra Grande, Cima Sassara, Sasso Rosso, Monte Peller).
Die geologische Geschichte dieser Gebirgsgruppe ist komplex. Ausgezeichnet erhalten sind in der Brenta die norisch-liassischen Ablagerungen vor 228 bis 170 Millionen Jahren. Diese bilden den Ubergang zwischen der so genannten Trentiner Plattform und dem Lombardischen Becken. Samtliche Phasen der tektonischen Entwicklung mit Verschiebungen und Bruchen der Erdkruste und die parallel dazu verlaufende Gesteinsbildung jener Zeitperiode sind hier zu sehen. Im Gebiet der Brenta finden sich drei unterschiedliche Typen von Landschaftsentwicklung: Landschaftsformen, die auf tektonische Anlagen zuruckgehen wie Boschungen und Bruchlinien, Turme und Zinnen langs von Spalten. Zweitens gibt es hochentwickelte oberirdische (Karrenfelder, Dolinen, Quellen) und drittens unterirdische Karstformen (Grotten und Schlupflocher).
Insgesamt ist die Hydrologie der Brenta stark von der Karstlandschaft gepragt, diese bedingt einen schnellen Wasserdurchfluss, eine geringe Speicherung von Oberflachenwasser und eine komplexe unterirdische Entwasserung. Die Sedimentgesteine der Brenta sind eher trocken, da im Karst das Wasser schnell versickert und erst in den Talern wieder zum Vorschein kommt. In den umgebenden Talern treten Karstquellen auf, die eine starke Wasserschuttung haben. So liegen z. B. beiderseits der Mundung des Val Laone bei Stenico die Sorgenti Bianchi und Sorgenti Mateo.
Pflanzen- und Tierwelt Die landschaftliche Struktur lasst sich in folgende wesentliche Landschaftstypen von unten noch oben einteilen:
breite, leicht gewellte Sockel unterschiedlichsten geologischen Aufbaus, die den Fuß des Hochgebirges bilden
machtige Schutthalden, die den Fuß der Kalk- und Dolomitwande umgeben
weitlaufige Hochflachen, die die Felswande unterbrechen und haufig vom Karst gepragt sind
hohe, steil aufragende Felswande in vielfaltigen Formen
Diese Landschaftstypen und die unterschiedlichen Hohenlagen bestimmen die Pflanzen- und Tierwelt. Diese Struktur ist dynamisch und hangt von naturlichen Faktoren wie Klima, Bodenbeschaffenheit oder Morphologie ab, aber auch von menschlichen Einflussen wie forstliche Nutzung, Mahd oder die Nutzung von Wasserquellen. Klimaschwankungen zeigen sich auch im Ruckgang der Gletscher, gleichzeitig haben die Torfschichten in den Auenmooren zugenommen. In der Pian della Nana, einer auf 2000 m liegenden Hochebene, sudlich des Monte Peller, gibt es vier Lehrpfade, die die Pflanzen- und Tierwelt detailreich erklaren.
= Pflanzenwelt =
Aufgrund der großen Hohenunterschiede von der Tallage bis in die Gipfelregionen bildet sich in jeder Hohenstufe eine entsprechende Vegetation. Die submediterrane Laubwaldstufe mit der Europaischen Hopfenbuche (Ostrya carpinifolia) als Leitart saumt den Fuß des Hochgebirges an der Sarca-Etschtal-Linie, reicht aber auch im Norden, dem Tal des Noce folgend, bis etwa Mezzana. Nach oben hin schließt randalpiner Tannen-Buchenwald an. Dieser bildet im Sudteil der Brenta-Gruppe einen breiten, zumindest im Unterwuchs ebenfalls noch sudlich beeinflussten Waldgurtel bis etwa 1500 m s.l.m., wahrend er im Nordteil rasch abnimmt und durch die zwischenalpine Tannen-Fichten-Stufe ersetzt wird. Gemeine Fichte (Picea abies) und Europaische Larche (Larix decidua) bilden die Waldgrenze, die zwischen 1900 m s.l.m. und 2000 m s.l.m. im Suden und 2100 m s.l.m. und 2200 m s.l.m. im Norden verlauft. Oberhalb der Waldgrenze bildet die Latschenkiefer (Pinus mugo subsp. mugo) den fur ostalpine Kalkgebirge typischen Krummholzgurtel, der mit steigender Hohe zunehmend lichter wird und von Zwergstrauchheiden und alpinen Rasen durchzogen ist. Je nach Gelandeform lost sich die Rasendecke zwischen 2000 m s.l.m. und 2500 m s.l.m. in Einzelflecken auf und die Vegetation besteht aus Polsterpflanzen, Schuttkriechern und Felsspaltenbewohnern.
Es gibt schone Bestande des Gelben Frauenschuhs (Cypripedium calceolus), der in Krummholzfeldern, aber auch am Rande von Gerollhalden und Hangrutschungen vorkommt.
Durch ihre Lage vermittelt die Brenta zwischen Arten mit nord-/zentralalpinem und sudalpinem Verbreitungsschwerpunkt. Neben der typischen Gefaßpflanzenflora eines ostalpinen Kalkgebirges sind somit einige floristische Besonderheiten anzutreffen. Schweizer Mannsschild (Androsace helvetica) und Ahrige Edelraute (Artemisia genipi) sind etwa Elemente mit nordlichem Verbreitungsschwerpunkt. Von den vielen Arten mit sudalpinem Verbreitungsschwerpunkt sind folgende Reliktendemiten der Sudalpen erwahnenswert:
Schopfteufelskralle (Physoplexis comosa)
Blaues Manderle  (Paederota bonarota)
Pracht-Primel (Primula spectabilis)
Scheuchzer-Teufelskralle (Phyteuma scheuchzeri)
Gaudins Laserkraut (Laserpitium krapfii subsp. gaudinii)
Glanzendes Laserkraut (Laserpitium nitidum)
Der Brenta-Enzian (Gentiana brentae) ist ein lokaler Endemit, der nur im zentralen Bereich der Brenta-Gruppe wachst. Die Art wurde 2008 neu beschrieben, nachdem sie uber 100 Jahre der  Hochlagensippe des Bayerischen Enzians (Gentiana bavarica subsp. subacaulis) zugeordnet wurde.
Ebenfalls endemisch ist die Orchidee Buschmanns Kohlroschen (Nigritella buschmanniae), das nur von wenigen Stellen im Norden der Brenta-Gruppe bekannt ist.
In tieferen Lagen vor allem in den sudlichen Talern und an den Ufern des Lago di Toblino werden mediterrane Pflanzenarten wie Oliven, Edelkastanien und Zypressen kultiviert.
= Tierwelt =
Es finden sich in der Brenta bekannte Tiere wie Gamsen, Hirsche, Rehe, Murmeltiere, Dachse, Fuchse, Marder, Wiesel, Hermelin, Schneehasen und viele mehr. Unter den Saugetieren besonders hervorzuheben ist eine Kolonie von Steinbocken, die das Ergebnis eines Wiederansiedlungsprojektes sind. Eine Population von Wildschafen wurde in den 1970ern von Jagern eingefuhrt. Neben dem Habicht, dem Auerhuhn und dem Steinadler gibt es auch Bestande an Turmfalken. Bartgeier sind nur gelegentlich anwesend, da diese große Reviere haben. Von besonderem okologischen Interesse sind neben den vorgenannten tagaktiven Greifvogeln auch Eulen wie der Waldkauz, die Waldohreule, der Raufußkauz und der Sperlingskauz.
Die Reptilien und Amphibien sind durch Alpen- und Feuersalamander, Alpenmolch, Erdkrote, Grasfrosch, Smaragdeidechse und Blindschleiche vertreten. Es kommen auch einige ungiftige Schlangenarten vor, wie Karbonarnatter, Glattnatter, Wurfelnatter, Askulapnatter und Ringelnatter. Von den giftigen Schlangen gibt es Aspisviper und Kreuzotter. In den Seen und Wasserlaufen sind typische Kaltwasserfische wie der Alpensaibling, die Marmorataforelle und die Bachforelle heimisch.
Eine Besonderheit ist, dass es in der Brenta immer Braunbaren gab, sie waren niemals zur Ganze abgewandert oder abgeschossen worden. Trotzdem war der Bestand sehr klein. Um das drohende Aussterben der Art zu verhindern, wurde 1996 das Projekt „Life Ursus“ ins Leben gerufen, bei dem zwischen 1999 und 2002 zehn Braunbaren ausgewildert wurden. Diese haben sich gut angepasst und vermehrt, sodass Stand 2024 wieder rund 100 Baren in den Zentralalpen leben. Der in Bayern abgeschossene Bar „Bruno“ war aus der Brenta abgewandert und war nach einigen Aufenthalt in Osterreich bis Bayern gekommen.
Es werden auch Haflinger gezuchtet.
Naturschutz siehe auch: Naturpark Adamello-Brenta
Der Großteil der Brenta ist zusammen mit Teilen der Adamello- und Presanella-Gruppe als Naturpark ausgewiesen. Die anerkannten Hauptschutzelemente sind das Genova-Tal, die Brenta-Gruppe, der Tovel-See und die wild lebenden Braunbaren. Das Wasser des Tovel-Sees farbte sich im Sommer rot, diese Naturerscheinung ist aber seit 1964 zuruckgegangen, vermutlich aufgrund von Umweltverschmutzung.
Der Park wurde 1967 eingerichtet und 1987 und 2003 erweitert; er umfasst nun 620 km² und erstreckt sich von 477 m s.l.m. bis zu 3558 m s.l.m. Er reprasentiert eine einzigartige geologische Vielfalt und eine artenreiche Flora und Fauna. Der Naturpark wurde auch als UNESCO-Geopark anerkannt. Die Nutzung des Naturparks ist nur unter Auflagen moglich. Die Naturparkverwaltung unterhalt mehrere Besucherzentren in den umliegenden Orten, die uber Flora, Fauna und uber das allgemeine Verhalten im Park aufklaren.
Die Dolomiten wurden 2009 in das UNESCO-Welterbe aufgenommen, die Brenta ist als Gebiet Nr. 9 Teil davon, obwohl es von den anderen Dolomitengebirgen relativ weit entfernt liegt. Das Welterbe Dolomiten ist in Kern- und Pufferzonen unterteilt, die Kernzone umfasst die Brenta ohne Paganella, die Pufferzone bindet die umgebenden Taler ein. Die Kernzonen umfassen das eigentliche Welterbe, die sie umgebenden Pufferzonen sollen dazu beitragen, die Unversehrtheit zu bewahren.
Die Brenta ist Teil des Schutzgebiets Dolomiti di Brenta (IT3120177) gemaß der FFH-Richtlinie als Teil des Netzwerks Natura 2000. Das Schutzgebiet ist 311,32 km² groß und umfasst den Großsteil der Gebirgsgruppe. Die Schutzguter, die zur Ausweisung dieses Gebietes als Natura-2000-Gebiet gefuhrt haben, sind 35 Lebensraumtypen sowie 9 Tierarten.
Verkehr und Wirtschaft Die Brenta wird am ostlichen Rand erschlossen von der Staatsstraße SS 239 di Campiglio, die im Wesentlichen dem Val Rendena folgt. Im Nordwesten bindet die SS 43 della Val di Non die Brenta an Trient an, wahrend im Suden die SS 45 bis Gardesana Occidentale und die SS 237 del Caffaro die Brenta begrenzen. Die einzige Straße, die direkt durch die Brenta fuhrt, ist die Staatsstraße SS 421 dei Laghi di Molveno e Tenno, die den Lago di Molveno umrandet. Um den Verkehr im Naturpark zu begrenzen, wurde 2003 ein Shuttleverkehr eingefuhrt, der schrittweise ausgebaut wurde.
Ursprunglich wurde die Brenta nur land- und forstwirtschaftlich genutzt, davon zeigen heute noch zahlreiche intakte und aufgelassene Almen. Inzwischen ist der dominierende Wirtschaftszweig der Tourismus; die Brenta wird jedes Jahr von etwa 5 Millionen Touristen besucht. Im Sommer sind Wandern, Trekking, Klettern und die Bewaltigung von Mountainbike-Touren die Hauptaktivitaten in der Brenta. Zahlreiche Schutzhutten und Gaststatten haben sich auf diese Besucher spezialisiert.
Der Wintertourismus ist eher an den Randern der Brenta angesiedelt, bedeutende Schigebiete sind im Westen Madonna di Campiglio und Pinzolo im Val Rendena. Das Schigebiet Folgarida–Marilleva im Val di Sole liegt im Nordwesten schon etwas außerhalb.
Geschichte = Besteigungsgeschichte =
Die Gipfel der Brenta wurden erst relativ spat von den zeitgenossischen Alpinisten entdeckt. Die Cima Tosa war der erste Gipfel der Brenta, der bestiegen wurde. Dies gelang Giuseppe Loss am 20. Juli 1865 mit weiteren sechs Seilgefahrten. Francis Fox Tuckett, ein britischer Bergsteiger bestieg 1872 zusammen mit den Bergfuhrern Christian Lauener und Santo Siorpaes die Cima Brenta. 1877 gelang einer Seilschaft des Alpine Club Gaskell mit dem Fuhrer Arturo Lacedelli die Besteigung der Cima del Vallon (2968 m). Dies war die dritte Erstbesteigung in der Gruppe.
In den 1880er Jahren war es dann der aus der Schweiz stammende Wahlromer Alberto de Falkner, dem teilweise in Begleitung des Malers Edward Theodore Compton eine Reihe von Erstbesteigungen in der Gruppe gelangen. Unter anderem bestieg er 1882 die nach ihm benannte Cima Falkner. Abenteuerlich gestaltete sich die Erstbesteigung des dritthochsten Gipfels der Gruppe, des Crozzon di Brenta. Nachdem 1882 innerhalb weniger Tage die zwei Seilschaften Oskar Baumann und Matteo Nicolussi und De Falkner, Compton und der Fuhrer Antonio Dallagiacoma den ersten, aber niedrigeren Gipfel des Crozzon erreichten, gelang die Erstbesteigung 1884 erst im zweiten Anlauf dem Leipziger Professor Karl Schulz in Begleitung des Bergfuhrers Matteo Nicolussi.
Den Innsbrucker Studenten Otto Ampferer und Karl Berger gelang die Erstbesteigung des Campanile Basso oder Guglia di Brenta. In dieser Zeit tauchen mit Rose Friedmann und Vineta Mayer zwei Alpinistinnen in der Brenta auf.  Vineta Mayer war die erste Frau, die am 11. August 1903 den Campanile Basso bestieg.
Nachdem die meisten Gipfel bestiegen waren, kamen die großen Wande in den Fokus der Kletterer. So legten Rudolf Fehrmann und Gefahrten 1908 eine kuhne Tour in die Guglia di Brenta. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges waren es dann vor allem deutschsprachige Alpinisten, die in der Brenta Bergsteigergeschichte schrieben, wie der damalige Kletterstar Paul Preuß. Dieser beging die Ostwand der Guglia di Brenta, eine der schwierigsten Routen dieser Zeit im Alleingang.
Nach dem Ersten Weltkrieg kamen vermehrt italienische Bergsteiger in die Brenta: Vittorio Emanuele Fabbro, Renzo Videsott, Ettore Castiglioni und Giovanni Strobele gelangen schone Touren. Letzterer war auch Ideengeber fur den beruhmten Bocchette-Klettersteig im zentralen Bereich der Gruppe. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann die Erschließung der großen Wande, in die viele und lange, ausgesetzte Touren gelegt wurden. Hier sind vor allem Bruno Detassis, Cesare Maestri, Walter Bonatti, Heinz Steinkotter, Sergio Martini oder Ermanno Salvaterra tatig geworden.
Mit dem Aufkommen der Akku-Bohrmaschine Anfang der 1980er Jahre konnten auch Touren durch glatte Wande eroffnet werden, die fruher nicht absicherbar waren. Dies fuhrte zu einer ganzen Reihe von neuen Kletterwegen. Anfang der 2000 Jahre kamen gut abgesicherte Klettergarten mit eher kurzen Routen und Bouldergebiete dazu.
= Bau von Schutzhutten und Nationalitatenfrage =
In den 1880er Jahren wurde mit dem Rifugio Tosa der wenige Jahre zuvor gegrundeten Societa degli Alpinisti Tridentini (SAT) auch die erste Schutzhutte in der Brenta eroffnet. In der Folge entbrannte mit dem DOAV ein Wettlauf im Huttenbau in der Gruppe, die mit den zwischen 1904 und 1906 errichteten Rifugio Quintino Sella der SAT und der nur wenige Schritte entfernt errichteten Tuckettpasshutte der Sektion Berlin des DOAV ihren ersten Hohepunkt fand. Der Wettstreit zwischen DOAV und SAT wurde aber vor allem auf dem Hintergrund der Nationalitatenfrage des italienischsprachigen Teils der Grafschaft Tirol oder je nach Sichtweise des Trentino ausgetragen. Gerade die Brenta ruckte dabei in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung zwischen Pangermanisten und Irredentisten. So stellte die Umbenennung der Cima Brenta in Kaiser-Franz-Joseph-Spitze zwischen 1893 und 1894 nach Ansicht der irredentistisch ausgerichteten SAT den Versuch dar, auch in der Toponomastik Fakten zu schaffen. Die Umbenennung war nach dem DOAV dagegen eine direkte Antwort auf die nach dem Garibaldisten Alberto De Falkner benannte Cima Falkner, mit der die italienische Natur des Trentino unterstrichen werden sollte.
Erschließung und Berghutten Ausgangspunkt fur Touren in der Brenta ist meist Madonna di Campiglio, das auch gut mit offentlichen Verkehrsmitteln erreichbar ist. Ein Holzhandler hatte im 19. Jhdt. ein altes Hospiz aufgekauft und zum Hotel umgebaut. Nach dem Bau einer neuen Straße avancierte der Ort schnell zu einem Urlaubsgebiet fur Adelige und Geschaftsleute, spatestens nachdem die sportbegeisterte Kaiserin Sisi und ihr Gatte Franz Joseph dort Urlaub machten.
Die Brenta wird durch folgende Schutzhutten erschlossen:
Rifugio Agostini, 2410 m
Rifugio Al Cacciatore, 1820 m
Rifugio Angelo Alimonta, 2580 m
Rifugio Brentei, 2120 m
Rifugio Casinei, 1825 m
Rifugio Croz dell’Altissimo, 1430 m
Rifugio Dodici Apostoli, 2489 m
Rifugio Graffer, 2261 m
Rifugio Pedrotti, 2496 m
Rifugio Peller, 1990 m
Rifugio Selvata, 1632 m
Rifugio Tuckett – Quintino Sella, 2268
Einige Bereiche, wie der zentrale Teil der Brenta mit dem Bocchette-Weg, sind im Sommer wegen ihres Bekanntheitsgrades vor allem an Wochenenden und generell im italienischen Ferienmonat August manchmal uberlaufen. Verbunden sind damit Probleme wie Mullentsorgung, uberfullte Hutten und kontingentierte Zugange auf den Zufahrtsstraßen zu den Parkplatzen am Ausgangspunkt der Wanderwege. Auch der Begriff Overtourism wird in bestimmten Bereichen, wie dem Tovelsee, mit der Brenta in Verbindung gebracht. Das Ausuben von Sport- und Freizeitaktivitaten unterliegt im Naturpark Adamello-Brenta zudem Auflagen.
Bergsport Die Brenta ist ein wild zerklufteter Gebirgsstock, der fur viele alpine Sportarten ideal ist. Viele Gebiete sind recht einsam und weit weg der Zivilisation und ermoglichen daher ein besonderes Naturerlebnis. Besonders beliebt sind die diversen Spielarten des Kletterns und Wanderns.
= Wandern =
Das Gebiet bietet eine große Anzahl von Wanderwegen, von moderat bis sehr schwierig. Die zahlreichen Hutten konnen als Stutzpunkte dienen. Beliebt sind daher Wanderwege, die von Hutte zu Hutte fuhren und Rundwege sind, die uber mehrere Hange und Berge fuhren. Als einer der besten Panoramawege von Hutte zu Hutte mit guter Aussicht wird der Wanderweg vom Grostepass zur Brenteihutte an der Brenta-Westseite beschrieben. Da der Grostepass per Seilbahn zu erreichen ist, sind im Aufstieg nur 220 Hohenmeter zu bewaltigen, nach einer Rundwanderung im Abstieg 1150 Hohenmeter. Die Tour ist in rund 5 Stunden zu bewaltigen.
Auch Mehrtagestouren durch die zerkluftete Landschaft sind moglich, benotigen aber einiges an Kondition und Ausdauer. An der Brenta-Ostseite gibt es ebenfalls einen Panoramaweg, den Sentiero Oswaldo Orsi, fur diesen Rundweg werden zwei Tage veranschlagt mit einer Ubernachtung in einer Hutte. Er wird als anstrengende Tour fur geubte Geher beschrieben, aber bei guten Verhaltnissen als nicht schwierig. Es sind rund 1500 Hohenmeter zu bewaltigen.
Es gibt eine Tour, die den gesamten Gebirgsstock durchquert, von Hutte zu Hutte fuhrt und mindestens 3 Tage benotigt. Ein besonderes Highlight ist die Besteigung der Cima Tosa, diese Wanderung benotigt mindestens 12 Stunden, rund 2000 Hohenmeter im Auf- und Abstieg und 12 km Strecke – bei einer Ubernachtung auf einer Hutte. Der Anmarsch zur Hutte ist da nicht mitgerechnet. Der Sentiero Claudio Costanzi ist eine Uberschreitung der nordlichen Brentakette, der nur fur geubte Wanderer empfohlen wird. Es ist eine lange, schwierige Route, die sehr hoch liegt und daher nur bei guten Verhaltnissen nach der Schneeschmelze begangen werden sollte. Er benotigt zwei Tage, und es sind 1340 Hohenmeter im Aufstieg und 1670 Hohenmeter im Abstieg zu bewaltigen.
Beliebt sind auch Wanderwege durch das Val d’Algone, ein 15 km langes, wildes Tal mit einer großen Vielfalt an Fauna und Flora. Hier finden sich auch etliche Almen, darunter die Malga Movlina. Es gibt aber auch moderate Touren, wie den Cacate della Vallesinella, die auch mit Kindern machbar ist. Es ist eine einfache Wanderung, bei der 620 Hohenmeter zu bewaltigen sind und die etwas mehr als 4 Stunden dauert. Sie fuhrt an den drei Wasserfallen vorbei und ist gut erschlossen.
= Klettersteige =
Charakteristisch sind die Felsbander, auf denen mehrere Klettersteige, z. B. der Bocchette-Weg (ital. Via Ferrata delle Bocchette) (Teilstucke Sentiero Benini, Sentiero Bocchette Alte, Sentiero Bocchette Centrali), entlangfuhren.
Haufig werden Klettersteige mit Felswandern kombiniert, besonders beliebt fur solche Kombinationen sind:
Der Klettersteig Bocchette Basse, offiziell „Via Ferrata S.O.S.A.T.“ dieser fuhrt von der Tuckett-Hutte zur Brentei-Hutte und uber die Alimonta-Hutte zur Bocca degli Armi. Dieser ist der niedrigste und einfachste Klettersteig der Gegend, er umrundet die Cima Brenta. Dieser Weg hat lange Gehpassagen auf einem Wanderweg, wechselt sich aber mit versichertem Gelande und in der Schlusselstelle mit einer Leiter ab. Die Gehzeit wird mit rund 5,5 Stunden angegeben, es sind rund 850 Hohenmeter zu uberwinden.
Ein anderer beliebter Weg ist eine Wanderung zum Rifugio Silvio Agostini, die im Mittelteil den Sentiero del Cege als Klettersteig einschließt. Diese Weg ist schon etwas schwieriger, benotigt rund 4,5 Stunden Gehzeit und uberwindet 870 Hohenmeter.
Andere beliebte Klettersteige sind:
Sentiero Alfredo Benini (vom Groste-Pass zur Bocca di Tuckett)
Sentiero delle Bocchette Alte (von der Bocca di Tuckett zur Bocca degli Armi)
Sentiero delle Bocchette Centrale (von der Bocca degli Armi zur Bocca di Brenta)
Sentiero Orsi (von der Tuckett-Hutte zur Pedrotti-/Tosa-Hutte)
Sentiero Ettore Castiglioni (von der Agostini-Hutte zur XII-Apostel-Hutte)
Besonders das Zentralstuck des Bocchette Centrale gilt als einer der bekanntesten alpinen Klettersteige, der zwischen 1936 und 1957 errichtet wurde. Da er sehr exponiert, aber nicht sehr schwierig ist und schone Ausblicke bietet, gehort er zu den beliebtesten Klettersteigen in der Region. Fur die Tour werden 2 Tage veranschlagt, es sind 1320 Hohenmeter zu uberwinden.
= Sportklettern =
Die Brenta ist ein bekanntes Klettergebiet, es gibt mehr als 400 Sportklettertouren in elf Klettergarten. Diese bieten meist eher kurze Routen in allen Schwierigkeitsgraden. Da die Felsen nach allen Himmelsrichtungen ausgerichtet sind, gibt es schattige Felsen fur heiße Sommertage ebenso wie sonnige Felsen fur eher kuhle Tage.
= Alpines Klettern =
Es gibt eine Vielzahl von klassischen und modernen Klettertouren in der Brenta. Diese sind meist hochalpin, ausgesetzt und verlangen ein hohes Maß an klettertechnischem Konnen insbesondere auch bei der Absicherung. Moderne Routen sind dagegen teilweise gut gesichert.
Die großen Klassiker aus der Fruhzeit des extremen Felskletterns sind:
Der „Normalweg“ auf die Cima Tosa ist die einfachste Klettertour (UIAA 2/3-, 600 m) und fuhrt durch die Sudflanke, erstbegangen von Giuseppe Loss und Gefahrten, 1865.
Der „Normalweg“ auf den Crozzon di Brenta, erstbegangen von Karl Schulz und Matteo Nicolussi, 1884.
die „Sudwestverschneidung“ und die „Sudwestwand“ (UIAA 6-, 300 m) an der Guglia di Brenta, erstbegangen von Rudolf Fehrmann und Oliver Perry-Smith am 27. August 1908 (Sudwestverschneidung), bzw. von C. F. Meade und P. Blanc am 19. August 1909 (Sudwestwand). Sudwestverschneidung und Sudwestwand werden meist zu einer Tour verbunden, da die eine auf die andere aufbaut. Die Guglia di Brenta ist eine schlanke Felssaule, direkt neben der Nordwestwand der Cima Brenta Alta.
die „Ostwand“ der Guglia di Brenta (UIAA 5, 120 m), erstbegangen vom damaligen Kletterstar Paul Preuß am 28. Juli 1911. Preuß beging die Tour allein, ohne Seil, in nur 2 Stunden. Diese Leistung gilt als eine der kuhnsten Erstbegehungen des Kletterns. Tita Piaz nannte Preuß „Herr des Abgrunds“, Angelo Dibona sagte uber die Route „Obwohl sie kurz ist, ist sie eine der eindrucksvollsten Routen der Dolomiten“.
Die großen Klassiker aus der Nachkriegszeit sind:
die „Via della Concordia“ (UIAA 6, 350 m) in der Ostwand der Cima d’Ambiez, erstbegangen von A. Oggioni, J. Aiazzi, A. Aste und A. Miorandi, 1955. Zu deutsch heißt der Titel „Weg der Eintracht“, weil am 30. Juni und 1. Juli 1955 zwei Seilschaften beim Versuch der Erstbesteigung zusammengearbeitet haben, anstatt (wie damals eher ublich) zu konkurrieren. Die vier benotigten 17 reine Kletterstunden und ein Biwak fur die Erstbesteigung. Die Route folgt der Vertikale der Verschneidung durch die große Wand dieses Turmes.
der „Nordostpfeiler“, auch „Franzosenpfeiler“ genannt (UIAA 6, 800 m), am Crozzon di Brenta, erstbegangen von J. Frehel und D. Leprince-Ringuet, 1965. Der Crozzon di Brenta gehort zur Cima Tosa und ist ein Koloss von 800 m Hohe. Einige Jahre nach der Erstbegehung hat sich der Name Franzosenpfeiler eingeburgert, da die Erstbegeher Franzosen waren. Talort ist Madonna di Campiglio, meist wird jedoch von der Brenteihutte gestartet, da die Tour sehr lang ist – eine der langsten in der Brenta. Der Abstieg erfolgt uber den Grat zur Cima Tosa und von dort uber den Normalweg hinunter.
die „Nordostverschneidung“ (UIAA 6-, 450 m) an der Brenta Alta, erstbegangen von A. Oggioni und J. Aiazzi am 25. und 26. Juli 1953. Die Erstbegeher benotigten 18 Stunden und ein Biwak, erst die funfte Begehung war an einen Tag moglich.
Unter den modernen Routen ist die „Via Zanetti“ (UIAA 5, 425 m) durch die Ostwand der Le Laste, die erst 2021 von den Brudern Zanetti erstbegangen wurde, sehr beliebt. Die Beliebtheit ruhrt auch daher, dass die Tour im Tal liegt und leicht zuganglich ist. Eine neue schwere Tour ist auch die „Via Zordano“ (UIAA 7+, 520 m) an der Corna Rossa, 1. Turm. Der Abstieg aus den modernen Routen erfolgt meist durch Abseilen.
= Mountainbike-Touren =
Das Gebiet bietet zahlreiche Touren fur Mountainbiker in allen Schwierigkeitsgraden, von solchen mit eher moderaten Schwierigkeiten auf guten Wegen bis zu sehr schwierigen auf schlechten Pfaden. Beliebt ist auch eine Umrundung der Brenta, dabei sind 171 km und rund 7000 Hohenmeter zu bewaltigen. Durch die Schonheit der Landschaft wird bei vielen Alpenuberquerungen mit dem Rad, die am Gardasee enden, auch die Brenta tangiert oder durchquert.
= Skifahren =
An der Westseite der Brenta befindet sich das Skigebiet Campiglio Dolomiti di Brenta Val di Sole Val Rendena mit 150 km Pisten, es ist das großte Skigebiet im Trentino.
Sehenswurdigkeiten und Attraktionen in der Brenta = Venezianische Sagemuhle Taialacqua =
Die Sagemuhle Taialacqua liegt nahe dem Dorf Molveno am Molvenosee. Sie wurde auf Anregung des Pfarrers Don Taialacqua um das Jahr 1500 errichtet. Das Sagewerk nutzt das Wasser des Rio Molini, eine Ableitung des Torrente Masso, um die Sage anzutreiben. Es konnen Bretter bis zu 10 mm geschnitten werden. Das Sagewerk ist noch voll funktionstuchtig und wird im Rahmen von Fuhrungen vorgefuhrt. Die Sage ist einer der wenigen aus dieser Zeit, die noch existiert.
= Arca di Fraporte =
Die Arca di Fraporte ist ein etwa 50 m hoher und 40 m breiter Hohleneingang, dem eine zweite, durch einen Spalt getrennte, frei stehende Felsbrucke vorgelagert ist. Diese Formation ist dadurch entstanden, dass Wasser in die Risse des Gesteins eingedrungen ist und diese durch Verkarstung und mechanische Abnutzung vergroßert hat. In einer Felswand auf der der Arca gegenuberliegenden Talseite ist ein großes, kreisrundes Loch zu sehen, das ebenfalls durch Einwirkung von Wasser aus dem Bach ausgewaschen wurde. Dieser ist durch einen 1,5-stundigen Anstieg von Stenico zu erreichen.
= Sonstige Attraktionen =
Die Hochebene der Pian della Nana sudlich des Monte Peller dient im Sommer als naturliche Buhne fur Veranstaltungen des Musikfestivals „I suoni delle Dolomiti“.
Die Zwolf-Apostel-Kapelle zum Gedenken der Bergopfer wurde 1952 geweiht.
Sehenswurdigkeiten nahe der Brenta = San Romedio =
Ostlich von Sanzeno im Val di Non befindet sich die Wallfahrtskirche San Romedio. Sie wurde auf einer Kalksteinnadel in der San-Romedio Schlucht am Zusammenfluss zweier Bache errichtet. Sie ist aus einer Einsiedelei entstanden und wurde zu einem Wallfahrtsort ausgebaut. Bereits im 12. und dem Beginn des 13. Jahrhunderts war sie als Wallfahrtsort bekannt. Die interessante Architektur besteht aus zwei Kirchen, drei Kapellen, Wohn- und Wirtschaftsgebauden, die zum Teil ubereinander liegen, um auf die enge Felsnadel zu passen. Die Anlage besitzt Fresken aus dem 8. Jahrhundert. Erreichbar ist die oberste Kirche uber einen 131-stufigen Treppenaufgang. Angrenzend an den Kirchenbau gibt es ein großes Barengehege.
= Pfahlbausiedlung von Fiave =
Sudostlich des Ortes Fiave befand sich fruher der Lago di Carera, der heute ein verlandetes Gewasser und ein Feuchtbiotop und Naturschutzgebiet ist. In diesem befindet sich ein prahistorischer Siedlungsplatz, die Pfahlbausiedlung von Fiave. Es wurden bis zu sieben Besiedlungsepochen identifiziert, die vom Spatneolithikum bis zur Jungbronzezeit reichen. Die altesten Zeugnisse reichen bis etwa in das 7. Jahrhundert v. Chr. zuruck. Die Pfahlbausiedlung gehort mit anderen ihrer Art zum UNESCO-Weltkulturerbe. Im angeschlossenen Museum wird die Besiedlungsgeschichte erlautert. Die Pfahlbausiedlung von Fiave wurde gemeinsam mit der in Ledro als UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen.
		
			
			
		
Literatur Karl Schulz: Die Brenta Gruppe. In: Deutscher und Oesterreichischer Alpenverein (Hrsg.): Die Erschliessung der Ostalpen: III. Band Die Centralalpen ostlich vom Brenner und die sudlichen Kalkalpen. Bearbeitet von Eduard Richter. Verlag des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins, Berlin 1894, S. 296–349 (Digitalisat).
Gino Buscaini, Ettore Castiglioni: Dolomiti di Brenta. Guida dei Monti d’Italia. Club Alpino Italiano/Touring Club Italiano, Mailand 1977.
Societa degli Alpinisti Tridentini – Sezione del CAI – Commissione Sentieri:… per sentieri e luoghi. Sui monti del Trentino. 5 Presanella, Adamello, Dolomiti di Brenta. Euroedit, Trient 2017, ISBN 978-88-941381-3-9.
Verschiedene Karten im Maßstab 1:25.000, wie zum Beispiel die Alpenvereinskarte des Deutschen Alpenvereins, Blatt 51, Brentagruppe. Karten im Maßstab 1:50.000 sind hier aufgrund der Kleinraumigkeit des Gebiets nicht zu empfehlen.
Franz Hauleitner: Brentagruppe: mit Adamello, Presanella und Paganella: 52 ausgewahlte Wanderungen und Bergtouren im Bereich der Brentagruppe und deren Randgebieten (= Rother-Wanderfuhrer). 5., aktualisierte  Auflage. Bergverlag Rother, Munchen 2024, ISBN 978-3-7633-4181-8. 
Weblinks Website mit Informationen zu Hutten, Klettersteigen, Orten (deutsch, italienisch)
Webseite der Societa degli Alpinisti Tridentini (SAT) mit Informationen zu Hutten und Wegen (italienisch)
Einzelnachweise | 
	Die Brenta ist eine Gebirgsgruppe der Sudlichen Kalkalpen im Trentino im Norden Italiens. Das teilweise vergletscherte Gebirge erreicht seinen hochsten Punkt in der Cima Brenta mit 3152 m s.l.m. und gehort zu den hochalpinen Bereichen mit sieben weiteren Gipfeln uber 3000 m s.l.m. und zahlreichen anderen Erhebungen uber 2800 m s.l.m. Zusammen mit den westlich angrenzenden Adamello-Presanella-Alpen sind Teile der Brenta seit 1967 ein Naturpark und bilden das großte Naturschutzgebiet im Trentino, das zu den UNESCO Global Geoparks gehort. Der Großteil des Gebirges wurde 2009 in das UNESCO-Welterbe Dolomiten aufgenommen.
Es besteht vorwiegend aus mesozoischen Kalken und Dolomiten der Trias und ist stark verkarstet. Das Gebiet entwassert großtenteils unterirdisch und ist von mehreren Hohlen durchzogen. Das weitgehend naturnahe Gebirge mit seiner stark gegliederten Hohen bietet Lebensraume fur viele Tier- und Pflanzenarten und steht großtenteils unter Naturschutz. Bemerkenswert ist eine Population von Braunbaren (Ursus arctos). Teile der Brenta gehoren zum UNESCO-Biospharenreservat Ledroalpen und Judikarien.
Die Brenta ist eine wild zerkluftete Gebirgsgruppe. Viele Gebiete sind recht einsam und zivilisationsfern und ermoglichen daher ein besonderes Naturerlebnis. Daher ist sie eine beliebte Region fur Kletterer, Wanderer, Mountainbiker und andere Naturliebhaber.  Am Rande der Brenta gibt es auch mehrere Schigebiete. | 
	{
  "url": "https://de.wikipedia.org/wiki/Brenta_(Gebirge)"
} | 
| 
	c-597 | 
	Adele Erbe (* 21. September 1824 in Altenburg; † 30. April 1892 in New York) war eine deutsche Dichterin und Frauenrechtlerin. Sie beteiligte sich 1848/49 an der Revolution. Wegen ihres Engagements fur die Revolution und fur Frauenrechte wurde sie 1851 aus dem Konigreich Sachsen ausgewiesen und emigrierte kurz darauf in die USA.
Leben Adele Wilhelmine Charlotte Erbe wurde in Altenburg, damals Haupt- und Residenzstadt des Herzogtums Sachsen-Altenburg, als Tochter von Wilhelm Leberecht Erbe, einem Oberschullehrer, und von Amalia Johanna Wilhelmina Trautmann geboren. Adele Erbe hatte drei Geschwister, einen Bruder, Hans Alfred, und zwei Schwestern, Johanne Caroline und Adele Wilhelmine, die bereits als Saugling starb. Ihr Bruder, mit dem sich Adele sehr verbunden fuhlte, wurde spater Rechtsanwalt, war 1849 kurzfristig Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung und des Stuttgarter Rumpfparlaments und maßgeblich an der Revolution im Herzogtum Altenburg beteiligt. Adele Erbe hat, so geht aus ihren eigenen Texten hervor, eine bessere Bildung erhalten als andere Frauen ihrer Epoche, die haufig nur die Elementarschule besuchten. Sie beherrschte die deutsche Sprache auch schriftlich vollkommen und hatte Kenntnisse in Geschichte, Literatur, Mathematik und Englisch. In ihrem Elternhaus herrschte eine tiefe Religiositat und ein demokratischer Geist, was sie gepragt hat.
Dichterin fur die Revolution Adele Erbe war Revolutionarin und Dichterin und verstand die Demokratie als „das wahre Christentum“. Bereits im Mai 1848 war ihr Gedicht Toast auf die Freiheit im Altenburger Volksblatt erschienen, in dem sie die Freiheit der Volker pries. Weitere Gedichte und Novellen von ihr, die politische Ereignisse, haufig auch in biblischen Bildern, reflektierten, wie z. B. die Novelle Mutterleins Hoffen, erschienen ab 1849 in der Frauen-Zeitung. Am 11. August 1848 trat Erbe gemeinsam mit ihrem Bruder bei der Weihe der Burgergardefahne auf dem Altenburger Marktplatz auf. Die Fahne war von demokratisch gesinnten Frauen angefertigt worden, was damals als fur Frauen noch unubliche politische Handlung und als Eingreifen ins Gesellschaftspolitische galt. Nach der Rede Alfred Erbes trug Adolf Douai ein Gedicht Adele Erbes vor, das sie eigens fur dieses Ereignis verfasst hatte. Darin hieß es:
Frauenrechtlerin Adele Erbe war Frauenrechtlerin. Am 22. Juni 1849 veroffentlichte das Altenburger Volksblatt ihren Artikel Die Aufgabe der Frauen in unserer Zeit, in dem sie den Kampf um die Freiheit als Pflicht des Volkes bezeichnete, von der die Frauen nicht ausgeschlossen werden durften. Sie schreibt darin uber die Frauen:
Sie rief zur Grundung von demokratischen Frauenvereinen auf und grundete selbst, gemeinsam mit ihrer Schwester Johanne Erbe, mit Ernestine Heyn, Therese Roßler, Henriette Breitschneider und Anna Kuschmann, den demokratischen und freireligiosen „Deutschen Frauen-Verein zu Altenburg“. Am 28. Juni 1849 veroffentlichte sie einen Aufruf an „alle Frauen, Jungfrauen und Madchen, denen ein warmes Herz fur Freiheit und Vaterland im Busen schlagt“ und bat sie um Spenden. Am 21. August 1849 wurde der Altenburger Frauenverein gegrundet. Adele Erbe war Obfrau des Vereins, ihre Schwester Johanne Schriftfuhrerin. Die Statuten des Vereins legten fest, dass er politisch verfolgte Revolutionsteilnehmer und ihre Familien unterstutzen wollte. Dafur sollten Spenden gesammelt werden. Außerdem sollten die Mitglieder des Vereins „zweckmaßig beschaftigt“ werden, also bestimmte Naharbeiten und Reparaturen ubernehmen, und sich auch geistig fortbilden. Weiter hieß es in den Statuten: „Der Geist der Schwesterliebe soll den Verein durch wehen und das Band der Gleichheit ihn umschlingen.“ Es war das erklarte Ziel des Vereins, auch Frauen der sogenannten „unteren Schichten“ als Mitglieder zu gewinnen und weiterzubilden. Anfang 1850 hatte der Altenburger Frauenverein bereits 80 Mitglieder und konnte auf eine erfolgreiche Vereinsarbeit zuruckblicken. Den Vereinsfrauen schlug jedoch auch viel Kritik entgegen. Ihnen wurde „Unweiblichkeit“, „Unchristlichkeit“ und die Vernachlassigung der Armen zugunsten der „gefurchteten Demokraten“ vorgeworfen.
Adele Erbe setzte sich auch fur politische Fluchtlinge ein. Sie wollte mit der Arbeit des Frauenvereins die vielen, vor allem in die Schweiz geflohenen Revolutionare unterstutzen. Auch ihr Bruder Alfred war 1849 in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden und in die Schweiz geflohen. Ab Marz 1850 war die Unterstutzung politischer Fluchtlinge verboten und nur die Familienangehorigen der Fluchtlinge durften noch unterstutzt werden, was der Frauenverein weiterhin regelmaßig tat. Adele Erbe wirkte auch 1849 bei der Grundung weiterer Frauenvereine in Gera und Ronneburg mit. Alle diese Frauenvereine arbeiteten sehr eng mit den Arbeitervereinen zusammen.
Erbe arbeitete außerdem als Publizistin und war eine der aktivsten Mitarbeiterinnen der Frauen-Zeitung von Louise Otto, mit der sie eine freundschaftliche Beziehung verband. Die Frauen-Zeitung wurde zwischen 1849 und 1853 herausgegeben und stellte ein einzigartiges Frauenprojekt dieser Zeit dar. Hier veroffentlichte Adele Erbe den Artikel Die Aufgabe der Frauen in unserer Zeit und den Aufruf An die Patriotinnen Altenburgs und verteidigte die Frauen der Frauenvereine gegen Kritik und Verleumdung. Insgesamt hat sie in der Frauen-Zeitung mehr als zwanzig Artikel publiziert, teilweise unter dem Pseudonym „Charlotta“.
Ausweisung und Exil Ab Sommer 1850 erfolgten vermehrt repressive polizeiliche Maßnahmen gegen die Arbeitervereine. Im Zuge der Ermittlungen und Haussuchungen kam auch der Deutsche Frauen-Verein und bald darauf Adele Erbe als eine der „exaltirten und fanatisirten weiblichen Anhanger[] der Umsturzpartei“ ins Visier der Ermittler und der Regierungsrat Eberhardt verordnete ihre polizeiliche Uberwachung. Im September 1850 wurde sie schließlich als „politisch gefahrlich“ eingestuft und aus Sachsen ausgewiesen. Im Ausweisungsbefehl stand, dass sie „der bestehenden Verfassung und Ordnung feindliche Gesinnungen hegt“.
Adele Erbe hatte eine Ausbildung als Kindererzieherin bei Auguste Herz in Dresden nach der Padagogik Friedrich Frobels begonnen und wollte einen eigenen Kindergarten grunden. Bevor sie jedoch die Ausbildung abschließen und den Kindergarten grunden konnte, wurde sie aus Sachsen ausgewiesen. Dies kommentierte die Frauen-Zeitung folgendermaßen: „dass in Sachsen unbescholtene Madchen und Frauen diskreditiert werden, nur weil sie sich „dem Studium des Frobel’schen Systems gewidmet hatten und thatsachlich nur im Kindergarten lebten und webten. Nicht ihre Handlungen, sondern ihre Namen waren verdachtig – ein junges bescheidenes Madchen wie Adele Erbe, ein Bild achter Weiblichkeit ward zu einer Person von staatsgefahrlicher Bedeutung... Hausdurchsuchungen bei den Vorsteherinnen des Frauen-Vereins in Dresden und anderen Damen in Leipzig, Chemnitz und Meißen sprechen dafur, welches Gewicht man auf weibliche Wirksamkeit legt“ Auch nach ihrer Ausweisung interessierte sie sich fur das Thema Frauenbildung und Kindererziehung und veroffentlichte zu diesen Themen Artikel in der Frauen-Zeitung unter Pseudonym. So befasste sie sich z. B. mit der Grundung von Kindergarten im Sinne der Padagogik Frobels in Nordamerika und bezog sich damit indirekt auch auf die Vorbereitung ihrer eigenen Emigration. 1849 floh ihr Bruder Alfred Erbe, der mittlerweile u. a. wegen Aufforderung zum Mord und wegen Hochverrats polizeilich gesucht wurde, uber die Schweiz in die USA. Bald darauf folgten Adele, ihre Schwester und ihr Vater ihm nach. Am 8. Marz 1851 informierte die Frauen-Zeitung ihre Leserinnen uber die bevorstehende Auswanderung Adele Erbes:
Sie selbst schrieb in der Zeitung im April 1851, kurz vor ihrer erzwungenen Auswanderung in die USA: „...der Sieg kommt gewiß!... Darum muthig entschlossen vorwarts!“, und brachte damit ihre Hoffnung zum Ausdruck, dass es eine neue Revolution geben werde und sie schon bald aus dem Exil zuruckkommen konne. Ihre Arbeit im Frauenverein schloss sie vor ihrer Emigration mit einem Rechenschaftsbrief und einem Abschiedsbrief an die Vereinsfrauen ab und zog eine positive Bilanz ihrer Arbeit. Ende April 1851 verließ Adele Erbe Altenburg in Richtung Amerika.
Im Mai 1851 traf die Familie Erbe in New York ein, von wo aus Adele noch weiterhin in der Frauen-Zeitung veroffentlichte. In den USA arbeitete sie als Erzieherin und Lehrerin und stand mit deutschen Emigranten in regem Kontakt. Die Familie Erbe lebte bis 1856 in Rokland County im Staat New York, auf einer Farm und zog danach nach New York um. Dort bezog Adele Erbe eine eigene Wohnung in der Nahe ihres Bruders.
Literatur Irina Hundt: Adele Erbe (1824‒1892). An den Anfangen der organisierten Frauenbewegung. In: Walter Schmidt (Hrsg.): Akteure eines Umbruchs: Manner und Frauen der Revolution von 1848/49. Band 5. Fides, Berlin 2003, ISBN 978-3-931363-11-6, S. 63–93. 
Louise Otto: „Abschiedswort“ (1980). Essays. 817.
Einzelnachweise | 
	Adele Erbe (* 21. September 1824 in Altenburg; † 30. April 1892 in New York) war eine deutsche Dichterin und Frauenrechtlerin. Sie beteiligte sich 1848/49 an der Revolution. Wegen ihres Engagements fur die Revolution und fur Frauenrechte wurde sie 1851 aus dem Konigreich Sachsen ausgewiesen und emigrierte kurz darauf in die USA. | 
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  "url": "https://de.wikipedia.org/wiki/Adele_Erbe"
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	c-598 | 
	Die Alte Schlossstiege, auch Alte Schlosstreppe (tschechisch Stare zamecke schody), in Prag ist ein Fußweg, der von der Kleinseite zum Osteingang der Prager Burg hinauffuhrt. Sie ist die kurzeste Verbindung zwischen der Prager Burg und dem U-Bahnhof Malostranska und wird vor allem von Touristen stark frequentiert.
Geschichte und Beschreibung Die Alte Schlossstiege beginnt in Klarov auf der Kleinseite, in der Straße Pod Bruskou, und fuhrt in westlicher Richtung am Hang des Hradschiner Bergsporns, dem sogenannten Opys, entlang bis zum ostlichen Burgeingang beim Schwarzen Turm. Die Treppe ist auf beiden Seiten von Mauern umgeben. Hinter der nordlichen Hangmauer liegt der St.-Wenzels-Weinberg mit der Villa Richter (bewirtschaftet), die sudliche Mauer ist niedriger, dahinter liegen die sudlichen Palastgarten. Am oberen Ende offnet sich eine Aussichtsplattform mit einem schonen Blick uber die Stadt. Hier befindet sich auch der obere Eingang zum St.-Wenzels-Weinberg.
Die Alte Schlossstiege ist ca. 230 m lang, hat 121 Stufen und uberwindet einen Hohenunterschied von ca. 37 m. Nach jeweils sechs Stufen folgt ein langeres gerades Stuck.
Am 31. Oktober 2009 wurde am oberen Ende der Treppe ein Denkmal des tschechischen Liedermachers Karel Hasler, Autor des Liedes Po starych zameckych schodech (Auf der Alten Schlossstiege) enthullt. Schopfer der Werkes war der Bildhauer Stanislav Hanzik.
Die Alte Schlossstiege wurde Anfang des 17. Jahrhunderts anstelle eines alten Zugangsweges zur Burg erbaut und seitdem mehrmals umgebaut. Ihre heutige Gestalt erhielt sie in den Jahren 1835–1837, seit dieser Zeit wird der Name Stare zamecke schody verwendet. Er leitet sich wahrscheinlich von der Bezeichnung Stara cesta (Alter Weg) fur den Fahrweg ab, der seit dem 9. Jahrhundert den Hauptzugang zur Burg bildete und sich im Bereich der heutigen Straße Na Opysi oberhalb des St.-Wenzels-Weinbergs befand. Die Treppe wurde zuletzt im Sommer 2009 restauriert. Dabei wurden neue Entwasserungsrinnen eingesetzt, die Mauern saniert, das Pflaster erneuert und die Stufen nivelliert.
Die Alte Schlossstiege verwirrt durch ihren Namen, denn sie ist junger als die Schlossstiege (Zamecke schody), die von der Straße Thunovska auf der Kleinseite zum Hradschiner Platz fuhrt und inoffiziell Neue Schlossstiege (Nove zamecke schody) genannt wird.
Literatur Emanuel Poche: Prahou krok za krokem. 2. Auflage. Panorama, Praha 1985, S. 472 (tschechisch, Durch Prag, Schritt fur Schritt). 
Frantisek Ruth: Kronika kralovske Prahy a obci sousednich. Svazek V. Kapitola: Stare schody zamecke. Pavel Korber, Praha 1904, S. 981 (tschechisch, nkp.cz – Chronik der Konigsstadt Prag und der Nachbarorte). 
Weblinks Alte Schlossstiege auf dem Prager Stadtplan
Alte Schloßstiege – Stare zamecke schody. cz-prag.de, abgerufen am 15. Marz 2024. 
Praha virtualni, Stare zamecke schody. praha.eu, abgerufen am 15. Marz 2024 (tschechisch). 
Po starych zameckych schodech, Lied gesungen von Karel Hasler, Ausschnitt aus dem Film Za tichych noci (In stillen Nachten, Gina Hasler 1940).
Einzelnachweise | 
	Die Alte Schlossstiege, auch Alte Schlosstreppe (tschechisch Stare zamecke schody), in Prag ist ein Fußweg, der von der Kleinseite zum Osteingang der Prager Burg hinauffuhrt. Sie ist die kurzeste Verbindung zwischen der Prager Burg und dem U-Bahnhof Malostranska und wird vor allem von Touristen stark frequentiert. | 
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	c-599 | 
	Ernst Friedrich Gutschow, in den Vereinigten Staaten auch haufig Ernest (F.) Gutschow (* 8. April 1869 in Rostock; † 27. Marz 1946 in Bad Wildungen) war ein deutscher Kaufmann, Unternehmer, Mazen und Kunstsammler. Er war Generalmanager beim Hersteller, Importeur und Handler fur Tabakwaren Michalitschke Bros. & Co. in San Francisco, ab 1903 Direktor der Zigarettenfabrik Jasmatzi in Dresden sowie von 1909 bis 1945 Besitzer des Ritterguts und der Burg Tzschocha.
Leben Ernst Gutschow war ein Sohn von (Carl David) Friedrich Gutschow (1831–1905), Kaufmann aus Hamburg, und dessen Frau Gustava, geborene Kessler (1847–1913). Er wurde am 27. April 1869 in der Rostocker Jakobikirche evangelisch getauft. Im Juni 1890 war er an der University of London eingeschrieben, hat jedoch keine Abschlussprufung abgelegt. Bei der englischen Volkszahlung 1891 findet er sich als „Auslandischer Korrespondent“ in Moss Side (Manchester). 1893 ging er nach San Francisco. Am 6. September 1893 heiratete Gutschow dort die in San Francisco romisch-katholisch getaufte Josephine Elisabeth („Josie“) Michalitschke (1874–1948) und wurde bei Michalitschke Brothers & Company Generalmanager fur Herstellung, Import und Vertrieb von Tabakwaren, hauptsachlich kubanischer Zigarren und turkischer Zigaretten.
Im Jahre 1901 entzog die American Tobacco, der großte Anteilseigner der Dresdner Zigarettenfabrik Jasmatzi, dem Firmengrunder Georg Anton Jasmatzi die alleinige Zeichnungsberechtigung fur die Aktiengesellschaft. In der Folge verließ Jasmatzi 1902 die Firma. Ernst Gutschow wurde Vorstandsvorsitzender der Georg A. Jasmatzi AG, verließ San Francisco und zog nach Dresden. Seit 1903 bewohnte er eine Villa im Schweizer Viertel der Dresdner Sudvorstadt, die damals Eigentum von Karl August Lingner war. Gutschow ließ sich 1905 eine eigene Villa in Stadtteil Strehlen in der Tiergartenstraße 46 bauen und zog 1906 dort ein. Die Villa ist erhalten und steht heute (Stand 2024) mit Remise und Einfriedung unter Denkmalschutz. In der Kurzcharakteristik des Landesamts fur Denkmalpflege steht unter anderem „... eigenwilliger Villenbau in Formen des Historismus und Jugendstils, kubischer Putzbau mit rustiziertem Eckturm, Zierfachwerk ...“.
Gutschow war in Dresden einer der wenigen Besitzer eines Automobils und bekam vor 1909 die Erkennungsnummer II (fur die gesamte Kreishauptmannschaft Dresden) 1545. Er war schon sehr fruh Mitglied des Koniglich-Sachsischen Freiwilligen Automobilkorps und nahm mit seinem Automobil an Manovern teil, so auch im September 1909 im Alter von 40 Jahren. Die Nutzlichkeit der Freiwilligen Automobilkorps wurde schon beim Kaisermanover 1908 festgestellt, da sie gute Dienste bei der Befehls- und Nachrichtenuberbringung leisteten und den Fahrzeugpark der Verkehrstruppen verstarkten.
1910 schenkte Gutschow dem Volkerkundemuseum in Dresden eine umfangreiche 450-teilige Sammlung von Kunstwerken, vorwiegend aus den damaligen deutschen Kolonien Kamerun und Togo. Die Sammlung aus dem Gebiet des Kreuzflusses in Kamerun erwarb er vom Kolonialbeamten Alfred Mansfeld. Die Herkunft der Kunstwerke aus anderen Gegenden ist noch ungeklart. Arnold Jacobi, der damalige Direktor des Koniglichen Zoologischen und Anthropologisch-Ethnographischen Museums, vermittelte, und Gutschow bekam im Gegenzug fur die Schenkung den Albrechts-Orden als Ritter I. Klasse.
Im Jahre 1909 erwarb Ernst Gutschow die Burg Tzschocha und veranlasste 1911 bis 1914 einen Umbau im Stil der Neugotik durch den Architekten und Burgenforscher Bodo Ebhardt. Gutschow gehorte das gesamte Rittergut Tzschocha mit zwei Vorwerken in Rengersdorf am Queis (heute Stankowice). Zu den Angestellten des Rittergutes zahlten der Inspektor, ein Assistent, ein Forster, ein Waldwarter, ein Gartner und der Schlosskastellan. Der gesamte Grundbesitz umfasste eine Flache von rund 574 ha, davon 239 ha Acker und 244 ha Wald. Im Barockgarten ließ er eine Kopie der Statue des Breslauer Fechterbrunnens von Hugo Lederer errichten. Der Wahlspruch „Frangas non flectes“, der unter dem Familienwappen an der Dresdner Villa Gutschows angebracht ist, befindet sich auch an vielen Stellen in und an der Burg, zum Beispiel uber einem Himmelbett, uber einem Kamin und auf zwei der von Eduard Stritt gefertigten Bleiglasfenster. Nach der Oktoberrevolution suchten russische Adlige Zuflucht bei Gutschow, der vorher auch Beziehungen zum russischen Zaren hatte. Von ihnen erwarb Gutschow Kunst- und Schmuckgegenstande russischer Herkunft, unter anderem wertvolle Ikonen. Außerdem sammelte Gutschow wertvolle Bucher. Seine Bibliothek umfasste nahezu 30.000 Bande.
Gutschow blieb bis 1915 Vorstandsvorsitzender der Jasmatzi AG. Im folgenden Jahr ubernahm der bisherige Prokurist Carl Bottner (1876–1946) aus Blasewitz den Vorsitz. In der 25. offentlichen Sitzung der II. Kammer des Sachsischen Landtags im Februar 1916 wurde zum einzigen Tagesordnungspunkt, der Wahl Dresdens als Sitz der Zigarettentabaks-Einkaufgesellschaft des Deutschen Reichs (ZITAG), mehrfach gegen Gutschow polemisiert, obwohl er den Vorsitz der Zentrale schon aufgegeben hatte. Auf einer Wahlversammlung der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP) im Jahre 1919 trat Gutschow als ihr Mitglied auf und widersprach dem Vorwurf, die Partei sei im Verbund mit der „Goldenen Internationale“. Es gab offentliche Aufrufe, die DDP nicht zu wahlen, weil ihr Mitglied Gutschow die Interessen englischer und amerikanischer Konzerne gegen die deutsche Industrie vertreten wurde.
Gutschow widmete sich auf seinem Rittergut vorrangig der Viehzucht und der Milchproduktion. Das Schlesische Guter-Adressbuch von 1926 hebt eine Stammherde Schwarzbunter Ostfriesen, Deutsche veredelte Landschweine, mustergultige Zuchten, Gebirgsweiden und eine Molkerei hervor. Ernst Gutschow war von 1920 bis 1932 Vereinsreprasentant des Vereins fur mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde; er schied aufgrund eines Gehorleidens auf eigenen Wunsch aus diesem Amt aus. Im Jahre 1936 steht Gutschow letztmalig im Dresdner Adressbuch, er blieb jedoch Zeit seines Lebens Eigentumer der Villa in der Tiergartenstraße. Zwei Etagen der Villa wurden 1940 an das Bezirkswirtschaftsamt fur den Wehrwirtschaftsbezirk IV (Dresden) vermietet. Gutschow verlegte seinen Lebensmittelpunkt auf die Burg Tzschocha und verdoppelte dort seinen Grundbesitz nahezu. 1937 besaß er uber 9 km2.
Gutschow wohnte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Bad Wildungen (Durrer Hagen 6) und starb im Alter von 76 Jahren im dortigen Stadtkrankenhaus an den Folgen eines Schlaganfalls und einer Lungenentzundung. Seine Witwe verstarb 1948 in Munchen. Das Ehepaar hatte vier Kinder; die ersten beiden wurden in San Francisco geboren, die anderen beiden in Dresden:
Herbert Ernst Anton Franz Waldemar (1895–1964) (zuletzt verheiratet mit Ingeborg Isidore Helene Felicitas Grafin Vitzthum von Eckstadt)
Kathleen Louise Josephine Henriette Gustavine, verheiratete Fritsch (1896–1974)
Elaine Illa Elisabeth Alma Amalie, geschiedene Hitzbleck (1906–1979)
Kathleen Nina Hertha Elisabeth, verheiratete Heegard (1908–1945)
Wappen Das Wappen ist von Gelb und Blau quadriert. Felder 1 und 4 belegt mit drei (2:1) roten Sternen, 2 und 3 mit einem silbernen Lowen. Auf dem Helm mit rot–goldenen und blau–silbernen Decken ein rechts rot–golden und links silbern–blau geteilter offener Flug. An der Dresdner Villa und in der Burg Tzschocha findet sich unter dem Wappen oft der Wahlspruch „Frangas non flectes“ (etwa: „Magst (mich) zerbrechen, aber nicht beugen“). An der Villa in Dresden sind die drei Sterne entgegen der Beschreibung in Siebmachers Wappenbuch von 1912 falsch angeordnet (1:2).
Auszeichnungen = Bis 1913 =
Herzoglich Sachsen-Ernestinischer Hausorden Ritter I. Klasse
Albrechts-Orden Ritter I. Klasse (Verleihung 1910)
Greifenorden mit Krone
= Im Ersten Weltkrieg =
Friedrich-August-Kreuz II. Klasse
Ehrenzeichen fur Verdienste um das Rote Kreuz Ehrenkreuz II. Klasse
Konig Ludwig-Kreuz
Kriegsverdienstkreuz Lippe-Detmold
Schriften Tabak-Literatur-Verzeichnis. A. Dressel, Dresden 1927.
Weblinks Literatur von und uber Ernst Gutschow im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Gutschow, Ernst Sammlungsobjekte aus Togo und Kamerun in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden
Einzelnachweise | 
	Ernst Friedrich Gutschow, in den Vereinigten Staaten auch haufig Ernest (F.) Gutschow (* 8. April 1869 in Rostock; † 27. Marz 1946 in Bad Wildungen) war ein deutscher Kaufmann, Unternehmer, Mazen und Kunstsammler. Er war Generalmanager beim Hersteller, Importeur und Handler fur Tabakwaren Michalitschke Bros. & Co. in San Francisco, ab 1903 Direktor der Zigarettenfabrik Jasmatzi in Dresden sowie von 1909 bis 1945 Besitzer des Ritterguts und der Burg Tzschocha. | 
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