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c-600
Aetapcus maculatus ist ein zu den Indianerfischen zahlender Fisch, der vor der Kuste Australiens vorkommt. Er ist der einzige Vertreter der Gattung Aetapcus. Merkmale Die Merkmale, welche die Gattung Aetapcus von anderen Gattungen abgrenzen, wurden von Scott so beschrieben, dass der Mund im Profil nach hinten geneigt ist, Kopf und Rumpf regelmaßig angeordnete Warzen aufweisen und dass die Ruckenstrahlen und Strahlen der Afterflosse sich in einer mehr oder weniger fleischigen Membran befinden. Die Farbung der Art Aetapcus maculatus kann von Individuum zu Individuum außerst unterschiedlich sein. Sie reicht von schmutzig gelb oder grau bis olivbraun oder orange bis rot. Auf dem Korper befinden sich dunkle Flecken. Die Flecken sind auf dem Kopf und am Korper eher klein, auf den Rucken- und Schwanzflossen eher groß. Aetapcus maculatus hat eine Standardlange von bis zu 22 Zentimetern, wovon der sehr große Kopf einen Langenanteil von 38 bis 50 % einnimmt. Die Art hat einen langlichen Korper, bei dem das Kopfende recht hoch ist und sich zum flachen Schwanzende hin immer weiter verjungt. Die kleinen bis mittelgroßen Augen sind im oberen Kopfbereich positioniert. Der vertikale Mund ist vorstehend. Am Kopf befinden sich keine Stacheln. 2018 wurde im Schadelbereich die anatomische Knochenstruktur des Tranensabels zum ersten Mal beschrieben. Der Tranensabel lasst sich bei Gefahr abspreizen, wodurch er wie eine Klinge absteht. Die Art hat keine Schuppen. Auf dem Korper und auf den Flossen von ausgewachsenen Tieren befinden sich warzenartige Strukturen und flache fleischige Beulen, die ihm seinen englischsprachigen Namen einbrachten, „warty prowfish“ (dt. warziger Bugfisch). Sie hautet sich regelmaßig, um den Bewuchs von Algen und Wirbellosen zu verhindern, dabei kommt Wasser zwischen Korper und die alte Haut, bis diese sich lost und der Fisch sich daraus herauswindet. Aetapcus maculatus hat segmentierte, unverzweigte Flossenstrahlen. Die Flossen sind dick und fleischig. Eine einzelne große Ruckenflosse entspringt vor den Augen und zieht sich bis auf die Schwanzflosse. Die Strahlen und Stacheln haben fast uber die gesamte Lange der Ruckenflosse eine ahnliche Lange, nur in der Nahe der Flossenmitte sind sie etwas kurzer. Wahrend die Schwanzflosse eher klein ist, sind die Brustflossen recht groß und reichen bis uber den Anus hinaus. Die Brustflossen haben verdickte Flossenstrahlen und am hinteren Rand markante Kerben. Flossenformel: Dorsale XVII-XXII/12-13, Anale IV-IX/3-5, Pectorale 8, Caudale 9, Ventrale I/5 Lebensweise Aetapcus maculatus erbeutet hauptsachlich Krebstiere. Er ist ein Lauerjager, der in seinem Lebensraum gut getarnt ist. Lebensraum Aetapcus maculatus lebt in flachen Kustengewassern mit Tiefen von bis zu 40 Metern unter dem Meeresspiegel. Die Art lebt in Riffen im Kustenbereich, Buchten und Hafen. Im Lebensraum werden haufig Schwamme gefunden, teilweise auch Seegras und Makroalgen. Verbreitung Die Art findet man im ostlichen Teil des Indischen Ozeans. Sie ist entlang der Sudkuste Australiens verbreitet. Das Gebiet erstreckt sich von Corner Inlet und Wilsons-Promontory-Nationalpark in Victoria bis hin zum Houtman-Abrolhos-Archipel in Western Australia. Den Fisch findet man außerdem an der Nord- und Ostkuste Tasmaniens. Er ist in diesen Gebieten endemisch. Forschungsgeschichte Im Jahr 1861 beschrieb Albert Gunther die Art anhand eines Exemplars aus dem Gebiet bei Fremantle an der Westkuste Australiens als Pataecus maculatus. Der Artname „maculatus“ leitet sich von lateinischen Wort macula (dt. Fleck) ab. Eric Oswald Gale Scott beschrieb Aetapcus als Untergattung der 1844 von John Richardson eingerichteten Gattung Pataecus. Die beiden Namen sind Anagramme zueinander. Der Gattung wurden neben Aetapcus maculatus auch die 1883 von Franz Steindachner beschriebene Art Aetapcus vincenti (Pataecus vincenti) und die 1891 Robert Mackenzie Johnston beschriebene Art Aetapcus armatus (Pataecus armatus) zugeordnet. Spater wurden alle drei Arten als eine zusammengefasst, sodass Aetapcus maculatus als einzige Art innerhalb der Gattung Bestand hat und die anderen beiden Namen als Synonyme betrachtet werden. Da einige Drachenkopfverwandte Gift produzieren, wurden bei einer 2006 veroffentlichten Studie einige Arten der Unterordnung hinsichtlich moglicher Giftdrusen an den Rucken- und Afterflossen untersucht. Bei dieser Untersuchung wurden bei Aetapcus maculatus keine Giftdrusen nachgewiesen. Schutzstatus Die Gefahrdung von Aetapcus maculatus wurde von der IUCN bisher nicht beurteilt. Weblinks Aetapcus maculatus auf Fishbase.org (englisch) Einzelnachweise
Aetapcus maculatus ist ein zu den Indianerfischen zahlender Fisch, der vor der Kuste Australiens vorkommt. Er ist der einzige Vertreter der Gattung Aetapcus.
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c-601
Der Col du Lautaret ist ein Gebirgspass in den Franzosischen Alpen. Er verbindet uber die Route departementale 1091 (RD 1091) die Taler der Romanche und der Guisane, die in den traditionellen franzosischen Regionen Oisans bzw. Brianconnais liegen. Der Lautaret gehort zum Departement Hautes-Alpes und bildet den Anschluss an das Departement Isere sowie, via den Col du Galibier, an das Departement Savoie. Streckenfuhrung Man erreicht den Col du Lautaret von drei Seiten. Die Sudostrampe beginnt in Briancon und fuhrt hinauf zur 2057 m hohen Passhohe. Die Westrampe kommt aus dem Ort Le Clapier bei Le Bourg-d’Oisans. Dies ist die langere und schwierigere Seite zum Lautaret. An ihr liegt der Stausee Lac du Chambon und der Wintersportort La Grave. Diese Hauptachse der Passstraße, die Briancon mit Grenoble verbindet, ermoglicht einen einfacheren Zugang zu vier Skigebieten: Serre Chevalier von Norden sowie La Grave, Les Deux Alpes und L’Alpe d’Huez von Suden. Von Norden ist der Col du Lautaret von Saint-Michel-de-Maurienne uber den vorgelagerten Col du Telegraphe (1566 m), den Skiort Valloire und den Col du Galibier (2645 m) erreichbar. Der Col du Lautaret ist nach dem Col du Vars der zweithochste Pass Frankreichs, der den ganzen Winter befahrbar bleibt. Kurze Sperrungen sind aber manchmal aus Sicherheitsgrunden notwendig. Dabei geht die Hauptgefahr nicht vom Schnee aus (Lawinengefahr bzw. Lawinenabgangen), sondern von dem starken Wind am Pass. Die Sperrungen des seit 1958 im Winter geraumten Passes gingen von bis zu 53 Tagen in den 1960er Jahren auf maximal acht Tage in den 2000er Jahren zuruck. Geschichte der Passstraße Funde aus der Eisenzeit zeigen, dass der Pass schon in prahistorischer Zeit als Ubergang genutzt wurde. Die Romer bauten eine Straße von Gratianopolis (Grenoble) nach Brigantium (Briancon), die uber das Col du Lautaret fuhrte. Im fruhen Mittelalter war die Passstraße eine wichtige Nord-Sud-Verbindung von Grenoble uber Briancon, Montgenevre und Susa nach Turin, bzw. uber Gap in das Durancetal. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts trieb Napoleon I. den Ausbau von Straßen in den Alpen mit dem Ziel voran, die Kommunikation und den Handel zu verbessern sowie militarische Zugangswege zu schaffen. Die Arbeiten an der neuen Passstraße, der Route nationale 91 (RN 91), die oft vom Verlauf der alten Wege abwich, fanden zwischen 1807 und 1884 statt, wobei es mehrere Unterbrechungen aufgrund politischer Veranderungen gab, sowie wegen technischer Probleme im Zusammenhang mit der Straßenfuhrung im Gelande. Der Streckenabschnitt Villar-d'Arene – Col du Lautaret wurde bereits 1850 eroffnet und der Abschnitt Le Monetier-les-Bains – Col du Lautaret folgte 1861. Am Ende der Bauzeit (1884) war die befahrbare Straße 8 m breit und bestand aus einer 15 cm dicken Schotterschicht und feinem Kies. Die Straßenfuhrung wurde im 20. Jahrhundert nur geringfugig verandert. So wurde beispielsweise mit der Errichtung des Chambon-Staudamms die Straße 1935 aus dem Talboden in den Hang verlegt, wo sie durch mehrere Tunnel fuhrt. Ende des 20. Jahrhunderts wurde die RN 91 zur RD 1091 heruntergestuft, so dass heute die Departements fur Instandhaltung und Schneeraumdienste aufkommen mussen. Der Tourismus in der Region um den Lautaret wurde u. a. auch von der Eisenbahngesellschaft Paris-Lyon-Mediterranee (PLM) weiterentwickelt. Von 1914 bis 1944 betrieb die PLM auf der Passhohe in der Nahe des Botanischen Gartens ein PLM-Chalet-Restaurant, das schnell zu einem großen Luxushotel ausgebaut wurde. Es lag an zwei großen Alpenstraßen. Einerseits lag es an der Verbindung Grenoble – Briancon, beide Stadte waren mit der Eisenbahn erreichbar, zwischen denen ein Linienverkehr mit Bussen bestand. Andererseits lag es an der Route des Alpes, einer Straßenverbindung zwischen Evian-les-Bains und Nizza. Nach der Zerstorung des Gebaudes am 11. August 1944 durch die Wehrmacht wurde ein neues Gastehaus fur die Offentlichkeit, Studenten und Forscher gebaut. Gedenkstatte fur Opfer des Zweiten Weltkriegs Auf der Passhohe, kurz nach der Abzweigung der D 902, liegt die „Chapelle des Fusilles“, eine Gedenkstatte fur franzosische und italienische Opfer des Zweiten Weltkriegs. Anfang August 1944 sollte eine in Le Monetier-les-Bains stationierte Abteilung der 157. Reserve-Division der Wehrmacht im Romanchetal Widerstandsnester der Resistance „saubern“. Die Division wurde von Partisanen, den sogenannten Maquis de l’Oisans attackiert. Am 11. August nahmen Wehrmachtssoldaten am Col du Lautaret 17 Manner gefangen und erschossen sie, nachdem diese gezwungen wurden, ihre eigenen Graber auszuheben. Die Opfer waren sowohl Bauern, die auf den Wiesen in der Nahe der Passhohe Heu einfuhren, als auch franzosische und italienische Widerstandskampfer. Um sich gegen Partisanenangriffe zu schutzen, nahmen die Wehrmachtssoldaten noch am selben Tag alle Manner des Dorfs Villar-d’Arene als Geiseln, von denen funf (und ein Wehrmachtssoldat) im Tunnel von Chambon umkamen. Am 14. und 15. August erschossen sie in Bourg-d’Oisans mehrere Juden, die sich nach dem deutschen Einmarsch in die Sudzone – Unternehmen Anton – hierher gefluchtet hatten sowie Widerstandskampfer und Geiseln. An die Namen der Opfer erinnern Gedenktafeln in der Kapelle sowie an einer Stele vor der Kapelle. Etymologie Nach Abtrennung des bestimmten Artikels „L'“ bleibt noch das Wort „autaret“ ubrig. Dieses ist wahrscheinlich vom vorindogermanischen Stammwort aut- abgeleitet, das eine „Hohe“ oder „Erhebung“ ausdruckt. Von aut- kann einerseits das lateinische Wort altare, „Altar“ abstammen, und andererseits allaret, allare oder autaret fur „der hochste Punkt eines Pfades, der zu einem Pass, einer Alm oder einem Berg fuhrt“. Botanischer Garten Der Botanische Garten Jardin du Lautaret liegt 200 m westlich von der Passhohe auf etwa 2.100 m Hohe. Er wurde 1919 von Professor Mirande mit Unterstutzung des Grenobler Landschaftsarchitekten Ginet und dem Touring Club de France angelegt. Er erweiterte den seit 1899 an dieser Stelle existierenden Botanischen Garten von Professor Lachmann. Der Garten hat eine Flache von zwei Hektar und beheimatet mehr als 2.000 Gebirgspflanzen und Pflanzen aus kalten Regionen der Welt. Der Garten wird von der Grenobler Universitat Joseph Fourier und des CNRS betrieben und dient sowohl wissenschaftlichen Zwecken, wie z. B. der Sammlung von Rosengewachsen (Rosaceae), okologischen Zwecken wie der Wiederbelebung der Landschaft, als auch padagogischen und konservatorischen Zwecken. Der Park soll das breite Publikum ansprechen und gefahrdete Arten schutzen helfen. Seit 2005 besitzt der Garten die Einstufung als Jardin remarquable. Radsport = Tour de France = Die Passstraßen zum Col du Lautaret werden haufig von der Tour de France uberquert, weil sie wichtige Verbindungen zwischen den Talern der Maurienne, Durance und Romanche sind. Erstmals nutzte die Frankreich-Rundfahrt den Pass als Abfahrt im Jahr 1911, nachdem zunachst der hohere Col du Galibier (2645 m) uberquert worden war. In den folgenden Jahren blieb der Lautaret immer nur ein Teilabschnitt des Galibier, ehe er 1950 das erste Mal als eigenstandiger Pass uberquert wurde. Damals sicherte sich Apo Lazarides auf der Ostauffahrt von Briancon die Bergwertung der 2. Kategorie. Bis heute wurden auf dem Col du Lautaret elf weitere Bergwertungen ausgefahren. In den verschiedenen Austragungen wurden beide Seiten des Passes befahren, wobei der Anstieg bereits als 3., 2. und 1. Kategorie klassifiziert wurde. Bei der Tour de France 1972 wurde auf der nur 51 Kilometer langen Etappe 14a, die von Briancon nach Vallorie fuhrte, sowohl eine Bergwertung auf dem Col du Lautaret als auch auf dem Col du Galibier abgenommen. Die letzte Uberquerung des Passes fand im Jahr 2014 auf der 14. Etappe statt, als die Frankreich-Rundfahrt weiter uber den Col d’Izoard (2360 m) nach Risoul fuhrte. Obwohl der hochste Punkt des Col du Lautaret haufig von der Tour de France erreicht wurde, wird aufgrund seiner Lage zum Col du Galibier nur selten eine Bergwertung abgenommen. Auch 2022 wurde die Passhohe im Verlauf der 11. und 12. Etappe erreicht, ebenso wie 2024 bei der 4. Etappe. = Giro d’Italia = Der Giro d’Italia fuhrte bislang zweimal uber den Col du Lautaret. Beide Uberquerungen fanden im Jahr 1994 statt, wobei die Ostauffahrt auf der 20. Etappe und die Westauffahrt auf der 21. Etappe befahren wurde. Die Bergwertungen sicherten sich der Schweizer Pascal Richard und der Italiener Massimo Podenzana. = Vuelta a Espana = Im Jahr 2025 soll der Col du Lautaret erstmals von der Vuelta a Espana uberquert werden. Der Pass wird im Anschluss an den Col de Montgenevre befahren, womit bei de Passe Bergwertungen aller drei Grand Tours darstellen werden. Das Ziel der 4. Etappe befindet sich im franzosischen Voiron. Weblinks Maurice Gidon: Le col du Lautaret et ses abords : l’enveloppe sedimentaire de l’extremite NE du massif cristallin du Combeynot. In: Geol-Alp. 27. Januar 2023; abgerufen am 10. April 2024 (franzosisch, Geologie des Lautaret). Col du Lautaret von Briancon – Anstiegsprofil. In: Climbfinder. Abgerufen am 10. April 2024. Col du Lautaret – Anstiegsprofil. In: Climbfinder. Abgerufen am 10. April 2024 (deutsch, Streckenprofil von Bourg d’Oisans, Fuss der Staumauer von Le Clapier). Station alpine Joseph Fourier. In: jardinalpindulautaret.fr (franzosisch, englisch) Le jardin du Lautaret. In: jardindulautaret.com. Abgerufen am 10. April 2024 (franzosisch). Einzelnachweise
Der Col du Lautaret ist ein Gebirgspass in den Franzosischen Alpen. Er verbindet uber die Route departementale 1091 (RD 1091) die Taler der Romanche und der Guisane, die in den traditionellen franzosischen Regionen Oisans bzw. Brianconnais liegen. Der Lautaret gehort zum Departement Hautes-Alpes und bildet den Anschluss an das Departement Isere sowie, via den Col du Galibier, an das Departement Savoie.
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c-602
Henriette Zobel, geschiedene Krahe (geboren am 23. Februar 1813 in Oberrad bei Frankfurt am Main als Maria Margaretha Heinrietta Pfaff (oder Paff); gestorben nach dem 20. Januar 1865), war eine hessische Burgerin, die in die Ermordung der Mitglieder der Frankfurter Nationalversammlung Hans von Auerswald und Felix von Lichnowsky am 18. September 1848 involviert war. Trotz schwacher Beweise wurde sie 1853 wegen „Theilnahme an einem Complott“, „Anstiftung und Radelsfuhrung“ und „Betheiligung an der Misshandlung und Todtung des Generals von Auerswald“ zu 16 Jahren Zuchthaus verurteilt. Obwohl das Oberappellationsgericht der vier Freien Stadte zwei Jahre spater die ersten beiden Anklagepunkte fallen ließ, reduzierte es das Strafmaß nur um ein Jahr. Das Urteil gilt als exzessiv und politisch motiviert. Insgesamt verbrachte Zobel 17 Jahre in Untersuchungshaft und Zuchthaus. Leben Henriette Pfaff wurde 1813 geboren als Tochter des Ehepaars Tobias Pfaff (1788/89–1818), Backermeister, und Maria Christina geb. Jack (1791/92–1830). Ihr Vater starb, als sie funf Jahre alt war, worauf ihre Mutter 1820 erneut heiratete. Der zweite Ehemann der Mutter war der Offenbacher Christian Muller. Aus der ersten Ehe ihrer Mutter hatte Henriette Pfaff vier jungere Geschwister, aus deren zweiter Ehe sechs Halbgeschwister. Um 1828/29 zog die Familie nach Offenbach. Dort starb die Mutter 1830 an Typhus. Wohl wegen des Tods ihrer beiden Eltern wurde der Handelsmann Jakob Scheibler Henriette Pfaffs Vormund. Zu Beginn der 1830er Jahre trat Henriette Pfaff in die Dienste einer Offenbacher Witwe. Danach zog sie zu ihrem Vormund, um sich dort „in weiblichen Arbeiten ferner auszubilden“. Mit ihm kam es wegen ihres vaterlichen Erbteils zu Vermogenstreitigkeiten und einem Prozess, der bis 1848 noch nicht entschieden war. Daraufhin verließ sie dessen Haus und heiratete am 14. Juli 1833 in Offenbach den Buchdrucker Georg Friedrich Krahe. Die Ehe blieb kinderlos und wurde am 25. Oktober 1837 ohne Angabe von Grunden, „kraft landesherrlicher Machtvollkommenheit“, aufgelost. In den folgenden anderthalb Jahren verdiente sich Henriette Pfaff ihren Lebensunterhalt mit Handarbeiten. Am 27. Marz 1839 heiratete sie zum zweiten Mal, diesmal den Darmstadter Burger und Lithografen Isaak Karl Zobel (1804–1861). Das Ehepaar ließ sich in Seckbach nieder. Auch diese Ehe blieb kinderlos. Mitte 1848 zog das Paar nach Bornheim, was durch eine Abschlagszahlung von 200 Gulden auf Henriette Zobels vaterliches Erbe moglich geworden war. In Frankfurt am Main tagte seit 18. Mai 1848 die Frankfurter Nationalversammlung. Viele Frauen, darunter Henriette Zobel, waren politisch interessiert und besuchten regelmaßig deren Sitzungen. Sie konnten diese in der Paulskirche von der Empore oder von der Damengalerie im Erdgeschoss aus verfolgen. Ermordung der Abgeordneten Auersfeld und Lichnowsky und Prozess = Tat und Verhaftung = Am 16. September beschloss die Frankfurter Nationalversammlung, den am 26. August 1848 von Preußen vereinbarten Waffenstillstand von Malmo im deutsch-danischen Krieg um Schleswig-Holstein anzunehmen, was von den Linken entschieden abgelehnt worden war. Bei einer Massenversammlung auf der Pfingstweide vor den Toren Frankfurts am 17. September protestierten 10.000 Menschen vehement gegen dieses Vorgehen. Fur den Folgetag wurde eine bewaffnete Volksversammlung angekundigt. Reichsministerium und stadtische Obrigkeit forderten daraufhin zum Schutz Truppen an. Am 18. September kam es zu schweren Hauser- und Straßenkampfen, die Aufstandischen wurden schnell besiegt. Wahrend der noch laufenden Kampfe machten die rechtsliberalen Abgeordneten Hans von Auerswald und Felix von Lichnowsky, die der so genannten Casino-Fraktion des rechten Zentrums angehorten, einen militarischen Erkundungsritt, bei dem sie in die Hande von Aufstandischen gerieten und ermordet wurden. Es ist nicht klar, ob Auerswald und Lichnowsky zuerst geschossen hatten und daraufhin von einer aufgebrachten Menge erschlagen wurden oder ob sie gezielt Opfer von Lynchjustiz wurden. Fur die Konservativen und die gemaßigten Liberalen bedeutete der Doppelmord jedenfalls ein Fanal. Henriette Zobel wurde sechs Tage nach dem Doppelmord, am 24. September, „auf Grund mehrfacher Indizien und dem Gericht gewordener vertraulicher Mittheilung“ verhaftet. Dabei wurde auch ihr Regenschirm sichergestellt. Obwohl die polizeilichen Ermittlungen bereits im Marz 1849 abgeschlossen waren, zog sich die Eroffnung des Gerichtsverfahren hin, was auf das Warten auf die Einfuhrung des Geschworenengerichts in Frankfurt am Main zuruckgefuhrt wird. Ein weiterer Grund fur die Verzogerung konnte darin liegen, dass Henriette Zobel und die beiden ebenfalls inhaftierten Georg Andreas Nispel und Philipp Ruckert Anfang Dezember 1851 in einer Bittschrift beantragt hatten, „sie nach dem bisherigen Kriminalverfahren aburtheilen zu lassen“. Am 5. Dezember 1851 wies das Appellationsgericht den drei Inhaftierten die Verteidiger Garth, Mumm und Carl Jeanrenaud zu. Die Bedingungen der insgesamt funf Jahre dauernden Untersuchungshaft waren hart. = Darstellung in den Medien = Schon bevor ihr der Prozess gemacht wurde, wurde Zobel als zentrale Figur und Verantwortliche der Tat in der Offentlichkeit etabliert. Die Vorstellung von den Ereignissen des 18. September wurde dauerhaft von einem einzigen Bild gepragt, so der Historiker Remigius Bruckmann, namlich von der Zeichnung „Ermordung der Abgeordneten von Auerswald u. von Lichnowsky“. Dieses „Ereignisbild“ schuf Wilhelm Volker kurz nach der Tat. Es wurde von verschiedenen Medien – als Holzstich, Lithografie, Zeitungsbild, Bilderbogen und als dekoratives Erinnerungsstuck – in unterschiedlichen kompositorischen Abwandlungen ubernommen, was dem Bild den Status einer Ikone mit „dem entsprechenden Authentizitatsanspruch“ verschaffte. Volkers ursprungliche Zeichnung zeigt eine aufgebrachte Menge, in der Bildmitte einen von mehreren Mannern festgehaltenen Mann (Lichnowsky), auf dessen entbloßte Brust ein Gewehr gerichtet ist. Diese Fassung erschien leicht abgewandelt als Holzstich erstmals am 14. Oktober 1848 in der Illustrirten Zeitung. Etwas spater kam die Zeichnung als Bilderbogen bei der Firma May in den Verkauf. In dieser Fassung ist im Hintergrund eine einen Regenschirm schwingende Frau, namlich Henriette Zobel, zu sehen. Im Holzstich der Illustrirten Zeitung befand sich an dieser Stelle eine beilschwingende Hintergrundsfigur. In der kolorierten Fassung ist der Regenschirm rot dargestellt, um Zobels politisch linke Gesinnung herauszustellen, obwohl der Regenschirm in Wirklichkeit schwarz war. Ein etwas spater in Frankfurt veroffentlichtes Blatt reduzierte die Szene noch weiter auf eine „biblische Steinigungsszene“ und zeigt den Abgeordneten, von Bewaffneten umringt und bedroht. Eine uberdimensional dargestellte Marktfrau, wiederum Zobel, schlagt mit einem riesigen Schirm auf ihn ein. Darstellungen von 1848 der Ermordung der Abgeordneten Auerswald und Lichnowsky = Prozess und Verurteilung = Erst nach funf Jahren Untersuchungshaft wurde Zobel wegen des Mordes an dem Abgeordneten Auerswald der Prozess gemacht. Was uber ihre Beteiligung und ihr politisches Engagement bekannt ist, stammt im Wesentlichen aus den Prozessakten und dem Gutachten Christian Reinhold Kostlins, Professor fur Strafrecht, der uber die Ermordung und den Prozess eine Abhandlung auf Basis der Prozessakten veroffentlichte. Wie der Historiker Lothar Gall betonte, zielten ihre Aussagen und die Argumentation des Verteidigers, Daniel Heinrich Mumm, wahrend des Prozesses darauf ab, sie im guten Licht erscheinen zu lassen, weshalb sie zum Beispiel leugnete, je die Sitzungen in der Paulskirche besucht zu haben. Sie hatte sich lediglich einmal die „Decorirung“ der Kirche angesehen. Henriette Zobel hatte an der Massenversammlung auf der Pfingstweide teilgenommen, was sie nicht abstritt. Gall schatzte sie daher als Linke ein, die „sich von der moglicherweise auch gewaltsamen Durchsetzung des politischen und gesellschaftlichen Programms dieser Linken zugleich eine entscheidene Veranderung und Verbesserung ihrer privaten Lage versprach.“ Am Nachmittag des 18. September begleitete Henriette Zobel ihren Mann, als dieser eine Lithografie mit Steinplatte auslieferte. Wegen einer Barrikade kamen sie jedoch nicht zu ihrem Kunden durch, deponierten die Steinplatte bei einem Bekannten und machten sich auf den Ruckweg nach Bornheim. Am Friedberger Tor stießen sie auf die Menge, die die beiden Abgeordneten verfolgte, und schlossen sich dieser an. Das folgende Geschehen erklarte Zobels Verteidiger mit Massenhysterie. Die Menge hatte die beiden Reiter der Spionage fur die einruckenden preußischen Truppen verdachtigt, weil sie sich nach deren Marschrichtung erkundigt hatten. Zudem hatten sie Lichnowsky erkannt, der als Sprecher der Konservativen den links Gesinnten verhasst war. In blinder Wut hatten sie ihn daraufhin verfolgt und schließlich getotet. Henriette Zobel, aber nicht ihr Mann, lief in der Menge mit. Die Anklage warf ihr vor, auf der Friedberger Chaussee Steine auf die beiden Abgeordneten geworfen zu haben. Dann sollte sie den Verfolgern das Haus gezeigt haben, in dem sich die Abgeordneten versuchten zu verstecken, mit ihrem Regenschirm auf Auerswald eingeschlagen und die Menge zu seiner Ermordung aufgefordert haben. Schließlich hatte sie noch Steine auf den bereits am Boden Liegenden geschleudert. Zobel gab zu, in der Menge mitgelaufen zu sein und mit ihrem Regenschirm gefuchtelt oder geschlagen zu haben, wies aber die anderen Vorwurfe zuruck. Zobel wurde am 31. Januar 1853 zu sechzehn Jahren Zuchthaus wegen „Theilnahme an einem Complott zur Todtung des Generals von Auerswald sowie der Anstiftung und Radelsfuhrung dabei“ verurteilt. Mit ihr wurden der Schneidergeselle Philipp Ruckert (?–1854) und der Etuimacher und Buchbinder Georg Andreas Nispel (1811–1853) wegen der Morde an den Abgeordneten mit Zuchthausstrafen von funf bzw. 14 Jahren belegt. Bei der Revision zwei Jahre spater ließ das Oberappellationsgericht in Lubeck die Anklagepunkte „Theilnahme an einem Complott“ und „Anstiftung und Radelsfuhrung“ ganz fallen. Es blieb die „Betheiligung an der Misshandlung und Todtung des Generals von Auerswald“. Trotz dieser in Summe weniger schwerwiegenden Tatbestande, im modernen Strafrechtsbegriff „Beihilfe zum Totschlag“, reduzierte das Gericht Zobels Zuchthausstrafe nur um ein Jahr auf funfzehn Jahre, worauf drei der bis dahin schon verbußten sechs Jahre Untersuchungshaft angerechnet wurden. Der Strafrahmen fur Totschlag lag damals bei funf bis 25 Jahren. Gall bezeichnete das Urteil, das sich nur auf unsichere Beweise stutzte, als „zweifellos exzessiv“. Der dunnstielige Schirm hatte keine ernsthafte Waffe dargestellt, der Hinweis auf den Steinwurf blieb vage und die Obduktion hatte keinen Hinweis auf davon herruhrende Verletzungen belegt. Tatsachlich starben die beiden Abgeordneten durch Schusse. Eine fuhrende Rolle Zobels, wie im Urteil festgehalten, schließt Gall aus, da sich das in den vielfaltigen Quellen zum Geschehen niedergeschlagen hatte und auch die polizeiliche Untersuchung dies belegt hatte. Gall kam zu dem Schluss, dass das Urteil „zweifellos ein politischer Akt, ein Akt der politisch motivierten Strafjustiz“ gewesen sei, da man bei einem derartigen Verbrechen sonst die Art und den Grad der individuellen Tatbeteiligung sehr viel genauer und zugleich unbefangener hatte prufen mussen: „Es handelte sich also um ein Urteil im Interesse und zu Gunsten der wiederhergestellten politischen und sozialen Ordnung.“ Das harte Urteil fuhrte er darauf zuruck, dass es auf dem Hohepunkt der Reaktionszeit erging. = Haft und Entlassung = Ihre Zuchthausstrafe verbußte Zobel zunachst im großherzoglich-hessischen Korrektionshaus in Dieburg, spater wurde sie in das großherzogliche Landeszuchthaus zu Marienschloß bei Rockenberg verlegt. In den folgenden Jahren reichte Zobel zwei Gnadengesuche ein, denen nicht entsprochen wurde. Erst 1865 hatte ein erneutes Gnadengesuch Erfolg. Wegen ihrer zerrutteten Gesundheit wurde sie am 20. Januar 1865 auf Bewahrung entlassen. Insgesamt hatte sie 17 Jahre in Untersuchungshaft und Zuchthaus verbracht. Nach ihrer Entlassung zog Zobel in das Gebiet des Großherzogtums Hessen, des Geburtsstaates ihres Mannes, der vier Jahre zuvor gestorben war. Vermutlich war ihr zur Auflage gemacht worden, dass sie das Territorium der Stadt Frankfurt am Main nicht mehr betreten durfe. Ein letztes Mal ist sie im Adressbuch der Stadt Offenbach von 1865 verzeichnet mit dem Eintrag: „Zobel, Karl Wttb., Mainquai 6“. (Die nachgestellte Abkurzung „Wttb.“ meint Wittib, also Witwe, im Sinn von „die Witwe des Karl Zobel“.) Uber ihr spateres Leben und ihren Tod ist nichts bekannt. Rezeption und Wirkungsgeschichte = Zeitgenossische Rezeption = In seiner Darstellung der Ermordung und des Prozesses charakterisierte der Strafrechtsprofessor Christian Reinhold Kostlin Henriette Zobel folgendermaßen und pragte damit das Bild von ihr nachhaltig: = Wirkungsgeschichte = 1930 griff der Historiker Veit Valentin auf Kostlins Darstellung zuruck und schilderte Zobels Beteiligung am Mord in seiner Geschichte der deutschen Revolution von 1848–49 wie folgt: Zobel war fur den Mord an Auerswald verurteilt worden, Valentin nannte falschlicherweise Lichnowsky, vermutlich, weil durch die Lithografien nach Volker dessen Schilderungen das kulturelle Gedachtnis beherrschten. Wie Gall ausfuhrt, hatten Kostlin und fast achtzig Jahre spater Valentin gefolgert, dass Zobel durch ihre Besuche der Sitzungen der Nationalversammlung zur engagierten Parteigangerin der außersten Linken geworden sei und „alles weitere haben sich daraus dann mit innerer Logik ergeben“. Valentin hatte Kostlins Schlussfolgerungen dann noch radikalisiert und sie zur Hauptanstifterin gemacht. Zobels Schirm blieb im Stadtarchiv bei den Kriminalakten bewahrt. Im Jahr 1950 wurde er an das Historische Museum Frankfurt ubergeben, in dessen Dauerausstellung er heute (2024) gezeigt wird. Literatur Remigius Bruckmann: Die Ermordung der Abgeordneten von Auerswald und von Lichnowsky am 18. September 1848 in Frankfurt a. M. Zur bildlichen Darstellung und propagandistischen Aufbereitung eines deutschen Revolutionsereignisses. In: Christine Vogel, Herbert Schneider, Horst Carl (Hrsg.): Medienereignisse im 18. und 19. Jahrhundert. Beitrage einer interdisziplinaren Tagung aus Anlass des 65. Geburtstages von Rolf Reichardt (= Ancien Regime, Aufklarung und Revolution. Band 38). Bd. 38. Oldenbourg, Munchen 2009, ISBN 978-3-486-58296-3, S. 113–143. Lothar Gall: Henriette Zobel. In: Andreas Fahrmeir, Sabine Freitag (Hrsg.): Mord und andere Kleinigkeiten. Ungewohnliche Kriminalfalle aus sechs Jahrhunderten (= Beck’sche Reihe. Band 1408). 2. Auflage. Beck, Munchen 2001, ISBN 978-3-406-45948-1, S. 106–118. Lothar Gall (Hrsg.): FFM 1200. Traditionen und Perspektiven einer Stadt. Thorbecke, Sigmaringen 1994, ISBN 978-3-7995-1203-9, S. 226. Die Frankfurter Septembertage, von einem Augenzeugen. V. Ermordung des Fursten Lichnowsky und des Generals v. Auerswald. In: Deutsche Vierteljahrs Schrift, Heft 4/1848, S. 1243 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/dvs Weblinks Andreas Eichstaedt: Zobel, Henriette. In Frankfurter Personenlexikon 8. Juni 2023. Andreas Eichstaedt: Die Revolutionarin Henriette Zobel, geb. Pfaff. In Frankfurter Frauenzimmer 2023. Objekteintrag Regenschirm der Henriette Zobel, angehangtes Etikett mit Frankfurter Amtssiegel und handschriftliche…, Historisches Museum Frankfurt Ursula Kern: Die Demokratin Henriette Zobel – unschuldig verhaftet. Blog Historisches Museum Frankfurt 18. September 2020. Einzelnachweise
Henriette Zobel, geschiedene Krahe (geboren am 23. Februar 1813 in Oberrad bei Frankfurt am Main als Maria Margaretha Heinrietta Pfaff (oder Paff); gestorben nach dem 20. Januar 1865), war eine hessische Burgerin, die in die Ermordung der Mitglieder der Frankfurter Nationalversammlung Hans von Auerswald und Felix von Lichnowsky am 18. September 1848 involviert war. Trotz schwacher Beweise wurde sie 1853 wegen „Theilnahme an einem Complott“, „Anstiftung und Radelsfuhrung“ und „Betheiligung an der Misshandlung und Todtung des Generals von Auerswald“ zu 16 Jahren Zuchthaus verurteilt. Obwohl das Oberappellationsgericht der vier Freien Stadte zwei Jahre spater die ersten beiden Anklagepunkte fallen ließ, reduzierte es das Strafmaß nur um ein Jahr. Das Urteil gilt als exzessiv und politisch motiviert. Insgesamt verbrachte Zobel 17 Jahre in Untersuchungshaft und Zuchthaus.
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David Thieme (* 1940, 1941 oder 1942 in Minneapolis, Minnesota) ist ein ehemaliger US-amerikanischer Industriedesigner und Olhandler, der in den spaten 1970er-Jahren durch sein Unternehmen Essex Overseas Petroleum Corporation und dessen Motorsportsponsoring bekannt wurde. Essex war knapp zwei Jahre lang vor allem mit dem britischen Formel-1-Rennstall Lotus verbunden und pragte in dieser Zeit dessen offentliches Erscheinungsbild. Biografische Angaben Thieme wurde in den USA geboren. Die meisten Quellen geben sein Geburtsjahr mit 1942 an, andere lassen auf die Jahre 1940 oder 1941 schließen. Einige Details zu Thiemes Herkunft sind nicht zweifelsfrei geklart. Uberwiegend wird angenommen, dass er in Minneapolis auf die Welt kam und in New York City aufwuchs. Sein Vater war ein Flugzeugingenieur, der wahrend des Zweiten Weltkriegs fur die Waco Aircraft Company tatig war. Abweichend davon wird vereinzelt behauptet, Thieme sei ein Sohn des in Rotterdam geborenen Marinemalers Anthony Thieme (1888–1954), der 1910 nach Amerika ausgewandert war. Dem steht entgegen, dass Anthony Thieme mehreren Biografien zufolge kinderlos starb. David Thieme erhielt eine Ausbildung am Pratt Institute in Brooklyn und arbeitete einige Jahre in den USA als Industriedesigner, bevor er zu Beginn der 1970er-Jahre in den Olhandel wechselte. Er grundete das Handelsunternehmen Essex Overseas Petroleum Corporation, mit dem er innerhalb kurzer Zeit zu großem Wohlstand kam. Ab 1979 tauchte Thieme regelmaßig bei Formel-1-Rennen auf. Er investierte viel Geld in die Formel 1 und ihr Umfeld – eine Quelle geht von insgesamt 12 Mio Dollar in zwei Jahren aus –, darunter auch fur aufwendige Teamprasentationen. Thieme galt als Exzentriker, der „den Glamour in die Formel 1 brachte“. Viele zeitgenossische Berichte kommentierten auch sein außergewohnliches Erscheinungsbild, zu dem ein schwarzer Fedora, ein Kinnbart und eine eckige, schwarz getonte Sonnenbrille gehorten. Im April 1981 wurde Thieme auf dem Flughafen Zurich-Kloten verhaftet. Grundlage war eine Strafanzeige der Schweizer Bank Credit Suisse, die ihm Betrug in Millionenhohe vorwarf. Thieme befand sich zwei Wochen lang in Untersuchungshaft und wurde, nachdem der saudi-arabische Geschaftsmann Akram Ojjeh eine hohe Kaution hinterlegt hatte, entlassen. In der Folgezeit brachen sein Unternehmen und auch das Motorsportsponsoring zusammen. Zu einem Strafverfahren gegen Thieme kam es allerdings nicht. Seit der Verhaftung ist Thieme nicht mehr offentlich aufgetreten. Einer Pressenotiz aus den 1980er-Jahren zufolge lebte er zu dieser Zeit zuruckgezogen in Paris. Sein weiterer Verbleib ist unbekannt. Industriedesigner Nach dem Abschluss der Berufsausbildung arbeitete Thieme – moglicherweise vermittelt durch Kontakte seines Vaters – in der Flugzeugindustrie. Er grundete in den 1960er-Jahren ein eigenes Unternehmen, das darauf spezialisiert war, Inneneinrichtungen von Geschaftsreiseflugzeugen zu gestalten. Hierbei kam er unter anderem mit Olkonzernen in Kontakt, die sich individuell eingerichtete Privatflugzeuge fur ihr Management von Thieme entwerfen ließen. Thieme war in diesem Segment erfolgreich. Zu Beginn der 1970er-Jahre war er Millionar. 1973 gab er diese Tatigkeit komplett auf. Essex Overseas Petroleum Corporation 1973 verlagerte Thieme seine Berufstatigkeit auf den Roholhandel. In diesem Jahr grundete er die Essex Overseas Petroleum Corporation, die in Monaco ansassig war. Einigen Quellen zufolge befand sich der Unternehmenssitz im dortigen Hotel de Paris. Essex wird vielfach als One Man Show bezeichnet, was darauf hindeutet, dass Thieme die Geschafte meist allein oder mit nur sehr wenigen Mitarbeitern abwickelte. Thiemes Geschaftsmodell ahnelte dem des spanisch-israelischen Rohstoffhandlers Marc Rich. Thieme beschrankte sich auf den Handel mit Rohol; sein Unternehmen war weder an der Olforderung noch an der Verarbeitung beteiligt. Dabei nutzte er Preisschwankungen aus, zu denen es ab 1973 unter anderem als Folge des Jom-Kippur-Kriegs kam, und betrieb mit Staaten Handel, die von regionalen oder internationalen Embargos erfasst waren. Um immer großere Geschafte finanzieren zu konnen, ließ er sich ab 1977 von der Schweizer Bank Credit Suisse hohe Darlehen gewahren. Damit war Thieme mindestens bis in die spaten 1970er-Jahre sehr erfolgreich. Laut einer Quelle belief sich der Jahresgewinn des Unternehmens 1979 auf 70 Mio US-$. Es gibt Hinweise darauf, dass Essex zum Jahreswechsel 1980/81 in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet. Teilweise war von nicht bezahlten Rechnungen die Rede. Ungewohnlich war, dass Thieme, der auffallige Auftritte im „Motorsportzirkus“ schatzte, bei den ersten beiden Formel-1-Rennen der Saison 1981 nicht erschien und zeitweise unerreichbar war. Nach Thiemes Verhaftung wurden die Vermogenswerte von Essex und Thieme verwertet, darunter ein Reisebus, ein Helikopter und ein Privatflugzeug. Dadurch brach das Unternehmen zusammen und stellte den Geschaftsbetrieb ein. Motorsportsponsoring Thieme war seit den fruhen 1970er-Jahren Motorsportenthusiast. Eine Quelle beschreibt ihn unter anderem als Fan des US-amerikanischen Rennfahrers Parnelli Jones. Uber Francois Mazet, einen ehemaligen franzosischen Rennfahrer, der seit den 1970er-Jahren als Sponsorvermittler im Motorsport tatig war, kam Thieme in Kontakt zu Porsche und zum britischen Formel-1-Team Lotus, deren Werksteams er in der Folgezeit finanziell unterstutzte. Mazet war in dieser Zeit Thiemes Berater und Organisator. Durch das Sponsoring wurde der Name Essex international bekannt. = Porsche = Thieme begann im Fruhjahr 1979 ein kurzfristiges Motorsportsponsoring fur Porsche. Der Stuttgarter Sportwagenhersteller engagierte sich in den 1970er-Jahren mit Kundenfahrzeugen, teilweise aber auch werksseitig in der Sportwagen-Weltmeisterschaft. Nachdem Porsches Werksteam mit dem Gruppe-6-Sportwagen Porsche 936 Turbo und Unterstutzung von Martini Racing das 24-Stunden-Rennen von Le Mans 1976 und auch das Rennen 1977 gewonnen hatte, reichte es 1978 nur zum zweiten Platz hinter Renault Alpine, die mit ihrem V6-Turbomotor fur 1979 in die Formel 1 wechselten. Zudem war Martini 1979 in der F1 bei Lotus engagiert. Von Porsche war daher fur das 24-Stunden-Rennen von Le Mans 1979 keine werksseitige Teilnahme geplant; man wollte das Feld den zahlreichen Kunden des auf dem 911 basierenden Gruppe-5-Rennwagen Porsche 935 Turbo uberlassen. Eine Anderung der Planungen ergab sich, als Thieme Anfang 1979 Porsche die Finanzierung eines Werkseinsatzes in Le Mans zusagte. Zur Vorbereitung des Le-Mans-Einsatzes ging Porsches Werksteam am 6. Mai 1979 mit Jochen Mass und Brian Redman beim 6-Stunden-Rennen von Silverstone an den Start. Den nur 1978 eingesetzten extrem flachen und starken 935/78 „Moby Dick“ ließ man stehen, um den Kunden in dieser Klasse keine Konkurrenz zu machen. Es wurde nur bei den Sportwagen angetreten und der drei Jahre alte erste Porsche 936/78 (Chassis 001) modifiziert. Das weiterhin in Grundfarbe weiß lackierte Auto mit blauem Cockpitrand und roter Motorhaube trug an den Wagenflanken einen kaum erkennbaren Essex-Schriftzug; Essex war hier allerdings noch nicht Namenssponsor des Rennstalls, es wurde unter Nennung von Porsche System angetreten. Der 936 war einer der wenigen Sportwagen uber 2 Liter Hubraum, der nominell schnellsten Klasse, und startete von der Poleposition. Im Rennen verungluckte Jochen Mass mit Bremsproblem nach 193 Runden. Funf Wochen spater startete das Porsche-Werksteam in Le Mans unter der Bezeichnung Essex Motorsport Porsche mit zwei Autos. Die beiden Werks-Porsche galten nach zwei Siegen sowie Platz 2 als klare Favoriten fur einen erneuten Gesamtsieg. Zudem waren zahlreiche private 935 am Start, aber nur wenige konkurrenzfahige andere Marken. Fur Jacky Ickx, Brian Redman und Jurgen Barth wurde Chassis 003 mit Start-Nr. 14 vorbereitet, die Flachen mit den Essex-Farben rot und blau waren zur Unterscheidung vertauscht. Chassis 001 mit Nr. 12 wurde von Hurley Haywood und Bob Wollek bewegt, sie qualifizierten das Auto fur die Poleposition. Bereits im Training traten wieder Probleme im Bereich Felgen/Bremsen auf, es kam nach langer Doppelfuhrung keines der Autos ins Ziel. Ickx wurde nach 18 Stunden und 200 Runden disqualifiziert, weil er bei einer Reparatur auf der Strecke unerlaubt Hilfe in Form eines aus dem Buschwerk fliegenden Keilriemens erhielt, wahrend das Wollek-Haywood-Auto nach 236 Runden nach weiterem Reifendefekt endgultig ausfiel. Den Sieg im Regenrennen errang einer der 935, der von Kremer Racing mit Klaus Ludwig, vor zwei weiteren 935 (Paul Newman) und sogar einem Porsche 934. Nach diesem Rennen endete Thiemes Geschaftsbeziehung mit Porsche. = Lotus = Annahernd zeitgleich mit dem kurzen Engagement bei Porsche begann Thieme, das Formel-1-Team Lotus zu unterstutzen. Zwei Jahre lang – von April 1979 bis April 1981 – waren er und Essex eine wesentliche finanzielle Stutze des Rennstalls. Aus der Geschaftsbeziehung wurde eine personliche Freundschaft zwischen Thieme und Colin Chapman, dem Grunder und Teamchef von Lotus, der von Thiemes Auftreten und von seinen finanziellen Moglichkeiten beeindruckt war. Essex’ Zusammenbruch im Fruhjahr 1981 brachte Lotus in eine schwere Krise. Formel 1 Obwohl das Team Lotus in der Formel-1-Saison 1978 sowohl die Fahrer- als auch die Konstrukteursmeisterschaft gewonnen hatte, erneuerte der langjahrige Sponsor Imperial Tobacco, der seit 1972 mit der Zigarettenmarke John Player Special auf den Formel-1-Wagen des Teams geworben hatte, den Sponsorvertrag fur die Saison 1979 nicht. Der italienische Spirituosenhersteller Martini & Rossi ubernahm daraufhin einen Teil des Imperial-Tobacco-Budgets. Gesichert war der Haushalt des Teams allerdings erst im April 1979, als Thiemes Marke Essex zum zusatzlichen Lotus-Sponsor wurde. Essex warb ab dem Großen Preis der USA West auf den Seitenkasten des Lotus 80. Die Saison verlief fur Lotus erfolglos. Der neu entwickelte Lotus 80 erwies sich als Fehlkonstruktion, sodass das Team zu den meisten Rennen der Saison mit dem Lotus 79 vom Vorjahr antreten musste. Lotus fuhr 1979 keinen Sieg ein; die besten Ergebnisse waren zwei zweite Platze von Carlos Reutemann und drei dritte Platze. Sie wurden ausnahmslos in den ersten sechs Rennen der Saison, teilweise bereits vor dem Einstieg Thiemes, erzielt. In der zweiten Saisonhalfte mehrten sich Ausfalle und Platzierungen außerhalb der Punkterange. Am Saisonende war Lotus auf den vierten Platz der Konstrukteursmeisterschaft zuruckgefallen. 1980 nahm Essex eine zentrale Rolle im Lotus-Team ein. Essex ubernahm die Werbeflachen von Martini & Rossi und stellte dem Rennstall, der nun als Team Essex Lotus gemeldet wurde, ein fur damalige Verhaltnisse hohes Budget von 4 Mio US-$ zur Verfugung. Colin Chapman investierte das Geld von Essex im Laufe dieses Jahres zu einem großen Teil in die Entwicklung des kommenden Lotus 88, mit dem er in der Saison 1981 die Formel 1 revolutionieren wollte. 1980 hingegen war in der Erwartung, dass Thieme dem Rennstall in einer vorubergehenden Schwachephase helfen wurde, als bloßes Ubergangsjahr gedacht, und das aktuelle Einsatzfahrzeug, der konservativ konstruierte Lotus 81, hatte im Wesentlichen die Rolle eines Luckenfullers. Dementsprechend fielen die Ergebnisse der Saison 1980 noch schwacher aus als die des Vorjahrs: Lotus erzielte nur eine Podiumsplatzierung (Elio de Angelis’ zweiter Platz in Brasilien), und am Jahresende belegte Lotus Rang funf in der Konstrukteursmeisterschaft. Die Saison 1981 war als Neubeginn fur das Team Lotus gedacht. Auf eine aufwendige, von Thieme finanzierte Teamprasentation in der Londoner Royal Albert Hall, an der unter anderem die britische Premierministerin Margaret Thatcher teilnahm, folgte die Einfuhrung des innovativen, von einigen Quellen als genial beschriebenen Lotus 88, dessen zwei ineinander liegende und weitgehend unabhangig voneinander gefederte Zwillings-Chassisteile das Bodenhaftungskonzept perfektionieren sollte. Bei seinem Debut im Marz 1981 in Brasilien wurde der Wagen allerdings fur illegal erklart und ausgeschlossen. Das wiederholte sich im April in Argentinien. In diese Phase fiel die Verhaftung Thiemes in Zurich, in deren Folge die Zahlungen von Essex wegbrachen. Zum Großen Preis von San Marino, der unmittelbar auf die Verhaftung Thiemes folgte, trat Lotus daraufhin nicht an; es war der erste Weltmeisterschaftslauf seit dem auf den Tod Jochen Rindts folgenden Großen Preis von Kanada 1970, dem das Team fernblieb. Der Wegfall von Thiemes Unterstutzung brachte Lotus in eine wirtschaftliche Krise, von der sich der Rennstall nicht mehr vollstandig erholte. Chapman bemuhte sich um eine Konsolidierung des Teams und erreichte zum folgenden Rennen in Großen Preis von Spanien eine Neuauflage der Beziehung zur Zigarettenmarke John Player Special, die als Namens- und Hauptsponsor zum Team zuruckkehrte. Allerdings ersetzte Imperial Tobacco das große Budget, das Essex versprochen hatte, nur teilweise. Lotus musste das Entwicklungsprogramm in den folgenden Jahren daraufhin deutlich reduzieren. Essex bei Seriensportwagen Die tragende Bedeutung, die Thieme und sein Unternehmen Essex fur Lotus hatte, zeigte sich auch im Bereich der Straßensportwagen. 1980 legte Lotus eine Sonderserie des Esprit Turbo auf, die in blauer Lackierung mit rot-silbernen Streifen und Essex-Schriftzug ausgeliefert wurde. Die serienmaßigen Lederbezuge des Interieurs haben einen Oxblood (Ochsenblut) genannten Rotton. Ursprunglich war der Bau von 100 Lotus Esprit Essex Turbo geplant, tatsachlich konnte Lotus aber nur 45 Exemplare dieser Sonderserie absetzen. Die Autos sind heute gesuchte Sammlerstucke. 1980 stellte Lotus außerdem ein einzelnes Exemplar des kompakten Sportwagens Talbot Sunbeam Lotus in Essex-Aufmachung her. Das im Ubrigen serienmaßige Auto wurde in dem gleichen Blauton lackiert wie die zeitgenossischen Formel-1-Autos des Lotus-Teams und die Lotus Esprit Essex Turbo; hinzu kamen rote und silberne Streifen an den Wagenflanken einschließlich des Essex-Schriftzugs. Das linksgelenkte Auto stand 1980 vor allem am Unternehmenssitz von Essex in Monaco und beforderte wiederholt Mitarbeiter oder Kunden des Unternehmens von dort aus zu den Rennstrecken der Formel 1. Der Wagen existiert im 21. Jahrhundert noch und befand sich jahrzehntelang im Besitz eines ehemaligen Mitarbeiters von Thieme. = Penske = Anlasslich des 500-Meilen-Rennens von Indianapolis 1980 war Essex Sponsor eines von Mario Andretti eingesetzten Penske PC9. Die blau-weiß-rot-silberne Lackierung des Autos ahnelte der der zeitgenossischen Lotus-Rennwagen. Literatur Crispian Besley: Driven to Crime: True Stories of Wrongdoing in Motor Racing, Evro Publishing, 2023, ISBN 978-1-910505-70-0. Weblinks Portrat David Thiemes von 1979 oder 1980 Einzelnachweise
David Thieme (* 1940, 1941 oder 1942 in Minneapolis, Minnesota) ist ein ehemaliger US-amerikanischer Industriedesigner und Olhandler, der in den spaten 1970er-Jahren durch sein Unternehmen Essex Overseas Petroleum Corporation und dessen Motorsportsponsoring bekannt wurde. Essex war knapp zwei Jahre lang vor allem mit dem britischen Formel-1-Rennstall Lotus verbunden und pragte in dieser Zeit dessen offentliches Erscheinungsbild.
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Das Lippenmikrofon ist ein Bandchenmikrofon, das speziell fur den Einsatz von Livereportern oder Sportkommentatoren in lauter Umgebung entwickelt wurde. Sender wie BBC, CBS und ABC verwenden Lippenmikrofone fur die Berichterstattung bei lauten Veranstaltungen wie Autorennen, Wrestling, Umzugen und Demonstrationen. Entwickelt wurde es 1937 von der BBC. Aufbau Der Mikrofonkopf in der Form eines liegenden Ovals ist rundum perforiert und mit einem sehr feinen Metallgitter ausgekleidet. Das Mikrofon wird durch einen Bugel in einem festen Abstand zum Mund gehalten, der leicht mit der Oberlippe des Sprechers in Kontakt bleibt. Die Unterlippe kann sich frei bewegen. Ein Schirm aus rostfreiem Stahlgewebe ist an der Vorderseite und ein weiterer oben am Gehause angebracht, um die Auswirkungen von Atemgerauschen und Kondensation im Inneren des Mikrofons zu reduzieren. Ein Magnet in Form eines Hufeisens befindet sich im Inneren des oberen Teils. Das Joch (der gebogene Teil) des Hufeisenmagnets zeigt zur Vorderseite des Mikrofons. Das hauchdunne Bandchen aus gefalteter Aluminiumfolie zwischen den beiden Polen des Magnets befindet sich somit an der Ruckseite des Mikrofons. Es liegt in einer vertikalen Ebene, seine Langsachse ist horizontal. Der Magnet ist federnd gelagert, um Beschadigungen durch Vibrationen beim Transport zu vermeiden. Das Bandchen ist uber eine symmetrische Schaltung mit dem magnetisch abgeschirmten Ubertrager im Griff verbunden, an dessen Unterseite das Kabel angeschlossen wird. Der Winkel vom Griff zum Mikrofonkopf kann oft in einer vertikalen Ebene eingestellt werden. Wirkungsweise Vier Faktoren sorgen fur die Gerauschunterdruckung bei Lippenmikrofonen. Ein Faktor ist die extrem nahe Position des Mikrofons zum Mund, wodurch die Stimme viel lauter ist als die Umgebungsgerausche (vgl. Abstandsgesetz – das 1/r-Gesetz). Der zweite Faktor ist die Richtcharakteristik des Lippenmikrofons. Das eingesetzte Bandchenmikrofon hat eine Achter-Charakteristik. Ihr Bundelungsmaß von 4,77 dB bedeutet rund 5 dB Storschallunterdruckung im Vergleich zur Stimme aus der Haupteinsprechrichtung. Alle Gerausche, die von oben, unten oder von den Seiten einfallen, werden durch die normale polare Charakteristik des Druckgradientenempfangers eliminiert. Der dritte Faktor ist die naturliche Bassanhebung des Mikrofons, bekannt als Nahbesprechungseffekt, wenn das Mikrofon aus der Nahe besprochen wird. Dieser Effekt wird fur die Kommentatorenstimme ausgeglichen. Tiefe Frequenzen werden stark abgesenkt, damit die Stimme wieder naturlich klingt. Dabei werden die tiefen bis mittleren Frequenzen der Umgebungsgerausche weiter reduziert, da diese auf Grund ihrer Entfernung keine Nahbesprechung erfahren. Das Bandchenmikrofon mit seiner Achter-Charakteristik hat als reiner Druckgradientenempfanger die starkste Bassanhebung und bietet somit die großtmogliche Reduktion der Umgebungsgerausche durch den Nahbesprechungseffekt. Als letzter Faktor wirkt eine Art Schallabsorber im Inneren des Mikrofons, der bei niedrigeren Frequenzen als Hindernis fungiert. Dies fuhrt dazu, dass die effektive Lange des Pfades von vorne nach hinten und somit der Phasenunterschied zwischen den Drucken, die auf die beiden Seiten der Membran wirken, bei niedrigeren Frequenzen relativ großer wird. Das wiederum fuhrt zu einer Erhohung der Bassantwort der Stimme im Nahbereich, die auch ausgeglichen wird. = Frequenzgang = Lippenmikrofone zeigen, auf Grund des Ausgleichs der Bassanhebungen, eine hohere Wirksamkeit bei der Reduzierung von Larm bei niedrigen Frequenzen. Typischerweise betragt die Gerauschunterdruckung bei 300 Hz etwa 10 dB, bei 100 Hz etwa 20 dB und bei 1 kHz noch ca. 3 dB. Der Frequenzgang von Lippenmikrofonen liegt haufig nicht weit uber 10 kHz, was fur die ublichen Sprachanwendungen, fur die sie verwendet werden, ausreichend ist. = Windgerausche = Es ware optimal, das Bandchenmikrofon so nah wie moglich am Mund zu platzieren. Doch dabei mussen die explosionsartigen Laute beim Sprechen sowie die Luftstrome aus Mund und Nase kontrolliert werden. Bei einem Abstand des Mundes zum Bandchen von 54 mm (2 1⁄8 Zoll), der durch das Anbringen des Bugels nahe der Oberlippe festgelegt ist, konnen diese Probleme durch Windschutze in Einsprechrichtung und von oben gelost werden. Zusatzlich schutzt das Joch (die Rundung) des Hufeisenmagnets in Einsprechrichtung vor Windgerauschen. Lippenmikrofone konnen bei Windgeschwindigkeiten von ca. 30 km/h ohne nennenswerte Einbußen in der Sprachqualitat verwendet werden. Durch die Verwendung eines zusatzlichen Windschutzes kann auch bei Windgeschwindigkeiten von bis zu 60 km/h oder mehr eine gute Sprachwiedergabequalitat erreicht werden. Weitere Literatur BBC The design of the lip microphone Type L2 BBC Monograph No. 7 – The design of a high-quality commentators microphone insensitive to ambient noise Einzelnachweise
Das Lippenmikrofon ist ein Bandchenmikrofon, das speziell fur den Einsatz von Livereportern oder Sportkommentatoren in lauter Umgebung entwickelt wurde. Sender wie BBC, CBS und ABC verwenden Lippenmikrofone fur die Berichterstattung bei lauten Veranstaltungen wie Autorennen, Wrestling, Umzugen und Demonstrationen. Entwickelt wurde es 1937 von der BBC.
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Tradwife (Plural: Tradwives; Kurzform fur traditional wife, zu Deutsch „traditionelle Ehefrau“) ist ein Neologismus, der Ende der 2010er Jahre in den sozialen Medien aufkam. Mit ihm beschreiben sich Frauen im globalen Norden selbst, die sich ausdrucklich fur ein Leben in einer besonders konservativen Geschlechterrolle entscheiden und diesen Lebensstil auf Social-Media-Plattformen wie TikTok oder Instagram als Influencerinnen prasentieren. Tradwives verzichten auf eine berufliche Karriere im klassischen Sinne und propagieren ein Dasein als Mutter und Hausfrau. Sie sehen diesen Lebensstil in aller Regel als Akt der Selbstverwirklichung. Begriff und Inszenierung als Tradwife Das Phanomen der Tradwives sowie der dazugehorige Hashtag in den sozialen Medien stammen ursprunglich aus den USA. Zu Beginn der 2020er Jahre erlangten Tradwives auch in Europa Bekanntheit. In den Vereinigten Staaten ist der Social-Media-Trend am starksten ausgepragt, aber auch in Deutschland, Großbritannien, den Niederlanden und Australien gibt es mittlerweile einzelne Tradwives. Tradwives orientieren sich stark an traditionellen Werten wie Ehe und Familie – Letzteres vor allem im Sinne der heterosexuellen Kleinfamilie. In aller Regel uben sie selbst keine berufliche Tatigkeit aus, sondern konzentrieren sich auf die Verrichtung von Sorge- sowie Haus- und Familienarbeit. Wahrend der Inszenierung auf Social Media werden diese Arbeiten positiv dargestellt und erfahren so eine Asthetisierung. Daruber hinaus legen Tradwives viel Wert darauf, ihrem Ehemann zu gefallen und sich um ihn zu kummern. Die Selbstinszenierung der Tradwives erinnert damit stark an das Familien- und Frauenideal der 1950er. Ein solches Leben lasst sich nur dann fuhren, wenn der Ehemann genug Geld verdient, um die Familie zu ernahren. Einige Tradwives beziehen sich auf den Feminismus und ihr Recht, sich den eigenen Lebensstil selbst aussuchen zu durfen. Von anderen von ihnen ist demgegenuber zu horen, dass Femininitat besser als Feminismus und das Patriarchat zu begrußen sei. Die Philosophin Catherine Newmark mutmaßte, dass das Phanomen der Tradwives dadurch zu erklaren sei, dass das gesellschaftliche Ideal der Vereinbarkeit von Familie und Beruf fur viele Frauen kaum zu erreichen ist. In einem Interview gab eine deutsche Tradwife an, ihren Lebensstil in den sozialen Medien zu prasentieren, weil sie nach der Elternzeit gemerkt habe, dass ein gesellschaftlicher Druck auf junge Mutter ausgeubt werde, direkt nach dem Ende der Elternzeit wieder einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Dies empfand sie als unangemessen, da sie als Hausfrau ebenfalls produktiv sei. Die meisten Tradwives sind weiß, es gibt allerdings besonders in den USA eine wachsende Anzahl Schwarzer Frauen, die sich fur ein traditionell gepragtes Ehe- und Familienleben entscheiden. Der Begriff Tradwife wird hier jedoch eher vermieden. Stattdessen sprechen diese Frauen davon, selbst in einer „traditionellen“ bzw. „biblischen“ Ehe zu leben. Die Betroffenen sehen diesen Lebensstil als Mittel gegen Uberarbeitung und okonomische Unsicherheit. Kritik Ein Vorwurf gegenuber Tradwives lautet, dass sie ein sexistisches Familien- und Frauenbild propagieren. Die Kommunikationswissenschaftlerin Ashley A. Mattheis erkannte 2021 bei Tradwives das Bedurfnis, sich einem starken Mann unterzuordnen. Der von vielen Tradwives propagierte Verzicht auf Erwerbsarbeit und finanzielle Eigenstandigkeit sowie die von einigen behauptete vermeintliche Dichotomie zwischen Weiblichkeit und Feminismus werden ebenfalls kritisiert. Aufgrund dieser Aspekte wird Frauen, die sich als Tradwives identifizieren, von mehreren Seiten vorgeworfen, antifeministisch zu sein, auch wenn sie sich selbst nicht so sehen oder außern. Laut Sophia Sykes und Veronica Hopner vom Global Network on Extremism & Technology gibt es sowohl gemaßigt konservative Tradwives, die keine inhaltlichen Schnittmengen mit rechtsextremen Gruppierungen haben, als auch solche, die der Alt-Right und der White-Supremacy-Bewegung nahestehen. So kommt es vor, dass einige Tradwives gegen die Gleichstellung der Geschlechter und Migration offen Position beziehen. Weiterhin ist fraglich, inwieweit der von Tradwives propagierte Lebensstil wirklich traditionell ist, da historisch der Verzicht auf eine Erwerbsfahigkeit meist nur den (weißen) Familien der Mittelklasse vorbehalten war. Der Anthropologe Devin Proctor kritisiert daher, dass Tradwives den traditionellen Lebensstil einer bestimmten Gruppe unzulassigerweise auf alle Menschen ubertragen wurden. Außerdem argumentiert Ashley A. Mattheis, dass es rechtsextremen und faschistischen Akteuren sehr leicht gemacht werde, Tradwives fur ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Die Kommunikationswissenschaftlerin Margreth Lunenborg kritisierte vor der Prasidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten 2024 die Tradwife-Rollenmuster. Einige Tradwives empfahlen, Donald Trump zu wahlen. Laut Lunenborg sind Tradwives Rollenvorbilder der extremen Rechten und in einem christlich-fundamentalistischen Milieu verwurzelt. Letztendlich wurden sie das Patriarchat propagieren und Rassismus reproduzieren. Lunenborg warnte zudem davor, dass Frauen, die sich in vollstandige finanzielle Abhangigkeit zu einem Mann begeben, aufgrund von Erwerbslosigkeit Altersarmut drohe. Literatur Felix del Campo: New Culture Wars: Tradwives, Bodybuilders and the Neoliberalism of the Far-Right. In: Critical Sociology. Band 49, Nr. 4–5, S. 585–894, doi:10.1177/08969205221109169. Zoe Hu: The Agoraphobic Fantasy of Tradlife. In: University of Pennsylvania Press (Hrsg.): Dissent. Band 70, Nr. 1, 2023, S. 54–59, doi:10.1353/dss.2023.0030. Eviane Leidig: The Women of the Far Right. Social Media Influencers and Online Radicalization. Columbia University Press, New York 2023, ISBN 978-0-231-55830-3. Ashley A. Mattheis: #TradCulture: Reproducing whiteness and neo-fascism through gendered discourse online. In: Shona Hunter, Christi van der Westhuizen (Hrsg.): Routledge Handbook of Critical Studies in Whitness. Routledge, London / New York 2021, ISBN 978-1-032-13934-0, S. 91–101. Viktoria Rosch: Heimatromantik und rechter Lifestyle. Die rechte Influencerin zwischen Self-Branding und ideologischem Traditionalismus. In: GENDER: Zeitschrift fur Geschlecht, Kultur und Gesellschaft. Band 15, Nr. 2, 2023, S. 25–40, doi:10.3224/gender.v15i2.03. Catherine Tebaldi, Dominika Baran: Of tradwives and TradCaths: The anti-genderism register in global nationalist movements. In: Gender & Language. Band 17, Nr. 1, 2023, S. 1–13, doi:10.1558/genl.25635. Catherine Tebaldi: Tradwives and truth warriors: Gender and nationalism in US white nationalist women’s blogs. In: Gender & Language. Band 17, Nr. 1, 2023, S. 14–38, doi:10.1558/genl.18551. Weblinks Why I submit to my husband like it's 1959 bei BBC vom 20. Januar 2020 (6:11, englisch) #Tradwives: Woher kommt der Hausfrauen-Trend? bei detektor.fm vom 13. Marz 2024 (9:32, deutsch) «Tradwife»: Die Ruckkehr zur traditionellen Hausfrau (horbar auf podcast.de) beim Podcast Tages-Anzeigerin vom Tages-Anzeiger vom 29. Marz 2024 (27:56, schweizerdeutsch) Einzelnachweise
Tradwife (Plural: Tradwives; Kurzform fur traditional wife, zu Deutsch „traditionelle Ehefrau“) ist ein Neologismus, der Ende der 2010er Jahre in den sozialen Medien aufkam. Mit ihm beschreiben sich Frauen im globalen Norden selbst, die sich ausdrucklich fur ein Leben in einer besonders konservativen Geschlechterrolle entscheiden und diesen Lebensstil auf Social-Media-Plattformen wie TikTok oder Instagram als Influencerinnen prasentieren. Tradwives verzichten auf eine berufliche Karriere im klassischen Sinne und propagieren ein Dasein als Mutter und Hausfrau. Sie sehen diesen Lebensstil in aller Regel als Akt der Selbstverwirklichung.
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Clementine Elisa Marguerite Gachet (* 21. Juni 1869 in Paris; † 8. November 1949 in Auvers-sur-Oise) war ein franzosisches Malermodell, das unter anderem von Vincent van Gogh gemalt wurde. Sie pflegte zusammen mit ihrem Bruder die von ihrem Vater Paul Gachet geerbte Kunstsammlung, die sie spater dem franzosischen Staat ubergab. Leben Marguerite Gachet war die Tochter des in Paris praktizierenden Nervenarztes Paul Gachet (1828–1909) und von Blanche Elisa Castets (1840–1875), die eine talentierte Musikerin war. 1872 zog die Familie wegen der Tuberkuloseerkrankung der Mutter in das landliche Auvers-sur-Oise, wo Marguerite Gachet mit ihrem vier Jahre jungeren Bruder Paul-Louis Gachet junior (* 21. Juni 1873) aufwuchs. 1875 verlor sie im Alter von sechs Jahren ihre Mutter. Nach deren Tod blieb ihr Klavier im Salon des Hauses und wurde von Marguerite Gachet gespielt, die die musikalische Tradition der Familie fortfuhrte. Ihr Vater war neben seiner Arzttatigkeit Amateurmaler und befreundet oder bekannt mit fuhrenden impressionistischen Malern. Marguerite Gachet hatte bereits in fruhen Jahren Kontakt zu verschiedenen Malern, die sich zum Arbeiten im Ort aufhielten und ihren Vater besuchten oder konsultierten. Paul Cezanne hatte als Gast Gachets das Dachstudio mit ihm zusammen hergerichtet und zum Arbeiten nutzen durfen und hatte ihr Elternhaus mehrfach gemalt. Im Haus hingen Bilder dieser Maler, vor allem von Paul Cezanne. Auch der im nahen Pontoise ansassige Impressionist Camille Pissarro zahlte zu den Besuchern sowie Armand Guillaumin. Marguerite Gachet lernte Van Gogh kennen, als sie zwanzig war. Ihr Vater hatte Van Gogh nach Auvers-sur-Oise eingeladen und behandelte ihn arztlich. Van Gogh traf am 20. Mai 1890 ein und wohnte im Gasthof Ravoux. Einmal wochentlich war er bei Gachet, der sich von seiner Malerei sehr angetan zeigte, zum Essen eingeladen, hielt sich aber ofter im Haus auf, um zu arbeiten, den Garten und spater Marguerite Gachet zu malen. Um den 27. Mai 1890 herum malte Van Gogh das Gartenbild Dans le jardin du docteur Gachet. Das Bild Mademoiselle Gachet au jardin mit Marguerite Gachet im Garten der Familie entstand kurz darauf am 1. Juni 1890. Das Datum gilt als gesichert, da Van Gogh das Gemalde mit Zypressen und Blumen und der „weißen Figur“, die er einbezog, in seinen haufigen Briefen an seinen Bruder Theo van Gogh detailliert beschrieb. Etwas spater fertigte Van Gogh Vorzeichnungen von Marguerite Gachet am Klavier, die noch heute erhalten sind. Es war wahrscheinlich Dr. Gachets Idee, seine Tochter am Klavier darzustellen. 1873 hatte er selbst eine Radierung angefertigt, auf der seine Frau Blanche Klavier spielte. Am 3. Juni schrieb Van Gogh an seinen Bruder Theo, dass er glaube, dass Theos Frau „Jo mit Marguerite gut auskommen wurde“. Am 28. Juni schrieb er ihm erneut, um ihm mitzuteilen, dass er mit dem Malen begonnen habe. Sein Brief an Theo vom 28. Juni enthalt unter anderem eine Skizze des Bildes. Marguerite Gachet erhielt das Gemalde Marguerite Gachet au piano am 29. Juni 1890 als Geschenk. Van Goghs Plane eines weiteren Bildes, fur das Marguerite Gachet ihm Modell stehen sollte, erfullten sich nicht. Am 27. Juli 1890 schoss er sich in die Brust und starb zwei Tage spater im Beisein seines Bruders. Marguerite Gachet nahm nicht an der Beerdigung teil. Das Bild von ihr am Klavier hangte sie in einem schlichten weißen Rahmen zwischen zwei große japanische Drucke weiblicher Figuren von Keisai Eisen in ihrem Zimmer auf, wo es jahrzehntelang blieb. Spatere Mutmaßungen, dass Marguerite Gachet sich zu Van Gogh hingezogen fuhlte oder er eine unerwiderte Zuneigung zu ihr gefasst hatte, ließen sich nicht belegen. Marguerite Gachet stand noch weiteren Kunstlern Modell. Der franzosische Maler und Grafiker Norbert Goeneutte, der ab 1891 in Auvers-sur-Oise lebte und sich ebenfalls von Paul Gachet behandeln ließ, fertigte zwischen 1891 und 1894 einige Kaltnadelradierungen, die unter dem Titel Marguerite Gachet a la Lanterne das Motiv der am Tisch sitzenden bei Lampenlicht lesenden Marguerite Gachet aus verschiedenen Ansichten darstellen. Auch der Maler und Lithograf Armand Desire Gautier (1825–1894) malte sie mit Wasserfarben in Marguerite Gachet as a child. Ihr Bruder Paul-Louis Gachet junior war wie sein Vater Amateurmaler und stellte unter dem Pseudonym „Louis van Ryssel“ das von ihm gefertigte Gemalde Marguerite Gachet au piano beim Salon der Societe des Artistes Independants 1908 in Paris aus. Marguerite Gachet und ihr Bruder erbten mit dem Tod des Vaters im Jahr 1909 seine Kunstsammlung mit wertvollen Werken, unter anderem von Cezanne und 26 Arbeiten von Van Gogh. Die Gemalde erschienen 1928 in Katalogen, befanden sich jedoch weiterhin in Privatbesitz. 1934 verkaufte Marguerite Gachet das Gemalde Marguerite Gachet au piano, das sich seit mehr als 40 Jahren im Haus befunden hatte, fur 315.000 franzosische Franken an das Kunstmuseum Basel. Sie lebte zuruckgezogen, heiratete nie und wohnte zeitlebens zusammen mit ihrem Bruder Paul Jr. und seiner Frau im Haus der Familie. Marguerite Gachet starb 1949 und wurde in der Grabstelle ihrer Eltern auf dem Friedhof Pere-Lachaise beigesetzt. Nachdem Marguerite Gachet und ihr Bruder die Gemaldesammlung dem franzosischen Staat uberlassen hatten, wurde sie erstmals 1954 ausgestellt. Marguerite Gachets Klavier aus der Pianowerkstatt von Alphonse Juvenois ist erhalten geblieben und befindet sich im Musikinstrumentenmuseum „mim“ (Musee des Instruments de Musique) in Brussel. Eine Vorzeichnung zu Marguerite Gachet au piano ist in der Sammlung des Rijksmuseums Amsterdam, das Gemalde selbst im Kunstmuseum Basel. Mademoiselle Gachet au jardin befindet sich im Musee d’Orsay in Paris. Die Kaltnadelradierungen Marguerite Gachet a la Lanterne von Norbert Goeneutte befinden sich in verschiedenen Museen, wie dem Van Gogh Museum in Amsterdam und dem Musee Carnavalet in Paris. Das Leben von Marguerite Gachet wurde mehrfach in Romanen als historische Fiktion beschrieben. Alyson Richman schilderte 2006 in The Last Van Gogh die letzten 70 Tage im Leben von Van Gogh unter der Pramisse einer Liebesbeziehung mit Marguerite Gachet. Im Jahr 2016 schrieb Jean-Michel Guenassia einen historischen Roman uber Van Goghs letzte Wochen aus der Sicht von Marguerite Gachet: La Valse des arbres et du ciel. Literatur Anne Distel, Susan Alyson Stein: Cezanne to Van Gogh: The Collection of Doctor Gachet. Grand Palais, Paris / Metropolitan Museum of Art, New York / Van Gogh Museum, Amsterdam, 1999, ISBN 978-0-87099-903-1(Buchvorschau) Weblinks Marguerite Gachet. Biografische Daten und Werke im Niederlandischen Institut fur Kunstgeschichte (niederlandisch) Einzelnachweise
Clementine Elisa Marguerite Gachet (* 21. Juni 1869 in Paris; † 8. November 1949 in Auvers-sur-Oise) war ein franzosisches Malermodell, das unter anderem von Vincent van Gogh gemalt wurde. Sie pflegte zusammen mit ihrem Bruder die von ihrem Vater Paul Gachet geerbte Kunstsammlung, die sie spater dem franzosischen Staat ubergab.
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c-607
Die Schmitz-Saule ist eine Skulptur in der Kolner Altstadt. Sie steht westlich vor der historischen Kirche Groß St. Martin auf dem von Lintgasse und Brigittengaßchen gesaumten Platz An Groß St. Martin unweit des Alter Markt. Beschreibung Die Saule kennzeichnet die 50-Meter-Hohenmarke von Koln. Sie wurde 1965 vom stadtgeschichtlich engagierten Kolner Architekten Jupp Engels (1909–1991) gestiftet und 1969 eingeweiht. Die Skulptur auf einer quadratischen Flache von etwa 90 × 90 cm ist circa 4,50 Meter hoch und besteht aus Natursteinen auf einem Betonsockel. Moglicherweise sind auch Steine der romischen Hafengebaude verbaut, die sich ungefahr an dieser Stelle befunden haben. An der Saule ist die Hohe des Eis-Hochwassers von 1784 markiert, durch das große Teile des damals noch selbststandigen Mulheims zerstort wurden. In Inschriften wird auf die Geschichte des Namens Schmitz und die Landung des ersten Menschen auf dem Mond im Einweihungsjahr Bezug genommen. Bezug zum Familiennamen Schmitz und zur Mondlandung Das heutige Martins-Viertel zwischen Alter Markt und Rhein war in romischer Zeit, als Koln die romische Kolonie Colonia Claudia Ara Agrippinensium war, eine Insel zwischen dem Hauptarm und einem westlichen Nebenarm des Rheins. Auf dieser Insel standen zum Hafen gehorende romische Lagerhauser, von denen bei Grabungen unterhalb der Kirche Groß St. Martin Mauerreste gefunden wurden. Auch befand sich auf der Insel ein romisches Bad. Der Nebenarm des Rheins wurde kurz vor dem Jahre 1000 zugeschuttet, und der heutige Alter Markt und der Heumarkt entstanden. Zwischen etwa 39 und 8 v. Chr. wurden die germanischen Ubier, die rechtsrheinisch angesiedelt waren und in verschiedener Weise mit den Romern kooperierten, von den romischen Befehlshabern auf das linke Ufer der Kolner Bucht und somit in den romischen Herrschaftsbereich umgesiedelt. Die Hauptsiedlung dort war das oppidum Ubiorum („Zivilsiedlung der Ubier“). In Koln besteht die Legende, dass es auf der einstigen Martinsinsel im Rhein beim Baden zu Begegnungen zwischen romischen Soldaten und jungen ubischen Frauen kam; mit der Geburt des ersten Kindes aus einer solchen Verbindung sei der Ursprung der Familie Schmitz und somit der Stammbaum der Kolner Ur-Ahnen gelegt worden. „Schmitz“ ist im Rheinland der haufigste Familienname, die Trager des Namens gelten scherzhaft als „rheinischer Adel“. Auf dem Sockel der Saule wird auch der Mondlandung der Raumfahrtmission Apollo 11 gedacht, bei der am 21. Juli 1969 der Astronaut Neil Armstrong als erster Mensch den Mond betrat. Wissenschaftler in Bochum errechneten im Auftrag des Stifters der Saule den genauen Abstand von der Saule zur Mondoberflache: 389.994 km und 100 Meter. Der Stadtfuhrer Uli Kievernagel sieht es als Zeichen des „kolschen Großenwahns“, dass die Einweihung eines Bauwerks wie der Schmitz-Saule im „Mondfieber“ des Jahres 1969 dem Ereignis einer Mondlandung mindestens ebenburtig sei. Inschriften = Nordseite = Im oberen Teil auf einer rechteckigen Steintafel:Markierung und: 50 METER UEBER MEERESSPIEGEL Auf dem Sockel: Eine Markierung, beschriftet mit: RHEIN-HOCHWASSER-MARKE, 28. FEBRUAR 1784 BEI DIESER EISFLUT WURDE MULHEIM VERNICHTET „SCHMITZ-SAULE“ VON EINEM KOLNER BURGER 1965 = Westseite = AN DIESER STELLE LAG EINST, VOM RHEIN UMFLOSSEN, DIE MARTINS-INSEL. VOR DEM JAHRE 1000 N. CHR. WURDE SIE, DURCH ANSCHUTTUNG DES ROEMISCHEN HAFENS, MIT DEM LINKSRHEINISCHEN KOELNER UFER VERBUNDEN. AUF DIESER INSEL TRAFEN SICH ROMISCHE LEGIONARE MIT BLONDEN UBIER-MADCHEN URAHNEN DER FAMILIE ‘SCHMITZ’ = Sudseite = DIE ERRICHTUNG DER „SCHMITZ-SAULE“ WAR 1969 ABGESCHLOSSEN. IM GLEICHEN JAHR, AM 21. JULI (GENAU UM 3 UHR 56 MINUTEN UND 20 SEKUNDEN MEZ) BETRAT DER AMERIKANER NEIL ARMSTRONG ALS ERSTER MENSCH MIT DEM LINKEN FUSS DEN MOND, VON DER SCHMITZ-SAULE 389994 km UND 100 m ENTFERNT. (BERECHNET VOM INSTITUT FUR WELTRAUMFORSCHUNG DER STADT BOCHUM) NEIL A. ARMSTRONG, WERNHER VON BRAUN UND DIE NASA NAHMEN VON SAULE UND INSCHRIFT DANKBAR KENNTNIS = Ostseite = DIE STEINE DIESER SAULE WURDEN 1962 BEIM HAUS EM HAHNE AM ALTERMARKT AUSGEGRABEN. SIE STAMMEN VON ROEMISCHEN HAFENBAUTEN AUF DER EHEMALIGEN MARTINSINSEL Weblinks Einzelnachweise
Die Schmitz-Saule ist eine Skulptur in der Kolner Altstadt. Sie steht westlich vor der historischen Kirche Groß St. Martin auf dem von Lintgasse und Brigittengaßchen gesaumten Platz An Groß St. Martin unweit des Alter Markt.
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c-608
Das Kloster Agia Paraskevi (griechisch Μονη Αγιας Παρασκευης του Βικου) liegt direkt oberhalb der Vikos-Schlucht im Nordwesten Griechenlands. Es ist das alteste Kloster in der Region Zagori in Epirus und gilt wegen seiner Lage als eines der schonsten in Griechenland. Geschichte Das Kloster wurde 1412/1413 unter der Herrschaft des Despoten Carlo I. Tocco erbaut und von Michail Therianos (Μιχαηλ Θεριανος), einem vermogenden Woiwoden, finanziert. Es ist uberliefert, dass er das Kloster aus Dankbarkeit fur die Heilung seiner Tochter stiftete, die unter einer teilweisen Erblindung litt. Sie soll dort mit Nonnen gewohnt und ihr Leben der Heiligen Paraskevi (griechisch: Agia Paraskevi) gewidmet haben. Dieser Heiligen wird nach griechisch-orthodoxem Glauben die Heilung von Augenkrankheiten zugeschrieben, weshalb sie als Schutzherrin des Klosters ausgewahlt wurde. Der Uberlieferung nach lebten seit dem 13. Jahrhundert in den Hohlen nordwestlich des Klosters Asketen, die sich am Klosterbau beteiligten. Das Kloster selbst diente im Laufe der Geschichte der Bevolkerung der Umgebung haufig als Zuflucht und sicherer Ort, den sie bei Gefahren aufsuchte. Als es betrieben wurde, war das Kloster Agia Paraskevi ein Frauenkloster, dem von Zeit zu Zeit ein mannlicher Abt vorstand, bis Mitte 1947 der letzte Abt, Dimitrios Moussakopoulos, starb. Danach wurde das Kloster nicht mehr bewohnt. Die Nonnen lebten vor 1947 von den Spenden der Glaubigen und den geringen Einkunften des Klosters, die hauptsachlich aus der kleinen landwirtschaftlichen Produktion und den wenigen Ziegen und Schafen sowie den Bienenstocken stammten. 1964 wurde das Kloster Agia Paraskevi durch einen Regierungserlass als historisches Denkmal (διατηρητεο ιστορικο μνημειο) eingestuft. Im Kloster wird der 26. Juli gefeiert, der Namenstag seiner Schutzpatronin Agia Paraskevi. Bauwerk Die steinerne Klosteranlage wird als Klosterfestung bezeichnet, da es ein Eingangstor mit Kammer gibt. Das Katholikon, die Nebengebaude und die ausgebauten Zellen bilden zusammen eine kunstvolle Steinkonstruktion im Baustil der Region Zagori, die bis heute gut erhalten ist. Vervollstandigt wird die Anlage durch einen Brunnen und die „Lonza“ (λοντζα), eine separate Baracke mit einem Balkon, die direkt uber der Schlucht als Versteck gebaut wurde. Die Nonnen nutzten diesen Raum bei Gefahr. Er konnte durch eine Falltur, die in die Schlucht fuhrte, auch als Notausgang bei Feuer dienen. Das Katholikon ist eine einschiffige Basilika mit einem Holzdach und kleinen Fenstern, die Oberlicht in den Raum lassen. An den Wanden befinden sich Fresken, außerdem gibt es, wie in orthodoxen Kirchen ublich, Opferlichtstander und Ikonen. Die an der West-, Nord- und Ostwand angebrachten Fresken stammen aus dem 15. Jahrhundert. Sie sind von besonderer Bedeutung, da aus dieser Zeit nur wenige Fresken in Epirus erhalten sind. Die auf den Fresken der Nordwand abgebildeten Personen sind der Klosterstifter Τherianos, seine Frau und Kinder in zeitgenossischer Kleidung, die ihren hohen gesellschaftlichen Status dokumentiert. Die Fresken der Sudwand stammen aus dem Jahr 1689 (nach einer Quelle auch 1869). Sie bilden Heilige mit gut zu erkennenden Gesichtern und Szenen aus den zwolf Jahreszeiten ab. An der Vorderseite der Kirche ist die Heilige Paraskevi in einer Nische dargestellt. Ihre Ikone in der Kirche zahlt zur nordgriechischen Kunst und stammt aus dem 17. Jahrhundert. Am Vorhof des Katholikons werden in einem kleinen Geschaft mit einer Hagiografie-Ausstellung handgemalte Ikonen, Votivtafeln und Souvenirs zum Kauf angeboten. Glaubige bringen diese metallenen Votivtafeln (ταμα, Tama) an der Ikone der Agia Paraskevi an, um sich ihren Beistand zu sichern oder sich fur geleistete Hilfe zu bedanken. Die Ikonen werden von Mitgliedern der Kunstlergruppe Skytali (Σκυταλη) gemalt, die sich aus Kunststudierenden der Stadt Ioannina zusammensetzt. Vom Kloster aus fuhren zwei in den Fels gehauene, schmale Wege zu Hohlen, die vor Hunderten von Jahren von Asketen zur Einkehr und zum Schutz aufgesucht wurden. Im Griechischen werden diese Orte Askitario (Ασκηταριο) genannt. Die schmalen Pfade fuhren direkt oberhalb der Vikos-Schlucht entlang, die mit 1000 Meter Tiefe als die tiefste Schlucht der Welt ins Guinnessbuch der Weltrekorde eingetragen wurde, obwohl der Grand Canyon tiefer ist. Wahrscheinlich bezieht sich der Rekord auf die Enge der Schlucht und die Tiefe ihrer Klamm. Wegen dieser Lage und der geringen Absicherung werden sie als die gefahrlichsten Pfade Griechenlands bezeichnet. Sie sind so schmal, dass jeweils nur eine Person auf ihnen entlanggehen kann. Lage und Zufahrt Das Kloster befindet sich am Westhang der Vikos-Schlucht und ist uber einen etwa 700 Meter langen, kopfsteingepflasterten Fußweg von dem Dorf Monodendri zu erreichen, das 39 km von der Stadt Ioannina entfernt ist und 1060 Meter uber dem Meeresspiegel liegt. Durch seine Lage ist das Kloster auch Teil der UNESCO-Weltkulturerbestatte Zagori-Kulturlandschaft. Weblinks Video vom Kloster Agia Paraskevi Einzelnachweise
Das Kloster Agia Paraskevi (griechisch Μονη Αγιας Παρασκευης του Βικου) liegt direkt oberhalb der Vikos-Schlucht im Nordwesten Griechenlands. Es ist das alteste Kloster in der Region Zagori in Epirus und gilt wegen seiner Lage als eines der schonsten in Griechenland.
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c-609
Sarah Mayer (* 16. Oktober 1896 in London, England; † 19. Marz 1957 in Barton-under-Needwood, England) war eine britische Schauspielerin und Judoka. Sie war die erste nicht-japanische Frau, die 1935 im Kodokan-Judo den schwarzen Gurtel erhielt. Leben und Werk Mayer war die einzige Tochter und das alteste von drei Kindern des Schauspieler-Ehepaares Alfred Benedict Tapping und Alice Amelia Fishwick. Ihre Eltern leiteten eine Tourneetheatergruppe und 1906 trat sie in zwei Produktionen ihrer Eltern auf. 1914 hatte sie ihren ersten Buhnenauftritt in einem West End theatre als Fee in Ein Sommernachtstraum. Wahrend des Ersten Weltkriegs schrieb sie sich an der Royal Academy of Dramatic Art ein. Am 29. Januar 1919 heiratete sie den Holzhandler Sills Keith Gibbons. Nach dem Scheitern der Ehe folgte sie dem Beispiel ihres Vaters und grundete ihre eigene Theatergruppe. Dieses Unternehmen bestand einige Jahre, wobei sie als Dramatikerin, Produzentin und Performerin tatig wurde. 1922 lernte sie den Rechtsanwaltsanwarter Robert John (Robin) Mayer kennen, den Sohn des Diamantenhandlers Max Mayer, und heiratete ihn nach ihrer Scheidung am 17. Juli 1924. Judoausbildung in London und Japan Mayer begann in der 1918 von Gunji Koizumi gegrundeten Budokwai Judo zu lernen. Sie wurde Mitglied in diesem altesten japanischen Kampfsportverein in Europa und beteiligte sich an dem Unternehmen. Ende Dezember 1933 reiste sie mit einem Linienschiff der Ellerman Lines von Liverpool zunachst nach Indien, dann weiter durch China und Tibet, um rechtzeitig zur Kirschblute in Japan anzukommen. Kurz nach ihrer Ankunft besuchte sie die Butokukai (Gesellschaft fur Kampftugenden) in Kobe und wurde eingeladen, unter der Anleitung von Masanobu Yamamoto taglich bei der ortlichen Polizei zu trainieren. Ihr Interesse am Judo erregte die Aufmerksamkeit der japanischen Presse und in Zeitungsberichten wurden oft ihre blonden Haare erwahnt. Obwohl in Japan ein paar Frauen Judo praktizierten, trainierten diese nicht mit mannlichen Sportlern. Mayer besuchte Kyoto, wo sie zum ersten Mal den Professor am dortigen Butokukai, Hajime Isogai, traf. Er ermutigte sie, ihre Ausbildung fortzusetzen. Anschließend reiste sie auf Einladung von Ichiro Hatta, einem Mitglied des engeren Kreises von Jigoro Kano, nach Tokio. Nachdem sie Kano kennengelernt hatte und von ihm uber ein Trainingsprogramm beraten worden war, durfte sie im Hauptdojo mit den Mannern uben, was zu dieser Zeit fur eine Frau beispiellos war, und sie nahm in der Wintersaison 1935 an den Kangeiko-Sitzungen fur Manner teil. Sie hatte auch die Ehre, im Kodokan von Meistern wie Mifune Kyuzo und Nagaoka Shuichi sowie seinem Partner Samura Kaichiro im Rahmen der Demonstrationen fur die Feierlichkeiten zum 50-jahrigen Jubilaum unterrichtet zu werden. Sie war die einzige westliche Teilnehmerin der Veranstaltung und es wurde uber sie in japanischen und englischsprachigen Zeitschriften weltweit berichtet. Bevor sie Japan verließ, wurde ihr vom Kodokan ein 1. Kyu verliehen, eine Stufe vor dem schwarzen Gurtel oder Dan-Grad. Auf der Ruckreise nach Kyoto wurde ihr von Isogai am Butokukai der 1. Dan verliehen, der ihr von Prinz Nashimoto uberreicht wurde. Als Mayer 1935 nach Großbritannien zuruckkehrte, ließ sie sich zum zweiten Mal scheiden. Hatta war ihr mit der zukunftigen japanischen Mannschaft nach Großbritannien gefolgt, um fur die Olympischen Spiele 1936 in Berlin zu trainieren. Im Sommer begleitete Mayer Hatta auf einer Judo-Tour durch Europa, wo sie fur eine osterreichische Wochenschau gefilmt wurde. Schauspielerin und Regisseurin Mayer arbeitete bis Ende der 1930er Jahre als Schauspielerin und Regisseurin. Sie arbeitete mit dem Regisseur Leon M. Lion zusammen und war Koproduzentin von Werken fur das West End Theatre. Ende 1939 traf sie George Bernard Shaw in seiner Londoner Wohnung, als Lion hoffte, Shaws Stuck The Millionairess verwenden zu konnen. Fasziniert von Mayers Geschichten uber Japan anderte Shaw das Drehbuch und die Hauptfigur Epiphania wurde zu einer Judo-Kunstlerin. Er schickte Lion eine Postkarte mit der Aufschrift Sie ist die Millionarin und stimmte zu, dass er das Stuck mit Mayer in der Hauptrolle produzieren konne. In den spaten 1930er Jahren schrieb Mayer auch Artikel fur die Presse, und im Verlauf des Zweiten Weltkriegs wurde sie in einer Fabrik im Nordosten Englands angestellt, wo sie Leiterin der Unterhaltungsabteilung wurde. Nach dem Krieg heiratete sie 1951 den ehemaligen RAF-Offizier Warwick Parker Ovington (1898–1979). Sie starb 1957 im Alter von 60 Jahren in Barton-under-Needwood. Literatur M. Callan, A. Spenn: Sarah Mayer and the Kodokan; Early European women’s judo in Japan. In: Proceedings of the 3rd European Science of Judo Research Symposium & 2nd Scientific and Professional Conference on Judo: Applicable Research in Judo. University of Zagreb, 12–15, 2016. Mike Callan, Conor Heffernan, Amanda Spenn: Women’s Jujutsu and Judo in the Early Twentieth-Century: The Cases of Phoebe Roberts, Edith Garrud, and Sarah Mayer. The International Journal of the History of Sport, Volume 35, S. 530–553, 2018 – Issue 6: New Historical Work on Women and Gender, 2019. doi:10.1080/09523367.2018.1544553. Jean Williams: A Contemporary History of Women’s Sport, Part One: Sporting Women, 1850–1960. Routledge, 2014. Weblinks Biografie bei Oxford Dictionary of National Biography (englisch) Briefe von Sarah Mayer aus Japan (englisch) Einzelnachweise
Sarah Mayer (* 16. Oktober 1896 in London, England; † 19. Marz 1957 in Barton-under-Needwood, England) war eine britische Schauspielerin und Judoka. Sie war die erste nicht-japanische Frau, die 1935 im Kodokan-Judo den schwarzen Gurtel erhielt.
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c-610
Die Martyrer von Vingre (Martyrs de Vingre) oder die Erschossenen von Vingre (Fusilles de Vingre) sind sechs franzosische Frontsoldaten (Poilus) des 298. Infanterieregiments, die im Ersten Weltkrieg am 4. Dezember 1914 in Vingre im franzosischen Departement Aisne zur Abschreckung erschossen wurden. Sie wurden am 29. Januar 1921 vom Kassationsgericht rehabilitiert. Die Exekution und ihre Folgen spielen noch heute in Frankreich eine große Rolle beim Gedenken an den Ersten Weltkrieg. Die sechs Soldaten Die sechs Soldaten waren zwischen 27 und 36 Jahre alt. Zwei stammten aus dem Roannais, drei aus dem ostlichen Allier und einer aus der Normandie. Alle sechs waren verheiratet und zwei hatten Kinder. Jean Blanchard wurde am 30. September 1879 in Ambierle im Norden des Departements Loire geboren. Dort heiratete er 1912 Michelle Desiage; die Ehe blieb kinderlos. Er arbeitete als Landwirt, bevor er 1914 zum Militardienst einberufen wurde. Er ist auf dem alten Friedhof von Ambierle begraben. Er wurde 35 Jahre alt. Francisque Durantet, ein Cousin ersten Grades von Jean Blanchard, wurde am 5. Oktober 1878 in Ambierle geboren. Er heiratete dort 1906 Claudine Drigeard und hatte zwei Sohne. Er war Landwirt. Er ist auf dem alten Friedhof von Ambierle begraben. Er wurde 36 Jahre alt. Paul Henry Floch wurde am 31. Mai 1881 in Breteuil im Departement Eure geboren. Er war verheiratet, hatte keine Kinder und arbeitete als Gerichtsschreiber am Friedensgericht dieser Gemeinde in der Normandie. Er wurde 33 Jahre alt. Pierre Gay wurde am 30. November 1884 in Treteau im Departement Allier als Sohn von Francois Gayet und Anne Luminet geboren. Er heiratete dort am 28. September 1912 Marie Minard und blieb kinderlos. Er wurde 30 Jahre alt. Sein Bruder Jean Gay starb im April 1917 am Chemin des Dames „fur Frankreich“. Claude Pettelet wurde am 13. Februar 1887 in La Guillermie im Allier geboren, war verheiratet und hatte einen Sohn. Er wurde 27 Jahre alt. Jean Quinaud wurde am 14. Marz 1886 in Saint-Victor im Departement Allier geboren. Er lebte in der Nahe in Huriel. Er heiratete im Juni 1914. Sein Name steht auf dem Kriegerdenkmal in Huriel und sein Grab in Vallon-en-Sully im Departement Allier tragt die Inschrift Martyr de Vingre. Er wurde 28 Jahre alt. Geschichte = Vorgeschichte = Zu Beginn des Krieges sah sich die franzosische Militarfuhrung mit zahlreichen Fallen von Panik und Selbstverstummelung konfrontiert und befurchtete, dass die Disziplinlosigkeit unter den Wehrpflichtigen ansteckend wirken konnte. Sie beschloss, hart durchzugreifen, wenn Soldaten versagten oder in einigen Fallen sogar nur der Verdacht auf Versagen bestand. Generalissimus Joffre richtete in jedem Regiment spezielle Kriegsrate ein, die Soldaten, die der Fahnenflucht, der Gehorsamsverweigerung oder des Verlassens ihres Postens in Gegenwart des Feindes beschuldigt wurden, im Schnellverfahren verurteilten. Die Militarjustiz ahndete tatsachliche oder vermeintliche Verfehlungen sehr streng mit Urteilen bis hin zur Todesstrafe. Laut Andre Bach (General, Historiker des Ersten Weltkriegs und Spezialist fur Militarjustiz) wurde die Militarjustiz „von disziplinarischen Strategien und nicht von der Sorge um eine gerechte Justiz geleitet. Das Urteil und seine Vollstreckung sind Teil des Autoritatsverhaltnisses“. Im Sektor Vingre waren bereits vorher drei Soldaten hingerichtet worden; nach den Martyrern von Vingre wurden auch weitere (drei) Exekutionen ausgefuhrt. Die Front war im Aisne-Gebiet erstarrt; die Armeen lagen sich in Schutzengraben gegenuber. Die franzosische Armee konzentrierte sich auf die Verteidigung von Vingre, 10 km nordwestlich von Soissons. = Der Fall = Am spaten Nachmittag des 27. November 1914 wurde die 19. Kompanie des 298. Infanterieregiments zwei Stunden lang von deutscher Artillerie heftig beschossen; der Schutzengraben wurde teilweise zerstort und die Franzosen verließen mit Ausnahme einiger Wachen den Sektor. Nach Einbruch der Dunkelheit drangen deutsche Soldaten in den Graben ein und stießen auf wenig Widerstand. Sie ruckten vor und uberraschten zwei franzosische Halbzuge beim Abendessen. Unterleutnant Paulaud soll daraufhin seinen Truppen den Befehl gegeben haben, sich in den zweiten Graben, den sogenannten Widerstandsgraben, 200 Meter weiter hinten zuruckzuziehen, aber einige franzosische Soldaten wurden von den Deutschen gefangen genommen. Paulaud gab daraufhin den Befehl, den Schutzengraben zuruckzuerobern, was schnell gelang, da sich die Deutschen bereits zuruckgezogen hatten. Am Ende dieses Scharmutzels blieben jedoch etwa zehn Soldaten des 298. Infanterieregiments gefangen. Die beiden Trupps (24 Manner), die vorubergehend ihren Schutzengraben verlassen hatten, wurden daraufhin beschuldigt, sie hatten eine „Vernachlassigung des Postens in Gegenwart des Feindes“ begangen. Bei der summarischen Untersuchung gaben die Soldaten an, auf Befehl von Unterleutnant Paulaud zuruckgewichen zu sein. Unterleutnant Paulaud behauptete, den Ruckzugsbefehl nicht erteilt zu haben, und belastete die 24 Soldaten. Der Kommandant des 7. Armeekorps, General Etienne de Villaret, wollte ein Exempel statuieren und auch der Prasident des Kriegsgerichts und Regimentskommandeur, Oberst Pinoteau, wollte alle beteiligten Soldaten erschießen lassen. Am 3. Dezember bestimmte der Sonderkriegsrat des 298. Infanterieregiments durch das Los sechs von ihnen, die am 4. Dezember 1914 als Exempel erschossen werden sollten – gemaß den Anweisungen, die General Villaret dem Rat gegeben hatte, um „den Kampfern zu helfen, den Geschmack des Gehorsams wiederzufinden“ (nach einer anderen Quelle wurden die Soldaten in der Reihenfolge aufgestellt, in der sie sich im Schutzengraben befanden, bevor sie ihn verließen, und die ersten sechs wurden schließlich bestimmt). Unter diesen sechs befand sich auch der Korporal Henry Floch, der in deutsche Gefangenschaft geraten war, aber fliehen und sich zu den franzosischen Linien durchschlagen konnte. Das Kriegstagebuch des Regiments meldet die Hinrichtung am 4. Dezember 1914: Der Kriegsrat verurteilte auch Soldaten, die von den Deutschen gefangen genommen wurden, zum Tode, aber die Strafe wurde bei ihrer Ruckkehr aus der Gefangenschaft am Ende des Krieges nicht vollstreckt. In der Armee hatte der Fall eines Soldaten, der erschossen wurde, um ein Exempel zu statuieren, zur Folge, dass seine Familie doppelt belastet wurde. Zur Trauer kam die Scham, einen Bruder, Vater oder Ehemann verloren zu haben, der wegen seiner Feigheit verurteilt wurde. Auch in finanzieller Hinsicht war es eine Strafe, denn die Frauen der Erschossenen erhielten nicht die Rente, die den Kriegswitwen zustand. Henry Flochs Bruder Emile Floch sagte 1925 bei der Einweihung des Denkmals in Vingre: „Wir lebten in einer schrecklichen Atmosphare ungerechtfertigter Verdachtigungen und ungerechtfertigter Schande.“ Der Sohn von Claude Pettelet wurde aus der Schule genommen und einem Hauslehrer anvertraut. Spater ging die Witwe Pettelet mit einer Pistole auf die Straße, um sich vor den Beschimpfungen und Drohungen zu schutzen. = Briefe = Die Briefe der drei anderen Verurteilten finden sich ebenfalls auf „Les six fusilles“. = Rehabilitierung = Im Februar 1919 unternahmen die Witwen der Soldaten Blanchard und Durantet die ersten Schritte zur Rehabilitierung ihrer Manner, indem sie an Dr. Laurent, den Abgeordneten von Roanne, schrieben, da die beiden Soldaten aus diesem Departement stammten. Dass der Antrag vorankam (Korrespondenz mit dem Justizministerium, Sammlung zahlreicher Zeugenaussagen, die Leutnant Paulaud direkt belasteten usw.), war vor allem der Entschlossenheit und Hartnackigkeit von Claudius Lafloque zu verdanken, eines ehemaligen Angehorigen des 298. Infanterieregiments. Das unter Druck geratene Ministerium stimmte schließlich der Wiederaufnahme des Verfahrens zu. Die Anhorung vor dem Kassationsgericht fand am 30. November und 1. Dezember 1920 statt, und das Urteil wurde am 29. Januar 1921 verkundet, wobei das Urteil vom 4. Dezember 1914 aufgehoben und die Familien der Erschossenen wieder in ihre vollen Rechte eingesetzt wurden, einschließlich der Zahlung der ruckstandigen Renten seit 1914. Das Urteil des Kassationsgerichts vom 29. Januar 1921 wurde im Amtsblatt vom 18. Februar 1921 veroffentlicht: Alle sechs wurden spater posthum mit der Militarmedaille und dem Croix de guerre ausgezeichnet. Nach diesem Urteil wurde Leutnant Paulaud vom Kriegsministerium wegen Falschaussage angeklagt; die Verhandlung fand am 4. und 5. Oktober 1921 vor dem Kriegsrat der 13. Militarregion statt. Der Regierungskommissar forderte drei Jahre Haft und die Entfernung aus dem Dienst, aber sieben Jahre nach den Ereignissen war es schwierig, seine Schuld zu beweisen. Schließlich wurde er freigesprochen, sehr zum Unmut der Kriegsveteranen. Laut dem Historiker Nicolas Offenstadt war er der einzige Offizier, der wegen seiner Rolle bei einer Hinrichtung vor Gericht gestellt wurde. Im Juli 1929 reichte Emile Floch, der Bruder des Korporal Floch, eine Klage wegen Untreue gegen die Offiziere ein, die fur die Verurteilung von 1914 verantwortlich gemacht wurden: General Etienne de Villaret, Oberst Pinoteau und Kommandant Guignot. Das Verfahren wurde ohne weitere Maßnahmen eingestellt. Claudius Lafloque wurde fur seinen Einsatz mit dem Orden der Ehrenlegion ausgezeichnet. Gedenken = Das Denkmal = Das am Ort der Hinrichtung errichtete Denkmal fur die sechs Erschossenen von Vingre wurde am 5. April 1925 in Anwesenheit zahlreicher Veteranen des 298. Infanterieregiments eingeweiht. Es war nach einer Pressekampagne der Liga fur Menschenrechte und mit Unterstutzung der Departements Loire und Allier durch eine Subskription finanziert worden. Zu Ehren der sechs Martyrer ist auf dem Denkmal zu lesen: = Gedenkstele in Ambierle = In der kleinen Gemeinde Ambierle im Departement Loire, aus der zwei der Erschossenen, Jean Blanchard und Francisque Durantet, stammten und in der sie wieder bestattet wurden, erinnert eine Stele an die sechs in Vingre Erschossenen. Diese Stele wurde von der Association laique des amis des monuments pacifistes (Laizistischer Verein der Freunde pazifistischer Denkmaler) von Saint-Martin-d’Estreaux und der Loire mit Unterstutzung des Generalrats gestiftet. = Platze und Straßen = In Frankreich sind zahlreiche Platze und Straßen nach den Martyrern benannt; so zum Beispiel in Saint-Etienne die rue des Martyrs-de-Vingre (wo die Straße wahrend des Vichy-Regimes anders benannt wurde). = Denkmal von Riom = In Riom, im Departement Puy-de-Dome, steht ein Denkmal zum Gedenken an die Poilus, die wegen ihrer Vorbildfunktion erschossen wurden: die sechs Martyrer von Vingre und die Martyrer von Flirey, Fleury, Fontenoy, Montauville und Souain. Das Denkmal befindet sich in der Nahe des Soldatenfriedhofs auf dem Friedhof von Charmettes und wurde am 11. November 1922 eingeweiht. Die heutige Inschrift lautet: „Den unschuldigen Opfern der Kriegsrate 1914–1918 und den Opfern der Miliz und der Gestapo 1939–1944“. Das Denkmal ist schlicht, obeliskformig, mit eingravierten Inschriften in Goldbuchstaben und ohne Verzierungen. = Gedenkzeremonien = Erste Zeremonie mit den Familien 1999: Am 17. und 18. April 1999 empfing der Verein Soissonnais 14–18 zum ersten Mal gemeinsam die Familien der Nachkommen der sechs Erschossenen in Vingre. Diese Zeremonie war der Ausgangspunkt fur die Veroffentlichung von Briefen und Portrats der Erschossenen; der Verein setzt sich fur den Bau eines Rundgangs der Erinnerung in Vingre ein. Feier zum 90. Jahrestag im Jahr 2004: Am 4. Dezember 2004, dem 90. Jahrestag der Hinrichtung, brachte der Prasident des Generalrats des Departements Aisne am Denkmal eine Tafel an, die die Namen der sechs Erschossenen tragt und sie zu „Ehrenburgern des Departements Aisne“ machte. Zeremonie zur Hundertjahrfeier im Jahr 2014: Am 6. Dezember 2014 organisierten der Generalrat des Departements Aisne und der Verein Soissonnais 14–18 eine Gedenkfeier zum 100. Jahrestag der Hinrichtung der sechs in Vingre erschossenen Manner. Der Zeremonie ging eine Besichtigung der Statte voraus. Anwesend waren neben einer Vielzahl von Politikern und Honoratioren auch die Familien der Erschossenen. Als Zeichen der Solidaritat mit den Familien der „Sechs von Vingre“ nahmen die Nachkommen von Lucien Bersot, der ebenfalls im Februar 1915 erschossen wurde, um ein Exempel zu statuieren, und 1922 rehabilitiert wurde, sowie die Nachkommen von Claudius Lafloque und Jean Nicolay, Handwerker und Anwalte der Familien, die 1921 rehabilitiert wurden, und Claire de Villaret, Enkelin des Generals de Villaret, an der Zeremonie teil. Die Familien wurden von der Association Soissonnais 14–18 in einer privaten Zeremonie am fruhen Morgen empfangen. = Die Martyrer von Vingre in der Literatur = Im Roman Au revoir la-haut (2013) von Pierre Lemaitre greift der Titel das Abschiedswort aus dem letzten Brief eines der Erschossenen, Jean Blanchard, an seine Frau auf. Wir sehen uns dort oben, dt. von Antje Peter; Klett-Cotta, Stuttgart 2014. ISBN 978-3-608-98016-5 Der Roman La Promesse des Ames (2014) von Eve Carmignani ist von den Ereignissen in den Schutzengraben 1914 und den Erschossenen von Vingre inspiriert. Der Roman Le Fils du fusille (2018) von Jean-Pierre Barre ist von dieser Tragodie inspiriert. Literatur Im Text verwendet Jean Blanchard: Je t’ecris de Vingre (Correspondance de Jean Blanchard, fusille pour l’exemple le 4 decembre 1914). Editions du Soissonnais 14–18, 2006, ISBN 978-2-9508870-9-2 (worldcat.org). Nicolas Offenstadt: Les fusilles de la Grande Guerre et la memoire collective : (1914–1999). Odile Jacob, 2002, ISBN 978-2-7381-1198-2 (worldcat.org). Weitere Historique du 298e Regiment d'infanterie pendant la Grande Guerre 1914–1918. Imprimerie Souchier, 1921. Henri Andraud: Les Fusilles de Vingre. Editions des imprimeries et papeteries commerciales, 1922. Robert Attal, Denis Rolland: La justice militaire en 1914 et 1915 : le cas de la 6e armee. Bulletin de la Federation des Societes d’Histoire et d’Archeologie de l’Aisne, 1996. Andre Bach: Fusilles pour l’exemple. 1914–1915. Jean Pierre Taillandier Editions, 2013, ISBN 979-1-02100125-1 (worldcat.org). Jean-Antoine Forges: Les Fusilles de Vingre. Ceux du Roannais, 2004. Pierre Miquel: Les enfants de la patrie. Librairie generale francaise, 2004, ISBN 978-2-253-06779-5 (worldcat.org). Roger Monclin: Les damnes de la guerre. Les crimes de la justice militaire (1914–1918). Mignolet & Storz, 1934 (bnf.fr). Marie Pamart, Jean-Louis Robert und Universite Pantheon-Sorbonne (Paris): La memoire des fusilles de Vingre. 2003, OCLC 493741869. Denis Rolland: Les fusilles de Vingre : le serment de Claudius Lafloque. Soissonnais 14-18, 2014, OCLC 903330576. Pierre Yrondy: Un crime, les fusilles de Vingre. L–Oiseau de Minerve, 1999, ISBN 978-2-913234-03-1 (worldcat.org). Weblinks Anmerkungen Einzelnachweise
Die Martyrer von Vingre (Martyrs de Vingre) oder die Erschossenen von Vingre (Fusilles de Vingre) sind sechs franzosische Frontsoldaten (Poilus) des 298. Infanterieregiments, die im Ersten Weltkrieg am 4. Dezember 1914 in Vingre im franzosischen Departement Aisne zur Abschreckung erschossen wurden. Sie wurden am 29. Januar 1921 vom Kassationsgericht rehabilitiert. Die Exekution und ihre Folgen spielen noch heute in Frankreich eine große Rolle beim Gedenken an den Ersten Weltkrieg.
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c-611
Mich vermisst keiner! ist ein deutscher Dokumentarfilm von Erik Lemke aus dem Jahr 2016. Inhalt Evi kann nach zwei Beinamputationen die Wohnung nicht mehr verlassen. Die Besuche der Freunde bleiben aus. Fernsehprogramm, streng eingehaltene Essenszeiten und das Uberprufen der Lottozahlen geben ihrem Alltag Struktur. Video-Aufnahmen der fruhen Nachwendezeit zeigen Evi – vor ihrer geschlechtsangleichenden Operation – unter anderem an ihrem letzten Arbeitsplatz im Robotron-Werk Radeberg, kurz vor dessen Schließung. Hintergrund In einem Nachruf auf Evelin Broszeit im Marz 2024 nennt die Sachsische Zeitung weitere Details aus ihrem Leben. Geboren wurde die Transfrau 1957 als Ekkehard in Radeberg. Im Alter von 18 Jahren war ihr klar, dass sie sich nicht als Mann, sondern als Frau fuhlte. So habe sie schon fruh eigene Radioempfanger gebastelt, bis zur Abwicklung durch die Treuhand bei der Firma Robotron gearbeitet und war Amateurfunkerin. Uber das Funken habe sie eine Frau kennengelernt, die den Weg der Geschlechtsumwandlung bereits gegangen war. 2001 kam es mit 44 Jahren schließlich zur geschlechtsangleichenden Operation. Der Filmemacher sei ihr Großneffe. Erik Lemke erzahlte in einem Beitrag des MDR-Kulturmagazins artour vom 13. April 2018, dass die Filmaufnahmen ursprunglich nur dem Festhalten der eigenen Familiengeschichte dienen sollten, da Evi und er einander trotz Verwandtschaft spat kennenlernten. Die Offenbarung der alten VHS-Videos fuhrte durch den nun moglichen lebendigen Blick in die Vergangenheit erst zur Idee eines eigenstandigen Films. Veroffentlichung und Auszeichnungen Der von der Berliner Idfabrik produzierte Dokumentarfilm wurde am 2. November 2016 auf dem 59. Internationalen Dokumentarfilmfestival Leipzig uraufgefuhrt und hatte seine internationale Premiere am 17. November 2017 auf dem Festival Internacional de Cine y Estudios de Genero Imperfectu in Tijuana (Mexico). Auf der Mitteldeutschen Filmnacht des Filmfests Dresden 2017 gewann der Film den Publikumspreis, ebenso auf dem Filmfestival Kurzsuechtig 2018 in der Kategorie Dok. Am 3. November 2018 folgte die Erstausstrahlung im MDR-Fernsehen und am 27. Juni 2024 war er Teil der Sendung Unicato – Das Kurzfilmmagazin. Die Deutsche Film- und Medienbewertung zeichnete den Film mit dem hochsten Pradikat besonders wertvoll aus. Rezeption Andreas Herrmann von den Dresdner Neuesten Nachrichten verglich den Film mit anderen Publikumsfavoriten auf dem Filmfest Dresden 2017 wie dem Kurzfilm Gabi und bemerkte als Gemeinsamkeit einen Kontrast zum Geschwindigkeitswahn der klassischen Medien und „eine lineare, nahezu uberraschungsfreie Erzahlweise, in der Optimismus nur ganz sanft in der Tiefe der Figuren ruht.“ Tim Paul Buttner außerte sich ahnlich in Luhze und schrieb: „Dabei verfallt der Film nie in erzwungene Sentimentalitat, sondern schmerzt schon fast durch seine trockene Nuchternheit.“ Bei der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW) heißt es: „Durch die enge Kamerafuhrung spurt man das Vertrauen zwischen der Gefilmten und dem Regisseur – und auch die Close-Ups auf Einrichtungsgegenstande oder scheinbaren ‚Nippes‘ offenbaren einen interessierten und immer respektvollen Blick. Mich vermisst keiner! ist ein feinfuhliges und ebenso feinnuanciertes Portrat eines Menschen, der von der Gesellschaft nicht gesehen wird.“ Die Jury der FBW fand, der Film bedrange die Protagonistin nicht und bewahre so auch letztlich das Geheimnis hinter der Figur. „Nicht alle Fragen aus der Vergangenheit werden geklart. Die Inszenierung baut auf eine subtile Entfaltung der Schichten und stellt viele existenzielle Fragen.“ Weblinks Mich vermisst keiner! bei IMDb Filmtrailer Mich vermisst keiner! auf YouTube Verena Belzer: „Sie hatte eigentlich schon mit allem abgeschlossen“: Transfrau stirbt nach bewegtem Leben in Radeberg. In: Sachsische Zeitung. 15. Marz 2024; abgerufen am 5. April 2024. Mich vermisst keiner! bei docfilm42 Einzelnachweise
Mich vermisst keiner! ist ein deutscher Dokumentarfilm von Erik Lemke aus dem Jahr 2016.
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c-612
Die Eulersche Scheibe (englisch Euler’s disk) ist ein Lernspielzeug zur Demonstration eines rotierenden Kreisels. In der ursprunglichen Fassung besteht sie aus einer verchromten Stahlscheibe mit abgerundeten Kanten und glatter ebener oder leicht gewolbter Vorder- und Ruckseite. Euler’s disk wurde von dem Erfinder Joseph Bendik Ende der 1990er-Jahre entwickelt und als Marke eingetragen. Benannt ist die Scheibe nach Leonhard Euler, der sich umfassend mit der Theorie von Kreiselbewegungen (Eulersche Gleichungen) beschaftigte. Die Eulersche Scheibe gibt es in vielen unterschiedlichen Großen. Phanomen Dreht man die Eulersche Scheibe, so beginnt sie sich entlang der Rotationsachse zu drehen und auch die Rotationsachse selbst bewegt sich. Mit der Zeit werden die Bewegungen immer schneller. Da die Kanten immer haufiger auf die Oberflache prallen, erhoht sich die Lautstarke. Auch visuell verschmelzen die Bewegungen. Geschichte Nach Angaben des Erfinders sei die Idee des Spielzeugs Ende der 1990er-Jahre entstanden, als er Ingenieur eines großeren Unternehmens in Sudkalifornien war. Durch eine Fehllieferung wurden damals zwolf rasiermesserscharfe Scheiben an ihn geliefert. Aus Langeweile fing er an, eine Scheibe auf seinem glatten Schreibtisch zu drehen, wodurch nach einer knappen halben Minute ein Kollege in sein Buro kam und sich wegen des Larms erkundigte. Erklarung und Forschung Im Wesentlichen ist die Erklarung, weshalb die Eulersche Scheibe sich so dreht, nicht anders als etwa bei Munzen. Wegen ihrer glatten Oberflache und abgerundeten Kante dreht sie sich aber besonders lange – je nach Durchmesser und Masse mehrere Minuten. Zur Erklarung muss man Reibung und Luftwiderstand beachten. Wenn man die fur die Erdatmosphare typische Viskositat und die Erdbeschleunigung g {\displaystyle g} hat, dann hangt im Wesentlichen die Drehung von der Masse M {\displaystyle M} , dem Durchmesser d {\displaystyle d} und dem anfanglichen Winkel α 0 {\displaystyle \alpha _{0}} ab. Wahrend des Drehens strebt der Winkel α ≤ α 0 {\displaystyle \alpha \leq \alpha _{0}} gegen 0 {\displaystyle 0} . Dann kann man zwei Großen beobachten: Die Winkelgeschwindigkeit ω {\displaystyle \omega } , die besagt, mit welcher Geschwindigkeit sich die Scheibe um die eigene Achse dreht. Die Winkelgeschwindigkeit betragt | ω | = − 2 ⋅ g sin ⁡ ( α ) d . {\displaystyle \vert \omega \vert =-2\cdot {\sqrt {\frac {g\sin(\alpha )}{d}}}.} Die Prazession Ω {\displaystyle \Omega } , welche die Richtungsanderung der Rotationsachse beschreibt. Dabei gilt | Ω | = 2 ⋅ g d sin ⁡ ( α ) . {\displaystyle \vert \Omega \vert =2\cdot {\sqrt {\frac {g}{d\sin(\alpha )}}}.} Die Frequenz, mit der die Scheibe die Oberflache beruhrt, betragt dann | Ω | 2 π = 1 π ⋅ g d sin ⁡ ( α ) . {\displaystyle {\frac {\vert \Omega \vert }{2\pi }}={\frac {1}{\pi }}\cdot {\sqrt {\frac {g}{d\sin(\alpha )}}}.} Fur kleiner werdende α {\displaystyle \alpha } wachst also die Frequenz stark an, was die Lautstarke und optische Illusion (Flimmerverschmelzungsfrequenz) erklart. Anfang der 2000er-Jahre wurde die Eulersche Scheibe Gegenstand mehrerer wissenschaftlicher Veroffentlichungen, bei denen es um die Frage ging, ob vornehmlich der Luftwiderstand oder die Reibung die besonders „wackelig“ aussehenden Bewegungen verursachten. Keith Moffatt vermutete, es liege an dunnen Luftschichten. Er berechnete fur eine 400 g schwere Scheibe mit einem Radius von 3,75 cm eine Drehzeit von 80 bis 120 Sekunden, was mit empirischen Beobachtungen ubereinstimmte. Allerdings fuhrte man im Anschluss experimentelle Versuche im Vakuum oder bei sehr niedrigem Luftdruck durch, die diese Hypothese eher widerlegten. Es besteht daher Ubereinstimmung, dass vornehmlich die Reibung den Effekt verursacht. Weblinks Erklarvideo von Michael Stevens Drehung der Eulerschen Scheibe in normaler Geschwindigkeit Drehung der Eulerschen Scheibe, 10-mal verlangsamt Anmerkungen
Die Eulersche Scheibe (englisch Euler’s disk) ist ein Lernspielzeug zur Demonstration eines rotierenden Kreisels. In der ursprunglichen Fassung besteht sie aus einer verchromten Stahlscheibe mit abgerundeten Kanten und glatter ebener oder leicht gewolbter Vorder- und Ruckseite. Euler’s disk wurde von dem Erfinder Joseph Bendik Ende der 1990er-Jahre entwickelt und als Marke eingetragen. Benannt ist die Scheibe nach Leonhard Euler, der sich umfassend mit der Theorie von Kreiselbewegungen (Eulersche Gleichungen) beschaftigte. Die Eulersche Scheibe gibt es in vielen unterschiedlichen Großen.
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c-613
Ariane Charlotte Elisabeth Amsberg (* 25. August 1930 in Berlin; † 8. Dezember 2016 in Leiderdorp) war eine niederlandische Autorin und Feministin. Leben und Werk Ariane Amsberg war die alteste Tochter von Julius Fritz Amsberg (1887–1965), einem judischen deutschen Bankier, und Alice Sophie Irma Vorreiter (1901–1991), einer katholischen belgischen Schauspielerin. Sie wuchs mit ihren zwei jungeren Schwestern in Hannover auf. Arianes Vater war Direktor der Dresdner Bank in Hannover, wurde jedoch 1933 entlassen, als Adolf Hitler in Deutschland an die Macht kam. 1934 emigrierte die Familie nach Amsterdam. 1936 bezogen sie ein Haus in der Michelangelostraat 63. Die drei Tochter wurden zuhause franzosischsprachig erzogen, weil ihre Mutter diese Sprache sprach, und besuchten katholische Schulen. Nach der Jacobsschool, der katholischen Grundschule in der Banstraat, besuchten sie das von Nonnen gefuhrte romisch-katholische Lyzeum fur Madchen (spater Fons Vitae Lyceum). Wahrend des Zweiten Weltkriegs und der Besetzung der Niederlande lebte die Familie in standiger Angst. Der Vater musste sich als Jude vor Razzien der deutschen Besatzungsmacht verstecken, wurde mehrfach verhaftet und ihre Mutter wurde durch die Geheime Staatspolizei zu einer Scheidung gedrangt und bedroht. Nach der Befreiung der Niederlande wurde Ariane Amsberg zur Erholung nach Schweden geschickt, wo sie mit freieren gesellschaftlichen Normen in Beruhrung kam, die weniger restriktiv waren, als sie es von den Niederlanden gewohnt war. Zuruck in Amsterdam durfte sie das progressivere Amsterdamer Lyzeum besuchen. Nach dem Abitur studierte sie Franzosisch an der Universiteit van Amsterdam und nahm daneben Schauspielunterricht bei Else Mauhs und Cruys Voorbergh, Sprechunterricht bei Georgette Rejewsky und Ballettunterricht bei Sonia Gaskell. Von 1951 bis 1953 trat sie mit der Amsterdams ToneelGezelschap (ATG) der Theatergesellschaften der Niederlande auf, ubernahm Sprechrollen in Radiohorspielen und spielte in der Theatergruppe von Albert van Dalsum. Außerdem ubersetzte sie franzosische Schriftsteller und Dramatiker wie Albert Camus, Jean Giraudoux und Paul Raynal. Gefordert durch ein Stipendium der Maison Descartes ging Ariane Amsberg 1953 nach Paris und studierte Theaterwissenschaften an der Sorbonne. Sie belegte Kurse in Schauspiel, Literatur, Buhnenbild und Beleuchtung, wirkte in der Theatergruppe Les Theophiliens der Universitat mit und verbrachte ihre freie Zeit im Theater und mit Filmemachern, Schriftstellern und Kunstlern. 1957 begann Ariane Amsberg als Ubersetzerin im niederlandischen Konsulat in Paris zu arbeiten, wodurch sie die Bekanntschaft des Dichters, Schriftstellers und Diplomaten Maarten Mourik (1923–2002) machte. Als sie schwanger wurde, heiratete sie ihn am 21. September 1957 in Amsterdam. Sie ging mit ihm nach Washington D.C., wo 1958 Tochter Mariska Alice geboren wurde. 1962 kam Sohn Maarten und 1963 Tochter Helene zur Welt. Bedingt durch den Diplomatendienst ihres Mannes lebte sie auch in Bern und Bonn. Die Ehe wurde 1970 geschieden und Ariane Amsberg kehrte in die Niederlande zuruck, wo sie mit ihren drei Kindern eineinhalb Jahre lang bei ihrer Mutter in Amsterdam wohnte. Wahrend dieser Zeit traf sie den ebenfalls frisch geschiedenen hoheren Beamten Herman Christiaan Posthumus Meyjes (1927–2017) wieder, den sie aus ihrer Studienzeit kannte. Sie heirateten, aber auch diese Verbindung hatte keinen Bestand. Danach war Ariane Amsberg nur noch in losen Beziehungen zu Mannern als auch Frauen. Um 1972 zog Ariane Amsberg in die Cartesiuslaan 15 nach Oegstgeest, engagierte sich in der Frauenbewegung und begann in Frauengesprachsgruppen uber Sexualitat zu sprechen. Vermittelt durch ihre jungste Schwester, die Journalistin und Programmmacherin Kiki Amsberg, gelangte sie um 1976 in das Telefonteam der von Germaine Groenier moderierten seinerzeit umstrittenen VPRO-Sendung Seks op Vrijdag. Entsetzt uber die mangelnde Aufmerksamkeit fur die sexuellen Erfahrungen von Frauen begann sie, uber weibliche Sexualitat zu publizieren und regelmaßig in Radio- und Fernsehsendungen uber Sex und Emanzipation mitzuwirken, wie 1979 in „Helpen bij seksuele moeilijkheden“ des niederlandischen Bildungssenders Teleac, 1980 in „Ot en hoe zit het nou met Sien“ der Nederlandse Omroep Stichting (NOS), in „De Schoolkrant“ der Interkerkelijke Omroep Nederland (IKON), 1983 in „Kijk haar“ der VARA und 1984 in „Open school“ der Stichting Federatie Educatieve Omroep (Feduco). Einmal wochentlich wurde ein Beitrag von ihr im TROS-Radioprogramm „Week in, week uit“ gesendet. 1987 startete die VARA-Sendung „Nul nul sex“, in der Ariane Amsberg Zuschauerfragen zum Thema Sex und Erotik beantwortete. Zwischen 1989 und 1992 hatte sie eine regelmaßige Kolumne uber Erziehung und Bildung in der Radiosendung „Klasse“ des Katholieke Radio Omroep (KRO). Sie schrieb fur das feministische Magazin Opzij, fur das Magazin „Sekstant“ der Nederlandse Vereniging voor Seksuele Hervorming (NVSH) und die Reihe „Relatie en Sexualiteit“. Ab August 1989 hatte sie funf Jahre lang eine regelmaßige Kolumne im Algemeen Dagblad. Außerdem gab sie Theaterimprovisationsunterricht, hielt Vortrage und veroffentlichte Bucher und Aufsatze. Ihr Hauptanliegen war, dass junge Menschen eine gute Sexualerziehung erhalten sollten, und sie klarte uber die Funktionsweise und Vergleichbarkeit der Klitoris mit dem Penis auf. Sie betonte, dass Madchen lernen sollten, zu masturbieren, bevor sie Sex mit einem Jungen haben, und fasste ihre Intention zusammen mit „Je moet eerst je eigen instrument kunnen bespelen, voordat je samen muziek kunt maken“ (dt.: „Man muss erst lernen, sein eigenes Instrument zu spielen, bevor man gemeinsam Musik machen kann“). Mit ihren Veroffentlichungen und Auftritten zur Enttabuisierung weiblicher Sexualitat stellte sie eine wichtige Stimme der zweiten Welle der Frauenbewegung dar. In den 1990er Jahren zog Ariane Amsberg sich aus der Offentlichkeit zuruck. Sie war noch Teil eines „Frauenkreises“, zu dem auch ihre beste Freundin, die bildende Kunstlerin Maja van Hall, die Politikerin, Geographin und Soziologin Hedy d’Ancona und die Psychiaterin Bertha van Amstel gehorten, lebte ansonsten aber sehr zuruckgezogen. Nachdem sich ihr Gesundheitszustand ab dem Sommer stetig verschlechtert hatte, erkrankte sie im November 2016 an einer Lungenentzundung und starb im Dezember im Beisein ihrer Kinder und ihrer Schwester in einem Krankenhaus in Leiderdorp. Fotos, Texte und Notizen von und fur Artikel, Kolumnen, Fernseh- und Radiosendungen, Interviews und Schriftwechsel sowie eine Ubersicht uber Ariane Amsbergs Arbeit beim TROS-Radioprogramm zwischen 1982 und 1984 befinden sich im Atria, instituut voor vrouwengeschiedenis. Veroffentlichungen (Auswahl) Wat vinden vrouwen zelf van seks Verlag Bert Bakker, 1978, ISBN 978-90-6019-5734 (eine Sammlung ihrer Interviews mit Frauen uber ihre Sexerfahrungen, darunter auch mit ihrer eigenen Mutter, die zuvor im NVSH-Magazin Sekstant veroffentlicht wurde) Ariane Amsberg, Jos Bienema: Zin en onzin over seks. Van Loghum Slaterus 1981, ISBN 978-90-6001-6817 Anja Meulenbelt, Ariane Amsberg (Interviews): Voor onszelf. Vanuit vrouwen bekeken. Lijf en seksualiteit. Feministische Uitgeverij Sara, Amsterdam 1979, ISBN 90-6328-015-7 Ariane Amsberg, Anja Meulenbelt: Wat is er met de vrouwenbeweging gebeurd? Opzij, 1988, ISBN 978-90-2367-9110 Weblinks Marie-Cecile van Hintum: Amsberg, Ariane Charlotte Elisabeth (1930-2016). In: Digitaal Vrouwenlexicon van Nederland. Huygens-Institut fur die Geschichte der Niederlande (Hrsg.) Ariane Amsberg bei IMDb Einzelnachweise
Ariane Charlotte Elisabeth Amsberg (* 25. August 1930 in Berlin; † 8. Dezember 2016 in Leiderdorp) war eine niederlandische Autorin und Feministin.
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c-614
Der Limeswachturm Wp 4/49 stand in romischer Zeit nahe dem heutigen Gruningen, einem Ortsteil der Stadt Pohlheim in Mittelhessen. Er ist als Teil des Obergermanisch-Raetischen Limes ein Zeugnis romischer Grenzbefestigungen. Die Position des Turms Wp 4/49 (Posten 49 am Streckenabschnitt 4) ist durch Steinfundamente nachgewiesen. Die Rekonstruktion des Turms, die 1967 unter Beteiligung der Heimatvereinigung Schiffenberg e. V., des Landes Hessen und der Stadt Pohlheim errichtet wurde, zielt darauf ab, die militararchitektonischen Merkmale des Limes zu prasentieren. Der Wachturm, als ein Element des Limes als UNESCO-Welterbe, steht heute stellvertretend fur die Methodik und Bauweise der romischen Grenzsicherung. Geschichtlicher Hintergrund = Antike = Der ursprungliche Wachturm war ein Teil des Obergermanisch-Raetischen Limes, der wahrend der romischen Kaiserzeit angelegt wurde, um die Grenzen des Romischen Reiches zu sichern. Der Bau des Limes begann unter Kaiser Domitian (81–96 n. Chr.) und wurde unter den Kaisern Trajan (98–117 n. Chr.) und Hadrian (117–138 n. Chr.) wesentlich erweitert und verstarkt. Der Limesturm in Pohlheim mit der Bezeichnung Wp 4/49 reprasentiert einen Abschnitt dieser Grenzbefestigung, die sich uber Hunderte von Kilometern erstreckte und das romische Territorium von den germanischen Stammen nordlich davon abgrenzte. Er stand an der Grenzlinie zwischen dem Kleinkastell Holzheimer Unterwald und dem Kleinkastell Hainhaus. Der Turm wurde im 2. Jahrhundert n. Chr., zur Zeit der großten Ausdehnung und Konsolidierung des Limes, als Beobachtungs- und Signalposten errichtet. Diese Zeit fiel zusammen mit einer Phase relativer Stabilitat an den Grenzen des Reiches, die jedoch immer wieder durch Konflikte mit germanischen Stammen unterbrochen wurde. Die Grenze diente nicht nur als Verteidigungslinie, sondern auch als Kontrollmechanismus fur den Handel und als Mittel zur Integration der eroberten Gebiete in das romische Wirtschafts- und Verwaltungssystem. Der Wachturm stand am nordlichsten Punkt des Limes, im heute sogenannten Wetteraubogen. Der Standort verdeutlicht somit eine signifikante strategische Positionierung des Romischen Reiches. Er verkorpert die Intention Roms, eine feste Grenze zu etablieren und zugleich ein wachsames Auge auf die benachbarten germanischen Stamme zu haben. Diese wechselhafte Beziehung zwischen den Romern und den Germanen, gepragt von diplomatischen, kommerziellen und militarischen Interaktionen, positioniert den Turm als Zeuge einer komplexen Grenzdynamik, in der die Stamme abwechselnd als Gegner und Verbundete auftraten. Uber die Jahrhunderte hinweg erlebte der Limes und mit ihm der Turm in Pohlheim verschiedene Phasen der Nutzung, des Ausbaus und der Rekonstruktion. Die fortschreitende Romanisierung der angrenzenden Gebiete und die damit einhergehenden kulturellen und wirtschaftlichen Veranderungen spiegeln sich in der Architektur und den Funden in und um den Turm wider. = Zeit der Rekonstruktion = Die moderne Rekonstruktion des Limesturms auf dem Sandberg in Pohlheim stellt ein Projekt zur Bewahrung und Visualisierung romischer Militararchitektur dar. Sie dient der historischen Aufarbeitung und der Bildung. Die Initiative zur Rekonstruktion wurde Anfang des 20. Jahrhunderts maßgeblich durch die historische Forschung und das Engagement von Robert Sommer (1864–1937), dem Direktor der psychiatrischen Klinik an der Universitat Gießen, gepragt. Sommer, der bei seinen Untersuchungen in der Region auf den nordlichsten Punkt des Wetterauer Limes stieß, erkannte die kulturelle und historische Bedeutung des Standortes. Um die fortschreitende Erosion und Uberbauung des historischen Grenzwalls durch landwirtschaftliche Nutzung zu verhindern, erwarb Sommer 1910 ein ca. 3000 m² großes Areal, das die Uberreste des romischen Grenzwalles einschloss. 1912 initiierte er die Setzung eines Gedenksteins, bekannt als Barbarenstein, zur Markierung und Wurdigung des Limes als bedeutsames kulturelles Erbe. Die tatsachliche Rekonstruktion des Wachturms erfolgte erst Jahrzehnte spater, angeregt durch die von Sommer mitbegrundete Heimatvereinigung Schiffenberg. Planung und Umsetzung des Rekonstruktionsprojekts wurden in Zusammenarbeit mit den lokalen Denkmalpflegebehorden und nach eingehender Beratung durch den damaligen Bodendenkmalpfleger des Kreises realisiert. Finanzielle Unterstutzung erhielt das Projekt durch das Land Hessen, die Stadt Pohlheim und durch Eigenleistungen der beteiligten Vereine. Die Arbeiten begannen Anfang 1966 und die feierliche Einweihung des rekonstruierten Turms fand am 28. Mai 1967 statt. Die Rekonstruktion, die auf umfassenden archaologischen Untersuchungen und dem damaligen Stand der Forschung basierte, zielte darauf ab, die Struktur so originalgetreu wie moglich wiederherzustellen. Die Erganzung des Turms durch rekonstruierte Wall- und Grabenanlagen sowie einen Palisadenzaun vervollstandigte die historische Szenerie und diente der bildungsgeschichtlichen Aufarbeitung der romischen Prasenz in der Region. Eine Darstellung des Turms findet sich auf dem am 15. Mai 1975 durch den Hessischen Minister des Inneren genehmigten Wappen fur die Stadt Pohlheim. Die Errichtung des Limesturms und die damit verbundene landschaftliche Gestaltung trugen zur Sensibilisierung der Offentlichkeit fur die Bedeutung des Limes als kulturelles Erbe bei. Die Installation einer Informationstafel am Turm, die einen Uberblick uber den Verlauf des Limes und die spezifische Bedeutung des Standorts bietet, unterstreicht das Bestreben, den Turm als lehrreiches Denkmal fur die regionale und romische Geschichte zu etablieren. Die nach dem Kenntnisstand von 1967 erbaute Rekonstruktion liegt ein wenig sudwestlich der authentischen Turmstelle und ist wohl in Teilen fehlerhaft. Die eigentliche Turmstelle ist als flacher, rund 1,50 m hoher und 18,90 m durchmessender Hugel deutlich im Gelande wahrnehmbar. Hier war von der Reichs-Limeskommission 15 m hinter dem Scheitel des Limeswalls ein quadratischer Steinturm mit einer Seitenlange von 5,90 m festgestellt worden. Die Starke der Mauern betrug 90 cm. Architektur des rekonstruierten Wachturms Romische Wachturme dienten als fundamentale Bestandteile des Limes und waren in regelmaßigen Abstanden entlang der Grenzlinie positioniert, um eine optische Signalubertragung zu ermoglichen. Ursprunglich in Holzbauweise wahrend der ersten Bauphase des Limes errichtet, erfolgte spater der Ubergang zu Steinbauten. Der rekonstruierte Limesturm weist einen quadratischen Grundriss mit einer Seitenlange von 6 Metern auf. Die Struktur erhebt sich auf eine Hohe von etwa 9 Metern und ist gekennzeichnet durch ein uberhangendes Zeltdach. Mit einer umlaufenden, mit einem Holzgelander versehenen Brustung zeigt das Bauwerk exemplarisch die Bautechnik und Architektur der romischen Grenzbefestigungen. Die Nutzung von Steinmaterial entspricht der traditionellen Bauweise der in der Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. errichteten festen Wachturme. Siehe auch Limeswachturm Wp 3/26 Quellen Tafel am Limeswachturm Pohlheim der Heimatvereinigung Schiffenberg e.V. Literatur Jurgen Oldenstein (Hrsg.): Der obergermanisch-ratische Limes des Romerreiches. Fundindex Fundindex. Zabern, Mainz 1982, ISBN 3-8053-0549-4 Egon Schallmayer: Der Limes. Geschichte einer Grenze. C. H. Beck, Munchen 2006, ISBN 3-406-48018-7 Marcus Reuter, Andreas Thiel: Der Limes. Auf den Spuren der Romer. Theiss, Stuttgart 2015, ISBN 978-3-8062-2760-4 Landkreis Gießen: Der Limes im Gießener Land (PDF-Dokument, 2,6 MB), 2000 Weblinks Roger Schmidt: Ein verbindendes Wahrzeichen. In: Gießener Allgemeine Zeitung. 26. Marz 2019 (giessener-allgemeine.de). Die Wachtturme am Limes (Pohlheim) Taunus-Wetterau Limes Landkreis Gießen: Die Wachtturme am Limes. In: giessener-land.de Einzelnachweise
Der Limeswachturm Wp 4/49 stand in romischer Zeit nahe dem heutigen Gruningen, einem Ortsteil der Stadt Pohlheim in Mittelhessen. Er ist als Teil des Obergermanisch-Raetischen Limes ein Zeugnis romischer Grenzbefestigungen. Die Position des Turms Wp 4/49 (Posten 49 am Streckenabschnitt 4) ist durch Steinfundamente nachgewiesen. Die Rekonstruktion des Turms, die 1967 unter Beteiligung der Heimatvereinigung Schiffenberg e. V., des Landes Hessen und der Stadt Pohlheim errichtet wurde, zielt darauf ab, die militararchitektonischen Merkmale des Limes zu prasentieren. Der Wachturm, als ein Element des Limes als UNESCO-Welterbe, steht heute stellvertretend fur die Methodik und Bauweise der romischen Grenzsicherung.
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c-615
Marc Unterberger (* 18. Dezember 1988) ist ein deutsch-osterreichischer Fußballtrainer. Karriere Ab Sommer 2010 war der gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann Unterberger im Nachwuchsbereich der SpVgg Unterhaching tatig und betreute dort verschiedene Jugendmannschaften beginnend ab der U11; ab 2013 war er im Verein fest angestellt. Daneben absolvierte er die Trainerlehrgange bis einschließlich der A-Lizenz und half unter anderem auch als Kellner im Vereinslokal aus. 2018 ubernahm er die U17 des Vereins, die in der B-Junioren-Bundesliga spielte. Nachdem dort in seiner ersten Saison als Elfter von insgesamt 14 Mannschaften in der Staffel Sud/Sudwest der Klassenerhalt erreicht werden konnte, belegte die Mannschaft in den beiden folgenden Spielzeiten jeweils Platzierungen im Mittelfeld der Tabelle. Die vierte Saison unter seiner Fuhrung schloss die Mannschaft als Tabellenzweiter ab. Anschließend ruckte Unterberger im Sommer 2022 zur U19 des Vereins auf, die in der A-Junioren-Bundesliga antrat, stieg mit ihr am Ende der Saison 2022/23 jedoch aus der Bundesliga ab. Nachdem Sandro Wagner, der bisherige Cheftrainer der ersten Mannschaft des Vereins in der Regionalliga Bayern, im Fruhjahr 2023 seinen Abgang zum Saisonende angekundigt hatte, berief der Verein Unterberger zu dessen Nachfolger ab dem Sommer. Am Saisonende konnte sich die Mannschaft noch mit Wagner in den Aufstiegsspielen zur Dritten Liga durchsetzen. Unterberger verfugte jedoch nicht uber die fur eine Cheftrainertatigkeit in dieser Liga erforderliche Pro-Lizenz. In der Vergangenheit hatte er sich mehrfach fur den entsprechenden Lehrgang beworben, war dort jedoch insbesondere aufgrund seiner bisherigen Vorerfahrung ausschließlich im Jugendbereich nicht aufgenommen worden. Der Verein hielt dennoch an ihm als neuem Trainer fest, woraufhin er sein Amt im Juni 2023 antrat. Nach den ersten beiden Drittliga-Spielen in der neuen Saison belegte der DFB die SpVgg Unterhaching daraufhin im August 2023 mit einer Geldstrafe von 10.000 Euro plus 3.500 Euro fur jedes weitere Spiel mit Unterberger als Cheftrainer. Vereinsprasident Manfred Schwabl kundigte an, die Strafe privat zu ubernehmen. Sportlich bestritt die Mannschaft eine relativ erfolgreiche Saison und beendete die Hinrunde auf dem funften Tabellenplatz. Uber einen im Rahmen eines Pilotprojektes neu eingefuhrten Ausbildungsplatz fur Trainer, die sich „langfristig bewahrt“ haben, wurde Unterberger im Januar 2024 schließlich in den neu beginnenden Lehrgang des DFB zur Pro-Lizenz aufgenommen, woraufhin die Strafzahlungen von bis dahin 80.000 Euro beendet wurden. Anfang Dezember 2024 trennte sich der Verein von Unterberger, als man nach dem 16. Spieltag der Saison 2024/25 mit 13 Punkten auf dem vorletzten Platz stand und sechs Punkte Ruckstand auf den ersten Nicht-Abstiegsplatz hatte. Am Montagabend, 27. Januar 2025, wurde Marc Unterberger als einer der 17 erfolgreichen Absolventen des 70. DFB Pro Lizenz-Lehrgangs vom Deutschen Fußball-Bund in Frankfurt am Main geehrt. Weblinks Marc Unterberger in der Datenbank des Deutschen Fußball-Bundes Marc Unterberger in der Datenbank von transfermarkt.de Marc Unterberger in der Datenbank von weltfussball.de Einzelnachweise
Marc Unterberger (* 18. Dezember 1988) ist ein deutsch-osterreichischer Fußballtrainer.
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Katharina von Waldeck-Wildungen (* 20. Oktober 1612 in Wildungen; † 24. November 1649 in Koln) war Regentin der Grafschaft Lippe als Vormundin ihres Sohnes Simon Philipp zur Lippe. Sie behauptete die Regierung uber das im Dreißigjahrigen Krieg neutrale Territorium mit rechtlichen, politischen und militarischen Mitteln. Leben Katharina wurde als funfte Tochter des Grafen Christian von Waldeck (1585–1637) geboren, des Begrunders der Neuen Linie Waldeck-Wildungen. Ihre Mutter war Elisabeth von Nassau-Siegen (1584–1661), Tochter des Grafen Johann VII. von Nassau-Siegen (1561–1623) und der Magdalena geb. Grafin von Waldeck-Wildungen (1558–1599) aus der alteren Wildunger Linie. Katharinas altere Schwester Maria Magdalena (1606–1671) heiratete 1623 als zweite Ehefrau von Graf Simon VII. (1587–1627) in das Grafenhaus Lippe ein. Nach dem Tod Simons VII. 1627 ubernahm Katharinas und Maria Magdalenas Vater Christian von Waldeck die Vormundschaft fur den Erben Graf Simon Ludwig zur Lippe, den 1610 geborenen altesten Sohn Simons VII. aus erster Ehe, nachdem dessen Onkel Otto zur Lippe-Brake die Position abgelehnt hatte. Am 19. Juni 1631 heiratete Katharina Graf Simon Ludwig, der kurz zuvor durch kaiserlichen Erlass (venia aetatis) vorzeitig fur volljahrig erklart worden war. = Vormundschaftsregierung fur altesten Sohn = Als Simon Ludwig funf Jahre nach der Hochzeit im August 1636 im Alter von 26 Jahren starb, kam es zu Auseinandersetzungen um seine Nachfolge. Der Ehevertrag zwischen ihm und Katharina hatte die – zuletzt 1626 durch Kaiser Ferdinand II. urkundlich erneuerte – Primogenitur bestatigt, so dass Simon Philipp, der alteste, zu diesem Zeitpunkt vierjahrige Sohn von Simon Ludwig und Katharina, nachfolgeberechtigt war. Simon Ludwigs jungere Bruder, die Grafen Johann Bernhard (1613–1652), Otto Heinrich (1614–1648) und Hermann Adolf zur Lippe (1616–1666) machten demgegenuber eigene Anspruche auf die Vormundschaft und spater auch auf die Landesherrschaft geltend. Unter anderem warfen sie Christian von Waldeck vor, als Vormund Simon Ludwigs sein Mundel zur Hochzeit mit der eigenen Tochter gedrangt zu haben. Noch im Monat nach dem Tod ihres Mannes befahl Katharina, die Schlosser und Amter der Grafschaft fur Simon Philipp in Besitz zu nehmen. Sie ubernahm die Vormundschaft uber ihn und bestimmte ihren Vater zum Mitvormund, da rechtlich unklar war, ob sie als Witwe automatisch als volljahrig galt oder, wie damals ublich, erst mit 25 Jahren. Mehrere Prozesse gegen die Bruder ihres Mannes vor dem Reichskammergericht in Speyer bestatigten die Vormundschaftsregierung der Waldecker. Graf Johann Bernhard und seine Bruder suchten dagegen die Unterstutzung des Erzbischofs Ferdinand von Koln, der als Paderborner Bischof auch Lehnsherr von Teilen Lippe-Detmolds war. Den lippischen Standen gegenuber versuchte Johann Bernhard die beiden Waldecker als landfremde „Eindringlinge“ darzustellen, woraufhin die Stande ihn am 18. Marz 1637 zum rechtmaßigen Vormund erklarten. Dadurch erlangte Johann Bernhard die faktische Kontrolle uber das Detmolder Residenzschloss und die Regierung des Landes. Aus Sorge um das Wohlergehen ihrer im Schloss lebenden Kinder und aus dem Wunsch heraus, diese in ihrer eigenen lutherischen Konfession zu erziehen (die Grafschaft Lippe war reformiert), ließ Katharina am 10. August 1638 ihre beiden altesten Sohne durch hessen-darmstadtische Truppen im Lippischen Prinzenraub aus Detmold entfuhren. Sie ließ die Kinder an den Hof des lutherischen Landgrafen Georg II. von Hessen-Darmstadt bringen, den sie an Stelle ihres am 31. Dezember 1637 gestorbenen Vaters zum Mitvormund machen wollte, was dieser aber erst im Februar 1640 und nur als „Ehrenvormund“ akzeptierte. Um die Landesherrschaft ihres Sohnes gegen die Anspruche ihres Schwagers Johann Bernhard zu verteidigen, nutzte Katharina ihre guten Beziehungen zu allen Kriegsparteien und gewann im Mai 1640 den kurbayerischen Feldmarschall Joachim Christian von der Wahl dafur, Schloss Detmold im Handstreich einzunehmen und ihrer Gewalt zu unterstellen. Danach hatte Katharina die unangefochtene Kontrolle uber die Regierung, wahrend ihre Schwager ins Exil in die Grafschaft Schaumburg zu Philipp zur Lippe-Alverdissen flohen. Am Detmolder Schloss setzte sie einen lutherischen Hofprediger ein, daruber hinausgehende Maßnahmen zu einer Relutherisierung Lippes sind jedoch kaum nachweisbar. Nur ihre altere Schwester Maria Magdalena versuchte im Amt Schwalenberg, das sie als ihren Witwensitz verwaltete, durch die Einsetzung lutherischer Prediger direkten Einfluss auf den Glauben der Bevolkerung zu nehmen. Eine Relutherisierung war wahrscheinlich auch Katharinas Ziel, dazu setzte sie aber vor allem langfristig auf die lutherische Erziehung ihres Sohnes Simon Philipp. = Erneute Heirat und Aufgabe der Vormundschaft = 1643 beschloss Katharina, erneut zu heiraten, wofur sie nach damaliger Rechtsauffassung ihre Vormundschaft abgeben musste. Da der Ehrenvormund Georg II. von Hessen-Darmstadt nicht zur Ausubung der Regierung in Lippe zu bewegen war, ubergab sie die Vormundschaft an den Mann ihrer Schwester Dorothea, Graf Emich XIII. von Leiningen-Dagsburg, der die Herrschaft in ihrem Sinne ausubte. Nach dessen Amtseinfuhrung heiratete Katharina am 15. November 1643 Philipp Ludwig, den spateren Herzog von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Wiesenburg, der kaiserlicher Stadtkommandant von Lemgo war. Als Johann Bernhard und seine Bruder im Jahr 1645 die streng reformierte hessen-kasselsche Landgrafin Amalie Elisabeth um Unterstutzung baten, drohte diese mit der Besetzung Lippes durch ihre Truppen. Dagegen wehrten sich Katharina und Emich von Leiningen erfolgreich mit einem Appell an den schwedischen Gesandten Johan Axelsson Oxenstierna. Schweden war Verbundeter Hessen-Kassels im Krieg und sah sich gleichzeitig als Schutzmacht des von Katharina vertretenen lutherischen Glaubens. Auf Bitten Katharinas ermahnte Oxenstierna die Landgrafin, sich nicht in die inneren Angelegenheiten Lippes einzumischen. Als Katharinas Ehemann ab 1645 nicht mehr fest in Lemgo und Hoxter stationiert war, sondern mit der westfalischen Kreisarmee des Kaisers durchs Land zog, folgte sie ihm und bezog wechselnde Quartiere in Westfalen und im Rheinland. Die beiden jungeren Sohne Katharinas starben 1646 im hessen-darmstadtischen Gießen an den Blattern, der alteste, Simon Philipp, wurde daraufhin zusammen mit der Landgrafenfamilie nach Darmstadt gebracht. Katharina und Emich von Leiningen wunschten seine Ruckkehr nach Detmold, aber der Darmstadter Landgraf reagierte aus nicht bekannten Grunden ausweichend auf ihre Bitten und zogerte die Abreise hinaus. Als der Katharina freundschaftlich verbundene Feldmarschall Peter Melander von Holzappel, bisher Oberbefehlshaber der westfalischen Kreisarmee, nach Suden aufbrach, um das Kommando uber die kaiserliche Hauptarmee zu ubernehmen, nutzte Katharina die Gelegenheit und reiste mit ihm nach Hessen. Um ihren Sohn zuruckzugewinnen, griff sie erneut zu einer List und bat den Landgrafen im Juli 1647 darum, vor ihrer Ruckreise ihren Sohn noch einmal im Haus von Melanders Frau, Grafin Agnes von Holzappel, in Frankfurt sehen zu durfen. Bei diesem Treffen lenkte Katharina den Aufpasser ihres Sohnes ab, wahrend Grafin Holzappel Simon Philipp veranlasste, eine Kutsche zu besteigen und abzureisen. Uber Koln und Hamm brachte Katharina ihren Sohn nach Munster, wo lippische Adlige ihn abholten. Simon Philipp studierte zunachst ein Jahr an der Universitat Leiden und begann dann eine Grand Tour durch Frankreich, die Schweiz und Italien. Katharina plante, ihn mit Elisabeth Charlotte von Holzappel zu verheiraten, der Erbtochter Peter Melanders, um ihrem Sohn die Aussicht auf das Erbe von Melanders Grafschaft und Vermogen zu sichern. Im November 1649 starb sie in Koln im Kindbett, ein halbes Jahr, bevor ihr Sohn Simon Philipp in Florenz wie schon seine Bruder ebenfalls den Blattern zum Opfer fiel. Da man ihr die Beisetzung in der Blomberger Familiengruft des Hauses Lippe verweigerte, wurde sie stattdessen 1652 in der lutherischen Kirche St. Nicolai in Lemgo bestattet. Die Grafschaft Lippe kam nach Simon Philipps Tod zunachst an Johann Bernhard und nach dessen Tod 1652 an Hermann Adolf. Familie Aus erster Ehe mit Simon Ludwig zur Lippe hatte Katharina drei Sohne: Simon Philipp zu Lippe (1632–1650), unverheiratet Hermann Otto (1633–1646) Ludwig Christian (1636–1646) In zweiter Ehe heiratete sie 1643 in Lemgo Philipp Ludwig von Holstein und hatte mit ihm mehrere Kinder, von denen eine Tochter die Geburt uberlebte: Kind (*/† 1645) Dorothea Elisabeth (1645–1725) ⚭ 1. 1661 Graf Georg Ludwig von Sinzendorf (1616–1681) ⚭ 2. 1682 Graf Ludwig von Rabutin (1642–1717) Literatur Margit Lenniger: Grafin Catharina von Waldeck und die weibliche Vormundschaft im Hause Lippe. In: Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde. Bd. 92. Bielefeld 2023, S. 90–125. Weblinks Einzelnachweise
Katharina von Waldeck-Wildungen (* 20. Oktober 1612 in Wildungen; † 24. November 1649 in Koln) war Regentin der Grafschaft Lippe als Vormundin ihres Sohnes Simon Philipp zur Lippe. Sie behauptete die Regierung uber das im Dreißigjahrigen Krieg neutrale Territorium mit rechtlichen, politischen und militarischen Mitteln.
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Das Anwesen der Julia Felix, auch Besitz der Julia Felix oder Praedia di Giulia Felice (italienisch) oder Praedia Iuliae Felicis (lateinisch: praedia, Anwesen), umfasst einen großen Gebaudekomplex und ein Grundstuck an der Via dell’Abbondanza (Regio II, 4, 1-12) im antiken Pompeii nicht weit vom Amphitheater. Hintergrund Das Anwesen von Julia Felix nahm auf dem Hohepunkt ihrer Geschaftstatigkeit zwei Insulae ein. Nach dem Erdbeben im Jahr 62 n. Chr. baute Julia Felix um, und das Grundstuck umfasste eine kommerzielle Thermenanlage, Mietwohnungen, Speiseraume, Laden, einen großen Obstgarten und ein mittelgroßes Privathaus. Unklar ist die Abstammung von Julia Felix und wie sie zu diesem Besitz kam. Es bleibt Spekulation, ob sie eine uneheliche Tochter von Spurius war oder ob sie von einem kaiserlichen Freigelassenen abstammte. Durch die Vermietung ihrer Villa etablierte sie sich als Immobilienbesitzerin, Geschaftsfrau und Personlichkeit des offentlichen Lebens in Pompeji. Der Verkauf einer Immobilie ware ihr nach damaliger Rechtslage verboten gewesen, hier ging es aber um deren Vermietung. Architektur Das Haus von Julia Felix war eine Kombination aus Innen- und Außenbereichen, die um Atrien herum gebaut wurden, Innenhofe, von denen sich Hauptraume offneten, mit umschlossenen Garten und privater Wasserversorgung; andere Bereiche des Anwesens boten Sitzgelegenheiten im Innen- und Außenbereich mit Fresken, die Freizeitlandschaften und Garten darstellen. Die Qualitat der Architektur und der Dekoration deuten darauf hin, dass das Anwesen fur reichere und sozial hoherstehende Kunden gedacht war. Darauf lasst auch der wahrscheinlich aus der Zeit unmittelbar vor der Zerstorung 79 n. Chr. stammende antike Werbetext, der 1756 rechts neben dem Haupteingang zur Therme an der Via dell’Abbondanza entdeckt wurde und sich heute im Museum von Neapel befindet, schließen: Innenraum-Ausstattung Die Wande im Haus von Julia Felix waren fast vollstandig mit Fresken bedeckt. Sie zeigten auch kleine Kaufleute und den Lebensstil der pompejanischen Burger im Alltag auf dem Forum. Das Tablinum mit Blick auf den großen Garten im Osten und mit seinen besonders schonen Gemalden muss spektakular gewesen sein. Das Sommer-Triclinium und die Bader gehorten zu den extravagantesten Bereichen des von Mietern genutzten Hauses. Der Speisesaal war elegant und einladend und bot einen Blick auf die Garten mit kleinen Pools und Wasserfallen, er ahnelte dem der wohlhabendsten Burger Pompejis, die Villen auf dem Land und an der Kuste besaßen. Die voll ausgestatteten und eleganten Bader waren nur fur angesehene Burger Pompejis bestimmt. Sie wurden vermutlich gut genutzt, da die meisten offentlichen Bader in Pompeji nach den Schaden, die das Erdbeben im Jahr 62 n. Chr. verursachte, wegen Reparaturarbeiten geschlossen waren. Im großen Garten auf der Ruckseite standen Obstbaume in großen Quadraten, die von niedrigen Holzzaunen umgeben waren. Ausgrabungen Die fruheste bekannte Ausgrabung wurde 1755 im Auftrag des Konigs von Neapel unter der Leitung von Roque Joaquin de Alcubierre und seinem Assistenten Karl Jakob Weber durchgefuhrt und war im Wesentlichen eine Schatzsuche, die sich auf das Aufspuren wertvoller Gegenstande und Gemalde fur die Sammlung der Bourbonen im Konigspalast von Portici konzentrierte. Anschließend wurde die Grabung wieder geschlossen. Weber hatte einen Plan der Gebaude gezeichnet und vermerkt, wo Gegenstande oder Gemalde entfernt worden waren. Mary Beard beschreibt die Folgen der Ausgrabung so: „Ein großer Raum in dieser Anlage (ein Innenhof oder Atrium von etwas mehr als 9 x 6 m) war in 2,5 m Hohe mit einem Fries geschmuckt, auf dem der Maler anscheinend Szenen vom Leben auf dem pompejanischen Forum zeigen wollte. Der Fries wurde von Ausgrabern des 18. Jahrhunderts entdeckt, die elf Meter von ihm in kleinen Bruchstucken ins Museum brachten und nur ein paar Fragmente an der Wand zuruckließen. Was mit dem Rest geschah und wie groß der Fries uberhaupt war (es ist nur eine Vermutung, dass er sich einst um den gesamten Raum gezogen hat), entzieht sich unserer Kenntnis. Aber mit einiger Sicherheit fielen große Teile den damaligen groben Ausgrabungstechniken zum Opfer.“ Bei einer weiteren Ausgrabung in den Jahren 1912 bis 1935 wurden ein Schrein und die Fassade des Gebaudes an der zur Via dell’Abbondaza gerichteten Seite freigelegt. Zwischen 1998 und 1999 wurden einige der wichtigsten Entdeckungen gemacht; ein Nymphaum oder eine Nymphengrotte mit Wassertreppenbrunnen und Triklinium war eine Modifikation nach dem Erdbeben von 62 n. Chr. Galerie mit den Alltagsszenen vom Forum Pompeianum Trivia Julia Felix wurde in Eugen Ruges politischer Parabel Pompeji, bei der Ruge von Jens-Arne Dickmann beraten wurde, zu einer Romanfigur. Iulia Felix tritt hier als reiche Immobilien-Besitzerin auf, die im Osten der Stadt ein Immobilienimperium errichten konnte. Literatur August Chambalu: Die wiederverschuttete Besitzung der Julia Felix beim Amphitheater im Pompeji. In: Festschrift der dreiundvierzigsten Versammlung deutscher Philologen und Schulmanner dargeboten von den hoheren Lehranstalten Kolns, Koln 1895. Digitalisat. S.C. Nappo: Fregio dipinto dal ›praedium‹ di Giulia Felice con rappresentazione del foro di Pompei. In: Rivista di Studi Pompeiani 3 (1989), S. 79–96. Digitalisat. Riccardo Olivito: Il Foro nell’atrio. Immagini di architetture, scene di vita e di mercato nel fregio dai Praedia di Iulia Felix (Pompei, II, 4, 3). Bibliotheca Archaeologica, Band 31. Verlag Edipuglia, Bari 2013. Eve D’Ambra: Chapter 5 Real Estate for Profit: Julia Felix’s Property and the Forum Frieze. In: Women’s Lives, Women’s Voices: Roman Material Culture and Female Agency in the Bay of Naples (herausgegeben von Brenda Longfellow, Molly Swetnam-Burland). University of Texas Press, New York 2021, S. 85–106, doi:10.7560/323588-007. Weblinks Praedia di Giulia Felice. In: pompeiisites.org. Ministero della Cultura; abgerufen am 1. April 2024 (italienisch). Siehe auch Liste von Gebauden in Pompeji Einzelnachweise
Das Anwesen der Julia Felix, auch Besitz der Julia Felix oder Praedia di Giulia Felice (italienisch) oder Praedia Iuliae Felicis (lateinisch: praedia, Anwesen), umfasst einen großen Gebaudekomplex und ein Grundstuck an der Via dell’Abbondanza (Regio II, 4, 1-12) im antiken Pompeii nicht weit vom Amphitheater.
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Dord ist ein englisches Geisterwort, das durch eine Verwechslung in die 1934 erschienene Ausgabe von Webster’s New International Dictionary – ein Worterbuch aus dem Verlag Merriam-Webster – aufgenommen wurde. Es wurde dort als eine in der Chemie und Physik verwendete Bezeichnung fur die Dichte definiert. Der fehlerhafte Worterbucheintrag wurde erst Ende der 1930er-Jahre entdeckt und 1947 wieder aus dem Dictionary entfernt. Wegen der ungewohnlichen Geschichte dieses Eintrags fand dord Einzug in die lexikografische Literatur; seine Entstehungsgeschichte wurde auch im Internet vielfach wiedergegeben. Der im Englischen nicht existierende Begriff „dord“ steht in keinem Bezug zu den bronzezeitlichen Musikinstrumenten, die in der irisch-galischen Sprache ebenfalls Dord genannt werden. Dord als Worterbucheintrag Webster’s New International Dictionary erschien 1909 und wurde nach Noah Webster, dem Verfasser des ersten Worterbuchs der Vereinigten Staaten, benannt. Es umfasste 400.000 Stichworter und war zu Anfang des 20. Jahrhunderts das umfangreichste Worterbuch im amerikanischen Englisch. Die zweite Ausgabe erschien 1934 und umfasste mehr als 600.000 Stichworter auf 3.350 Seiten. Zu den Neuerungen dieser Ausgabe zahlte ein separater Teil fur Abkurzungen. Im Rahmen der Vorbereitungen der zweiten Ausgabe von Webster’s New International Dictionary schickte am 31. Juli 1931 der Chemiker Austin M. Patterson der Redaktion von Merriam-Webster einen Notizzettel mit einem Vorschlag zur Erganzung der Liste der Abkurzungen in der neuen Ausgabe. Der Zettel enthielt den Hinweis, dass der Buchstabe D (als Großbuchstabe oder als Kleinbuchstabe) als Abkurzung fur die Dichte (englisch: density) steht. Diese Definition von D als Abkurzung war in der ersten Ausgabe von 1909 nicht enthalten. Durch eine Verwechselung wurde der Zettel dem Stichwortteil des Worterbuches zugeordnet. Die Beschreibung „D or d“ (englisch: D oder d) wurde vom zustandigen Bearbeiter als ein einzelnes Wort interpretiert. Zwar war der Text mit einer Schreibmaschine geschrieben und die beiden Leerzeichen vor und nach dem „or“ waren klar erkennbar, doch war es Standard bei Merriam-Webster, dass Stichworter fettgedruckt werden und der Fettdruck bei der Vorbereitung der Worterbucheintrage durch Sperrsatz beziehungsweise durch Leerzeichen zwischen den Buchstaben dargestellt wurde. Dadurch wurde die Beschreibung „D or d“ als „D o r d“ gedeutet, was schließlich beim Druck des New International Dictionary zu dem Eintrag fuhrte: Die versehentliche Schaffung des nicht existierenden Hauptwortes dord fiel beim Lektorat nicht auf, und so fand sich 1934 beim Erscheinen von Webster’s New International Dictionary der Eintrag auf Seite 771 alphabetisch einsortiert zwischen Dorcopsis und dore wieder. Erst am 28. Februar 1939 fiel Edward Artin, einem Redakteur von Merriam-Webster, der Eintrag im Worterbuch auf. Er wunderte sich daruber, dass, anders als ublich, im New International Dictionary keine Anmerkungen zur Wortherkunft des ihm unbekannten Begriffes angegeben waren. Er erkannte, wie der Eintrag entstanden sein konnte, und fertigte eine neue Notiz an mit dem Vermerk, dass es sich bei dord um ein „Ghostword“, ein Geisterwort handelte, das dringend bei der nachsten Druckauflage von Webster’s New International Dictionary entfernt werden sollte. Die Notiz fand aber keine Beachtung; erst 1947 entdeckte ein anderer Mitarbeiter von Merriam-Webster die Notiz bezuglich des Geisterwortes und veranlasste die endgultige Loschung des Eintrags. Um das Schriftbild auf der betreffenden Seite anzupassen, wurde ein anderer Eintrag (dore furnace) umformuliert, damit die Zahl der Textzeilen trotz der Entfernung von dord unverandert blieb. Rezeption in der Fachliteratur Der irrtumliche Eintrag von dord blieb nicht lange unbeachtet. Bereits 1942 erwahnte der Journalist Joseph Bryan III in einem Beitrag fur die literarische Wochenzeitschrift The Saturday Review of Literature, dass zu den wenigen bekannten Fehlern in der jungsten Ausgabe von Webster’s New International Dictionary der Eintrag dord gehore. Sechs Jahre spater, und somit kurz nach der endgultigen Tilgung von dord aus dem Dictionary, bezeichnete die Autorin Paula Philips in dem Magazin Coronet das Wort dord als „legendar“ unter Lexikographen. Dord sei der seltsamste Eintrag, der jemals in einem Worterbuch gefunden wurde. Gemaß Philips habe der Verlag Merriam-Webster erst aus Briefen von Lesern von dem Fehler erfahren und dann das Wort schnellstmoglich entfernt. Diese Schilderung entspricht allerdings nicht der spater veroffentlichten Darstellung des Verlags. Großere Beachtung als die Feuilletonsartikel aus den 1940er-Jahren fand ein sprachwissenschaftlicher Artikel, der im Dezember 1953 in der von der American Dialect Society herausgegebenen Zeitschrift American Speech veroffentlicht wurde. In diesem nannte der Lexikograph Mitford M. Mathews den Begriff dord als ein Beispiel fur Geisterworter, die seiner Meinung nach aufgrund unleserlicher handschriftlicher Notizen entstanden seien. Wenige Monate spater stellte Philip Babcock Gove, Herausgeber der 1961 abgeschlossenen dritten Ausgabe des Webster’s, in einer Zuschrift zu American Speech klar, dass nicht eine schlechte Handschrift Ursache fur den Eintrag dord war, sondern die Fehlinterpretation der maschinengeschriebenen Notiz „D or d“ zum Geisterwort gefuhrt hatte. Gove beschrieb erstmals detailliert, wie es 1934 zum Eintrag kam und wie das Geisterwort funf Jahre spater bei Merriam-Webster entdeckt wurde. Laut Gove wurde der Eintrag bereits 1940 geloscht. Ein Abdruck der betreffenden Notizzettel in einem Artikel von Allen Walker Read, der 1978 in dem von der International Linguistic Association herausgegebenen Journal Word veroffentlicht wurde, belegt aber, dass die endgultige Entfernung von dord erst 1947 erfolgte. Goves ausfuhrliche Darstellung der Umstande der Entstehung von dord sorgten fur eine weitere Verbreitung der Anekdote. Zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten uber die Entstehung von Worterbuchern und die darin vorkommenden Fehler nennen dord als ein Beispiel. So listete Edward Gates 1973 Goves Artikel in seiner Bibliografie zur Lexikographie. Die Geschichte von dord als Geisterwort wird unter anderem von den Etymologen Philip Howard, Paul Dickson und Tony Augarde sowie in dem vom eCampusOntario herausgegebenen Lehrbuch Essentials of Linguistics wiedergegeben. Der Bibelwissenschaftler Bruce Metzger nannte dord als ein Beispiel, wie sich falsche Worter in schriftlichen Uberlieferungen einschleichen konnen. Die Rechtswissenschaftlerin Jacqueline Kett unterschied Geisterworter wie dord von fingierten Lexikonartikeln oder kartografischen Trap Streets, die oft als Plagiatsfallen verwendet werden. Bereits 1978 bezeichnete Allen Walker Read dord als das „bedeutendste Geisterwort der lexikographischen Geschichte“. Fur den deutschen Sprachwissenschaftler Wolfgang Klein ist es eine der „kuriosesten lexikographischen Fehlleistungen aller Zeiten“. Die Popularitat des Wortes fuhrte schließlich dazu, dass es in das Worterbuch Morris Dictionary of Word and Phrase Origins und in die Enzyklopadie The Cambridge Encyclopedia of the English Language aufgenommen wurde. Wahrnehmung im Internet Mit Aufkommen des Internets verbreitete sich das Wissen uber das Wort dord und seine Entstehungsgeschichte, meist auf Webseiten und in Artikeln uber Trivia und Kuriositaten. Bereits im Jahr 2001 wurde das Thema auf der auf das Aufklaren moderner Mythen und Faktenchecks spezialisierten Website Snopes.com behandelt. 2014 wurde dord in das Urban Dictionary eingetragen. Anu Garg, Betreiber der Mailingliste A.Word.A.Day, fuhrte dord im Titel seines dritten Buches uber ungewohnliche Worter, The Dord, the Diglot, and an Avocado or Two, auf. Zahlreiche Blogs und Nachrichtenportale berichteten in teils ahnlichem Wortlaut uber die Geschichte des Geisterwortes dord, beispielsweise die Literaturmagazine Lapham’s Quarterly und The Paris Review, das Smithsonian Magazine, The Saturday Evening Post oder der Nachrichtensender Euronews. Auch die Redaktion der britischen Quizshow QI behandelte das Wort dord in ihren diversen Medien. Literatur Philip Babcock Gove: The History of ‚Dord‘. In: American Speech, Vol. 29, No. 2 (Mai 1954), S. 136–138. Allen Walker Read: The Sources of Ghost Words in English. In: Word, Vol. 29, Nr. 2 (1978), S. 95–104. Weblinks 'Dord': A Ghost Word; Online-Eintrag von Merriam-Webster.com Einzelnachweise
Dord ist ein englisches Geisterwort, das durch eine Verwechslung in die 1934 erschienene Ausgabe von Webster’s New International Dictionary – ein Worterbuch aus dem Verlag Merriam-Webster – aufgenommen wurde. Es wurde dort als eine in der Chemie und Physik verwendete Bezeichnung fur die Dichte definiert. Der fehlerhafte Worterbucheintrag wurde erst Ende der 1930er-Jahre entdeckt und 1947 wieder aus dem Dictionary entfernt. Wegen der ungewohnlichen Geschichte dieses Eintrags fand dord Einzug in die lexikografische Literatur; seine Entstehungsgeschichte wurde auch im Internet vielfach wiedergegeben. Der im Englischen nicht existierende Begriff „dord“ steht in keinem Bezug zu den bronzezeitlichen Musikinstrumenten, die in der irisch-galischen Sprache ebenfalls Dord genannt werden.
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Die Wawata Topu (Rahesuk; deutsch Taucherinnen, wortlich: Fisch-Frauen) sind auf der osttimoresischen Insel Atauro Frauen, die mit Harpunen und Schwimmbrillen unter Wasser auf Fischjagd gehen. Sie leben in dem Dorf Adara an der Nordwestkuste der Insel. Der Name leitet sich von lokalen Legenden ab, nach denen Ubeltater vom Meer verschluckt werden und als Fischmenschen wiederkehren. Hintergrund Speerfischen hat auf Atauro eine lange Tradition. Wahrend der indonesischen Besatzungszeit (1975–1999) fuhrte die Provinzregierung Netze und andere Fischereimethoden ein. Dazu gehorten auch Dynamitfischen und die Verwendung von Cyaniden, was zu Uberfischungen fuhrte, wie zum Beispiel an den Riffen im Nordosten von Atauro. Frauen haben beim Fischfang Aufgaben, wie Netze zu knupfen, die gefangenen Fische auszunehmen und zu trocknen. Die 1942 geborene Maria Cabeca aus dem Nachbardorf Atecru begann als erste der Frauen mit Harpune auf Fischfang zu gehen. Sie kopierte dabei die Manner in ihrer Arbeit. Die Not zwang sie zu diesem Schritt, obwohl die Manner sie aufforderten, sich wieder nur der Feldarbeit zu widmen, wie es sonst die Rolle der Frauen ist. Am Tag darauf gingen bereits weitere Frauen mit zum Tauchen. Die Frauen, die fischen gehen, haben meist einen niedrigen sozialen Status und benotigen die zusatzlichen Einnahmen. Mit zunehmender Trockenheit und sinkenden Ertragen aus dem Gartenbau nahm die Bedeutung der Fischerei durch die Frauen an Bedeutung zu. Die Frauen tragen beim Tauchgang ihre normale Kleidung, einen Wickelrock (lipa), Bluse oder T-Shirt, Flip-Flops, dazu eine Schwimmbrille aus Holz und Kunststoff gefertigt. Gejagt werden kleinere Fische und Oktopusse. Der Fang wird getrocknet und auf dem Markt samstags in Beloi verkauft. Die Fische, die zu klein zum Trocknen sind, werden im eigenen Haushalt verbraucht. Oft betrifft dies den Fang der Frauen, wahrend die Manner von den Booten aus großere Fische heimbringen. Die Frauen tauchen nur mittags vom Ufer aus in der Lagune, wahrend die Manner dreimal pro Tag mit Beiros zum Fischen aufs Meer hinausfahren. Auch der Fang der Manner wird von den Frauen verarbeitet und auf den Markt gebracht. Beloi liegt drei bis vier Stunden zu Fuß entfernt an der Ostkuste der Insel, je nachdem wie schwer die Last ist, die man tragt. Zum Markt wird nur Fisch gebracht, weil Fruchte fur die Frauen zu schwer sind. Trotzdem ist der Weg fur sie sehr muhsam. Die Frauen laufen im Dunkeln um 5 Uhr morgens los, mit dem getrockneten Fisch in Plastiktuten und Korben, geflochten aus Palmblattern, zunachst zum Strand von Arlo und von dort aus durch die Hugel auf die andere Seite der Insel. In Beloi warten sie dann auf die Fahre aus Dili, mit der die meisten Kunden kommen. Wenn die Fahre nachmittags ablegt, ist der Markt vorbei. 2012 lernte der osttimoresische Fotograf Nelson Turquel die Wawata Topu bei einem Besuch Atauros kennen und brachte erste Bilder von ihrer Arbeit mit. Der Filmemacher David Palazon und der Anthropologe Enrique Alonso-Poblacion besuchten zusammen mit Nelson Turquel und dem Produktionsassistenten Mario Gomes ein Jahr spater die Frauen. Es entstand der Dokumentarfilm Wawata Topu – Mermaids of Timor-Leste. Der Film wurde mehrfach in Dili und bei internationalen Dokumentarfilmfestivals gezeigt. Maria Cabeca erhielt daraufhin am 3. November 2013, dem nationalen Tag der Frau, von der Staatssekretarin fur Gleichberechtigung Idelta Maria Rodrigues die Auszeichnung „Frau des Jahres“. Fur die Ubergabe des Preises verließ sie das erste Mal in ihrem Leben die Insel. Weitere Filmdokumentationen folgten. Neben der Fischerei versucht man im Dorf auch vom Tourismus zu profitieren und baute deswegen Unterkunfte fur Besucher. Zum Schutz der Fischgrunde wird ein Meeresschutzgebiet um Atauro herum angestrebt, in dem nur traditionelle Fischerei erlaubt sein soll. Mittels Tara Bandu, des traditionellen Rechts, wurden lokale Regeln fur die Fischerei in der Aldeia festgelegt. Filmographie Wawata Topu – Mermaids of Timor-Leste (2013). Creative Commons 3.0 cc-by-nc-nd. Principes do Nada (2016), prasentiert von Catarina Furtado auf RTP 1. Timor-Leste from Below (2018), Scubazoo. A la rencontre des peuples des mers – Timor: les Wawata Topu/Osttimor: Die Wawata Topu – Der Clan der Taucherfrauen (2018), Decoupages, auf Arte. Life – Menschen, Momente, Geschichten (2018), RTL Timor-Leste Mermaids – Timor-Leste from Below (2019) The Last Coral Kingdom (2020) von Cristina Mittermeier, Only One Ocean Collective. Culture Quest (2021) von Ian Grant, auf PBS. Women divers of the Atauro Island (2021), Wiederauflage des Films von Decoupages 2018. Literatur Joctan dos Reis Lopes, Agustinha Duarte, Alexander Tilley: Strong Women, Strong Nation, Samudra Report No. 83, 2020. Siehe auch Haenyo in Sudkorea Ama (Taucher) in Japan Einzelnachweise
Die Wawata Topu (Rahesuk; deutsch Taucherinnen, wortlich: Fisch-Frauen) sind auf der osttimoresischen Insel Atauro Frauen, die mit Harpunen und Schwimmbrillen unter Wasser auf Fischjagd gehen. Sie leben in dem Dorf Adara an der Nordwestkuste der Insel. Der Name leitet sich von lokalen Legenden ab, nach denen Ubeltater vom Meer verschluckt werden und als Fischmenschen wiederkehren.
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Louis Charles Baillon (* 5. August 1881 in Fox Bay, Westfalkland; † 2. September 1965 in Brixworth) war ein englischer Hockeyspieler. Leben Louis Baillon kam 1881 als zweites von funf Kindern seiner Eltern auf den Falklandinseln zur Welt. Sein Vater Louis Augustine Baillon stammte aus Nottingham und war auf die Falklandinseln gezogen, um dort Schafe zu zuchten. 1888 kehrte die Familie nach England zuruck und wohnte fortan in der Grafschaft Northamptonshire. Louis Baillon begann in England mit dem Hockey und war als Linksverteidiger Teil der englischen Mannschaft, die bei den Olympischen Sommerspielen 1908 in London erster Olympiasieger in dieser Sportart wurde. Insgesamt absolvierte er neun Landerspiele fur die englische Nationalmannschaft. Bis heute ist er der einzige Falklander, der eine Medaille bei Olympischen Spielen gewinnen konnte. Daruber hinaus war Baillon als Fußballspieler beim Wandsworth AFC aktiv und spielte Tennis im Northants County Lawn Tennis. 1910 heiratete er Isobel Green. Aus dieser Ehe gingen eine Tochter und vier Sohne hervor. Im Jahre 1914 trat er der Royal Army Service Corps bei und diente als Lieutenant in Frankreich. Sechs Jahre spater verließ er die Armee und wurde Manager bei der Phipps NBC. Spater wurde er Geschaftsfuhrer und Vorsitzender des Unternehmens. Weblinks Louis Baillon in der Datenbank von Olympedia.org (englisch) Einzelnachweise
Louis Charles Baillon (* 5. August 1881 in Fox Bay, Westfalkland; † 2. September 1965 in Brixworth) war ein englischer Hockeyspieler.
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Das Simonow-Kloster (Simonow Uspenski monastyr, russisch Симонов Успенский монастырь, wiss. Transliteration Simonov Uspenskij monastyr') ist ein Kloster-Komplex in Moskau, der 1370 von dem Monch Feodor gegrundet wurde. Das Gelande des Klosters gehort heute zum Moskauer Stadtteil Danilowski rajon (Даниловский район). Seit dem 15. Jahrhundert war das Kloster eines der reichsten Kloster in Moskau. Unter den gebildeten Monchen, die dort lebten und wirkten, waren Wassian Patrikejew und Maxim der Grieche. Im 16. und 17. Jahrhundert war es Teil des Befestigungsgurtels, der die Stadt vor Angriffen aus Suden schutzte. 1923 wurde das Kloster aufgelost und ein Großteil der Gebaude zerstort. Seit 1991 gibt es Bestrebungen, das Kloster wieder aufzubauen. Geschichte = Uberblick = Das Grundstuck des Klosters gehorte ursprunglich Simeon Chowrin (Stepan Wassilewitsch Chowrin), einem Bojaren und Vorfahren des großen Clans der Golowins. Er war ein Grieche aus dem Furstentum Theodoro, der die Monchsgelubde ablegte und den Namen Simeon annahm. Nach ihm wurde das Kloster benannt; viele seiner Nachkommen sind ebenfalls dort bestattet. 1379 wurde das Kloster um eine halbe Meile nach Osten verlegt. Sein ursprunglicher Standort, wo die Leichname der Krieger von der Schlacht auf dem Kulikowo Pole beigesetzt worden waren, ist jedoch noch immer durch den Standort der alten Simonow-Kirche erkennbar. Das Kloster wurde von den Bolschewiki 1923 aufgelost und bald darauf wurden die meisten Gebaude zerstort, um Platz fur das Kulturhaus des Automobilwerks Sawod imeni Lichatschowa (SIL) zu schaffen. Die erhaltenen Gebaude stammen alle aus dem 17. Jahrhundert. Dies sind vor allem drei Turme mit kanonenformiger Architektur sowie Wirtschaftsgebaude im Stil des Naryschkin-Barock. Die Moskauer Regierung hat angekundigt, das Kloster umfangreich wieder aufzubauen. Ein Teil des Gelandes wurde wohl bereits 1990 vom Ministerium fur Kultur der Sowjetunion der Russisch-Orthodoxen Kirche zuruckubereignet und eine orthodoxe Gemeinschaft gehorloser Menschen begann mit Restaurations- und Rekonstruktions-Arbeiten. Der erste Gottesdienst wurde bereits 1992 gehalten. Die malerische Lage des Klosters inspirierte viele Dichter, Schriftsteller und Kunstler. = Baugeschichte = Das Kloster wurde in den 1370er Jahren, wahrend der Regierungszeit von Furst Dmitri Donskoi, von dem Monch Feodor, einem Neffen und Schuler von Sergius von Radonesch, gegrundet. Nach anderen Uberlieferungen soll das Kloster wahrend der Regierungszeit von Simeon Iwanowitsch „dem Stolzen“ entstanden sein. Es befand sich zunachst am linken Ufer der Moskwa an der Stelle, an der heute noch die Pfarrkirche der Geburt der Allerheiligsten Gottesgebarerin steht (Церковь Рождества Пресвятой Богородицы в Старом Симонове – Zerkow Roschdestwa Preswjatoi Bogorodizy w Starom Simonowe). 1379 wurde an einem neuen Ort aus Stein eine Kirche Maria Himmelfahrt der Allerheiligsten Gottesgebarerin (Успение Пресвятой Богородицы – Uspenije Preswjatoi Bogorodizy) errichtet mit Zellen fur die Monche. Der Bau der funfkuppeligen Kathedrale dauerte 26 Jahre und wurde 1405 geweiht. Sergius von Radonesch betrachtete das Simonow-Kloster als „Zweig“ des Dreifaltigkeitsklosters von Sergijew Possad und hielt sich wahrend seiner Besuche in Moskau immer dort auf. Beruhmte Kirchenfuhrer studierten in dem Kloster: Kirill Beloserski (Кирилл Белозерский), Metropolit Iona Moskowski, Metropolit Gerontius, Erzbischof Ioann IV. von Rostow (Иоанн IV архиепископ Ростовский), Patriarch Joseph (Иосиф патриарх Московский). Im 16. Jahrhundert lebten und wirkten Wassian Patrikejew und Maxim der Grieche dort. 1476 sturzte die Kirchenkuppel durch einen Blitzschlag ein. Die Spitze des Gebaudes wurde wahrend der Regierungszeit von Iwan III. von einem Schuler des italienischen Architekten Aristotele Fioravanti restauriert. Fruher wurde angenommen, der Architekt Fjodor Saweljewitsch Kon (Фёдор Савельевич Конь) habe im 16. Jahrhundert die Turme und Mauern des Klosters auf Kosten von Wladimira Grigorjewitscha Chowrina (Владимира Григорьевича Ховрина) gebaut. Moderne Forscher bezweifeln jedoch, dass Fjodor Kon am Bau der Befestigungsanlagen des Klosters beteiligt war. Wahrend des Uberfalls von Devlet Giray auf Moskau im Jahr 1571 (Feuer von Moskau) wurde das Kloster laut Jerome Horsey erobert: „Der Krimzar, der mit seinen Truppen bequem im schonen Simonow-Kloster am Flussufer, vier Meilen von der Stadt entfernt untergebracht war, beobachtete dieses große Feuer, beschlagnahmte die Beute und nahm denen ihre Schatze ab, die es schafften, dem Feuer zu entkommen.“ Das unter Boris Godunow befestigte Kloster wehrte 1591 erfolgreich den Uberfall der Krimtataren ab. 1606 wurde das Kloster von den Truppen von Iwan Issajewitsch Bolotnikow belagert, aber die Monche und Dienstleute ergaben sich nicht. An Ostern 1611 wurde das Simonow-Kloster ein Zufluchtsort fur Moskauer, die aus der brennenden Stadt flohen, und schließlich ein Außenposten fur die erste russische Volksmiliz (Первое народное ополчение). Als der Kreml, Kitai-Gorod und Bely Gorod von den Polen besetzt wurden, blieb das Simonow-Kloster in den Handen der Moskauer. Im Herbst 1612 wechselten die im Simonow-Kloster stationierten Truppen zur Zweiten Miliz und hielten den Außenposten bis zur vollstandigen Befreiung Moskaus, wobei sie der Miliz Hilfe schickten. Im Jahr 1621 schenkten die Fursten Mstislawski dem Kloster große Landereien im Jaroslawski ujesd (russisch Ярославский уезд): zwei Pogost (погост, Kirchspiele), das Dorf (Selo) Iwanowskoje, 94 Dorfer, 13 Odlandflachen und 6 Rodungsflachen mit Wiesen. Sie errichteten auch eine Steinkirche der Hodegetria neben der Maria Himmelfahrt-Kathedrale. Im Jahr 1623 wurde mit Hilfe des Bojaren Suleschow eine Holzkirche im Namen der Muttergottes uber dem Osttor errichtet. Ende des 17. Jahrhunderts gehorten dem Kloster fast 2500 Bauernhofe und 20.000 Leibeigene. In der Zeit von den 1630er bis zum Ende der 1680er Jahre wurden die Mauern und Turme im Kloster wieder aufgebaut und mit Zeltdachern gedeckt und die Fragmente der alten Festung von Fedor Konem integriert. Der Umfang der Befestigungsanlagen betrug 825 Meter, die Hohe betrug etwa 7 Meter. Entlang der Mauern wurden steinerne Zellengebaude, Werkstattraume und das Sushilo (Сушило), ein Wirtschaftsgebaude, errichtet. In den Jahren 1677 bis 1680 wurde das Neue Refektorium (zusammen mit der Kirche) nach dem Entwurf von Parfjon Petrow (Парфён Петров) begonnen. Der geplante Baustil wurde jedoch von der Klosterbehorde nicht genehmigt. Gegen den Baumeister wurde ein Gerichtsverfahren eingeleitet, und Ossip Starzew schloss dann den Bau bis Mitte der 1680er Jahre ab. Eine Kirche zu Ehren des Heiligen Sergius von Radonesch wurde ebenfalls gebaut. Von den Turmen hat sich der Eckturm Dulo, ein zweistufiger Wachturm, erhalten sowie der funfseitige Schmiedeturm und der runde Salzturm. Um 1700 wurde in der Nahe der Nordmauer eine kleine Kirche der Herabkunft des Heiligen Geistes (Сошествия св. Духа. Храм) errichtet. Das zweistockige Gotteshaus mit einer Kuppel und einem Refektorium wurde ursprunglich im Namen des Monchs Xenophon und der Maria-Angela (Ксенофонта и Марии-ангела) errichtet; es wurde als Xenophon-Krankenhaus (Ксенофонтовская больничная) bezeichnet. Ende des 17. Jahrhunderts wurde die Kathedrale ausgemalt und zur gleichen Zeit eine geschnitzte vergoldete Ikonostase errichtet, welche die Hauptreliquie des Klosters aufnahm, die Tichwiner Gottesmutter-Ikone, mit der Sergius von Radonesch der Uberlieferung nach Dmitri Donskoi fur die Schlacht von Kulikowo gesegnet hatte. Das Kloster erhielt auch ein goldenes Kreuz mit Diamanten und Smaragden als Geschenk der Prinzessin Maria Aleksejewna. = 18. bis 19. Jahrhundert = Mit der Grundung der Moskauer Diozese in den 1740er Jahren wurde das Kloster stauropegial. Im Jahr 1764 beschloss Katharina II., die Staatskasse aufzufullen, und fuhrte die Sakularisierung durch, wodurch die Klosterguter abgeschafft wurden. Das fuhrte zum Niedergang vieler Kloster, einschließlich des Simonow-Klosters. Im Jahr 1771 begann in Moskau eine Pestepidemie. Als das erste Pestkrankenhaus im Nikolo-Ugreschski-Kloster (Николо-Угрешский монастырь) voll war, baute Generalleutnant Pjotr Dmitrijewitsch Jeropkin (Пётр Дмитриевич Еропкин), der die Stadt verwaltete, ein neues Krankenhaus im Simonow-Kloster. Die Bruder des Klosters starben großtenteils an der Pest, und Archimandrit Gawriil (Krasnopolskij) (Гавриил Краснопольский, Gabriel von Krasnopolski) und die uberlebenden Bruder wurden in das benachbarte Nowospasski-Kloster (Новоспасский монастырь) uberfuhrt, wo sie dann starben. Zum Chefarzt aller Pestkrankenhauser wurde Daniil Samoilowitsch (Danila Samojlowitsch Samoilowitsch-Suschtschinski, Данила Самoйлович Самойлoвич-Сущинский) ernannt, der im Simonow-Kloster die Mauern der Klosterzellen abreißen ließ und dadurch die Kapazitat des Krankenhauses auf 2000 Krankenlager erweiterte. Die Genesenen wurden in das Danilow-Kloster uberfuhrt. Nach der Pestepidemie verfiel das Kloster. Trotz begonnener Restaurierungsarbeiten ordnete ein Dekret des Heiligen Synods vom 17. Mai 1788 an, „das Moskauer Simonow-Kloster aufzulosen … die Gebaude des Simonow-Klosters sollten der Abteilung des Hauptkriegskommissariats (Кригс-комиссариат) ubertragen werden, fur die Errichtung eines Krankenhauses dort.“ Dann beantragten jedoch der Leiter der Kaufmannsgilde Afanassi Iwanowitsch Dolgow (Афанасий Иванович Долгов) und der Ober-Prokurator des Heiligsten Synods, Graf Alexei Iwanowitsch Mussin-Puschkin, mit Unterstutzung des Nowgoroder Metropoliten Gawriil (Petrow) (Гавриил Петров, Пётр Петрович Петров-Шапошников) bei Katharina II. die Restaurierung des Klosters. Durch einen personlichen Erlass Katharinas II. vom 4. April 1795 wurde das Kloster „in seine fruhere Lage und seinen fruheren Zustand zuruckversetzt“. Es wurde mit der Restaurierung des Klosters begonnen. Zum Vorsteher (Настоятель) wurde Archimandrit Ignati (Uschakow) (Игнатий Ушаков) ernannt, der aus dem Großen Tichwin-Kloster (Тихвинский Богородичный Успенский монастырь, Tichwinski Bogoroditschny Uspenski monastyr) der Eparchie Weliki Nowgorod versetzt worden war. Im Jahr 1812, wahrend der Besetzung Moskaus durch die Franzosen, wurde das Kloster geplundert. Die Vorhalle (Паперть, Papert) der Kathedralkirche und der Turm dienten als Stallungen, in den Klosterzellen ließen sich Soldaten nieder. Fur die Restaurierung des Klosters in den 1820er Jahren kamen Gelder aus der Staatskasse, von Organisationen und Einzelpersonen. Der Historiker Wadim Wassiljewitsch Passek (Вадим Васильевич Пассек) schreibt: Im Jahr 1821 wurde Archimandrit Melchisedek (Sokolnikow) (Мельхиседек Сокольников) zum neuen Abt des Klosters ernannt. Es gelang ihm in uber 30 Jahren Leitung, das Kloster grundlich zu restaurieren und zu renovieren (hauptsachlich mit Spenden von Gemeindemitgliedern). Unter ihm wurden alle Kreuze und Verzierungen, die zuvor aus Eisen bestanden, wieder aus Kupfer gefertigt und mit Gold uberzogen. Im Jahr 1826 erhielt der Abt bei einem Treffen im Kloster die hochste Gunst der Kaiserin Maria Fjodorowna. In diesen Jahren besuchte Kaiser Nikolaus I. das Kloster mehrmals. Im Jahr 1834 wurde auf Kosten des Kaufmanns Wassili Terlikow (Васили Терликов) der Maria Himmelfahrt-Kathedrale auf der rechten Seite des Altars eine Kapelle (Придел) im Namen der Kasaner Ikone der Muttergottes und auf der linken Seite eine zwei-stockige Sakristei hinzugefugt. Im Jahr 1835 wurden die Malereien fertiggestellt und das große Refektorium in der heizbaren Sergius-Kirche (spater: Tichwin-Kirche) restauriert. Im selben Jahr wurde der alte Glockenturm vom Ende des 16. Jahrhunderts wegen Baufalligkeit abgerissen (und dessen Bruchsteine fur den Bau eines neuen verwendet). Bereits 1830 hatte der Kaufmann Iwan Ignatiew (Иван Игнатьев, † 1831 oder 1832, begraben unter dem Altar der Sergius-Kirche) dem Kloster etwa 500.000 Rubel fur einen neuen Glockenturm vermacht. Und in den Jahren 1835 bis 1839 wurde dann ein neuer Glockenturm in der Nordmauer errichtet kombiniert mit einem neuen Tor. Der vielstockige Glockenturm, der nach dem Vorbild des Glockenturms Iwan der Große des Moskauer Kremls gestaltet wurde, ubertraf diesen um 9 m an Hohe. Das ursprungliche Projekt im klassizistischen Stil wurde von dem Architekten Jewgraf Tjurin (Евграф Дмитриевич Тюрин) entworfen, spater jedoch im russisch-byzantinischen Stil nach dem Entwurf von Konstantin Ton errichtet. Die Hohe des funfstockigen Gebaudes betrug mehr als 90 Meter; auf der vierten Etage war eine Uhr installiert. Die großte Glocke auf dem Glockenturm wog 16,4 t (1000 Pud). In der gleichen Zeit wurden Arbeiten zum Wiederaufbau des Neuen Refektoriums mit dem Bau von zwei Kapellen durchgefuhrt. Auch die Kirche (Знаменская церковь, Snamenskaja zerkow) uber dem Osttor wurde rekonstruiert und die Zellen des Rektors und der Bruderschaft wurden repariert; der gesamte Klosterzaun wurde in Eisen ausgefuhrt; in der Erloserkirche wurde die Malerei uber dem Westtor wieder aufgenommen; Auch der Altar der großen Maria Himmelfahrt-Kathedrale wurde erneuert. Im Jahr 1891 berichtete der Moskauer Burgermeister, dass der Moskauer Kaufmann I. I. Starzew (der 200.000 Rubel mit einem Staatskredit gewonnen hatte) 95.000 Rubel fur die Restaurierung der Kirchen des Simonow-Klosters spendete. Zur Koordinierung der Arbeiten wurde unter Beteiligung der Kaiserlichen Moskauer Archaologischen Gesellschaft (Императорское Московское археологическое общество, Imperatorskoje Moskowskoje Archeologitscheskoje Obschtschestwo) eine Restaurierungskommission der Moskauer Duma gebildet. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es im Kloster eine Pfarrschule und einen Abstinenzverein. = Nach der Revolution = Nach der Oktoberrevolution wurden 1918 die sakralen Gegenstande von Wert in die Rustkammer des Moskauer Kremls uberfuhrt. 1923 wurde das Kloster geschlossen und in der Tichwin-Kirche und dem Refektorium das „Museum fur militarische Festungsverteidigung“ (Музей военно-крепостной обороны, Musei wojenno-krepostnoi oborony) eroffnet. Der Direktor Wassili Iwanowitsch Troizki (Василий Иванович Троицкий) knupfte Beziehungen zur Kirchengemeinschaft: Er erlaubte Gottesdienste in einer der Klosterkirchen im Austausch fur die Bereitstellung von Wachtern und Hausmeistern. Drei Jahre spater wurden unter der Leitung der Architekten des Wissenschafts- und Restaurierungszentrums „Igor Grabar“ (Всероссийский художественный научно-реставрационный центр имени И. Э. Грабаря, Wserossijski chudoschestwenny nautschno-restawrazionny zentr imeni I. E. Grabarja) Nikolai Markownikow, Nikolai Schukow (Николай Константинович Жуков) und Dmitri Suchow (Дмитрий Петрович Сухов, Dmitri Petrowitsch Suchow), Reparatur- und Restaurierungsarbeiten an den Mauern und Turmen durchgefuhrt. Im Jahr 1928 sturzte die Veranda des Refektoriums ein. Im selben Jahr zerstorte die Moskauer Stadtverwaltung den Klosterfriedhof. 1929 wurde das Territorium des Klosters fur den Bau des Kulturpalastes des Proletarski Rajons (Пролетарский район) ausgewahlt. In der Nacht des 21. Januar 1930 wurden die Gebaude des Klosters gesprengt. Funf der sechs Kirchen wurden abgerissen, darunter die Maria Himmelfahrt-Kathedrale, der Glockenturm, die Torkirchen, der Wachtturm und der Tainizkaja-Turm mit angrenzenden Gebauden. Beim Abriss blieben die Sudmauer mit drei Turmen, das Refektorium mit der Tichwin-Kirche und einige Wirtschaftsgebaude erhalten. An der Stelle der zerstorten Kathedrale und Nekropole wurde 1937 der Kulturpalast des Autowerks SIL (Дворец культуры ЗИЛ, Dworez kultury SIL) errichtet, entworfen von den Architekten Leonid und Wiktor Wesnin. Bis Mitte der 1950er Jahre wurden die Klostergebaude als Unterkunfte fur Arbeiter in nahegelegenen Fabriken genutzt. In den 1960er Jahren wurden die Gebaude zur Unterbringung von Produktionshallen des Kombinats „Rybolow-sportsmen“ (промкомбинат „Рыболов-спортсмен“) umgebaut. 1991 wurde das Kloster der Russisch-Orthodoxen Kirche ubergeben, die das eingesturzte Refektorium restaurierte, und im Juli 1992 fand dort der erste Gottesdienst statt. Die Tretjakow-Galerie besitzt vier Ikonen, die mit dem Simonow-Kloster in Verbindung stehen: Unsere Liebe Frau Hodegetria (Moskauer Schule, um 1397): Kirill Beloserski (Кирилл Белозерский) brachte die Ikone 1397 aus dem Moskauer Alten Simonow Kloster in die Region Beloserski. Sie befand sich bis 1917 in der Maria-Entschlafens-Kathedrale des Kirillo-Beloserski-Klosters. Die Galerie erhielt es 1931 vom Zentralen Wissenschafts- und Restaurierungszentrum; Ikone Gottesmutter von Wladimir (erste Halfte d. 16. Jh.) aus der Kathedrale des Simonow-Klosters, von wo aus sie 1931 in die Galerie gelangte; Unsere Liebe Frau von der Deesis (Богоматерь из деисусного чина, zweite Halfte d. 16. Jh.) kam 1930 aus dem Fonds der Moskauer Abteilung fur offentliche Bildung; ein Flugelaltar aus der Sakristei des Simonow-Klosters (im Inventar heißt es, dass Sergius von Radonesch mit diesen Tafeln die Monche Alexander Pereswet und Rodion Osljabja vor der Schlacht von Kulikowo segnete; moderne Datierungen gehen jedoch von der Mitte des 17. Jh. aus, Moskauer Schule); auf dem Mittelstuck ist der Erloser von Smolensk mit dem knieenden Nikola und Kirill Beloserski und zwei Engeln dargestellt, auf den Flugeln die Gottesmutter und Johannes der Taufer. Abte (Archimandriten) des Klosters Architektur = Turme und Umfassungsmauern = Die Festung hatte funf Turme: die erhaltenen – Dulo, Kusnetschnaja und Solewaja (Дуло, Кузнечная, Солевая) sowie die 1930 zerstorten – Storoweschaja und Tainizkaja (Сторожевая, Тайницкая). Die Befestigungsanlagen wurden im 17. Jahrhundert vermutlich nach dem Entwurf von Antip Konstantinowitsch Wosoulin (Антип Константинович Возоулин) errichtet. Im Inventar von 1741 heißt es uber die Mauer: Der Dulo-Turm (Башня Дуло) ist der großte Festungsturm in Moskau. Er befindet sich in der sudwestlichen Ecke der Klostermauer, der strategisch wichtigsten, die zwischen 1630 und 1640 erbaut wurde. Er verfugte uber vier Schießschartenebenen, auf der zweiten und dritten befanden sich Wagen zum Heben von Waffen und Munition. In der zweiten Halfte des 17. Jahrhunderts wurde der Turm mit einem steinernen Zeltdach anstelle der abgerissenen Brustungsmauer errichtet. Der Schmiedeturm (Кузнечная башня) liegt zwischen Dulo und Solewaja und hat im Grundriss eine funfeckige Form. Er wurde gleichzeitig mit dem gesamten Klosterbefestigungskomplex erbaut und Ende des 17. Jahrhunderts mit einem mit roten Ziegeln bedeckten Steindach errichtet. Nach der Schließung des Klosters in den 1920er Jahren befand sich im Untergeschoss eine Reparaturwerkstatt. In den fruhen 1930er Jahren wurde der Abschnitt der Sudmauer, der von Osten an den Schmiedeturm angrenzte, vollstandig zerstort. Der Salzturm (Солевая башня) ist ein neunzehneckiger Bau mit unteren und mittleren Zinnen in gewolbten Nischen. Auf zwei Turmen (Dulo und Wachtturm) wurden in den 1830er Jahren zwei hoch aufragende Engel mit Trompeten auf vergoldeten Kugeln angebracht. Kornili Jakowlewitsch Tromonin (Корнилий Яковлевич Тромонин) liefert im Buch „Dostopamjatnosti Moskwy“ (Достопамятности Москвы – Landmarken von Moskau) folgende Informationen zu den Namen der Turme: In der Festungsmauer gab es bis zu funf Tore (im Jahr 1930 waren es drei Tore). Nordtor oder heiliges Tor (Северные/Святые) – in den spaten 1830er Jahren zusammen mit dem Glockenturm erbaut; befand sich in der ersten Etage des neuen Glockenturms. Westtor (Западные) – von der Seite des Moskwa-Ufers, mit dem Tor zur Spasskaja-Kirche; vor dem Bau des neuen Glockenturms diente es als Hauptkirche (Heiliges Tor). Wassertor (Водяные) – ebenfalls von der Seite des Moskwa-Ufers, direkt hinter dem Finanzgebaude. Sudtor oder seitliches Tor (Южные/Боковые; seitlich) – befand sich im Raum zwischen den Turmen Dulo und Kusnetschnaja, dann abgerissen und von innen durch ein Gebaude aus dem 19. Jahrhundert verschlossen; teilweise restauriert in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts. Osttor oder Wiesentor (Восточные/Луговые) – das Tor zur Kirche des Zeichens der Heiligen Jungfrau Maria (seit 1834 des Heiligen Wundertaters Nikolaus). Die Mauern und Turme (Gebaude 2, 6, 8) sind im Roten Buch von Archnadsor (Красная книга Архнадзора, Elektronischer Katalog gefahrdeter Immobilien- und Kulturerbestatten in Moskau) enthalten. = Neues Refektorium mit der Kirche der Tichwiner Ikone der Gottesmutter = Der Bau des Neuen Refektoriums wurde 1680 von Parfjon Petrow auf Kosten von Zar Fjodor III. Alexejewitsch begonnen. Beim Bau des neuen Gebaudes verwendete der Architekt Details der alten Moskauer Architektur, die den Klosterbehorden nicht gefielen. Sie reichten Klage gegen den Meister ein und drei Jahre spater wurde das Refektorium vom Architekten Ossip Starzew im Moskauer Barockstil umgebaut. Das neue Refektorium wurde zu einem der bedeutendsten Gebaude des spaten 17. Jahrhunderts. Das aufwendig dekorierte Gebaude war mit einer farbenfrohen „Schachbrett“-Bemalung versehen – einem Malstil, der facettiertes Mauerwerk imitiert. Im Norden, vor dem Refektorium, wurde eine große Veranda mit Bogen errichtet, und westlich davon befanden sich die Gemacher des Zaren Fjodor Alexejewitsch, in denen er wahrend des Fastens lebte (spater wurden sie zu einem Winterrefektorium der Monche). Uber der Veranda befand sich ein viereckiger Turm mit einer offenen Galerie, die einen hervorragenden Blick auf die Moskwa und den Kreml bot. Im Oktober 1798 wurden auf Kosten des Kaufmanns und Moskauer Burgermeisters Afanassi Dolgow (Афанасий Иванович Долгов) im Refektorium zwei Kapellen errichtet: die erste im Namen von Athanasius von Alexandria und dem Martyrium von Glyceria, die zweite zu Ehren der Monche Xenophon und Maria. Im Jahr 1806 wurde auf Wunsch der Frau von Walentin Mussin-Puschkin die sudliche Kapelle im Namen des heiligen Martyrers Valentin geweiht (uber dem Grab ihres 1804 verstorbenen Mannes). Im Jahr 1840 wurde der Thron, der zuvor im Refektorium der Kirche im Namen des Heiligen Sergius stand, zu Ehren der Tichwin-Ikone der Muttergottes neu geweiht. Gleichzeitig wurden insbesondere an der Sud- und Nordseite neue Kapellen anstelle der bereits bestehenden errichtet, an der Nordseite wurde eine Abschrankung im Namen des Heiligen Sergius des Wundertaters errichtet; (mit Unterstutzung von Staatsrat G. Lepechin – Г.Лепехин). In den Jahren 1910–1911 wurde auf Kosten von Anna Bachruschina (Аннa Бахрушинa) eine umfassende Renovierung des Gebaudes durchgefuhrt: Es wurde verputzt, dekoriert und neue Decken und Fensterbanke angefertigt. Nach den revolutionaren Ereignissen wurden im Jahr 1923 die Tichwin-Kirche und das Refektorium Teil des Museums. Im Jahr 1928 sturzte die vordere Nordveranda ein. Ein Jahr spater beantragte der Vorstand des Arbeiterpalastes „Proletarskaja Kusniza“ (Пролетарская кузница), „das Refektorium des Simonow-Klosters in ein Theater fur die Arbeiter in der Straße Leninskaja Sloboda umzuwandeln“. Dem Antrag wurde jedoch nicht stattgegeben. Nach der Sprengung des Klosters diente das Refektorium wie andere erhaltene Gebaude als Wohnraum. Im Jahr 1982 befanden sich die Hauptraume des Kombinats im Refektorium. Das in den 1990er Jahren gegrundete Patriarchalische Metochion mit einer Pfarrei fur Seh- und Horbehinderte konnte die Kirche und das Refektorium teilweise restaurieren und bewohnen. Seit 2022 finden Gottesdienste in der Kirche statt. Das Refektorium und die Kirche sind im Roten Buch von Archnadsor aufgefuhrt. = Maria-Himmelfahrt-Kathedrale = Die Hauptkirche wurde 1379 gegrundet und 1405 geweiht. Die Hohe mit dem Kreuz betrug etwa 25 Saschen. Die Ikonostase der Kathedrale wurde 1404 und 1405 von Maxim dem Griechen und Andrei Rubljow bemalt. In der unteren Ebene der Ikonostase befanden sich folgende Ikonen: „Die Entschlafung der Heiligen Jungfrau Maria“, „Die lebensspendende Dreifaltigkeit“, die „Tichwiner Ikone der Muttergottes“, die „Simonow-Kasan-Ikone der Muttergottes“. In der ortlichen Reihe befand sich das Bild des „Allmachtigen Erlosers“. Es wurde ein mit Edelsteinen verziertes goldenes Kreuz aufbewahrt – ein Geschenk der Prinzessin Maria Aleksejewna. Die Kirche wurde 1930 zusammen mit anderen Gebauden gesprengt. In den Aufzeichnungen des Erzdiakons Paul von Aleppo (Павел Алеппский, Pawel Aleppski), der im Februar 1656 gemeinsam mit dem Patriarchen Macarius von Antiochia (Патриарх Макарий III) das Simonow-Kloster besuchte, wird die Kathedrale wie folgt beschrieben: Im Jahr 1834 wurde durch die Bemuhungen des Archimandriten Melchisedek auf beiden Seiten des Altars Folgendes hinzugefugt: auf der rechten Seite eine Steinkapelle im Namen der Kasaner Muttergottes und auf der linken Seite eine zweistockige Sakristeikammer. Die Kuppeln der Kapelle und der Sakristei waren mit weißem Eisenblech verkleidet, die Mittelkuppel des Doms und die Kreuze waren mit Rotgold vergoldet. Die anderen vier Abteilungen der Kathedrale waren blau gestrichen und mit Sternen aus vergoldetem Kupfer verziert. Die vergoldeten Konigstore (Царские врата, Zarskije wrata) aus den fruhen 1680er Jahren, die von den Bolschewiki bei der Zerstorung des Klosters gestohlen wurden, sind heute in der Dauerausstellung antiker russischer Ikonenmalerei aus dem 14. bis fruhen 18. Jahrhundert in der Staatlichen Eremitage in St. Petersburg ausgestellt: „Die Torflugel, die mit durchgehenden volumetrischen Schnitzereien verziert sind, sind ein markantes Beispiel der sogenannten flamischen Schnitzerei.“ = Glockenturm = Der erste Glockenturm wurde Mitte des 16. Jahrhunderts neben der Maria-Entschlafens-Kathedrale erbaut. Er war 8 Saschen hoch, mit zwei dem Erzengel Michael und dem Wundertater Nikolaus geweihten Kapellen. Im Jahr 1835 wurde der Glockenturm wegen Baufalligkeit abgerissen und von 1835 bis 1839 nach dem Entwurf von Konstantin Ton ein neuer funfstockiger Glockenturm samt Tor in der Nordwand errichtet, der 1840 fertiggestellt war. Die beiden Kapellen blieben nicht erhalten. Im Erdgeschoss des neuen Turms befanden sich die Heiligen Tore, im ersten Obergeschoss eine Kapelle, die Alexander Newski und Johannes von Konstantinopel geweiht war, im zweiten Obergeschoss die Glocken, im dritten die Turmuhr und im vierten und letzten eine Wendeltreppe und das Kapitel. Die Hohe des Glockenturms mit dem Kreuz betrug fast 100 m (44 Saschen und ein Arschin). Am Fuß des Turms befand sich eine Bronzetafel mit einer eingravierten Inschrift uber die Grundsteinlegung des Glockenturms im Jahr 1835, auf der Kaiser Nikolaus I., Abt Melchisedek, der Architekt Ton und der Kaufmann Ignatjew erwahnt wurden. Die Tiefe des Fundaments betrug etwa 3 Saschen (ca. 6,5 m). Die großte Glocke war eine 1000-Pud-Glocke aus dem Jahr 1677 mit einer Inschrift, in der Zar Fjodor Alexejewitsch erwahnt wird und die besagt, dass die Glocke vom Meister Charitonka Iwanow, seinem Sohn Popow und seinem Freund gegossen wurde. Die zweitschwerste Glocke mit einem Gewicht von 360 Pud wurde 1655 gegossen; ihre Inschrift nennt den Zaren Alexei Michailowitsch und besagt, dass die Glocke vom Meister Alexander Grigorjew gegossen wurde. Die drittschwerste Glocke wog 150 Pud und stammt aus dem Jahr 1621; ihre Inschrift nennt den Meister Kirill Samoilow. Die viertgroßte mit einem Gewicht von 60 Pud aus dem Jahr 1627 nennt den Meister Bogdan Wasiliew. Daruber hinaus befanden sich im Glockenturm acht weitere kleinere Glocken ohne Inschriften. Die Spitze und das Kreuz des Glockenturms waren mit Kupfer verkleidet und mit Rotgold vergoldet. Im Jahr 1929, unter sowjetischer Herrschaft, wurde mit der Demontage des Glockenturms begonnen, der schließlich 1930 zusammen mit einem Teil des Klosters abgerissen wurde. = Spasskaja-Kirche uber dem Westtor = Die Spasskaja-Kirche wurde 1591–1593 zu Ehren des Sieges uber die Truppen des tatarischen Khan Kasy-Girei gebaut. Anfang August 1593 wurde sie von Patriarch Hiob im Beisein von Zar Fjodor Iwanowitsch mit den Bojaren feierlich geweiht; die Hohe mit dem Kreuz betrug etwa 14 Saschen. Zum Kirchweihetag wurde im Kloster traditionell eine Feier mit einer Kreuzprozession durchgefuhrt. In allen Dokumenten vor dem 19. Jahrhundert wurde die Kirche als Heiligtum des Ursprungs der wahren Baume des lebensspendenden Kreuzes des Herrn bezeichnet. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde sie hauptsachlich Spasskaja genannt. Die Kirche war ein saulenloses Viereck mit einer Kuppel. Im Untergeschoss befand sich ein Tor, im Obergeschoss eine Apsidenkirche. Der Abschluss der Kirche wurde durch eine Pyramide aus drei Reihen halbkreisformiger Kokoschniks gebildet. Ansicht der Kirche im Inventar der Klosterkirchen aus dem Jahr 1783: In den fruhen 1820er Jahren wurden Renovierungsarbeiten in der Kirche durchgefuhrt. Im Jahr 1823 wurde eine neue Ikonostase geschaffen, zehn Jahre spater wurde das Westtor unter der Kirche bemalt und die Kuppel vergoldet. 1930 wurde es zusammen mit den Toren und dem großten Teil des Klosters abgerissen. = Kirche der Herabkunft des Heiligen Geistes (Alexander Swirsko) = Die Kirche war ein zweistockiges Heiligtum mit einer Kuppel. Es grenzte an der Nordwand an das Krankenhausgebaude. Es wurde um 1700 mit Unterstutzung von Prinzessin Maria Aleksejewna erbaut und im Namen der Heiligen Xenophon und Maria geweiht (Xenophon-Krankenhaus). Im Jahr 1774 wurde im Refektorium der Kirche eine kleine Kapelle im Namen der Herabkunft des Heiligen Geistes errichtet. Der Tempel wurde als Kirche der Herabkunft des Heiligen Geistes bezeichnet. Die Kuppel und das Kreuz der Kirche wurden 1829 mit Kupfer verkleidet und vergoldet, im Untergeschoss wurden Monchszellen eingerichtet. In den Jahren 1852–1853 wurde die Kirche mit Unterstutzung der Frau Aljabjewa restauriert (Erneuerung der Ikonostase) und die Kirche im Namen des Heiligen Alexander Swirski (Александра Свирско) neu geweiht. Unter der Kirche befand sich ein Grab. 1930 wurde die Kirche abgerissen. = Kirche des Zeichens der Heiligen Jungfrau Maria uber dem Osttor = Die Holzkirche uber dem Tor (Церковь Знамения Пресвятой Богородицы, Zerkow Snamenija Preswjatoi Bogorodizy) wurde um 1623 auf Kosten des Bojaren Juri Suleschow neben der Maria Himmelfahrt-Kathedrale erbaut. Lange Zeit blieb sie wegen Baufalligkeit ungenutzt. Im Jahr 1834 wurde sie nach dem Entwurf von Evgraf Tyurin umgebaut und im Namen von Nikolaus dem Wundertater neu geweiht (auf Wunsch der Frau Boborykina zum Gedenken an ihren Ehemann Nikolai Boborykin, der 1822 im Simonow-Kloster begraben wurde). Im Jahr 1837 fertigte der Ikonostasen-Meister Pjotr Mironow (Петр Миронов) eine Ikonostase nach Zeichnungen von Architekt Bikovski (Быковски) an. Die Kirche wurde 1930 abgerissen. = Friedhof = In der Klosterkathedrale wurden der Sohn von Dmitri Donskoi, Konstantin Dmitrijewitsch (Cassian, Константин Дмитриевич), die Fursten Mstislawski, Temkin-Rostowski (Темкины-Ростовские), Suleschow (Сулешевы) sowie die Bojaren Golowin (Головины) und Buturlin (Бутурлины) beigesetzt. In der Klosterkathedrale wurde 1616 Simeon Bekbulatowitsch - der getaufte Prinz der Qasim-Tataren (Касимовское царство, Kassimowskoje zarstwo) beigesetzt; 1606 erhielt er im Solowezki-Kloster die Tonsur und starb im Simonow-Kloster unter dem Namen Schima-Monch Stefan. Auf dem Territorium des Simonow-Klosters befand sich ein ausgedehnter Friedhof, in welchem der Dichter Dmitri Wenewitinow, der Schriftsteller Sergei Aksakow, sein Sohn Konstantin Aksakow, der Komponist Alexander Aljabjew, der Sammler Alexei Bachruschin (Алексей Петрович Бахрушин), ein Vertrauter Peters des Großen, Fjodor Golowin sowie zahlreiche Vertreter alter russischer Adelsfamilien bestattet wurden (Sagrjaschski Загряжские, Olenin Оленины, Durassow Дурасовы, Wadbolski Вадбольские, Soimonow Соймоновы, Murawjow Муравьёвы, Islenjew Исленьевы, Tatischtschew Татищевы, Naryschkin, Schachowskoi, Petrowo-Solowowo Петрово-Соловово). In den 1930er Jahren wurde gleichzeitig mit dem Kloster auch die Nekropole zerstort. Die sterblichen Uberreste des Dichters Dmitri Wenewitinow und des Schriftstellers Aksakow wurden vom zerstorten Friedhof auf den Nowodewitschi-Friedhof uberfuhrt. Auf dem Gelande wurde eine Verzinkungsanlage und anschließend eine Tischlerei eingerichtet. Nach der Ruckfuhrung des Klosters wurden bei Bauarbeiten in den 1990er Jahren einige Uberreste gefunden und umgebettet. Weblinks Einzelnachweise
Das Simonow-Kloster (Simonow Uspenski monastyr, russisch Симонов Успенский монастырь, wiss. Transliteration Simonov Uspenskij monastyr') ist ein Kloster-Komplex in Moskau, der 1370 von dem Monch Feodor gegrundet wurde. Das Gelande des Klosters gehort heute zum Moskauer Stadtteil Danilowski rajon (Даниловский район). Seit dem 15. Jahrhundert war das Kloster eines der reichsten Kloster in Moskau. Unter den gebildeten Monchen, die dort lebten und wirkten, waren Wassian Patrikejew und Maxim der Grieche. Im 16. und 17. Jahrhundert war es Teil des Befestigungsgurtels, der die Stadt vor Angriffen aus Suden schutzte. 1923 wurde das Kloster aufgelost und ein Großteil der Gebaude zerstort. Seit 1991 gibt es Bestrebungen, das Kloster wieder aufzubauen.
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Als Aberkiosinschrift wird eine 22-zeilige, in altgriechischer Sprache verfasste Grabinschrift aus Hieropolis in Phrygien (im Westen der heutigen Turkei) bezeichnet. Sie befand sich auf dem Grab des christlichen Klerikers Aberkios, der vermutlich Bischof von Hieropolis war und um 200 n. Chr. starb. Dem Schlussteil der Inschrift zufolge wurde sie von Aberkios selbst noch zu Lebzeiten verfasst. Der vollstandige Text ist nur als Abschrift in einer spatantiken Heiligenvita uberliefert. Im 19. Jahrhundert wurden auch Fragmente des originalen Grabsteins aus der Zeit gefunden, sodass sich die spatere Uberlieferung des Textes uberprufen und bestatigen lasst. Die Aberkiosinschrift ist ein wichtiges Zeugnis des fruhen Christentums und von großer religionshistorischer Bedeutung. Der metrische Inschriftentext beschreibt mit symbolischen, fur den Uneingeweihten schwer verstandlichen Ausdrucken christliche Lehren und Kultpraktiken. Aberkios schildert darin, wie er im Auftrag Gottes Rom und verschiedene Gebiete des Nahen Ostens besuchte und dort mit Glaubensgenossen zusammentraf. Fruhere Wissenschaftler gingen oft davon aus, dass Aberkios seine Grabinschrift aus Angst vor Christenverfolgungen so verschlusselte, dass Nicht-Christen sie nicht verstehen konnten. Demgegenuber nimmt die neuere Forschung eher an, dass Aberkios bewusst christliche und nichtchristliche Schlagworter in seinem Text kombinierte und gezielt mit ihnen spielte, um den Lesern des Grabsteins seine Bildung und sein Interesse sowohl an christlicher als auch an klassisch-griechischer Kultur vor Augen zu fuhren. Uberlieferung Zwei Fragmente der originalen Grabinschrift sind erhalten. Sie wurden 1883 durch den schottischen Archaologen und Historiker William Mitchell Ramsay bei seinen Forschungen in der Nahe von Aberkios’ Heimatstadt Hieropolis entdeckt. Diese beiden Bruchstucke der Inschrift befinden sich heute in den Vatikanischen Museen in Rom, wo sie mit der Inventarnummer 31643 im Lapidario Cristiano aufbewahrt werden. Teile des Textes befinden sich auch auf einer weiteren Grabinschrift, die vom Grab eines Alexandros stammt und auf das Jahr 215/216 n. Chr. datiert ist. Der Verfasser dieses Grabsteins wiederholte die ersten und die letzten drei Verse der Aberkiosinschrift, ohne kenntlich zu machen, dass sie von einem anderen Grabmal stammten. Verschiedene inhaltliche, palaographische und metrische Indizien zeigen, dass die Aberkiosinschrift das Vorbild fur die Alexandrosinschrift war und nicht umgekehrt. Beispielsweise passt der Name Aberkios in die metrische Struktur des Gedichtes, wohingegen der Name Alexandros sie verletzt und damit eine nachtragliche Anderung sein muss. Die Alexandrosinschrift bildet aber eine erganzende Quelle fur die Rekonstruktion des Aberkios-Grabmals. Eine vollstandige Rekonstruktion des Textes ist jedoch nur dank einer literarischen Quelle moglich, namlich einer griechischsprachigen Heiligenvita des Aberkios, in der zum Schluss auch der komplette Text seiner Grabinschrift zitiert ist. Diese Schrift ist in mehreren Versionen bekannt, die handschriftlich uberliefert sind. Die Datierung des Werkes ist allerdings umstritten: Einige Forscher gehen davon aus, dass der Kern bereits im direkten zeitlichen Umfeld von Aberkios, also im 2. Jahrhundert, entstanden sei, andere nehmen an, die gesamte Vita sei erst im 4. Jahrhundert aufgrund weniger lokaler Quellen (darunter eben dem damals noch vollstandiger erhaltenen Grabstein) zusammengestellt worden. Unabhangig von dieser Frage erlauben die im 19. Jahrhundert entdeckten unvollstandigen Steinfragmente die Schlussfolgerung, dass der Text des Grabsteins, wie er in der Vita zitiert ist, im Großen und Ganzen korrekt und authentisch ist. Ubersetzung Zu Beginn jedes Absatzes der deutschen Ubersetzung gibt eine eingeklammerte Zahl an, welche Zeile des griechischen Textes dort beginnt. (1) Ich, Burger der auserwahlten Stadt, habe zu Lebzeiten dieses (Grabmal) errichtet, damit ich zur gegebenen Zeit hier die Niederlegungsstatte meines Leibes habe. Ich heiße Aberkios und bin ein Junger des reinen Hirten, der in den Bergen und Ebenen die Herden seiner Schafe weidet und die großen Augen hat, die uberallhin blicken. Er ist es gewesen, der mich die frommen Schriften gelehrt und nach Rom gesandt hat, um die Kaiserin zu schauen und die Prinzessin mit dem goldenen Gewand und den goldenen Schuhen zu sehen. Dort sah ich auch das Volk, welches das glanzende Siegel trug. (10) Ich sah auch die Ebene Syriens und alle Stadte, Nisibis, und uberschritt den Euphrat. Uberall hatte ich als Begleiter (?) den Paulus - - - Uberallhin fuhrte mich die Fides (Glaube, Vertrauen), und setzte mir uberall als Speise den FISCH von der Quelle vor, den großen reinen, welchen die reine Jungfrau ergriffen hatte, und sie gab ihn ihren Lieben uberall zu essen, indem sie den Guten (Chrestos) als Wein und eine Mischung davon mit Brot gab. (17) Dieses habe ich, Aberkios, der ich dabeistand, angeordnet hier aufzuzeichnen, als ich wirklich im 72sten Jahr stand. Jeder Gesangesgenosse, der dies versteht, moge fur mich, Aberkios, beten. (20) Aber niemand darf einen anderen in meinem Grab bestatten; wer es aber doch tun sollte, muss dem romischen Fiscus 2000 Aurei zahlen und meiner guten Heimatstadt Hieropolis 1000 Aurei. Ubersetzung nach Reinhold Merkelbach und Josef Stauber. Deutung = Religiose Zugehorigkeit = Viele in dem Text genannte Motive und symbolische Formulierungen sind schwer zu deuten; bezuglich ihrer Erklarung besteht in der Forschung vielfach Uneinigkeit. Als die Inschrift nach Entdeckung der Steinfragmente im spaten 19. Jahrhundert erstmalig in der Wissenschaft beachtet wurde, war sogar umstritten, ob der Text in seiner ursprunglichen Form uberhaupt christlich ist (die Heiligenvita ist vielleicht erst mit großem zeitlichen Abstand entstanden). Insbesondere katholische Wissenschaftler argumentierten damals fur eine christliche Deutung, wohl weil Aberkios durch seinen Text den Vorrang Roms in der Christenheit zu bestatigen schien. Protestantische Wissenschaftler versuchten dagegen – der Kulturkampf war erst wenige Jahre her – eine solche Vereinnahmung der Inschrift zu bekampfen. Sie neigten daher dazu, vor allem nichtchristliche Elemente des Textes herauszustellen. Gerhard Ficker argumentierte 1894, Aberkios sei ein Priester der Muttergottheit Kybele gewesen. Otto Hirschfeld schloss sich ihm diesbezuglich an. Im Folgejahr publizierte Adolf von Harnack eine differenziertere Deutung, der zufolge die Inschrift Elemente unterschiedlicher Religionen in sich vereinige, also synkretistischer Natur sei. Albrecht Dieterich kam dagegen 1896 zu dem Ergebnis, Aberkios sei ein Priester des Attis gewesen. Zu den uberwiegend katholischen Forschern, die diese Theorien zuruckwiesen, gehorten Giovanni Battista de Rossi, Louis Duchesne, Orazio Marucchi und spater Franz Joseph Dolger. Die christliche Deutung hat sich mittlerweile durchgesetzt und wird allgemein anerkannt. = Formeln und Metaphern = Die anfangliche Unklarheit uber die religiose Verortung des Aberkios resultiert daraus, dass seine Grabinschrift in einer sehr symbolischen Sprache verfasst ist. In der Forschung existieren dafur im Wesentlichen zwei Erklarungen: Moglich ware einerseits, dass Aberkios an seinem Grabmal seinen Glauben letztmalig bekennen wollte, aber dies so verschlusseln musste, dass nur seine Glaubensgenossen die christliche Bedeutungsebene des Textes verstehen konnten. Andererseits ist auch denkbar, dass Aberkios absichtlich seine doppelte Identitat als Christ und als Angehoriger der klassischen antiken Kultur beziehungsweise der lokalen phrygischen Gesellschaft ausdrucken wollte und deshalb Formulierungen aus beiden Bereichen nutzte. Dass Aberkios seinen Glauben aus Angst vor Christenverfolgungen verschlusseln musste, wie die fruhere Forschung vielfach annahm, gilt mittlerweile als unwahrscheinlich. In der Regel konnten Christen zu seiner Lebenszeit, wie man mittlerweile weiß, ihren Glauben relativ frei ausleben. Wenn dem nicht so gewesen ware, ware Aberkios als hochrangiges Gemeindemitglied zudem sicherlich nicht das Risiko eingegangen, durch ein großes Grab mit einer ausfuhrlichen Inschrift – und sei sie noch so verschlusselt – den Zorn seiner Zeitgenossen auf die Christen zu lenken. Aberkios stellt sich in dem Text ausfuhrlicher vor, als dies in phrygischen Grabinschriften dieser Zeit ublich war. Er prasentiert sich als Burger einer „auserwahlten Stadt“ und als Schuler des „reinen Hirten“. Ob mit der auserwahlten Stadt (εκλεκτη πολις) im politischen Sinn seine Heimatstadt Hieropolis, im religiosen Sinn das himmlische Jerusalem oder im ubertragenen Sinn die Gemeinschaft aller Christen gemeint ist, ist unklar – alle diese Interpretationen wurden bereits vertreten. Der Hirte wird in der Forschung meist als der „gute Hirte“ Jesus Christus gedeutet. Im Auftrag dieses Hirten sei Aberkios, so die Inschrift weiter, nach Rom, Syrien und Mesopotamien gereist – die Schilderung dieser Besuche macht einen großen Teil des Textes aus. Ob Rom zu dieser Zeit bereits als religioses Zentrum des Christentums betrachtet wurde und Aberkios deshalb dorthin reiste oder ob andere Grunde wie die damalige politische Bedeutung der Stadt fur seinen Besuch ausschlaggebend waren, ist unklar. Diese Unklarheit liegt auch daran, dass die folgenden Zeilen, die seinen Romaufenthalt genauer beschreiben, nicht eindeutig erklarbar sind. Es ist dort von zwei Personen die Rede, die Aberkios in der Reichshauptstadt gesehen habe – in der obigen Ubersetzung als „Kaiserin“ und „Prinzessin“ wiedergegeben. Die Buchstabenreste auf dem Stein ergeben in beiden Fallen Worter fur „Konigin“ (oder auch „Konigsherrschaft“). Das konnte sich auf Frauen des romischen Kaiserhauses beziehen, beispielsweise die Frau und die Tochter des gerade regierenden Kaisers, es konnten aber auch metaphorisch die katholische Kirche als „Konigin der Welt“ oder die Stadt Rom als „Sitz der Konigsherrschaft“ gemeint sein. Auch eine von Aberkios beabsichtigte Doppeldeutigkeit ware moglich. Das Volk mit dem glanzenden Siegel, das die Inschrift in Rom verortet, lasst sich dagegen recht eindeutig auf die christliche Gemeinde und das gemeinsame „Siegel“ der Taufe beziehen. Die konkreten Grunde fur die Reisen nach Rom, Syrien und Mesopotamien gehen aus der Grabinschrift jedenfalls nicht hervor. Die deutlich spater entstandene Heiligenvita des Aberkios legt nahe, dass es vor allem um Diskussionen uber den „wahren Glauben“ ging und Aberkios gegen „Haresien“ wie den im 2. Jahrhundert aufkommenden Markionismus ankampfen wollte. Dazu konnte auch der Verweis auf den Apostel Paulus in der Inschrift passen, da dieser Apostel – beziehungsweise seine Schriften – in dieser Zeit zur maßgeblichen Autoritat in den theologischen Diskussionen unter Christen wurde. Weiter heißt es in der Aberkiosinschrift, der Verstorbene habe uberall auf seinen Reisen „den Fisch“ verspeist – eine Angabe, die hochstwahrscheinlich nicht wortlich zu verstehen ist. Der Fisch war im fruhen Christentum eine vielschichtige Metapher (siehe Fisch (Christentum)) sowohl fur die Christen als auch fur Jesus Christus selbst, aber auch speziell fur das Abendmahl, bei dem ja symbolisch die Opferung Christi wiederholt wird. Im Kontext der Aberkiosinschrift liegt speziell eine Deutung des Fisches als Umschreibung des Abendmahls nahe, nicht zuletzt da im Anschluss konkret von Wein und Brot, also den Hauptelementen des Abendmahls, die Rede ist. Mit der Jungfrau, die den Fisch ergriffen habe, konnte je nach Interpretation der Fisch-Metapher entweder die Jungfrau Maria (siehe Jungfrauengeburt), die Gemeinschaft der Christen oder der bereits zuvor erwahnte personifizierte Glaube (griechisch Pistis, lateinisch Fides) gemeint sein. Zusammengefasst scheint Aberkios sich also auf seinen Reisen als Nachfolger des Apostels Paulus gefuhlt zu haben, seine christlichen Glaubensgenossen in verschiedenen Regionen besucht zu haben und mit ihnen als Zeichen der Verbruderung das Abendmahl gefeiert zu haben. Die letzten Satze des Grabgedichtes entsprechen dann wieder dem ublichen Formular phrygischer Grabinschriften dieser Zeit oder waren damaligen Lesern zumindest klar verstandlich. Es handelt sich um die erneute Nennung des Verstorbenen, um die Angabe, wer fur das Grabmal verantwortlich war (in diesem Fall Aberkios selbst), um eine Aufforderung des Lesers zur Furbitte sowie um das Verbot von Nachbestattungen. Dass Aberkios in dieser Schlusspassage betont, die Grabinschrift selbst verfasst zu haben, konnte seinen Stolz auf die kunstvolle, metaphernreiche Sprache des Textes verraten. Rekonstruktion des Grabmals Die Form des ursprunglichen Grabmals geht zu einem gewissen Grade aus der Vita des Aberkios hervor. Dort heißt es namlich, das „von Gott inspirierte Grabgedicht“ (θεοπνευστον επιγραμμα) – also die Inschrift – habe auf einem „Altarstein aus Marmor“ (βωμον μαρμαρου) gestanden, der wiederum auf einem „quadratischen Grab“ (τυμβον ισοτετραγωνον) aufgestellt gewesen sei. Dass der Grabstein die klassisch-antike (heidnische) Form eines Altars hatte, war fur Aberkios wohl nichts Besonderes und Bestandteil der ublichen Grabbrauche seiner Zeit; fur den Verfasser der Heiligenvita war es jedoch auffallig und erklarungsbedurftig. Er deutet den Marmorblock in seinem Text daher als einen heidnischen Altar, den ein von Aberkios bezwungener Damon in dessen Auftrag nach Hieropolis gebracht habe und den der Kleriker selbst dann spater fur seine Grabinschrift zweitverwendet habe. Dieser aufwendige Erklarungsversuch spricht dafur, dass das ursprungliche Grabmal tatsachlich eine solche Form hatte. Davon abgesehen ist die genaue Gestaltung des Denkmals aber unklar und umstritten; die Rekonstruktion in den Vatikanischen Museen ist nur eine von mehreren Optionen. Weblinks Informationen zur Inschrift auf der Website der Vatikanischen Museen Literatur Armand Abel: Etude sur l’inscription d’Abercius. In: Byzantion. Band 3 (1926), S. 321–411. Annkatrin Blank: Die Grabinschrift des Aberkios. Ein Kommentar. Verlag Schnell & Steiner, Regensburg 2023, ISBN 978-3-7954-3860-9 (Druckausgabe), ISBN 978-3-7954-3861-6 (Online-Ressource) [zugleich Dissertation Universitat Regensburg 2023]. Albrecht Dieterich: Die Grabschrift des Aberkios. Teubner, Leipzig 1896 (Digitalisat). Franz Joseph Dolger: Ichthys. Band 2: Der heilige Fisch in den antiken Religionen und im Christentum. Aschendorff, Munster 1922, S. 87–112 und S. 454–507. Margherita Guarducci: L’iscrizione di Abercio e Roma. In: Ancient Society. Band 2, 1971, S. 174–203. Vera Hirschmann: Untersuchungen zur Grabschrift des Aberkios. In: Zeitschrift fur Papyrologie und Epigraphik. Band 129 (2000), S. 109–116 (PDF). Vera Hirschmann: Ungeloste Ratsel? Nochmals zur Grabschrift des Aberkios. In: Zeitschrift fur Papyrologie und Epigraphik. Band 145 (2003), S. 133–139. Pamela D. Johnston, Ken Tully: The Hagiography of Saint Abercius. Introduction, Texts, and Translations. Routledge, London 2022, ISBN 978-1-03-214030-8 (E-Book: Taylor & Francis Group, ISBN 978-1-00-323201-8). Reinhold Merkelbach: Grabepigramm und Vita des Bischofs Aberkios von Hierapolis. In: Epigraphica Anatolica. Band 28, 1997, S. 125–139. Margaret M. Mitchell: The Poetics and Politics of Christian Baptism in the Abercius Monument. In: David Hellholm, Tor Vegge, Øyvind Norderval, Christer Hellholm (Hrsg.): Ablution, Initiation, and Baptism. Late Antiquity, Early Judaism, and Early Christianity (= Beihefte zur Zeitschrift fur die Neutestamentliche Wissenschaft. Band 176). Walter de Gruyter, Berlin/Boston 2011, ISBN 978-3-11-024751-0, S. 1743–1782. Ilaria Ramelli: L’epitafio di Abercio. Uno status quaestionis ed alcune osservazioni. In: Aevum. Band 74, Nummer 1, 2000, S. 191–205. Hermann Strathmann, Theodor Klauser: Aberkios. In: Reallexikon fur Antike und Christentum. Band 1, Hiersemann, Stuttgart 1950, Sp. 12–18. Eckhard Wirbelauer: Aberkios, der Schuler des Reinen Hirten, im Romischen Reich des 2. Jahrhunderts. In: Historia. Band 51 (2002), S. 359–382 (PDF). Wolfgang Wischmeyer: Die Aberkiosinschrift als Grabepigramm. In: Jahrbuch fur Antike und Christentum. Band 23, 1980, S. 22–47. Anmerkungen
Als Aberkiosinschrift wird eine 22-zeilige, in altgriechischer Sprache verfasste Grabinschrift aus Hieropolis in Phrygien (im Westen der heutigen Turkei) bezeichnet. Sie befand sich auf dem Grab des christlichen Klerikers Aberkios, der vermutlich Bischof von Hieropolis war und um 200 n. Chr. starb. Dem Schlussteil der Inschrift zufolge wurde sie von Aberkios selbst noch zu Lebzeiten verfasst. Der vollstandige Text ist nur als Abschrift in einer spatantiken Heiligenvita uberliefert. Im 19. Jahrhundert wurden auch Fragmente des originalen Grabsteins aus der Zeit gefunden, sodass sich die spatere Uberlieferung des Textes uberprufen und bestatigen lasst. Die Aberkiosinschrift ist ein wichtiges Zeugnis des fruhen Christentums und von großer religionshistorischer Bedeutung. Der metrische Inschriftentext beschreibt mit symbolischen, fur den Uneingeweihten schwer verstandlichen Ausdrucken christliche Lehren und Kultpraktiken. Aberkios schildert darin, wie er im Auftrag Gottes Rom und verschiedene Gebiete des Nahen Ostens besuchte und dort mit Glaubensgenossen zusammentraf. Fruhere Wissenschaftler gingen oft davon aus, dass Aberkios seine Grabinschrift aus Angst vor Christenverfolgungen so verschlusselte, dass Nicht-Christen sie nicht verstehen konnten. Demgegenuber nimmt die neuere Forschung eher an, dass Aberkios bewusst christliche und nichtchristliche Schlagworter in seinem Text kombinierte und gezielt mit ihnen spielte, um den Lesern des Grabsteins seine Bildung und sein Interesse sowohl an christlicher als auch an klassisch-griechischer Kultur vor Augen zu fuhren.
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Das Haus Breite Straße 33–34 in Berlin-Spandau (heutige Adresse: Breite Straße 33) wurde 1930–1931 von dem Kaufmann Louis Salomon als Wohn- und Geschaftshaus erbaut. In einem der Ladenlokale im Erdgeschoss eroffnete die Kaufhauskette Woolworth 1931 eine ihrer ersten Filialen in Deutschland. Ab 1938 dienten die oberen Stockwerke als Wohnraume fur judische Familien, die von der nationalsozialistischen Verwaltung gezwungen wurden, in sogenannten „Judenhausern“ zusammenzuziehen. Es waren großtenteils Verwandte von Louis Salomon. Neun Bewohner des Hauses wurden von hier aus deportiert und im Vernichtungslager Auschwitz ermordet, neun anderen gelang es, nach Palastina oder Großbritannien zu emigrieren. Das Gebaude (Wohn- und Geschaftshaus Breite Straße 33, 34 – Lindenufer 9, 10) ist unter Nr. 09085480 als Baudenkmal in die Denkmaldatenbank des Landes Berlin eingetragen. Baugeschichte Der judische Kaufmann Louis Salomon war vielfaltig als Unternehmer tatig. Er grundete und verlagerte Geschafte fur sich und Familienangehorige in ganz Berlin, baute sie um und erweiterte sie. 1918 kaufte er die Hauser an der Breiten Straße 33 und 34 in Spandau, ließ sie instand setzen, „moderne Laden“ ausbauen und wegen der Wohnungsknappheit Notwohnungen in ehemaligen Gesellenzimmern einbauen. Das Grundstuck reichte im Osten bis an das Lindenufer mit der Adresse Lindenufer 9. Im Haus Breite Straße 33 richtete er ein Waschegeschaft fur seine Schwagerin Margarete Brasch, eine Schwester seiner ersten Frau, ein; Margarete Brasch erkrankte jedoch bald, und er loste es wieder auf. Ab 1925 uberschrieb Salomon seiner Tochter Gerta dreiviertel seiner Hauser als Heiratsgut anlasslich ihrer Eheschließung mit dem Arzt Alfred Kallner; sie trat somit auch an der Breiten Straße 33 und 34 als Miteigentumerin und Bauherrin auf. 1929 unterbreitete Woolworth Salomon und seiner Tochter Gerta Kallner wegen der gunstigen Lage nahe dem Markt das Angebot, im Erdgeschoss der Hauser Breite Straße 33 und 34 eine Filiale zu errichten. Salomon ließ die Gebaude abreißen und bis 1931 einen großen Neubau errichten. Architekt war moglicherweise Adolf Steil. Woolworth ubernahm einen großen Teil der Baukosten. Das Gebaude ist im vorderen Teil entlang der Breiten Straße eingeschossig und hat im hinteren Teil als Mehrfamilienhaus drei Etagen und ein ausgebautes Dachgeschoss. In dem 660 m² großen Laden im Erdgeschoss eroffnete Woolworth als Mieter 1931 eine der ersten Filialen des Unternehmens in Deutschland; daneben lag ein zweites Geschaft von 100 m² Große fur den „Babybasar“ von A. Baer, der bereits vorher dort Mieter gewesen war. Spater folgte auf den „Babybasar“ das Schuhgeschaft Tack. Von den Laden aus war das Kellergeschoss zuganglich. Im ersten Stock lagen die Praxisraume des Frauenarztes Dr. Hans Lowenstein und des Nervenarztes Dr. Rudolf Mansbacher, im zweiten Stock wohnte Louis Salomon mit seiner Familie, im vierten Stock, dem Dachgeschoss, der Hauswart Fritz Fila; weitere Raumlichkeiten waren als Wohnungen und zeitweise als Arztpraxen vermietet. Infolge der „Arisierung“ oder „Entjudung“ von Liegenschaften, die das Regime der Nationalsozialisten betrieb, wurde auch der Mieterschutz fur Juden eingeschrankt, wie Hermann Goring am 28. Dezember 1938 bekanntgab: „Der Mieterschutz fur Juden ist generell nicht aufzuheben. Dagegen ist es erwunscht, in Einzelfallen nach Moglichkeit so zu verfahren, daß Juden in einem Haus zusammengelegt werden, soweit die Mietverhaltnisse dies gestatten. Aus diesem Grunde ist die Arisierung des Hausbesitzes an das Ende der Gesamtarisierung zu stellen.“ Salomon verlor seine Geschafte. Das Haus in der Breiten Straße wurde nicht vollstandig „arisiert“, auch da der Umbau durch das amerikanische Unternehmen Woolworth kreditfinanziert worden war. Das „Entmietungsgesetz“ vom 30. April 1939 regelte die Rechtsverhaltnisse. Ein Jude hatte auf Verlangen der Gemeindebehorde in seinen Wohnraumen andere Juden als Mieter oder Untermieter aufzunehmen; daher bedurften Vermietungen von Wohnungen der staatlichen Genehmigung. Judische Familien waren gezwungen, in einzelnen Hausern („Judenhausern“) zusammengedrangt zusammenzuziehen. Sie so in bestimmten Hausern zu „ghettoisieren“, ermoglichte dem Regime eine bessere Kontrolle der Juden insgesamt und einen einfacheren Zugriff des Staates bei den bevorstehenden weiteren Maßnahmen. Die meisten „Judenwohnungen“ in Spandau befanden sich in dem ehemaligen judischen Altenheim in der Feldstraße 8; mit der zwangsweisen Auflosung der Spandauer Gemeinde nach dem 4. Juli 1938 ging es in den Besitz der judischen Gemeinde von Berlin uber, die es nicht mehr als Altenheim nutzte, sondern als „Judenhaus“. Von der Anschrift „Feldstraße 8“ wurden die meisten Spandauer Juden, namlich mindestens 22, in Vernichtungslager deportiert. Mehrere Verwandte Salomons zogen in das Haus Breite Straße 33–34, dem vom Staat ein Verwalter, Martin Schmidt, vorgestellt wurde. Bereits 1938 wohnte vorubergehend der Spandauer Rabbiner Arthur Lowenstamm im 3. Stock. Er war mit Louis Salomon befreundet. Dieser war seit 1901 mehrfach Mitglied der Reprasentantenversammlung der judischen Gemeinde von Spandau und ab Juni 1938 der letzte Vorsteher der Gemeinde, bis sie 1938 zwangsweise mit der Berliner Gemeinde zusammengefasst wurde. Louis und seine Frau Ernestine Alma hatten zunachst die Funfzimmerwohnung im 2. Stockwerk bewohnt und mussten jetzt in eine kleinere Wohnung im 3. Stock umziehen, um Platz fur eine Arztpraxis zu machen. Zuletzt wohnten sie mit Schwagerin Marta Tarnowski und ihrem Sohn Hans zusammen als Untermieter seines Schwiegersohns Julius Weiss und seiner Tochter Margot Weiss fur eine Miete von 35 RM in der vorher von Rabbiner Lowenstamm bewohnten Wohnung. Diese wurde am 20. August 1943 geraumt, als alle Familienmitglieder deportiert waren. Louis Salomon schreibt in seinen Lebenserinnerungen: Der mit Louis Salomon befreundete Hauswart Fila hatte eine Klingel von seiner Wohnung im Dachgeschoss in Salomons Wohnung gelegt, die er beispielsweise betatigte, wenn die Gestapo in der Nahe war. Neun Bewohner des Hauses wurden zwischen 1942 und 1944 deportiert und in Auschwitz ermordet. Das Gebaude wurde am 28. Marz 1945 von einer Bombe im hinteren Teil schwer beschadigt. Nach dem Wiederaufbau nach Kriegsende zog erneut Woolworth ein, bis zum Umzug in ein neu errichtetes Haus am Markt 7. In dem Woolworth-Laden an der Breiten Straße eroffnete „Betten-Hampel“ ein Geschaft. Zwischen 1976 und 1978 wurde es geteilt und von „Teppich Kreuzer“ und dem Drogeriemarkt „Kovett“ genutzt, 1981 eroffnete in den wieder zusammengefuhrten großen Geschaftsraumen ein „Wienerwald“-Restaurant, ins kleinere Nachbargeschaft zog „Jeans Master“. Heute gehort das Gebaude der Gesellschaft Gewobag, die Ladenraume sind seit 2006 an ein Geschaft („Euro-Shop“) und das vietnamesische Restaurant „Sy“ vermietet. Im Jahr 2014 wurde auf Betreiben der Jugendgeschichtswerkstatt Spandau eine Gedenktafel fur die judischen Bewohner des Gebaudes angebracht. Judische Bewohner des Hauses in den 1930er-Jahren = Louis und Ernestine Salomon = Louis Salomon kaufte das Grundstuck mit dem damals darauf stehenden Haus 1918. Seine erste Frau Franze (Franziska), geb. Brasch, war am 17. November 1917 gestorben. Louis zog im Januar 1922 nach der Eheschließung mit Ernestine (genannt Alma) Tarnowski, verwitwete Rosenheimer (geb. am 4. Juni 1879 in Samter), in das Haus. Louis Salomon hatte zwei Tochter aus seiner ersten Ehe, Margot Salomon, spater verheiratete Weiss, und Gerta Salomon, verheiratete Kallner. Alma brachte ihre Sohne Alfred und Gerd Rosenheimer mit in die Ehe. Das Ehepaar Salomon wurde am 23. November 1942 zunachst in das Sammellager in der Gerlachstraße 20 (vorher: Lietzmannstraße) gebracht und am 16. Dezember mit dem 77. Alterstransport ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, das von der NS-Propaganda beschonigend als angebliches „Altersghetto“ dargestellt wurde. Am 5. Februar 1945 konnten sie mit einem Sammeltransport von 1200 Juden „zum Austausch“ in die neutrale Schweiz ausreisen, wo sie in verschiedenen Quartieren unweit des Genfer Sees lebten. Am 3. Oktober 1947 reisten Alma und Louis Salomon uber Marseille nach Palastina, am 16. Oktober erreichten sie den Hafen von Haifa. Sie erhielten eine Wohnung im Kibbuz Ein Harod unmittelbar neben Salomons Tochter Gerta Kallner mit ihrer Familie. Alma Salomon starb am 17. Januar 1954, Louis am 16. Dezember 1955. Sie wurden auf dem Friedhof in Ein Harod beigesetzt. = Familie Weiss = Margot Weiss (geboren am 22. November 1899) war die jungere Tochter von Louis Salomon und dessen erster Frau Franziska (Franze) Brasch. Ihr Mann Julius (geboren am 17. Juni 1893 in Krone an der Brahe) war Angestellter in einem der Geschafte von Louis Salomon in Spandau. Nach ihrer Hochzeit ubernahmen Margot und Julius Weiss 1925 von Louis Salomon ein Filialgeschaft in der Pichelsdorfer Straße 97 (damals Pichelsdorfer Straße 16), wo sie auch wohnten. Die Sohne wurden am 21. Juli 1921 (Fritz) und 31. August 1923 (Hans) geboren. Beiden wurde 1936 der Besuch des Kant-Gymnasiums verboten, weil sie Juden waren; vorher waren sie von Mitschulern diskriminiert worden. In der Reichspogromnacht wurden die Schaufenster des Geschafts zerstort, der Laden wurde geplundert. Nach der „Arisierung“, dem erzwungenen Verkauf ihres Geschaftes, zog die Familie in die Breite Straße 33–34 um, wo sie 1939 in der Mieterliste nachgewiesen sind. Fritz Weiss besuchte nach dem Ausschluss vom Kant-Gymnasium die Chemieschule der judischen Gemeinde Berlin, ab 1939 machte er in Polenzwerder bei Eberswalde eine landwirtschaftliche Ausbildung im Rahmen der Hachschara zur Vorbereitung auf eine Ubersiedlung nach Palastina. Die Schwester seiner Mutter, Gerta Kallner, die mit ihrer Familie bereits 1933 dorthin emigriert war, unterstutzte ihn finanziell. Fritz Weiss wurde jedoch zusammen mit seiner Hachschara-Gruppe am 12. Januar 1943 mit dem 26. Osttransport nach Auschwitz deportiert, er wurde dort am 22. Februar 1943 ermordet. Sein Bruder Hans ging nach dem Abschluss der judischen Realschule im Jahr 1938 auf die Handwerksschule der judischen Gemeinde in Siemensstadt und wurde zum Schweißer und Schlosser ausgebildet; es sollte sich eine handwerkliche Hachschara in Koln anschließen. 1939 gelang ihm jedoch im Rahmen der Jugend-Alija mit Gluck die Flucht nach Palastina. Nach einem ersten, missgluckten Versuch zu Schiff machte er sich junger und gelangte mit einer Alija-Gruppe von 100 Personen uber Griechenland, die Turkei, Syrien und den Libanon auf dem Landweg nach Palastina. Dort wurde er zum Maschinenschlosser ausgebildet, holte das Abitur nach und studierte an der Jew Agency fur Palestine. Als Wasserbauingenieur arbeitete er bis zur Pensionierung 1985 fur die Wasserbaufirma „Tahel“. Hans Weiss und seine Frau Ruth hatten drei Kinder, er starb am 28. Februar 2002 in Israel. Die Eltern Julius und Margot Weiß leisteten nach der „Arisierung“ ihres Geschaftes in der Pichelsdorfer Straße Zwangsarbeit. Julius hatte 1939 eine Umschulung zum Schmelzschweißer gemacht und arbeitete bei der Firma Georg Urban in Berlin-Britz, Margot als judische Zwangsarbeiterin im Siemens-Wernerwerk in Siemensstadt. Beide wurden im Februar 1943 im Rahmen der „Fabrikaktion“ an ihren Arbeitsplatzen verhaftet und in Sammellager eingewiesen. Julius Weiss wurde am 1. Marz 1943 vom Sammellager in der großen Hamburger Straße nach Auschwitz deportiert und dort am 13. April ermordet, Margot kam ins Sammellager in der Levetzowstraße 88 und von dort mit dem 33. Osttransport nach Auschwitz, ihr Todesdatum ist nicht bekannt. Fur Margot, Julius und Fritz Weiss wurden am 18. Mai 2014 in der Pichelsdorfer Straße 97, ihrem letzten frei gewahlten Wohnort, drei Stolpersteine gelegt. = Zilka Salomon und Familie = Zilka (auch Cella) Salomon war die Schwester von Louis Salomons erster Frau Franziska (Franze) Brasch. Sie wurde als Zilka Brasch am 7. Marz 1879 in Posen geboren und heiratete den jungeren Bruder von Louis Salomon, Benno Salomon (geboren am 15. Januar 1875). Das Ehepaar zog nach der Hochzeit nach Berlin. Louis setzte seinen Bruder Benno als Geschaftsleiter seiner Filiale am Lutherplatz 3 ein, wo das Ehepaar mit seinen drei Kindern dann auch wohnte. Das Verhaltnis der beiden Familien war bis zum Tod von Franze Salomon im Jahr 1917 gespannt, danach entspannte es sich. Benno starb nach langerer Krankheit am 27. Januar 1924. Zilka fuhrte das Geschaft fur Herrenkonfektion weiter, bis es 1935 arisiert und 1938 liquidiert wurde. 1939 zog Zilka mit ihren Kindern Gerhard Salomon (geboren 5. August 1904) und Leonie (geboren 11. Juli 1912) in das Haus Breite Straße 33–34. Ab dem 2. Juli 1942 leistete Leonie Salomon in den Siemens-Schuckertwerken Zwangsarbeit, Gerhard (geboren am 5. August 1904) bei Schering in Berlin-Adlershof. Am 27./28. Februar 1943 wurden sie im Rahmen der „Fabrikaktion“ am Arbeitsplatz verhaftet. Ihre Mutter wurde einen Tag spater in ihrer Wohnung abgeholt. Alle drei kamen in das Sammellager Levetzowstraße, die beiden Frauen am 1. Marz und Gerhard am 3. Marz von dort nach Auschwitz. Die genauen Termine ihrer Ermordung sind nicht bekannt. Vor ihrem Wohnhaus in der Lutherstraße 13 wurden 2015 Stolpersteine fur sie verlegt. = Familie Rosenheimer = Anita, die altere Tochter von Benno und Zilka Salomon (geboren am 29. Juli 1907), heiratete Alfred Rosenheimer (geboren am 10. August 1902 in Spandau). Er war der Sohn von Alma Salomon aus ihrer ersten Ehe mit Max Rosenheimer. Alfred und Anita Rosenheimer fuhrten ein Mobelgeschaft in der Potsdamer Straße 31–32 in Spandau (heute Carl-Schurz-Straße 53), das Max Rosenheimer 1908 gegrundet hatte. Sie wohnten am Hafenplatz in Spandau, mussten aber im Rahmen der „Arisierung“ das Geschaft aufgeben und zogen 1936 in das Haus Breite Straße 33–34 zu ihren Verwandten. Mit ihren beiden Kindern Brigitte (geboren am 20. Juni 1929, genannt Bracha) und Michael (geboren am 27. Mai 1938) gelang ihnen im Oktober 1939 die Flucht nach Palastina. Alfred starb am 5. Juni 1968 in Israel, Anita am 3. Januar 1992 und Michael am 1. Oktober 1973. = Marta und Hans Joachim Tarnowski = Marta Tarnowski (geboren am 27. Mai 1873 in Stettin als Marta Lewinsohn), die Schwester von Louis Salomons erster Frau Alma, zog mit ihrem Sohn Hans Joachim (geboren am 2. Februar 1905 in Bonn) nach Aufforderung von Louis Salomon in das Haus. Hans Joachim leistete Zwangsarbeit bei den Zeppelinwerken in Berlin-Staaken und wurde bei der „Fabrikaktion“ festgenommen und uber das Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26 am 2. Marz 1943 nach Auschwitz deportiert. Marta Tarnowski gelangte zunachst am 17. Dezember 1942, einen Tag nach Louis und Alma Salomon, ins Konzentrationslager Theresienstadt, von wo sie am 16. Mai 1944 nach Auschwitz deportiert wurde. Die Todesdaten beider sind nicht bekannt. = Arthur und Gertrud Lowenstamm = Der letzte Rabbiner der judischen Gemeinde Spandau war seit dem 1. April 1917 Dr. Arthur Lowenstamm. Mit seiner Frau Gertrud, geborene Modlinger, wohnte er in der Feldstraße 11. Er forderte den judischen Religionsunterricht in Spandau und engagierte sich in der Wohlfahrtsarbeit zusammen mit den christlichen Kirchengemeinden. 1938 zog er mit seiner Frau zu seinem langjahrigen Freund Louis Salomon in die Breite Straße 33–34, wo er fur 3 ½ Zimmer 150 Reichsmark Miete zahlte. Beim Novemberpogrom am 9. November 1938 wurde auch die Spandauer Vereinssynagoge am Lindenufer in Brand gesteckt. Lowenstamm wurde misshandelt, verhaftet und in das KZ Sachsenhausen deportiert, aus dem er am Jahresende entlassen wurde. Gerade mit solchen Maßnahmen gegenuber prominenten und auch vermogenden Juden wollte das Regime Druck auf die judische Bevolkerung ausuben, Deutschland zu verlassen. Mit seiner Frau konnte Lowenstamm nach Großbritannien fliehen, wo er am 1. Februar 1939 seine beiden bereits 1938 emigrierten Tochter wiedertraf. Er lebte zuletzt in einem Altenheim in Manchester und starb am 22. April 1965. = Rudolf Mansbacher = Der Psychiater Dr. med. Rudolf Mansbacher (geb. 26. November 1899 in Essen) praktizierte nach seiner Zeit als Assistenzarzt (Krankenhaus Berlin-Lankwitz) in der Landhausklinik des Vaterlandischen Frauenvereins vom Roten Kreuz in Berlin-Wilmersdorf, Landhausstraße 33–35. 1933 wurde ihm „wegen nichtarischer Abstammung“ die Kassenarztzulassung entzogen; er legte dagegen erfolgreich Beschwerde ein. Mit seiner Frau Olly Bornemann, einer „Arierin“, zog er 1931 in die Breite Straße 33–34. Das Ehepaar bewohnte eine Wohnung in der zweiten Etage, in der darunter liegenden Wohnung betrieb Mansbacher die großte Nervenarztpraxis in Spandau. Spater verlegte er seine Praxis vorubergehend in seine Wohnung, die Praxisraume mietete 1937 die Arztin Elisabeth Koch. Rudolf Mansbacher floh nach Holland zu Bekannten. Dort wurde er festgenommen, in das Durchgangslager Westerbork deportiert, von dort am 4. September 1944 nach Theresienstadt und am 1. Oktober 1944 nach Auschwitz gebracht. Hier wurde er ermordet, sein Todesdatum ist nicht bekannt. Seine Frau und sein Sohn Peter Mansbacher blieben in Berlin. = Arztpraxen = Zwei judische Arzte wohnten nicht in dem Haus, sondern fuhrten dort zeitweise als Mieter ihre Praxis: Dr. Hans Loewenstein (geboren am 21. Oktober 1900 in Iserlohn) war von 1932 bis 1935 als Gynakologe im ersten Stock des Hauses tatig. Die kassenarztliche Zulassung verlor er bereits am 6. Oktober 1933. Er wanderte 1937 nach Großbritannien aus und emigrierte 1939 weiter in die USA, wo er am 6. Februar 1982 starb. Dr. Max Haymann (geboren am 9. April 1899 in Wurzburg) praktizierte im Haus Breite Straße 33–34 seit 1933 als Arzt fur Allgemeinmedizin und Chirurgie und wanderte am 1. Oktober 1936 nach Brasilien aus. Er starb am 17. Februar 1961 in New York. Literatur Vivien Lietz: Das Haus Breite Straße 33. (= Schriftenreihe der Jugendgeschichtswerkstatt Spandau, Band 6), Berlin 2014. Louis Salomon: Hoffentlich werden wir jetzt aufhoren, Menschen und Burger II. Klasse zu sein. Die Lebenserinnerungen des letzten Vorstehers der Judischen Gemeinde zu Spandau. (Hrsg.: Franz Paulus, Jugendgeschichtswerkstatt Spandau), Berlin 2000. Weblinks Einzelnachweise
Das Haus Breite Straße 33–34 in Berlin-Spandau (heutige Adresse: Breite Straße 33) wurde 1930–1931 von dem Kaufmann Louis Salomon als Wohn- und Geschaftshaus erbaut. In einem der Ladenlokale im Erdgeschoss eroffnete die Kaufhauskette Woolworth 1931 eine ihrer ersten Filialen in Deutschland. Ab 1938 dienten die oberen Stockwerke als Wohnraume fur judische Familien, die von der nationalsozialistischen Verwaltung gezwungen wurden, in sogenannten „Judenhausern“ zusammenzuziehen. Es waren großtenteils Verwandte von Louis Salomon. Neun Bewohner des Hauses wurden von hier aus deportiert und im Vernichtungslager Auschwitz ermordet, neun anderen gelang es, nach Palastina oder Großbritannien zu emigrieren. Das Gebaude (Wohn- und Geschaftshaus Breite Straße 33, 34 – Lindenufer 9, 10) ist unter Nr. 09085480 als Baudenkmal in die Denkmaldatenbank des Landes Berlin eingetragen.
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c-626
Die Chinesische Glocke in Marmande ist eine Bronzeglocke, die in der sudwestfranzosischen Stadt Marmande auf der Place de Verdun aufgestellt worden ist. Sie stammt aus der Partnerstadt Yuncheng und wurde am 13. Februar 2013 von dem damaligen Burgermeister Gerard Gouzes eingeweiht. Sie stammt von der Gießerei in der Stadt Wuhan und hat den Gemeindeetat mit 215.000 Yuan (damals ca. 28.000 Euro) belastet. Zuzuglich Transport, Zoll, Konzeption, Aufbau usw. beliefen sich die Kosten auf 68.000 Euro. Standort Die Glocke ist offentlich zuganglich. Sie befindet sich an zentraler Lage vor dem Postamt in der Mitte des Platzes unmittelbar vor dem Stadtwappen, das mit Pflastersteinen in den Boden eingelassen ist. Sie nimmt den Platz zweier Autostellplatze ein, die dafur aufgegeben wurden, und hangt an einem rot gestrichenen Gerust uber einem weißen Informationsgehause mit Informationstafeln, in dessen Innerem ein Glockenkloppel die Glocke schlagen kann. Dieses Schlagwerk ist auf 12 Uhr mittags eingestellt. Nur wenn die Glocke an der richtigen Stelle angeschlagen wird, ertont ihr harmonischer Klang. Zusatzlich sind ringsum die Tierkreiszeichen angeschlagen. Die Glockenform entspricht dem traditionellen, buddhistischen Aussehen. In China wird sie „Große Glocke mit harmonischem Klang“ genannt. Die Glocke wird von einem Doppeldrachen gekront. Nach chinesischer Legende hat dieser Drachen neun Sohne. Der vierte Sohn, Pu Lao, ist fur sein „harmonisches Brullen“ beruhmt, was selbst heutige Stahlarbeiter nach vollendetem Guss noch seinen Namen ausrufen lasst. Auf dem Drachen sitzt die Feuerperle, die sich durch Weisheit und Wissen auszeichnet: „Der Drache, der die Perle tragt, verwandelt sich in kosmische Energie und Bewegung. Wenn die Perle haufig auf dem Pu Lao zu finden ist, liegt das daran, dass die Perle auch dafur bekannt ist, dass sie jeden Wunsch in Erfullung gehen lasst. Deshalb wird die Glocke traditionell dreimal angeschlagen, wenn man sich etwas wunscht.“ Dies geschieht gemaß der Lotosblutensymbolik in dem Reliefband: Die Vergangenheit (Die Saat), die Gegenwart (Blume) und die Zukunft (Frucht). Die Glocke misst 2 Meter Hohe, 1,2 m Durchmesser und sie wiegt 1,5 t. Sie ist ubersat mit Schriftzeichen, die auf die neu gegrundete Partnerschaft der beiden Stadte hinweisen. Nach dem buddhistischen wie taoistischen Glauben fliegen die Zeichen alle in den Himmel, womit ihnen ihre große Bedeutung verliehen werde. Politikum Der Ankauf und die Aufstellung der Glocke waren in der sudfranzosischen Kleinstadt nicht unumstritten. Burgermeister Gouzes außerte sich damals, die Glocke wurde eine Attraktion und werde Besucher anziehen. Kritisiert wurde damals unter anderem, dass der geplante Standort mit der Erinnerung an die Schlacht um Verdun bereits ein „Menschenrechtsplatz“ sei. Auch wurde bezweifelt, ob diese Aktion unmittelbar im Vorfeld der Kommunalwahlen 2014 vorteilhaft fur seine Partei sei – er selbst trat aus Altersgrunden nicht mehr zur Wahl an. Seitdem sind die Kritiken verstummt, doch findet dieses zentrale Symbol der Stadtepartnerschaft verwaltungstechnisch nur noch wenig Beachtung. Teile der Beschriftung sind zugewachsen, die rote Stahlkonstruktion benotigt einen neuen Anstrich und eine Tafel mit den Tierkreiszeichen ist abgefallen. Weblinks Einzelnachweise
Die Chinesische Glocke in Marmande ist eine Bronzeglocke, die in der sudwestfranzosischen Stadt Marmande auf der Place de Verdun aufgestellt worden ist. Sie stammt aus der Partnerstadt Yuncheng und wurde am 13. Februar 2013 von dem damaligen Burgermeister Gerard Gouzes eingeweiht. Sie stammt von der Gießerei in der Stadt Wuhan und hat den Gemeindeetat mit 215.000 Yuan (damals ca. 28.000 Euro) belastet. Zuzuglich Transport, Zoll, Konzeption, Aufbau usw. beliefen sich die Kosten auf 68.000 Euro.
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Emily Harrington (* 17. August 1986 in Boulder, Colorado, USA) ist eine US-amerikanische Kletterin und Bergsteigerin. Sie wurde funfmal US-Meisterin im Vorstiegsklettern und war mehrere Male die erste Frau, die eine Route im Schwierigkeitsgrad 8c (UIAA XI-) bewaltigte. Sie war die erste Frau, die die Route Golden Gate am El Capitan, Yosemite frei an einem Tag durchsteigen konnte, und die vierte Frau uberhaupt, die eine Route am El Capitan in einem Tag bewaltigte. Herkunft, Ausbildung, Privatleben Harrington wurde in Colorado geboren und wuchs dort auf. Sie studierte an der University of Colorado in Boulder internationale Beziehungen mit dem Schwerpunkt auf Afrika sudlich der Sahara. Sie schloss das Studium mit einem Bachelor 2007 ab. Harrington traf Adrian Ballinger, einen Kletterer, bei der Besteigung des Mount Everest; 2012 wurden sie ein Paar und 2021 haben sie geheiratet. Sie leben zusammen in Olympic Valley, Kalifornien. Alpinistische Karriere Bei einem Outdoorfestival sah Harrington im Alter von 10 Jahren zum ersten Mal Kletterer. Dies ubte auf sie eine so große Faszination aus, dass sie kurz darauf begann, an kunstlichen Wanden zu klettern. Schnell wurde sie besser und sie entwickelte sich zur professionellen Sportkletterin. Sie nahm an Wettkampfen in der Klettermannschaft ihrer ortlichen Sporthalle teil. Harrington war funfmal US-Meisterin im Sportklettern (2004, 2005, 2006, 2008, 2009) und belegte bei den IFSC-Kletterweltmeisterschaften 2005 den zweiten Platz. Im Jahr 2012 wurde Harrington eingeladen, an einer gemeinsamen Expedition von The North Face und National Geographic zur Besteigung des Mount Everest teilzunehmen. Diese Expedition markierte den Beginn ihrer Karriere im Hohenbergsteigen: Harrington bestieg den Mount Everest im Jahr 2012 und den Cho Oyu im Jahr 2016. Im Jahr 2014 versuchte Harrington, den Hkakabo Razi zu besteigen, den hochsten Gipfel Sudostasiens. Dieser Gipfel war erst ein einziges Mal bestiegen worden, und Harringtons Team hatte vor, ihn uber eine neue Route zu besteigen und nicht der Route der ersten Expedition zu folgen. Der Expedition war kein Erfolg beschieden, Harrington musste kurz vor dem Gipfel umkehren, die Verhaltnisse waren zu gefahrlich. Den letzten Anstieg bezeichnete Harrington als „extrem schwierig“ und „extrem beangstigend“. Im November 2020 war Harrington die vierte Frau (nach Lynn Hill, Steph Davis und Mayan Smith-Gobat), die die Bigwall des El Capitan an einem einzigen Tag frei klettern konnte. Sie war auch die erste Frau, die dies uber die Route Golden Gate schaffte, sie benotigte dafur 21 Stunden, 13 Minuten und 51 Sekunden. Am El Capitan zog sich Harrington auch Verletzungen zu: 2019 musste sie nach einem Sturz gerettet werden und 2020 zog sie sich nach einem Sturz eine Wunde an der Stirn zu. Im Jahr 2021 gelang Harrington die erste freie Begehung der Route The American Way am Pik Slesova in Kirgisistan. Harrington wurde im National Geographic’s Adventure Blog, im Women’s Adventure Magazine, im Rock & Ice Magazine, im Urban Climber, im The North Face, im The Joe Rogan Experience Podcast und im Outside Magazine vorgestellt. Harrington hat Sponsorenvertrage mit The North Face, La Sportiva und Petzl. Fehlerhafte Berichterstattung Die Nachrichtenagentur Associated Press berichtete zunachst falschlicherweise, dass sie die erste Frau war, die am El Capitan in weniger als 24 Stunden frei kletterte, und ignorierte dabei die Leistungen von Lynn Hill, Steph Davis und Mayan Smith-Gobat auf anderen Routen vor ihr; dies wurde spater korrigiert. Mehrere Medien, die die ursprungliche Meldung ubernommen hatten, ubernahmen die Korrektur nicht. Harrington war dagegen die erste Frau in der Route Golden Gate, die diese Rotpunkt in einem einzigen Tag schaffte. Auch bei der Begehung am Pik Slesova gab es einen Fehler in der Berichterstattung: Im Jahr 2022 wurden Harrington und Ballinger in der HBO-Sendung „Edge of the Earth“ gezeigt, in der HBO zunachst behauptete, sie planten „die erste freie Begehung einer Route am Pik Slesova in Kirgisistan“. Doch sie wiederholten eine freie Route, die zuvor von dem Team Nik Berry, Eric Bissel, Brent Barghan und Dave Allfrey im August 2019 eingerichtet worden war. Die Route wurde dann zwei Wochen nach der Erstbegehung wiederholt. Dies war nicht das erste Mal, dass Medien Leistungen im Klettersport falsch dargestellt haben. Platzierungen in Wettkampfen Nationale US-Meisterin im Sportklettern 5 Mal Nordamerikanische Meisterin im Sportklettern 2 Mal 2005 Vizeweltmeister (IFSC-Weltmeisterschaft) 2006 Serre Chavalier Invitational Champion 2012 Ouray Ice Festival Champion 2013 Ouray Ice Festival, 3. Platz im Finale Begehungen und Expeditionen 2012 – Besteigung des Mount Everest mit der Expedition von The North Face 2013 – Besteigung des Mount Ama Dablam 2015 – Freie Begehung (rotpunkt) der Route Golden Gate am El Capitan, Yosemite (UIAA X-, 40 Seillangen) 2016 – Speed-Climbing am Cho Oyu 2017 – Freie Begehung der Solar Flare (UIAA IX) 2020 – Freie Begehung (rotpunkt) der Route Golden Gate am El Capitan, Yosemite an einem Tag Weblinks Einzelnachweise
Emily Harrington (* 17. August 1986 in Boulder, Colorado, USA) ist eine US-amerikanische Kletterin und Bergsteigerin. Sie wurde funfmal US-Meisterin im Vorstiegsklettern und war mehrere Male die erste Frau, die eine Route im Schwierigkeitsgrad 8c (UIAA XI-) bewaltigte. Sie war die erste Frau, die die Route Golden Gate am El Capitan, Yosemite frei an einem Tag durchsteigen konnte, und die vierte Frau uberhaupt, die eine Route am El Capitan in einem Tag bewaltigte.
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Christian Franzen y Nissen oder Christian Franzen y Nisser (* 18. Dezember 1863 in Viol, danisch Fjolde, im Herzogtum Schleswig; † 17. September 1923 in Madrid) war ein danischer Berufsfotograf und Konsul des Konigreichs Danemark in Madrid. Leben Franzen war ein Sohn des danischen Padagogen Andreas Martin Franzen (13. Mai 1831 – 21. Marz 1910) und dessen Frau, der Modehandlerin Elise Franzen geborene Larsen (24. Marz 1830 – 25. Mai 1921). Sein Geburtsort im Herzogtum Schleswig gehorte bis 1864 zum Konigreich Danemark. Nach dem Deutsch-Danischen Krieg wurden die meisten danischen Beamten aus der nunmehr preußischen Provinz Schleswig-Holstein vertrieben, und die Familie zog 1864 in die kleine Stadt Faxe um, wo sein Vater als Lehrer zunachst bis 1872 an der Kissendrup-Schule und anschließend an der stadtischen Schule arbeitete. Franzen erlernte zunachst den Beruf des Telegrafisten und machte spater in Kopenhagen eine Ausbildung bei Christian Neuhaus, einem Pionier der Fotografie. Er verließ im Alter von achtzehn Jahren Danemark und arbeitete fur einige Zeit in Munchen, Paris und Rom als Fotograf. Im Jahr 1888 eroffnete er nach seiner Ruckkehr in Kopenhagen ein „Atelier Francais“ im Haus Vimmelskaftet Nr. 38, das er bis 1893 betrieb, als er wegen der schlechten Auftragslage beschloss, sein Gluck im Ausland zu suchen. Er reiste erneut nach Italien und von dort weiter nach Spanien, wo er sich im Marz 1893 in Madrid niederließ. Noch im selben Jahr wurde er aufgrund seiner technischen und kunstlerischen Fahigkeiten in die spanisch Sociedad Artistica Fotografica (Gesellschaft fur kunstlerische Fotografie) aufgenommen. 1895 eroffnete er im Haus Calle Principe Nr. 11 sein eigenes Atelier und wurde Mitarbeiter der Zeitschrift Blanco y Negro. Er verfasste fur diese Zeitschrift Artikel in den Rubriken „los salones de Madrid“, „Estudios fisionomicos“ und „Fotografias Intimas“, außerdem schrieb er regelmaßig Beitrage fur illustrierte Publikationen auf nationaler und europaischer Ebene. Anfangs liefen auch in Madrid seine Geschafte eher schlecht. Er saß oft in seinem Atelier und wusste nicht, ob er am nachsten Tag auf die Straße gesetzt wurde, weil er die Miete nicht bezahlen konnte. Eines Tages kam die Infantin Maria Teresa in Begleitung des Sohnes der Prinzessin von Asturien in sein Atelier, um sich von Franzen fotografieren zu lassen. Die koniglichen Herrschaften waren anscheinend mit ihren Bildnissen sehr zufrieden, denn bald darauf kamen auch Konigin Maria Christina und Konig Alfons XII. selbst zu ihm, um sich ablichten zu lassen. Dies brachte den Durchbruch. Seine Portratfotos fanden bald großen Anklang; er wurde am 7. Juli 1899 zum offiziellen Hoffotografen ernannt und erhielt die Erlaubnis, das koniglich spanische Wappen auf Rechnungen, Etiketten oder Visitenkarten zu verwenden. Neben seinem Atelier betrieb er eine Druckerei und einen Fotobedarfshandel. In seinen drei Betrieben beschaftigte er insgesamt 84 Mitarbeiter. Auf seinem Briefpapier waren ab 1900 unter dem Wappen auch die Vorder- und Ruckseite der goldenen Medaille der Weltausstellung Paris 1900 zu sehen. Im Hauptarchiv des Koniglichen Palastes befinden sich heute rund 1300 Portrats aus seinem Atelier. Dort werden auch zahlreiche Rechnungen fur Fotoauftrage der einzelnen Mitglieder der Konigsfamilie verwahrt. Daraus geht hervor, dass die letzten Rechnungen erst lange nach seinem Tod in den Jahren 1929 und 1930 durch Zahlungen an seine Witwe beglichen wurden. Franzen und Antonio Canovas del Castillo y Vallejo (genannt „Kaulak“, 1862–1933) waren die einzigen Fotografen Spaniens, denen es erlaubt war, Portrataufnahmen der Konigsfamilie zu verkaufen. Seit 1903 arbeitete er mit der Imprenta Artistica de Jose Blass y Cia. zusammen, bei der mehrere Zeitungen und La Revista de la Sociedad Espanola de Amigos del Arte erschienen. Nach dem Tod des Konsuls Emil Johannes Gamborg Andresen (* 19. Marz 1848) war Franzen vom 26. Oktober 1908 bis zum 20. Februar 1910 zunachst kommissarischer und anschließend bis zu seinem Tod amtierender Konsul des Konigreichs Danemark in Spanien. Er wurde als «Rey de los fotografos y fotografo de reyes» (deutsch: „Konig der Fotografen und Fotograf der Konige“) bezeichnet. Familie Franzen war mit Leonie geborene Estampes Guerrero verheiratet, die aus Cier-de-Luchon im Departement Haute-Garonne (Frankreich) stammte und im Zentrum von Madrid mit ihrer Mutter zwei Gastehauser besaß. Sie hatten zwei Tochter: Irma Franzen († 19. Februar 1903, gestorben als Baby) Maria Franzen, genannt Mimi, ⚭ Joaquin Garcia Joaquin Garcia Franzen, genannt Quinn († 1. Marz 1923) Franzen hatte funf Bruder und mindestens drei Schwestern. Seine Großeltern vaterlicherseits waren Frederik Franzen und Marie Christine Nissen. Marie Sofie Franzen, Modehandlerin Ellen Christine Franzen (* 7. November 1858) ⚭ seit 25. November 1880 mit dem Buchhandler Peter Nissen Tinglef (* 2. Februar 1854) Lise Amalie Franzen (* 1. April 1869) ⚭ seit 30. April 1889 mit dem Buchhandler Peter Andreas Johan Jensen (* 2. April 1861) Franzen wurde auf dem Friedhof San Lorenzo y San Jose beigesetzt. Seine Tochter fuhrte seine Geschafte gemeinsam mit seinem Neffen Poul Franzen (ca. 1898–1. August 1970) fort. Auszeichnungen (Auswahl) 1900: Eine Goldmedaille auf der Pariser Weltausstellung 1910: Großer Preis auf der Brusseler Weltausstellung 4. August 1912: Ernennung zum Ritter des Dannebrogordens Werke (Auswahl) Franzen arbeitete als Fotograf auch eng mit dem Maler Joaquin Sorolla zusammen, den er bei seiner Arbeit in dessen Atelier fotografierte. Er lichtete auch zahlreiche Werke Sorollas ab. Im Gegenzug fertigte Sorolla ein Olgemalde, das Franzen bei der Vorbereitung fur ein Foto zeigt. Dass beide befreundet waren, geht aus der Signatur unten links auf dem Gemalde (Ol auf Leinwand, 100 × 66 cm) hervor: «a mi amigo Franzen / J. Sorolla y Bastida / 1903» (deutsch: „fur meinen Freund Franzen / J. Sorolla y Bastida / 1903“). Album mit Bildern der Sonnenfinsternis vom 28. Mai 1900 Literatur Frank le Sage de Fontenay: Franzen, Christian Nissen. In: Dansk biografisk haandleksikon. Band 1: Aaberg–Søren Hansen. Gyldendal, Kopenhagen 1920, S. 512. (danisch, rosekamp.dk) Lopez Mondejar, Estrella de Diego, Carolina Azcue: Christian Franzen. Maestros de la fotografia en la Academia de Bellas Artes de San Fernando. (= Maestros de la fotografia en la Academia de Bellas Artes de San Fernando, Band 6.) Real Academia de Bellas Arte de San Fernando, Madrid 2023, ISBN 978-84-96406-85-8. Araceli Rodriguez Mateos: Christian Franzen fuera del estudio. Fotografias en las revistas ilustradas (1895–1900). In: Fotocinema, Revista Cientifica de Cine y Fotografia. Nr. 28, 2024, ISSN 2172-0150, S. 195–217, doi:10.24310/fotocinema.28.2024.17692 (spanisch). Weblinks La Coleccion RTVE Franzen rtve.es (Fotografien) Christian Franzen – De Copenhague a Madrid rtve.es (Biografie) Einzelnachweise
Christian Franzen y Nissen oder Christian Franzen y Nisser (* 18. Dezember 1863 in Viol, danisch Fjolde, im Herzogtum Schleswig; † 17. September 1923 in Madrid) war ein danischer Berufsfotograf und Konsul des Konigreichs Danemark in Madrid.
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c-629
Die imaginare Freundin (Originaltitel: Imaginary Friend) ist die 22. Folge der funften Staffel der US-amerikanischen Science-Fiction-Fernsehserie Raumschiff Enterprise – Das nachste Jahrhundert. Sie wurde in den Vereinigten Staaten uber Syndication vermarktet und erstmals am 4. Mai 1992 auf verschiedenen Fernsehsendern ausgestrahlt. In Deutschland war sie zum ersten Mal am 4. Mai 1994 in einer synchronisierten Fassung auf Sat.1 zu sehen. Handlung Im Jahr 2368 bei Sternzeit 45852.1 erforscht die Enterprise den Nebel FGC-47. Wahrenddessen halt es Fahnrich Sutter fur ratsam, mit seiner Tochter Clara die Schiffsberaterin Deanna Troi aufzusuchen. Sutter ist neu auf der Enterprise und hat zuvor auf mehreren anderen Schiffen gedient. Aufgrund der haufigen Umzuge macht sich Sutter Sorgen um das Wohlergehen seiner Tochter, denn Clara fehlen die Gelegenheiten, feste Freundschaften aufzubauen, und sie erfindet stattdessen eine imaginare Freundin namens Isabella. Troi beruhigt Sutter und erklart, dass dies in einer solchen Situation eine vollig normale Reaktion sei. Wahrend des Gesprachs dringt eine kleine, leuchtende Energiekugel unbemerkt in die Enterprise ein. Sie untersucht einige Besatzungsmitglieder, bis sie schließlich im Arboretum auf Clara trifft, die sich dort allein aufhalt. Sie scheint Clara interessant zu finden und nimmt die Gestalt von Isabella an. Clara ist uberrascht, dass sie ihre Freundin plotzlich sehen kann, nimmt es aber hin. Isabella drangt Clara dazu, gemeinsam das Schiff zu erkunden und dabei auch in Bereiche zu gehen, die fur Kinder eigentlich verboten sind. Sie gelangen auch in den Maschinenraum, wo Claras Vater arbeitet. Clara will ihm erklaren, dass Isabella sie hierher gefuhrt hat, doch die macht sich stets unsichtbar, wenn andere Leute in der Nahe sind. Fahnrich Sutter schickt seine Tochter in ihr Quartier. Er muss sich gerade um andere Dinge kummern, denn die Enterprise verliert auf unerklarliche Weise an Geschwindigkeit. Ebenso unerklarlich lost sich das Problem scheinbar von selbst. In Wirklichkeit steckt jedoch Isabella dahinter. Die beiden Madchen laufen weiter durch das Schiff und treffen dabei unverhofft auf Sicherheitschef Worf. Der kann Isabella sehen, halt sie jedoch fur ein Besatzungsmitglied und lasst die beiden Madchen unbehelligt wieder gehen. Sie betreten die Bar „Zehn Vorne“, wo Isabella sich wieder unsichtbar macht. Kinder haben hier ohne Begleitung eigentlich keinen Zutritt, doch Barkeeperin Guinan zeigt viel Verstandnis fur Clara und ihre scheinbar imaginare Freundin. Schließlich tritt Troi ein. Sie fangt an, sich Sorgen zu machen, dass Clara sich in ihre Phantasie vielleicht doch zu sehr hineinsteigert. Sie findet, dass Clara andere Kinder kennenlernen sollte, und bietet ihr daher an, einen Topferkurs zu besuchen, an dem Isabella jedoch ausdrucklich nicht teilnehmen darf. Clara trifft dort auf Worfs Sohn Alexander, der sie freundlich ins Topfern einweist. Isabella ist verargert, weil sie nicht mehr beachtet wird. Sie macht eine Figur kaputt, an der Alexander arbeitet, und da sie unsichtbar ist, halt der Clara fur die Taterin. Wahrenddessen hat die Enterprise erneut Schwierigkeiten voranzukommen. Chefingenieur La Forge und Fahnrich Sutter finden heraus, dass der Nebel mit Millionen von geladenen Plasmafaden durchzogen ist, die das Schiff regelrecht festhalten. Nach dem Vorfall im Topferkurs hat Clara inzwischen große Angst vor Isabella. Ihr Vater bittet Troi um Hilfe und die will ihr die Angst nehmen, indem sie Claras Schlafzimmer durchsucht und ihr versichert, dass ihre Freundin nicht hier ist. Plotzlich wird Isabella jedoch sichtbar und streckt Troi mit einer Energieentladung nieder. Sie wird auf die Krankenstation gebracht und behandelt. Anhand von Trois Beschreibung erinnert sich Worf an das fremde Madchen, das er zusammen mit Clara gesehen hat. Fur Captain Picard ist jetzt klar, dass es sich bei Isabella um ein intelligentes Wesen aus dem Nebel handeln muss. Da ihre Artgenossen inzwischen anfangen, von der Enterprise Energie abzuziehen, sucht er das Gesprach mit ihr und geht dazu ins Arboretum, wo sie Clara zum ersten Mal begegnet ist. Tatsachlich zeigt sich Isabella. Sie erklart, dass das Schiff ihre Aufmerksamkeit erregt hat, da es sehr viel mehr Energie erzeugt als die im Nebel naturlich vorkommenden Quellen. Picard legt ihr dar, dass der Energieentzug zum Tod der Mannschaft fuhren wird. Isabella erwidert jedoch, dass sie aufgrund ihres Umgangs mit Clara den Tod ohnehin verdient hatten. Picard erklart ihr, dass alle Beschrankungen, die man Kindern auferlegt, nur zu deren Schutz dienen. Auch Clara bittet darum, die Enterprise zu verschonen. Schließlich hat Isabella ein Einsehen und gibt das Schiff frei. Zum Dank uberlasst Picard den Wesen einen Teil der Antriebsenergie. Isabella erscheint Clara ein letztes Mal und entschuldigt sich fur ihr Verhalten. Sie gesteht, dass sie nie zuvor eine Freundin hatte, und hofft, dass Clara den Nebel irgendwann noch einmal besuchen wird. Besonderheiten der deutschen Synchronfassung Dies ist die einzige Folge der Serie, in der Schwester Alyssa Ogawa (Patti Yasutake) nicht von Manuela Brandenstein, sondern von Martina Treger synchronisiert wurde. Produktion = Drehbuch = Der Arbeitstitel dieser Folge lautete Invisible Friend. Isabella war ursprunglich als freundliche Wesenheit vorgesehen. Erst durch Brannon Bragas Uberarbeitung wurde die Figur deutlich dusterer angelegt. Der Auftritt von Guinan wurde kurzfristig ins Drehbuch eingefugt, da Whoopi Goldberg wahrend der Produktionszeit fur Dreharbeiten zur Verfugung stand. = Darsteller = Sheila Franklin hat hier ihren letzten von funf Auftritten als Fahnrich Felton. Noley Thornton, Darstellerin von Clara Sutter, spielte auch Taya in Folge 2.16 (Die Illusion) von Star Trek: Deep Space Nine. Jeff Allin, Darsteller von Fahnrich Sutter, spielte auch Gedrin in Folge 6.07 (Die Zahne des Drachen) von Star Trek: Raumschiff Voyager. = Effekte = Fur den Nebel FGC-47 wurden teilweise Einstellungen aus Folge 4.25 (Datas erste Liebe) wiederverwendet und lediglich die Farbe des dort zu sehenden Nebels von blaulich zu rotlich verandert. Rezeption Keith DeCandido bewertete Die imaginare Freundin 2012 auf tor.com als eine leicht unterdurchschnittliche Folge von Raumschiff Enterprise – Das nachste Jahrhundert. Im direkten Vergleich mit den anderen Folgen der funften Staffel, die sich um ein Kind drehten, fand er diese recht angenehm. Er hob positiv hervor, dass es Noley Thornton gelinge, Clara Sutter als eine angenehme und liebenswerte Figur zu spielen. Auch gefielen ihm die vielen eingestreuten Kleinigkeiten, die die Mannschaft der Enterprise wie eine große Gemeinschaft wirken ließen (beispielsweise die Erwahnung von Keiko O’Brien, Crushers und Ogawas Unterhaltung uber eine Verabredung oder dass Worf ein Auge zudruckt, als er Clara und Isabella in einem verbotenen Bereich erwischt). Den Science-Fiction-Teil der Geschichte fand er hingegen eher schwach, denn die Idee, dass eine Lebensform aus reiner Energie die Enterprise bedroht und durch eine Rede von Picard umgestimmt werden muss, sei bereits aus mehreren fruheren Folgen bekannt. Weblinks Die imaginare Freundin bei IMDb Die imaginare Freundin bei Fernsehserien.de Die imaginare Freundin im Star-Trek-Wiki Memory Alpha Die imaginare Freundin in der Deutschen Synchronkartei Die imaginare Freundin beim Deutschen StarTrek-Index Imaginary Friend Transkript auf chakoteya.net (englisch) Imaginary Friend Transkript auf st-minutiae.com (englisch) Imaginary Friend auf trekcore.com (englisch) Imaginary Friend (Observations) auf ex-astris-scientia.org (englisch) Einzelnachweise
Die imaginare Freundin (Originaltitel: Imaginary Friend) ist die 22. Folge der funften Staffel der US-amerikanischen Science-Fiction-Fernsehserie Raumschiff Enterprise – Das nachste Jahrhundert. Sie wurde in den Vereinigten Staaten uber Syndication vermarktet und erstmals am 4. Mai 1992 auf verschiedenen Fernsehsendern ausgestrahlt. In Deutschland war sie zum ersten Mal am 4. Mai 1994 in einer synchronisierten Fassung auf Sat.1 zu sehen.
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c-630
Kate Warne (* zwischen 1829 und 1833 in Erin, New York als Kate Hulbert; † 28. Januar 1868 in Chicago), mitunter auch Kate Warn, war eine US-amerikanische Detektivin. Als erste Frau trat sie der Pinkerton-Agentur bei und war maßgeblich an der Vereitelung eines Mordkomplotts gegen den US-Prasidenten Abraham Lincoln im Jahr 1861 beteiligt. Warnes Weigerung zu schlafen, bis Lincoln in Sicherheit war, gilt als Ursprung des Slogans We Never Sleep sowie des Logos des wachen Auges der Agentur. Beeindruckt von ihren Erfolgen ernannte Allan Pinkerton Warne zur Leiterin des neu gegrundeten Female Detective Bureau der Pinkerton-Agentur und rekrutierte weitere Frauen als Detektivinnen. Wahrend des Sezessionskriegs gehorte sie zum militarischen Nachrichtendienst der Nordstaaten. Leben = Fruhe Jahre = Kate Warnes genaues Geburtsdatum ist unbekannt. In ihrem Nachruf vom 19. Marz 1868 gab die Zeitung Democratic Enquirer an, dass sie zum Zeitpunkt ihres Todes 38 Jahre alt war, was 1829 oder 1830 als Geburtsjahr nahelegt. Anderen Quellen zufolge war sie zum Zeitpunkt ihrer Rekrutierung im Jahr 1856 23 Jahre alt, womit sie 1832 oder 1833 geboren sein musste. Ihre Eltern Elizabeth und Israel Hulbert, ein Pfarrer, hatten nach ihrer altesten Tochter noch weitere Kinder, von denen namentlich der Sohn Allan bekannt ist. Die Hulberts lebten in armlichen Verhaltnissen, somit musste Warne bereits fruh im Haushalt mitarbeiten, statt zur Schule zu gehen. Zeitgenossen beschrieben sie als intelligent und geistig sehr aktiv. Sie traumte von einer Karriere als Schauspielerin, was ihre Eltern ihr allerdings auszureden versuchten. Moglicherweise waren die finanziellen Schwierigkeiten ihrer Familie der Grund fur Warnes fruhe Eheschließung, allerdings war sie im Jahr 1856 bereits verwitwet. Sowohl auf ihrem Grabstein als auch in ihrem Nachruf des Democratic Enquirer wurde ihr Ehename „Warn“ geschrieben, in Pinkertons Aufzeichnungen hingegen „Warne“. Gemeinsam mit Eltern und Bruder zog Kate Warne nach Illinois, wo sie zunachst als Reinigungskraft arbeitete. In einer Chicagoer Zeitung entdeckte sie eine Stellenanzeige Allan Pinkertons, der nach neuen Detektiven fur seine Pinkerton-Agentur suchte, und wurde in seinem Buro vorstellig. Pinkerton erinnerte sich spater an seinen ersten Eindruck von ihr: „Ihre Zuge waren zwar nicht, was gemeinhin als schon bezeichnet werden kann, aber eindeutig aus einem intellektuellen Guss geformt. Ihr Gesicht war aufrichtig, was einen Ungluckseligen instinktiv dazu bewegen wurde, sie sich als Vertraute zu erwahlen.“ Zunachst uberrascht, dass die junge Frau sich bei ihm nicht als Sekretarin, sondern als Detektivin bewarb, horte sich Pinkerton dennoch Warnes Argumente an. „Eine Frau ware in der Lage, sich mit den Ehefrauen und Geliebten verdachtiger Krimineller anzufreunden und ihr Vertrauen zu gewinnen. Manner werden zu Prahlhansen, wenn sie unter Frauen sind, die sie dazu anstacheln. Frauen haben einen Blick furs Detail und sind hervorragende Beobachterinnen.“ Nach einer Bedenkzeit von 24 Stunden stellte Pinkerton Warne schließlich ein, was sie zur ersten professionellen Detektivin der Vereinigten Staaten machte. „Sie ubertraf meine hochsten Erwartungen“, erklarte er spater, „und ich erkannte sie bald als unschatzbaren Gewinn fur meine Truppe.“ Ihr schauspielerisches Talent half Warne dabei, in verschiedene Rollen zu schlupfen. Ihren ersten Erfolg erzielte sie, als Nathan Maroney, der Manager der Adams Express Company in Montgomery, verdachtigt wurde, insgesamt 50.000 US-Dollar gestohlen zu haben. Da die Beweislage gegen ihn durftig war, wurde Kate Warne mit den Ermittlungen betraut. Als angebliche Ehefrau eines verurteilten Falschers gewann Warne das Vertrauen von Maroneys Frau und „half“ ihr schließlich dabei, das versteckte Geld zu bergen. Auch tauschte sie nach einem Raubmord unter dem Namen Mrs. Potter einen Unfall vor, um den Verdachtigen in dessen eigenem Haus zu beschatten und schließlich das gestohlene Geld zu finden. Eine ihrer spektakularsten Rollen spielte sie, um einen Klienten der Agentur vor einem Mordanschlag zu bewahren. Da Captain Sumner mehrfach Opfer von Vergiftungen geworden war, verkleidete Warne sich als Wahrsagerin „Lucille“ und konnte damit Sumners aberglaubische Schwester zu einem Gestandnis bewegen. Im Jahr 1860 ernannte Allen Pinkerton Kate Warne zur Vorsteherin des neugegrundeten Female Detective Bureau, eine Position, die sie bis zu ihrem Lebensende behalten sollte. Neuen Rekrutinnen sollte Pinkerton sagen: = Das Baltimore-Komplott = Kate Warnes beruhmteste Tat war der Schutz des neu gewahlten Prasidenten Abraham Lincoln auf seiner Reise nach Washington, D.C. Bereits im Februar 1861 war Allan Pinkerton auf Geruchte aufmerksam geworden, dass eine Sabotage der Eisenbahnlinien zwischen Philadelphia, Baltimore und Washington, D.C. geplant war. Wahrend er verdeckt vor Ort ermittelte, erfuhr er von einem Mordkomplott gegen Lincoln, das durchgefuhrt werden sollte, wenn der Prasident fur seine Amtseinfuhrung nach Washington, D.C. reiste und in Baltimore den Zug wechselte. Kate Warne sammelte in Baltimore unter dem Pseudonym Mrs. Barkley Informationen von den Ehefrauen und Tochtern der Verschworer und Pinkerton sandte sie nach New York City, um den Prasidenten zu warnen. Nachdem sie die Warnung vor dem Anschlag Lincolns Sicherheitskraften uberbracht hatte, trafen Warne und Pinkerton den Prasidenten in Philadelphia. Da Lincoln seine Auftritte und Verpflichtungen auf dem Weg nach Baltimore wahrnehmen wollte, erhielt Kate Warne die Aufgabe, sicheren Transport fur ihn zu organisieren. Statt wie geplant den Northern Central Train zu nehmen, der am Nachmittag des 23. Februar in Baltimore ankommen sollte, arrangierte Warne fur Lincoln einen heimlichen Umstieg in seiner vorherigen Station Harrisburg. In Philadelphia buchte sie unter dem Namen Barkley im Nachtzug uber Baltimore nach Washington, D.C. Platze im Schlafwagen fur sich selbst und ihren „kranken Bruder“. Es gelang ihr, den Schaffner mit einem Trinkgeld zu uberreden, den gesamten hintersten Wagen fur sie und ihre Begleiter freizuhalten. Verkleidet mit einem Filzhut, einem weiten Mantel und mit gebucktem Gang, um seine Große zu verbergen, spielte Lincoln die Rolle von Warnes Bruder, den sie bei seiner Ankunft in Philadelphia in Empfang nahm und zum Zug brachte. Im reservierten Schlafwagen wurden sie von Allan Pinkerton empfangen. Lincoln entschuldigte sich bei Warne mit den Worten: „Mir ist bewusst, Ma’am, dass ich Ihnen einige Unannehmlichkeiten bereitet habe – ganz zu schweigen davon, dass ich Sie in Gefahr bringe.“ Pinkerton, stolz auf seine Angestellte, entgegnete: „Frau Warne ist eine der kompetentesten Detektive der Pinkerton-Agentur.“ Nach Lincolns Scherz, dass wohl zuvor noch kein Prasident so unvermittelt eine so charmante und fahige Verwandte erhalten hatte, ubernahm Warne die Nachtwache in seinem Wagen, entschlossen nicht zu schlafen, bis der Prasident in Sicherheit war. Ihrer Wachsamkeit wird das im selben Jahr entworfene Pinkerton-Logo des wachen Auges sowie der Slogan We Never Sleep zugeschrieben. Um 3:30 Uhr morgens am 23. Februar erreichte der Zug Baltimore. Dort wurden die Wagen von Pferden eine Meile weit zur Haltestelle fur die Washington-Strecke befordert, um schließlich an den Zug nach Washington gekoppelt zu werden. Durch Warnes Reservierung und ihr Beharren darauf, ihrem „kranken Bruder“ Ruhe zu gonnen, wurde Lincolns Wagen nicht behelligt. Wahrend Pinkerton bei Lincoln blieb und ihn nach Washington begleitete, verließ Warne den Zug kurz vor seiner Abfahrt. Zum einen wollte sie die Verschworer im Auge behalten, zum anderen wollte sie den Prasidenten bei seiner Ankunft nicht durch die Anwesenheit einer fremden Frau in Verruf bringen. Lincoln erwahnte sie spater lobend in seiner Dankesrede an die Detektive. Warne blieb bis zum April in Baltimore und leitete Informationen an Pinkerton weiter. = Burgerkrieg und letzte Jahre = Als der Sezessionskrieg ausbrach, schmuggelte Kate Warne Nachrichten aus der Konfoderation, mitunter eingenaht in die Kleidung des jeweiligen Uberbringers. Im Mai 1861 wurde auf Anordnung Lincolns der militarische Geheimdienst gegrundet, dessen Kommandant Pinkerton war. Kate Warne wurde zum Oberhaupt der weiblichen Abteilung des Geheimdienstes ernannt und erhielt in dieser Eigenschaft den Auftrag, innerhalb der Union Verrater aufzuspuren sowie innerhalb der Konfoderation Informationen zu sammeln. Sie und Pinkerton ermittelten mitunter zusammen. Zu diesem Zweck gaben sie sich oft als Ehepaar aus, das auf dem Gebiet der Konfoderation Balle besuchte und dabei Informationen fur die Nordstaaten sammelte. Als Pinkerton begann, gegen die konfoderierte Spionin Rose O’Neal Greenhow zu ermitteln, war Warne fur die Uberwachung von Greenhows Besuchern zustandig. Sie wird oft mit der „unzivilisierten Agentin“ gleichgesetzt, die nach Greenhows Verhaftung eine Leibesvisitation an ihr durchfuhrte. Auch schrieb sie Greenhows sichergestellte Briefe ab und fugte falsche Informationen hinzu, um die konfoderierte Armee zu tauschen. 1862, als Pinkerton gemeinsam mit dem mit ihm befreundeten Oberbefehlshaber George B. McClellan am Halbinsel-Feldzug teilnahm, hatte Warne in seiner Abwesenheit die volle Befehlsgewalt uber die angestellten Detektivinnen in Washington D. C. inne. In dieser Zeit kummerte sie sich auch um von der Unionsarmee mitgebrachte Sklaven. Da es den Soldaten nicht gestattet war, Sklaven zu befreien, wurden die Schwarzen stattdessen offiziell als beschlagnahmte Konterbande bezeichnet, da die Konfoderation sie zum Bau von militarischen Anlagen heranziehen konnte. Mitunter wurden diese ehemaligen Sklaven mangels anderer Unterkunfte in Gefangnissen untergebracht. Warne besuchte sie dort haufig, um sie mit allem Notigen zu versorgen. Im weiteren Kriegsverlauf ubernahm sie 1863 den Vorstand der Frauenabteilung des Geheimdienstburos in New Orleans, dessen Grundung sie personlich beaufsichtigt hatte. Am 28. Januar 1868 starb Warne, vermutlich an Lungenentzundung. Allan Pinkerton blieb bis zuletzt an ihrer Seite. Dass er sie auf dem Graceland Cemetery auf der Grabstatte seiner Familie beerdigen ließ und Vorkehrungen traf, neben ihr beigesetzt zu werden, wird mitunter als Indiz fur ein Liebesverhaltnis gedeutet. Allerdings ließ Pinkerton auch seinen von den Sudstaaten hingerichteten Agenten Timothy Webster dort bestatten. In ihrem Nachruf nannte der Democratic Enquirer sie „unzweifelhaft die beste Detektivin Amerikas, wenn nicht der ganzen Welt“ und schrieb, dass ihr Verlust „eine Lucke in der weiblichen Detektivabteilung hinterlasst, die schwerlich jemals gefullt werden kann. Wie sie lebte, so starb sie, eine starke, lautere, aufopferungsvolle Frau.“ Da wahrend eines Feuers im Jahr 1871 viele Dokumente in Pinkertons Buro vernichtet wurden, blieben außer Pinkertons eigenen Veroffentlichungen kaum Dokumente uber Kate Warne erhalten. Moderne Darstellungen In der kanadischen Serie The Pinkertons (2014–2015) spielte Martha MacIsaac die Rolle Kate Warnes. 2015 erschien Kate Hannigans Jugendbuch The Detective’s Assistant, in dem Kate Warne gemeinsam mit einer fiktiven elfjahrigen Nichte namens Nell Kriminalfalle lost. Im Oktober 2021 erschien die Graphic Novel Better Angels: A Kate Warne Adventure von Jeff Jensen und George Schall. In der Miniserie Abraham Lincoln (2022) spielte Natalie Robbie Kate Warne. Im April 2024 veroffentlichte Megan Campisi den Roman Widow Spy, in dem Kate Warne sich auf das riskante Unternehmen einlasst, das Vertrauen ihrer konfoderierten Gefangenen Rose O’Neal Greenhow zu gewinnen, um den Krieg fruhzeitig zu beenden. Literatur Chris Enss: The Pinks. The First Women Detectives, Operatives and Spies with the Pinkerton National Detective Agency. Twodot, Guilford, Connecticut 2017, ISBN 978-1-4930-0833-9 (englisch). Weblinks Kate Warne- Private Detective. National Park Service, 9. Marz 2023; abgerufen am 20. April 2024. Savannah Cox: The Untold Story Of Kate Warne, The World’s First Female Private Eye. All That's Interesting, 14. April 2017; abgerufen am 20. April 2024. Petula Dvorak: The woman who helped protect Lincoln from the men who tried to kill him in 1861. The Washington Post, 2. Juli 2022; abgerufen am 20. April 2024. Kellie B. Gormly: How Kate Warne, America’s First Woman Detective, Foiled a Plot to Assassinate Abraham Lincoln. Smithsonian Magazine, 29. Marz 2022; abgerufen am 20. April 2024. Suzanne McGee: How a Female Pinkerton Detective Helped Save Abraham Lincoln’s Life. HISTORY, 12. Februar 2022; abgerufen am 20. April 2024. Einzelnachweise
Kate Warne (* zwischen 1829 und 1833 in Erin, New York als Kate Hulbert; † 28. Januar 1868 in Chicago), mitunter auch Kate Warn, war eine US-amerikanische Detektivin. Als erste Frau trat sie der Pinkerton-Agentur bei und war maßgeblich an der Vereitelung eines Mordkomplotts gegen den US-Prasidenten Abraham Lincoln im Jahr 1861 beteiligt. Warnes Weigerung zu schlafen, bis Lincoln in Sicherheit war, gilt als Ursprung des Slogans We Never Sleep sowie des Logos des wachen Auges der Agentur. Beeindruckt von ihren Erfolgen ernannte Allan Pinkerton Warne zur Leiterin des neu gegrundeten Female Detective Bureau der Pinkerton-Agentur und rekrutierte weitere Frauen als Detektivinnen. Wahrend des Sezessionskriegs gehorte sie zum militarischen Nachrichtendienst der Nordstaaten.
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HeFaStuS ist eine Studiensammlung an der Ruprecht-Karls-Universitat Heidelberg, die sich mit gefalschten Kunstwerken befasst. Es ist weltweit die erste derartige Einrichtung im universitaren Bereich. Bezeichnung Die Bezeichnung ist eine Abkurzung und ein Akronym fur Heidelberger Falschungs-Studien-Sammlung. Die Bezeichnung ergibt zugleich die lateinische Form des Namens Hephaestus, des griechischen Gottes fur Feuer und Handwerkskunste, Hephaistos. Geschichte Die Studiensammlung gehort zum Institut fur Europaische Kunstgeschichte der Universitat Heidelberg. Sie wurde 2021 von dem Kunsthistoriker Henry Keazor gegrundet. Anlass war das Strafverfahren gegen den Kunstfalscher Wolfgang Beltracchi. Ausschlaggebend war die Bereitschaft der Landeskriminalamter von Berlin, Bayern und Baden-Wurttemberg, entsprechende Asservate zur Verfugung zu stellen. Die Falschungen verbleiben im Eigentum des jeweiligen Landes. Mitte 2022 umfasste die Sammlung etwa 100 Werke, darunter auch solche, die aus privaten Sammlungen an die HeFaStuS gelangten. 2024 beteiligte sich die HeFaStuS mit einigen Werken an der ebenfalls von Henry Keazor kuratierten Ausstellung Kunst und Falschung im Kurpfalzischen Museum Heidelberg, die der Institution ihren bisher großten Ausstellungserfolg bescherte. Zweck Ziel der HeFaStuS ist es, zu Falschungen forschen zu konnen und dabei „originale“ Falschungen zur Verfugung zu haben. Studierende der Kunstgeschichte werden so schon im Studium auf die Phanomene der Kunstfalschung aufmerksam gemacht, die ihnen im Berufsleben begegnen konnen, und lernen an „originalen Falschungen“ die Methoden, sie von den Originalen zu unterscheiden. Es geht darum, „aus dem Falschen das Richtige zu lernen“. Die Sammlung ermoglicht aber auch das Studium von Aspekten, die fur Originale relevant sind, etwa Stil, (Mal-)technik, Handhabung oder Provenienz. Die Sammlung ist offentlich nicht zuganglich. Literatur Henry Keazor: Aus dem Falschen das Richtige lernen. 12 Falle der Kunstfalschung. Begleitbroschure zur Ausstellung „Kunst und Falschung“ im Kurpfalzischen Museum Heidelberg vom 29. Februar bis 30. Juni 2024. 2. Auflage, Heidelberg April 2024. Ohne ISBN. Weblinks Adrienne Braun: Gefalschte Kunstwerke als Studienobjekt. In: Stuttgarter Zeitung vom 24. Februar 2022, S. 26 Warum sammelt die Uni Heidelberg Kunstfalschungen?. In: Schneller schlau 09/2022, S. 68 Johanna Kober: Aus der Asservatenkammer an die Universitat. In: Rhein-Neckar-Zeitung vom 10. Februar 2022, S. 3 Beispielhafte Heidelberger Initiative. Der Kunsthistoriker Henry Keazor baut eine „Falschungs-Studiensammlung“ auf. In: Informationsdienst Kunst Nr. 744 vom 27. Januar 2022, S. 5–8 Simon Schomacker: Wie Studierende Falschungen enttarnen. In: Deutschlandfunk, Kultur-Radio vom 25. August 2022 Angela Schrodelsecker: Heidelberger Falschungs-Studiensammlung: Fake-Kunst im Fokus der Wissenschaft. In: rnf-TV vom 2. August 2022 Konrad Stammschroer: Tatort Kunst: Entlarvte Falschungen. Falsche Meisterwerke im Uni-Hochsicherheitstrakt. In: Badische Neueste Nachrichten (?) – Facher vom 27. August 2022, S. 1 Kurpfalzisches Museum Heidelberg: Besucherrekord bei Kunst und Falschung, 1. Juli 2024 Einzelnachweise
HeFaStuS ist eine Studiensammlung an der Ruprecht-Karls-Universitat Heidelberg, die sich mit gefalschten Kunstwerken befasst. Es ist weltweit die erste derartige Einrichtung im universitaren Bereich.
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Der Stadtbrand in Prag 1541 war einer der verheerendsten Brande in der Geschichte der tschechischen Hauptstadt. Das Feuer brach am Kleinseitner Ring aus und verwustete die Stadtteile auf der linken Moldauseite, die Kleinseite und den Hradschin sowie die Prager Burg. Aus stadtebaulicher Sicht wird der Brand heute auch positiv bewertet. Er war ein wichtiger Meilenstein in der Stadtentwicklung und beschleunigte den Umbau der mittelalterlichen Stadt mit uberwiegend gotischer Bebauung im neuen Stil der Renaissance. Ausbruch des Brandes Der ausfuhrlichste Bericht uber den Brand und das Ausmaß der Schaden stammt von dem zeitgenossischen Chronisten Vaclav Hajek z Libocan. Er gab diesen Bericht noch im Jahr 1541 heraus und widmete ihn dem hochsten Beamten des Konigreichs Bohmen, Zdislav Berka von Duba, um ihn uber Ursachen, Verlauf und Folgen des Brandes – den er fur eine „Gottesstrafe“ hielt – zu informieren. Ausdrucklich erwahnte er, dass neben Menschenleben und Eigentum auch Grundbucher und andere wichtige Dokumente des Konigreichs vernichtet wurden. Das Feuer brach am Nachmittag des 2. Juni 1541 auf dem Kleinseitner Ring im Na Baste (An der Bastion) genannten Haus aus, das Ludvik von Gutstejn gehorte. Heute ist es das Haus Nr. 7, zwischen dem Palais Smiricky und dem Palais Sternberg. Laut Hajek herrschte damals eine lange und große Trockenheit und Hitze. Die ersten, die das Feuer bemerkten, waren Dachdecker auf dem benachbarten Kleinseitner Rathaus. Sie liefen los, um die Bediensteten im Haus zu alarmieren, doch auch mit vereinten Kraften gelang es nicht, das Feuer zu loschen. Auf der Kleinseite gab es damals viele Holzhauser, direkt neben dem Haus Na Baste stand eine Scheune voller Heu und Stroh. Das Feuer griff schnell auf die Nachbarhauser uber, breitete sich, vom Wind unterstutzt, rasch nach Norden und Westen aus und erreichte bald auch die Prager Burg. Ein weiterer, aber spater verfasster Bericht stammt von Mikulas Dacicky z Heslova. In seiner Chronik Pameti (Erinnerungen) schreibt er, dass die Prager Burg am 2. Juni 1541 vollstandig niederbrannte. Alle Kirchen verbrannten, die Glocken schmolzen, die Graber der Heiligen und andere Kostbarkeiten, die Landtafeln und alle Gebaude auf der Burg mit Ausnahme des Schwarzen Turms und der Daliborka verbrannten. Auf dem Hradschin brannten nach seinem Bericht bis auf sieben Hauser alle Gebaude nieder, auf der Kleinseite blieb kaum ein Drittel stehen. Der Historiker Cyril Merhout erwahnt ein Lied, das damals in Prag kursierte (frei ubersetzt): Schaden Laut Hajek zerstorte der Brand auf der Kleinseite 133 Hauser, nur 78 Hauser blieben verschont. Die verschonten Hauser befanden sich vor allem an der Sud- und Ostseite des Kleinseitner Rings. Der Stadtteil Hradschin brannte nach seinem Bericht vollig nieder, hier wurden 42 Hauser zerstort. Da an diesem Tag der Wind von Suden wehte, sprangen die Flammen nicht auf das rechte Moldauufer uber, so dass die Altstadt und die Neustadt verschont blieben. Auch die Prager Burg brannte laut Hajek bis auf den Schwarzen Turm und die Daliborka nieder. Der Veitsdom und der Konigspalast wie auch die Allerheiligenkapelle wurden schwer beschadigt. Das Gewolbe der Allerheiligenkapelle sturzte ein, der unvollendete Westteil des Veitsdoms wurde zerstort, wahrend der Chor erhalten blieb, der Dachstuhl brannte aus, die Glocken fielen herunter und schmolzen, die Orgel verbrannte. Im Konigspalast wurden die koniglichen Gemacher, der Landtagssaal, der erst kurz vorher fertiggestellte Vladislavsaal und der Ludwigsflugel zerstort, im Vladislavsaal blieb nur das Gewolbe stehen. Das Kloster St. Georg mit der angrenzenden Basilika, der Burggrafenpalast, der Turm Mihulka und der Weiße Turm wurden ebenfalls zerstort, die Holzbrucke uber den Hirschgraben, die die Burg mit dem Koniglichen Garten verband, verbrannte. Das Feuer vernichtete auch das Archiv der Landtafeln im Keller des Konigspalastes. Die Landtafeln waren die Grundbucher des bohmischen Adels und damit grundlegende Dokumente der Rechts- und Eigentumssicherung. Bereits im Dezember 1541 beschloss der Landtag, ein neues Archiv einzurichten und die Landtafeln auf der Grundlage von Zeugenaussagen zu rekonstruieren. Fur das neue Archiv wurde im Konigspalast der Saal der Neuen Landtafeln eingerichtet. Hajek trug auch Informationen uber die Todesopfer zusammen. Er gab an, wo die Menschen wohnten und wo sie gefunden wurden, von jedem Opfer nannte er zumindest den Namen oder den Beruf. Seinem Bericht zufolge starben insgesamt 52 Menschen. Auf der Kleinseite waren es 23 Menschen, auf der Prager Burg 23 und auf dem Hradschin 6. Zwei beschrieb Hajek als verkruppelt, aber am Leben. Die meisten Todesopfer waren Bedienstete und Kinder. Wiederaufbau nach dem Brand Der Brand hinterließ auf der Kleinseite, auf dem Hradschin und der Burg immense Schaden und hatte massive Auswirkungen auf die weitere Stadtentwicklung. Da sich die meisten Burger den kostspieligen Wiederaufbau nicht leisten konnten, blieben die Brandstatten zum großen Teil noch viele Jahre bestehen. Haufig kauften wohlhabende Adelige den Burgern das Land ab, legten mehrere benachbarte Grundstucke zusammen und errichteten darauf ihre Renaissancepalaste. Aus stadtebaulicher Sicht wird die Brandkatastrophe heute auch positiv bewertet, da sie den Umbau der mittelalterlichen Stadt im Stil der Renaissance beschleunigte. Die Renaissance hatte Prag bereits vor dem Brand erreicht, nachdem Ferdinand I. den bohmischen Thron bestiegen hatte. Das erste Renaissancegebaude in Prag war das Lusthaus der Konigin Anna im Koniglichen Garten, das von dem italienischen Architekten Paolo della Stella entworfen wurde. Doch erst die großflachige Zerstorung der mittelalterlichen gotischen Bebauung schuf einen breiteren Raum fur die Anwendung der neuen Renaissancearchitektur und veranderte damit das Gesicht der Stadt. Nach dem Brand wurde links der Moldau intensiv gebaut, und mit Aussicht auf gute Gewinne kamen auch auslandische, vor allem italienische Bauunternehmer nach Prag. Sie grundeten hier eine kleine Kolonie, an die heute noch die Straße Vlasska auf der Kleinseite erinnert. = Kleinseite = Die Kleinseite veranderte sich nach dem Brand stark. Auf den leeren Grundstucken wurden die neuen Hauser nicht im ursprunglichen gotischen Stil, sondern im modernen Renaissancestil errichtet. Viele Besitzer entschieden sich dafur, die Fassaden ihrer neuen Hauser zur Straße oder zum Platz hin zu offnen, und schufen schone Arkaden, die z. B. an der Sudseite des Kleinseitner Rings erhalten geblieben sind. Der Wiederaufbau der Kleinseite dauerte bis in die 1560er Jahre. Der Baufortschritt ist auf dem sogenannten Vratislav-Prospekt (Holzschnitt) aus dem Jahre 1562 zu sehen. Diese sehr sorgfaltig gezeichnete Vedute zeigt die Bebauung der Kleinseite und teilweise auch des Hradschin und der Burg. Man sieht, dass zu dieser Zeit die meisten Hauser auf der Kleinseite wiederaufgebaut waren, erkennt aber auch noch unbebaute Grundstucke und einige offene Dacher. Der Besitzer des Hauses Na Baste, in dem das Feuer ausbrach, wurde ein Jahr spater ermordet. Das Haus galt lange Zeit als verflucht und die Kleinseitner beschlossen, dass es nie wieder an einen Adeligen oder Ritter verkauft werden sollte. Das wurde nicht eingehalten. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde hier das Palais Sternberg aus zwei benachbarten Hausern errichtet, eines davon war das Haus Na Baste. Dieses Haus ist noch heute in der Bebauung sichtbar – seine Fassade ist als Zeichen der Schande von der Straßenfront zuruckgesetzt. = Hradschin = Auch der Hradschin erfuhr grundlegende Veranderungen. Schon vor dem Brand wurde deutlich, dass die relativ kleine Flache der Prager Burg fur die Bedurfnisse des koniglichen Hofes und des mit der Kathedrale verbundenen Klerus nicht ausreichte und dass die am Hof tatigen Beamten, Diener und Geistlichen am besten in der Nahe der Burg angesiedelt werden sollten. Der Brand beschleunigte und erleichterte diesen Prozess. Die abgebrannten Hauser in der Nahe der Burg gelangten schnell in die Hande einflussreicher bohmischer Adelsfamilien, die ein großes Interesse daran hatten, ihre prachtigen Renaissancepalaste in der Nahe des Herrschersitzes zu errichten. Oft kauften sie mehrere benachbarte Grundstucke auf, um großere Gebaude errichten zu konnen. So wurde nach dem Brand der gesamte Hradschiner Platz neugestaltet und Hradschin entwickelte sich zu einem Residenzviertel der Aristokratie, des Klerus und der hohen Beamtenschaft. Auf dem Hradschiner Platz wurde z. B. in den 1560er Jahren auf dem Bauplatz von sieben ehemaligen Hausern das Palais Lobkowicz (heute Palais Schwarzenberg) und in den 1570er Jahren auf dem Bauplatz von acht ehemaligen Hausern das Palais Griespek (heute Erzbischofliches Palais) im Renaissancestil errichtet. Die Bauarbeiten auf der Burg erstreckten sich uber die gesamte Regierungszeit Ferdinands I. und Maximilians II. und bis in die ersten Regierungsjahre Rudolfs II. Bereits in den 1540er Jahren wurden die Burgbefestigung und die Brucke zum Koniglichen Garten erneuert, gleichzeitig wurden unter der Leitung von Paolo della Stella der Vladislavsaal und der Dachstuhl des Veitsdoms repariert. Unter der Leitung von Hans Tirol wurden in den 1550er Jahren der Weiße Turm und die koniglichen Gemacher im Konigspalast wiederhergestellt. Unter der Leitung von Bonifaz Wohlmut wurden dann im Konigspalast der Neue Landtagssaal gebaut und die Arbeiten am Veitsdom fortgesetzt. Auf der Burg wurden in den 1550er Jahren das Palais Pernstein (heute Palais Lobkowicz) und in den 1560er Jahren das Palais Rosenberg (heute Theresianisches Adeliges Damenstift) im Renaissancestil errichtet. = Brandschutzmaßnahmen = Der Brand veranlasste die Stadtverwaltung, sich verstarkt um den Brandschutz zu kummern. Da der seit 1505 bestehende kleine Wasserturm auf der Kleinseite nicht ausreichte, wurde 1562 mit dem Bau eines großeren und hoheren Turmes begonnen. Auf dem Turm der St.-Nikolaus-Kirche wurden Turmwachter eingesetzt, die nach Branden in der Umgebung Ausschau halten sollten. Dieser Dienst wurde erst im Jahr 1892 eingestellt. Der Brand hatte auch einige Veranderungen in der Bauweise und Anordnung der Hauser zur Folge. So wurde z. B. beim Bau der Hauser auf der Kampa und in der Luzicka-Straße verfugt, dass zwischen den Hausern schmale Gassen zur Moldau hin vorhanden sein mussten, die nicht verbaut oder versperrt werden durften. Diese Gassen sind zum Teil bis heute erhalten. Im Jahr 1654 wurde die erste Feuerspritze gebaut. Bis 1854 gab es nur auf der Kleinseite eine Feuerwehr, danach wurde sie in die Prager Altstadt verlegt. Siehe auch Franzosischer Stadtbrand in Prag 1689 Literatur Anna Vrtalkova: Pozar Prahy roku 1541 jako brana vstupu renesance do Prahy. Bakalarska diplomova prace. Univerzita Palackeho v Olomouci, Filozoficka fakulta, Katedra historie, Olomouc 2013 (tschechisch, 78 S., theses.cz – Der Brand in Prag im Jahr 1541 als Tor zur Renaissance in Prag. Bachelorarbeit. Mit einem englischen Resume auf Seite 77). Vaclav Hajek z Libocan: O nestastne prihode, kteraz se stala skrze ohen v Mensim Meste prazskem a na hrade svateho Vaclava i na Hradcanech leta 1541. Bartolomej Netolicky z Netolic, Prag 1541 (tschechisch, manuscriptorium.com – Uber den unglucklichen Vorfall, der sich durch den Brand auf der Prager Kleinseite, auf der Burg des hl. Wenzel und auf dem Hradschin im Jahr 1541 ereignete. Digitalisat bei NK CR). Dusan Kubalek, Hana Mullerova (verantwortliche Redakteure): Praha, Kronika metropole. Fortuna Print, Praha 2006, ISBN 80-7321-267-6, S. 85 (tschechisch, 240 S.). Cyril Merhout: O Male Strane: jeji stavebni vyvoj a davny zivot. Kapitola V. Velky pozar v roce 1541. Orbis, Praha 1956, S. 27–31 (tschechisch, 163 S., Uber die Kleinseite. Ihre architektonische Entwicklung und ihre Vergangenheit. Kapitel V. Großer Brand im Jahr 1541). Vaclav Hlavsa: Hradcany: Mesto a hrad. Sportovni a turisticke nakladatelstvi, Praha 1959, S. 25–27 (tschechisch, 55 S., Hradschin: Die Stadt und die Burg). Weblinks Vaclav Hajek z Libocan: O nestastne prihode, kteraz se stala skrze ohen v Mensim Meste prazskem a na Hrade svateho Vacslava i na Hradcanech etc., leta 1541. Ustav pro jazyk cesky AV CR; abgerufen am 27. Marz 2024 (tschechisch, Uber den unglucklichen Vorfall, der sich durch den Brand auf der Prager Kleinseite, auf der Burg des hl. Wenzel und auf dem Hradschin usw. ereignete, im Jahr 1541. Auf der Website des Instituts fur tschechische Sprache der AV CR). Jaroslav Mares: Nase nejslavnejsi pozary – kdyz shorel Prazsky hrad. badatele.net; abgerufen am 27. Marz 2024 (tschechisch, Unsere beruhmtesten Brande – als die Prager Burg brannte). Jan Bohata: Sluzebnictvo podcenilo silu ohne. Popelem lehla Mala Strana, vyhorel Hrad. idnes.cz, 2. Juni 2016; abgerufen am 27. Marz 2024 (tschechisch, Die Dienerschaft unterschatzte die Kraft des Feuers. Die Kleinseite wurde in Schutt und Asche gelegt, die Burg brannte nieder.). Zuzana Kabelova: Smutne vyroci Male Strany: Pred 475 lety ji pozar spalil na uhel. blesk.cz, 2. Juni 2016; abgerufen am 27. Marz 2024 (tschechisch, Trauriger Jahrestag der Kleinseite: Vor 475 Jahren brannte die Kleinseite bis auf die Grundmauern nieder). Einzelnachweise
Der Stadtbrand in Prag 1541 war einer der verheerendsten Brande in der Geschichte der tschechischen Hauptstadt. Das Feuer brach am Kleinseitner Ring aus und verwustete die Stadtteile auf der linken Moldauseite, die Kleinseite und den Hradschin sowie die Prager Burg. Aus stadtebaulicher Sicht wird der Brand heute auch positiv bewertet. Er war ein wichtiger Meilenstein in der Stadtentwicklung und beschleunigte den Umbau der mittelalterlichen Stadt mit uberwiegend gotischer Bebauung im neuen Stil der Renaissance.
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c-633
Hannah Chadwick (* ca. 1992 in China) ist eine US-amerikanische Paracyclerin. Sie ist sehbehindert und startet in der Kategorie B mit einer sehenden Partnerin auf einem Tandem. Werdegang Hannah Chadwick ist von Geburt an nahezu blind. Sie wurde in China geboren und lernte ihre leiblichen Eltern nie kennen. Zunachst lebte sie bei einer Pflegefamilie auf einem Bauernhof in der Provinz Hunan, bis sie in ein Waisenhaus geschickt wurde. Als sie zwolf Jahre alt war, wurde sie von dort von einem US-amerikanischen Ehepaar – Patricia Chadwick und Stephen Dias (1952–2012) – adoptiert; ihr Adoptivvater saß im Rollstuhl und war ein Behinderten-Aktivist. Sie wuchs in Arcata auf und besuchte dort erstmals eine Schule; ihre Adoptiveltern ermunterten sie stets zur Selbstandigkeit. 2011 schloss sie die High School ab und machte mehrere Reisen, darunter nach China. 2016 beendete sie ihr Studium der Facher Internationale Beziehungen und Mandarin-Chinesisch an der University of California in Davis mit dem Bachelor. 2019 meldete sich Chadwick spontan zu einem Training im U.S. Olympic & Paralympic Training Center in Colorado Springs an. Ihre erste sehende Pilotin auf dem Tandem war die Radsportlerin Mary-Kate Wintz, mit der sie 2022 an ihren ersten Weltmeisterschaften teilnahm und im Sprint Platz funf belegte. Ab Anfang 2023 trainierte sie gemeinsam mit ihrer neuen Partnerin Skyler Espinoza, einer ehemaligen Ruderin. Im selben Jahr errangen die beiden Sportlerinnen bei den Parapanamerikanischen Spielen 2023 in Santiago de Chile jeweils Gold in der Verfolgung und im 1000-Meter-Zeitfahren. Bei den Weltmeisterschaften in Glasgow belegte das Duo 2023 Rang drei im Sprint. 2024 wurde das US-amerikanische Team mit Chadwick bei den Bahnweltmeisterschaften in Rio de Janeiro Dritte im Mixed-Teamsprint. Im selben Jahr wurden sie und ihre Pilotin Skyler Espinoza fur die Sommer-Paralympics in Paris nominiert. Ehrungen Im Juli 2024 erhielt Hannah Chadwick den Emerging Leader Award 2024 des University of California Education Abroad Program. Erfolge 2023 Weltmeisterschaft – Sprint Parapanamerikanische Spiele – Verfolgung, 1000-Meter-Zeitfahren 2024 Weltmeisterschaft – Teamsprint (Mixed) B Weblinks Hannah Chadwick. Team USA, 19. November 2023, abgerufen am 23. April 2024 (englisch). Einzelnachweise
Hannah Chadwick (* ca. 1992 in China) ist eine US-amerikanische Paracyclerin. Sie ist sehbehindert und startet in der Kategorie B mit einer sehenden Partnerin auf einem Tandem.
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River Deep – Mountain High ist ein Lied des US-amerikanischen Musikerpaares Ike & Tina Turner. Der Titel wurde von dem Produzenten Phil Spector mit Jeff Barry und Ellie Greenwich geschrieben und erschien 1966 als erste Single aus dem gleichnamigen Album des Musikduos. Kommerziell vor allem in Europa erfolgreich, gilt das Musikstuck als Hohepunkt der von Spector entwickelten Wall-of-Sound-Produktionstechnik sowie als eine der besten Gesangsleistungen Turners. Vorgeschichte Nachdem der Musikproduzent Phil Spector einen Auftritt von Ike & Tina Turner in einem Klub auf dem Sunset Strip gesehen hatte, lud er das Duo ein, Teil des Konzertfilms The Big T.N.T. Show zu sein. Spector war beeindruckt von Tina Turner und wollte ihre Stimme mit The Wrecking Crew und seiner charakteristischen Wall-of-Sound-Technik aufnehmen. Er besuchte Ike Turner zuhause und bat ihn darum, seine Frau allein produzieren zu durfen. Turner willigte unter der Bedingung ein, dass auf dem Plattencover Ike & Tina Turner stunde. Weil die beiden bei Loma Records unter Vertrag standen, bot Spector dem Plattenboss und Manager des Duos, Bob Krasnow, eine Ablose von 20.000 Dollar. In der Folge unterschrieben Ike & Tina Turner einen Plattenvertrag bei Spectors Philles Records. Produktion Der erste Titel, den Tina Turner im Fruhling 1966 fur Philles Records in den Gold Star Studios aufnehmen ließ, war River Deep – Mountain High. Das von Phil Spector mithilfe des Ehepaares Jeff Barry und Ellie Greenwich komponierte und getextete Musikstuck kostete die damalige Rekordsumme von 22.000 Dollar und erforderte den Einsatz von 21 Studiomusikern. Nach mehreren Proben und zwei Sessions, in denen die Musiker einen Backing-Track erarbeitet hatten, fand sich Turner am 7. Marz erstmals im Studio ein, konnte Spector mit ihrem Gesang aber nicht uberzeugen. In der folgenden Woche kehrte sie in Begleitung von Ike zuruck. Spector, der fur seinen Perfektionismus und bisweilen tyrannische Umgangsformen bekannt war, ließ Turner den Song zahlreiche Male und stundenlang einsingen, bis er sich mit den Aufnahmen zufrieden zeigte. Die Sangerin erinnerte sich spater an die muhsame Erfahrung: Als Studiomusiker der Wrecking Crew waren an der Aufnahme unter anderem Glen Campbell an der Gitarre, Leon Russell am Keyboard und Earl Palmer am Schlagzeug beteiligt. Clydie King und Darlene Love sind als Teil des Hintergrund-Chores zu horen. Wahrend seiner Laudatio anlasslich der Aufnahme von Ike & Tina Turner in die Rock and Roll Hall of Fame erzahlte Spector 1991, er habe Ike eingeladen, auf dem Track Gitarre zu spielen, dieser sei aber angesichts der Anwesenheit derart vieler Musiker uberfordert gewesen und habe letztlich auf eine Mitwirkung verzichtet. Beach-Boys-Mastermind Brian Wilson soll als vollig gebannter Zuseher im Studio gewesen sein und kein Wort gesagt haben. Die Aufnahme wurde 1993 fur das Biopic Tina – What’s Love Got to Do with It? mit Angela Bassett als Tina Turner dramatisiert. Rezeption Der Titel erhielt bereits bei seiner Veroffentlichung hervorragende Kritiken. Im Billboard Magazine hieß es, die „aufregende Tanzbeat-Produktion“ wurde „Tinas heulenden Gesang in einer soliden Rocknummer unterstutzen“. Die Zeitschrift Record World sagte voraus, dass River Deep – Mountain High in Zukunft als „klassischer Phil-Spector-Titel“ wahrgenommen werden wurde. Anlasslich der Wiederveroffentlichung 1969 nannte dieselbe Publikation das Lied „die vielleicht großte Single aller Zeiten“. Kommerziell blieb der Titel hinter den Erwartungen zuruck. In den Billboard Hot 100 kam er nicht uber Platz 88 hinaus, woraufhin die US-Albumveroffentlichung aufgeschoben wurde. Spector war von dem Misserfolg so desillusioniert, dass er sich fur zwei Jahre vollstandig aus dem Musikgeschaft zuruckzog. Ike Turner vermutete rassistische Grunde hinter dem mangelnden Erfolg: Autor Michael Billig spekulierte, dass River Deep – Mountain High entgegen dem Erfolg fruherer Songs, die schwarzen Gesang mit einem weißen Pop-Sound gemischt hatten, nicht dem Zeitgeist der schwarzen Politbewegung 1966 entsprach, die Afroamerikaner dazu ermutigte, ihre eigene Kultur zu zelebrieren. In Europa erschien die Single bei London Records, war Nummer eins in Spanien und erreichte Platz drei im Vereinigten Konigreich. Dort wurde sie 2023 mit einer Goldenen Schallplatte fur 400.000 verkaufte Einheiten ausgezeichnet. 1999 wurde der Song in die Grammy Hall of Fame aufgenommen, die Rock and Roll Hall of Fame listete ihn als einen der 500 Songs That Shaped Rock and Roll. 2004 reihte der Rolling Stone den Titel auf Platz 33 seiner 500 besten Songs aller Zeiten. In einer ahnlichen Auflistung des NME belegte das Lied Platz 37. George Harrison lobte den Titel in den hochsten Tonen und nannte ihn eine „perfekte Platte von Anfang bis Ende“, die man nicht verbessern konne. = Chartplatzierungen = = Auszeichnungen fur Musikverkaufe = Coverversionen Eine der ersten Coverversionen des Liedes stammt von der Band Deep Purple, die 1968 fur ihr zweites Studioalbum The Book of Taliesyn eine zehnminutige Progressive-Rock-Version einspielte. Ein Edit wurde im folgenden Jahr als US-Single ausgekoppelt. Ebenfalls 1968 sang Eric Burdon & The New Animals eine mit 7:23 doppelt so lange Version als Hymne an Tina Turner (auf dem Album Love Is). Zwei Jahre spater spielten die Gruppen The Supremes und The Four Tops eine gemeinsame Version ein, die von Ashford & Simpson produziert wurde und auf dem Album The Magnificent 7 erschien. Mit Platz 14 in den Billboard Hot 100 kletterte die Single in den US-Charts so hoch wie keine andere Version von River Deep – Mountain High. Celine Dion coverte den Titel mehrmals live, ehe sie ihn 1996 fur ihr Album Falling into You im Studio aufnahm. Dabei ersetzte Jim Steinman Phil Spector als Produzent, woraufhin sich letzterer abfallig uber seinen Nachfolger außerte und diesen als „schlechte Kopie“ von sich selbst bezeichnete. Amber Riley und Naya Rivera sangen das Lied in Episode vier, Staffel zwei, der Fernsehserie Glee und erreichten mit ihrer Aufnahme Platz 41 der Billboard Hot 100. Christina Aguilera coverte den Song 2021 im Rahmen der Aufnahmezeremonie in die Rock and Roll Hall of Fame, Beyonce sang ihn nach Tina Turners Tod mehrmals wahrend ihrer Renaissance World Tour. Weblinks Liedtext bei Genius.com River Deep – Mountain High bei Secondhandsongs.com Musikbeispiele Ike & Tina Turner: River Deep, Mountain High auf YouTube Eric Burdon & The Animals: River Deep, Mountain High auf YouTube The Supremes & Four Tops: River Deep, Mountain High auf YouTube Einzelnachweise
River Deep – Mountain High ist ein Lied des US-amerikanischen Musikerpaares Ike & Tina Turner. Der Titel wurde von dem Produzenten Phil Spector mit Jeff Barry und Ellie Greenwich geschrieben und erschien 1966 als erste Single aus dem gleichnamigen Album des Musikduos. Kommerziell vor allem in Europa erfolgreich, gilt das Musikstuck als Hohepunkt der von Spector entwickelten Wall-of-Sound-Produktionstechnik sowie als eine der besten Gesangsleistungen Turners.
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Das Fraulein von Rodenschild ist eine Ballade von Annette von Droste-Hulshoff aus dem Jahr 1841. Darin begegnet die Titelfigur in der Osternacht einer Geistgestalt, die ihr absolut gleicht. Als die beiden sich beruhren, verschwindet das Wesen und das Fraulein behalt eine eiskalte Hand zuruck, die sie fortan in einen Handschuh hullt. Der Text wurde zunachst ausschließlich als Schauerballade verstanden. Seit den 1980er-Jahren erkennt man in dem Werk verdrangte Wunsche des Frauleins in kunstlerischer und erotischer Hinsicht und beleuchtet die Folgen der Anpassung an die Gesellschaft fur die Identitat der jungen Frau. Veroffentlichung Die Ballade entstand im November oder Dezember 1840, vermutlich auf Burg Hulshoff. Droste stellte Levin Schucking den Text fur sein im Februar 1841 erschienenes Buch Das malerische und romantische Westphalen zur Verfugung. Schucking gab die Ballade darin als eine Sage aus, die sich um das Schloss Holte ranke. Droste blieb als Verfasserin ungenannt. In der Neubearbeitung des Buches 1872 fehlen das Gedicht und der Hinweis auf die Sage, die offenbar eine Erfindung war. Droste hatte den Text in uberarbeiteter Form in ihre Gedichtausgabe von 1844 aufgenommen. Text = Inhalt = Das Fraulein von Rodenschild kann nicht schlafen und hort um Mitternacht von draußen den Gesang der Hausbediensteten, die sich versammelt haben, um das Osterfest einzulauten. Am Fenster beobachtet das Fraulein die Szene. Plotzlich gerat die Gruppe in Aufregung, weil eine Geistgestalt, die dem Fraulein bis aufs Haar gleicht, auf Treppe und Hof umherwandelt und danach im Haus verschwindet. Das Fraulein betrachtet gebannt den Weg des Gespensts und beschließt, es zu fangen. Sie hort es im Archiv, dessen Tur verschlossen ist. Durch eine Spalte konnen sich die beiden aber sehen. Es kommt zur Beruhrung mit der rechten Hand, woraufhin das Phantom verschwindet. Die letzte Strophe schildert im Abstand von mehreren Jahren, wie das Madchen wild tanzt. Es hat seine rechte, eiskalte Hand in einen Handschuh gehullt. = Auszug = Die Begegnung des Frauleins mit ihrer Doppelgangerin an der Tur zum Archiv(Verse 71–98 in den Strophen 11–14) Form Die Ballade besteht aus 15 Strophen mit je 7 Versen, die im Reimschema der Lutherstrophe [ababccb] angeordnet sind und 8 bis 10 Silben umfassen. Die funften und sechsten Verse jeder Strophe weisen eine klingende Kadenz auf, alle anderen sind stumpf. Jeder Vers besitzt vier Hebungen mit freier Senkungsfullung; ein einheitliches Versmaß ist nicht zu erkennen. Auffallig sind die vielen Fragen und Ausrufe sowie die zahlreichen Gedankenstriche, die eine Nahe zum Erleben des Frauleins herstellen. Es ist die einzige Figur, die als Sprecherin unmittelbar greifbar wird, markiert durch Anfuhrungszeichen. Bereits in der ersten Strophe verschwimmen jedoch die Grenzen zwischen der Figur des Frauleins und dem Sprecher, der die Handlung erzahlt, denn die ersten beiden Verse konnen als Fragen gelesen werden, die sich das Fraulein selbst stellt. Das gilt auch fur V. 29 und V. 80. Diese Vermischung von Erzahlbericht und innerem Monolog, der Ellipsen einschließt, ahnelt einem Bewusstseinsstrom. Mit „bei meinem Eid!“ (V. 70) wird das lyrische Ich greifbar; mit „Da siehst ein Madchen du“ (V. 100) wird der Adressat angesprochen. Der letzte Vers lasst sich keinem bestimmten Sprecher zuordnen. Deutung = Magische Geistererscheinung = Droste war dafur bekannt, gruselige Geschichten erzahlen zu konnen. Das Fraulein von Rodenschild galt im 19. Jahrhundert als Paradebeispiel. Der Germanist Benno von Wiese halt die Begegnung des Menschen mit Geistererscheinungen 1947 fur Drostes Lieblingsthema bei der Gestaltung ihrer Balladen, die er in zwei Gruppen unterteilt: die „geschichtlich-sozialen Schicksalsballaden“ und die „naturmagischen Geisterballaden“. Zur Letzteren zahlt er neben Der Knabe im Moor, Der Fundator und Der Graue unter anderem auch Das Fraulein von Rodenschild. Darin stehe der gespenstische Vorgang, sich selbst in Gestalt eines Geistes zu begegnen, eindeutig im Mittelpunkt. Von Wiese lehnt eine weitergehende Deutung im Sinne einer „Projektion seelischer Vorgange oder an den Wahnsinn grenzender pathologischer Zustande“ ausdrucklich ab. Droste gestalte das Grauen, das Magische und das Unerklarliche als Urphanomen der Welt um seiner Selbst willen. Die Verunsicherung und Gefahrdung, die darin zum Ausdruck kamen, konnten auch als Abgrenzung zur Ordnung und Sicherheit der Biedermeierzeit verstanden werden. Der Literaturwissenschaftler Bernd Kortlander schließt sich noch 1979 dieser Sichtweise an, indem er fur Das Fraulein von Rodenschild feststellt: = Verbot sexuellen Begehrens = Der Untersuchung des Germanisten Winfried Freund von 1981 zufolge ist das Fraulein tief beunruhigt, weil es ein starkes naturliches Verlangen verspurt und gleichzeitig bestrebt ist, die Kontrolle uber sich zu behalten. Bereits die ersten beiden Verse deuteten darauf hin, dass die Szene erotisch aufgeladen ist. Zudem wird der feierliche Oster-Gesang der Bediensteten vom „wimmernden Schrei der Eule durchsetzt“ (V. 21). Dadurch werde das Dilemma der Titelfigur deutlich, die zwischen ihrem Wunsch nach naturhafter Sinnlichkeit und den Normen christlicher Sittlichkeit hin- und hergerissen sei. An dieser Spannung zerbreche letztlich die Balladenheldin. Der Zwiespalt werde schon deutlich, als das Fraulein die Geistererscheinung erblickt: Es bebt vor Angst und ist gleichzeitig wie gebannt von ihr (vgl. V. 42 f.). Das Gespenst wird auch „als Identitatsbruch des Frauleins, als Abspaltung der Sexualitat von der eigenen Person“ gedeutet. Der Geist musse vertrieben werden, wenn das Fraulein den gesellschaftlichen Moralvorstellungen gerecht werden will. Dies geschehe, psychologisch gesehen, durch Verdrangung der Triebwunsche der jungen Frau. Mit der Unterdruckung ihres Begehrens sterbe ein Teil von ihr ab. Dies werde versinnbildlicht durch die verkummerte Hand, die die Figur zuruckbehalt, nachdem sie das Gespenst vertrieben hat. Bemerkenswert sei, dass sich Fraulein und Doppelgangerin an der verschlossenen Tur zum Archiv begegnen. Nur durch eine Spalte ist eine Verbindung zwischen den beiden moglich. Die italienische Germanistin Bruna Bianchi stellt fest, dass „die Drosteschen Gedichte in ihrer Gesamtheit mit einer Grenze und deren problematischen Uberschreitung zu tun haben.“ Ahnlich wie im Gedicht Am Turme wird die Grenze jedoch nicht uberschritten. Der Kontakt an der Turspalte erinnere zudem an Pyramus und Thisbe, die sich nur durch eine Mauerritze unterhalten und ihrer Liebe versichern konnen. Auto- und Homoerotik Freund stellt die Ballade in eine Reihe mit dem Gedicht Die Taxuswand, in dem Droste auf den Bruch ihrer Beziehung zu Heinrich Straube anspielt. In ihrer Doktorarbeit weist die Autorin Angela Steidele darauf hin, dass sich kein Beleg fur ein heterosexuelles Begehren finden lasst: Das Verlangen sei zunachst unbestimmt und richte sich danach auf die Gestalt, die dem Fraulein gleicht. Ab Vers 43 „kennt ihr Begehren jedoch ein Objekt: Es ist eine andere Frau und zugleich sie selbst. Das homoerotische Begehren ist vom autoerotischen nicht zu trennen.“ Das Begehren komme darin zum Ausdruck, dass das Fraulein die Gestalt mit ihren Blicken geradezu verschlinge. Dieser Voyeurismus reiche der Titelfigur aber nicht: „Du sollst mir stehen! ich will dich fahn!“ (V. 64) Mit dem schon damals veralteten Verb „fahen“ fur „fangen“ werde verschleiert, dass sie die Gestalt beruhren will. Dabei sei der Schauplatz bedeutend: Das Archiv versinnbildliche die Moglichkeit, zu neuen Erkenntnissen zu gelangen. In diesen verschlossenen, dunklen Raum will das Fraulein eindringen. Indem die einzige Offnung als „Spalte“ (V. 74) bezeichnet werde und sich von innen „das Gespenst an der Pforte Breite, / Gleich ihr zur Nachbarspalte“ beuge (V. 83 f.), erhalte das Archiv „Ahnlichkeit mit dem weiblichen Genital“. Das Eindringen in diesen Raum und die Beruhrung des Gespensts wurden mit einer folgenschweren Verletzung bestraft: „Die eiskalte, also fuhllose rechte Hand ist nicht nur zum Schreiben unbrauchbar, sondern auch zum Lieben. Daher wird das Fraulein verruckt.“ Droste kurzte die Szene im Arbeitsmanuskript um eine Strophe, die nach V. 91 eingefugt war (vgl. Durchstreichung in der Abb. oben). Der Entwurf lautete: Steidele vermutet, dass Droste die Strophe zu sehr homoerotisch aufgeladen erschien. Der Entwurf untermauere aber den sexuellen Gehalt der Begegnung des Frauleins mit der Geistgestalt. Lesbische Vampire Durch Johann Wolfgang von Goethes Ballade Die Braut von Korinth (1798) wurde die Gestalt des weiblichen Vampirs in der deutschen Literatur bekannt. Ihr Begehren richtet sich auf einen Mann, mit dem es zu einem Liebesakt kommt. Anders verhalt es sich beim Fraulein von Rodenschild und ihrer Doppelgangerin. Die Verse zeigen, wie sehr die Szene erotisch aufgeladen ist (V. 87 f.). Die beiden sind sich zum ersten Mal nah und schauen sich an. Zwar sei die Wendung vom ‚bohrenden Blick‘ ublich, raumt Steidele ein, deutet das Bohren aufgrund der Grammatik des Satzes jedoch als Handlung der beiden Figuren im Sinne eines Liebesaktes. Im 19. Jahrhundert gestalteten Charles Baudelaire in seinem Gedichtband Les Fleurs du Mal (1857) und Joseph Sheridan Le Fanu in seiner Novelle Carmilla (1871) die Liebe zwischen Frauen als Vampirgeschichten. Erst wenn eine Frauengestalt als Geist oder Vampir auftritt, werde die lesbische Liebe in Literatur und Film darstellbar. Dies gelte auch fur das Fraulein von Rodenschild: „Lesbisches Begehren wird im Irrealis dargestellt; eine der Frauen erscheint als Gespenst, womit die Frage des Begehrens zwar thematisiert, der fleischliche Vollzug jedoch in Abrede gestellt wird.“ = Unmoglichkeit weiblichen Schreibens = Die Germanistin Claudia Liebrand ruckt mit dem Blick auf die „vereiste Schreib-Rechte“ das Selbstverstandnis der Schriftstellerin in den Mittelpunkt. Bedeutend ist erneut der Raum, in den sich das Alter Ego des Frauleins fluchtet: das Archiv. Es ist der Ort langfristiger Aufbewahrung von Schriftstucken, fur die sich die Gestalt zu interessieren scheint (vgl. V. 75 f.). Liebrand stellt fest: „Das Schatten-Ich, dem die Protagonistin folgt, ist also offensichtlich eines, das den Bereich von Pergament, Papier, Text fur sich reklamiert, das im kulturellen Archiv zu Hause ist.“ Dort nimmt jedoch die rechte Hand, die den meisten Menschen als Schreibhand dient, dauerhaft Schaden. Die rechte Hand stehe als Symbol fur literarisches Schaffen und kunstlerischen Ausdruck. In der Ballade gestalte Droste daher die Schwierigkeit einer Frau, intellektuell oder kunstlerisch tatig zu sein. Die junge Frau mochte durch die Kontaktaufnahme zu ihrem geisterhaften Ebenbild diesen Selbstanteil, der ihr bislang verborgen und unzuganglich war, in sich aufnehmen. Die Folge ist eine eiskalte Hand, mit der die junge Frau sich fortan nicht mehr schriftlich ausdrucken kann. = Ausschluss aus der Gesellschaft = In Bezug auf die Folgen der Begegnung gibt es verschiedene Interpretationen: Einerseits wird der Tanz des Frauleins als Beleg fur seine gelungene Integration in die Gesellschaft gewertet, auch wenn von Harmonie keine Rede sein konne. Die soziale Einbindung sei nur moglich, wenn bestimmte Konventionen befolgt wurden. Das gelte fur die Titelfigur aber nur eingeschrankt, weil sie Bedurfnisse habe, die uber die ihr gesetzten Grenzen hinausgingen. Andererseits wird das Fraulein als „schon und wild“ (V. 101) gekennzeichnet und wirke deshalb uberspannt, verruckt. Der letzte Vers betone eigens seine Tollheit, also seinen Wahnsinn, der einer vollumfanglichen Aufnahme in die Gesellschaft entgegenstehe. Eine Ubereinkunft besteht darin, dass sich die junge Frau den „weiblichen Wunsch nach Ganzheit, nach Selbstbestimmung“ nicht erfullen kann, weil ihr das, wonach sie sich sehnt – kunstlerischer Ausdruck und erotisches Erleben –, von der Gesellschaft versagt wird. Wenn sie ein Teil der Gesellschaft bleiben will, muss sie ihre individuellen Bedurfnisse unterdrucken. Literatur Maren Conrad: Das Fraulein von Rodenschild. In: Cornelia Blasberg, Jochen Grywatsch (Hrsg.): Annette von Droste-Hulshoff. Handbuch. De Gruyter, Berlin/Boston 2018, ISBN 978-3-11-035194-1, S. 384–387. Winfried Freund: Annette von Droste-Hulshoff: Das Fraulein von Rodenschild – Die phantastische Spiegelung einer Bewußtseinskrise. In: Wirkendes Wort. Nr. 1, 1981, ISSN 0935-879X, S. 11–17. Claudia Liebrand: Vereiste Schreib-Rechte. Annette von Droste-Hulshoffs „Fraulein von Rodenschild“. In: Der Deutschunterricht. Nr. 3, 2006, ISSN 0340-2258, S. 34–41. Ortrun Niethammer: Wahrheit als Herausforderung? Friedrich Schiller: „Das verschleierte Bild zu Sais“ – Annette von Droste-Hulshoff: „Das Fraulein von Rodenschild“. In: Jochen Grywatsch, Winfried Woesler (Hrsg.): Droste-Jahrbuch. Band 6. Wehrhahn, Hannover 2007, ISBN 978-3-86525-066-7, S. 183–202. Angela Steidele: „Als wenn du mein Geliebter warest.“ Liebe und Begehren zwischen Frauen in der deutschsprachigen Literatur 1750–1850. Metzler/Poeschel, Stuttgart 2003, ISBN 3-476-45313-8, doi:10.25819/ubsi/10016. Angela Steidele: „Sind denn so schwul die Nacht’ im April?“ Frauenliebe in Annette von Droste-Hulshoffs Leben und Werk. In: Jochen Grywatsch, Winfried Woesler (Hrsg.): Droste-Jahrbuch. Band 6. Wehrhahn, Hannover 2007, ISBN 978-3-86525-066-7, S. 143–166. Weblinks Angela Steidele: Eine von uns. Annette von Droste-Hulshoff und ihre genderfluide Liebes- und Naturlyrik. (Podcast vom 17. Dezember 2022, ab 17. Min.) Einzelnachweise
Das Fraulein von Rodenschild ist eine Ballade von Annette von Droste-Hulshoff aus dem Jahr 1841. Darin begegnet die Titelfigur in der Osternacht einer Geistgestalt, die ihr absolut gleicht. Als die beiden sich beruhren, verschwindet das Wesen und das Fraulein behalt eine eiskalte Hand zuruck, die sie fortan in einen Handschuh hullt. Der Text wurde zunachst ausschließlich als Schauerballade verstanden. Seit den 1980er-Jahren erkennt man in dem Werk verdrangte Wunsche des Frauleins in kunstlerischer und erotischer Hinsicht und beleuchtet die Folgen der Anpassung an die Gesellschaft fur die Identitat der jungen Frau.
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c-636
Das Gilbert U-238 Atomic Energy Laboratory ist ein 1950 auf den amerikanischen Markt gebrachter Experimentierkasten fur Kinder und Jugendliche, mit dem unter Verwendung radioaktiver Stoffe nukleare Zerfallsprozesse beobachtet werden konnten. Geschichte Das Spielzeug wurde von Alfred Gilbert entwickelt, einem Absolventen der Yale University, Erfinder, Illusionist, Leichtathlet, Teilnehmer der Olympischen Spiele 1908 und Unternehmer. Dessen 1909 als Mysto Manufacturing Co. gegrundete A. C. Gilbert Company war zeitweise einer der weltweit großten Spielzeughersteller. Nach dem großen Erfolg der 1913 auf den Markt gebrachten Metallbaukasten Erector begann das Unternehmen 1922 mit der Entwicklung von Chemiebaukasten. Weitere Produkte in den Bereichen Mikroskopie und Physik folgten. 1945 wurde die Kernspaltung mit den Atombombenabwurfen auf Hiroshima und Nagasaki erstmals in einer Kriegswaffe eingesetzt. In den folgenden Jahrzehnten pragte das Streben nach militarischer Uberlegenheit und nach einem wirksamen Schutz vor den Folgen eines Kernwaffeneinsatzes die offentliche Wahrnehmung. Beginnend in den Vereinigten Staaten der spaten 1940er Jahre wurde aber auch die friedliche Nutzung der Kernkraft popular. Die „Atomeuphorie“ verschaffte dem Science-Fiction-Film einen kraftigen Schub und fuhrte auch zur Entwicklung von Spielzeugen mit radioaktiven Komponenten wie dem Gilbert U-238 Atomic Energy Laboratory. Einfachere Spielzeuge, wie die Radium enthaltenden Spinthariskope zur Sichtbarmachung radioaktiven Zerfalls, waren nicht nur in Experimentierkasten enthalten. Sie wurden zum Beispiel von den Ralcorp Holdings als Beigabe zu ihren Fruhstuckscerealien vertrieben. Von Anfang 1947 bis in die fruhen 1950er Jahre wurden alleine in den Vereinigten Staaten etwa 3,4 Millionen Spinthariskope produziert. Bei der Markteinfuhrung des Atomic Energy Laboratory war es in Bezug auf den Lieferumfang und die Zahl der mehr als 150 moglichen Experimente eines der fuhrenden Produkte auf dem Markt fur Experimentierkasten. Mit einem Verkaufspreis von 49,50 Dollar (das entspricht nach heutiger Kaufkraft ca. 591 USD) war es aber auch einer der teuersten Kasten. Die Preise der von Gilbert angebotenen Chemiebaukasten bewegten sich im Bereich von 1,75 Dollar fur das 23-teilige Einsteigerset „Beginner’s Outfit“ bis 25 Dollar fur das umfangreiche Spitzenmodell im metallenen Faltkoffer. Bei den Mikroskopie-Kasten reichten die Preise von 2 Dollar bis 15,95 Dollar. Einige Wettbewerber hatten ebenfalls Experimentierkasten mit radioaktivem Uranerz im Programm. Sie unterboten den Verkaufspreis des Gilbert U-238 Atomic Energy Laboratory jedoch deutlich. So kostete das Chemcraft Master Laboratory des Herstellers Porter Chemical Company 1951 nur 25 Dollar und wurde wie Porters Einsteigermodell fur 10 Dollar mit den enthaltenen radioaktiven Komponenten beworben. Der hohe Preis des Gilbert U-238 Atomic Energy Laboratory machte das Spielzeug zu einem Luxusprodukt, mit entsprechend geringem Absatz. Bis zur Einstellung der Produktion nach nur zwei Jahren wurden weniger als 5000 Experimentierkasten verkauft. Der in den 1950er Jahren beginnende Wettlauf ins All und die Begeisterung fur bemannte Weltraummissionen entzogen Atomspielzeugen bald die Interessenten, seien es Kinder oder Eltern. So blieben Experimentierkasten mit radioaktivem Material eine Episode der Spielzeuggeschichte. Sammler von Spielzeug oder Objekten der Technikgeschichte zahlen heute fur vollstandige und wenig bespielte Exemplare das Hundertfache des Neupreises. Inhalt des Sets Der Experimentierkasten wurde in einem etwa 57 × 42 × 12 cm messenden rotbraunen Koffer mit Tragegriff und Schnappverschlussen aus Metall ausgeliefert. Batteriebetriebenes Geiger-Muller-Zahlrohr; Elektroskop; Spinthariskop; Wilsonsche Nebelkammer mit einem Draht aus dem Polonium-Isotop 210Po als Strahlenquelle fur Alphastrahlung mit einer kurzen Halbwertszeit; vier Glaser mit verschiedenen Uranerzen (238U): Autunit, Torbernit, Uraninit und Carnotit aus der Umgebung des Colorado-Plateaus; drei weitere Radionuklide als schwache Strahlungsquellen: Blei (210Pb, Beta-Alpha-Strahlung); ein reiner Betastrahler, moglicherweise Ruthenium (106Ru), und Zink (65Zn, Gammastrahlung); jeweils acht rote und blaue Kunststoffkugeln, die zu einem Modell eines Alphateilchens zusammengefugt werden konnen; das Gilbert Atomic Energy Manual, eine Anleitung mit 60 Seiten, die von dem Kernphysiker Ralph Lapp, einem Mitarbeiter des Manhattan-Projekts, verfasst wurde; eine als Comicheft aufgemachte Einfuhrung in die Radioaktivitat mit dem Titel Learn How Dagwood Splits the Atom (Erfahre, wie Dagwood das Atom spaltet); Prospecting for Uranium (Prospektion nach Uran), eine 1949 gemeinsam von der United States Atomic Energy Commission und dem United States Geological Survey herausgegebene Schrift; drei Babyzellen; ein Spielwarenkatalog der A. C. Gilbert Company. Der Geigerzahler wurde als einzige Komponente des Atomic Energy Laboratory auch separat fur den Preis von 19,95 Dollar verkauft. Dies geschah vor dem Hintergrund der Werbung fur das Schurfen nach Uran und der von der US-Regierung ausgelobten Belohnung in Hohe von 10.000 Dollar fur die Entdeckung einer Uran-Lagerstatte. Das Comicheft wurde von Joe Musial verfasst, der ungenannt an mehreren Comicserien der King Features Syndicate mitgewirkt hatte. Dagwood Bumstead ist der mannliche Protagonist der von Chic Young entworfenen und seit 1930 herausgegebenen Comicstrip-Serie Blondie. Als Karikatur einer amerikanischen Mittelklasse-Familie sollten die Bumsteads weniger zur wissenschaftlichen Bildung beitragen als die Kernenergie popularisieren und ihre Gefahren herunterspielen. Bereits in den regular veroffentlichten Comicstrips nahm Dagwood diese Rolle wahr, beginnend im Februar 1946, wenige Monate nach den Atombombenabwurfen auf Hiroshima und Nagasaki. Inhaltlich wurde das Comicheft von zwei Mitarbeitern des Manhattan-Projekts begleitet, dem militarischen Leiter Lieutenant General Leslie Groves und dem Kernphysiker John Ray Dunning. Ein weiterer Beteiligter war der Journalist Bob Cosidine, im Zweiten Weltkrieg Kriegsreporter, der bereits uber die Kernwaffentests auf dem Bikini-Atoll berichtet hatte. Atomwaffen werden jedoch im Material des Atomic Energy Laboratory mit keinem Wort erwahnt. Gefahren Das Begleitmaterial des Gilbert U-238 Atomic Energy Laboratory enthielt deutliche Warnhinweise wie “Users should not take ore samples out of their jars, for they tend to flake and crumble and you would run the risk of having radioactive ore spread out in your laboratory.” (deutsch: „Benutzer sollten die Erzproben nicht aus den Glasern nehmen, da sie zum Zerbroseln neigen und du das Risiko eingehst, radioaktives Erz in deinem Labor zu verbreiten.“) Bei den Warnhinweisen spielte die mogliche Gesundheitsgefahrdung keine Rolle, vielmehr wurde der Baukasten mit seinen Komponenten als „vollig harmlos“ („completely harmless“) dargestellt. Bei der Warnung ging es darum, dass das Entfernen der Erze aus ihren Behaltnissen die „Hintergrundstrahlung“ erhohen und die Gultigkeit der erzielten „wissenschaftlichen Ergebnisse“ in Frage stellen konnte. Erst im 21. Jahrhundert wurde die von Spielzeugen wie dem Gilbert U-238 Atomic Energy Laboratory ausgehende Gefahr thematisiert. Da der Experimentierkasten seit mehr als 50 Jahren nicht mehr auf dem Markt ist, sind diese Erorterungen uberwiegend anekdotenhafte Ruckblicke in eine Zeit der sorglosen Begeisterung fur die Kernenergie und des fehlenden Bewusstseins fur Produktsicherheit. 2020 wurde es als "one of the most dangerous toys of all times" („eines der gefahrlichsten Spielzeuge aller Zeiten“) bezeichnet. Weblinks Atomic Advertising in the 20th and Early 21st Centuries beim National Museum of Nuclear Science & History, zahlreiche Bilder und Scans der Anleitung und des Dagwood-Comics (englisch) Radioactive Atomic Energy Lab Kit with Uranium (1950) - World's Most Dangerous Toy, Video bei Atlas Obscura (englisch) Atomic Energy Lab, Video beim National World War II Museum (englisch) The 1950s Science Kit That Had Real Uranium, Video bei Ripley’s Believe It or Not! (englisch) Einzelnachweise
Das Gilbert U-238 Atomic Energy Laboratory ist ein 1950 auf den amerikanischen Markt gebrachter Experimentierkasten fur Kinder und Jugendliche, mit dem unter Verwendung radioaktiver Stoffe nukleare Zerfallsprozesse beobachtet werden konnten.
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c-637
Das KZ-Außenkommando Unterriexingen war ab Oktober 1944 ein KZ-Außenkommando des KZ-Außenlagers Vaihingen, das wiederum ein KZ-Außenlager des KZ Natzweiler-Struthof war. Es lag in der Nahe von Unterriexingen in Baden-Wurttemberg. Nachdem das KZ-Außenlager Vaihingen zum Kranken- und Sterbelager fur Zwangsarbeiter der Region geworden war, wurden im Oktober 1944 arbeitsfahige Haftlinge von dort u. a. in das KZ-Außenkommando Unterriexingen verlegt, um im Stollenbau und bei der Instandhaltung eines Fliegerhorsts sowie bei Aufraumungsarbeiten nach Bombenangriffen Zwangsarbeit zu verrichten. Das KZ-Außenkommando Unterriexingen bestand bis April 1945 und wird in der Literatur stellenweise als eines der vermutlich grauenvollsten KZ-Außenkommandos bezeichnet; mindestens die Halfte der mehr als 780 uberfuhrten KZ-Haftlinge starb im Lager, und viele weitere kamen wahrend der Todesmarsche am Ende des Krieges um. Vorgeschichte Wegen der zunehmenden alliierten Luftangriffe auf die Flugzeugwerke der Messerschmitt AG in Augsburg wurde die Produktion von Jagdflugzeugen immer mehr an bombensichere Orte verlegt. Ein moglicher sicherer Produktionsstandort war ein Steinbruch in der Nahe von Vaihingen/Enz. Der mehrgeschossige oberirdische Bau im Steinbruch sollte horizontal mit zusatzlichen Stollen im Berg verbunden werden, um so auf einer Flache von ca. 80.000 m², im Auftrag der Firma Messerschmitt, Flugzeugteile fur den Dusenjager Me 262 herzustellen. Wahrend des Sommers 1944 wurde dazu das KZ-Außenlager Vaihingen errichtet. Am 11. August kamen die ersten 2.187 Haftlinge von Auschwitz im Lager an, die als Zwangsarbeiter im Steinbruch arbeiten sollten. Ende Oktober 1944 wurden die Arbeiten im Steinbruch eingestellt, wahrscheinlich wegen der wiederholten Angriffe der Alliierten auf die Baustelle. Das Lager wurde zum 1. Dezember in ein „SS-Kranken- und Erholungslager“ umgewandelt, d. h. zu einem Krankenlager bzw. Sterbelager fur die Zwangsarbeiter der Region. In Unterriexingen sollte der Flugzeugbau in einem Stollen in den Weinbergen jenseits der Enz weitergefuhrt werden. Die fur die Arbeiten eingesetzten Zwangsarbeiter sollten im KZ-Außenkommando Unterriexingen untergebracht werden, dessen Existenz erstmals am 2. Oktober 1944 dokumentiert wurde. Nach Beendigung der wichtigsten Bauarbeiten am Lager, die von Haftlingen selbst durchgefuhrt wurden, die taglich von Vaihingen/Enz heruberkamen, wurden in der zweiten Oktoberhalfte erstmals arbeitsfahige Haftlinge vom KZ-Außenlager Vaihingen in das KZ-Außenkommando Unterriexingen uberfuhrt. Lage und Aufbau des Lagers Das KZ-Außenkommando Unterriexingen lag an der Oberriexinger Straße (K1685) auf einer Wiese rechts der Enz, etwa 700 m westlich von Unterriexingen. Das Lager bestand aus zwei aus Kunststofffertigteilen errichteten Wohnbaracken, die jeweils 42 m lang, 12,50 m breit und 2,70 m hoch waren. Diese waren von einem beleuchteten, 3 m hohen, doppelten Stacheldrahtzaun umgeben. An zwei gegenuberliegenden Ecken des 100 m auf 70 m großen umzaunten Areals standen Wachturme. Im Zentrum des Lagers lag der Appellplatz. Latrinen wurden erst spater gebaut, so dass die Haftlinge anfangs das Feld innerhalb der Umzaunung benutzen mussten. Es gab keinen Strom im Lager und anfangs auch kein Wasser. Erst spater wurde im Lager eine 8,50 m lange, 6 m breite Waschbaracke errichtet, die in eine Vermauerung eingelassen war, aber nie fertig gestellt wurde. Daruber hinaus wurde noch eine Erste-Hilfe-Station eingerichtet. Die Wohnbaracke der Wachmannschaft war 24,50 m lang, 8,50 m breit und 2,60 m hoch und lag außerhalb des Zauns. Erst kurz vor Ende des Krieges wurde in Unterriexingen ein Kuchengebaude errichtet. Lebens- und Arbeitsbedingungen Im Außenkommando waren Ende November 1944 (wahrscheinlich ab 16. November) etwa 500 Zwangsarbeiter untergebracht, die pro Wohnbaracke in 90 Stockbetten mit je drei Etagen schliefen. Die Haftlinge hatten keinen klaren Arbeitsauftrag. Sie verrichteten Schwerstarbeiten, die gerade anfielen. So wurden Arbeitskommandos zum Bau und der Instandhaltung der Startbahn des Großsachsenheimer Militarflugplatzes geschickt, der 3 km vom Lager entfernt lag. Andere Kommandos wurden beim Stollenbau in den Steilhangen der Enz nordlich von Unterriexingen eingesetzt, wo unter Tage eine Produktionsstatte der Daimler-Benz Motorenwerke (andere Quellen sprechen von einer Munitionsfabrik) entstehen sollte. Auch Arbeits- und Raumungseinsatze nach Bombenangriffen auf Stuttgart, Kornwestheim, Ludwigsburg oder Muhlacker wurden durchgefuhrt. Die Aufraumkommandos ruckten fruhmorgens zum Bahnhof nach Sachsenheim aus, von wo aus sie mit Viehwaggons zum Einsatzort gebracht wurden. Erst spatabends ging es uber Sachsenheim zuruck ins Lager. „Auf dem Marsch ins Lager trafen wir auf die ausmarschierende andere Kolonne, die nachts arbeiten musste“, erinnerte sich der Uberlebende Izhak Akermans. Die Lebensmittelversorgung im Lager war außerst mangelhaft. Uberlebende sprachen von Tagesrationen von 250 g Brot und etwas verwasserter Suppe. Anfangs war das Unterriexinger Lager vom Lager Vaihingen/Enz aus versorgt worden, bevor eine Kuche im Lager Unterriexingen eingerichtet wurde. Bezuglich der hygienischen Bedingungen erinnerte sich Jules Schelvis, Haftling in Unterriexingen: „Fur 500 Haftlinge, von denen viele an Ruhr erkrankt waren, gab es nur eine Latrine mit vier Platzen. Schon bevor man die Grube erreichte, war der Boden mit Exkrementen bedeckt. Viele der Haftlinge hatten es nicht rechtzeitig geschafft, die Latrine zu erreichen, und erleichterten sich vorher. Ich hatte die Latrine noch nicht einmal erreicht, als meine Holzpantoffeln in der Scheiße stecken blieben. […] Weil die Ruhr grassierte, war in der Latrine alles mit Kot verspritzt, … eine Krankheit, an die sich alle gewohnt hatten und mit der man lebte, bis man nicht mehr konnte. Es gab kein Papier, um sich abzuwischen. Wie alle anderen benutzte ich dazu den Mittelfinger der linken Hand … Mit nackten Fußen, die mit Exkrementen bedeckt waren, und meinen Holzschuhen in der Hand, kehrte ich zur Baracke zuruck … Wer kann sich so eine Situation vorstellen? Von diesem Augenblick an wusste ich, dass Unterriexingen ein Todeslager war.“ Die Opfer Ende November 1944 war das Lager mit etwa 500 judischen Haftlingen voll belegt. Die meisten dieser Haftlinge kamen aus dem KZ Lublin-Radom, einem Nebenlager des Konzentrations- und Vernichtungslagers Lublin-Majdanek. Sie wurden nach ihrer Evakuierung erst in das KZ-Außenlager Vaihingen verlegt, bevor sie dann nach Unterriexingen uberfuhrt wurden. Laut Zeugenaussagen starben taglich mindestens vier bis funf Haftlinge. So wurden innerhalb eines Monats zirka 250 Haftlinge arbeitsunfahig oder starben. Darum sind am 23. Dezember noch 200 polnische Haftlinge aus dem KZ-Außenlager Vaihingen nach Unterriexingen verlegt worden. Diese uberwiegend katholischen Haftlinge waren wahrend des Warschauer Aufstands 1944 inhaftiert und als „politische Haftlinge“ erst in das KZ Dachau und anschließend in das KZ-Außenlager Mannheim-Sandhofen verschleppt worden, wo sie fur Daimler-Benz Zwangsarbeit verrichteten mussten. Von dort aus sind sie in das KZ-Außenlager Vaihingen verlegt worden. Kurz darauf wurden noch etwa 80 italienische Kriegsgefangene in das Lager eingeliefert. Uber die Halfte der etwa 780 Haftlinge, die das Lager durchliefen, starb, noch bevor das Lager Anfang April 1945 evakuiert wurde. Die Toten wurden jeweils durch Neuankommlinge ersetzt. Anfangs wurden viele elendig dahinvegetierende Gefangene in das benachbarte Sterbelager am Fliegerhorst Großsachsenheim verlegt und sind dort bestattet. Etwa 167 Haftlinge wurden in das Lager Vaihingen/Enz gebracht, von denen 113 dort bestattet wurden. Spater wurden die Toten in einem lagernahen Massengrab verscharrt. Alleine in diesem Massengrab, das zwei Jahre nach Kriegsende geoffnet wurde, lagen die Leichen von uber 250 Haftlingen. In einer von der Bundeszentrale fur politische Bildung (bpb) 1996 herausgegebenen Dokumentation zu den Gedenkstatten fur die Opfer des Nationalsozialismus schreibt die bpb-Mitarbeiterin Ulrike Puvogel: „Das Unterriexinger Lager muß eines der grauenvollsten KZ-Außenlager gewesen sein.“ Die Bewacher Die Konzentrationslager Vaihingen/Enz und Unterriexingen wurden gemeinsam verwaltet, d. h. sie hatten eine gemeinsame Organisation und einen gemeinsamen Lagerfuhrer. Somit gehorte Unterriexingen zu den Nebenlagern des Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof. Der in Vaihingen stationierte SS-Hauptsturmfuhrer war damit auch fur die Wachmannschaft des Lagers Unterriexingen zustandig, die aus 40 SS-Mannern bestand. 30 kamen aus dem Lager Vaihingen/Enz und 10 aus dem KZ Natzweiler-Struthof. Zur Wachmannschaft gehorten wohl auch altere Wehrmachtsangehorige sowie deutschstammige Letten und Rumanen (sogenannte Volksdeutsche). Die große Wachmannschaft erklart sich durch die langen Einsatzwege der Arbeitskolonnen sowie durch die weit verzweigten Einsatzorte der Zwangsarbeiter. Evakuierung des Lagers Als die Front naherruckte, wurde das Lager evakuiert. Damit begannen die leidvollen Todesmarsche der Inhaftierten. Bereits im Februar (laut anderer Quelle Ende Januar) ging ein Haftlingstransport mit polnischen Juden aus Unterriexingen in das KZ Kochendorf. Die verbliebenen 517 Haftlinge wurden zwischen dem 1. und 9. Marz in drei Schuben u. a. in die Konzentrationslager Neckarelz und Kochendorf transportiert, in denen sie weiter Zwangsarbeit verrichten mussten. In den ersten beiden Transporten waren die noch arbeitsfahigen Haftlinge, im dritten waren die Kranken und das Kuchenpersonal. Es wurden 150 Haftlinge in das KZ Neckarelz deportiert, und ein Transport mit 200 judischen Haftlingen polnischer Herkunft erreichte das KZ Kochendorf am 10. Marz. Schließlich wurden erst 147 Haftlinge und spater noch mal etwa 20 Kranke in das KZ-Außenlager Vaihingen/Enz gebracht. Uber die weiteren Todesmarsche der Unterriexinger Zwangsarbeiter ist wenig bekannt, es ist jedoch wahrscheinlich, dass zahlreiche weitere Menschen auf ihnen umgekommen sind. Einige der Uberlebenden wurden im KZ Dachau befreit. Auch wenn die Evakuierungstransporte aus Unterriexingen per Lastwagen oder Bahn erfolgten, hatten sie den Charakter von Todesmarschen, da die Haftlinge keine Marschverpflegung erhielten und auf dem Transport in großer Zahl starben. Man geht davon aus, dass etwa die Halfte aller Haftlinge die Todesmarsche nicht uberlebte. Am 7. April 1945 wurden das KZ Vaihingen und das KZ Unterriexingen von der vorruckenden franzosischen Armee erreicht. Verurteilung der Schuldigen In den „Rastatter Prozessen“ wurden im Oktober und November 1947 vor dem franzosischen „Tribunal General“ 42 ehemalige Angehorige der SS-Wachmannschaften der KZ-Außenlager Vaihingen, Unterriexingen, Hessental und Kochendorf angeklagt. Zehn Angeklagte wurden zum Tode verurteilt, darunter sechs SS-Manner aus Vaihingen. Acht der Angeklagten wurden freigesprochen, die anderen wurden zu Zwangsarbeit und Gefangnisstrafen verurteilt. Inwiefern Tater des KZ Unterriexingen betroffen waren, ist derzeit (April 2024) nicht bekannt. Gedenken Am Berghang oberhalb des ehemaligen KZ-Außenkommandos Unterriexingen wurde nach Exhumierung der im Massengrab verscharrten Zwangsarbeiter die „KZ-Gedenkstatte Unterriexingen“ eingerichtet. Auf dem dazugehorigen KZ-Friedhof liegen mindestens 250 Opfer des Lagers. Ein Obelisk erinnert an sie mit folgender Inschrift: „Hier ruhen 250 Opfer einer Gewaltherrschaft. Sie mahnen zum Frieden. 1933–1945“ Eine zweite Tafel aus jungerer Zeit informiert genauer: „Vom Konzentrationslager Natzweiler/Elsaß waren hier vom Oktober 1944 bis April 1945 Haftlinge des NS-Regimes – darunter viele Juden – beim Stollenbau, Barackenbau und im Steinbruch eingesetzt. Sie starben den Hungertod.“ Ein Einzelgrab auf dem Friedhof tragt eine hebraische Inschrift auf einem Gedenkstein, den die Angehorigen ihrem Toten setzten. Die deutsche Ubersetzung lautet: „Hier ist begraben Schalomoh Salzman, Sohn des Schamuel David Friedland, sein Andenken zum Segen, geboren im Jahr 1912 in Radom – Polen, der in die Ewigkeit gegangen ist im Monat Adar 5705 wegen harter Qualereien durch die Hande der grausamen Deutschen im Konzentrationslager Unterriexingen. Seine Seele sei aufbewahrt im Bund des Lebens.“ Das „Burgerforum Unterriexingen“ hat am KZ-Friedhof Unterriexingen eine Informationstafel aufgestellt, um uber die Geschehnisse von November 1944 bis April 1945 zu informieren. Am 3. Juli 2013 erfolgte die offizielle Freigabe der Tafel. Schandung des KZ-Friedhofs In der Nacht vom 13. zum 14. Oktober 1990 wurden die KZ-Friedhofe in Vaihingen/Enz und Unterriexingen von zwei 21 Jahre alten Frauen und zwei mannlichen 17-Jahrigen geschandet; Grabsteine wurden aus dem Boden gerissen, mit Hakenkreuzen, SS-Runen und Parolen beschmiert. Mehr als 1000 Burgerinnen und Burger beteiligten sich wenige Tage spater an einem Schweigemarsch zum Gedenken an die KZ-Opfer und gegen Antisemitismus. Weblinks Lage und Aufbau des KZ-Außenkommandos Unterriexingen Zum Fliegerhorst Großsachsenheim Infotafel an der KZ-Gedenkstatte Interview mit Irving Horn, Uberlebender von Unterriexingen Dokumentation zum KZ und KZ-Friedhof Unterriexingen Einzelnachweise
Das KZ-Außenkommando Unterriexingen war ab Oktober 1944 ein KZ-Außenkommando des KZ-Außenlagers Vaihingen, das wiederum ein KZ-Außenlager des KZ Natzweiler-Struthof war. Es lag in der Nahe von Unterriexingen in Baden-Wurttemberg. Nachdem das KZ-Außenlager Vaihingen zum Kranken- und Sterbelager fur Zwangsarbeiter der Region geworden war, wurden im Oktober 1944 arbeitsfahige Haftlinge von dort u. a. in das KZ-Außenkommando Unterriexingen verlegt, um im Stollenbau und bei der Instandhaltung eines Fliegerhorsts sowie bei Aufraumungsarbeiten nach Bombenangriffen Zwangsarbeit zu verrichten. Das KZ-Außenkommando Unterriexingen bestand bis April 1945 und wird in der Literatur stellenweise als eines der vermutlich grauenvollsten KZ-Außenkommandos bezeichnet; mindestens die Halfte der mehr als 780 uberfuhrten KZ-Haftlinge starb im Lager, und viele weitere kamen wahrend der Todesmarsche am Ende des Krieges um.
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c-638
Das Tafelservice beruhmter Frauen (Famous Women Dinner Service) besteht aus einem Set von 50 Speisetellern, die von den Kunstlern Vanessa Bell und Duncan Grant geschaffen wurden. Das Werk stellt jeweils zwolf namhafte Schriftstellerinnen, bedeutende Tanzerinnen, einflussreiche Koniginnen und bekannte als „Schonheiten“ geltende Frauen dar. Zwei weitere Teller stellen Vanessa Bell und Duncan Grant selbst dar, die beide zur Bloomsbury Group gehorten, einer Gruppe von englischen Kunstlern, Intellektuellen und Wissenschaftlern vor dem Ersten Weltkrieg. Das Tafelservice wurde 1932 vom Kunsthistoriker und Museumsdirektor Kenneth Clark in Auftrag gegeben und zwischen 1932 und 1934 verwirklicht. Geschichte Clark kam die Idee fur das Service bei einem Abendessen mit dem Kunsthandler Joseph Duveen in New York, als sie von einem pomposen blau-goldenen Sevres-Service, das einst fur Katharina die Große gefertigt worden war, speisten. Jane Clark und ihr Mann Kenneth Clark beauftragten das Kunstlerpaar Vanessa Bell und Duncan Grant mit der Gestaltung eines individuellen Tafelservices, ohne Vorgaben zur Ausgestaltung zu machen. Sie gaben die Dekoration von 36 großen Tellern, zwolf kleineren Tellern, 36 Beilagentellern, zwolf Suppentassen und -untertassen, einer Salatschussel, zwei Dessertschalen, sechs ovalen Tellern in verschiedenen Großen, zwei Saucieren und -standern, vier Pfeffertopfen, vier Salztopfen, vier Senftopfen, zwei Soßenterrinen und -standern sowie drei Kannen in Auftrag. Bell und Grant reisten als Gaste von Josiah Wedgwood nach Stoke-on-Trent, wo sie in der Etruria-Porzellanfabrik fur ihr Werk eine geeignete Tellerform und eine Glasur auswahlten, deren kuhles Weiß sie an Delfter Porzellan erinnerte. Im Charleston Farmhouse, ihrem Wohnhaus mit Atelier in East Sussex, bemalten Grant und Bell zwischen 1932 und 1934 statt der bestellten Serviceteile 50 Wedgwood-Porzellanteller nach ihren Vorstellungen mit von ihnen ausgewahlten bekannten Frauenfiguren, deren Lebensgeschichte sie recherchiert hatten, nach soweit vorhandenen Fotografien und Portrats. Im Oktober 1931 schrieb Vanessa Bell in einem Brief, dass das Projekt „den Feministinnen gefallen sollte“. Jane Clark war in das Projekt eng involviert und stand uber den gesamten Zeitraum hinweg im brieflichen und personlichen Austausch mit Bell. Nach der Fertigstellung blieb das Service im Besitz der Familie Clark und wurde gelegentlich auf Dinnerpartys verwendet. Nach Kenneth Clarks Tod 1983 brachte seine zweite Frau Nolwen de Janze-Rice es in ihr Haus in Frankreich. Nach ihrem Tod wurde das Service in Deutschland versteigert und gelangte erst durch den Kauf eines Privatsammlers wieder nach England. Anfang 2018 wurde es erstmals in der Piano Nobile Gallery in London offentlich ausgestellt. Seit dem Fruhjahr 2018 befindet das Service sich in der standigen Ausstellung im Charleston Farmhouse, seinem Entstehungsort. Das Tafelservice wurde mit Hilfe von Zuschussen des National Heritage Memorial Fund, der Organisation Art Fund und privaten Spenden erworben. Die Ausstellung wird durch vier Test-Teller und Entwurfe aus der Entstehungszeit des Services erganzt. Werk Die Teller tragen im Spiegel ein Portratbild einer beruhmten Frau, neben dem ihr Name genannt wird. Bell und Grant sind jeweils fur die Halfte der Portrats verantwortlich, außerdem portratierten sie sich gegenseitig, so dass das Service aus insgesamt 50 Tellern besteht. Die Fahne jedes Tellers ist mit einem kraftig gemusterten Dekor in Schwarz und Blau bemalt, wobei die Muster variieren. Die Teller sind vollstandig erhalten und in einem guten Zustand. Dargestellt sind hauptsachlich historische, biblische oder mythologische Frauengestalten. Neben Bell und Grant selbst finden sich zur Entstehungszeit des Services mit Bells Schwester Virginia Woolf sowie Maria von Teck, Marian Bergeron, Mrs. Patrick Campbell und Greta Garbo aber auch funf im Jahr 1932 lebende Frauen in der Auswahl. = Autorinnen = 1. Jane Austen (1775–1817), britische Schriftstellerin 2. Elizabeth Barrett Browning (1806–1861), englische Dichterin und ihr Hund Flush 3. Charlotte Bronte (1816–1855), britische Schriftstellerin 4. George Eliot (1819–1880), britische Schriftstellerin 5. Fanny Kemble (1809–1893), englische Schauspielerin und Schriftstellerin 6. Murasaki Shikibu (um  973–1014 oder 1025), japanische Schriftstellerin 7. Dorothy Osborne (1627–1695), britische Schriftstellerin 8. Christina Rossetti (1830–1894), britische Dichterin 9. George Sand (1804–1876), franzosische Schriftstellerin 10. Sappho (um 630–um 570 v. Chr.), griechische Dichterin der Antike 11. Germaine de Stael (1766–1817), Genfer und franzosische Schriftstellerin 12. Virginia Woolf (1882–1941), britische Schriftstellerin und Vanessa Bells Schwester = Koniginnen = 13. Katharina die Große (1729–1796), Kaiserin von Russland 14. Christina (1626–1689), Konigin von Schweden 15. Kleopatra (70/69–30 v. Chr.), letzte Pharaonin des agyptischen Ptolemaerreiches 16. Elisabeth I. (1533–1603), Konigin von England 17. Eugenie de Montijo (1826–1920), Kaiserin von Frankreich 18. Isebel († um 843 v. Chr.), biblische Gestalt 19. Marie-Antoinette (1755–1793), Erzherzogin von Osterreich, Konigin von Frankreich und Navarra 20. Maria Stuart (1542–1587), Konigin von Schottland 21. Queen Mary (1867–1953), deutsch-britische Hochadlige 22. Konigin von Saba (um 1000 v. Chr.), sagenhafte biblische Gestalt 23. Theodora I. (um 500–548), Ehefrau des byzantinischen Kaisers Justinian I. 24. Konigin Victoria (1819–1901), Konigin von Großbritannien und Irland (1837–1901), Kaiserin von Indien (1876–1901) = Schonheiten = 25. Beatrice Portinari (um 1265–1290), Modell Dante Alighieris 26. Marian Bergeron (1918–2002), Miss Amerika 1933 27. Sarah Churchill (1660–1744), Vertraute von Konigin Anne 28. Pauline von Metternich (1836–1921), osterreichische Saloniere 29. Lola Montez (1821–1861), irische Hochstaplerin und Tanzerin 30. Pocahontas (um 1596–1617), indigene Amerikanerin 31. Rachel (Bibel), Gestalt des Alten Testaments 32. Julie Recamier (1777–1849), franzosische Saloniere 33. Elizabeth Siddal (1829–1862), englische Malerin 34. Agnes Sorel (1422–1450), franzosische Matresse des Konigs Karl VII. von Frankreich 35. Helena von Troia, Tochter des Zeus und der Leda in der griechischen Mythologie 36. Simonetta Vespucci (1453–1476), italienische Adelige = Tanzerinnen und Schauspielerinnen = 37. Sarah Bernhardt (1844–1923), franzosische Schauspielerin 38. Marie-Anne de Cupis de Camargo (1710–1770), franzosische Tanzerin La Camargo 39. Mrs. Patrick Campbell (1865–1940), britische Theaterschauspielerin 40. Eleonora Duse (1858–1924), italienische Schauspielerin 41. Greta Garbo (1905–1990), schwedische Filmschauspielerin 42. Nell Gwyn (1650–1687), englische Schauspielerin 43. Dorothea Jordan (1762–1816), irische Schauspielerin 44. Lillie Langtry (1853–1929), britische Schauspielerin 45. Anna Pavlova (1881–1931), russische Meistertanzerin des klassischen Balletts 46. Sarah Siddons (1755–1831), britische Schauspielerin 47. Marie Taglioni (1804–1884), italienische Tanzerin 48. Ellen Terry (1847–1928), britische Buhnenschauspielerin = Kunstlerportrats = 49. Vanessa Bell (1879–1961), britische Malerin und Innenarchitektin 50. Duncan Grant (1885–1978), schottischer Maler, einziger Mann im Tafelservice beruhmter Frauen Rezeption Das Tafelservice beruhmter Frauen ist im Charleston Farmhouse ausgestellt. Nach der Wiederentdeckung um 2017 des bis dahin weitgehend in Privatbesitz befindlichen und der Offentlichkeit nicht zuganglichen Werks erfuhr es ab 2018 eine breite Rezeption. Der Direktor der Londoner Piano Nobile Gallery Matthew Travers bezeichnete das Service als „bedeutendes protofeministisches Werk“. Alle dargestellten Frauen wurden sich durch ihre Lebensweise und Handlungen auszeichnen „in der Art und Weise, wie sie ihr Privatleben fuhrten, und passten sich oft nicht den Patriarchaten an, in denen sie lebten.“ Zudem betonte er Grants und Bells Auswahl der Frauen „uber den Tellerrand des Westens hinaus“, das sie „fur die damalige Zeit sehr vorausschauend“ auch afrikanische Frauen, Angehorige der indigenen Volker Amerikas und Japanerinnen aufnahmen. Das Tafelservice beruhmter Frauen wurde als „kuhne, feministische Aussage“ bezeichnet, die Bell und Grants „wegweisende Rolle in der feministischen Kunstgeschichte“ unterstreiche, und Jason Daley, Autor beim Smithsonian Magazine, zog Parallelen zwischen Judy Chicagos feministischem Werk The Dinner Party von 1979 und dem Tafelservice beruhmter Frauen. The Dinner Party erinnert an das Tafelservice beruhmter Frauen von 1932–1934, sowohl im Thema als auch in der Technik. Es gibt auch Ubereinstimmungen in der Auswahl der Personlichkeiten. Sappho, Virginia Woolf, Elizabeth I und Theodora kommen in beiden Werken vor. Das Tafelservice beruhmter Frauen ist jedoch rund 45 Jahre alter als The Dinner Party und Judy Chicago schuf ihr Werk, ohne von dem Service zu wissen. In ihrem Buch Die Dinge. Eine Geschichte der Frauen in 100 Objekten beschaftigt die Journalistin Annabelle Hirsch sich mit dem Service vor dem Hintergrund der Lebensumstande von Frauen in ihrem gesellschaftlichen und geschichtlichen Kontext. Im Guardian schrieb der Kunstkritiker Jonathan Jones, dass es vielen Kunstlern der Bloomsbury-Group an Substanz gemangelt habe, so auch Bell und Grant, deren Gemalde „seltsam entspannte und substanzlose Imitationen der Werke großer Kunstler“ (wie Cezanne und Picasso) seien. „Wir sollen es als verlorenes Meisterwerk und kuhnes feministisches Manifest feiern, fur mich sieht es aber nur nach einem kleinen Spaß, zur Unterhaltung ihres Mazens Kenneth Clark aus.“ Die Auswahlkriterien fur die beruhmten Frauen seien so inkonsistent, dass es einer Parodie auf die Sammlungen beruhmter Mannerportrats, die in Herrenhausern zu finden sind, gleichkomme. Außerdem kritisiert er den seiner Ansicht nach schlampigen Stil der Portrats. = Kunsthistorische Einordnung = Die Kunsthistorikerin Hana Leaper beschrieb das Tafelservice beruhmter Frauen als „eines der herausragendsten Werke eines damals entstehenden feministischen Kunstfeldes“ und dass „die Wiederentdeckung des Tafelservices fur beruhmte Frauen dessen wichtigen Platz in einer feministischen Kunsttradition verdeutlicht“. Oft seien es kunsthandwerkliche Arbeiten, welche auf die verschuttete Geschichte der Ungleichheit und die mangelnde Reprasentation von Frauen und Minderheiten aufmerksam machen. Zu den jungeren Beispielen gehort Lubaina Himids Werk Swallow Hard: The Lancaster Dinner Service aus dem Jahr 2007, in dem anhand von Tafelgeschirr die Beteiligung am Sklavenhandel untersucht wird. Leaper setzt das Tafelservice beruhmter Frauen in Zusammenhang mit dem Ende 1930 entstandenen Manifest der futuristischen Kuche von Filippo Tommaso Marinetti. Auch die Bloomsbury-Gruppe sah den Esstisch als Schauplatz radikaler Gastfreundschaft, und ihre Tischkultur war ein Tor zur politischen, sozialen und spirituellen Reform einer Nation. Ihre unkonventionelle Neuinterpretation von Wohnraumen verwandelte die streng viktorianischen Hauser und Tische, mit denen sie aufgewachsen waren, in kreative, intellektuelle Raume voller Farbe und Humor, in denen gesellschaftliche Normen taglich dekonstruiert wurden. Literatur The Famous Women Dinner Service, Dominique Corlett, Horbuch Homes & Antiques, Serie 1, Episode 2, 2019, Sprecherin Joan Walker Einzelnachweise
Das Tafelservice beruhmter Frauen (Famous Women Dinner Service) besteht aus einem Set von 50 Speisetellern, die von den Kunstlern Vanessa Bell und Duncan Grant geschaffen wurden. Das Werk stellt jeweils zwolf namhafte Schriftstellerinnen, bedeutende Tanzerinnen, einflussreiche Koniginnen und bekannte als „Schonheiten“ geltende Frauen dar. Zwei weitere Teller stellen Vanessa Bell und Duncan Grant selbst dar, die beide zur Bloomsbury Group gehorten, einer Gruppe von englischen Kunstlern, Intellektuellen und Wissenschaftlern vor dem Ersten Weltkrieg. Das Tafelservice wurde 1932 vom Kunsthistoriker und Museumsdirektor Kenneth Clark in Auftrag gegeben und zwischen 1932 und 1934 verwirklicht.
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c-639
Die Decauville-Bahn in Delphi war eine von 1892 bis 1903 genutzte, 3 km lange Feldbahn mit 500-mm-Spurweite auf dem archaologischen Ausgrabungsgelande der antiken Tempelanlage von Delphi in Griechenland. Geschichte Die Große Ausgrabung von Delphi (englisch: Great Excavation of Delphi, franzosisch: La Grande Fouille de Delphes) begann 1892 unter der Schirmherrschaft der franzosischen Schule von Athen (Ecole francaise d’Athenes). Zur Erleichterung des Transports des Abraums von den Ausgrabungsstatten zu den Deponien wurde von Juli bis September 1892 ein Schmalspurbahn-Netz mit einer Gesamtlange von 1,8 km und einer Spurweite von 500 mm gebaut. Nach und nach wurde bis 1897 eine weitere Strecke von 1,2 km Lange gebaut, so dass die Gesamtlange des Netzes 3 km betrug. Der zick-zack-formige Streckenverlauf mit zahlreichen Spitzkehren war erforderlich, da die Schienen auf einem Gelande mit großen Hohenunterschieden verlegt wurden. Auf dem ausgefeilten topografischen Plan des franzosischen Ingenieurs Henry Convert ist die Decauville-Bahn von Delphi mit ihren Erweiterungen eingezeichnet und rot markiert. Der umgangssprachliche Name der Feldbahn stammt vom Markennamen der vorgefertigten Gleisjoche und der Kipploren, die von Decauville erfunden und patentiert wurden. Der Firmenname wird auf Griechisch Ντεκοβιλ geschrieben und gelegentlich auch fur Feldbahnen anderer Hersteller verwendet. Die wohl von Decauville gelieferten Kipploren sind bei dieser Bahn baugleich mit denen, die beim Bau des Panamakanals eingesetzt wurden. Die im deutschsprachigen Raum heute eher ungebrauchliche Bezeichnung Decauville-Bahn fur eine Schmalspurbahn mit aus industriell gefertigten Gleisjochen verlegten fliegenden Gleisen war damals durchaus ublich. Nach dem Ende der Ausgra­bungen im Jahr 1903 wurde die Feldbahn abgebaut und zusammen mit den Kipploren auf die Insel Delos transportiert, wo sie fur die dort begonnenen Ausgrabungen verwendet wurde. Dank der Großen Ausgrabung von Delphi hat das Heiligtum des Apollon, eine der wichtigsten Statten des griechischen Kulturerbes, seinen Platz an der Spitze der antiken Statten wiedererlangt. Die Ausgrabung des Apollon-Heiligtums war erst nach der Enteignung und Verlegung des Dorfes Kastri moglich. Die Ausgrabung forderte viele erstaunliche Uberreste zutage, darunter etwa dreitausend bedeutende Inschriften, die das offentliche Leben im antiken Griechenland beschreiben. Heute setzt der griechische archaologische Dienst in Zusammenarbeit mit der Franzosischen Schule von Athen die Erforschung, Ausgrabung und Erhaltung der delphischen Heiligtumer fort. Weblinks Einzelnachweise
Die Decauville-Bahn in Delphi war eine von 1892 bis 1903 genutzte, 3 km lange Feldbahn mit 500-mm-Spurweite auf dem archaologischen Ausgrabungsgelande der antiken Tempelanlage von Delphi in Griechenland.
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c-640
Die Kehrichtverwertungsanlage Winterthur (KVA Winterthur) ist eine Anlage zur energetischen Verwertung von Abfallen in Winterthur. Die jahrlich verarbeitete Abfallmenge betragt 190 000 Tonnen. Durch Warme-Kraft-Kopplung werden je 20 % des Winterthurer Strom- und Warmebedarfs durch die KVA gedeckt. Geschichte Vor der Inbetriebnahme der Kehrichtverwertungsanlage wurde der Abfall der Region in verschiedenen Deponien gelagert. Die KVA nahm 1965 mit zwei Verbrennungslinien ihren Betrieb auf und versorgte neben Winterthur elf weitere Gemeinden. Seit 1971 produziert die KVA mit Dampfturbinen Strom. Die erneuerte Verbrennungslinie 1 wurde 1978 in Betrieb genommen. In einer Volksabstimmung im Jahr 1986 wurde der Bau der neuen Verbrennungslinie 2 mit Rauchgasreinigung beschlossen; 1994 wurde sie in Betrieb genommen. Die Erneuerung der Verbrennungslinie 1 wurde 2007 beschlossen und in den Jahren 2009 bis 2012 durchgefuhrt. Gleichzeitig wurde die Rauchgasreinigung um eine vierte Stufe zur Dioxin- und Furanabscheidung erweitert. Im Zuge der Umbauarbeiten wurde im Juli 2012 auch der 80 Meter hohe Kamin der KVA abgebrochen und durch neue Schornsteine von 60 Meter Hohe ersetzt. Mit der hoheren Temperatur und geringeren Feuchtigkeit der Abgase nach dem Umbau wurden die Phanomene von Dampffahnen und Industrieschnee seltener. Stand 2014 versorgte die KVA Winterthur 52 Gemeinden und verwertete 180 000 Tonnen Abfall pro Jahr. Seit den 2010er Jahren gab es aussergewohnlich haufig Brande in der KVA Winterthur, die zu Schaden von 15 Millionen Franken fuhrten. 96 % der Brande in Kehrichtverwertungsanlagen im Kanton Zurich fielen auf die KVA Winterthur. Mitarbeitende der KVA sahen die Ursache der Brande unter anderem in Missmanagement durch den Produktionsleiter. Eine Erneuerung der Verbrennungslinie 2 mit verbesserter Rauchgasreinigung und Warmeauskopplung ist geplant. Kunftig soll so ein Drittel des Warmebedarfs von Winterthur gedeckt und 12,6 Kubikmeter Frischwasser pro Stunde eingespart werden. Dem fur den Bau notwendigen Kredit in Hohe von rund 293 Millionen Franken stimmte die Bevolkerung im September 2024 zu. Ebenfalls angedacht ist der Bau einer Anlage zur CO2-Abscheidung und -Speicherung. Technik Die Abfalle werden an funf Abladestellen angenommen und in einem Bunker mit einer Kapazitat von 8000 Kubikmetern gelagert. 2011 stammte ungefahr die Halfte der verbrannten Abfalle aus der Industrie, die andere Halfte aus Privathaushalten. Von dem Bunker werden die Abfalle auf die zwei Verbrennungslinien mit den folgenden technischen Daten aufgeteilt: Die Rauchgase werden in vier Stufen, bestehend aus Elektrofiltern, Rauchgaswasche und Oberflachenfiltern, gereinigt. Der Anteil des fossilen CO2 relativ zu den gesamten CO2-Emissionen im Abgas hangt von der Zusammensetzung des verbrannten Abfalls ab; 2011 betrug dieser Anteil 45 %. Das Abwasser der Rauchgaswasche wird vorbehandelt und anschliessend zur Abwasserreinigungsanlage Winterthur-Hard weitergeleitet. Der produzierte Dampf wird fur Fernwarme mit einer installierten Leistung von 97 MW genutzt oder durch die MAN-Dampfturbine und den Generator mit einer maximalen Leistung von 22 MW in elektrische Energie umgewandelt. Kunst am Bau Nach der Erneuerung der Verbrennungslinie 1 wurde im Jahr 2013 das Werk Kerberos der Schweizer Kunstlerin Katja Schenker an der KVA installiert. Kerberos ist ein 225 Meter langer und 4 Meter hoher Zaun aus verformten Gittermatten, der die KVA an der St. Gallerstrasse und am Scheideggweg einfasst. Der Titel des Werks bezieht sich auf den Hollenhund Kerberos aus der griechischen Mythologie. Das Kunstwerk loste Diskussionen aus, unter anderem wegen der Kosten in Hohe von 380.000 Franken, welche durch die Abfallgebuhren finanziert wurden. Siehe auch Liste von Kehrichtverbrennungsanlagen in der Schweiz Weblinks Kehrichtverwertungsanlage Winterthur im Winterthur Glossar. Webseite der KVA Winterthur Einzelnachweise
Die Kehrichtverwertungsanlage Winterthur (KVA Winterthur) ist eine Anlage zur energetischen Verwertung von Abfallen in Winterthur. Die jahrlich verarbeitete Abfallmenge betragt 190 000 Tonnen. Durch Warme-Kraft-Kopplung werden je 20 % des Winterthurer Strom- und Warmebedarfs durch die KVA gedeckt.
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c-641
Elizabeth Johnson Jr. (geboren um 1670 in Andover; gestorben 3. Januar 1747 ebendort) war ein Opfer der Hexenverfolgung im Essex County (Province of Massachusetts Bay) 1692/93. Im August 1692 verhaftet, wurde sie nach einem ausfuhrlichen Gestandnis im Januar 1693 als Hexe zum Tode verurteilt, aber umgehend begnadigt. Wahrend die meisten der Verurteilten der Hexenverfolgung bereits im 18. Jahrhundert rehabilitiert wurden, ubersah man offenbar Elizabeth Johnson Jr. auch bei weiteren Urteilsaufhebungen 1957 und 2001. Ihr Urteil war das letzte der Salemer Hexenprozesse, das noch Bestand hatte. Es wurde 2022 nach der Kampagne einer Klasse von Mittelschulern aus Andover aufgehoben. Leben = Im Visier der Hexenverfolgung = Elizabeth Johnson, allgemein Betty genannt, lebte seit ihrer Geburt in dem Ort Andover in Essex County. Als 1692 in Salem die Hexenverfolgung einsetzte, wurden auch in den meisten anderen Orten im Essex County Menschen der Hexerei beschuldigt, allerdings weit weniger als in Salem. Lediglich in Andover erreichte die Hexenverfolgung die Ausmaße von Salem. Die Frau des Einwohners Joseph Ballard war im Sommer unerklarlich schwer erkrankt und Ballard argwohnte Hexerei. Er holte Mitte Juli zwei der als verhext geltenden Madchen aus Salem, die Hexerei bestatigten und einige der Burger Andovers beschuldigten. Im Zuge der Verfolgung wurde der Kreis der Verdachtigten und Beschuldigten bestandig erweitert. Die Witwe Ann Foster, selbst der Hexerei bezichtigt und mehrfach gefoltert, sprach davon, dass in der Gegend 305 Hexen lebten, um das Reich Satans zu errichten. Als ihre Enkelin Mary Lacey behauptete, dass Martha Carrier aus Andover zur „Konigin der Holle“ auserwahlt sei, verscharfte sich die Stimmung weiter. Schließlich wurden in Andover mehr Menschen der Hexerei bezichtigt als in Salem. Der Historiker Richard Hite beschreibt die Stimmung in Andover als so aufgeladen, dass es eine Zeitlang als eine sinnvolle Strategie erschienen sei, Hexerei zu gestehen, um der Hinrichtung zu entgehen. Elizabeth Johnson Jr. geriet als Enkelin von Francis Dane, einem langjahrigen Priester des Ortes, ins Visier der Hexenverfolger. Die Verfolgung hatte sich auf die Nachfahren der Einwandererfamilie Ingalls konzentriert, mit der auch die Familie Carrier verwandtschaftlich verbunden war. Francis Dane war Witwer von Elizabeth Ingalls Dane und die Hexenverfolger klagten in der Folge zwei ihrer Tochter, funf ihrer Enkel und eine Schwiegertochter an. Historiker vermuten, dass Dane als Kritiker der Hexenanklagen Argwohn erregt hatte. Auch konnten einige Einwohner es Dane missgonnt haben, dass er noch ein jahrliches Gehalt von 30 Pfund bezog, obwohl er aus gesundheitlichen Grunden kaum noch predigte. Hauptsachlich durfte aber die Verwandtschaft zu Martha Carrier die Verdachtigungen befeuert haben, da man annahm, dass Hexerei sich in mutterlicher Linie in Familien weitervererbte. Martha Carriers Mutter war eine Schwester Elizabeth Ingalls Danes, und sobald eine Frau in einer Familie unter Verdacht geriet, war es wahrscheinlich, dass weitere Frauen der Familie verdachtigt werden wurden. Francis Danes alteste Tochter Elizabeth (1643–1722) war mit Stephen Johnson (1640–1690) verheiratet gewesen, der zwei Jahre zuvor an den Pocken gestorben war und sie mit vier bis sechs Kindern – es ist unklar, ob ein 1677 geborenes Zwillingspaar 1690 noch lebte – zuruckgelassen hatte. Elizabeth (Betty) war ihre alteste uberlebende Tochter. Ihr Großvater Francis Dane beschrieb sie als „bestenfalls einfaltig“ (simplish at the best). = Verhaftung und Gestandnis = Kurz vor dem 10. August 1692 wurde Elizabeth Johnson Jr. aufgrund einer nicht uberlieferten Anzeige gemeinsam mit ihrem siebenjahrigen Cousin Thomas und ihrer zehnjahrigen Cousine Sarah Carrier verhaftet und von Richter Dudley Bradstreet verhort. Elizabeth Johnson Jr. bot sich aufgrund ihrer Verwandtschaft zur Familie Carrier und ihrer offenbar geistigen Behinderung als Angeklagte geradezu an. Die beiden Kinder gaben dabei zu, insgesamt drei Menschen mit Hexerei angegriffen und verhext zu haben. Elizabeth Johnsons Gestandnis vom 11. August 1692 vor Richter John Hathorne, einem der Antreiber der Hexenverfolgung, ging noch daruber hinaus. Sie gab an, seit vier Jahren Hexe zu sein und mindestens acht Menschen verhext zu haben. Martha Carrier habe sie zur Hexerei gebracht und ihr dafur einen Shilling versprochen, den sie aber nie erhalten habe. Vor drei Jahren sei sie im Brunnen der Carriers vom Teufel getauft worden und habe im Buch des Teufels unterschrieben. Sie habe in Salem das Sakrament der Hexen empfangen, wo man sich geschworen habe, das Konigreich Christi zu sturzen und das des Teufels zu errichten. Sie beschuldigte weitere Menschen in Andover der Hexerei, uberwiegend bereits inhaftierte Verdachtige, identifizierte aber auch mindestens einen neuen Verdachtigen. Was die Mittel ihrer Hexerei anging, zeigte Elizabeth Johnson zwei aus Lumpen und eine aus Birkenrinde gefertigte Puppen vor, die sie beim Verhexen eingesetzt habe. Auch beschrieb sie die Punkte, an denen die Damonen angeblich an ihr gesaugt hatten. Richard Hite gesteht zu, dass Elizabeth Johnson mit ihrem Gestandnis vielleicht ihr Leben habe retten wollen. Dagegen spreche aber, dass sie die Puppen als Werkzeuge ihrer Fluche einbrachte. Er vermutet, dass sie ihr Leben lang gemobbt worden sei und moglicherweise tatsachlich geglaubt habe, mit ihren Puppen ihren Peinigern Schaden zufugen zu konnen. Gleichzeitig konnte sie auch jemand uberredet haben, die Puppen zu zeigen, um die Ermittlungen in eine bestimmte Richtung zu lenken. Francis Dane schrieb im Januar 1693 zur Verteidigung der Verdachtigten, damals habe im Ort das Gerucht kursiert, die Gestandigen wurden letztlich freigelassen werden. Der Historiker Tony Fels weist darauf hin, wie stereotyp das Gestandnis Elizabeth Johnsons gewesen sei. Sie habe die meiste Schuld auf Martha Carrier abgewalzt und sich auf die bekannten Uberlieferungen uber Hexerei gestutzt, einschließlich der Taufe durch den Satan, der ihr in Form zweier schwarzer Katzen erschienen sei. Sie behauptete, sie habe einigen ihrer Nachbarn wehgetan. Einem habe sie als unsichtbares Gespenst auf dem Bauch gesessen, anderen Nadeln in die Kleider gestochen. Einen weiteren habe sie unsichtbar mit einem Speer aus Eisen oder Holz angegriffen. Wahrscheinlich habe Elizabeth Johnson gewusst, dass die mit ihr verhafteten Kinder sie beschuldigen wurden, und geglaubt, ein Gestandnis wurde die Chance auf eine milde Behandlung erhohen. Tatsachlich gehorte keiner der im Zuge der Salemer Hexenverfolgung Hingerichteten zur Gruppe der Gestandigen, da die Puritaner Reue hoch schatzten. Fels weist ferner darauf hin, dass sich die Angehorigen der puritanischen Gemeinden in Massachusetts aus religiosen Grunden mitunter selbst uberzeugt hatten, sich mit dem Teufel eingelassen zu haben. Fur die Richter waren diese detaillierten Aussagen jedenfalls eine willkommene Offenbarung, welche die bislang eher stockenden Untersuchungen in ihren Augen entscheidend voranbrachten. Sie glaubten Elizabeths Johnsons Gestandnis mehr als den Angaben ihrer Tante Abigail Dane Faulkner, die auch am 11. August im Gerichtssaal verhort worden war und jegliche Hexerei abgestritten hatte. Am 29. August wurde Elizabeths Johnsons Mutter, Elizabeth Johnson Sr., angezeigt und am 30. August gemeinsam mit ihrer elfjahrigen Tochter verhaftet. Elizabeth Johnson Sr. legte ebenfalls ein Gestandnis ab, in dem sie zugleich ihre Kinder der Hexerei bezichtigte. Der Historiker Emerson W. Baker kommentiert, dass es in Essex County keine Verschworung hunderter Hexen gegeben habe. Ein paar Geschichten und Puppen hatten aber ausgereicht, um die Menschen glauben zu lassen, dass Salem vom Teufel und seinen Handlangern belagert werde. = Prozess und Verurteilung = Am 4. Januar 1693 begannen die Prozesse vor einem neuen Gericht in Salem unter Vorsitz von William Stoughton. Bei dreißig der Angeklagten wurde die Anklage verworfen, einige andere nicht einmal gehort. Elizabeth Johnson Sr. wurde freigesprochen, die Anklage gegen Elizabeth Johnson Jr. am 5. Januar 1693 zugelassen. Sie gehorte zu den drei schuldig gesprochenen Angeklagten und wurde am 11. Januar zum Tode verurteilt. Dass sie im Prozess auf unschuldig pladierte, lasst darauf schließen, dass sie ihr fruheres Gestandnis zuruckgenommen hatte. Am 31. Januar 1693 wurden alle acht zum Tode Verurteilten – neben den drei aus Andover noch funf aus Salem – von Gouverneur William Phips begnadigt. Phips außerte sich spater in einem Brief, der konigliche Staatsanwalt Anthony Checkley der Massachusetts Bay Colony habe ihm mitgeteilt, dass auch die neuerlich Verurteilten unter ahnlichen Umstanden verfolgt worden seien wie diejenigen, die man freigesprochen habe oder deren Anklagen man habe fallen lassen. Als wegen eines Kapitalverbrechens Verurteilte hatte Elizabeth Johnson Jr. aber alle ihre Burgerrechte verloren. Am 13. September 1710 reichte ihr Bruder Francis Johnson eine Petition auf Entschadigung ein und verlangte 3 Pfund fur ihre Versorgung wahrend der Haft. 1711 wurden die Urteile gegen die meisten Verurteilten der Hexenprozesse, darunter etwa die am 19. August 1692 hingerichtete Martha Carrier, annulliert. Auch die Verurteilungen ihrer Mitverurteilten wurden aufgehoben. Elizabeth Johnson Jr. war in diesen Rechtsakt aber nicht eingeschlossen worden und petitionierte am 19. Februar 1711/12, ohne dass darauf eingegangen worden ware. Als sie am 3. Januar 1747 unverheiratet starb, hatte das Urteil gegen sie noch Bestand. Ebenso waren sechs weitere Urteile noch nicht aufgehoben worden, allesamt von Hingerichteten wie Ann Pudeator. Da Elizabeth Johnson Jr. aber 1709 und 1716 vom Vater ererbtes Land verkaufen konnte, galt sie auch nicht, wie bei Todesurteilen sonst ublich, als juristisch tot. Auch wenn ihr Urteil formal nicht aufgehoben worden war, scheinen die Gerichte davon ausgegangen zu sein, dass dies nicht notwendig sei. Nachleben: Kampagne zur Rehabilitierung Im Jahr 1957 raumte der Bundesstaat Massachusetts im Fall der 1692 hingerichteten Ann Pudeator Rechtsfehler ein. Fur die ubrigen hingerichteten Verdachtigen, die nicht in die Aufhebung der Verurteilungen aus dem fruhen achtzehnten Jahrhundert einbezogen worden waren, wurde Ahnliches 2001 beschlossen. Elizabeth Johnson Jr. war aber auch dabei ubersehen worden, vermutlich, weil sie nicht hingerichtet worden war. Bei seinen Recherchen zur Hexenverfolgung in Andover war dies dem Historiker Richard Hite aufgefallen. Gemeinsam mit Carol Majahad von der North Andover Historical Society und der Sozialkunde-Lehrerin Carolyn LaPierre entwickelte er ein Programm mit Schulern und Schulerinnen der 8. Klasse der North Andover Middle School, die zwischen 2020 und 2021 den Fall recherchierten. Die Schuler waren auch an der Recherche und Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs beteiligt, der den Schuldspruch Elizabeth Johnson Jrs. aufheben sollte. Der von Senatorin Diana DiZoglio eingebrachte Gesetzentwurf S. 1016 sollte die Beschlusse von 1957 und 2001 um den Namen Elizabeth Johnsons erganzen. Am 26. Mai 2022 verabschiedete der Senat des Bundesstaates Massachusetts den entsprechenden Anderungsantrag 842 zur Aufhebung des Urteils von Elizabeth Johnson Jr. Am 28. Juli 2022 wurde die Gesetzesanderung durch Gouverneur Charlie Baker im Rahmen der Haushaltsverabschiedung unterzeichnet und damit in Kraft gesetzt. Elizabeth Johnson Jr. war die letzte Verurteilte der Hexenprozesse von 1692/93, deren Verurteilung aufgehoben wurde. Literatur Richard Hite: In the Shadow of Salem. The Andover Witch Hunt of 1692. Westholme, Yardley, PA, 2018. Enders A. Robinson: Salem Witchcraft and Hawthorne’s House of the Seven Gables. Heritage Books, Bowie, MD, 1992. Bernard Rosenthal (Hrsg.): Records of the Salem Witch-Hunt. Cambridge University Press, New York 2009. Weblinks The Last Witch. A Documentary 300 Years in the making. Abgerufen am 25. April 2024. Dokumentarfilm uber das Schulprojekt zur Rehabilitierung Elizabeth Johnsons Jrs. Salem Witch Trials: Documentary Archive and Transcription Project. Benjamin Ray, abgerufen am 25. April 2024. , siehe dort die Fallakten mit Bezug zu Elizabeth Johnson Jr. Case files referencing Elizabeth Johnson Jr. In: Salem Witchcraft Papers. Abgerufen am 25. April 2024. Einzelnachweise
Elizabeth Johnson Jr. (geboren um 1670 in Andover; gestorben 3. Januar 1747 ebendort) war ein Opfer der Hexenverfolgung im Essex County (Province of Massachusetts Bay) 1692/93. Im August 1692 verhaftet, wurde sie nach einem ausfuhrlichen Gestandnis im Januar 1693 als Hexe zum Tode verurteilt, aber umgehend begnadigt. Wahrend die meisten der Verurteilten der Hexenverfolgung bereits im 18. Jahrhundert rehabilitiert wurden, ubersah man offenbar Elizabeth Johnson Jr. auch bei weiteren Urteilsaufhebungen 1957 und 2001. Ihr Urteil war das letzte der Salemer Hexenprozesse, das noch Bestand hatte. Es wurde 2022 nach der Kampagne einer Klasse von Mittelschulern aus Andover aufgehoben.
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c-642
Karl-Ernst Swora (* 12. November 1933 in Alt Raudten, Provinz Niederschlesien; † 9. September 2001 in Berlin) war ein deutscher Architekt und Bauingenieur, der mit seinen Bauten in den 1960er bis 1980er Jahren die Neugestaltung des Ost-Berliner Stadtzentrums entscheidend mitpragte. Die Gebaude Ungarische Botschaft in Berlin Unter den Linden, 1966, und Haus des Berliner Verlages, 1973, sind ein Bekenntnis zur Moderne in der Tradition des Bauhauses. Sworas wichtigste Projekte waren der Palast der Republik, bei dem er stellvertretender Chefarchitekt war, und die Berliner Charite u. a. mit dem Neubau des Chirurgischen Zentrums und dem Bettenhochhaus. Damit ist Karl-Ernst Swora, aus heutiger Sicht, ein wichtiger Vertreter der „Ostmoderne“ auf dem Gebiet des Gesellschaftsbaus. In seiner Funktion als Chefarchitekt der Berliner Charite (1976–90) und Generalprojektant Friedrichstraße Nord gehort er neben Heinz Graffunder, Manfred Prasser, Gunter Stahn und anderen zu den herausragenden Generalplanern Ost-Berlins. Leben und Werk = Ausbildung und erste Arbeiten = Karl-Ernst Swora stammt aus einfachen Verhaltnissen. Der Vater kam wahrend des Zweiten Weltkrieges durch einen Unfall ums Leben, die Mutter floh mit ihm aus Schlesien vor der herannahenden Front. Sein Ziel, Architektur zu studieren um etwas aufzubauen, erwuchs sicherlich aus entbehrungsreicher Kindheit und Erfahrungen des Krieges mit dessen Zerstorungen. Swora begann seinen Weg an der Basis: Er erlernte in Neustadt (Sachsen) den Beruf des Bau- und Mobeltischlers und erwarb spater den Meisterbrief. Nach dem Besuch der Fachschule fur Ausbautechnik in Weimar von 1952 bis 1953 folgten Studien an der Fachschule fur Innenarchitektur und Holztechnik und der Ingenieurschule fur Bauwesen Berlin, die er als Bauingenieur abschloss. Anschließend arbeitete er von 1957 bis 1960 im Projektierungsburo Berlin und im Zentralen Entwurfs- und Konstruktionsburo der NVA in Berlin. 1961 wechselte er zum VEB Berlin-Projekt in das Kollektiv von Hanns Hopp und war dort bis 1967 tatig. In dieser Zeit plante und realisierte er ein Burogebaude in der Storkower Straße (1961, mit Manfred Prasser) und die Appartementhauser in der Friedrichsgracht (1964, mit Heinz Graffunder). 1966 projektierte Swora, als verantwortlicher Architekt im Kollektiv Hopp, das Gebaude fur die Ungarische Botschaft in Berlin Unter den Linden. Damit realisierte er erstmals einen großeren Gesellschaftsbau, der spater durch die unter Denkmalschutzstellung als beispielhaftes Gebaude der DDR-Moderne gewurdigt wurde; 1999 erfolgte der umstrittene Abbruch und ein Botschaftsneubau durch den Hausherrn, nicht in Anlehnung der vorherigen Architekturplane. Der Planungsbetrieb VEB Berlin-Projekt ging 1968 im neu gegrundeten VEB BMK Ingenieurhochbau Berlin (IHB) auf. Dort setzte Swora im Betrieb IHB-Projektierung mit seinem eigenen Buro bis zur Auflosung des Kombinats 1990 seine Karriere fort und errichtete zunachst das Burogebaude fur das Bau-und Montagekombinat (BMK) in der Karl-Liebknecht-Straße. In den folgenden Jahren arbeitete er an vielen entscheidenden Vorhaben des Gesellschaftsbaus in Berlin: So entstand 1973, am Alexanderplatz, das Haus des Berliner Verlages mit dem Pressecafe. Nach bewegter Nachwendezeit (geplanter Abriss, dann Umbau in den 1990ern) wurde das Gebaude 2015, gemeinsam mit dem Gebaudeensemble der Nachkriegsmoderne am Alexanderplatz, unter Denkmalschutz gestellt. Nach dem denkmalgerechten Umbau durch das Architekturburo Gerkan, Marg und Partner (GMP) hat es heute weitestgehend seine historische Fassade zuruckerhalten. Andere Bauten des Architekten wurden abgerissen (Palast der Republik, Empfangsgebaude des Berliner Ostbahnhof) oder erhielten ein anderes Erscheinungsbild (Bettenhochhaus der Charite, nach Umbau). = Palast der Republik = Gemeinsam mit Heinz Graffunder leitete er das wichtigste Bauprojekt der DDR der 1970er Jahre, den Bau des Palasts der Republik. Zunachst wurden von einem Kollektiv der Bauakademie Berlin unter Leitung von Heinz Graffunder, beginnend mit einer Vorstudie, erste Plane fur ein Mehrzweckgebaude erarbeitet. Nach Beschluss der DDR-Regierung fur das Gebaude, erfolgte die Bildung eines sogenannten „Generalprojektanten“, womit im Betrieb IHB-Projektierung die planerischen Ressourcen gebundelt wurden und die weitere „Gleitende Planung“ erfolgte. Karl-Ernst Swora ubernahm seitens des Ingenieurhochbau Berlin die Position des Stellvertretenden Chefarchitekten und war insbesondere fur die Konzeption der Innengestaltung (Phase 4–6) und Leitung der vom Minister fur Bauwesen berufenen Konsulentengruppe (u. a. Josef Kaiser, Gerhard Guder, Edmund Collein, Wolfgang Urbanski) verantwortlich. = Charite = Nach der Bewaltigung dieses architektonischen und organisatorischen Meilensteins folgten neben der Umsetzung eigener Projekte auch Aufgaben als Generalplaner. Von 1976 bis 1990 war er Chefarchitekt der Berliner Charite und leitete und plante unter Mitwirkung vieler Architekten seines Kollektivs (u. a. Gunter Kunert, Gunter Derdau, Gerd Piper, Heinz Aust, Friedrich Kalusche, Dieter Bankert und viele mehr), die Rekonstruktion und den Neubau der Charite mit Speisenversorgung, Chirurgisch orientiertem Zentrum und Bettenhaus (nach Umbau anderes Erscheinungsbild). = Ostbahnhof = Zur 750-Jahrfeier Ost-Berlins im Jahr 1987 realisierte das Kollektiv Swora die Planung des neuen Empfangsgebaudes des Berliner Ostbahnhof, der kurzzeitig zum „Hauptbahnhof der Hauptstadt der DDR“ wurde. Nach der Wende wurde das Gebaude von der Deutschen Bahn abgerissen, weil sich das neue gewunschte Konsum-Konzept nicht im bestehenden Bau umsetzen ließ. Das Gebaude hatte heute eine gute Aussage uber die Architektursprache von Karl-Ernst Swora getroffen, wie sein Sohn Sven Swora auf seinem Blog schreibt: = Friedrichstraße = Swora war ebenfalls Generalprojektant der Friedrichstraße Nord (nordlich der Spree) und mit der Gestaltung und Umsetzung verschiedenster Planungen betraut. Mit seinem Architektenkollektiv realisierte er in den 1980ern u. a. das Haus der Sowjetischen Wissenschaft und Kultur, 1984, und das Wohn- und Geschaftshaus Quartier 401 (Spreeterrassen) an der Weidendammer Brucke, 1988–90 sowie das Quartier 303 an der Ecke Claire-Waldoff-Straße. = Selbststandigkeit = Nach der Wende grundete Swora 1991 ein eigenes Architekturburo in der Architekten- und Ingenieurgesellschaft (AIG), die als Teil-Rechtsnachfolger des IHB Projektierung kontinuierlich Bauvorhaben in Berlin und in den neuen Bundeslandern realisierte. Mitarbeiter waren u. a. Margarita Stefanenko, Gunter Kunert, Gerd Piper. Aufgrund einer schweren Krankheit musste Swora Ende der 1990er Jahre seine Tatigkeit beenden und ubergab das Buro seinen Mitarbeitern. Projekte (Zusammenfassung und Auswahl) 1961: Burogebaude Storkower Straße, mit Manfred Prasser 1964: Wohnungsbau Bruderstraße/Friedrichsgracht, mit Heinz Graffunder und Eckart Schmidt 1966: Ungarische Botschaft in Berlin 1968: Burogebaude in der Karl-Liebknecht-Straße 1973: Haus des Berliner Verlages und Pressecafe 1973–1976: Palast der Republik als stellvertretender Chefarchitekt 1976–1990: Chefarchitekt der Charite-Neubauten 1977–82: Neubau Speiseversorgung, Chirurgisches Zentrum und Bettenhaus der Charite 1984: Russisches Haus der Wissenschaft und Kultur 1987: Umbau/Neubau des Ostbahnhof: Empfangsgebaude, Verwaltungsgebaude, Parkgeschoss 1980er: Generalprojektant Friedrichstraße Nord im Rahmen der Neugestaltung der Friedrichstraße 1988–90: Wohn- und Geschaftshaus Quartier 401 (Spreeterrassen) an der Weidendammer Brucke 1988–90: Wohn- und Geschaftshaus Quartier 303 Projektierung zahlreicher Schwimmhallen, u. a. auf der Fischerinsel, in Pankow und im Ernst-Thalmann-Park. Nach 1990: Planungen ICE-Wartungshalle fur die DB in Berlin-Rummelsburg, Sanatorium in Buckow, Schulgebaude in Marzahn, verschiedene Wohnungsbauprojekte. Realisierte Bauten Auszeichnungen Fur seine Bauten wurde Swora mit dem Nationalpreis I. und II. Klasse, dem Architekturpreis, dem Goethepreis und mit der Schinkelmedaille in Silber und Bronze ausgezeichnet. Ausstellungen 2015: Berlinische Galerie Radikal Modern, Planen und Bauen im Berlin der 1960er Jahre 2021: Berlinische Galerie Anything Goes? Berliner Architekturen der 1980er Jahre 2021: Berlin ifa–Institut fur Auslandsbeziehungen e.V. Zwei deutsche Architekturen 1949–1989 2024: Hin und weg, der Palast der Republik ist Gegenwart. Literatur Holger Barth, Thomas Topfstedt u. a.: Vom Baukunstler zum Komplexprojektanten. Architekten in der DDR. In: Dietrich Furst, Karl-Dieter Keim, Volker Martin, Gunther Uhlig (Hrsg.): REGIO (= REGIO-doc. Band 3). IRS/Institut fur Regionalentwicklung und Strukturplanung, Erkner 2000, ISBN 3-934669-00-X, S. 232–234 (ddr-planungsgeschichte.de [PDF]). Joachim Schulz, Werner Grabner: Architekturfuhrer DDR. Berlin. 2. Auflage. Verlag fur Bauwesen, Berlin, S. 20, 36, 51, 73, 93 (Nr.2 - Ungarische Botschaft; Nr. 33 - Palast der Republik; Nr. 56 - Haus des Berliner Verlags; Nr. 98 - Burogebaude BMK Ingenieurhochbau; Nr. 138 - Volksschwimmhalle Weinstraße Ecke Hochste Straße). Weblinks sven swora aquarelle logbook: Haus des Berliner Verlages, Bauzeit:1970-73, Architek: Karl-Ernst Swora (1933–2001). In: sven-swora-aquarelle-logbook.blogspot.com. 7. Dezember 2018, abgerufen am 20. Juli 2023. Bauingenieur Karl-Ernst Swora. In: digiporta.net. 12. November 1933, abgerufen am 24. Juli 2023. Karl-Ernst Swora - Deutsche Digitale Bibliothek. In: deutsche-digitale-bibliothek.de. Abgerufen am 7. November 2023. Ausstellung Zwei deutsche Architekturen 1949–1989. In: berlin.de. 12. September 2021, abgerufen am 7. August 2023. Falk Jaeger: Pressehaus am Alex: Die spate Rettung der Ost-Moderne. In: tagesspiegel.de. 18. Juli 2023, abgerufen am 25. September 2023. Karl-Ernst Swora. In: archINFORM. Einzelnachweise
Karl-Ernst Swora (* 12. November 1933 in Alt Raudten, Provinz Niederschlesien; † 9. September 2001 in Berlin) war ein deutscher Architekt und Bauingenieur, der mit seinen Bauten in den 1960er bis 1980er Jahren die Neugestaltung des Ost-Berliner Stadtzentrums entscheidend mitpragte. Die Gebaude Ungarische Botschaft in Berlin Unter den Linden, 1966, und Haus des Berliner Verlages, 1973, sind ein Bekenntnis zur Moderne in der Tradition des Bauhauses. Sworas wichtigste Projekte waren der Palast der Republik, bei dem er stellvertretender Chefarchitekt war, und die Berliner Charite u. a. mit dem Neubau des Chirurgischen Zentrums und dem Bettenhochhaus. Damit ist Karl-Ernst Swora, aus heutiger Sicht, ein wichtiger Vertreter der „Ostmoderne“ auf dem Gebiet des Gesellschaftsbaus. In seiner Funktion als Chefarchitekt der Berliner Charite (1976–90) und Generalprojektant Friedrichstraße Nord gehort er neben Heinz Graffunder, Manfred Prasser, Gunter Stahn und anderen zu den herausragenden Generalplanern Ost-Berlins.
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c-643
Annie Rauwerda (* 27. November 1999 in Grand Rapids, Michigan) ist eine US-amerikanische Internet-Personlichkeit, Journalistin und Komikerin. Sie erlangte Bekanntheit durch Depths of Wikipedia, eine Sammlung von verschiedenen Social-Media-Accounts, mit denen sie ungewohnliche oder amusante Auszuge aus Wikipedia-Artikeln veroffentlicht. Leben = Privates = Rauwerda wuchs in Grand Rapids (Michigan) auf. 2019 studierte sie an der University of Michigan, die sie 2022 mit einem Bachelor of Science in Neurowissenschaften abschloss. Seit 2023 lebt sie in New York. = Wikipedia = Wahrend der COVID-19-Pandemie legte Rauwerda in verschiedenen sozialen Medien Konten unter dem Namen Depths of Wikipedia an. Dort postet sie regelmaßig Screenshots von Seiten der Wikipedia und Schwesterprojekten, die skurril oder amusant sind. Im Jahr 2024 hatte ihr Konto auf Instagram 1,3 Millionen Follower, das auf TikTok 185.000 und auf X 870.000 Follower. Sie ist nach Erstellung der Accounts selbst als Autorin aktiv geworden und editiert bei der englischsprachigen Wikipedia. Neben ihren Tatigkeiten im Internet ist sie auch als Komikerin aktiv und veranstaltet seit 2021 Comedy-Shows, bei denen sie meistens ihre besten Screenshots in einer Tonbildschau prasentiert und kommentiert. Diese Veranstaltungen ahneln humoristischen Vortragen, die teilweise individuell an den jeweiligen Auftrittsort angepasst werden und teilweise auch mit Unterstutzung beruhmter Gaste durchgefuhrt werden. 2023 prasentierte sie ihr Format im Rahmen eines TED-Talks. Anfang 2024 kundigte sie an, keine weiteren Shows zu veranstalten und stattdessen ein Sachbuch uber Wikipedia und deren Autorengemeinschaft zu schreiben. Neben diesen Projekten versucht Rauwerda, die Mitarbeit an der Wikipedia unter anderem durch das Veranstalten von Edit-a-thons zu popularisieren. Fur ihre Aktivitaten wurde sie 2022 von der Wikimedia Foundation zum Media Contributor of the Year gewahlt. Ebenfalls ist sie publizistisch tatig und schreibt fur die Studentenzeitung ihrer Universitat The Michigan Daily, fur Blogs und fur das Online-Magazin Slate. = Ewige Suppe = Am 7. Juni 2023 fing Rauwerda an, eine vegane Lauchsuppe zu kochen. Inspiriert vom Konzept der ewigen Suppe bewahrte sie immer einen Teil der Suppe auf und fugte nach jeder Mahlzeit neue Zutaten hinzu. Mit der Zeit veranstaltete sie „Suppenabende“ in Bushwick, New York, wo Interessierte dazu eingeladen waren, ihre eigenen Zutaten mitzubringen. Insgesamt beteiligten sich ungefahr 300 Personen, und das Vorhaben endete nach 60 Tagen am 6. August 2023. Die Veranstaltung erhielt beachtliche Aufmerksamkeit in den sozialen Medien und zog internationale Berichterstattung nach sich. Weblinks Webprasenz von Annie Rauwerda Einzelnachweise
Annie Rauwerda (* 27. November 1999 in Grand Rapids, Michigan) ist eine US-amerikanische Internet-Personlichkeit, Journalistin und Komikerin. Sie erlangte Bekanntheit durch Depths of Wikipedia, eine Sammlung von verschiedenen Social-Media-Accounts, mit denen sie ungewohnliche oder amusante Auszuge aus Wikipedia-Artikeln veroffentlicht.
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c-644
Francois-Xavier Vispre (geboren 13. Mai 1725 in Voisey; gestorben 28. August 1792 in London) war ein franzosisch-englischer Pastellmaler und Grafiker. Leben Francois-Xavier Vispres Lebensdaten sind nicht sicher uberliefert. Er war ein Sohn des Limonadiers Francois Vispre aus Besancon und der Elisabeth Marcoul. Sein jungerer (in der Literatur auch alterer) Bruder Victor Vispre wurde als Glasmaler bekannt und ging ebenfalls nach London. Seine Ausbildung als Maler erhielt Vispre wahrscheinlich in Paris. Er schuf Druckgrafiken in der Schabkunst von Mitgliedern der franzosischen koniglichen Familie nach Gemalden von Jean-Etienne Liotard. Ab 1760 war er in London nachweisbar und malte dort Portrats, Miniaturen und Genreszenen. 1764 heiratete Vispre Mary Hunter in der Kirche St. Anne in Soho, ihr Sohn starb bereits 1768. Seine Grafik aus dem Jahr 1765 von Chevalier d’Eon, der in Frauenkleidern auftrat, wurde wegen des Sujets erfolgreich vermarktet. 1774 wurde er als einer der Grafiker genannt, die die neuartige Aquatinta-Technik anwenden. 1777 stellte er wie auch sein Bruder in Dublin aus, 1780 war er wieder in London nachweisbar. 1786 veroffentlichte er ein Traktat uber den Anbau von Wein in England. Er beteiligte sich 1789 zum wiederholten Male an einer Ausstellung in der Royal Academy. Vispre war Mitglied der Society of Artists. Vispre wandte sich auch der Kunst des Trompe-l’œil zu, wobei er Stiche unter einer Glasscheibe darstellte, die zersprungen war. Um die Wirkung zu steigern, blieben im Stich Le concert nach Philippe Mercier noch ein paar abgefallene Scherben am Boden des vorgetauschten Rahmens stecken. Literatur Ulrich Schneider: Vispre, Francois-Xavier. In: Allgemeines Kunstlerlexikon. Die Bildenden Kunstler aller Zeiten und Volker (AKL). Band 113, De Gruyter, Berlin 2021, ISBN 978-3-11-055062-7, S. 394 f. Weblinks Neil Jeffares: Vispre, Francois-Xavier, in: Dictionary of pastellists before 1800. London: Unicorn Press, 2006. Online edition, PDF, Stand September 2023 Justus Lange: Trompe l'oeil eines Mezzotinto-Blattes "Le Concert" (nach Philippe Mercier) unter einem zerbrochenen Glas, Katalogtext, bei MHK, 2015 Francois Xavier Vispre, Bilder im Bestand des British Museum Anmerkungen
Francois-Xavier Vispre (geboren 13. Mai 1725 in Voisey; gestorben 28. August 1792 in London) war ein franzosisch-englischer Pastellmaler und Grafiker.
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Ermanno Salvaterra (geboren 21. Januar 1955 in Pinzolo; gestorben 18. August 2023 am Campanile Alto in der Brentagruppe) war ein italienischer Bergsteiger, Bergfuhrer und Dokumentarfilmer. Internationale Bekanntheit erlangte er durch seine Begehungen am Cerro Torre in Patagonien, weshalb er als der Uomo del Torre (italienisch fur Mann des Torre) bezeichnet wurde. Leben Salvaterra erlernte das Klettern als Autodidakt in der Brentagruppe. Seine Eltern waren langjahrige Huttenwirte des Rifugio Dodici Apostoli, so dass er bereits als Kind die Sommer auf der Hutte verbrachte. In der Umgebung der Hutte machte er auch seine ersten Gehversuche als Bergsteiger. Mit elf Jahren bestieg er mit dem 2891 m hohen Torre d’Algola seinen ersten Berg. Einige Alpinisten hatten zuvor seine Begeisterung fur die Berge erkannt und ihn als Seilgefahrten mitgenommen. Als er 20 Jahre alt war, wurde er Skilehrer und vier Jahre spater Bergfuhrer. Bereits in jungen Jahren eroffnete er zahlreiche neue Routen in der Brenta, darunter am Campanile Basso und am Crozzon di Brenta. Die Route „Super Maria“ am Crozzon widmete er seiner Großmutter. Von Renato Casarotto angeregt, begann er sich fur die Berge in Patagonien zu interessieren. 1982 brach er mit Elio Orlandi zu seiner ersten Sudamerikaexpedition nach Patagonien auf. Dort durchstiegen sie die von Cesare Maestri 1970 unter Kompressoreinsatz eroffnete Route am Cerro Torre. 50 m unterhalb des Gipfels waren sie allerdings zur Umkehr gezwungen. Salvaterra berichtete spater in seinem 2021 erschienenen Buch, dass ihnen am Morgen des letzten Aufstiegtages in der Wand der Proviant ausgegangen war. Bereits im Jahr darauf gelang ihm im zweiten Versuch zusammen mit Maurizio Giarolli und Orlandi die erste Wiederholung der Kompressorroute. In derselben Saison bestieg er den Fitz Roy, die Aguja Poincenot und die Aguja Guillaumet. 1984 zog es ihn in den Himalaya. Die geplante Besteigung des 8445 m hohen Makalu scheiterte allerdings aufgrund mehrerer widriger Umstande auf einer Hohe von 7000 m. An der Makalu-Expedition waren neben Salvaterra unter anderem auch Sergio Martini, Fausto De Stefani und Toni Valeruz beteiligt, denen ebenfalls der Gipfel versagt blieb. 1985 gelang Salvaterra in einer Vierer-Seilschaft die erste Winterbegehung des Cerro Torre. Elf Tage musste die Seilschaft dabei in der Wand verbringen. In den 1980er Jahren machte er sich aber auch in der Brenta mit mehreren aufeinanderfolgenden Alleinbegehungen in Rekordzeiten einen Namen. So bestieg er in 9 ½ Stunden nacheinander den Crozzon di Brenta, die Cima Brenta Bassa, den Campanile Basso uber die Fehrmann- und die Preuß-Route und den Westgrat des Campanile Alto. Drei Jahre spater durchstieg er gleich funf Wande nacheinander im Alleingang in weniger als 12 Stunden am Crozzon di Brenta, Cima Tosa, Cima Brenta Alta, Campanile Basso und Campanile Alto. Neben der Bergsteigerei versuchte er sich ab 1986 auch im Geschwindigkeitsskifahren. Mit 211,640 km/h stellte er 1988 einen italienischen Rekord auf, der funf Jahre lang Bestand hatte. Seine Leidenschaft galt aber dem Cerro Torre. Insgesamt funf neue Routen eroffnete er auf dem Cerro. 1989 machte ihm das Wetter einen Strich durch die Rechnung, als er mit Maurizio Giarolli und Elio Orlandi die beieinander liegenden Cerro Standhart, Punta Herron, Torre Egger und Cerro Torre nacheinander besteigen wollte. Auch spatere Versuche, die vier Berge nacheinander zu besteigen, scheiterten. 1995 eroffnete er die Route „Infinito Sud“ auf den Cerro Torre, fur die er und seine Begleiter 24 Tage in der Wand verbrachten, wobei sie eine Aluminiumbox als Schlafplatz mit sich fuhrten. 2005 gelang es ihm mit Rolando Garibotti und Alessandro Beltrami erstmals, auf der in Teilen angeblich von Cesare Maestri und Toni Egger 1959 begangenen Route auf den Cerro Torre bis zum Gipfel durchzusteigen. Spater erzahlte er, dass er dabei auf keinerlei Spuren einer vorherigen Besteigung gestoßen sei. Damit schurte er die Diskussionen um Maestri an, obwohl er ihn stets verteidigt hatte. Ermanno Salvaterra war zudem begeisterter Dokumentarfilmer. Insgesamt drehte er elf Filme, die zum Teil ausgezeichnet wurden. Salvaterra verungluckte todlich im Alter von 68 Jahren bei der Besteigung des Campanile Alto in der Brentagruppe. Veroffentlichungen (Auswahl) = Filmografie = 1992: Blu Patagonia 1996: Infinito sud, ausgezeichnet auf dem Trento Film Festival 2002: Pensieri nel Vento, ausgezeichnet auf dem Trento Film Festival 2006: Cerro Torre, el Arca del los Vientos, ausgezeichnet auf dem Berg- und Abenteuerfilmfestival Graz = Schriften = L’uomo del Torre: pensieri nel vento. Alpine Studio, Lecco 2011, ISBN 978-88-96822-09-8. Patagonia il grande sogno. Mondadori, Mailand 2021, ISBN 978-88-918-2826-2. Literatur Antonella Cicogna: Salvaterra, Ermanno. In: Enciclopedia dello Sport. Band: Alpinismo – canottaggio. Istituto della Enciclopedia Italiana, Rom 2004. Christian Roccati: Ermanno Salvaterra. RCS, Mailand 2020. Weblinks Veroffentlichungen von Salvaterra im OPAC des Servizio Bibliotecario Nazionale (SBN) Ermanno Salvaterra: Cerro Torre, il verdetto finale – 1. In: sherpa-gate.com. 10. Oktober 2021, abgerufen am 16. April 2024 (italienisch). Einzelnachweise
Ermanno Salvaterra (geboren 21. Januar 1955 in Pinzolo; gestorben 18. August 2023 am Campanile Alto in der Brentagruppe) war ein italienischer Bergsteiger, Bergfuhrer und Dokumentarfilmer. Internationale Bekanntheit erlangte er durch seine Begehungen am Cerro Torre in Patagonien, weshalb er als der Uomo del Torre (italienisch fur Mann des Torre) bezeichnet wurde.
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Vera Machoninova (* 27. September 1928 in Strakonice) ist eine bedeutende tschechische Architektin und Publizistin in der zweiten Halfte des 20. Jahrhunderts, die zusammen mit ihrem Mann Vladimir Machonin eine Reihe bekannter Gebaude im Baustil des sogenannten Brutalismus, dessen Name sich von dem franzosischen Wort fur Sichtbeton (Beton brut) ableitet, entwarf. Ihre realisierten Entwurfe sind nicht zahlreich, aber sie sind markant. Am bekanntesten wurde sie durch den Entwurf des Kaufhauses Kotva in Prag. Leben Vera Machoninova wurde in Strakonice geboren und machte 1947 ihren Abschluss am Realgymnasium in Jicin. Anschließend trat sie in die Fakultat fur Architektur und Bauingenieurwesen der Tschechischen Technischen Universitat ein, wo sie 1952 ihren Abschluss machte. Nach ihrem Universitatsabschluss besuchte sie bis 1967 das Staatliche Institut fur Design in Prag. Danach grundete mit ihrem Ehemann Vladimir Machonin das Architekturstudio Alfa, das zusammen mit drei weiteren Studios den Verband der Prager Designstudios bildete. Die Erfolge des Studios bei Wettbewerben schutzten sie jedoch nicht vor der kommunistischen Herrschaft. Dies fuhrte dazu, dass die Eheleute Machonin vor allem in der Zeit nach dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes im Jahre 1968 Repressalien ausgesetzt waren. So wurden sie beispielsweise daran gehindert, an Architekturwettbewerben teilzunehmen oder zu publizieren. Dies hatte zur Konsequenz, dass der Verband der Designstudios aufgelost wurde. Da ohne Wettbewerbe keine Auftrage vergeben wurden, war Vera Machoninova gezwungen, im Projektinstitut der Stadt Prag zu arbeiten, wo sie in der Regel als Betreuerin laufender Projekte tatig war. Des Weiteren fokussierten die Machonins sich auf weniger exponierte Bereiche der Innenarchitektur. Im November 1989 erhofften sie sich eine Wiederaufnahme ihrer Tatigkeit, jedoch verstarb Vladimir Machonin im darauffolgenden Jahr und die Ara der gemeinsamen Arbeit fand ihr endgultiges Ende. Im Jahr 1991 grundete Vera Machoninova ihr eigenes Architekturburo – Atelier Alfa, das immer noch unter ihrem Namen tatig ist. Sie befasst sich hauptsachlich mit kleineren Auftragen und originellen Rekonstruktionen und Anderungen ihrer eigenen Hausentwurfe, denen sie und ihr Mann ihr Leben gewidmet haben. Im Jahr 2006 wurde ihr der Große Preis der Gesellschaft der tschechischen Architekten verliehen, der renommierteste Preis auf ihrem Gebiet in der Tschechischen Republik. Die wichtigste Auszeichnung, die die Architektin bisher erhalten hat, ist der Preis des Kulturministeriums fur ihren Beitrag zur Architektur. Ihr Werk ist weithin bekannt fur ihren unverwechselbaren Stil und ihre fur damalige Verhaltnisse sehr prowestliche und zeitlose Handschrift, aber auch dafur, dass sie mit neuen Materialien und Technologien experimentierte, was fur die damalige Zeit ungewohnlich und außerst komplex war. Sie und ihr Mann haben drei Tochter, von denen eine Architektin und zwei Arztinnen wurden. Werk Bereits vier Jahre nach ihrem Abschluss an der Tschechischen Technischen Universitat gewannen Vera Machoninova und ihr Mann den ersten Preis bei einem Wettbewerb fur das Haus der Kultur in Jihlava, das einen großen Komplex umfasste. 1964 gewannen sie einen weiteren Architekturwettbewerb, diesmal fur das Internationale Hotel und Festivalkino in Karlovy Vary, das mehrere Sale, ein Hotel, Restaurants und andere Einrichtungen, darunter ein 50-Meter-Schwimmbecken, umfasst. Sie nahm auch am Wettbewerb fur das Gebaude der University of Dublin teil; ihr Team belegte den dritten Platz (1966). Das Architekturburo Alfa, das sie zusammen mit ihrem Mann nach dem Verlassen des Staatlichen Designinstituts grundete, bekam 1968 das Angebot zur Realisierung fur das Haus der Wohnkultur in Prag, welches sich auf den Verkauf von Designmobeln konzentrierte. Die Realisierung dauerte elf Jahre. Ein großer Erfolg war der erste Preis im Architekturwettbewerb fur das Kaufhaus Kotva am Platz der Republik in Prag. Im selben Jahr gewann ihr Entwurf fur das Gebaude der tschechoslowakischen Botschaft im damaligen Ost-Berlin. Aufgrund mehrjahriger Verzogerungen, die durch die sozialistische Bauwirtschaft entstanden, wurden die Siegerprojekte aus den 1960er Jahren erst zu einem Zeitpunkt realisiert, als die sogenannte Normalisierung bereits in vollem Gange war. Beide Architekten wurden dadurch von Uneingeweihten als Handlanger des Regimes betrachtet. Ihr architektonischer Stil trug dazu bei – stark, kraftvoll, imposant, oft wenig sensibel gegenuber den umliegenden Gebauden. Selbst ihr eigenes Haus am Hang oberhalb von Smichov ist ein Beispiel fur den reinen Brutalismus. Man kann ihre Werke nicht als politisch exponierte Bauten einstufen, geschweige denn mit den bizarren Strukturen vergleichen, die die kommunistischen Machthaber aufzwangen. Es handelt sich immer um einzigartige, gut funktionierende Gebaude. Selbst das umstrittenste Werk – der Thermal-Komplex, ohne den das Karlsbader Filmfestival bis heute nicht existieren wurde – zeigt seine Verbundenheit mit der europaischen Architektur jener Zeit. Mit ihren Entwurfen loste Vera Machoninova zudem oft Probleme, die andere Entwurfe nicht losen konnten (z. B. erreichte sie mit dem Entwurf des Kaufhauses Kotva eine große Verkaufsflache auf einem relativ kleinen Grundstuck). Ihr Entwurf enthielt auch – ein damaliges Novum – eine Tiefgarage. Nach dem Tod ihres Mannes, Vladimir Machonin, arbeitete sie allein in ihrem eigenen Buro, Atelier Alfa, wo sie weiterhin erfolgreich entwarf. Neben Familien- und Wohnhausern gestaltete sie auch die Inneneinrichtung aller Gebaude passend zum Stil des Gebaudes, was unter anderem zu einer Reihe von originellen Sitzgelegenheiten fuhrte, die noch heute in thematischen Ausstellungen zu sehen sind. Die meisten Arbeiten der Machonins blieben nur Wettbewerbsprojekte. Sie beteiligten sich auch an Projekten mit anderen Architekten, wie Karel Prager oder Bretislav Tomas. = Mit ihrem Ehemann = Haus der Kultur in Jihlava (Projekt 1956, Realisierung 1961) Hotel Thermal: Internationales Hotel und Festivalkino in Karlsbad (Projekt 1964, Verwirklichung 1977) Haus der Wohnkultur in Prag (Projekt 1968, Verwirklichung 1977) Eigenes Haus (1968–1978), Prag 5 Haus von Otomar Krejci in Prag 6 – Bubenc, Stursova-Straße (1969–1976) Kaufhaus Kotva in Prag (Projekt 1970, Realisierung 1974) Das Gebaude der Botschaft der Tschechoslowakei in Berlin (Projekt 1970, Realisierung 1978) Wohnheim der Firma Teplotechna in Prag, Jecna 243 (1978–1984) = Alleine = Bau einer neuen Grundschule in Nebusice (Realisierung 1955–1958) Der zentrale Marktplatz von Steti (1996) Stadtzentrum von Jablonec nad Nisou (1999) Auszeichnungen 2006 Grand Prix fur das Lebenswerk der Gesellschaft der tschechischen Architekten 2014 Ehrung der Tschechischen Architektenkammer 2017 Preis des Kulturministeriums fur Beitrage im Bereich Architektur Literatur In: Pavel Smetak, Klara Pucerova. 60’/70’ : Vera a Vladimir Machoninovi = Vera and Vladimir Machonin : katalog vystavy 22/12/2010-30/01/2011. Praha: Galerie Jaroslava Fragnera, 2010. ISBN 978-80-904484-1-4. (cz, en) Weblinks Tschechische Botschaft Berlin. In: visitberlin.de. Abgerufen am 5. Marz 2024. Maria Neuendorff: DDR-Geschichte in Berlin: Tschechische Botschaft – exklusiver Einblick vor Schließung | MMH. In: moz.de. 4. Marz 2024, abgerufen am 5. Marz 2024. Architektinnen der Spatmoderne: Vera Machoninova und Ursulina Schuler-Witte / Tschechisches Zentrum Berlin. In: berlin.czechcentres.cz. Abgerufen am 5. Marz 2024. Respekt Madam – Website uber die Arbeit der Machonins Vera Machoninova auf archiweb.cz Einzelnachweise
Vera Machoninova (* 27. September 1928 in Strakonice) ist eine bedeutende tschechische Architektin und Publizistin in der zweiten Halfte des 20. Jahrhunderts, die zusammen mit ihrem Mann Vladimir Machonin eine Reihe bekannter Gebaude im Baustil des sogenannten Brutalismus, dessen Name sich von dem franzosischen Wort fur Sichtbeton (Beton brut) ableitet, entwarf. Ihre realisierten Entwurfe sind nicht zahlreich, aber sie sind markant. Am bekanntesten wurde sie durch den Entwurf des Kaufhauses Kotva in Prag.
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Die Architektur Madagaskars ist einzigartig in Afrika und weist starke Ahnlichkeit mit den Baunormen und Methoden aus dem Suden Borneos auf, aus dem vermutlich die ersten Bewohner Madagaskars eingewandert sind. In ganz Madagaskar, auf Borneo und Ozeanien haben die meisten traditionellen Hauser eine rechteckige statt einer runden Form und verfugen uber ein steil geneigtes, spitzes Dach, das von einem zentralen Pfeiler getragen wird. Unterschiede in den vorherrschenden traditionellen Baumaterialien bilden die Grundlage fur einen Großteil der Vielfalt der Architektur von Madagaskar. Lokal verfugbare Pflanzenmaterialien waren die ersten verwendeten Materialien und sind in traditionellen Gemeinschaften nach wie vor die am haufigsten verwendeten Materialien. In den Zwischenzonen zwischen dem zentralen Hochland und den feuchten Kustengebieten haben sich Mischstile entwickelt. Der Holzbau, der einst auf der ganzen Insel ublich war, ging zuruck, da eine wachsende menschliche Bevolkerung großere Teile des unberuhrten Regenwaldes fur die Brandrodung in der Landwirtschaft und fur Zebu-Rinderweiden zerstorte. Die Zafimaniry-Gemeinschaften in den Bergwaldern des zentralen Hochlandes sind die einzige madagassische ethnische Gruppe, die die ursprunglichen holzernen Architekturtraditionen der Insel bewahrt hat. Ihr Handwerk wurde 2003 in die UNESCO-Liste der Meisterwerke des mundlichen und immateriellen Erbes und 2008 in die Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen. Da Holz im Laufe der Zeit knapp wurde, wurden Holzhauser in bestimmten Gemeinden zum Privileg der Adelsschicht, wie beispielsweise die Hauser des Merina-Adels im Konigreich Madagaskar aus dem 19. Jahrhundert. Die Verwendung von Stein als Baumaterial war traditionell auf den Bau von Grabern beschrankt, ein bedeutendes Merkmal der Kulturlandschaft in Madagaskar aufgrund der herausragenden Stellung der Vorfahren in der madagassischen Kosmologie. Die Insel hat mehrere unterschiedliche Traditionen in der Grabarchitektur hervorgebracht: Bei den Mahafaly an der Sudwestkuste kann die Oberseite der Graber mit den Schadeln geopferter Zebus verziert und mit sogenannten Aloalo, dekorativ geschnitzten Grabpfosten, geschmuckt sein, wahrend bei den Merina ein kleines Holzhaus auf dem Grab errichtet wurde, um ihren Andriana-Status zu symbolisieren und einen irdischen Raum fur die Unterbringung der Geister ihrer Vorfahren zu bieten. Die traditionellen Architekturstile in Madagaskar wurden in den letzten zweihundert Jahren durch den zunehmenden Einfluss europaischer Stile verandert. Wahrend der Regierungszeit von Konigin Ranavalona II. (1868–1883) begann im Hochland eine Verlagerung hin zum Ziegelbau, basierend auf Modellen, die von Missionaren der London Missionary Society eingefuhrt wurden, und durch Kontakte mit anderen Auslandern. Der auslandische Einfluss nahm nach dem Zusammenbruch der Monarchie und der franzosischen Kolonisierung der Insel im Jahr 1896 weiter zu. Die Modernisierung in den letzten Jahrzehnten hat zunehmend dazu gefuhrt, dass bestimmte traditionelle Normen und Techniken auf die außere Ausrichtung und innere Anordnung von Hausern sowie die Nutzung bestimmter Hauser aufgegeben wurden und ubliche Baumaterialien, insbesondere im Hochland, verwendet werden. Inzwischen haben auslandische Baumaterialien und -techniken, insbesondere importierter Beton, Glas und Eisenelemente, im Gegensatz zu traditioneller Praktiken, an Beliebtheit gewonnen. Ursprunge Die Architektur Madagaskars ist einzigartig in Afrika und weist starke Ahnlichkeit mit der Architektur Sud-Borneos auf, aus der vermutlich die ersten Bewohner Madagaskars ausgewandert sind. Die traditionelle Bauweise in diesem Teil von Borneo, die auch als Sud-Kalimantan bekannt ist, zeichnet sich durch rechteckige, auf Pfahlen errichtete Hauser aus. Das von einem Mittelpfeiler getragene Dach ist bei diesen steil geneigt, wobei die Giebelbalken sich kreuzen und Dachhorner bilden, die dekorativ geschnitzt sein konnen. Das zentrale Hochland von Madagaskar wird von den Merina bevolkert, einem Volk, das eine starke physiologische und kulturelle Ahnlichkeit mit seinen Kalimantan-Vorfahren aufweist. Hier verfugen die traditionellen Holzhauser der Aristokratie uber einen zentralen Pfeiler (Andry), der ein steiles, mit Dachhornern verziertes Dach (Tandro-Trano) tragt. Im Sudosten Madagaskars wurden traditionell echte Zebu-Horner an der Giebelspitze befestigt, worauf der Begriff Dachhorner zuruckzufuhren ist. In ganz Madagaskar sind die Hauser rechteckig und haben ein Satteldach, wie in Kalimantan, Mittelpfeiler sind weit verbreitet und in den meisten Regionen werden traditionelle Hauser auf Pfahlen in einer Weise gebaut, die von Generation zu Generation weitergegeben wird, unabhangig davon, ob dies zu den ortlichen Gegebenheiten passt. Bestimmte kosmologische und symbolische Elemente sind auch in der indonesischen und madagassischen Architektur ublich. Der zentrale Hauspfeiler ist sowohl in Kalimantan als auch in Madagaskar heilig, und an beiden Orten wurde dieser Pfeiler traditionell beim Bau eines neuen Hauses oft mit Blut gesalbt. Auf beiden Inseln weisen die Merkmale des Gebaudes oder seine Abmessungen (Lange, Große und insbesondere Hohe) oft symbolisch auf den Status seiner Bewohner oder die Bedeutung seines Zwecks hin. Ebenso haben sowohl Madagaskar als auch Borneo eine Tradition des teilweise oberirdischen Grabbaus und die Bewohner beider Inseln schnitzen dekorative holzerne Grabpfosten, die im Westen Madagaskars Aloalo und im Kajang-Dialekt von Borneo Klirieng genannt werden. Pflanzenbasiertes Bauen Behausungen aus Pflanzenmaterial sind in den Kustenregionen weit verbreitet und wurden einst auch im gesamten Hochland haufig genutzt. Die an einem bestimmten Ort verfugbaren Pflanzenarten bestimmen das Baumaterial und den Baustil. Die uberwiegende Mehrheit der Hauser aus Pflanzenmaterial sind rechteckige, niedrige (einstockige) Hauser mit einem Spitzdach und werden oft auf niedrigen Stelzen gebaut. Diese architektonischen Merkmale sind nahezu identisch mit denen in Teilen Indonesiens. Zu den fur den Bau verwendeten Materialien gehoren Schilf (in der Nahe von Flussen), Binsen (im Sudwesten um Toliara), endemische Sukkulenten (als Zaune im Suden), Holz (im Suden und bei den Zafimaniry und fruher im Hochland verbreitet), Bambus (vor allem in den ostlichen Regenwaldern), Papyrus (fruher in den Highlands um den Alaotra-See), Graser (allgegenwartig), Palmen (allgegenwartig, aber im Westen um Mahajanga weit verbreitet) und Bast (vor allem im Norden und Nordosten). Auf einem Großteil der Ostkuste Madagaskars, die an den Indischen Ozean grenzt, ist die Architektur sehr einheitlich: Fast alle traditionellen Hauser in dieser Region sind auf niedrigen Stelzen gebaut und mit Strohdachern aus Wedeln vom Baum der Reisenden (Ravenala madagascariensis) gedeckt. Die Stelzen, der Boden und die Wande bestehen ublicherweise aus dem Stamm derselben Pflanze, typischerweise nachdem man ihn flach gestampft hat, um breite Bretter (fur Boden und Dacher) oder schmale Streifen (fur Wande) herzustellen. Diese Streifen werden vertikal am Rahmen befestigt. Die Bastpflanze wird im Norden oft anstelle vom Baum der Reisenden auch dafur verwendet. Wenn stattdessen Bambus verwendet wird, werden die langen, gestampften Blatter oft miteinander verflochten, um Wande mit einem schachbrettartigen Muster zu schaffen. Diese traditionellen Hauser haben keinen Schornstein. Ihr Boden ist mit einer gewebten Matte bedeckt und in einer Ecke sind Steine aufgehauft, wo Holzfeuer zum Kochen von Speisen angezundet werden konnen. Der sich ansammelnde Rauch schwarzt mit der Zeit die Decke und die Innenwande. Die Turen dieser Hauser blieben traditionell offen oder konnten durch einen gewebten Vorhang verschlossen werden. Heutzutage wird der Eingangsbereich haufig mit einem Stoffvorhang behangt. Je nach Region finden lokal verfugbarer Materialien Verwendung. Die großten traditionellen Kustenhauser befinden sich im Sudosten der Antaimoro-, Tanala- und Antaifasy-Volker, wo die Hauser eine Lange von 18 Fuß, eine Breite von 9 Fuß und eine Hohe von 15 Fuß erreichen konnen. Anderswo entlang der Kuste sind die Hauser viel kleiner, durchschnittlich 10 Fuß lang, 8 Fuß breit und 9 Fuß hoch. Holzgebaude Man geht davon aus, dass der Holzbau fruher in vielen Teilen Madagaskars ublich war, aber aufgrund der Abholzung der Walder so gut wie verschwunden ist. Dies gilt insbesondere fur die Highlands, wo Holz aufgrund seiner zunehmenden Seltenheit bis vor Kurzem ein Baumaterial war, das der aristokratischen Klasse vorbehalten war, wahrend die unteren Schichten andere lokal verfugbare Materialien wie Schilf und Graser zum Bauen verwenden mussten. Gelegentlich werden Stocke und Aste verwendet, sofern verfugbar, wodurch sporadische Holzdorfer entstehen, typischerweise in der Nahe von Waldreservaten. Heute werden Holzgebaude noch von Zafimariny und den Antandroy gebaut, wobei diese Architektur bei den Merina ausgestorben ist. = Holzgebaude der Merina = Bei den Merina im zentralen Hochland, dem Volk der Temanambondro (Antaisaka) in der sudostlichen Manambondro-Region und mehreren anderen ethnischen Gruppen wurde Holz durch die Abholzung zu einem wertvollen Baumaterial, das nur von Aristokraten verwendet wurde. Tatsachlich veranlasste seine traditionelle Verbindung mit der koniglichen Andriana-Klasse Konig Andrianampoinimerina (1787–1810), ein konigliches Edikt zu erlassen, das den Bau aus Stein, Ziegeln oder Erde innerhalb der Grenzen von Antananarivo verbot und eine Tradition kodifizierte, in der nur die Hauser der Adligen aus Holz gebaut wurden, wahrend die der Bauern aus lokalen Pflanzenmaterialien gebaut wurden. Diese Tradition existierte historisch gesehen bei einer Reihe ethnischer Gruppen in Madagaskar, insbesondere entlang der Ostkuste, wo die Erhaltung der Regenwalder weiterhin den Zugang zu Holz fur Bauzwecke erleichtert. Traditionelle Bauernhauser in ganz Imerina, dem Kerngebiet von Madagaskar, verfugten uber einen dicken Mittelpfeiler, der den Dachbalken stutzte, und einen kleineren aufrechten Balken an jeder Ecke, der in den Boden hineinragte, um die Struktur zu stabilisieren. Im Gegensatz zu den meisten Hausern an der Kuste wurden die Hauser im Hochland nie auf Stelzen errichtet, sondern standen immer bundig mit dem Boden. Sudlich des zentralen Pfeilers wurden in dem zum Schlafen und Kochen vorgesehenen Bereich gelegentlich Holz- oder Bambusbretter als Boden verlegt oder gewebte Matten auf den festgestampften Erdboden gelegt, der sich nach Norden uber den Pfeiler hinaus erstreckte. Traditionell befand sich das Bett des Familienoberhauptes in der sudostlichen Ecke des Hauses. Der nordliche Bereich zeichnete sich durch die Feuerstelle aus, die durch drei senkrecht in den Boden eingelassene langliche Steine begrenzt wurde. Hauser und Graber waren auf einer Nord-Sud-Achse ausgerichtet, wobei der Eingang an der Westseite lag. Der nordliche Teil des Hauses war Mannern und Gasten vorbehalten, wahrend der sudliche Teil Frauen, Kindern und Personen mit niedrigerem Rang vorbehalten war. Die nordostliche Ecke war heilig und fur Gebete und Tributgaben an die Vorfahren reserviert. Die Hauser der Adligen wurden nach denselben kulturellen Normen gebaut, mit mehreren Erganzungen. Von außen waren sie an ihren Wanden aus aufrechten Holzbrettern und den langen Holzhornern (Tandrotrano) zu erkennen, die durch die Kreuzung der Dachbalken an jedem Ende der Dachspitze entstanden. Die Lange des Tandrotrano war ein Hinweis auf den Rang: Je großer die Lange, desto hoher war der Status der darin lebenden Adelsfamilie. Auch das Innere des Gebaudes war anders gebaut und verfugte oft statt einem uber drei zentrale Pfeiler und gelegentlich uber eine holzerne Plattform, die hoch uber dem Boden angebracht war. Nachdem Andrianampoinimerinas Erlasse uber Baumaterialien in der Hauptstadt Ende der 1860er Jahre aufgehoben wurden, wurde das Bauen mit Holz aufgegeben und man baute Backsteingebaude. Die Dachhorner wurden nach und nach durch einfache dekorative Endkappen ersetzt, die an den beiden Enden der Dachspitze angebracht waren. Andere architektonische Elemente wie die Nord-Sud-Ausrichtung, der zentrale Pfeiler und die Innenaufteilung der Hauser wurden aufgegeben. In den Gebauden des Rova-Gelandes von Antananarivo (1995 bei einem Brand zerstort, aber im Wiederaufbau) wurden klassische Beispiele der Hochland-Holzarchitektur des Adels erhalten und das ummauerte Gelande in Ambohimanga, Standort der Holzpalaste von Konig Andrianampoinimerina und Konigin Ranavalona I. Ambohimanga, wohl das kulturell bedeutendste verbliebene Beispiel der Holzarchitektur der Hochlandaristokratie, wurde 2001 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklart. = Holzgebaude der Zafimaniry = Die Zafimaniry bewohnen die waldreiche, regenreiche und gemaßigte Region des Hochlands ostlich von Ambositra. Ihre Hauser sind rechteckig. Sie sind etwa 15 Fuß lang, 12 Fuß breit und 18 Fuß hoch. Die Hauser haben ein Spitzdach mit uberhangenden Dachvorsprungen und Holzfenstern und -turen. Viele der gleichen Standards, die in den aristokratischen Architekturtraditionen von Imerina zu finden sind, finden sich in den Zafimaniry-Strukturen wieder, einschließlich des zentralen Holzpfeilers, der den Dachbalken tragt, der ausschließlichen Verwendung einer Nut- und Feder-Verbindungstechnik und der Ausrichtung von Gebaudeelementen wie Fenstern und Turen und die Innenaufteilung. Zafimaniry-Hauser sind oft aufwendig mit geschnitzten, symmetrischen, abstrakten Mustern verziert, die reich an komplexer spiritueller und mythologischer Symbolik sind. Die Architektur der in dieser Region gebauten Hauser gilt als reprasentativ fur den Baustil, der vor der Abholzung im gesamten Hochland vorherrschte, und stellt somit die letzten Uberreste einer historischen Tradition und ein bedeutendes Element des madagassischen Kulturerbes dar. Aus diesem Grund wurde die Holzverarbeitung der Zafimaniry 2003 in die UNESCO-Liste der Meisterwerke des mundlichen und immateriellen Erbes und 2008 in die Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen. = Holzgebaude der Antandroy = Im Gegensatz dazu bewohnen die Antandroy das Stacheldickicht Madagaskars, eine extrem trockene und heiße Region im Suden Madagaskars, in der sich einzigartige Formen durreresistenter Pflanzen entwickelt haben und gedeihen. Ihre Hauser sind traditionell quadratisch (nicht rechteckig), stehen auf niedrigen Stelzen, haben ein Spitzdach und bestehen aus vertikal hangenden Holzbrettern, die an einem Holzrahmen befestigt sind. Diese Hauser hatten traditionell keine Fenster und verfugten uber drei Holzturen: Die Vordertur war der Eingang fur Frauen, die Tur an der Ruckseite des Hauses war fur Kinder und die dritte Tur wurde von den Mannern genutzt. Um die Hauser von Antandroy herum werden oft Zaune aus Feigenkakteen (Raketa) oder einheimischen Sukkulenten aus den umliegenden Waldern errichtet. Steingebaude Im zentralen Hochland inspirierten Machtkampfe zwischen den Furstentumern Merina und Vazimba und spater zwischen den einzelnen Furstentumern Merinas im Laufe der Jahrhunderte die Entwicklung der befestigten Stadt in Imerina, der zentralen Region des Hochlandes von Madagaskar. Die alte Imerina-Hauptstadt Alasora wurde im 16. Jahrhundert von Konig Andriamanelo, der die Stadt mit dicken Lehmmauern, den sogenannten Tamboho, umgab, befestigt, um die Wohnungen im Inneren zu schutzen. Diese bestanden aus Schlamm und trockenen Reisstangeln aus nahegelegenen Reisfeldern und waren mit tiefen Graben, den sogenannten Hadivor, umgeben. Der Eingang durch die Stadtmauer war durch eine riesige Steinscheibe (Vavahady) mit einem Durchmesser von mindestens funf Fuß geschutzt. Das Stadttor wurde geoffnet, indem die Steinscheibe jeden Morgen muhsam vom Eingang weggerollt und abends wieder an ihren Platz gerollt wurden. Dafur war eine großere Gruppe Leute erforderlich. Dieses Befestigungsanlagen wurden in ganz Imerina ubernommen und sind im historischen Dorf Ambohimanga gut erhalten. = Auslandische Einflusse = Es wird angenommen, dass der protestantische Missionar James Cameron von der London Missionary Society im Jahr 1826 als Erster in Madagaskar dagegen war, dass je nach Region verschiedene Pflanzen zur Herstellung sonnengetrockneter Ziegel verwendet wurden. Im Jahr 1831 fuhrte Jean Laborde Dachziegel ein, die bald in Antananarivo und Umgebung das Reisstrohdach ersetzten, und verbreitete die Technik, Ziegel in einem Ofen zu backen. Einwanderer waren fur mehrere architektonische Innovationen verantwortlich, die die Traditionen der Hochland-Architektur mit europaischen Techniken verbanden. Im Jahr 1819 entwarf Louis Gros die Tranovola fur Radama I. im Rova-Komplex und fuhrte die umlaufende Veranda ein, die von Außenpfeilern getragen wird. Jean Laborde entwarf den Konigspalast in der Rova (erbaut 1839–1841) nach demselben Modell in noch großerem Maßstab, indem er das Gebaude vergroßerte und eine Veranda im dritten Stock anbaute. Die von Gros und Laborde errichteten neuen Holzgebaude verwandelten das Tandrotrano der traditionellen aristokratischen Merina-Hauser in einen dekorativ geschnitzten Pfosten, der an jedem Ende der Giebelspitze angebracht war. = Lokale Einflusse = Im Jahr 1867 wurden die Beschrankungen fur die Verwendung von Stein und Ziegeln als Baumaterialien durch die Aristokratie gelockert, bevor 1869 alle Baubeschrankungen von Konigin Ranavalona II. abgeschafft wurden, die bereits 1860 Jean Laborde damit beauftragt hatte, die Außenseite ihres Holzpalastes in der Rova von Antananarivo zu verkleiden. Das Gebaude erhielt seine endgultige Form im Jahr 1872, nachdem James Cameron der London Missionary Society an jeder Ecke des Palastes Steinturme anbaute. Die Konigin konvertierte 1869 zum Christentum und im selben Jahr beauftragte sie den Missionar James Cameron mit dem Bau eines Privathauses fur ihre Missionare. Er ließ sich von der Arbeit von Gros und Laborde inspirieren und entwickelte ein mehrstockiges Holzhaus mit Veranda und Pfeilern. Diese Architektur verbreitete sich in ganz Antananarivo und den umliegenden Gebieten. Diese neu beliebten Backsteinhauser verfugten oft uber verkurzte Tandrotranos und kunstvoll geschnitzte Veranden. Die Farbe dieser Hauser kann von Natur aus zwischen tiefem Rot und fast Weiß variieren, abhangig von den Eigenschaften des fur den Bau verwendeten Lehms. Im Laufe der Zeit und insbesondere mit der Kolonisierung Madagaskars durch die Franzosen erlebten diese Lehmhauser (bekannt als Trano Gasy – „madagassisches Haus“) eine standige Weiterentwicklung. Die einfachste Form eines Lehmhauses ist ein oder mehrere Stockwerke hoch, rechteckig und verfugt uber ein Strohdach mit leicht uberhangenden Dachvorsprungen, um Regen vom Fundament abzuleiten und so dessen Erosion zu verhindern. Wohlhabendere Familien ersetzen das Strohdach durch Tondachziegel und errichten an der Westseite des Gebaudes eine Veranda, die von vier schlanken Pfeilern mit gleichem Abstand getragen wird. Dieses Design schutzt die Fundamente des Gebaudes noch effektiver vor den erodierenden Auswirkungen von Regenfallen. Eine weitere Erweiterung erfordert oft die Umzaunung der westlichen Veranda mit Holz und den Bau einer offenen Veranda an der Ostseite des Gebaudes, was zu umlaufenden Veranden fuhrt. Außerdem baute man franzosische schmiedeeiserne Gitter oder Glaspaneele in die Veranden ein und trug Beton auf die Ziegeloberflache. In vorstadtischen und landlichen Gebieten wurde das Erdgeschoss der Tranogasy oft als Viehstall genutzt, wahrend die Familie in den oberen Stockwerken wohnte. Der Eingang ist normalerweise nach Westen ausgerichtet; die Kuche liegt oft im Suden, wahrend die Familie im nordlichen Teil des Gebaudes schlaft. Diese Ausrichtung stimmt mit der Ausrichtung der traditionellen Zafimaniry-Hauser uberein und spiegelt die traditionelle Kosmologie wider. Erdgebaude Auf der Ostseite Madagaskars gibt es praktisch keine Ubergangszone zwischen den Lehmhausern des Hochlands und den in den Kustenregionen ublichen Behausungen aus pflanzlichen Materialien. In den riesigen und dunn besiedelten Gebieten zwischen dem Hochland und den westlichen Kustengebieten nutzen die Bewohner jedoch lokal verfugbare Materialien, um Behausungen zu bauen, die Merkmale beider Regionen aufweisen. Meistens sind Hauser klein – ein Raum und nur ein Stockwerk hoch – und bestehen aus einem Skelett aus horizontal angeordneten Stocken, die an der Konstruktion des Hauses befestigt sind. Im Gegensatz zu Hausern an der Kuste, wo diese Konstruktion als Basis fur die Befestigung von Pflanzenmaterial zur Bildung von Wanden dienen wurde, werden stattdessen Erdklumben in das Gerust gepackt. Das Dach ist mit Stroh gedeckt, um die Wohnung zu vervollstandigen. Diese Gebaude zeichnen sich haufig auch dadurch aus, dass an der Westseite verkurzte Holzpfeiler im Hochland-Stil vorhanden sind, die die verlangerte Traufe des Spitzdachs stutzen, ahnlich wie sie die Veranden der großeren Hauser von Imerina tragen. Der Boden besteht typischerweise aus gestampfter Erde und kann mit gewebten Matten aus Grasern oder Bast bedeckt sein. Graber Nach dem traditionellen Glauben vieler madagassischer ethnischer Gruppen erlangt man nach dem Tod den Status eines „Vorfahren“. Es wird oft angenommen, dass Vorfahren weiterhin uber die Ereignisse auf der Erde wachen und diese beeinflussen und im Namen der Lebenden eingreifen (oder sich in sie einmischen) konnen. Folglich mussen die Vorfahren verehrt werden: Gebete und Opfer zu ihren Ehren oder zur Besanftigung sind ublich, ebenso wie die Einhaltung der ortlichen Fady (Tabus). Auf der ganzen Insel werden respektvolle Gesten geubt. Das sichtbarste Zeichen des Respekts gegenuber den Vorfahren ist der Bau der kunstvollen Familiengraber, die in weiten Teilen Madagaskars uberall auf dem Land zu finden sind. = Fruhe Graber = Traditionell errichtete die Mehrheit der madagassischen Volksgruppen keine festen Graber fur ihre Toten. Vielmehr wurden die Leichen der Verstorbenen in einem dafur vorgesehenen Naturgebiet zur Verwesung zuruckgelassen. Beim Bara-Volk der sudlichen Trockenebenen konnen beispielsweise Graber in naturliche Strukturen wie Felsvorsprunge oder Hugel gebaut werden, indem die Leichen darin platziert und der Raum teilweise oder vollstandig mit gestapelten Steinen oder Zebu-Schadeln verschlossen wird. Alternativ konnen die Verstorbenen bei den Tanala in Sarge aus ausgehohlten Baumstammen gelegt und in Hohlen oder einem heiligen Baumhain zuruckgelassen werden, manchmal abgedeckt mit Holzbrettern. Es wird gesagt, dass die Vazimba, die ersten Bewohner Madagaskars, ihre Toten in den Gewassern eines bestimmten Moores, Flusses, Sees oder einer Flussmundung versenkt haben, die zu diesem Zweck als heilig galten. Diese Praxis gab es auch bei den fruhesten Merina, die ihre toten Hauptlinge in Kanus in Hochlandmooren oder anderen dafur vorgesehenen Gewassern versenkten. Die fruhen Graber waren meist teilweise oder vollstandig unter der Erde, typischerweise rechteckig und bestanden aus Stein, der entweder lose gestapelt oder mit Mauerwerk zementiert war. Bei den Merina und den Betsileo wurden einige fruhe Steingraber und Grabstatten durch aufrechte, unbeschriftete Menhire gekennzeichnet. = Islamische Ursprunge des Grabbaus = Die fruhesten bekannten rechteckigen Steingraber auf Madagaskar wurden hochstwahrscheinlich um das 14. Jahrhundert von arabischen Siedlern im Nordwesten der Insel errichtet. Ahnliche Gebaude entstanden spater bei westlichen Volkern (z. B. den Sakalava und Mahafaly) und den Hochlandvolkern (z. B. den Merina und Betsileo), die zunachst unbehauene Steine und Erde verwendeten. Im Hochland ging dem Ubergang zum Mauerwerk der Bau von Grabern aus massiven Steinplatten voraus, die von Gemeindemitgliedern gemeinsam zur Grabstatte transportiert wurden. Der Merina-Konig Andrianampoinimerina aus dem spaten 18. Jahrhundert soll den Bau solcher Graber gefordert haben, indem er sagte: „Ein Haus ist ein Leben lang, aber ein Grab ist fur die Ewigkeit.“ = Hochland-Graber = Im Hochland von Imerina waren die oberirdischen Eingange der Graber ursprunglich durch stehende Steine markiert und die Wande bestanden aus lose ubereinander gestapelten flachen Steinen. Beispiele dieser fruhen Graber finden sich auf einigen der Zwolf heiligen Hugel von Imerina. Wenn ein Leichnam nicht zur Beerdigung geborgen werden konnte (wie in Kriegszeiten), wurde manchmal traditionell ein hoher, unbeschrifteter Menhir (Vatolahy) zum Gedenken an den Verstorbenen errichtet. Andrianampoinimerina forderte den aufwandigeren und kostspieligeren Grabbau als wurdige Ausgabe fur die Ehrung der Vorfahren. Die Zanakandriana und die Zazamarolahy bauten Grabhauser namens Trano Masina („heiliges Haus“), wahrend die Grabhauser der Andriamasinavalona Trano Manara („Kaltes Haus“) genannt wurden. Diese Hauser waren mit den gewohnlichen Adelshausern aus Holz identisch, mit der Ausnahme, dass sie keine Fenster und keine Feuerstelle hatten. Wahrend die Uberreste der verstorbenen Person auf Steinplatten im Grab darunter beigesetzt wurden, wurden die wertvollen Besitztumer, wie Gold- und Silbermunzen, Dekorationsgegenstande und mehr, oft in der Trano Masina oder Trano Manara beigesetzt. Bei dem Brand der Rova von Antananarivo 1995 wurden einige dieser Grabbauten zerstort, wie zum Beispiel die Masina von Konig Radama I. Heutzutage werden die Graber mit traditionellen Methoden und Materialien gebaut, jedoch moderne Innovationen wie Beton integriert. Den Innerenraum verkleiden heute ubereinanderliegende Stein- oder Betonplatten die Wande. Bei den Merina, den Betsileo und den Tsihanaka werden die Gebeine regelmaßig bei der Famadihana umgebettet. = Graber im Sudwesten Madagaskars = Die im Sudwesten Madagaskars befindliche Graber gehoren zu den auffalligsten und markantesten Grabern. Wie die im Hochland sind sie im Allgemeinen rechteckig und teilweise unterirdisch. Bei modernen Grabern wird oft außerdem Beton verwendet. Sie unterscheiden sich von den Hochland-Grabern durch ihre aufwandige Dekoration. Auf den Außenseite des Grabes sind oft Bilder gemalt sein, die an Ereignisse im Leben eines Vorfahren erinnern. Das Dach des Grabes wird oft mit den Hornern von Zebus geschmuckt, die zu Ehren des Vorfahren bei seiner Beerdigung geopfert wurden. Außerdem befinden sich auf dem Grab zahlreiche Aloalo, holzerne Grabpfahle, in die symbolische Muster oder Bilder geschnitzt sind, die Ereignisse im Leben des Verstorbenen darstellen. Besonders beruhmt sind die Graber des Mahafaly-Volkes. Bei den Sakalava an der Westkuste werden die Aloalo oft mit Schnitzereien verziert, die an den Kreislauf von Geburt, Leben und Tod erinnern. Moderne Architektur Auslandische architektonische Einflusse, die im Laufe des 19. Jahrhunderts durch verstarkte europaische Kontakte entstanden waren, verstarkten sich mit dem Beginn der franzosischen Kolonialisierung im Jahr 1896 dramatisch. In den letzten Jahrzehnten hat die zunehmende Verfugbarkeit relativ kostengunstiger moderner Baumaterialien, die aus China und anderen Gegenden importiert werden, in stadtischen Gebieten einen wachsenden Trend weg von traditionellen Architekturstilen hin zu langlebigeren Strukturen unter Verwendung industriell hergestellter Materialien wie Beton und Blech weiter verstarkt. Bestimmte moderne Innovationen werden moglicherweise hoher geschatzt als andere. In der Region Manambondro beispielsweise war die Dacheindeckung aus Wellblech in der Regel die kostengunstigste, reprasentativste und am weitesten verbreitete Erganzung eines traditionellen Hauses. Der Ersatz von lokal beschafften Holzrahmen durch industriell gefrastes Bauholz und die Verlegung eines Betonfundaments waren weitere Hausmodifikationen. Obwohl ein niedriges Einkommensniveau dazu beigetragen hat, die traditionelle Bauweise bei der Mehrheit der Bevolkerung Madagaskars zu bewahren, wird die traditionelle Bauweise aufgrund des Prestiges, das mit modernen architektonischen Innovationen verbunden ist, haufig aufgegeben, wenn das Einkommen steigt. Eine begrenzte Anzahl kurzlich (Stand 2024) errichteter Hauser in Antananarivo versucht, madagassische Architekturtraditionen mit den Annehmlichkeiten des modernen Hausbaus zu verbinden. Von außen ahneln diese Gebaude traditionellen Backsteinhausern aus dem Hochland, nutzen jedoch moderne Materialien und Bautechniken, um Strom, Sanitar, Klimaanlage und aktuelle Kuchenfunktionen effizient in ein vollig modernes Interieur zu integrieren. Ein Beispiel fur diese Innovation ist die jungste Wohnsiedlung „Tana Water Front“ im Stadtteil Ambodivona in der Innenstadt von Antananarivo. Weblinks Woodcrafting Knowledge of the Zafimaniry. UNESCO World Heritage YouTube channel. Einzelnachweise
Die Architektur Madagaskars ist einzigartig in Afrika und weist starke Ahnlichkeit mit den Baunormen und Methoden aus dem Suden Borneos auf, aus dem vermutlich die ersten Bewohner Madagaskars eingewandert sind. In ganz Madagaskar, auf Borneo und Ozeanien haben die meisten traditionellen Hauser eine rechteckige statt einer runden Form und verfugen uber ein steil geneigtes, spitzes Dach, das von einem zentralen Pfeiler getragen wird. Unterschiede in den vorherrschenden traditionellen Baumaterialien bilden die Grundlage fur einen Großteil der Vielfalt der Architektur von Madagaskar. Lokal verfugbare Pflanzenmaterialien waren die ersten verwendeten Materialien und sind in traditionellen Gemeinschaften nach wie vor die am haufigsten verwendeten Materialien. In den Zwischenzonen zwischen dem zentralen Hochland und den feuchten Kustengebieten haben sich Mischstile entwickelt. Der Holzbau, der einst auf der ganzen Insel ublich war, ging zuruck, da eine wachsende menschliche Bevolkerung großere Teile des unberuhrten Regenwaldes fur die Brandrodung in der Landwirtschaft und fur Zebu-Rinderweiden zerstorte. Die Zafimaniry-Gemeinschaften in den Bergwaldern des zentralen Hochlandes sind die einzige madagassische ethnische Gruppe, die die ursprunglichen holzernen Architekturtraditionen der Insel bewahrt hat. Ihr Handwerk wurde 2003 in die UNESCO-Liste der Meisterwerke des mundlichen und immateriellen Erbes und 2008 in die Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen. Da Holz im Laufe der Zeit knapp wurde, wurden Holzhauser in bestimmten Gemeinden zum Privileg der Adelsschicht, wie beispielsweise die Hauser des Merina-Adels im Konigreich Madagaskar aus dem 19. Jahrhundert. Die Verwendung von Stein als Baumaterial war traditionell auf den Bau von Grabern beschrankt, ein bedeutendes Merkmal der Kulturlandschaft in Madagaskar aufgrund der herausragenden Stellung der Vorfahren in der madagassischen Kosmologie. Die Insel hat mehrere unterschiedliche Traditionen in der Grabarchitektur hervorgebracht: Bei den Mahafaly an der Sudwestkuste kann die Oberseite der Graber mit den Schadeln geopferter Zebus verziert und mit sogenannten Aloalo, dekorativ geschnitzten Grabpfosten, geschmuckt sein, wahrend bei den Merina ein kleines Holzhaus auf dem Grab errichtet wurde, um ihren Andriana-Status zu symbolisieren und einen irdischen Raum fur die Unterbringung der Geister ihrer Vorfahren zu bieten. Die traditionellen Architekturstile in Madagaskar wurden in den letzten zweihundert Jahren durch den zunehmenden Einfluss europaischer Stile verandert. Wahrend der Regierungszeit von Konigin Ranavalona II. (1868–1883) begann im Hochland eine Verlagerung hin zum Ziegelbau, basierend auf Modellen, die von Missionaren der London Missionary Society eingefuhrt wurden, und durch Kontakte mit anderen Auslandern. Der auslandische Einfluss nahm nach dem Zusammenbruch der Monarchie und der franzosischen Kolonisierung der Insel im Jahr 1896 weiter zu. Die Modernisierung in den letzten Jahrzehnten hat zunehmend dazu gefuhrt, dass bestimmte traditionelle Normen und Techniken auf die außere Ausrichtung und innere Anordnung von Hausern sowie die Nutzung bestimmter Hauser aufgegeben wurden und ubliche Baumaterialien, insbesondere im Hochland, verwendet werden. Inzwischen haben auslandische Baumaterialien und -techniken, insbesondere importierter Beton, Glas und Eisenelemente, im Gegensatz zu traditioneller Praktiken, an Beliebtheit gewonnen.
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c-648
Der Bigar-Wasserfall (serbisch Vodopad Bigar) liegt auf dem Gebiet des Dorfes Stanjinac in der serbischen Opstina Knjazevac, funf Kilometer vom Dorf Kalna entfernt, neben der Straße nach Pirot, etwa 450 Meter uber dem Meeresspiegel. Details Der Wasserfall besteht aus zwei Armen, von denen der rechte, wasserreichere, in zwei etwa gleich hohe Stufen unterteilt ist. Der linke Arm besteht aus mehreren dunnen Strahlen. Bei entsprechendem Wasserstand ergießen sich drei schneeweiße Schaumflachen aus Wasser uber den insgesamt 35 Meter hohen, hellen Felsen. Der Name hat sich aus den Lochern (serbisch Bigra) im Felsen ergeben. Oberhalb des Wasserfalls gibt es mehrere kleinere Wasserfalle und große Wannen bzw. Terrassen im Flussbett sowie drei kleine Seen mit klarem Wasser. Der Bach Bigar, an dem sich der Wasserfall befindet, wird auch Brelo genannt. Standort Der Bigar-Wasserfall liegt in etwa 30 Kilometer Entfernung von der serbischen Stadt Pirot auf dem Gebiet des Dorfes Stanjinac. Unmittelbar unterhalb des Wasserfalls mundet der Bach Bigar in den Fluss Stanjanska, und zwar in einer Hohe von 455 m uber dem Meeresspiegel. Der Fluss Stanjanska mundet uber die Izvorska in den Trgoviski Timok. Der Wasserfall ist von Suden aus Pirot und von Norden aus Knjazevac uber die Straße 221 erreichbar. In unmittelbarer Nahe nordlich des Wasserfalls quert der Europaische Fernwanderweg E3 den Fluss Stanjanska. Bigar-Tal Der Wasserfall befindet sich an einem Kalksteinhang und ist Teil einer Kaskade. Der Bach Bigar fließt dabei durch ein Tal, das 500 bis 600 Meter breit ist. Von der Karst-Quelle in einer Hohe von 530 m uber dem Meeresspiegel bis zur Mundung in den Fluss Stanjanska uberwindet der Bach rund 80 Meter Hohenunterschied auf 1330 Meter Lange. Oberhalb der Quelle setzt sich das Bigar-Tal bis zur sogenannten Nikolas-Doline in einer Hohe von 770 m fort. Dieser flussaufwarts gelegene Teil ist 2300 Meter lang und wird nur gelegentlich von Wasser durchflossen. Das Maximum des Wasserstandes tritt meist im Marz auf. Bereits ab Mai beginnt der Wasserstand stetig zu sinken, ist wahrend der gesamten Sommersaison niedrig und erreicht im September ein Minimum. Im mittleren und unteren Teil des Baches, auf beiden Talseiten, entstanden Ende des 19. Jahrhunderts insgesamt 13 Wassermuhlen. Die Muhlen sind inzwischen verfallen und von Vegetation uberwuchert. Man findet aber noch einige Kanale, die das Wasser zu den Muhlen leiteten. Schutzstatus Das Bigar-Tal mit der Umgebung des Wasserfalls (serbisch Dolina potoka Bigar) steht seit 2015 als Naturdenkmal unter Schutz. Touristische Bedeutung Fruher versammelten sich hier die Einheimischen wahrend der Feiertage und veranstalteten Jahrmarkte, heute wachst an diesen Stellen Gras. In der Nahe des Wasserfalls sind uberdachte Sitzgruppen aufgestellt. Der Wasserfall ist ein beliebtes Ausflugsziel fur alle Naturliebhaber. Ubernachtungsmoglichkeiten bestehen in Privatunterkunften der umliegenden Orte. Etwa hundert Meter vom Wasserfall entfernt befindet sich das Kloster des Heiligen Onuphrius des Großen aus dem 15. Jahrhundert. Literatur S. Stankovic: Geografija Ponisavlja. Srpsko geografsko drustvo, 1997 (serbisch). Weblinks Einzelnachweise
Der Bigar-Wasserfall (serbisch Vodopad Bigar) liegt auf dem Gebiet des Dorfes Stanjinac in der serbischen Opstina Knjazevac, funf Kilometer vom Dorf Kalna entfernt, neben der Straße nach Pirot, etwa 450 Meter uber dem Meeresspiegel.
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c-649
Hekabe (altgriechisch Εκαβη Hekabe) ist eine Tragodie des griechischen Dichters Euripides, die zwischen 425 und 424 v. Chr. entstand. Im Mittelpunkt steht das tragische Schicksal Hekabes, der Konigin von Troja, nach dem Sieg der Griechen, als sie von der Opferung ihrer Tochter Polyxena und dem Mord an ihrem jungsten Sohn Polydoros erfahrt. Handlung Im Prolog erzahlt Polydoros, der jungste Sohn des Konigs Priamos und dessen Frau Hekabe, als Verstorbener von seinem Schicksal. Er wurde als Junge an den Hof des mit seinem Vater befreundeten Konigs von Thrakien Polymestor geschickt, um in Sicherheit zu sein, falls sein Vaterland besiegt werden sollte. Um sein Wohlergehen zu garantieren, gab Priamos ihm Gold mit. Nach dem Fall Trojas ließ der thrakische Konig Polydoros toten und seinen Leichnam ins Meer werfen, um das Gold fur sich zu beanspruchen. So blieb der Prinz unbestattet und unbeweint. Polydoros druckt in seinem Monolog aus, dass er ein ahnlich tragisches Schicksal fur seine Schwester Polyxena ahnt. Hekabe befindet sich im Lager der griechischen Armee an der Kuste Thrakiens. Sie ist vom Schicksal geschlagen, da sie als Sklavin mit ihrer Tochter Polyxena nach Griechenland gebracht werden soll und einen Großteil ihrer Familie verloren hat. In Thrakien mochte sie ihren Sohn Polydoros sehen. Der Chor eroffnet ihr, dass beschlossen wurde, Polyxena auf dem Grab des Kriegshelden Achill zu opfern. Obwohl Agamemnon und andere Griechen sich dagegen ausgesprochen haben, kann Odysseus sie von dem Opfer fur Achill uberzeugen. Die verzweifelte Hekabe berichtet ihrer Tochter Polyxena von dem Beschluss des Griechenrats. Die junge Prinzessin findet Trost in dem Gedanken, nun nicht versklavt zu werden, und will ihr Schicksal mit Stolz ertragen. Odysseus kommt und will Polyxena holen, damit sie geopfert wird. Er appelliert an Hekabe, diesen Schlag mit Wurde zu tragen. Diese ist untrostlich und erinnert Odysseus daran, wie er einst in Troja durch ihr Mitleid gerettet wurde. Sie versucht, mit ihm zu verhandeln, und meint, wenn uberhaupt, so solle die Schonste und die Verursacherin des Leids, Helena, an Achills Grab getotet werden. Odysseus widerspricht ihr, außerdem gelte seine Dankbarkeit nur ihr, nicht ihrer Tochter. Ferner, so argumentiert er, musse ein Heldengrab geehrt werden, damit sich auch in Zukunft Manner fur den Kampf zur Verfugung stellten. Polyxena findet sich mit ihrem Schicksal ab, weil sie den Tod einem Leben als Sklavin vorzieht, da sie als Prinzessin aufgezogen wurde. Hekabe bietet sich nun selbst an, um ihre Tochter zu retten, aber ihr Angebot wird abgelehnt. Polyxena geht mit Odysseus ihrem Tod entgegen. Hekabe bricht zusammen. Talthybios mochte die versklavte Konigin holen, damit sie ihre Tochter begraben kann, und berichtet, wie furchtlos diese direkt vor ihrem Tod war. Hekabe ist trotzdem verzweifelt. Eine Magd, die fur Hekabe Wasser holen sollte, kommt vom Meer zuruck und bringt ihr einen Leichnam, der ans Land gespult wurde. Nun erscheint Agamemnon, um Hekabe zu ihrer toten Tochter zu fuhren, die von ihrer Mutter beerdigt werden soll. Er fragt sie, wer der Tote sein konne. Hekabe berichtet, dass dies ihr Sohn Polydoros sei, der von Polymestor getotet worden war, als dieser vom Fall Trojas erfuhr. Der thrakische Konig wollte das Polydoros mitgegebene Gold fur sich beanspruchen. Agamemnon bemitleidet Hekabe und meint, keine andere Frau musse so viel Schmerz verkraften. Nun halt diese eine Bittrede, in der sie Agamemnon anfleht, an Polymestor Rache fur seine hinterhaltige Tat nehmen zu durfen. Agamemnon zogert, da er mit Hekabe als ehemaliger Feindin nicht gemeinsame Sache machen will, allerdings findet er ihren Wunsch nach Rache verstandlich und gerecht. Sie schlagt ihm vor, dass er lediglich dem thrakischen Konig die Hilfe verweigern solle. Ihre Rache werde sie mit Unterstutzung anderer Troerinnen, die als Sklavinnen im Lager leben, nehmen. Agamemnon erklart sich einverstanden, daraufhin lasst Hekabe nach Polymestor und seinen Nachkommen schicken. Polymestor erscheint mit seinem Gefolge und druckt Hekabe sein Beileid fur ihr Schicksal als Besiegte und Witwe aus. Sie fragt ihn nach ihrem Sohn und dem Gold, woraufhin Polymestor sie belugt und behauptet, Polydoros sei bei bester Gesundheit und das Gold sicher. Hekabe erklart sich nun bereit, ihm zu sagen, wo es noch mehr Gold aus Troja gebe, und lockt ihn und seine Sohne mit diesem Versprechen in ein Zelt der gefangenen und versklavten Troerinnen. Diese greifen ihn an und nehmen ihm sein Augenlicht. Seine Sohne werden von ihnen erschlagen. Blind ruft der Thraker nach Hilfe. Kurz darauf erscheint Agamemnon. Diesem erzahlt Polymestor von dem Angriff auf ihn. Frauen hatten sein Augenlicht geraubt und seine Sohne ermordet. Hekabe rechtfertigt nun ihre Tat vor den beiden und warnt Agamemnon, dem Thraker beizustehen, denn dieser sei ehrlos, respektlos und unwurdig, nachdem er seine Freunde fur Gold hintergangen und einen Unschuldigen ermordet habe. Polymestor versucht daraufhin, Hekabe durch Vorhersagen seines Wahrsagers einzuschuchtern, aber diese ist zufrieden, dass sie Rache genommen hat. Es sei vorhergesagt, so Polymestor, dass Hekabes letztes lebendes Kind, Kassandra, die jetzt Sklavin des Agamemnon ist, zusammen mit ihm von dessen Frau in Argos erschlagen werde. Außerdem habe der Wahrsager gesehen, dass Hekabe zu einer Hundin werden wurde. Hekabe zeigt sich von den dunklen Vorhersagen unbeeindruckt. Agamemnon schickt nun die Troerinnen zuruck in ihre Zelte und Hekabe zur Grabstatte ihrer Kinder, um sie zu begraben. Interpretation Anlasslich einer Auffuhrung der Tragodie im antiken Theater von Epidauros 2023 setzte Lambrini Soula die Thematik des Stucks in Zusammenhang mit der Zeit seiner Entstehung und hob hervor, dass diese Tragodie damals hochaktuell gewesen war: «Γραφτηκε το 427 π.Χ., ως μια εξαιρετικα ανθρωπινη και βαθια σκοτεινη αποτιμηση των επιπτωσεων του Πελοποννησιακου Πολεμου που βασανιζε την πολη των Αθηνων κατα τον 5ο αιωνα π.Χ.» (deutsch: „Sie wurde 427 v. Chr. geschrieben und ist eine außerst menschliche und dustere Einschatzung der Auswirkungen des Peloponnesischen Krieges, der die Stadt Athen im 5. Jahrhundert v. Chr. heimsuchte.“) Hans Strohm schrieb im Weltlexikon der Literatur uber den moralischen Aspekt in Hekabe: „Die Tragodie vergegenwartigt den letzten Augenblick des Trojanischen Krieges in tiefem Mitgefuhl fur die Besiegten, mit hintergrundiger Kritik am moralischen Rang der Sieger.“ Weiter merkte er an, wie das menschliche Leid in der Tragodie verarbeitet wird: „Hier treten nun zwei hellenische Weisen zutage, Leid zu bewaltigen. Polyxena geht […] in stolzer Hoffnungslosigkeit in den Tod. Die greise Mutter […] uberwindet den Schmerz uber den Verlust des Sohnes, indem sie sich an seinem Morder […] racht.“ Auffuhrungen (Auswahl) 1955 zur Eroffnung des erstmalig stattfindenden Epidauros-Festivals (inszeniert von Alexis Minotis) 1985 Ethniko Theatro (Ubersetzung von Tasos Roussos, inszeniert von Lambros Kostopoulos) 2001 Kratiko Theatro Voriou Ellados (Κρατικο Θεατρο Βορειου Ελλαδος, Staatstheater von Nordgriechenland) (Ubersetzung Nikos Chourmouziadis, inszeniert von Diagoras Chronopoulos) 2005 Albery Theatre London (Ubersetzung John Harrison, inszeniert von Laurence Boswell) 2023 Athen-Epidauros-Festival (Φεστιβαλ Αθηνων Επιδαυρου 2023) (Ubersetzung von Eleni Varopoulou, inszeniert von Io Voulgaraki) Ausgaben (Auswahl) Γιωργος Γεραλης: Ευριπιδη "Εκαβη". Ψηφιακη Βιβλιοθηκη της Αρχαιας Ελληνικης Γραμματειας, Θεσσαλονικη, ΚΕΓ 2015 (Giorgos Geralis: Euripides – Hekabe. Digitale Bibliothek der griechischen Literatur der Antike, Thessaloniki, KEG 2015) – Online-Ausgabe (altgriechisch, neugriechisch). Stephen G. Daitz: Hecuba / Euripides. Teubner, Leipzig 1990, ISBN 978-3-322-00742-1. Hans-Christian Gunther: The manuscripts and the transmission of the Paleologan scholia on the Euripidean triad. Steiner, Stuttgart 1995, ISBN 978-3-515-06591-7. Kjeld Matthiessen (Hrsg.): Euripides Hekabe. Kommentar. DeGruyter, Berlin/New York 2010, ISBN 978-3-11-022945-5. Wolfgang Heyder: Euripides. Herakles-Hekabe-Die Bakchen. Rombach Wissenschaft, Baden-Baden 2021, ISBN 978-3-96821-779-6. Literatur Hans Strohm: Hekabe. In: Gero von Wilpert (Hrsg.): Lexikon der Weltliteratur. Werke A–K, 3. neubearbeitete Auflage 1993, dtv Verlag, Munchen 1993, Seite 551, ISBN 3-423-59050-5. Werner Biel: Textkritik und Formanalyse zur euripideischen Hekabe: ein Beitrag zum Verstandnis der Komposition. Heidelberg 1997, ISBN 978-3-8253-0415-7. Einzelnachweise
Hekabe (altgriechisch Εκαβη Hekabe) ist eine Tragodie des griechischen Dichters Euripides, die zwischen 425 und 424 v. Chr. entstand. Im Mittelpunkt steht das tragische Schicksal Hekabes, der Konigin von Troja, nach dem Sieg der Griechen, als sie von der Opferung ihrer Tochter Polyxena und dem Mord an ihrem jungsten Sohn Polydoros erfahrt.
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c-650
Der Huhu-Kafer (Prionoplus reticularis) ist eine in Neuseeland vorkommende Kaferart aus der Familie der Bockkafer (Prioninae). In der maorischen Sprache wird fur die Art der Trivialname huhu verwendet. Die einzelnen Larven- und Puppenstadien werden als tunga rakau oder tunga haere, tatake und pepe bezeichnet; der flugfahige Kafer wird dann tunga rere genannt. Merkmale = Imago = Die Kafer erreichen eine Korperlange von bis zu 50 Millimetern. Sie sind damit die großte in Neuseeland vorkommende Kaferart. Ober- und Unterseite sind dunkel- bis rotbraun gefarbt. Auf den Deckflugeln heben sich gelbliche Langsstreifen ab, die gegen Flugelende in ein Gittermuster ubergehen. Der Prothorax ist mit hellbraunen Harchen uberzogen. Die Hinterflugel sind unter den Deckflugeln zusammengefaltet, in Ruhestellung nicht sichtbar und werden nur zum Fliegen bei angehobenen Deckflugeln entfaltet. Die langen Fuhler erreichen bei den Mannchen die gesamte, bei den Weibchen etwa zwei Drittel der Korperlange. Sie sind mehrgliedrig und in regelmaßigen Abstanden mit knotchenartigen Verdickungen und kurzen Stacheln versehen, die bei den Mannchen deutlicher ausgebildet sind. Die Mandibel sind sehr kraftig, wodurch die Kafer in der Lage sind, selbst hartes Holz zu zerbeißen. Weibchen besitzen am Korperende eine Legerohre. Die rotbraunen Beine sind mit Stacheln versehen, die stark gekrummten Krallen sind gabelformig. = Praimaginalstadien = Das Weibchen legt die Eier in Ballen von 10 bis zu 50 Stuck uberwiegend unter die Borke von Totholz oder in bereits im Holz vorhandene Offnungen. Von der Form ahneln die Eier einem verlangerten Rotationsellipsoid mit spitzen Enden. Sie sind etwa drei Millimeter lang und cremefarben. Die gelbliche Larve hat eine glatte Haut, ist mit Einschnurungen in mehrere Segmente unterteilt und verjungt sich zum Ende hin leicht. Ausgewachsene Larven erreichen eine Lange von 50 bis 75 Millimetern. Die einzelnen Segmente sind mit Tracheen versehen. Die ebenfalls gelbliche Puppe zeigt mehrere Einschnurungen am Hinterleib. Die spateren Fuhler und Beine des Kafers heben sich bereits vom ubrigen Puppenkorper ab. Ahnliche Arten Aufgrund ihrer Große und ihrer Deckflugelzeichnung ist die Art unverwechselbar. Vorkommen und Lebensraum Der Huhu-Kafer kommt in Neuseeland endemisch vor. Die Tiere leben sowohl in trockenen als auch in feuchten Waldern mit altem Baumbestand. Die Hohenverbreitung reicht vom Meeresspiegel bis auf 1400 Meter. Lebensweise Die Imagines des Huhu-Kafers sind im neuseelandischen Sommer zwischen November und Marz, schwerpunktmaßig zwischen November und Januar anzutreffen. Sie sind dammerungs-, jedoch uberwiegend nachtaktiv und fliegen gerne kunstliche Lichtquellen an. Ihre durchschnittliche Lebensdauer ist mit etwa zwei Wochen relativ kurz. Sie nehmen wahrend dieser Zeit keine Nahrung zu sich. Die Weibchen sind zuweilen flugtrage und senden Pheromone aus, um die Mannchen anzulocken. Nach der Begattung werden die Eier bevorzugt in moderndes Holz gelegt, das einen Feuchtigkeitsgehalt von mehr als 25 % besitzen soll. Nach drei bis vier Wochen schlupfen die Larven, die sogleich Gange in das Holz fressen. Sie ernahren sich ausschließlich von Holz. Das Larvenstadium erstreckt sich uber zwei bis drei Jahre. Die Dauer der Entwicklung hangt von der Temperatur, dem Feuchtigkeitsgehalt und dem Nahrwert des Holzes ab. Die ausgewachsenen Larven zimmern im Holz eine Kammer, in der sie sich verpuppen, und verstopfen den Ausgang mit groben Sagespanen. Nach einer Puppenruhe von ca. 25 Tagen schlupfen die Kafer und verlassen nach einigen Tagen das Innere ihres bisherigen Lebensraums, indem sie sich durch einen Tunnel von 10 bis 20 Millimeter Durchmesser nach außen durch das Holz fressen. Zu den Wirtspflanzen der Art zahlen Acacia, Eukalypten, Beilschmiedia, Amberbaume, Scheinbuchen und Pappeln. Der Huhu-Kafer wurde auch vielfach an der eingefuhrten Monterey-Kiefer (Pinus radiata) nachgewiesen. Aufgrund ihres Nahrwerts haben Huhu-Kafer und ihre Larven viele Fressfeinde, dazu zahlen Mause, Igel, Kakas, Neuseeland-Kuckuckskauze, Elstern und weitere Vogelarten sowie Wildschweine. Deren Auswirkung auf die Gesamtzahl der Huhu-Kafer-Populationen in den Waldern wird als unbedeutend eingeschatzt. Die Populationsdichte hangt eher mit der Verfugbarkeit von geeigneten Tot- und Moderholzangeboten zusammen. Huhu-Kafer-Larven als Nahrungsmittel Die Ureinwohner Neuseelands, die Maori, pflegen seit Jahrhunderten eine teilweise entomophagische Ernahrung. Zu den verzehrten Insektenprodukten zahlen auch die Larven des Huhu-Kafers. Eine Analyse der Bestandteile der Larven ergab eine große Schwankungsbreite, beispielsweise variiert der Feuchtigkeitsgehalt zwischen 58,7 und 75,2 %. Wesentliche Bestandteile sind außerdem Proteine und Fette sowie 1,5 bis 3,2 % Restprodukte (einschließlich Mineralien) bezogen auf Trockenmasse. Es zeigte sich, dass Huhu-Kafer-Larven erhebliche Mengen an Nahrstoffen enthalten. Vom Institute of Food Science & Technology wurde die Suche nach vierzig Mineralien bei vier verschiedenen Entwicklungsstadien von im Freiland entnommenen Exemplaren durchgefuhrt, bei kleinen, mittleren und großen Larven sowie Puppen. Das Institut ermittelte 28 Mineralien, von denen 11 als essentiell, 13 als nicht wesentlich und vier als Schwermetalle erkannt wurden. Die am haufigsten vorkommenden Mineralien waren Mangan, Magnesium, Phosphor, Eisen, Kupfer und Zink. Es wurde festgestellt, dass der Gehalt von Arsen und Vanadium unterhalb des Nachweisniveaus liegt, Cadmium und Blei hingegen waren nachweisbar. Das Fazit des Instituts lautet: Der maßige Verzehr von Huhu-Kafer-Produkten ist sicher und nahrhaft. Der Verzehr der Huhu-Kafer-Larven wurde nach und nach von weiteren Teilen der Bevolkerung Neuseelands ubernommen. Im Rahmen des seit 1990 jahrlich im Marz stattfindenden Hokitika Wildfoods Festival in Hokitika werden u. a. ungewohnliche tierische Produkte verzehrt, dazu zahlen Schafshoden (lokal Mountain Oysters genannt) und Huhu-Kafer-Larven. Von lokalen Fischern werden Huhu-Kafer-Larven zuweilen als Angelkoder genutzt. Wirtschaftliche Bedeutung Huhu-Kafer bevorzugen zur Entwicklung zwar Totholz, zuweilen werden die Eier jedoch auch in Kernholz platziert, sofern ein Baum Angriffsflachen aufgrund von Verletzungen oder abgestorbenen Zweigen bietet. Gefallte Baume, die im Wald liegen bleiben, konnen in den Sommermonaten befallen werden. In holzverarbeitenden Betrieben werden zuweilen Eier zwischen Brettern oder in Holzstapeln gefunden. In unbehandeltem Holz konnen unter feuchten Bedingungen durch die Fraßspuren der sich entwickelnden Larven schwere Schaden entstehen. Exportholzer, auf denen Eier gefunden werden, mussen vor dem Versand mit Brommethan begast werden. Waren jedoch schon Larven in das Holz eingedrungen, muss ein Export unterbleiben. Trotz dieser Probleme zeigt der Kafer in Waldern auch eine vorteilhafte Seite, da seine Larven den Abbau von Totholz, Stumpfen und Sturmschaden an Baumen beschleunigen. Alle Locher, Tunnel und Gange, die die Larven anlegen, bedeuten, dass auch Bakterien und Pilze eindringen konnen, die die Verrottung von Totholz schneller weiterfuhren. Weblinks Huhu Beetle (Prionoplus reticularis) in der Encyclopedia of Life. (englisch). Einzelnachweise
Der Huhu-Kafer (Prionoplus reticularis) ist eine in Neuseeland vorkommende Kaferart aus der Familie der Bockkafer (Prioninae). In der maorischen Sprache wird fur die Art der Trivialname huhu verwendet. Die einzelnen Larven- und Puppenstadien werden als tunga rakau oder tunga haere, tatake und pepe bezeichnet; der flugfahige Kafer wird dann tunga rere genannt.
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c-651
Mohammed Hassan, auch Muhammad Hassan (* 1995 oder 1996; † 27. Juli 2023 am K2), war ein pakistanischer Trager im Hochgebirge. Er sturzte am K2 kurz vor dem Gipfel und starb im Laufe des Tages. Leben und Vorgeschichte Hassan war verheiratet und hatte drei Kinder. Nach Aussage seiner Witwe wollte er mit der Arbeit als Trager auf Hochtouren zusatzlich Geld fur seine Familie verdienen, insbesondere zur Versorgung seiner an Diabetes erkrankten Mutter und fur die Schulbildung seiner Kinder. Er arbeitete fur den pakistanischen Veranstalter Lela Peak Expeditions und sollte im Juli 2023 die Expedition auf den K2 unterstutzen. Er war weder auf dem Expeditionspermit des Veranstalters vermerkt, noch von diesem fur den Fall von Verletzung und Tod versichert. Sein Arbeitgeber hatte Hassan nicht vorschriftsgemaß mit Ausrustung versorgt und ausgestattet – sondern ihm 250.000 Rupien (umgerechnet 765 €, Stand Januar 2024) ausgehandigt, um sich selbst auszustatten. Eine ordnungsgemaße Ausstattung ware mit diesem Betrag weder moglich gewesen, noch verfugte Hassan uber ein Verstandnis fur die Bedeutung von Kleidung und Ausrustung in großer Hohe. So war er bei minus 20 Grad Celsius ohne Daunenanzug, ohne Helm und ohne Handschuhe unterwegs und hatte auch keine Ausrustung fur zusatzlichen Sauerstoff. Die Expedition auf den K2 im Juli 2023 war die erste Achttausender-Expedition von Hassan. Er hatte bis dahin nur als „Low Altitude Porter“ am K2 und am Spantik gearbeitet. Diese Bezeichnung bedeutet, dass er bis dahin nur Material zu den Basecamps befordert hatte, jedoch nicht weiter hinauf. Damit war er fur die Hohe kurz vor dem Gipfel weder ausgebildet noch trainiert, noch hatte er Erfahrung in großen Hohen. Da das Zeitfenster fur eine Besteigung des K2 sehr klein war, waren an diesem Tag uber 200 Menschen in verschiedenen Expeditionen unterwegs, um einen Gipfelversuch zu wagen. Daher kam es an der Engstelle immer wieder zu Staus; dies war insbesondere problematisch, da ein Wetterumsturz angekundigt war. Tod am K2 Hassan trug Seile fur den nepalesischen Expeditionsveranstalter 8K Expeditions und sollte mit dessen Team die Route zum Gipfel mit Fixseilen sichern. In der Nacht zum 27. Juli 2023 um ca. 2:30 Uhr rutschte Hassan auf 8200 Hohenmeter erschopft von den Strapazen des Aufstiegs funf bis sieben Meter am sogenannten „Flaschenhals“ ab und brach sich vermutlich die Beine. Der "Flaschenhals" genannte Abschnitt ist eine sehr steile und gefahrliche Traverse, der außerdem lawinengefahrdet ist. Ein Aufenthalt in diesem Bereich ist gefahrlich und die meisten Bergsteiger versuchen, diese Stelle moglichst schnell hinter sich zu bringen. Zwei der anwesenden Trager versuchten ihn heraufzuziehen – als sie dies nicht schafften, setzten sie ihre Arbeit fort. Eile war geboten, da ein Wetterumsturz angekundigt war. Hassan hing mehr als eine Stunde kopfuber im Seil. Bei dem Sturz war ihm die Jacke nach oben gerutscht und sein blanker Bauch war sichtbar. Damit war er unterkuhlt und erheblichen Erfrierungen ausgesetzt. Als Kristin Harila, ihr Seilpartner Tenjen Sherpa und ihr Kameramann Gabriel Tarso an der Stelle vorbeikamen, horten sie ein Stohnen. Tarso gelang es einen Flaschenzug zu bauen und mit zwei Helfern zog er Hassan in aufrechte Position nah an den Weg. Tarso versuchte ihn zu warmen und teilte mit Hassan den Sauerstoff aus seiner Flasche, da Hassan ohne zusatzlichen Sauerstoff unterwegs war. Als Hassan keine Reaktionen mehr zeigte, habe Tarso die Hoffnung aufgegeben, ihm noch helfen zu konnen. Nach dem Abgang einer Lawine am Flaschenhals und dem Eintreffen weiterer Bergsteiger habe sich das Team zur Aufteilung entschieden: Harilas Kameramann sei mit einem weiteren Helfer bei Hassan geblieben, wahrend Harila mit Tenjen Sherpa zum Gipfel aufstieg. Da der Aufstiegsweg auch der Abstieg war, war ein Abtransport von Hassan aufgrund der nachdrangenden Bergsteiger nicht moglich. Nach Einschatzung von anderen Bergsteigern war Hassan aufgrund der schlechten Ausrustung und der damit einher gehenden Unterkuhlung nicht mehr in der Lage selbst abzusteigen. Dutzende von Bergsteigern seien wahrend der Rettungsbemuhungen vorbei gestiegen, ohne Hilfe zu leisten. Die Situation und die Bergung Hassans wurde vom Kameramann Philip Flamig, der zusammen mit dem Bergsteiger Wilhelm Steindl fur ServusTV vor Ort war, mit einer Drohne gefilmt. Die beiden waren zum Zeitpunkt des Unglucks weit unterhalb des Flaschenhalses und entschieden sich nach Lawinenabgangen zum Umkehren. Die Aufnahmen zeigen, dass Hassan vermutlich nach seiner Bergung lebte und nach Ansicht des osterreichischen Teams hatte gerettet werden konnen, wenn anwesende Alpinisten anstatt weiterzusteigen, geholfen hatten. Dies wird vom Untersuchungsbericht und anderen Bergsteigern nicht bestatigt; zudem war das Filmteam auch weit von der Unglucksstelle entfernt. Der Arbeitgeber Hassans wollte offenbar keinen Lohn auszahlen, weil der Auftrag nicht erfullt worden sei. Reaktionen auf den Unfall Die nicht geleistete Hilfeleistung der anwesenden Menschen loste unter Bergsteigern und auch in den sozialen Medien Emporung aus. Reinhold Messner bezeichnete das Verhalten als „Beleg einer verkommenen Ethik im zunehmenden Tourismus auf den hochsten Bergen der Welt.“ Besonders Kristin Harila wurde vorgeworfen, ihr sei ihr Rekordversuch wichtiger gewesen als das Leben eines Menschen. Sie bestreitet das und sagt aus, dass sie in dieser Situation nichts mehr hatte tun konnen. Nach Bekanntwerden des Unfalls wurde Harila in den sozialen Medien und in der Tagespresse massiv angegriffen und beleidigt, obwohl Harila und ihr Team Hassan von der Absturzstelle hochgezogen hatten und versucht hatten ihn zu warmen und mit Sauerstoff zu versorgen. Folgen des Unfalls Aufgrund des Unfalls leitete die Regionalregierung der Provinz Gilgit-Baltistan eine Untersuchung ein. Diese hat Hassans Arbeitgeber Lela Peak Expedition die meiste Schuld zugewiesen: Der Veranstalter darf wegen Verstoßen gegen die geltenden Bergsteigerregeln fur zwei Jahre keine Expedition mehr anbieten. Statt weiterer Schuldzuweisungen gibt die Untersuchungskommission konkrete Empfehlungen: High Altitude Porters durfen nur noch an Achttausendern arbeiten, wenn sie schon mindestens einen Sechs- und einen Siebentausender bestiegen haben. Sie mussen außerdem ein Bergsteiger-Techniktraining nachweisen. Alle Krafte mussen ausreichend versichert und ausreichend ausgerustet werden. An den Achttausendern sollen gut ausgerustete, hoch qualifizierte Rettungsteams vorgehalten werden, die in der Saison stets akklimatisiert und einsatzbereit sein sollen. Die Kommission empfiehlt, auch die aus dem Jahre 1999 stammenden Bergsteiger-Regelungen zu uberarbeiten. Unter anderem sollten die Aufgaben der Verbindungsoffiziere, die den Expeditionen zugeteilt werden, prazisiert werden. Wann diese Empfehlungen umgesetzt werden, ist Stand April 2024 noch nicht klar. Der Untersuchungsbericht lieferte viele konkrete Daten und Informationen, trotzdem blieben einige Fragen offen. Zu den wichtigsten gehoren die nach der Verantwortung des Expeditionsanbieters 8K Expeditions, der sich mit Lela Peak das Permit teilte, und warum nicht auf die unzulangliche Ausrustung Hassans reagiert wurde, sowie die umfassendere Frage, ob es verantwortbar ist, wenn an einem Tag rund 200 Bergsteigerinnen und Bergsteiger in die extrem gefahrliche Gipfelregion des K2 starten. Literatur Gilgit-Baltistan Secretariat for Tourism, Sports & Culture Department: Brief of Fact-Finding Inquiry Order-On the Tragic Accident of Pakistani High Altitude Porter Mr. Muhammad Hassan. 5. September 2023 (englisch, gov.pk [PDF] Untersuchungsbericht zum Tode Mohammed Hassans). Einzelnachweise
Mohammed Hassan, auch Muhammad Hassan (* 1995 oder 1996; † 27. Juli 2023 am K2), war ein pakistanischer Trager im Hochgebirge. Er sturzte am K2 kurz vor dem Gipfel und starb im Laufe des Tages.
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c-652
Der Forbach ist ein 17,5 km langer rechter Zufluss der Murg im Nordschwarzwald. Er verlauft im baden-wurttembergischen Landkreis Freudenstadt und mundet in Baiersbronn. Name Erstmals urkundlich erwahnt wurde das Gewasser 1267 als Vorchbach. Der Name leitet sich vom mittelhochdeutschen Vorhe ab, also Fohre, Kiefer. Wahrend der Forbach im ehemals wurttembergischen Teil des Murg-Einzugsgebiets verlauft, liegt die gleichnamige Gemeinde Forbach flussabwarts an der Murg im ehemals badischen Teil des Tals, heute Landkreis Rastatt, und mit ihrem Zentrum 19 Kilometer nordlich der Forbachmundung. Geographie = Verlauf = Der Forbach entspringt auf der Buntsandstein-Hochflache des Nordschwarzwalds bei Kniebis auf etwa 915 m und fließt, dem Fallen der Buntsandsteinschichten folgend, zunachst in ostsudostlicher, danubischer Richtung. Bei Freudenstadt erreicht er die Storungszone des Freudenstadter Grabens und folgt dieser bei Christophstal in nordwestlicher Richtung. Auf Baiersbronner Gemarkung schwenkt er bei Friedrichstal nach Norden. Er mundet im Hauptort von Baiersbronn unweit von deren sudlichstem Laufpunkt in die Murg, die hier, wie der Forbach bei Freudenstadt, mit einem Anzapfungsknie nach Norden zum Rhein schwenkt. Die Gesamtlange von der Forbachquelle bis zur Murgmundung ubersteigt mit 82,25 km die Lange der Murg mit ihrem langeren Quellbach Rechtmurg. = Zuflusse = Hierarchische Liste einer Auswahl der Zuflusse und Seen von der Quelle zur Mundung. Gewasserlange, Seeflache, Einzugsgebiet und Hohe nach den entsprechenden Layern auf der Onlinekarte der LUBW. Andere Quellen fur die Angaben sind vermerkt. (Alter Passgraben), von rechts und Westen in Kniebis, 0,7 km (Graben), von rechts und Westen in Kniebis, 0,7 km Hohlgraben, von links und Norden am Bad bei Kniebis, 0,6 km Hinterer Langenwaldgraben, von rechts und Sudwesten, 0,2 km Rotwasser, von links und Nordwesten, 2,7 km und 2,2 km² Essiggraben, von rechts und Westen, 0,9 km Werabachle, von rechts und Sudwesten, 1,1 km Stelleteichbachle, von links und Nordwesten, 0,7 km → (Abgang des Muhlkanals zur Rudelschen Sagmuhle), nach links Inselgraben, von rechts und Westnordwesten an der Rudelschen Sagmuhle, 0,7 km ← (Ruckfluss des Muhlkanals zur Rudelschen Sagmuhle), von links an der Rudelschen Sagmuhle, 0,8 km Muhlkanal Langenwald, von rechts vor der Adrionsmuhle, 1,1 km. Geht zuvor nach recht ab nach der Schlehschen Muhle. Passiert rechts am Kanal den Langenwaldsee, 0,4 ha. →← (Abgang und Rucklauf des Muhlkanals nahe dem Barenschlossle), nach und von links, unter 0,2 km Passiert links am Kanal einen Teich, 0,1 ha. →← (Abgang und Rucklauf eines Muhlkanals), nach und von links, unter 0,2 km →← (Abgang und Rucklauf eines Muhlkanals), nach rechts und von rechts vor Christophstal, unter 0,2 km → (Abgang des Muhlkanals Walke), nach links vor Walke Viehgraben, von rechts und Nordosten gegenuber Walke, 0,5 km ← (Ruckfluss des Muhlkanals Walke), von rechts nach Walke, 0,3 km (Bach aus dem Tal Huttenteich), von rechts und Nordosten Finkenwieslegraben, von links und Sudwesten, 0,7 km Passiert den Oberen See links am Lauf, 0,6 ha. Passiert den Unteren See links am Lauf, 1,1 ha. Reidegrundbachle, von links und Sudwesten an der Grube Untere Sophia, 0,9 km Reichenbachle, von links und Westsudwesten beim Huttenwerk, 2,3 km und 1,9 km² Surrbach, von rechts und Sudosten bei Surrbach, 1,3 km → (Abgang eines Muhlkanals), nach links bei Stock Sankenbach, von links und Sudwesten in Unterdorf, 5,0 km und 7,0 km² ← (Ruckfluss des Muhlkanals), von rechts nach Unterdorf, 0,3 km Brunnenteichbach, von rechts und Ostsudosten nach Oberdorf, 1,4 km und 0,7 km² Nutzung = Verkehrswege = Von Baiersbronn nach Freudenstadt verlaufen an der ostlichen Talflanke die Bundesstraße 462 und die Murgtalbahn, deren Steilstrecke in diesem Abschnitt anfangs als Zahnradbahn betrieben wurde. Zwischen Freudenstadt und Kniebis verlauft durch das Forbachtal die Bundesstraße 28 zwischen Ulm und der franzosischen Grenze. Sie durchquert hier den Schwarzwald in Ost-West-Richtung und verbindet Freudenstadt mit Straßburg und der bei Alexanderschanze abzweigenden Bundesstraße 500, der Schwarzwaldhochstraße. = Bergbau und Industrie = Bergbau und Industrie im Forbachtal waren wichtige Standortfaktoren fur die Grundung von Freudenstadt durch Herzog Friedrich I. von Wurttemberg im Jahr 1599. Bei Christophstal wurden seit dem 16. Jahrhundert systematisch Bergbau und Metallverhuttung betrieben, wobei der Forbach die Wasserkraft fur die Hammerwerke lieferte. Im 18. und 19. Jahrhundert expandierten die Werke talabwarts auf Baiersbronner Gemarkung. Hier in Friedrichstal fuhrte der Forbach mehr Wasser und das Tal bot mehr Platz. Sicheln und Sensen waren bekannte Produkte der Huttenwerke. In Christophstal ubernahmen mehrere Unternehmen der Textilindustrie bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts die Nutzung der Wasserkraft. = Gartenschau 2025 = Im Forbachtal zwischen Freudenstadt und Baiersbronn findet unter dem Motto „Tal X“ die Gartenschau 2025 als kleine Landesgartenschau statt. Sie wird von den beiden Gemeinden und der Forderungsgesellschaft fur die Baden-Wurttembergischen Landesgartenschauen ausgerichtet. Literatur Rudolf Metz: Mineralogisch-landeskundliche Wanderungen im Nordschwarzwald, besonders in dessen alten Bergbaurevieren. 2., vollstandig uberarbeitete Auflage, Schauenburg, Lahr 1977, ISBN 3-7946-0128-9. Einzelnachweise = LUBW = Amtliche Online-Gewasserkarte mit passendem Ausschnitt und den hier benutzten Layern: Lauf und Einzugsgebiet des Forbachs Allgemeiner Einstieg ohne Voreinstellungen und Layer: Daten- und Kartendienst der Landesanstalt fur Umwelt Baden-Wurttemberg (LUBW) (Hinweise) = Andere Belege = auch: Mapserver des Landesamtes fur Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB) (Hinweise) Weblinks
Der Forbach ist ein 17,5 km langer rechter Zufluss der Murg im Nordschwarzwald. Er verlauft im baden-wurttembergischen Landkreis Freudenstadt und mundet in Baiersbronn.
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Esther Nisenthal Krinitz (geboren 8. Februar 1927 als Esther Nisenthal in Mniszek, Gmina Goscieradow, Polen; gestorben 30. Marz 2001 in Frederick, Maryland) war eine autodidaktische polnische bildende Kunstlerin. Leben Esther Nisenthal wuchs in einer landlichen Gegend ostlich der Weichsel in einer judischen Familie mit ihren Eltern Hersh und Rachel sowie ihrem alteren Bruder Ruven und den drei jungeren Schwestern Mania, Chana und Leah auf. Im Dorf lebten ebenfalls ihre Großeltern, Tanten, Onkel und funf Cousins. Als Kind zeigte sich ihr Talent beim Nahen und Sticken. Beim Uberfall auf Polen wurde auch ihr Dorf im September 1939 von deutschen Truppen besetzt. Wahrend der Besetzung des Landes wurden 1942 die judischen Einwohner aus Mniszek und dem nahegelegenen Ort Rachow durch die deutschen Truppen gezwungen, als Zwangsarbeiter Straßen und Brucken zu bauen. Als Nisenthals Bruder Ruven sich im Juli 1942 auf Befehl der Gestapo im Arbeitslager „Janiszew“ (Janiszow an der Weichsel) melden sollte, versteckte ihr Vater sich den Sommer uber mit ihm im Wald, versorgt mit Lebensmitteln, die Esther Nisenthal oder ihre Mutter ihnen brachten. Im Oktober 1942 wurden alle judischen Einwohner aus Rachow und Mniszek, somit auch Esther und ihre Familie, angewiesen, sich am Bahnhof von Krasnik zum Abtransport in die Konzentrationslager zu sammeln. In der Nacht vor der Abfahrt beschlossen die funfzehnjahrige Esther und ihre dreizehnjahrige Schwester Mania, unterzutauchen. Fur zwei Tage kamen sie im Dorf Dabrowa (deutsch Dombrowa) bei einem mit ihrem Vater befreundeten Bauern unter. Danach verbargen sie sich den Oktober uber in wechselnden Verstecken, bevor sie Anfang November in das Dorf Grabowka wanderten, in dem ihre Identitat nicht bekannt war. Dort gaben sie sich als polnische katholische Bauernmadchen aus, die von ihrer Familie getrennt worden seien, und baten um Arbeit. Sie gaben vor, aus einer Stadt jenseits der Weichsel zu kommen, wo ihre Familie, wie andere in der Region, ihren Bauernhof an eine „volksdeutsche“ Familie verloren hatte. Sie fanden Arbeit bei polnischen Bauern und blieben im Dorf, bis die Rote Armee im Juli 1944 eintraf. Nachdem Esther Nisenthal ihre Familie in ihrem Heimatdorf Mniszek nicht hatte finden konnen, suchte sie im Konzentrations- und Vernichtungslager Lublin-Majdanek vergeblich nach Hinweisen auf ihre Familie. Im August 1944 schloss sie sich der dort stationierten sowjetischen und polnischen Armee an. Mit der Roten Armee gelangte sie nach Warschau und schließlich im Marz 1945 nach Deutschland. Esther und Mania waren die einzigen Mitglieder ihrer Familie, die den Holocaust uberlebten. Nach Kriegsende holte Esther Nisenthal ihre Schwester Mania in Grabowka ab. Die Schwestern kamen in ein Displaced-Persons-Lager in der US-amerikanischen Besatzungszone im deutschen Ziegenhain. Dort lernte Esther Nisenthal Max Krinitz (30. Januar 1915 – 6. Oktober 1998) kennen; sie heirateten im November 1946 im Lager. Sie ging mit ihm 1947 nach Belgien, wo Tochter Bernice geboren wurde. Im Juni 1949 wanderte sie mit ihrer Familie in die Vereinigten Staaten aus. Sie ließen sich in Brooklyn nieder, wo die zweite Tochter Helene geboren wurde. Esther Nisenthal Krinitz hatte eine Ausbildung als Schneiderin und fuhrte als Designerin und Naherin die folgenden dreißig Jahre ihr eigenes Damenbekleidungsgeschaft, das sie auch nach dem Umzug der Familie 1983 nach Frederick im Bundesstaat Maryland weiterfuhrte. Im Jahr 1998 starb ihr Ehemann. Im folgenden Jahr bereiste sie mit ihren Tochtern und Enkeln zum ersten Mal nach dem Krieg die Orte ihrer Kindheit und Jugend in Polen. Sie starb 2001 nach langjahriger Erkrankung an Amyloidose. Werk Esther Nisenthal Krinitz hatte bei einer Schneiderin gelernt und beherrschte verschiedene handwerkliche Fertigkeiten, verfugte aber uber keine kunstlerische Ausbildung. Im Jahr 1977 fertigte sie zwei Stoffbilder fur ihre erwachsenen Tochter; sie stellten die Schonheit und das Gluck ihres landlichen Elternhauses dar. Die folgenden 34 weiteren Kunstwerke begann sie zehn Jahre spater „mithilfe der Techniken der Stickerei, Stoffapplikationen und gestickten narrativen Bildunterschriften“ als fortlaufende Erzahlreihe mit zunehmender Komplexitat. „Durch die Hinzufugung von Text wurde Esthers Kunst zu einem exquisiten, bestickten Zeugnis ihrer wahren Uberlebensgeschichte“. Die Werke zeichnen sich durch kraftige, lebendige Farben und auffallige „Details mit einem Sinn fur volkstumlichen Realismus“ aus. „Wahrend die Bilder optisch ansprechend sind, offenbart eine genauere Betrachtung die schockierende Diskrepanz zwischen der landlichen Umgebung und der dargestellten menschlichen Gewalt, dem Terror und dem Verrat“. In den insgesamt 36 großformatigen bestickten Stoffbildern bildete Esther Nisenthal Krinitz Orte ihres Lebens ab: die Schauplatze und Gegenden ihrer Kindheit und Jugend, von Darstellungen der landlichen polnischen Idylle und Festen mit ihrer Familie bis zum Einmarsch der deutschen Soldaten, dem Existieren unter dem Terror und dem spateren Leben in Amerika. Die Bilder, die die Kriegsjahre darstellen, sind schwarz eingefasst, wahrend die anderen Erinnerungsbilder andersfarbig umrandet sind. Die Bilder gliedern sich in verschiedene Zyklen, wobei Esther Nisenthal Krinitz sie nicht in chronologischer Reihenfolge schuf. Nach den beiden Bildern 1 und 2 folgte Bild 26 und ganz zuletzt fertigte sie die Bilder 35 und 36 im Jahr 1999. Den Tag ihrer Flucht am 15. Oktober 1942 hielt sie in funf Werken fest: Vor dem Krieg: 1. Mein Elternhaus, 2. Schwimmen im Fluss, 3. Mein Bruder Ruven, 4. Schawuot, 5. Rosch ha-Schana, 6. Pessach-Matzos (Before the War: 1. My Childhood Home, 2. Swimming In The River, 3. My Brother Ruven, 4. Shavuot, 5. Rosh Hashanah, 6. Passover Matzos) Nazi-Besetzung: 7. Die Nazis kommen, 8. Panzergraben ausheben, 9. Der Zahnarzt, 10. Das Arbeitslager, 11. Die Nazis verprugeln meinen Vater, 12. Das Gefangenenlager Janiszew, 13. Sammeln von Kiefernteer, 14. Vorspiel zur „Endlosung“, 15. Ich werde von einem Soldaten geschlagen, 16. Wir flohen uber die Felder, 17. Befehl zum Verlassen unserer Hauser (Nazi Occupation: 7. The Nazis Arrive, 8. Digging Tank Trenches, 9. The Dentist, 10. The Labor Camp, 11. The Nazis Beat Up My Father, 12. Janiszew Prison Camp, 13. Collecting Pine Tar, 14. Prelude To The Final Solution, 15. I Am Struck By A Soldier, 16. We Fled Across The Fields, 17. Ordered To Leave Our Homes) Trennung: 18. „Wir werden alle zugrunde gehen“, 19. Der dustere Todesmarsch, 20. Straße nach Krasnik, 21. Stefans Haus (Separation: 18. We Will All Perish, 19. The Somber Death March, 20. Road To Krasnik, 21. Stefan's House) Zuflucht suchen: 22. Gestapo-Kaserne, 23. Die Tiefe des Waldes, 24. Wir finden keine Zuflucht, 25. „Lauft um euer Leben“ (Seeking Refuge: 22. Gestapo Barracks, 23. Depth Of The Forest, 24. We Find No Refuge, 25. Run For Your Lives) Versteckt vor aller Augen: 26. Schwarzer Himmel fallt, 27. Der Brunnen, 28. Die Bienen retten mich, 29. Ich traume von Großvater (Hiding in Plain Sight: 26. Black Sky Falling, 27. The Well, 28. The Bees Save Me, 29. I Dream Of Grandfather) Befreiung: 30. Einmarsch der russischen Infanterie, 31. Maidanek, 32. Der Weg nach Berlin (Liberation: 30. Russian Infantry March In, 31. Maidanek, 32. The Way To Berlin) Amerika: 33. Ankunft in Amerika, 34. Kirschen pflucken, 35. Mein Mann, Max Krinitz, 36. Enkelin (America: 33. Coming To America, 34. Picking Cherries, 35. My Husband, Max Krinitz, 36. Granddaughter) Ausstellungen (Auswahl) 1996: erste Ausstellung in der Washington Hebrew Congregation, der altesten judischen Gemeinde Washingtons 2001: Goodbye my children, maybe you will live. Jewish Community Center, Washington, D.C. 2001: Polnische Botschaft, Washington 2001–2002: American Visionary Art Museum (AVAM), Baltimore (nach der Ausstellung im AVAM 2001 wurden die Werke anschließend in 42 anderen Museen weltweit gezeigt) 2003–2005: American Visionary Art Museum, Baltimore 2006: Miami Children’s Museum, Miami 2006: Birmingham Museum of Art, Birmingham 2007: Judah L. Magnes Museum, Berkeley 2007: William Breman Jewish Heritage & Holocaust Museum, Atlanta 2007–2008: Holocaust Museum Houston, Houston 2008–2009: Arnot Art Museum, Elmira (New York) 2009: Esther Nisenthal Krinitz: Fabric of survival. Oceanside Museum of Art, Oceanside (Kalifornien) 2010: Butler Institute of American Art, Youngstown (Ohio) 2011–2012: S. Dillon Ripley Center, Smithsonian Institution, Washington, DC 2012–2013: American Visionary Art Museum, Baltimore 2013: Florida Holocaust Museum, Saint Petersburg, Florida 2014: Evansville Museum of Arts, History & Science, Evansville (Indiana) 2015: Columbus Museum of Art, Columbus (Ohio) 2017: Jewish Museum Milwaukee, Milwaukee 2021–2025: Esther and The Dream of One Loving Human Family. American Visionary Art Museum, Baltimore. Literatur Wendy Kozol: Ornamenting the Unthinkable: Visualizing Survival Under Occupation. In: The War In-Between. Indexing a Visual Culture of Survival. Kapitel 4. Fordham University Press, 2024, ISBN 978-1-5315-0725-1, S. 99–121, (eingeschrankte Buchvorschau) Weblinks Website Art and Remembrance mit allen 36 Werken Einzelnachweise
Esther Nisenthal Krinitz (geboren 8. Februar 1927 als Esther Nisenthal in Mniszek, Gmina Goscieradow, Polen; gestorben 30. Marz 2001 in Frederick, Maryland) war eine autodidaktische polnische bildende Kunstlerin.
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Nora Connolly O’Brien (irisch Nora Ni Chonghaile, Bean Ui Bhriain; * 14. November 1892 in Edinburgh, Schottland, Großbritannien; † 17. Juni 1981 in Dublin, Irland) war eine irische Republikanerin und sozialistische Aktivistin. Leben = Herkunft und Jugend = Nora Connolly wurde in Edinburgh, in der Lothian Street 6, als eines von sieben Kindern (sechs Tochter, ein Sohn) des irischstammigen Gewerkschafters James Connolly und dessen Frau Lillie Connolly, geb. Reynolds, geboren. Die Karriere des Vaters fuhrte die Familie nach Dublin (1896–1904), Troy (New York) (1904–1905) und Newark (New Jersey) (1905–1910). Uberall dort ging sie zur Schule. Ihr Vater, der uberzeugter Feminist war, bestarkte sie in ihrer intellektuellen und politischen Entwicklung. Schon in jungen Jahren begleitete Nora Connolly ihren Vater zu politischen Versammlungen; mit acht Jahren nahm sie an seiner viermonatigen Lesungsreise durch Schottland teil. Als ihre altere Schwester 1904 kurz vor der Abreise in die USA starb, war sie damit das alteste Kind der Familie. Gegen den Wunsch des Vaters brach sie mit 13 Jahren die Schule ab, um zum Unterhalt der Familie beitragen zu konnen. Sie arbeitete in einem Modegeschaft und im New Yorker Buro der Irish Socialist Federation. = Aktivitaten bis zum Osteraufstand 1916 = 1910 wurde sie Mitarbeiterin der Zeitung der Federation, The Harp, die von James Connolly gegrundet worden war. Im selben Jahr kehrte die Familie nach Dublin zuruck, um sich dann 1911 in Belfast niederzulassen. Dort arbeitete sie in einem Bekleidungslager und betatigte sich noch intensiver in der republikanischen sowie in der Arbeiterbewegung. Sie trat in Belfast der Jugendorganisation der Irish Volunteers bei, der Na Fianna Eireann, die dort als erste Einheit in Irland Madchen als Mitglieder zuließ. Sie half dabei, die Young Republican Party aufzubauen, die sich gegen eine mogliche Teilung Irlands im Zuge der Home-Rule-Diskussionen wandte. Wahrend der Aussperrungen 1913 und 1914 sammelte sie Spendengelder fur die davon betroffenen Arbeiter. Spater schmuggelte sie Waffen und Munition fur die Einheit der Irish Volunteers in Belfast. 1915 leitete sie die Abteilung der Cumann na mBan in Belfast, wobei sie dafur sorgte, dass die Frauen ebenso wie die Manner der Irish Volunteers im Gebrauch von Gewehren geschult und militarisch gedrillt wurden. Anfang April 1916 wurde Nora Connolly von der Irish Republican Brotherhood (IRB) entsandt, um Liam Mellows zu unterstutzen. Mellows war nach England deportiert worden, aber heimlich, als Priester verkleidet, nach Irland zuruckgekehrt, um die Irish Volunteers in Galway im bevorstehenden Osteraufstand zu kommandieren. Am 22. April 1916 fuhrte sie das Ersthelfer-Korps der Cumann na mBan an, das die Belfast Volunteers bei der Mobilmachung im County Tyrone unterstutzte. Als von Eoin MacNeill und Michael Joseph O’Rahilly der Befehl kam, den Aufstand nicht durchzufuhren, reiste sie mit einem Nachtzug nach Dublin, um eine Klarstellung von ihrem Vater zu erhalten. Am Ostermontag fuhr sie morgens nach Tyrone zuruck, mit dem Befehl zum Aufstand von Padraig Pearse. Doch die Divisionen im Norden waren nicht mehr zum Aufstand zu bewegen. So machte sie sich mit ihrer Schwester Ina wieder auf den Weg nach Dublin. Aufgrund von Zugausfallen mussten sie den großten Teil des Weges von Dundalk zu Fuß gehen und in der Nahe von Balbriggan eine Nacht auf freiem Feld verbringen. Sie kamen erst Stunden nach der Kapitulation der Aufstandischen in Dublin an. Sie begleitete noch ihre Mutter zu einem letzten Besuch bei ihrem Vater im Gefangnis, wenige Stunden, bevor er von den Briten erschossen wurde. = Aktivitaten bis zum irischen Unabhangigkeitskrieg und dem folgenden Burgerkrieg bis 1923 = Die Familie war nun praktisch mittellos. Nora Connolly folgte dem Wunsch ihres Vaters und ging im August 1916 in die USA, um dort Arbeit zu suchen. Doch schon bald machte sie erneut Propaganda fur die republikanische Sache. Von den irisch-amerikanischen Organisationen wurde sie als erste Teilnehmerin am Osteraufstand, die die USA besuchte, euphorisch empfangen. 1916 und 1917 sprach sie bei Veranstaltungen in den Oststaaten vor großem Publikum. Ihr Buch The unbroken tradition, in dem sie in Anekdoten ihre Rolle vor und wahrend des Aufstands beschrieb, wurde in den USA jedoch verboten, weil es fur deren Allianz mit den Briten im Ersten Weltkrieg schadlich gewesen ware. Da das Home Office ihre Ruckreise nach Irland verweigerte, reiste Nora Connolly im Sommer 1917 inkognito nach England, wo sie sich eine Weile versteckt hielt. Weil sie die neutrale Haltung der Labour Party in der nationalen Frage ablehnte, warb sie bei den Wahlen im Dezember 1918 fur die Sinn Fein und blieb wahrend des Unabhangigkeitskriegs von 1919 bis 1921 fur die Cumann na mBan aktiv. Wahrend des Waffenstillstands war sie im September 1921, gemeinsam mit ihrem Bruder Roddy Connolly, Mitglied einer linken Gruppierung, die die Socialist Party of Ireland (SPI) (nicht zu verwechseln mit spateren Parteien dieses Namens) unterwanderte, den gemaßigten Parteivorstand entließ und die Partei als Communist Party of Ireland (CPI) neu konstituierte. Sie fungierte als Schatzmeisterin der Partei, unter ihrem Bruder Roddy als Vorsitzendem. Nach ihrer Heirat im Februar 1922 mit Seamus O’Brien, einem Handelsreisenden und ehemaligem Kurier von Michael Collins, nahm sie den Namen Nora Connolly O’Brien an. Ihre Ehe blieb kinderlos. Wahrend der ersten Wochen des Burgerkriegs beaufsichtigte sie einen Erste-Hilfe-Posten der Vertragsgegner an der Tara Hall in Dublin. Bis zu ihrer Verhaftung durch die Behorden des Freistaats im November 1922 war sie Sekretarin des republikanischen Ministers Austin Stack. Nora Connolly O’Brien war nacheinander in Mountjoy, Kilmainham und North Dublin Union inhaftiert. Sie und ihr Ehemann waren beide an ihrem ersten Hochzeitstag im Gefangnis. Im August 1923 wurde sie nach einer Habeas-Corpus-Verhandlung freigelassen, weil die Ungesetzlichkeit ihrer Inhaftierung festgestellt wurde. = Aktivitaten bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs = Nachdem sich die CPI 1924 aufgelost hatte, grundete Nora Connolly O’Brien gemeinsam mit ihrem Bruder die von 1926 bis 1927 bestehende Workers’ Party of Ireland, verließ diese jedoch bald darauf wieder, weil es ihnen nicht gelang, die Irish Worker League von James Larkin als irischen Teil der Kommunistischen Internationale abzulosen. Gemeinsam mit Peadar O’Donnell versuchte sie 1934 in Belfast ortliche Gruppen des Republican Congress zu organisieren, einer Nachfolgeorganisation des gescheiterten Saor Eire, die u. a. von Frank Ryan ins Leben gerufen worden war. So gewann sie etliche protestantische Arbeiter in Shankill und Newtownards fur ihre James Connolly Workers’ Republican Clubs. Bei der Parteiversammlung des Republican Congress am 28. September 1934 in Rathmines unterstutzte sie den Antrag, das Ziel der Grundung einer Arbeiterrepublik zu verfolgen. Als O’Donnells Gegenantrag, eine arbeitergefuhrte republikanische Einheitsfront zu grunden, angenommen wurde, verließ sie den Congress wieder. Sie leitete daraufhin die Ortsgruppe der Labour Party in Drimnagh, einem Vorort von Dublin. Als aber 1939 auch Labour das Ziel einer Arbeiterrepublik aus den Statuten strich, trat sie aus der Partei aus. Wahrend der 1930er-Jahre arbeitete Nora Connolly O’Brien als Korrespondentin und Statistikerin fur die Irish Transport and General Workers’ Union. Im Zweiten Weltkrieg war sie Telefonistin im Hauptpostamt von Dublin, bis sie krankheitsbedingt in den Ruhestand gehen musste. Ihr Mann arbeitete seit etwa 1940 im Verteidigungsministerium. = Spatere politische und literarische Aktivitaten = Von 1957 bis 1969 war sie unabhangiges Mitglied im Seanad Eireann, jeweils von den Taoisigh Eamon de Valera und Sean Lemass dazu ernannt. Als Senatorin stimmte sie gegen etliche Antrage der Fianna Fail, insbesondere 1959 bei den Bemuhungen, das Verhaltniswahlrecht abzuschaffen, und bei einem von der Kirche befurworteten Gesetzentwurf zur Unterbringung jugendlicher Straftaterinnen in Magdalenenheimen. Trotz nachlassender Sehkraft war sie noch 1978 Mitherausgeberin des Buches James Connolly wrote for today und diktierte 1981 ihr letztes Buch We shall rise again, in dem sie, vor dem Hintergrund der damals aktuellen Hungerstreiks im Maze-Gefangnis, ihre Unterstutzung fur die „Politik des bewaffneten Kampfes“ der Provisional Irish Republican Army ausdruckte. Sie trat bis kurz vor ihrem Tod auf Veranstaltungen auf, bei denen sie sich fur die Gefangenen einsetzte. Nora Connolly O’Brien wurde auf dem Friedhof von Glasnevin beerdigt. Werke Nora Connolly O’Brien: The Irish Rebellion of 1916 or the Unbroken Tradition, Legare Street Press, 2022, ISBN 978-1-01-597105-9. Nora Connolly O’Brien: James Connolly: Portrait of a rebel father, Four Masters, Dublin, 1975, ISBN 978-0-905001-00-5. Quellen Lawrence William White: Nora Connolly O’Brien, Eintrag im „Dictionary of Irish Biographies“, abgerufen am 29. Marz 2024 (englisch) Shane MacThomais: 17 June 1981 – Nora Connolly O’Brien dies in Dublin, „An Phoblacht“ vom 22. Juni 2006, abgerufen am 29. Marz 2024 (englisch) Nora Connolly O’Brien in der Datenbank Find a GraveVorlage:Findagrave/Wartung/Gleiche Kenner im Quelltext und in WikidataVorlage:Findagrave/Wartung/Name ungleich Wikidata-Bezeichnung Weblinks
Nora Connolly O’Brien (irisch Nora Ni Chonghaile, Bean Ui Bhriain; * 14. November 1892 in Edinburgh, Schottland, Großbritannien; † 17. Juni 1981 in Dublin, Irland) war eine irische Republikanerin und sozialistische Aktivistin.
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San Baw (birmanisch စံဘော, saɰ bɔ; geboren am 29. Juni 1922, Britisch-Indien; gestorben am 7. Dezember 1984 in Yangon (Rangoon), Myanmar) war ein burmesischer Orthopadie-Chirurg. Er wurde bekannt fur seine Pionierarbeit bei der „Nutzung von Elfenbein-Huft-Prothesen als Ersatz bei nichtheilenden Bruchen am Hals des Oberschenkelknochens“ und fur die Entwicklung „einer neuen Technik, um kindliche Pseudoarthrose des Schienbeins zu behandeln“. Als Chef-Orthopade am Mandalay General Hospital (1957–1975) und am Rangoon General Hospital (1975–1980) fuhrte er mehr als dreihundert Operationen mit Elfenbeinprothesen durch. Er unterrichtete auch Orthopadie an der University of Medicine, Mandalay und am Institute of Medicine 1, Rangoon. Nach seinem Tod infolge einer Lungenkrebserkrankung 1984 stiftete seine Frau, Myint Myint Khin, durch die Burma Medical Association den Dr. San Baw Prize for Research. 2019 begrundeten ihr Sohn Myint Zan und die Myanmar Orthopaedic Society den Dr. San Baw Research Fund zur Unterstutzung fur orthopadische Forschung und praktisches Training fur Orthopaden. Leben = Jugend und Ausbildung = San Baw wurde am 29. Juni 1922 geboren. Seine Eltern waren Daw Si Si und U Thaw Zan in Tapun, einer Kleinstadt etwa 220 km nordwestlich von Yangon in British Burma. Seine Eltern waren offensichtlich so wohlhabend, dass sie ihren Sohn zur Schulbildung an das St. Agnes’ Convent in Kalaw im Nordosten das Landes schicken konnten. Danach besuchte er die St. Paul’s English High School in Rangoon und graduierte dort 1942. Der Beginn des Zweiten Weltkriegs Ende 1941 hatte jedoch zur Schließung aller wenigen Colleges im Land gefuhrt, und erst 1944 gelang es ihm, sich an der Kriegsmedizinschule anzumelden, die erst im Jahr zuvor von Ba Than, S. Sen und Yin May gegrundet worden war. Nach dem Krieg schrieb er sich an der neu umbenannten Faculty of Medicine of Rangoon University ein, wo er im Marz 1950 mit einem Bachelor of Medicine, Bachelor of Surgery (MBBS) abschloss. = Beginn der medizinischen Laufbahn = San Baw begann seine medizinische Karriere am Rangoon General Hospital (RGH) im Juni 1950. Dort spezialisierte er sich auf allgemeine und orthopadische Chirurgie und absolvierte von 1951 bis 1954 eine Ausbildung bei dem amerikanischen Chirurgen Phillips Foster Greene, wahrend er beim Aufbau der Abteilung fur Orthopadie am RGH half. Von 1954 bis 1957 absolvierte er mit einem staatlichen Stipendium ein Aufbaustudium in Orthopadie an der medizinischen Fakultat Perelman School of Medicine at the University of Pennsylvania und studierte bei den Professoren Paul C. Colonna und J. T. Nicholson. 1958 graduierte er mit einem MD und einem Master of Surgery (MS) in Orthopadie. Nach seiner Ruckkehr aus den USA im November 1957 wurde er zum Chef der orthopadischen Chirurgie am Mandalay General Hospital (MGH), einem Lehrkrankenhaus in Mandalay, ernannt. Karriere = Baw wird als Orthopade landesweit bekannt = San Baw entwickelte sich zum bedeutendsten orthopadischen Chirurgen des Landes. Er leitete von 1957 bis 1975 die Abteilung fur orthopadische Chirurgie am Mandalay General Hospital und von 1975 bis 1980 am Rangoon General Hospital und half 1978 beim Aufbau der Praxis der Mikrochirurgie am Rangoon General Hospital und seinen Zweigstellen. Er lehrte Orthopadie am Mandalay Medical College (spater: Institute of Medicine, Mandalay) 1957 bis 1975 und am Institute of Medicine 1, Rangoon 1975 bis 1980. Er leistete zahlreiche Beitrage zum orthopadischen Bereich. Er ist vor allem als Pionier bei der Verwendung von „Elfenbein-Huftprothesen zum Ersatz nicht verbundener Frakturen des Oberschenkelhalses“ („ivory hip prostheses to replace ununited fractures of the neck of the femur“) bekannt und fur die Entwicklung einer „neuen Technik zur Behandlung der infantilen Schienbeinpseudarthrose“ („a new technique for treating infantile pseudoarthrosis of the tibia“). = Entwicklung der Elfenbein-Huftprothesen = San Baw kam wahrend seiner Zeit an der University of Pennsylvania auf die Idee, Elfenbein fur Huftprothesen zu verwenden. Huftprothesen aus Elfenbein wurden erstmals 1891 von Themistocles Gluck und 1927 von Ernest W. Hey Groves benutzt, fanden aber im Gegensatz zu Metallprothesen keine weite Verbreitung. San Baw glaubte, dass Elfenbein nicht nur „bessere biologische Eigenschaften als die von Metalllegierungen“ („having better biologic properties than those of metal alloys“) habe, sondern in seinem Land auch billiger und leichter zu beschaffen ware als Metalllegierungen. Bald nach seinem Arbeitsbeginn am Mandalay General Hospital begannen er und sein Team, die physikalischen Eigenschaften von Elfenbein mithilfe verschiedener mechanischer Tests zu untersuchen. Basierend auf den Ergebnissen entwarf er „seine neuartige Elfenbeinhufte speziell fur Patienten mit langjahriger Pseudarthrose aufgrund von verschobenen Schenkelhalsfrakturen, Spondylitis ankylosans und avaskularer Nekrose“. Seine Entwurfe basierten auf einer Thomson-Hemi-Arthroplastik, jedoch mit erheblichen Modifikationen am Schaft und spater auch an der Kopf-Hals-Verbindung. Seine erste Elfenbein-Prothese wurde 1960 einem Menschen eingesetzt. Die 83-jahrige Thilashin (burmesische buddhistische Nonne) Daw Ponnya erhielt sie nach einem Oberschenkelhalsbruch. Die Elfenbeinprothese wurde durch den Elfenbeinhandschnitzer Tin Aung speziell angefertigt. Er bearbeitete spater in großem Stil San Baws Huftprothesen aus den „Langsachsen von Elfenbeinstoßzahnen, die von naturlich gestorbenen burmesischen Elefanten geerntet wurden“. San Baw betrieb die Verbesserung seiner Prothesen-Designs aus eigenen Mitteln bis 1965, als er endlich finanzielle Unterstutzung durch die Burmesische Regierung erhielt. Er und sein Team „experimentierten mit Elfenbein und stellten andere Implantate wie Phalangealprothesen, Ellenbogen-Totalendoprothesen, Pfannenprothesen, THAs [Hufttotalendoprothesen], Elfenbeinplatten, Schrauben, Rush-Stifte und sogar eine Kahnbeinprothese her.“ Zu seinen Assistenten gehorten Khin Maung Tu, Kyaw Myint Naing und Dr. Meik. Bis 1969 hatte er mehr als 100 Elfenbein-Huftprothesen eingesetzt. Baw berichtete uber seine Ergebnisse auf der Konferenz der British Orthopaedic Association in London im September 1969. In seinem Vortrag „Ivory Hip Replacements for Ununited Fractures of the Neck of Femur“ („Elfenbein-Huft-Ersatz fur nichtverheilte Oberschenkelhalsfrakturen“) berichtete er von einer Erfolgsquote von 88 % bei seinen Patienten im Alter zwischen 24 und 87 Jahren. Die meisten konnten einige Wochen, nachdem ihre gebrochenen Huftknochen durch Elfenbeinprothesen ersetzt worden waren, laufen, hocken, Fahrrad fahren und sogar Fußball spielen. Neben der Wirksamkeit waren die Kosten ein großer Vorteil, den San Baw hervorhob. Seine Elfenbeinprothese kostete „weniger als 720 US-Dollar“ („as little as $720“) und war viel billiger als Titan- und Vitalliumprothesen. Er empfahl dies als erschwingliche und wirksame Option in Landern, in denen es reichlich Elfenbein gibt. Baw betonte auch, dass das Elfenbein fur seine Prothesen von Elefanten stammte, die eines naturlichen Todes gestorben waren, und dass es im Land etwa 2000 Elefanten in Gefangenschaft gab. Sein Artikel wurde in der britischen Ausgabe des Journal of Bone and Joint Surgery vom Februar 1970 veroffentlicht. Von 1969 bis zu seiner Pensionierung 1980 wurden zusatzlich 200 bis 300 Huftprothesen implantiert. Nach der Genesung konnten die meisten Patienten alltagliche Bewegungen wie Gehen und Hocken durchfuhren und sogar Sport treiben. = Weitere Erfolge = San Baw leistete Pionierarbeit bei anderen Techniken. Er „entwickelte eine neue Technik zur Behandlung der angeborenen Pseudarthrose des Schienbeins“, die in der britischen Ausgabe des Journal of Bone & Joint Surgery vom Februar 1975 veroffentlicht wurde und zur Behandlung von mindestens 15 Patienten eingesetzt wurde. Daruber hinaus fuhrte er klinische Forschungen uber „die Verwendung von Elfenbeinpulver anstelle von Spongiosa zum Verschließen der entstandenen Hohlraume von Riesenzelltumoren des Knochens nach der Kurettage“ durch; mindestens 27 Falle wurden mit dieser Methode behandelt. Elfenbeinpulver wurde auch zum Fullen von Knochenhohlen aufgrund anderer Krankheiten verwendet. Allein 1978 wurden unter seiner Aufsicht in mindestens sechs Fallen vollstandig amputierte Hande mikrochirurgisch wieder zusammengefugt. Alter San Baw ging im Oktober 1980 im Alter von 58 Jahren in den Ruhestand. San Baw war seit seinem zehnten Lebensjahr starker Raucher und verbrachte seine letzten Jahre mit Lungenkrebs. Nach Aussage seines Sohnes war das Rauchen fur ihn ein „sensibles“ Thema, auch seine Frau und sein Sohn konnten nur „mit großer Vorsicht“ („with great care“) uber das Thema sprechen. Er starb am 7. Dezember 1984 mit 62 Jahren in Mandalay an den Folgen von Lungenkrebs. Familie San Baw heiratete 1953 Myint Myint Khin, eine Kommilitonin der medizinischen Fakultat in Rangun. Beide waren Absolventen des Jahrgangs 1950. Sie war ebenfalls Absolventin der Penn Medicine und folgte ihm 1960 nach Mandalay, nachdem sie zur Professorin fur Medizin Klinik an der medizinischen Fakultat der Universitat Mandalay ernannt worden war. Nach seinem Tod trat sie abrupt von ihrem Amt als Leiterin der medizinischen Abteilung zuruck und arbeitete von 1985 bis 1991 als Beraterin bei der Weltgesundheitsorganisation mit Sitz in Neu-Delhi. Sie hatte eine zweite Karriere als Autorin und veroffentlichte 13 Bucher zwischen 1996 und 2013. Ihr letztes veroffentlichtes Werk, Poetry for Me, ein englischsprachiger Gedichtband, wurde von ihrem verstorbenen Ehemann inspiriert. Das Paar hatte einen Sohn, Myint Zan, der Hochschullehrer fur Rechtswissenschaft wurde und von 1989 bis 2016 an Universitaten in Malaysia, Australien, im Sudpazifik und in den Vereinigten Staaten lehrte. Vermachtnis und Anerkennung Die Assistenten von San Baw verwendeten mindestens bis 1995 Huftprothesen aus Elfenbein. Insgesamt implantierten San Baw und seine Nachfolger zwischen 1960 und 1995 uber 500 handgefertigte Huftprothesen aus Elfenbein. 2014 war noch mindestens eine Tragerin eines Elfenbein-Huftersatzes, der 1994 von San Baws ehemaligem Assistenten Prof. Meik durchgefuhrt wurde, am Leben; die damals 93-jahrige Patientin berichtete, dass sie ihre Elfenbeinhufte seit 20 Jahren uneingeschrankt nutze. San Baw starb unter relativ geringer offentlicher Anteilnahme. Seine Beitrage waren international nicht allgemein bekannt. Nach Angaben seines Sohnes verbreiteten keine internationalen Medien die Nachricht. Die Zeitschrift Penn Medicine veroffentlichte 1988 eine kurze Mitteilung uber San Baws Tod mit einer kurzen Beschreibung seiner Leistungen, nachdem Myint Zan sie kontaktiert hatte. Im Gegensatz dazu wurde der Tod von Myint Myint Khin im Jahr 2014 in burmesischen Publikationen sowie in mindestens einer internationalen Zeitschrift veroffentlicht (The BMJ). Die burmesische Regierungspartei Burma Socialist Programme Party (မြနမာဆိုရှယလစလမးစဉပါတီ BSPP government, မဆလ) hatte ihm fur seine Errungenschaften ebenfalls keine Ehrungen verliehen. San Baws Familie bemuhte sich um sein Andenken. Direkt nach seinem Tod stiftete Myint Myint Khin den Dr. San Baw Prize for Research durch die Myanmar Medical Association (Burma Medical Association), um medizinische Forschung im Land zu fordern. Der Preis war jedoch mit einer relativ geringen Summe dotiert (30.000 Kyat) und es ist unklar, ob weitere Fonds beigetragen wurden oder wie lange der Preis verliehen wurde. Myint Myint Khin starb 2014. 2019 begrundeten Myint Zan und die Myanmar Orthopaedic Society den Dr. San Baw Research Fund zur Forderung von „verschiedenen Forschungesaktivitaten, und insbesondere – aber nicht ausschließlich – in Verbindung mit orthopadischer Forschung und Training“ („various research activities, primarily—but not solely—related to orthopedic research and training“). San Baws Werk war international vergessen bis in die 2010er Jahre. Ein in Großbritannien ansassiger polnischer Orthopade, Bartlomiej Szostakowski, interessierte sich zufallig fur San Baws Karriere und 2017 veroffentlichte er zusammen mit zwei Kollegen des Royal National Orthopaedic Hospital einen Artikel uber „Ivory Hemiarthroplasty“, in welchem er die Arbeit und Forschungsergebnisse von San Baw und dessen Team wieder publik machte. Die Abteilung fur orthopadische Chirurgie der University of Pennsylvania stimmte spater zu, jahrliche Vorlesungen zum Gedenken an Dr. San Baw abzuhalten, nachdem Myint Zan der Schule eine Spende geleistet hatte. Im Jahr 2018 hielt Szostakowski bei der ersten Dr. San Baw GM’58-Ehrenvorlesung (Dr. San Baw GM’58 Honorary Lecture in Orthopedic Innovation) fur orthopadische Innovation die Antrittsvorlesung mit dem Titel „Dr. San Baw: Der vergessene Innovator in der orthopadischen biologischen Rekonstruktion“ („Dr. San Baw: The Forgotten Innovator in Orthopedic Biologic Reconstruction“). Die Vorlesung soll als dauerhafte Institution eingerichtet werden. Myint Zan grundete außerdem den San Baw, MD, GM’58 Memorial Fund in Palliative Oncology zur Unterstutzung der Palliativversorgung bei Penn Medicine. Literatur Lauren Boden: Inaugural San Baw, MD Honorary Lecture in Orthopaedic Innovation Dr. Bartek Szostakowski. upoj.org vom 29. November 2018: S. 41–42. Myanmar Medical Association (Burma Medical Association): In Memoriam, Dr. U San Baw (1922–1984). Burma Medical Association. malaccabar.org 1984. Khin Thet Hta, Khin Khin Win, Htay Htay Aye, Mya Tu: Who’s who in Health and Medicine in Myanmar. Ministry of Health, Myanmar 2005. google books Wunna Kyawhtin Myint Swe: The Japanese Era Rangoon General Hospital: Memoir of a Wartime Physician. ubers. Zarny Tun. Myanmar Book Centre, Yangon 2014, ISBN 978-99971-852-9-7 Myint Zan: Remembering a Myanmar Surgical Pioneer. In: The Irrawaddy. irrawaddy.com vom 7. Dezember 2019. Penn Medicine News: Penn Medicine’s Global Reach to the Far East. Penn Medicine. pennmedicine.org vom 4. Mai 2015. Penn Medicine News: Honoring an Orthopaedic Pioneer. Penn Medicine. pennmedicine.org vom 3. Januar 2019. Jodi Seidler: History of Hip Replacements. Hipster Club. 27. Juni 2011. Ned Stafford: Myint Myint Khin: Legendary Burmese doctor and teacher, and later a poet. British Medical Journal. bmj.com vom 25. Oktober 2014: S. 24. Daniel Stiles: Ivory Carving in Myanmar. Asian Art. asianart.com vom 19. November 2002. Bartek Szostakowski, Jakub Jagiello, John A. Skinner: Ivory Hemiarthroplasty: The Forgotten Concept Lives On. In: Clinical Orthopaedics and Related Research. vol. 475, 12. 13. September 2017: S. 2850–2854 Springer link.springer.com doi=10.1007/s11999-017-5497-0 pmid=28905301 pmc=5670068 Special USIS News Release: Surgeons Hear of U San Baw’s Success with Ivory Bones. United States Information Agency (USIS) 15. Oktober 1969. Yan Pai: Myint Myint Khin, Well-Known Doctor and Writer, Dead at 91. The Irrawaddy. irrawaddy.com vom 20. Juni 2014. Einzelnachweise
San Baw (birmanisch စံဘော, saɰ bɔ; geboren am 29. Juni 1922, Britisch-Indien; gestorben am 7. Dezember 1984 in Yangon (Rangoon), Myanmar) war ein burmesischer Orthopadie-Chirurg. Er wurde bekannt fur seine Pionierarbeit bei der „Nutzung von Elfenbein-Huft-Prothesen als Ersatz bei nichtheilenden Bruchen am Hals des Oberschenkelknochens“ und fur die Entwicklung „einer neuen Technik, um kindliche Pseudoarthrose des Schienbeins zu behandeln“. Als Chef-Orthopade am Mandalay General Hospital (1957–1975) und am Rangoon General Hospital (1975–1980) fuhrte er mehr als dreihundert Operationen mit Elfenbeinprothesen durch. Er unterrichtete auch Orthopadie an der University of Medicine, Mandalay und am Institute of Medicine 1, Rangoon. Nach seinem Tod infolge einer Lungenkrebserkrankung 1984 stiftete seine Frau, Myint Myint Khin, durch die Burma Medical Association den Dr. San Baw Prize for Research. 2019 begrundeten ihr Sohn Myint Zan und die Myanmar Orthopaedic Society den Dr. San Baw Research Fund zur Unterstutzung fur orthopadische Forschung und praktisches Training fur Orthopaden.
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c-656
Diese Liste von Filmen uber den Volkermord in Ruanda umfasst eine Auswahl von Filmen, Serien, Dokumentationen und Reportagen mit Bezug zum Volkermord in Ruanda. Der Volkermord in Ruanda begann am 7. April 1994, einen Tag nach dem Abschuss des Prasidentenflugzeugs, und dauerte bis Mitte Juli 1994. Innerhalb dieser rund 100 Tage wurden von der Hutu-Mehrheit im Land etwa 75 Prozent der in Ruanda lebenden Tutsi-Minderheit getotet sowie nicht kooperierende Hutu und Twa. Die Opferzahlen lagen Schatzungen nach zwischen 800.000 und 1.000.000 Menschen. Daruber hinaus kam es massenhaft zu Vergewaltigungen. Im Nachgang wurden die Vereinten Nationen (UN), die im Rahmen der United Nations Assistance Mission for Rwanda (UNAMIR) Friedenstruppen im Land stationiert hatten, und Staaten wie die USA, Großbritannien, Belgien und Frankreich fur ihre Untatigkeit kritisiert. Ebenfalls kritisiert wurde die mangelnde Medienberichterstattung. Nach dem Holocaust ist der Volkermord in Ruanda mit etwa 200 zwischen 1994 und 2021 produzierten Filmen, Dokumentationen, Fernsehserien und Nachrichtenproduktionen aus mindestens 39 verschiedenen Landern der am meisten filmisch aufgearbeitete Genozid. Der international erfolgreichste Spielfilm zum Thema war Hotel Ruanda aus dem Jahr 2004 von Terry George, der auf der wahren Geschichte des Hotelmanagers Paul Rusesabagina beruht, der uber 1200 Menschen in Kigali im Hotel des Mille Collines vor dem sicheren Tod rettete. Der Film wurde fur drei Oscars nominiert: Don Cheadle als bester Hauptdarsteller, Sophie Okonedo als beste Nebendarstellerin sowie Keir Pearson und Terry George fur das beste Original-Drehbuch. Reale Filmaufnahmen der Ereignisse von Reportern vor Ort existieren jedoch kaum. Wahrend zur Zeit des Volkermords 2.500 Journalisten fur die Wahlen in Sudafrika akkreditiert waren, gab es zeitgleich lediglich funfzehn Kriegsberichterstatter in Ruanda. Die einzigen weithin verfugbaren Filmaufnahmen, die wahrend des Genozids verubte Morde zeigen, stammen von dem fruheren BBC-Reporter Nick Hughes. Sie sind Thema des Dokumentarfilms Iseta: Behind the Roadblock von Juan Reina aus dem Jahr 2008. Liste = Spiel-, Fernseh- und Kurzfilme = = Serien = = Dokumentationen und Reportagen = Siehe auch Liste von Filmen zum Holocaust Literatur Piotr A. Cieplak: The Rwandan genocide and the bestiality of representation in 100 Days (2001) and Shooting Dogs (2005). In: Journal of African Cinemas. Band 2, Nr. 1, Juni 2010, doi:10.1386/jac.2.1.49_1 (englisch). Piotr A. Cieplak: Chapter 4: ‘Who Filmed This?’—Iseta: Behind the Roadblock (2008). In: Death, Image, Memory. Palgrave Macmillan, London 2017, S. 125–157, doi:10.1057/978-1-137-57988-1 (englisch). Piotr A. Cieplak: History, trauma and remembering in Kivu Ruhorahoza’s Grey Matter (2011). In: Journal of African Cultural Studies. Band 30, Nr. 2, 2018, S. 163–177, doi:10.1080/13696815.2016.1244476 (englisch). Alexandre Dauge-Roth: Writing and Filming the Genocide of the Tutsis in Rwanda: Dismembering and Remembering Traumatic History. Lexington Books, 2010, ISBN 978-0-7391-1229-8 (englisch). Tommy Gustafsson: Historical Media Memories of the Rwandan Genocide: Documentaries, Films, and Television News. Edinburgh University Press, Edinburgh 2024 (englisch, diva-portal.org [PDF; 10,1 MB]). Christiane Reichart-Burikukiye: Der Volkermord auf der Leinwand: Hotel Ruanda und Sometimes in April und die Erinnerung an den Genozid in Ruanda. In: Astrid Erll, Stephanie Wodianka (Hrsg.): Film und kulturelle Erinnerung. Plurimediale Konstellationen. Walter de Gruyter, Berlin/New York 2008, ISBN 978-3-11-020443-8, S. 77–105. Weblinks Einzelnachweise
Diese Liste von Filmen uber den Volkermord in Ruanda umfasst eine Auswahl von Filmen, Serien, Dokumentationen und Reportagen mit Bezug zum Volkermord in Ruanda.
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c-657
Die Augsburger Reichsmunzordnung von 1559 wurde von Kaiser Ferdinand I. auf dem Augsburger Reichstag erlassen. Damit wurde eine Munzordnung geschaffen, die sich durchzusetzen vermochte. Diese dritte Reichsmunzordnung hob die Wertgleichheit von rheinischem Goldgulden und Guldener auf und fuhrte den Reichsguldener im Wert von 60 Kreuzern ein. Geschichte Von der ersten Reichsmunzordnung, der Esslinger Reichsmunzordnung von 1524, hatte nur die Einfuhrung der Kolner Mark = 233,855 g als Munzgrundgewicht bleibenden Bestand. Die zweite, die Augsburger Reichsmunzordnung von 1551, hatte die Wertgleichheit von rheinischem Goldgulden und Guldener bzw. Guldiner bestimmt. Erst die dritte Reichsmunzordnung, am 19. August 1559 von Kaiser Ferdinand I. (1531 romischer Konig, 1558–1564(61) Kaiser) auf dem Augsburger Reichstag erlassen, hob die Wertgleichheit auf und fuhrte als neues großeres Silbernominal den Reichsguldener (Reichsgulden) im Wert von 60 Kreuzern ein (siehe Tabelle). „Damit war in Oberdeutschland“, so der langjahrige Direktor des Dresdner Munzkabinetts Paul Arnold, „die seit der zweiten Reichsmunzordnung bestehende Differenz zwischen gepragtem Guldiner zu 72 Kreuzern und Rechnungsguldiner zu 60 Kreuzern wieder aufgehoben.“ = Die sieben Munzsorten der Reichsmunzordnung = (nach Walther Haupt) = Zulassige andere Munzsorten = Außerdem sollten zulassig sein (weitere Angaben nach Walther Haupt): Neben dem rheinischen Goldgulden wurde als neue Reichsgoldmunze der Dukaten zu 104 Kreuzern zugelassen. Auch die Augsburger Reichsmunzordnung von 1559 schrieb den Reichsstanden ein einheitliches Vorder- und Ruckseitenbild auf ihren Gepragen vor. Auf der Hauptseite sollte sich der zweikopfige Reichsadler mit dem Reichsapfel auf der Brust befinden, in dem der Wert des Geldstuckes in Kreuzer angegeben ist und dazu die Umschrift FERDINANDI IMP. AUGUSTI P. F. DECRETO. Auf der Gegenseite sollte das Wappen und der Name sowie Titel und Munzstand oder Munzherr ersichtlich sein. Allerdings hielt sich der Kaiser selbst nicht an seine Vorschrift. (Vergleiche das Munzbild zur Vorschrift mit seinem gepragten Reichsguldener oben.) Nicht der Reichsguldener der neuen Munzordnung setzte sich durch, sondern der 1566 legalisierte Reichstaler. = Vom Guldengroschen zum Reichstaler = Erst das im Jahr 1566 von Kaiser Maximilian II. (1564–1576) auf dem Augsburger Reichstag erlassene Reichsmunzedikt trug der beherrschenden Stellung des sachsischen Guldengroschens in den mittel- und niederdeutschen Landern Rechnung. Der Kaiser ließ die Talermunze 1566 bei geringer Feingehaltsverminderung von 902,78 auf 888,89 ‰ als Reichsmunze (Reichstaler) im Wert von 68 Kreuzern zu. Dennoch zogerte Kurfurst August von Sachsen noch, der Reichsmunzordnung beizutreten und Reichstaler pragen zu lassen, wie sie bereits von Maximilian ausgegeben wurden. Kurfurst August hatte allerdings bei weiterer Verzogerung befurchten mussen, dass die schweren sachsischen Guldengroschen gegen die leichteren Munzen der Reichsmunzordnung ausgewechselt werden wurden, denn der neue Reichsmunzfuß verbreitete sich. Außerdem waren genaue Kontrollen uber die Einhaltung der Reichsmunzordnung festgelegt worden. Den 10 Reichskreisen, in die das Heilige Romische Reich eingeteilt war, oblag die Kontrolle der Einhaltung der Reichsmunzordnung. Dazu dienten jahrlich zwei Kreisprobationstage, zu denen die kreisausschreibenden Fursten einzuladen hatten. Fur die Probationstage war ein Generalkreiswardein zu bestellen, der nach der Probationsordnung auf die Einhaltung von Schrot und Korn des gesetzlich festgelegten Reichsmunzfußes zu achten hatte. Die Munzstande hatte von jedem Munznominal in eine verschlossene Fahrbuchse (mehrfach verschließbarer Behalter) ein Geldstuck oder eine Zainprobe einzuwerfen, die der Generalmunzwardein am 1. Mai und am 1. Oktober zu prufen hatte. Da Kaiser Maximilian II. die strikte Durchfuhrung der Reichsmunzordnung nachdrucklich befahl, konnte Kurfurst August sich ihr nicht mehr entziehen. Als kreisausschreibender Furst musste er die Reichsmunzordnung im obersachsischen Reichskreis durchsetzen. Sein Beitritt erfolgte stillschweigend am 8. April 1571 mit dem Druck einer sogenannten Hauptvalvation. Er ließ alle Nominale als „reichsfußgemaß“ mit einem kleinen Reichsapfel versehen. Die nach dem Reichsmunzfuß ausgebrachten Reichstaler verdrangten die 1559 eingefuhrten Reichsguldener und wurden im Heiligen Romischen Reich Hauptwahrungsnominal. = Auspragung Kurfurst Augusts nach dem Beitritt zur Reichsmunzordnung 1571 = (Paul Arnold: nach W. Schwinkowski) Generell konnten jedoch die Probleme im Munz-, Maß- und Gewichtswesen wegen der Schwache der kaiserlichen Zentralgewalt gegenuber den munzberechtigten Fursten mit der Reichsmunzordnung nicht beseitigt werden. Siehe auch Sachsische Talerwahrung (1500–1571) Literatur Oliver Volckart: The Silver Empire. How Germany Created Its First Common Currency. Oxford (Oxford University Press) 2024. ISBN 9780198894483. Walther Haupt: Sachsische Munzkunde. Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1974, S. 124. Helmut Kahnt: Das große Munzlexikon von A bis Z. Regenstauf 2005, S. 32. Heinz Fengler, Gerd Gierow, Willy Unger: transpress Lexikon Numismatik. Berlin 1976, S. 26, S. 27 Tabelle. Paul Arnold: Kurfurst August und das sachsische Munzwesen. In: Numismatische Hefte, Nr. 20, 1986, Kulturbund der DDR, Gesellschaft fur Heimatgeschichte, Bezirksfachausschuß Numismatik Dresden. Friedrich von Schrotter (Hrsg.), mit N. Bauer, K. Regling, A. Suhle, R. Vasmer, J. Wilcke: Worterbuch der Munzkunde. de Gruyter, Berlin 1970 (Nachdruck der Originalausgabe), S. 556. Keysers Ferdinandi newe Munzordnung zu Augspurg M.D.LIX gedruckt von Franciscum Behem zu Mainz (1559) Einzelnachweise
Die Augsburger Reichsmunzordnung von 1559 wurde von Kaiser Ferdinand I. auf dem Augsburger Reichstag erlassen. Damit wurde eine Munzordnung geschaffen, die sich durchzusetzen vermochte. Diese dritte Reichsmunzordnung hob die Wertgleichheit von rheinischem Goldgulden und Guldener auf und fuhrte den Reichsguldener im Wert von 60 Kreuzern ein.
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c-658
Haploprocta sulcicornis ist eine Wanze aus der Familie der Randwanzen (Coreidae). Die Erstbeschreibung der Art geht auf Johann Christian Fabricius im Jahr 1794 als Coreus sulcicornis zuruck. Haploprocta sulcicornis ist eine mediterrane Art und gilt in Deutschland lokal als Neozoon. Das aus dem Lateinischen stammende Art-Epitheton sulcicornis bedeutet ubersetzt „mit gefurchten Hornern“. Merkmale Die Wanzen werden 9,5–13 mm lang. Sie sind uberwiegend rot gefarbt. Die Fuhler besitzen ein verdicktes basales Glied. Gefolgt wird dieses von zwei langen schlanken Fuhlergliedern sowie einem keulenformigen leicht verdunkelten Endglied. Das relativ schlanke Pronotum ist am vorderen Seitenrand weiß gerandet. Das breite Connexivum (Seitenrand des Hinterleibs) weist einen schmalen Rand mit einem unscheinbaren weiß-schwarzen Fleckenmuster auf. Die Membran erscheint hellbraun-orange. Die Beine sind hellbraun-gelb gefarbt. Eine ahnliche in Deutschland vorkommende Art ist die Rhombenwanze. Diese ist meist kleiner. Außerdem ist das Connexivum der Rhombenwanze seitlich annahernd trapezformig wahrend das von Haploprocta sulcicornis gerundet ist. Verbreitung Haploprocta sulcicornis besitzt eine westpalaarktische Verbreitung. Die Art kommt hauptsachlich im Mittelmeerraum vor, wo sie weit verbreitet ist. Das Verbreitungsgebiet der warmeliebenden Art reicht von den Kanarischen Inseln uber Nordafrika und die Iberische Halbinsel bis in den Nahen Osten und bis zur westlichen Schwarzmeerkuste. Das Vorkommen reicht im Norden bis nach Nordfrankreich. Erste Funde in Deutschland gibt es schon seit den 1950er Jahren. In der Zwischenzeit gibt es Nachweise entlang den großeren Flusstalern im Sudwesten Deutschlands. Nach Meldungen bei der Global Biodiversity Information Facility (GBIF) lag die nordliche Verbreitungsgrenze in Deutschland im Jahr 2023 im Westen auf der Hohe von Koblenz und im Osten auf Hohe des Mains. Lebensweise Die Art bevorzugt trocken-warme Standorte. Sie lebt an Kleinem Sauerampfer (Rumex acetosella) und Schild-Ampfer (Rumex scutatus). Als weitere Wirtspflanzen werden Stierkopf-Ampfer (Rumex bucephalophorus), Kanaren-Ampfer (Rumex lunaria) und Rosen-Lauch (Allium roseum) sowie Scorzonera sublanata aus der Gattung der Schwarzwurzeln genannt. Die uberwinternden Imagines erscheinen im April. Ab Ende April kann man die Wanzen auf den Wirtspflanzen bei der Kopula und Eiablage beobachten. Die Nymphen der neuen Generation erscheinen im Juli. Einzelnachweise Weblinks Haploprocta sulcicornis (Fabricius, 1794). In: Galerie du Monde des insectes (www.galerie-insecte.org). Abgerufen am 8. April 2024 (franzosisch). – mit Nymphenfotos
Haploprocta sulcicornis ist eine Wanze aus der Familie der Randwanzen (Coreidae). Die Erstbeschreibung der Art geht auf Johann Christian Fabricius im Jahr 1794 als Coreus sulcicornis zuruck. Haploprocta sulcicornis ist eine mediterrane Art und gilt in Deutschland lokal als Neozoon. Das aus dem Lateinischen stammende Art-Epitheton sulcicornis bedeutet ubersetzt „mit gefurchten Hornern“.
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c-659
Muttertag (Originaltitel Mother’s Day, auch als Rugrats Mother’s Day Special und Rugrats Mother’s Day ausgestrahlt) ist die 67. Folge der US-amerikanischen Comedy-Zeichentrickserie Rugrats. Im Mittelpunkt steht der kleine Chuckie, der gerne eine Mutter hatte. Seine Freunde wollen deswegen am Muttertag eine fur ihn finden. Das stellt sich als schwierig heraus, nicht zuletzt aufgrund ihres sehr jungen Alters. In Nebenhandlungen geht es um die Beziehungen anderer Figuren zu ihren Muttern. Die Idee zur Episode entstand bereits einige Jahre vor deren Produktion. Die Drehbuchautoren wollten darin die Grunde fur die Abwesenheit von Chuckies Mutter erlautern. Allerdings lehnte der ausstrahlende Sender Nickelodeon ab, da den Verantwortlichen der Vorschlag fur eine Kindersendung unangebracht schien. Erst nach einem Personalwechsel im Vorstand wurde die Folge bewilligt. Die Folge Muttertag feierte ihre Premiere am 6. Mai 1997. Sie stieß bei Kritikern auf eine positive Resonanz, die vor allem die kindgerechte und fur die Serie ungewohnlich emotionale Darstellung eines schwierigen Themas lobten. Handlung Der einjahrige Tommy sowie seine Nachbarn, die Zwillinge Phil und Lil, vergnugen sich bei ihm zuhause mit einer Schussel Makkaroni. Sie werden von Tommys alterer Cousine Angelica unterbrochen, die sich die Nudeln nimmt und daraus eine Buste von sich selbst baut. Auf Tommys Frage, was sie damit tun will, antwortet sie, dass das Kunstwerk ihr Muttertagsgeschenk ist. Angelica erklart den Jungen den Brauch, die daraufhin beschließen, auch ihren Muttern etwas zu schenken. Sie suchen deswegen im Wohnzimmer in den Sofaritzen nach etwas Passendem. In der Zwischenzeit unterhalt sich Tommys Mutter Didi mit ihrer Freundin Betty, der Mutter der Zwillinge. Betty erzahlt, ihrem Ehemann Howard heute „freigegeben“ zu haben, da er ihr jeden Tag Fruhstuck macht. Didi will mit ihrer eigenen Mutter Minka in ihr Lieblingsspa gehen. Sie kann sich darauf aber nicht freuen, weil die beiden seit Jahrzehnten standig Meinungsverschiedenheiten haben. Kurz darauf prasentiert Didis Gatte Stu ihr sein Muttertagsprasent. Es handelt sich um seine neueste Erfindung, einen Roboter, der Muttern im Haushalt sowie bei der Kinderbetreuung helfen soll. Bei der ersten Demonstration bringt er das Schlafzimmer in vollige Unordnung. Stu nimmt sich die Maschine und versucht, sie im Keller zu reparieren. Betty geht mit und sieht ein langes Papier, das aus einem Drucker kommt. Stu erklart ihr, dass es sich dabei um die Programmdaten des Gerats handelt. Der Erfinder wird nicht lange danach von seiner Kreation gejagt, wahrend Betty nach der Lekture des Programms beschließt, es umzuschreiben, was den Roboter aber nicht wirklich verbessert. Spater bekommt Stu Besuch von seinem Freund Chas und dessen kleinem Sohn Chuckie. Tommy bietet Chuckie an, bei der Suche nach Muttertagsgeschenken mitzumachen. Er lehnt ab, da er aus ihm unbekannten Grunden keine Mutter hat. Kurz darauf erzahlt Lil, wie sie und ihr Bruder, nachdem sie zum ersten Mal auf die „altmodische Art“ tranken, lachten und Betty damit sehr glucklich machten. Tommy erinnert sich an seine Zeit in einem „Aquarium“, in dem er verangstigt lag, bis Didi kam und seine Hand hielt. Chuckie berichtet von seinen Traumen uber eine Mutter, mit der er in einem Garten steht, wo er sich trotz seiner in der Realitat sehr angstlichen Art nicht vor vorbeifliegenden Schmetterlingen furchtet. Die Kinder wollen deswegen eine Mutter fur ihren Freund finden. Er ist von ihren Vorschlagen (eine Schneiderpuppe und Tommys Hund Spike) nicht uberzeugt, worauf Lil sich als Mutter anbietet. Ihre elterlichen Fahigkeiten sind begrenzt, was Angelica zufallig mitbekommt und Chuckie unter der Bedingung, ihr mit der Buste zu helfen, „adoptiert“. Unterdessen bittet Chas Didi, eine Schachtel mit Sachen seiner Ehefrau, die Chuckie nicht finden soll, bei sich aufzubewahren. Obwohl Didi Bedenken hat, verstaut sie die Kiste in einem Abstellraum. Derweil arbeitet Chuckie, der von Angelica einen „schickeren“ Namen bekommen hat, alleine an ihrem kunstlerischen Projekt weiter. Obwohl die Buste eigentlich fertig ist, tragt sie ihm auf, im Garten eine Pusteblume als Dekoration zu besorgen. Er soll die von seiner „Mutter“ erwunschten Pflanze trotz der Biene, die darauf sitzt, pflucken. Chuckie wird wenig spater sowohl vom Insekt als auch vom Roboter verfolgt. Die Blume verliert dabei ihre Bluten, was Angelica verargert. Nachdem Chuckie zudem versehentlich die Buste vom Tisch stoßt, wird er von ihr „verstoßen“ und mit den anderen Jungen im Abstellraum eingesperrt, wo sie jahrelang bleiben sollen. Die anderen trosten Chuckie mit den Worten, dass eine echte Mutter ihn immer lieben und unterstutzen wurde. Ihm fallt ein, mit Chas eine solche Person zu haben. Deswegen sucht er nach einem Geschenk fur ihn. Die Kinder finden in der Schachtel einen Spachtel, ein Tagebuch mit eingepressten Blumen sowie ein Foto von der Frau aus Chuckies Traumen. Abends kommt Angelicas Mutter Charlotte vorbei, die von der ungewohnlichen Form der Buste begeistert ist. Danach kehren Didi und Minka aus dem Spa zuruck. Didi bricht in Tranen aus, weil sie mit ihrer Mutter, die sich die ganze Zeit nur beschwert hat, etwas tun wollte, was sie beide gerne machen. Als Minka erwidert, gerne Didis Mutter zu sein, versohnen sie sich. Im Abstellraum raufen sich Phil und Lil um eine Saugglocke. Durch ihre Rangelei offnet sich die Tur, worauf sie Betty das Gerat schenken. Schließlich zeigt Chuckie Chas das Foto. Sein Vater bringt es unter dem traurigen Blick seines Sohns weg. Didi folgt Chas, der das Bild wieder in die Kiste legt. Als sie ihm vorschlagt, seinem Sohn von der Frau zu erzahlen, zogert Chas, da Chuckie sie vermissen wurde. Didi entgegnet, dass sie das dann gemeinsam tun konnen. Chas geht mit seinem Sohn nach Hause und erklart ihm im Hinterhofgarten, dass es sich bei der Frau um Chuckies Mutter Melinda handelt, die fruher oft dort mit ihm war. In einer Ruckblende beruhigt sie ihren Sohn, als ein Schmetterling auf seinem Kopf landet. Wieder in der Gegenwart erwahnt Chas ein Gedicht, das Melinda im Krankenhaus fur Chuckie schrieb. Die Verstorbene sagt es Off camera in einem Voiceover auf. Es handelt davon, dass sie in den Elementen der Natur immer bei ihrem Sohn sein wird. Am Ende der Folge rahmt Chas das Foto sowie das Gedicht ein und stellt beides auf seine Wohnzimmerkommode. Im Garten erklart Chuckie Tommy und den Zwillingen, doch eine Mutter zu haben, die sich uberall draußen befinde. Synchronisation Die Synchronisation der Folge wurde bei der Studio Hamburg Synchron nach einem Dialogbuch und unter der Dialogregie von Michael Grimm erstellt. Produktion = Entstehung = Bereits in der Entwicklungsphase der Nickelodeon-Serie Rugrats, in der es um den Alltag einer Gruppe sprechender Babys und Kleinkinder geht, hatte Chuckie als einzige Hauptfigur keine Mutter. Laut Paul Germain, dem Co-Erfinder und ersten Showrunner des Programms, gab es dafur keinen konkreten Grund. Ihm und den anderen Autoren sei eingefallen, dass Chuckie noch Eltern brauche. Allerdings war ihnen nicht danach, zwei neue Figuren zu kreieren, weswegen sie beschlossen, Chas als alleinerziehenden Vater darzustellen. Der Autorenstab entschied nach der Produktion der zweiten oder dritten Staffel, die Abwesenheit von Chuckies Mutter in der Serie zu behandeln. Sie planten deswegen zunachst, einen Handlungsstrang uber die Scheidung seiner Eltern zu verfassen. Die Drehbuchautoren wandten sich mit ihrer Idee an den Sendervorstand. Dieser lehnte ab, da Scheidung ein fur Rugrats zu ernstes Thema sei. Auf den Vorschlag, stattdessen den Tod der Mutter aufzugreifen, reagierten die Verantwortlichen ebenso negativ. Sie behaupteten, dass sich die jungen Zuschauer eine derartige Folge aus Angst nicht ansehen wurden. Aus diesem Grund wurde Chuckies Mutter in den ersten 65 Episoden der Serie zwar gelegentlich erwahnt, auf ihr Fehlen aber nicht eingegangen. 1994, ein Jahr nachdem Germain und die anderen Drehbuchautoren aufgrund kunstlerischer Differenzen von den Produzenten entlassen wurden, verkaufte Nickelodeon die Ausstrahlungsrechte der Serie und setzte sie ab. Jedoch machte der Sender das bald ruckgangig, da die Wiederholungen hohe Quoten erreichten. Im Dezember 1996 gab Nickelodeon offiziell bekannt, fur die Serie zwei spezielle Feiertags-Episoden in Auftrag gegeben zu haben, eine davon anlasslich des Muttertags. In der Zeit zwischen Absetzung und Wiederaufnahme wechselte die Fuhrungsspitze des Senders, die den neuen Autoren erlaubte, den Verbleib von Chuckies Mutter darzustellen. Allerdings kommen in der Folge die Worter Tod beziehungsweise tot nicht vor, zudem wird als Todesursache lediglich eine nicht naher beschriebene Krankheit angedeutet. = Dreharbeiten = Als Gastsprecherin fur Melinda wurde die Schauspielerin Kim Cattrall verpflichtet. Wie der Synchronsprecher Michael Bell spater berichtete, musste er die Szene, in der Chas seinem Sohn von dessen verstorbener Mutter erzahlt, zweimal aufnehmen. Nachdem er sie eingesprochen hatte, weinten alle im Aufnahmestudio anwesenden Personen, einschließlich des Tonmeisters. Deswegen wurde ihm aufgetragen, den Text zu wiederholen und sich dabei „zu zugeln“. Obwohl Bell laut eigener Aussage von der Anweisung verwirrt war, befolgte er sie. Der zweite Take sei ebenfalls beruhrend, aber kein Vergleich zum ersten gewesen. Veroffentlichung Die Episode Muttertag feierte ihre Premiere am 6. Mai 1997 auf Nickelodeon. Sie hatte uberdurchschnittlich hohe Einschaltquoten und war zum Ausstrahlungszeitpunkt angeblich die meistgesehene Folge der Serie. In den Jahren darauf waren auf dem Sender gelegentlich Wiederholungen der Episode zu sehen, oft am oder um den Muttertag herum. Neben dem Titel Mother’s Day wurde sie gelegentlich unter den Alternativnamen Rugrats Mother’s Day Special und Rugrats Mother’s Day ausgestrahlt. 1998 wurde Muttertag auf einer US-amerikanischen Rugrats-Kassette mit dem Titel Mommy Mania veroffentlicht. Diese enthalt mehreren Episoden, in denen die Eltern der Rugrats, insbesondere die Mutter, im Mittelpunkt stehen. Zudem befindet sich die Folge auf mehreren DVD-Sammlungen der Serie und ist bei einigen Streamingdiensten abrufbar. In Deutschland wurde Muttertag erstmals am 19. September 1999 auf ProSieben ausgestrahlt und von 2000 bis 2002 auf dem Disney Channel wiederholt. Daneben kann sie bei mehreren Anbietern gestreamt werden. Rezeption = Kritiker = Neal Sastry schrieb in Comic Book Resources, dass die Szenen mit Chuckies Mutter und seine Interpretation ihres Ablebens „außerst aufrichtig“ seien. Zudem liefere die Folge ein „solides Fundament“ fur die Familiendynamik der Finsters in spateren Episoden der Serie. Alessandro Reale derselben Publikation nahm Muttertag in eine Liste der uberraschend tiefgrundigen, emotionalen Folgen von „eigentlich albernen und humorvollen“ Zeichentrickserien auf. Ahnlich außerte sich Pedro Fequiere von BuzzFeed, der die Episode in einer vergleichbaren Zusammenstellung fuhrte, da Chas’ Schilderungen uber seine verstorbene Frau sowie das Gedicht das Publikum „zu Freudentranen“ ruhrten. Caroline Bologna lobte in der Huffpost die „normalisierende“ Darstellung von Stillen. In Filmen sowie Fernsehserien reiche sie von „nachvollziehbar und lehrreich“ bis „problematisch und sexualisierend“. Muttertag sei eines der positiven Beispiele, auch in der Gegenwart erfreulich und fur Kinder vollkommen angemessen. Eric Schmuckler nannte die Folge in der The New York Times „heiter und albern, aber auch ergreifend“. Die Szenen, in denen die Kinder eine Mutter fur Chuckie suchen, der spater unter Angelicas „Tyrannei“ zu leiden hat, seien lustig. Im Gegenzug ende die Episode mit einer altersgerechten Erklarung uber den Tod sowie einem wunderschonen Gedicht. Fur Lynn Gibbs von Screen Rant seien das Portrat eines alleinerziehenden Vaters sowie die Gesprache uber den Tod „wunderbar“, weswegen Muttertag eine der besten Rugrats-Episoden darstelle. Die jungen Zuschauer lernten so, dass sie nach dem Ableben eines geliebten Menschen nicht alleine trauern mussten. Nick Spake platzierte Muttertag aufgrund der „subtilen, ehrlichen Behandlung von Melindas Tod“ in zwei WatchMojo-Listicles der besten Kinderserien-Episoden mit einem ernsten Thema. = Serienbeteiligte = Die Nickelodeon-Produzentin Mary Harrington bezeichnete Muttertag als „wunderschon“ und eine ihrer Lieblingsfolgen der Serie. Das Attribut wurde auch von den Sprecherinnen Nancy Cartwright und Cree Summer verwendet. Laut Cartwright besitze die Episode eine im Kinderfernsehen selten vorkommende Zartlichkeit, da sie sich der sehr schweren Thematik „sauber und unverfalscht“ annehme. Summer behauptete, dass Muttertag sie „seelisch aufwuhle“. Germain hingegen kritisierte die Folge in einem Interview mit Entertainment Weekly fur ihre „Ruhrseligkeit“ und außerte sein Bedauern, dass der Sender das Vorhaben seines Teams ablehnte, die anderen Autoren die Idee aber nur wenige Jahre danach umsetzen durften. Auszeichnung und Nominierungen CableACE Award 1997 Auszeichnung in der Kategorie Bestes Drehbuch einer Kinderserie oder eines Kinder-Fernsehfilms Primetime-Emmy-Verleihung 1997 Nominierung in der Kategorie Beste animierte Fernsehserie unter einer Stunde Humanitas-Preis 1998 Nominierung in der Kategorie Bestes animiertes Kinderprogramm Anspielungen in spateren Folgen Zwei spatere Rugrats-Episoden sowie Rugrats in Paris – Der Film nehmen Bezug auf Muttertag. In Furchterbare Veranderungen aus der sechsten Staffel besucht Chas mit Chuckie das Grab seiner verstorbenen Ehefrau und erzahlt ihm, wie er und Melinda sich bei einer Tauschborse kennenlernten. Daneben trauert Chuckie im Film wieder offen um Melinda, wunscht sich, eine Mutter zu haben, und kann nicht an einem Mutter-Kind-Tanz teilnehmen. Zudem stellt sich in der Folge Alles ist schrecklich anders der siebten Staffel heraus, dass sein Teddybar ein selbstgemachtes Geschenk von ihr war. Weblinks Muttertag bei IMDb Schlusselszene der Folge auf dem offiziellen YouTube-Kanal von Nicktoons (englisch) Einzelnachweise
Muttertag (Originaltitel Mother’s Day, auch als Rugrats Mother’s Day Special und Rugrats Mother’s Day ausgestrahlt) ist die 67. Folge der US-amerikanischen Comedy-Zeichentrickserie Rugrats. Im Mittelpunkt steht der kleine Chuckie, der gerne eine Mutter hatte. Seine Freunde wollen deswegen am Muttertag eine fur ihn finden. Das stellt sich als schwierig heraus, nicht zuletzt aufgrund ihres sehr jungen Alters. In Nebenhandlungen geht es um die Beziehungen anderer Figuren zu ihren Muttern. Die Idee zur Episode entstand bereits einige Jahre vor deren Produktion. Die Drehbuchautoren wollten darin die Grunde fur die Abwesenheit von Chuckies Mutter erlautern. Allerdings lehnte der ausstrahlende Sender Nickelodeon ab, da den Verantwortlichen der Vorschlag fur eine Kindersendung unangebracht schien. Erst nach einem Personalwechsel im Vorstand wurde die Folge bewilligt. Die Folge Muttertag feierte ihre Premiere am 6. Mai 1997. Sie stieß bei Kritikern auf eine positive Resonanz, die vor allem die kindgerechte und fur die Serie ungewohnlich emotionale Darstellung eines schwierigen Themas lobten.
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c-660
De Waag ist ein Gebaude aus dem 15. Jahrhundert am Nieuwmarkt in Amsterdam. Es war ursprunglich ein Stadttor und Teil der Stadtmauer von Amsterdam. Spater diente es unter anderem als Waaghaus, daher kommt der Name, Zunfthaus, Anatomisches Theater, Feuerwache und Museum. Der Komplex bestand zu Beginn des 16. Jahrhunderts aus einem Eingangstor mit zwei Turmen auf der Seite des Stadtgrabens sowie einem Haupttor mit vier Turmen auf der Stadtseite. Zwischen Eingangs- und Haupttor befand sich ein Innenhof, unter dem ein Kanal fließt, die Bijleveld-Schleuse. Das Gebaude ist aus Backstein erbaut und mit Verzierungen aus Kalkstein versehen. Im Laufe der Jahrhunderte wurde es mehrfach umgebaut und erweitert und ist seit 1970 ein Rijksmonument. Heute ist das Bauwerk Sitz der De Waag Society. Stadttor Sint Antoniespoort Das Gebaude wurde als Stadttor Sint Antoniespoort (wortlich: St.-Antonius-Pforte) erbaut. 1425 wurde Amsterdam erweitert und die Kanale Geldersekade und Kloveniersburgwal gegraben. Laut der Archaologin Jacqueline de Graauw wurde im Anschluss daran wahrscheinlich das Haupttor der Sint Antoniespoort erbaut. Die Mauern der beiden Hauptturme sind fast 2 m dick. Spater wurde das Eingangstor angebaut. Dafur wurde der Stadtgraben mit einem Ziegelbogen uberbruckt. So konnten kleine Boote auf dem Stadtkanal unter dem Eingangstor durchfahren und auf die andere Seite gelangen. Dieser Durchlass heißt Bijleveld-Schleuse (nl. Bijleveldschesluis). Das Eingangstor bestand aus einem ummauerten Innenhof uber der Schleuse mit zwei Turmen an den Ecken. Im Zuge dieses Umbaus wurde das Haupttor aufgestockt. Auf der Seite des Eingangstors, am Maurerturm Ecke Zeedijk und Geldersekade, befindet ein Stein mit der Aufschrift MCCCCLXXXVIII de XXVIII dach in April wart d'eerste steen van dese poert gheleit. (Am 28. April 1488 wurde der erste Stein dieses Tores gelegt.) Diese Inschrift bezieht sich vermutlich auf das Eingangstor. Die Sint Antoniespoort wird erstmals 1466 urkundlich erwahnt. Die Sint Antoniespoort war Teil der mittelalterlichen Stadtmauer, die von einem Graben umgeben war. Diese Stadtmauer wurde in den Jahren 1481–1494 errichtet und bestand aus Wehrturmen und Stadttoren, die durch eine Stadtmauer verbunden waren. Der Stadtgraben bestand aus mehreren Kanalen, dem heutigen Singel, dem Kloveniersburgwal und der Geldersekade. Von dieser Mauer sind nur in der Kaimauer der Geldersekade noch einige Steine erhalten. Der Schreierstoren ist der einzige erhaltene Wehrturm. Von den Stadttoren ist nur noch die Sint Antoniespoort (heutige De Waag) ubrig. Ein Teil der ehemaligen Regulierspoort ist in der heutigen Munttoren erhalten. Mit der Stadterweiterung um das Lastage-Viertel gegen 1590 verlor die Sint Antoniespoort ihre Bedeutung als Stadttor. Zwischen 1603 und 1613 wurde die Stadtmauer abgerissen. Der heutige Nieuwmarkt entstand 1614 durch Abdeckung des Stadtgrabens auf beiden Seiten der Sint Antoniespoort. De Waag Im Jahr 1617 wurde das ehemalige Stadttor zur offentlichen Waage umgenutzt. Eine neue Waage wurde benotigt, weil die alte Waage Waag op de Dam auf dem Dam fur die schnell wachsende Stadt zu klein geworden war. In den Jahren 1617–1618 wurde der Innenhof zwischen Vorder- und Haupttor uberdacht. In den oberen Stockwerken des Gebaudes wurden mehrere Zunfte und die Schutzenbruderschaft untergebracht, jede mit einem eigenen Eingang durch einen der Turme. Uber den Eingangen sind noch heute die Zunftwappen zu sehen. Der Turm der Malerzunft ist mit dem Heiligen Lukas, dem Schutzpatron der Kunstler, geschmuckt und liegt hinten links am Haupttor, der Turm hinten rechts am Haupttor war fur die Maurer und ist mit Skulpturen von Hendrick de Keyser verziert. Die Schmiede hatten den Eulogius-Turm vorne links am Haupttor, und der Eingang zur Schutzenbruderschaft befand sich vorne rechts vom Haupttor. Links vom Eingangstor ist der Turm der Holzschuhmacher-Zunft. = Theatrum Anatomicum = Rechts vom Eingangstor ist der Turm mit dem Eingang, der zum Anatomischen Theater der Chirurgen- und Barbierzunft fuhrte. Uber dem Eingang befindet sich die Inschrift Theatrum Anatomicum. Ein Anatomisches Theater war ein Horsaal mit tribunenartiger Anordnung der Sitzplatze und freier Sicht auf einen Tisch, auf dem anatomische Untersuchungen stattfanden. Im Theatrum Anatomicum wurden Leichen seziert, meist die Leichen von hingerichteten Verbrechern, aber auch von Tieren. Zunachst war es das Ziel, die Anatomie besser zu verstehen, zur Weiterentwicklung der Medizin beizutragen und Studenten auszubilden. Spater wurden diese Sektionen zu Veranstaltungen, bei denen nicht nur Mediziner oder Studenten, sondern einmal im Jahr auch interessierte Burger teilnehmen konnten. Fur dieses Publikum waren die Platze weiter oben auf den Amphitheaterbanken zu gunstigen Preisen erhaltlich. Fur ihr Zunfthaus in der Waag gab die Chirurgenzunft bei Rembrandt das beruhmte Gemalde Die Anatomie des Dr. Tulp aus dem Jahr 1632 in Auftrag. Fur das Sezieren wurde ein heller, kuhler Raum mit guter Beluftung benotigt. Daher stockte die Chrirurgenzunft von 1690 bis 1691 einen großen Saal mit einer Kuppel auf, der von einem achteckigen Turm gekront ist. Die treibende Kraft hinter dem Kuppelsaal war der Anatom, Zoologe und Botaniker Frederik Ruysch. Der Kuppelsaal war zum Experimentieren, Beobachten, Lernen und als Horsaal gedacht. In der Waag wurde bis zum Jahr 1869 Anatomie gelehrt. Die Kuppeldecke ist mit insgesamt 84 Wappen von Mitgliedern der Amsterdamer Chirurgenzunft geschmuckt, 36 Wapen sind in drei Reihen in der Kuppel gruppiert, die restlichen 48 Wappen befinden sich auf den Holzpaneelen darunter. Frederik Ruyschs Wappen ist im Zentrum der Kuppel zu sehen. Er war der Vater der Stillleben-Malerinnen Rachel Ruysch und Anna Ruysch. 19. Jahrhundert Wahrend der Republik wurden Hinrichtungen noch vor dem Rathaus am Dam-Platz durchgefuhrt. Unter Konig Louis Bonaparte, einem Bruder Napoleons, wurde das Rathaus 1808 jedoch in einen Palast umgewandelt. Aus diesem Grund wurde der Nieuwmarkt zur Hinrichtungsstatte bestimmt. Die ersten Todesurteile mit der Guillotine wurden am 15. Juni 1812 an der Giftmorderin Hester Rebecca Nepping und ihren Komplizen, ihrem Liebhaber Gerrit Verkerk und ihrer Magd Adriana van Rijswijk, vor der Waag vollstreckt. Die Zunfte wurden um 1800 abgeschafft, im Jahr 1812 die Schutzenbruderschaft. 1819 wurde als letztes Gut eine Truhe mit Indigo gewogen und die Waag verlor schließlich auch ihre Funktion als Waage. 1827 entstand der Plan, die Waag abzureißen, um Platz fur eine Kathedrale fur die Diozese Amsterdam zu schaffen. Der Stadtarchitekt Jan de Greef entwarf eine neoklassizistische Kreuzbasilika mit zwei Turmen als optischen Abschluss des Kloveniersburgwals. Infolge der Abspaltung Belgiens im Jahr 1830 wurden das Vorhaben aufgegeben, und die Waag blieb vom Abriss verschont. Bis zum 19. Jahrhundert gab es in Amsterdam mehrere historische Waagengebaude. Die Waag op de Dam am Dam gegenuber dem Palast wurde jedoch 1808 abgerissen, die Waage auf dem Westermarkt in der Nahe der Prinsengracht wurde 1857 abgerissen und die Boterwaag am Botermarkt, dem heutigen Rembrandtplein, wurde 1874 abgerissen. Im 19. Jahrhundert erfullte die Waag auf dem Nieuwmarkt verschiedene Funktionen. Sie beherbergte unter anderem ein Anatomiemuseum, eine Fechtschule, die Cholera-Kommission, eine Mobelschreinerei und eine Werkstatt fur die Straßenbeleuchtung, die damals noch mit Ollampen erfolgte. Von 1874 bis 1888 diente sie als Feuerwache. Der Stadtarchitekt Adriaan Willem Weissman baute die Waag fur das Stadtarchiv um, das von 1888 bis 1914 in der Waag ansassig war. 20. Jahrhundert Am 2. November 1926 anlasslich des 650. Jahrestags der Stadtgrundung von Amsterdam wurde im Gebaude der Stadtwaage das historische Museum Amsterdam eingeweiht. Das Judische Historische Museum hatte hier seit 1932 seinen Standort. Wahrend des Zweiten Weltkriegs mussten die Museen schließen und wurden 1955 wieder eroffnet. 1975 zog das historische Museum Amsterdam in die Kalverstraat um und 1987 verlegte auch das Judische Historische Museum seinen Standort in den Jonas Daniel Meijerplein im Judischen Kulturviertel in Amsterdam. Mitte der 1970er Jahre wurde die Metro Amsterdam durch das Viertel gebaut. Fur den Bau der Station Nieuwmarkt wurden Teile des Nieuwmarkt-Viertels abgerissen, was die Nieuwmarktrellen genannten Proteste ausloste. Trotz der Proteste wurde im Dezember 1974 mit dem Abriss der Wohnhauser begonnen und der Bau der Metrostation Nieuwmarkt begann im Sommer 1975. Die Bijleveld-Schleuse, der Kanal unter dem Eingangstor der Waag und dem Nieuwmarkt, wurde 1988–1990 komplett renoviert. Von 1989 bis 1994 stand die Waag leer. Das Gebaude wurde einer Stichting Centrum De Waag anvertraut, die ein Umnutzungsprojekt fur das Gebaude entwickeln sollte. Die Stiftung beauftragte den franzosischen Designer Philippe Starck, der einen umstrittenen Glasanbau entwarf, fur den jedoch ein Teil der jahrhundertealten Außenmauer hatte weichen mussen. Die Stiftung ging in Konkurs und das Gebaude stand weiterhin leer. Im September 1991 offneten Anwohner und Denkmalliebhaber, die sich zu einer Burgerinitiative zusammengeschlossen hatten, die Tore der Waag fur die Presse und Offentlichkeit. Der schlechte Zustand des Gebaudes verursachte viel Emporung, die den Stadtrat dazu bewegte, einen Expertenausschuss einzusetzen. Dieser beschloss das Gebaude fachkundig von einem Architekten mit Erfahrung im Restaurieren historischer Gebaude von Grund auf sanieren zu lassen. Diese Aufgabe wurde Walter Kramer, der bereits die Noorderkerk saniert hatte, ubertragen. Unter anderem wurden die Vorarbeiten fur den Glasanbau von Stark wieder entfernt, der verfullte Keller ausgegraben, der zu viel Gewicht auf das Schieferfundament ausubte. Das holzerne Vordach an der Ostseite wurde rekonstruiert und der Platz um die Waag neu gepflastert. Außerdem wurde die Bemalung des holzernen Kuppelgewolbes des Anatomischen Theaters behutsam restauriert. Dabei wurde der vergilbte Firnis entfernt und es kamen schone Details zum Vorschein: Auf dem Wappen des Chirurgen Muyser etwa wurden nicht nur die Mause wieder sichtbar, sondern auch eine Katze mit einer Maus im Maul. Auch wurde festgestellt, dass die oberen und die unteren Wandpaneele aus unterschiedlichen Holzarten bestehen. Die unteren Wandpaneele wurden vermutlich um 1750 zusatzlich angebracht, um mehr Platz fur neue Wappen zu schaffen. 21. Jahrhundert = De Waag Society = Nach Abschluss der umfassenden Restaurierung zog 1996 die gemeinnutzige Organisation Waag Society, die sich mit den Schnittstellen zwischen Kunst, Technologie und elektronischen Medien beschaftigt, mit dem Waag Future Lab in die oberen Etagen ein. Dazu gehoren rund ein Dutzend Research Labs mit Burgerbeteiligung und verschiedene Projekte, die sich mit Themen aus den Bereichen Technologie und Gesellschaft befassen. Dort befindet sich auch ein Fablab, das 2008 eroffnet wurde. Im Rahmen des Waag Academy-Programms werden Fortbildungen zu neuen Technologien und Fertigungsmethoden angeboten. Von 2005 bis 2013 gab die De Waag Society das Waag magazine heraus, eine vierteljahrlich erscheinende Zeitschrift unter Creative-Commons-Lizenz, die uber die Projekte der De Waag Society berichtete. In der Waag werden Vortrage veranstaltet, beispielsweise hielt Richard Stallman 2018 einen Vortrag uber Next Generation Cities in der Waag. Seit 2014 befinden sich die Buros der Waag Society in dem 1680 erbauten Gebaude Huis de Pinto in der Sint Antoniesbreestraat, und die Waag dient offentlichen Veranstaltungen und beherbergt neben dem Fablab das Open Wetlab, ein Labor fur Biodesign, Biokunst und Do-it-together-Biologie. Dort werden Biotechnologien und ihre Auswirkungen auf Gesellschaft und Okologie erforscht. Das TextileLab engagiert sich fur einen gesellschaftlichen Wandel innerhalb der Textilindustrie. = Fairphone = FairPhone entstand ursprunglich aus einer Initiative der Waag Society, die sich mit Konfliktmineralien aus dem Kongo befasste. Bei der De Waag Society arbeitete seit 2010 Bas van Abel an Projekten mit den Themen Nachhaltigkeit und Fairer Handel im Bereich Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik. Dies mundete schließlich im Januar 2013 in die Grundung des Smartphone-Herstellers Fairphone. Bei dessen erstem Modell standen der Bezug von Rohstoffen aus konfliktfreien Abbaugebieten, faire Arbeitsbedingungen bei der Herstellung sowie Transparenz im Vordergrund. Lohnhersteller war der große chinesische Elektronikkonzern Changhong. Die Arbeiter in der Fertigung fur Fairphone erhielten etwas mehr Lohn als sonst und bekamen einen garantierten freien Tag pro Woche. Fur die chinesische Belegschaft wurde ein kleiner Sozialfonds aufgebaut und zur Entscheidung uber seine Verwendung ein Betriebsrat gewahlt, was fur chinesische Betriebe eine Besonderheit war. Bei den Nachfolgemodellen des Fairphones 1 wurde bereits beim Entwurf zusatzlich auf Reparierbarkeit und Langlebigkeit geachtet. = Aprilfeesten = Vor der Waag, auf dem Nieuwmarkt, fand von altersher ein Fruhlingsmarkt statt, so auch im 19. Jahrhundert und dann in der Zeit von 1945 bis Mitte der 1970er Jahre. Mitte der 1970er Jahre fanden die gewalttatigen Nieuwmarktrellen-Proteste gegen den Abriss von Wohnhausern wegen des Baus der Metro Amsterdam statt. In der heutigen U-Bahn-Station Nieuwmarkt erinnern Wandmalereien an diese Zeit. Die Amsterdamer Hausbesetzerbewegung, unter ihnen der fruhere Provo Rob Stolk, hatte entscheidenden Anteil an den Demonstrationen. In dieser unruhigen Zeit kam der Fruhlingsmarkt zum Erliegen. Ende der 1980er Jahre engagierten sich Burger fur ein besseres Wohnumfeld und riefen das Aprilfeesten mit zahlreichen Livebands, Foodtrucks, einem Kinder-Programm, Mini-Riesenrad und einem Karussell ins Leben. Das mehrtagige Nachbarschaftsfest findet jedes Jahr in der Woche vor dem Koningsdag statt, dem niederlandischen Nationalfeiertag. Fur das erste Aprilfest 1988 wurde der Nieuwmarkt, der zu dieser Zeit als Parkplatz diente, von Autos geraumt. Die baufallige und seit Jahren mit Brettern vernagelte Waag wurde aufgebrochen, um das Fest mit Wasser und Strom zu versorgen. In den folgenden Jahren wechselten die Angebote auf dem Aprilfest: in den ersten Jahren gab es den Tanzpalast, ein Spiegelzelt aus dem spaten 19. Jahrhundert. Spater kam die Orangerie hinzu, feste Bestandteile sind La Molina, Cantina Mobile und das Nachbarschaftsfruhstuck. Im Jahr 2024 bot das Waag Futurelab zum Beispiel einen Stand mit Pflanzenfarben zum Farben von Socken an. = Ab den 2010er Jahren = Von 2014 bis 2015 wurde das Fundament der Waag saniert, da sich der Maurerturm gesenkt hatte. 2019 wurde das ehemalige Theatrum Anatomicum und seine mit den Wappen der Chirurgen bemalte Kuppeldecke erneut renoviert. Der Raum ist heute ein Veranstaltungsraum, der fur Vortrage, kleine Ausstellungen und Kunstprojekte genutzt wird. Er ist bei der jahrlichen Museumsnacht in Amsterdam offentlich zuganglich. Auch am Open Monumentendag ist die Waag in vielen Jahren fur die Offentlichkeit zuganglich. Das Erdgeschoss der Waag wird vom Restaurant-Cafe In De Waag genutzt. Wahrend der Covid-19-Pandemie organisierte das Restaurant-Cafe im Mai 2020 ein „Bike Through“, als Gaste aufgrund der Maßnahmen wahrend der Coronakrise in den Niederlanden nicht empfangen werden durften. Durch das Restaurant wurde ein Fahrradweg angelegt, auf dem die Gaste das alte Stadttor durchqueren und die bestellten Speisen im Fahren entgegennehmen konnten. Weblinks Einzelnachweise
De Waag ist ein Gebaude aus dem 15. Jahrhundert am Nieuwmarkt in Amsterdam. Es war ursprunglich ein Stadttor und Teil der Stadtmauer von Amsterdam. Spater diente es unter anderem als Waaghaus, daher kommt der Name, Zunfthaus, Anatomisches Theater, Feuerwache und Museum. Der Komplex bestand zu Beginn des 16. Jahrhunderts aus einem Eingangstor mit zwei Turmen auf der Seite des Stadtgrabens sowie einem Haupttor mit vier Turmen auf der Stadtseite. Zwischen Eingangs- und Haupttor befand sich ein Innenhof, unter dem ein Kanal fließt, die Bijleveld-Schleuse. Das Gebaude ist aus Backstein erbaut und mit Verzierungen aus Kalkstein versehen. Im Laufe der Jahrhunderte wurde es mehrfach umgebaut und erweitert und ist seit 1970 ein Rijksmonument. Heute ist das Bauwerk Sitz der De Waag Society.
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c-661
Die folgende Liste enthalt alle 33 Europaischen Vogelschutzgebiete (griechisch: Περιοχες για την Προστασια της Ορνιθοπανιδας) nach Art. 4 (1) der Europaischen Vogelschutzrichtlinie in der Republik Zypern. Die Gebiete sind Bestandteil des europaischen Schutzgebietsnetzes Natura 2000. Die Vogelschutzgebiete umfassen insgesamt ca. 9.980 km², wobei davon 8.326 km² alleine auf das großte zypriotische Vogelschutzgebiet Oceanid entfallen, das westlich der Insel im Mittelmeer liegt. Die maritimen Schutzgebietsflachen inbegriffen, sind die von der Republik Zypern gemeldeten Vogelschutzgebiete flachenmaßig großer als das (terrestrische) Staatsgebiet, was sonst nur noch bei Malta der Fall ist. Die terrestrische Schutzgebietsflache belauft sich auf 1.543 km² und damit auf rund ein Viertel der De-facto-Staatsflache. Das kleinste Vogelschutzgebiet in Zypern ist mit knapp sechs Hektar ein kurzer Kustenabschnitt an der Westkuste bei Deryneia. Im Mittel sind die zypriotischen Vogelschutzgebiete 302 km² groß, der Median liegt bei 25 km². Im EU-weiten Vergleich liegen die zypriotischen Vogelschutzgebiete flachenmaßig also leicht uber dem Durchschnitt. Hinweise zu den Angaben in der Tabelle Gebietsname: Amtliche Bezeichnung des Schutzgebiets Datei/Commons: Datei und Link zu weiteren Dateien aus dem Schutzgebiet WDPA-ID: Link zum Schutzgebiet in der World Database on Protected Areas EEA-ID: Link zum Schutzgebiet in der Datenbank der European Environment Agency (EEA) Flache: Gesamtflache des Schutzgebiets in Hektar Bemerkungen: Besonderheiten und Anmerkung Tabelle Weblinks Γραφειο Διαχειρισης ΖΕΠ Natura 2000 Network Viewer
Die folgende Liste enthalt alle 33 Europaischen Vogelschutzgebiete (griechisch: Περιοχες για την Προστασια της Ορνιθοπανιδας) nach Art. 4 (1) der Europaischen Vogelschutzrichtlinie in der Republik Zypern. Die Gebiete sind Bestandteil des europaischen Schutzgebietsnetzes Natura 2000. Die Vogelschutzgebiete umfassen insgesamt ca. 9.980 km², wobei davon 8.326 km² alleine auf das großte zypriotische Vogelschutzgebiet Oceanid entfallen, das westlich der Insel im Mittelmeer liegt. Die maritimen Schutzgebietsflachen inbegriffen, sind die von der Republik Zypern gemeldeten Vogelschutzgebiete flachenmaßig großer als das (terrestrische) Staatsgebiet, was sonst nur noch bei Malta der Fall ist. Die terrestrische Schutzgebietsflache belauft sich auf 1.543 km² und damit auf rund ein Viertel der De-facto-Staatsflache. Das kleinste Vogelschutzgebiet in Zypern ist mit knapp sechs Hektar ein kurzer Kustenabschnitt an der Westkuste bei Deryneia. Im Mittel sind die zypriotischen Vogelschutzgebiete 302 km² groß, der Median liegt bei 25 km². Im EU-weiten Vergleich liegen die zypriotischen Vogelschutzgebiete flachenmaßig also leicht uber dem Durchschnitt.
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c-662
Der Bigar-Wasserfall (rumanisch Cascada Bigar) ist ein Wasserfall des etwa 200 Meter langen Baches Bigar auf dem Gebiet der Gemeinde Bozovici im Kreis Caras-Severin in Rumanien. Die Umgebung des Baches einschließlich Wasserfall und Quelle ist unter der Bezeichnung Izvorul Bigar (deutsch Bigar-Quelle; auch bekannt als Izbucul Bigar) ein Naturschutzgebiet der IUCN-Kategorie IV. Der Bach mundet uber die Minis in die Nera und schließlich in die Donau. Naturschutzgebiet Das Naturschutzgebiet wurde 1982 gegrundet und zuletzt im Jahre 2000 gesetzlich festgeschrieben. Es umfasst eine Flache von 176,60 Hektar und gehort zum Nationalpark Cheile Nerei - Beusnita. Es handelt sich um ein hugeliges Gebiet mit Quellen, Schluchten, Kalkfelsen, Talern, Abgrunden, Dolinen, Hohlen, Lichtungen und Wiesen. Die Fauna besteht aus Saugetieren (Braunbar, Luchs, Wolf, Fuchs), Vogeln, Reptilien, Froschen und Fischen. Die Flora ist charakteristisch fur das Banater Gebirge und besteht u. a. aus Walnuss, Turkischem Hasel, Stechendem Mausedorn und Pfingstrosen. Quelle Der Bigar entspringt aus einer starken Quelle, daher ruhrt der Name Izbuc (deutsch „ich platze heraus“). Die Quelle wird von einem unterirdischen Wasserlauf gespeist, der durch die gleichnamige Hohle im Anina-Gebirge verlauft. Wasserfall Nach etwa 200 Metern fließt das kalkhaltige Quellwasser von einer felsigen Schwelle in den Fluss Minis und bildet einen Wasserfall aus Travertin bzw. Kalktuff, der Bigar-Wasserfall genannt wird. Lage Der 45. Breitengrad verlauft nordlich des Wasserfalls, was durch eine Infotafel dokumentiert ist. Bedeutung Im September 2010 beschrieb zum ersten Mal ein internationaler Reisefuhrer, namlich National Geographic Traveller – Rumanien, den Wasserfall fur Touristen. Als 2013 die Website World Geography eine Liste der beeindruckendsten Wasserfalle der Welt zusammenstellte, stand die Cascada Bigar an erster Stelle. Absturz vom 7. Juni 2021 Am 7. Juni 2021 sturzte gegen 18 Uhr eine große freitragende Travertinplatte auf naturliche Weise ein, nachdem der Travertin und das Moos im Laufe der Zeit an Große und Gewicht zugenommen hatten und der Bigar-Wasserfall unter seinem eigenen Gewicht teilweise nachgab. Staatliche Institutionen dementierten die Vermutung von Umweltaktivisten, der Einsturz sei durch die Wasserentnahme einer naheliegenden Forellenzuchtanlage verursacht worden. Zugangswege Die Nationalstraße DN57B fuhrt zum Bigar-Wasserfall, entweder von Anina uber Valea Minisului und Poneasca oder von Iablanita uber Bozovici. Vom Wasserfall folgt man einem Fußweg zur etwa 200 Meter entfernten Quelle des Baches Bigar. Siehe auch Liste der Naturschutzgebiete im Kreis Caras-Severin Weblinks O cascada din Romania, in topul cascadelor unice din lume (FOTO). In: Jurnalul National. 22. Januar 2013; abgerufen am 8. Marz 2024 (rumanisch): „Ein Wasserfall aus Rumanien, an der Spitze der einzigartigen Wasserkaskade der Welt – Foto“ . Gabriel Burete: O cascada din Caras-Severin, printre cele mai spectaculoase caderi de apa din lume – FOTO. In: Mediafax.ro. 26. Marz 2014; abgerufen am 8. Marz 2024 (rumanisch): „Ein Wasserfall von Caras-Severin, einer der spektakularsten Wasserfalle der Welt – Foto“ . Bigar. In: OpenStreetMap. Abgerufen am 8. Marz 2024 (Verlauf des gleichnamigen Baches). Einzelnachweise
Der Bigar-Wasserfall (rumanisch Cascada Bigar) ist ein Wasserfall des etwa 200 Meter langen Baches Bigar auf dem Gebiet der Gemeinde Bozovici im Kreis Caras-Severin in Rumanien. Die Umgebung des Baches einschließlich Wasserfall und Quelle ist unter der Bezeichnung Izvorul Bigar (deutsch Bigar-Quelle; auch bekannt als Izbucul Bigar) ein Naturschutzgebiet der IUCN-Kategorie IV. Der Bach mundet uber die Minis in die Nera und schließlich in die Donau.
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c-663
Once Upon a Studio (zu Deutsch etwa Es war einmal im Studio) ist ein amerikanischer Kurzfilm der Walt Disney Company anlasslich ihres hundertjahrigen Bestehens am 16. Oktober 2023. In dem Film versammeln sich Micky und Minnie Maus, Figuren aus allen bis dahin 62 „Meisterwerke“ genannten Animationskinofilmen des Studios (inklusive des zu dem Zeitpunkt noch nicht veroffentlichten Wish) sowie weiteren Kurzfilmen und Mischfilmen fur ein Foto vor dem Roy E. Disney Animation Building. Er wurde Burny Mattinson gewidmet, der in dem Film auftritt und 2023 vor dessen Veroffentlichung verstorben war. Handlung Nach einem Arbeitstag verlassen die Angestellten das Roy E. Disney Animation Building. Wahrend eine Praktikantin neben Burny Mattinson hinausgeht, bemerkt sie, dass die Walt Disney Company vor genau hundert Jahren gegrundet wurde. An der Tur drehen sie sich noch einmal um und Mattison außert: „Wenn diese Wande reden konnten …“ An einer Wand innen neben dem Eingang hangt, umrahmt von Mitarbeiterfotos, ein Cel von Micky und Minnie Maus. Als kein Mensch mehr im Gebaude ist, werden sie lebendig und Micky ruft Tinkerbell herbei, ob tatsachlich alle gegangen sind. Dann springen sie aus dem Bild und geben ein Signal, auf das aus anderen Bildern an den Wanden animierte Figuren herausspringen. Zuerst erscheinen Tiana und Louis, Pinocchio, Judy Hopps und Nick Wilde; Bambi, Klopfer und Blume rufen Orville, Bernard und Bianca; Minnie kommt mit Bolt, Mittens und Dino. Weitere Stockwerke und Raume des Gebaudes wie die Cafeteria und ein Zeichenraum werden gezeigt. Dabei kreuzen Figuren verschiedener Filme einander oder interagieren miteinander auf ihrem Weg zu der Lobby. Beispielsweise fliegen Peter Pan und die Darling-Kinder in den nachsten Stock; Sisu, Jim Hawkins und Maui fliegen durch Gange; Aladdin und Abu gleiten ein Treppengelander herab; Vanellope nimmt Dodger in ihrem Auto mit; Elliot, das Schmunzelmonster tragt Cody. Vaiana hilft Fabius, wahrend Herr von Unruh nach der Zeit mahnt, indem Merlin den Hut des verruckten Hutmachers mit Wasser fullt, der einen Witz an den Pinguinkellner macht. Stromboli schuttelt einen Snack-Automaten; Elsa friert Hans’ Bild ein; Faultier Flash und Baymax behindern Donald Ducks Aufzugfahrt; Olaf zeichnet Dschinni; neben anderen bewundert Gaston sich im Spiegel, wird aber von der Grinsekatze geargert; Winnie Puuh steckt im Rahmen seines Bildes fest; Antonio Madrigal verhindert, dass Joanna Jaq und Karli isst; die Dalmatinerwelpen werden beim Fernsehen von Chernobog erschreckt; Robin Hood und Little John stehlen Geld, das Dagobert Duck verliert; Ursula wird von Splat verfolgt; Prinz Charming verliert seinen Schuh, den Hund Max nimmt; Kaa hypnotisiert Klarabella Kuh und wird von Rapunzel mit der Pfanne geschlagen. Unterwegs bleibt Micky allein vor einem Portrat Walt Disneys stehen, nimmt seinen Hut ab und sagt: „Danke. Die Show geht weiter.“ Micky fliegt auf Dumbo und Raya offnet ihm die Tur; Ralph prallt aber gegen die andere Glastur. Taddaus Krote fliegt auf dem Teppich, wahrend Ichabod Crane fast von einer Leiter getroffen wird. Flora und Sonnenschein zaubern das Hutornament, das das Gebaude ziert, rosa und blau. Aus der Lobby stellen die Figuren sich vor dem Gebaude auf. Micky lasst dabei seiner Vorlauferfigur Oswald, dem lustigen Hasen, den Vortritt. Wahrenddessen steigt Goofy eine Leiter zum Fotografieren herauf. Rafiki reicht ihm die Kamera, die Goofy auf der Leiter fallen lasst und dann am Boden zerbricht, wo Stitch ein Teil in den Mund nimmt. Nach Kommentaren von Brummbar und I-Ah beginnen die ersten Figuren, zur Tur zu gehen. Da stimmen aber Alan Dale, Swingy, Mirabel Madrigal und Hati Jr. mit Instrumenten zuerst die Melodie von When You Wish upon a Star an und andere singen darauf Vers fur Vers des Liedes: Belle und das Biest, Quasimodo, Pocahontas, Arielle und Scuttle, Balu und Mogli. Nun stimmen auch alle anderen in den Gesang ein. Derweil reparieren die Besen und Fix-It Felix die Kamera; Hercules stellt die Leiter auf und die Gute Fee lasst Goofy schweben. Schneewittchen nimmt beim Singen Mulan und Asha an die Hand. Die letzten Verse singen Winnie Puuh, Pinocchio, Micky und Minnie. Nachdem sich die Figuren wieder aufgestellt haben, zoomt die Kamera heraus, bis alle zu sehen sind. Tinkerbell fliegt und verwandelt mit ihrem Zauberstab das Bild in das Foto, wie es eingerahmt an einer Wand hangt. Figuren und Besetzung = Reale Personen = = Synchronisierte Animationsfiguren = Gelistet sind die originalen und deutschen Synchronstimmen gemaß der Credits im Abspann. In vielen Fallen handelt es sich um dieselben Synchronsprecher, gegebenenfalls um die Gesangsstimme, wie im originalen Film der entsprechenden Figur bzw. den aktuellen Sprecher der Figur bei spateren Auftritten, etwa in Fortsetzungen oder einem Live-Action-Remake. Die Anmerkungen geben an, ob in solchem Fall Archivmaterial von Aufnahmen des originalen Synchronsprechers verwendet worden ist (zumeist gewahlt bei verstorbenen Sprechern), ob die Person fur diesen Film Material neu eingesprochen hat oder ob ein neuer Sprecher genommen wurde. Bei manchen Figuren sind Archivmaterial und neuere Sprecher kombiniert. Hat der englische Sprecher tierische Gerausche oder Ahnliches geliefert, war keine Ubersetzung und daher kein deutscher Sprecher notwendig. Die deutschsprachige Synchronisation entstand durch die Interopa Film GmbH nach Dialogbuchern und der Dialogregie von Oliver Rohrbeck. Die musikalische Leitung hatte Andreas Hommelsheim inne. Als deutscher Liedtext fur When You Wish upon a Star wurde die Ubersetzung aus der ersten deutschen Synchronisation von Pinocchio durch Friedrich Luft verwendet. Fur Micky und Minnie Maus, sowie zur Einheitlichkeit auch fur Donald Duck und Goofy, wurde das Aussehen aus dem Kurzfilm Mickey’s Birthday Party (1942) ausgewahlt. = Weitere Figuren = Ohne Sprecherpart ist dennoch ein Großteil zusatzlicher Figuren beim Weg durch das Gebaude, beim Aufstellen oder auf dem endgultigen Foto zu sehen, und weitere wahrend des Abspanns bei den Rahmen, die die Filmcredits auflisten. Neben weiteren Figuren aus in der Synchronisation genannten Filmen finden sich zusatzlich noch Figuren aus den Meisterwerken Fantasia, Dumbo, Drei Caballeros im Sambafieber, Make Mine Music, Frohlich, Frei, Spaß dabei, Musik, Tanz und Rhythmus, 101 Dalmatiner, Aristocats, Cap und Capper, Taran und der Zauberkessel, Basil, der große Mausedetektiv, Tarzan, Fantasia 2000, Dinosaurier, Atlantis – Das Geheimnis der verlorenen Stadt, Barenbruder, Die Kuhe sind los, Himmel und Huhn, Chaos im Netz, Die Eiskonigin II und Strange World; animierte Figuren aus den Mischfilmen Der Drache wider Willen, Mary Poppins, Die tollkuhne Hexe in ihrem fliegenden Bett, Elliot, das Schmunzelmonster; Figuren aus den Kurzfilmen Mein großer Freund Ben, Der Esel von Bethlehem, John Henry, Elfen helfen – Bahn frei fur Santa Claus, The Ballad of Nessie, Im Flug erobert, Liebe geht durch den Magen, Herz oder Kopf und Noch einmal wir; sowie weitere Figuren Entenhausens aus klassischen Micky-Maus-Kurzfilmen und Figuren aus einigen Silly Symphonies. Insgesamt enthalt der Film 543 Figuren aus uber 85 Filmen, die alle auf dem Foto in der finalen Einstellung zu sehen sind. Produktion = Entwicklung = Once Upon a Studio stammt von Dan Abraham und Trent Correy, die zuvor den 2020 erschienenen Eiskonigin-Kurzfilm Es war einmal ein Schneemann inszeniert hatten. Abraham arbeitete fur den Film Wish an der Entwicklung der Figur Stern, aber empfand, dass dieser Langfilm mehr die Zukunft des Studios als die vergangenen 100 Jahre feierte. Er und Correy verbrachten 2021 etwa acht Monate wahrend der COVID-19-Pandemie an der Entwicklung eines Films zum hundertjahrigen Jubilaum des Animationsstudios fur einen Pitch an Jennifer Lee, kreativer Leiterin des Studios. Correy hatte zunachst die Idee, Fahrgeschafte des Disneylands zum Leben zu erwecken; von Abraham kam, dies ins Studio zu verlagern. Von Anfang an wollten sie jeden Film von Schneewittchen bis zum zu dem Zeitpunkt noch kommenden Wish reprasentieren. Sie arbeiteten alleine an den ersten Zeichnungen, die sie sich gegenseitig uber Zoom zeigten, ohne dass jemand anderes von dem Projekt wusste. Schließlich prasentierten sie Lee das Konzept in einer Videokonferenz, die von der Idee zu Tranen geruhrt wurde. = Animation = Alle Animationen der Figuren wurden fur diesen Film neu erstellt, statt aus dem Material der originalen Auftritte ubernommen, aber weiterhin im originalen Stil gehalten, also entsprechend handgezeichnet oder CGI-animiert. Die Computeranimation wurde geleitet von Andrew Feliciano, der fur Disney seit Baymax animiert und in Raya und der letzte Drache in leitender Position. Etwa 80 % der Animationen des Kurzfilms sind handgezeichnet. Das Team hierfur wurde geleitet von Eric Goldberg, Disney-Animator seit Aladdin und Regisseur von Pocahontas, und enthielt Animatoren wie Mark Henn, Randy Haycock, Alex Kuperschmidt und Bert Klein. Zusatzlich kehrten funf ehemalige Disney-Animatoren als Gaste zuruck, um ihre fruheren beliebtesten Figuren zu animieren: James Baxter (Belle, Rafiki, Quasimodo), Ruben Aquino (Ursula), Tony Bancroft (Timon und Pumbaa), Nik Ranieri (Meeko, Hades, Kuzco) und Will Finn (Herr von Unruh, Jago). Goldberg selbst, dessen erster Job bei Disney war, in Aladdin den Dschinni zu zeichnen, ubernahm diese Figur wieder. = Synchronisation = In jedem Fall, in dem es moglich war, kehrte der originale Synchronsprecher einer Figur zuruck, um Dialog fur den Kurzfilm aufzunehmen. Dafur konnten die Sprecher vor der Aufnahme eine Storyboard-Version des Films ansehen. Abraham und Correy passten den Text fur den Film an entsprechend der zur Verfugung stehenden Synchronsprecher an. So gaben sie entgegen ihrer ersten Fassung Jodi Benson eine Gesangszeile fur Arielle. Auch Paige O’Hara singt wieder als Belle und aus Die Eiskonigin kehrten Kristen Bell und Idina Menzel, Josh Gad und Jonathan Groff zuruck, wahrend Ariana DeBose hier das erste Mal noch vor Veroffentlichung des eigentlichen Langfilms als Asha auftrat. Einige Sprecher, darunter beispielsweise Jeremy Irons als Scar, nahmen ihre Parts bei sich zuhause auf und kommunizierten mit Abraham und Correy uber Zoom. Insgesamt brachte der Film uber 40 originale Sprecher zuruck. Bei verstorbenen Sprechern wurden entweder Tonaufnahmen von ihnen aus dem originalen Film der Figur, beispielsweise fur Cliff Edwards als Jiminy Cricket, oder neue moglichst ahnlich klingende Sprecher verwendet. Fur den vom 2014 verstorbenen Robin Williams gesprochenen Dschinni ging Abraham 16 Stunden an archivierten Aufnahmen durch, um letztlich eine einzelne bislang unbenutzte Zeile des Sprechers auszuwahlen. = Musik = Fur den Film wurde Walt Disneys Lieblingslied Feed the Birds am Klavier in Walt Disneys Buro neu von Richard M. Sherman aufgenommen, der dafur 2022 im Alter von 94 Jahren ins Disney-Studio zuruckkehrte. Das Stuck wird gespielt, wahrend Micky das Portrat Disneys betrachtet. When You Wish upon a Star wird im Finale von einem Chor aus 54 Personen vorgetragen. Der Score fur den Film wurde komponiert von Dave Metzger, der zeitgleich mit Wish seinen ersten Animationskinofilm komponierte. Inmitten der Zeit, in der er die Lieder fur Wish schrieb, arbeitete er einen Monat nur an dem Kurzfilm. Er enthalt sowohl originale neue Musik als auch Samples an Musik aus klassischen Disney-Filmen. = Mattinson-Widmung und Auftritt = Der Film ist Burny Mattinson gewidmet, der mit 70 Jahren bei Disney von 1953 bis zu seinem Tod 2023 der am langsten beschaftigte Mitarbeiter des Studios war. Er erscheint zu Beginn des Kurzfilms, bevor eine animierte Figur zu sehen ist. Dies stellt seinen ersten und einzigen Filmauftritt dar. Er filmte diese Eroffnungssequenz im August 2022, sechs Monate bevor er verstarb, und konnte vor seinem Tod noch eine Vorfuhrung des Films sehen. Der Film endet nach den Credits mit einer Widmung: „For our Pal Burny and his 70 years of legendary storytelling at Disney Animation“. Veroffentlichung Once Upon a Studio feierte seine Premierenvorfuhrung bei dem Festival d’Animation Annecy am 11. Juni 2023. Am 10. September wurde der Film bei Destination D23, einem Event des offiziellen Disney-Fanclubs, zusammen mit den ersten Minuten von Wish prasentiert. Vom 24. bis zum 30. September zeigte das El Capitan Theatre in Los Angeles, eines von Disneys Haupt-Kinos, in einem Event taglich jeweils einen Disney-Film aus einer anderen Dekade von den 1940ern bis zu den 2000ern und zu jeder Vorfuhrung Once Upon a Studio als Vorfilm. Auch lief der Film beim London Film Festival Anfang Oktober. Sein Fernsehdebut hatte der Kurzfilm am 15. Oktober 2023 bei dem Fernsehevent The Wonderful World of Disney: Disney’s 100th Anniversary Celebration des Senders ABC. Am 16. Oktober wurde er bei Disney+ und Hulu veroffentlicht. Es soll Gesprache gegeben haben, ihn als Vorfilm zusammen mit Wish im Kino zu zeigen, aber dem Studio war es wichtig, dass der Film tatsachlich am Geburtstag des Studios erschien und dass Zuschauer fur den Film nicht zusatzlich furs Kino bezahlen mussten. An Weihnachten wurde er auf YouTube veroffentlicht. Am gleichen Tag wurde er im Disney Channel und den ebenfalls zu Disney gehorigen Sendern Freeform und FX ausgestrahlt. Im Kino wurde er als Vorfilm bei einer Wiederveroffentlichung von Vaiana bis zum 26. Oktober gezeigt. Rezeption Rafael Motamayor von SlashFilm beschreibt den Film als genau die Art eines nostalgischen, visuell beeindruckenden und gefuhlsgeladenen Kurzfilms, die man hoffen wurde, von so einem geschichtstrachtigen Animationsstudio zu sehen, und urteilt, er sei etwas melodramatisch und ubermaßig selbstbeweihrauchernd, besonders wenn es um Walt Disney gehe, aber er funktioniere als Feier der Animationsfiguren und der Kunstler, die sie zum Leben erweckt haben, sodass es schwer sei, nicht von Gefuhlen uberwaltigt zu werden. Nach John Serba von Decider erinnere der Film daran, wie großartig die Disney Animation Studios seien, aber da dies von Disney selbst kommt, sei er bloß Selbstvermarktung, eingetaucht in dicken Sirup Nostalgie. = Nominierungen = Fur die Oscar-Verleihung 2024 gelangte der Film auf die Shortlist der Kategorie „Bester animierter Kurzfilm“, aber nicht unter die finalen funf Nominierten. Bei den Astra Film and Creative Awards der Hollywood Creative Alliance war er als Bester Kurzfilm nominiert. Weblinks Once Upon a Studio bei IMDb Production Brief (PDF, 17 Seiten) Alex Reif: Disney’s “Once Upon a Studio” – List of Characters in Order of Appearance, in: Laughing Place, am 16. Oktober 2023 Der Kurzfilm auf YouTube: Walt Disney Animation Studios: Full Short Film auf YouTube Disney Deutschland: Kurzfilm in voller Lange auf YouTube Behind-the-Scenes-Videos: Walt Disney Animation Studios: Booth to Screen auf YouTube Walt Disney Animation Studios: Department Progression auf YouTube Walt Disney Animation Studios: Once Upon a Legend auf YouTube DisneyD23: D23 Inside Disney Celebrates Once Upon A Studio auf YouTube Einzelnachweise
Once Upon a Studio (zu Deutsch etwa Es war einmal im Studio) ist ein amerikanischer Kurzfilm der Walt Disney Company anlasslich ihres hundertjahrigen Bestehens am 16. Oktober 2023. In dem Film versammeln sich Micky und Minnie Maus, Figuren aus allen bis dahin 62 „Meisterwerke“ genannten Animationskinofilmen des Studios (inklusive des zu dem Zeitpunkt noch nicht veroffentlichten Wish) sowie weiteren Kurzfilmen und Mischfilmen fur ein Foto vor dem Roy E. Disney Animation Building. Er wurde Burny Mattinson gewidmet, der in dem Film auftritt und 2023 vor dessen Veroffentlichung verstorben war.
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In der Hasenhaarschneiderei wurden durch Scheren oder Rupfen von Hasenfellen und Kaninchenfellen, fachsprachlich Kaninfell, sowie eventuell anderen geeigneten Fellarten Haare fur Hutfilze und Garne gewonnen. Allgemein Die Verwertung des Fells des Feldhasen als Scherware war bedeutender als seine Nutzung fur Pelzkleidung, auch der Anteil der weniger gut filzenden Schneidekaninchenfelle bei der Kaninfellverwertung ist erheblich. Aus einem mittelgroßen Kaninfell konnen etwa 40 Gramm Haare gewonnen werden. Aus Hasenhaaren oder Kaninchenhaaren wurden besonders feine Hutfilze und Garne hergestellt. Zusammen mit Baumwolle oder Seide versponnen ergaben sie Faden, hauptsachlich fur Samtgewebe und fur die Strumpfwirker. Auch von weiteren, eigentlich der Pelzmode zugeordneten Fellarten wurde das Haar zeitweise fur spezielle Filze verwendet. Die besondere Eignung zum Filzen hangt wesentlich davon ab, dass die Haare nicht hart und starr, sondern weich sind sowie eine gewisse Krauselung aufweisen. Es lasst sich wohl nicht genau bestimmen, seit wann Filzhute hergestellt wurden. Die letzten Hinweise auf die vielleicht um 1800 entstandenen Hasenhaarschneidereien verlieren sich in der ersten Halfte des 20. Jahrhunderts. 1824 wird eine in England eingesetzte erste Haarschneidemaschine erwahnt. Mit der Einfuhrung von Rupf- und Schermaschinen wurde sehr viel weniger Personal fur das Trennen der Haare vom Leder benotigt. Immer mehr, zumindest großere Hutfabriken ubernahmen diesen Arbeitsschritt selbst. Die Heimarbeiterbetriebe verschwanden ganz. Einen massiven Ruckgang der Nachfrage brachte die Veranderung der Mode. Trugen insbesondere in der ersten Halfte des 20. Jahrhunderts noch fast alle Manner und viele Frauen immer und fast uberall einen Filzhut, schrumpfte diese Zahl seit den 1960er Jahren auf einen Bruchteil. Hutfilze kommen heute aus der allgemeinen Filz- beziehungsweise Hutstoffindustrie, die sich vor allem mit der Herstellung von Filzen aus Schafwolle befasst. Fuhrend in der DDR war in Guben, von 1961 bis 1990 Wilhelm-Pieck-Stadt Guben genannt, die Hut- und Hutstoffindustrie im VEB Vereinigte Hutwerke Guben. Ein nach der Wende gegrundetes Unternehmen erinnert mit einer als „Gubhut“ angebotenen Kopfbedeckung daran. Hasenhaarhute, wie beispielsweise der Fedorahut oder Biberfilzhute (Sumpfbiber?) werden jedoch weiterhin angeboten. Als heute wesentliche Lieferanten von Hutstumpen werden neben anderen die USA, die Tschechische Republik, Polen, Portugal und China genannt. Gewinnung, Geschichte Allein in Russelsheim bestanden fruher vier Hasenhaarschneidereien. Mit 20 Personen lag die Zahl der Mitarbeiter hoher als in anderen Handwerksbetrieben. In der Russelsheimer Manufaktur Stein arbeiteten 1820 etwa 20 Personen, im Jahr 1860 waren es 51. Die große Beschaftigtenzahl erklart sich, weil die Haargewinnung hier noch von Hand, nicht mit Maschinen ausgefuhrt wurde. Ende des Jahres 1898 gab es in Wien 287 Gewerbeinhaber, die Mitglieder der gewerblichen Genossenschaft der Hutmacher und Hasenhaarschneider waren. In einer Arbeit des amerikanischen Hutmachers John Thomson aus dem Jahr 1868 wird die damalige Praxis der Haarschneiderei beschrieben: Das verbleibende Leder wurde der Lederindustrie zugefuhrt, nicht verwendbare Leder wurden, auch in Europa, zu Leim verarbeitet. Weitere, fur Hutfilze neben Hasen- und Kaninfellen verwendete Fellarten waren zu der Zeit Biberfelle, Sealfelle (Felle der Pelzrobbe), Bisamfelle, wie es hieß auch eine Sorte der Affenfelle sowie Schafwolle aus Sachsen und Spanien, Kamelhaar und Ziegenhaar. Insbesondere war das Biberhaar gefragt, zur Anfertigung des Kastorhuts (castor = lat. Biber), eines Vorlaufers des Zylinders. Fur die vom 17. Jahrhundert bis etwa Mitte des 19. Jahrhunderts von Mannern und Frauen getragene Kopfbedeckung eignete sich zum Verfilzen am besten die Sorte „Castor gras“, fette Biber. Das waren bereits verarbeitete Felle, die von den Indigenen Nordamerikas schon so lange getragen oder als Bettdecken benutzt waren, dass die Grannenhaare ausgefallen und das Wollhaar vollig verfettet war. Fur sie wurden 4 ½ bis 5 Franc fur das halbe Kilo bezahlt. Die nachste Qualitat war „Castor demi gras“, noch nicht so lange getragene Biberpelze, mit einem Preis von 3 ½ Franc und zuletzt frische Felle mit 2 ½ Franc. Viel verwendet wurde auch das Unterhaar des Nutriafells, des Pelzes des Sumpfbibers. In einer Beschreibung der Haarschneiderei aus dem Jahr 1828 wurden die uberstehenden, festeren Haare des Hasenfells nicht vollig entfernt, sondern in einem als „Spitzen“ bezeichneten Arbeitsprozess nur bis zur Unterhaarlange, im Bauch auch mehr, gekurzt. Der weitere Vorgang war ebenfalls außerst diffizil und unterscheidet sich etwas von spateren Schilderungen: Im Jahr 1898 wurde dann eine Maschine beschrieben, die das unerwunschte, abgeschnittene oder ausgerupfte Grannenhaar arbeitszeitsparend und ganz, also ohne vorheriges Spitzen, im Luftstrom eines Geblases separiert. Laut einer Statistik der wahrend einer Epidemie von 1879 in Hessen an Menschenblattern (Pocken) Erkrankten befanden sich einige Kranke im Kreis Groß-Gerau, von denen drei starben. Als mogliche Urheberin wurde eine 18-Jahrige vermutet, die in einer Hasenhaarschneiderei arbeitete. Bekannt ist, dass die Ansteckung mit Pocken durch Einatmen von Staub moglich ist, wie zum Beispiel beim Ausschutteln von Kleidung. Das Unternehmen bezog Ware aus Polen und Russland, unter der sich nicht selten getragene Pelze befanden. Eine derart lange Uberlebenszeit des außerhalb des Korpers recht langlebigen Pockenvirus ist allerdings eher nicht anzunehmen. Eine wesentliche Gefahrdung der in der Hutindustrie arbeitenden Menschen, auch der Hasenhaarschneider, war die als „Hutmachersyndrom“ bekannt gewordene Erkrankung. Der Englander Lewis Carroll hat den „Verruckten Hutmacher“ in Alice im Wunderland in Erinnerung gehalten, der mit der Redewendung „verruckt wie ein Hutmacher“ besonders in die englischen Redensarten Aufnahme fand. Die Wendung „mad as a hatter“ geht darauf zuruck, dass Hutmacher wegen der bei ihrem Handwerk eingesetzten Materialien oft an den Folgen von Quecksilbervergiftungen litten. = Kelsterbach = Im Jahr 2005 erhielten drei Schuler aus Mainz aus der Hand von Bundesprasident Horst Kohler einen von bundesweit funf ersten Preisen fur ihre Arbeit Das geschlossene Fenster. Hasenhaarschneider in Kelsterbach. Der Titel bezieht sich darauf, dass selbst ein kleiner Luftzug die feinen Haare durcheinandergewirbelt hatte. Entsprechend den Recherchen der Schuler kam das Hasenhaarschneiden mit den Hugenotten ins heutige Rhein-Main-Gebiet. Die Nachfrage wurde durch fuhrende Hofbeamte aus dem Rhein-Main-Gebiet belebt, die Interesse an Huten aus Hasenhaar zeigten. Auch wurde der Nachschub von Biberpelzen durch den 1763 von Frankreich verlorenen Krieg, bei dem die nordamerikanischen Kolonien an die Briten fielen, weitgehend abgebrochen, was die wenigen noch produzierten Biberhaarhute erheblich verteuerte. Nachdem die ortliche Fayence-Fabrik ihren Betrieb eingestellt hatte, bot sich fur die arme Bevolkerung des 1200 Einwohner zahlenden Ortes mit der Hasenhaarschneiderei eine neue Erwerbsquelle, die dann fast jeden zweiten Einwohner ernahrte. Auf einer Sandbank im Mainbogen von Kelsterbach wuschen Frauen und Kinder die Felle. In Holzrahmen spannten sie die Felle zum Trocknen auf oder breiteten sie auf einer Wiese aus. Nachdem sie gewalkt und aufgeraut waren, wurden sie in einer Losung aus Salpetersaure und Quecksilber zur Offnung der Oberflachenstruktur gebeizt. Zeitzeugen konnten noch von dem „unertraglichen Gestank“ berichten, der von der Beizkuche in der Kelsterbacher Schulstraße ausging. Die Arbeit muss außerst gesundheitsschadlich gewesen sein (bei einer Wiener Hasenhaarschneiderei wurde 1895 explizit von „einer sehr gesundheitsschadlichen Arbeit“ gesprochen). Das Gefahrlichste war eine schleichende Vergiftung durch Quecksilberdampf. Bereits 1912 schrieb der Arzt und Sozialhygieniker Ludwig Teleky in einer Schrift des Instituts fur Gewerbehygiene in Frankfurt am Main, dass sich „[e]rhebliche Gefahren der Quecksilbervergiftung […] auch in der Hasenhaarschneiderei“ zeigten. Es handele sich um eine „Mittelform“ der Quecksilbervergiftung. Erst um das Jahr 1932 wurde eine quecksilberfreie Beize entwickelt. Aber auch ein Teil der beim Scheren oder mit dem Rupfeisen abgetrennten Harchen wurde von den Arbeitern eingeatmet. Die meisten litten daher unter chronischen Brust-, Lungen- und Kehlkopferkrankungen, klagten uber verstarkten Speichelfluss und entzundete Augen. Neben den Haarschneidebetrieben bestanden in Kelsterbach zahlreiche Hausbeizen, von denen jedoch die meisten nicht beizten, sondern sich nur auf das Haarschneiden beschrankten. Das Schneiden der Haare geschah mit speziellen Scheren und Kammen, von denen sich noch einige im Fundus des Stadtmuseums „Haus zum Lowen“ befinden. Aus den gebeizten Haaren entstand ein Filz, der zum „Hutstumpen“ geformt wurde. Die Isenburgerin Marianne Streb berichtete 2015, dass sie sich noch an die Hasenhaarschneiderei erinnern konnte: „In Isenburg gab es damals zwei Hutstumpenfabriken“. Harald Streb besaß ein Dokument, das den 1842 geborenen Peter Streb und den 1870 geborenen Peter Ignaz Streb als Mitglieder der Zunft der Hasenhaarschneider in Isenburg auswies. Meyers Konversations-Lexikon von 1905 erwahnte Hasenhaarschneidereien, neben Kelsterbach, auch fur Munster (Hessen). Seit Anfang des 20. Jahrhunderts wandten sich die Haarschneider anderen Berufen zu, die besser bezahlt waren und meist humanere Arbeitsbedingungen boten. = Ober-Roden und Urberach = Vor 1900 entstanden in Ober-Roden, heute ein Stadtteil von Rodermark im sudhessischen Landkreis Offenbach, viele kleine Hasenhaarschneidereien. Im Jahr 1863 grundete das in Frankfurt ansassige Filzhutstoffwerk C. F. Donner eine Filiale in Ober-Roden, zunachst in der Frankfurter Straße, ab 1920 in einem Neubau in der Dieburger Straße 46. Bloch & Hirsch aus Offenbach am Main folgte 1892 mit einer Zweigstelle in Urberach und 1897 einer in Ober-Roden in der Darmstadter Straße, 1907 verlegten sie ihren Sitz in ein von ihnen in Urberach neu errichtetes Hutstoffwerk, eines der modernsten der damaligen Zeit. Alle Filialen waren Hasenhaarschneidereien. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts wurde in Offenbach am Main die „Hasenhaarschneiderei der Wwe. Kugler-Zinn“ als eine der „schon aus fruherer Zeit renommirte[n] Fabriken“ erwahnt. Im Jahr 1893 nahm die Hasenhaarschneiderei von Balthasar Jager in der Urberacher Kreuzgasse 14 den Betrieb auf, spater kam die Jager & Neidhardt Kommanditgesellschaft hinzu. Bereits 1888 hatte Jager in der Darmstadter Straße ein Unternehmen gegrundet, das aber nur kurze Zeit spater von Bloch & Hirsch ubernommen wurde. 1932 nahm mit Boffinger & Eichler, auch in Ober-Roden, noch einmal eine Hutstofffabrik ihre Arbeit auf – anfangs in der Frankfurter Straße 58. 1936 erhielt sie die Genehmigung, ihren Betrieb in einem stillgelegten Gaswerk auszubauen und fortzusetzen. = Sossenheim = Im seit 1928 zu Frankfurt am Main gehorenden Sossenheim war die Bevolkerung von uberwiegend kleinbauerlicher Landwirtschaft gepragt. Seit etwa 1820 wurde die in Heimarbeit betriebene Hasenhaarschneiderei ein wichtiger Erwerbszweig, der um 1880 seinen Hohepunkt erreicht hatte. Um 1910 gab dort der letzte Hasenhaarschneider sein Handwerk auf. Weiterverarbeitung Wie John Thomson feststellte, ergeben ein bis zwei Jahre gelagerte Haare durch ihre rauer gewordene Oberflache einen besseren Filz als die von kurz vor der Verarbeitung abgezogenen Tieren. Fur einen Hut werden Haare von 3 ½ bis 5 Hasenfellen gebraucht. Auch ein Vermischen mit anderen Haaren, vor allem Schafwolle, ist ublich. Zahlen, Fakten Im Mai 1826 kostete das Pfund Hasenhaar in Hamburg 6 bis 21 Mark Banco; in Amsterdam das Ruckenhaar 14 bis 26 Mark, das Seitenhaar 6–8 fl. d. n. Pfund. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden Hasenfelle in großer Menge fur Hutfilze gebraucht. Sie wurden fur diesen Zweck zwar von vielen Rauchwarenhandlern gefuhrt, fur die Pelzverarbeitung hatten sie sich bis dahin aus technischen Grunden jedoch als wenig geeignet gezeigt, auch bricht das Grannenhaar leicht und tragt sich daher schnell ab. Hinzu kommt, dass „die Felle meist von unzahligen Schrotlochern durchsetzt“ sind. In einer Tabelle der Haltbarkeit der einzelnen Fellarten ist das Hasenfell als der am wenigsten haltbare Pelz aufgefuhrt. Fur Filzzwecke waren die Felle deutscher Winterhasen jedoch sehr gesucht. Sie erzielten 1911 im Großhandel 90 Pfennig das Stuck, 1909 waren es noch uber 2 Mark gewesen. Sommerfelle, eigentlich waren es wegen der Schonzeit vom 15. Februar bis 1. September Herbstfelle, hatten weniger Wert. Es kamen jahrlich mindestens 5 bis 10 Millionen Hasenfelle in den Handel, immer in Ballen von 500 Stuck gepackt. Die in Amerika als Schadlinge angesehenen Hasen wurden stark verfolgt, zeitweilig durch Pramien angespornt. Ihre Felle blieben ungenutzt. Wildkaninfelle zum Haarscheren kosteten je nach Große 10 bis 20 Pfennig, Winterfelle 30 bis 60 Pfennig. In einem Fachverzeichnis der Pelzbranche der DDR des Jahres 1950 ist neben der Hutstofffabrik Willy Feye in Leipzig die Huthaarfabrik Nagel und Kießig im an Leipzig angrenzenden Taucha aufgefuhrt. Im Jahr 1964 betrugen in der DDR die Anteile nach den Verwendungsarten am Gesamtaufkommen an den fur Pelzzwecke deutlich besser geeigneten Kaninfellen: 33,8 % fur die Pelzherstellung 13,2 % fur die Lederherstellung 53,0 % fur die Hutstoffherstellung. Der Anfall der fast ausschließlich aus privater Haltung stammenden Kaninfelle wurde in vier Guteklassen sortiert: Guteklasse 1 nur Kaninfelle fur die Rauchwarenindustrie (Pelze) Guteklassen II und III fur die Rauchwaren-, Leder und Hutstoffindustrie Guteklasse IV nur fur die Hutstoffindustrie. Wenn fur Kaninfelle geringerer Qualitat, die von ihrer Beschaffenheit eigentlich Pelzrohfelle waren, zeitweilig kein Bedarf vorhanden war, wurden sie der Hutstoffindustrie zugefuhrt. Bei hoher, modebedingter Nachfrage wurden auch geringere Qualitaten fur Pelzzwecke genutzt, wodurch die Verteilung nicht gleichbleibend war. Weblinks Einzelnachweise
In der Hasenhaarschneiderei wurden durch Scheren oder Rupfen von Hasenfellen und Kaninchenfellen, fachsprachlich Kaninfell, sowie eventuell anderen geeigneten Fellarten Haare fur Hutfilze und Garne gewonnen.
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Nuclear Gandhi (englisch fur nuklearer Gandhi) bezeichnet eine urbane Legende uber das 1991 erschienene Videospiel Civilization, nach der Mahatma Gandhi, einer der moglichen Spielgegner, eine plotzliche Tendenz entwickle, Atomwaffen einzusetzen. Oft als Lehrbuchbeispiel fur arithmetischen Uberlauf zitiert und als Internetmeme verbreitet, galt Nuclear Gandhi lange Zeit als einer der bekanntesten Bugs in einem Computerspiel. 2020 bestatigte der Grunder der Reihe, Sid Meier, allerdings, dass diese urbane Legende fur das ursprungliche Spiel falsch sei. Hintergrund Es kursieren verschiedene Versionen der urbanen Legende im Internet. Nach einigen sei der Programmfehler nicht im ersten Teil des Spiels, sondern in Civilization II, dem zweiten Teil, vorgekommen. Nach der gangigsten Version werde das Maß der Aggression fur computergesteuerte Spieler als 8-Bit-Zahl gespeichert, wodurch Werte zwischen 0 und 255 angenommen werden konnten. Gandhi als pazifistischer Gegner habe den Wert 1 zugewiesen bekommen. Durch den Wechsel der Regierungsform zur „Demokratie“ werde das Maß der Aggression bei einem NPC um den Wert 2 auf −1 gesenkt. Da −1 aber kein moglicher Wert sei, komme es zu einem arithmetischen Uberlauf und der Wert werde zu 255 – dem hochstmoglichen Wert. In seiner Autobiografie Sid Meier’s Memoir! enthullte der Grunder der Reihe Sid Meier 2020, dass er die Geschichte zwar witzig finde, aber daran nichts wahr sei. So einen arithmetischen Uberlauf konne es gar nicht gegeben haben. Dass Gandhi in dem Spiel Kernwaffen einsetzen kann, sei beabsichtigt gewesen. Verbreitung als Internetphanomen Seit den 2010er Jahren verbreitete sich diese urbane Legende unter Videospielern, wobei die Belege fur die Behauptung sich haufig gegenseitig zitierten. Haufig wird es als Internetmeme geteilt, wo die meistens pazifistischen Zitate Gandhis in nukleare Kriegsdrohungen gewendet werden. 2015 erhielt Nuclear Gandhi einen Eintrag in der Webseite Know Your Meme. Nachwirkung In Anspielung auf die Legende wurde dieses Verhalten tatsachlich in Civilization V, dem funften Hauptspiel der Reihe, als Easter Egg einprogrammiert und in der Folge haufiger als vermeintlicher Beleg fur die urbane Legende zitiert. In Civilization VI kann Gandhi mit 70-prozentiger Wahrscheinlichkeit die Agenda „Nuke Happy“ haben, die ihn dazu verleitet, Atomwaffen zu bauen. Anmerkungen
Nuclear Gandhi (englisch fur nuklearer Gandhi) bezeichnet eine urbane Legende uber das 1991 erschienene Videospiel Civilization, nach der Mahatma Gandhi, einer der moglichen Spielgegner, eine plotzliche Tendenz entwickle, Atomwaffen einzusetzen. Oft als Lehrbuchbeispiel fur arithmetischen Uberlauf zitiert und als Internetmeme verbreitet, galt Nuclear Gandhi lange Zeit als einer der bekanntesten Bugs in einem Computerspiel. 2020 bestatigte der Grunder der Reihe, Sid Meier, allerdings, dass diese urbane Legende fur das ursprungliche Spiel falsch sei.
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{ "url": "https://de.wikipedia.org/wiki/Denkmäler_und_Erinnerungsorte_zum_Nationalsozialismus_in_Köln" }
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Tom Bass (* 5. Januar 1859 in Columbia, Missouri; † 4. November 1934 in Mexico, Missouri) war ein US-amerikanischer Trainer und Reiter von Pferden der Rasse American Saddlebred, die hauptsachlich fur Shows gezuchtet wurde. Er war einer der bekanntesten Pferdetrainer des spaten 19. und fruhen 20. Jahrhunderts in den USA. Er trainierte und ritt erfolgreiche Showpferde sowie Pferde im Besitz von Prominenten wie Buffalo Bill, Theodore Roosevelt und Will Rogers. Biographie Tom Bass wurde als Sklave auf der Hayden-Plantage in Columbia, Missouri, geboren. Seine Mutter war die Sklavin Cornelia Gray (1846–1916), sein Vater William H. Bass (1836–1892), Sohn des Plantagenbesitzers Eli Bass. Er hatte mehrere Halbgeschwister, weiße aus einer Ehe seines Vaters sowie mehrere weitere von William H. Bass mit anderen Sklavinnen. Er wurde von seinen Großeltern mutterlicherseits auf der Plantage aufgezogen. Dort wurden Pferde gezuchtet und trainiert, und schon fruh lernte Tom Bass den Umgang mit Tieren; spater sagte er, er habe als Junge in den Stallen geschlafen und sich mit Stroh zugedeckt. Mit vier Jahren konnte er reiten, und im Alter von neun Jahren soll er Mr. Potts, ein fur seine Widerborstigkeit beruchtigtes Maultier, dazu gebracht haben, auf Befehl im Kreis ruckwarts zu gehen. 1865 wurde die Sklaverei abgeschafft, aber Tom Bass und sein Großvater blieben zunachst auf der Plantage, da sie nicht wussten, wohin sie hatten gehen konnen; mehr Details aus seinem Leben zu dieser Zeit sind nicht bekannt. Im Alter von 20 Jahren zog Bass nach Mexico, Missouri, wo er von dem renommierten Reiter Joseph A. Potts die Grundlagen des Pferdegeschafts erlernte und anschließend fur die Mexico Horse Sales Company arbeitete. Potts war von seinem Geschaftspartner aufgefordert worden, sich von dem schwarzen Bass zu trennen, was dieser ablehnte: Er habe noch nie einen Mann mit solch einem guten Blick fur „Pferdefleisch“ gekannt. Nach dem Verkauf der Mexico Horse Sales Company machte Bass sich auf Rat seines Mentors Potts als Pferdetrainer selbstandig. Im Jahr 1882 heiratete er Angie Jewell (1856–1941), eine schwarze Lehrerin, und 1897 bekam das Paar einen Sohn, Inman (1897–1932). Er selbst hatte die Schule nur bis zur dritten Klasse besucht, und seine Frau unterrichtete ihn im Lesen und Rechnen. Wegen seiner sanften Trainingsmethoden erwarb sich Bass schnell einen guten Ruf; ihm wurde nachgesagt, er wurde selbst die wildesten Pferde zahmen. Er soll gesagt haben: „Pferde sind wie Menschen“; eine ungewohnliche Sichtweise zu einer Zeit, in der Pferde meist als bloße Ware angesehen wurden. In den spaten 1880er Jahren ubertrug ihm eine Gruppe wohlhabender Geschaftsleute aus Kansas City die Leitung ihrer Stalle. Dort baute Bass seinen Ruf weiter aus, indem er sich auch bei der Grundung der American Royal engagierte. Bass war der erste Afroamerikaner, der dort ein Pferd vorstellte: „Wegen seines anerkannten Talents im Umgang mit Pferden durfte er im selben Ring wie die weißen Trainer auftreten.“ Es grundete sich der elitare Tom Bass Riding Club. Zu den prominenten Gasten auf seiner Farm gehorten William Jennings Bryan, Prasident William McKinley und Zirkusmagnat P. T. Barnum. Im Laufe seiner Karriere trat Bass vor funf US-Prasidenten auf, gewann mit seiner Stute Belle Beach Preise bei allen Pferdeshows des Landes und sammelte mehr als 2000 blaue Schleifen. Von Maria von Rumanien wurde er bei der Pferdeshow von St. Louis geehrt. Trotz seiner Erfolge musste er sich mit rassistischen Vorurteilen und Regeln auseinandersetzen: Wenn er mit seinen weißen Konkurrenten, gegen die er regelmaßig gewann, sprechen wollte, musste er den Hintereingang ihrer Hauser benutzen. Einmal wurde er von einer Pferdeshow ausgeschlossen, wie es immer wieder Versuche gab, seine Teilnahmen wegen seiner Hautfarbe zu verhindern, aber einflussreiche weiße Freunde wehrten dies ab. 1893 zeigte Bass als Vertreter von Missouri Pferde auf der Weltausstellung in Chicago. Außerdem gewann er die Weltmeisterschaft auf der Saddlebred-Stute Miss Rex. Spater zog er zuruck nach Mexico und trainierte weiterhin Pferde. Ihm wird das Verdienst zugeschrieben, Mexico zur „Saddle Horse Capital of the World“ gemacht zu haben. Bass trainierte unter anderem den erfolgreichen Hengst Rex McDonald sowie die Pferde namhafter Personlichkeiten wie Buffalo Bill, Will Rogers und Prasident Theodore Roosevelt sowie von Mitgliedern der Brauerei-Familie Busch. Neben Rex McDonald und anderen Saddlebreds trainierte Bass Belle Beach, eine Stute, die sich verbeugen, knicksen und tanzen konnte. Es wird auch erzahlt, dass er ein gefurchtetes Pferd namens The Blazing Black innerhalb weniger Tage reiten konnte, was keinem zuvor moglich gewesen war. 1897 wurde er von der Familie Vanderbilt gebeten, an einer Show im Madison Square Garden in New York City teilzunehmen, was ihm als Schwarzem ansonsten nicht moglich gewesen ware: Er wurde der erste Afroamerikaner, der dort auftrat. Außerdem wurde er anlasslich des Diamantenen Thronjubilaums von Queen Victoria eingeladen, bei der prestigetrachtigen Royal Horse Show in London aufzutreten; er lehnte ab, weil er seinen Pferden und sich selbst die Schiffsreise nicht zutraute. Bass erfand auch ein Kandarengebiss namens Tom Bass Bit, mit dem Pferde kontrolliert werden konnen, ohne ihnen Schmerzen zuzufugen, das er sich aber nicht patentieren ließ. Dieses Gebiss wird weiterhin hergestellt. Bass starb am 20. November 1934 im Alter von 75 Jahren an einem Herzinfarkt, ein Jahr nach dem Tod seiner Lieblingsstute Belle Beach. Er ist auf dem Elmwood Cemetery in Mexico begraben, neben seiner Frau und seinem Sohn. Auf seinem Grabstein ist zu lesen: „Einer der großten Saddlehorse-Trainer und Reiter der Welt“. Erinnerung und Ehrung Fur seine Verdienste um den Bundesstaat Missouri wurde Tom Bass 1999 posthum in die Hall of Famous Missourians aufgenommen; er habe um die Wende zum 20. Jahrhundert dabei geholfen, die Rassenschranken zu durchbrechen, und er habe den Beruf des Reiters verandert. Es gibt Objekte von ihm im American Saddlebred Museum in Mexico und im American Royal Museum in Kansas City. Seine Scheune wurde zu einem historischen Wahrzeichen in der Gegend und blieb stehen, bis sie am 28. August 1997 von einem 19-jahrigen Brandstifter niedergebrannt wurde. Diverses 2023 fand die vierte Austragung des Tom Bass Seminar on Diversity in Equestrian Sports statt, das via Internet ubertragen wurde. Literatur L. M. White: The Heart of the Saddle Horse Story of Missouri. In: Missouri Historical Review. Nr. 2. Columbia, Missouri 1956, S. 121–131. J.L. Wilkerson: From Slave to World-Class Horseman: Tom Bass. Acorn Books, 2000, ISBN 0-9664470-3-4. Bill Downey: Tom Bass, Black Horseman. Missouri Department of Corrections, 2002. Bill Downey: Whisper on the Wind: The Story of Tom Bass - Celebrated Black Horseman. Saddle and Bridle, 1975. J.L. Wilkerson: From Slave to World-Class Horseman: Tom Bass. Acorn Books, 2000, ISBN 0-9664470-3-4. Bill Downey: Tom Bass, Black Horseman. Missouri Department of Corrections, 2002. Weblinks Meet the Past: Tom Bass | Kansas City Black History. In: kcblackhistory.org. 10. Oktober 2013, abgerufen am 2. April 2024 (englisch). Einzelnachweise
Tom Bass (* 5. Januar 1859 in Columbia, Missouri; † 4. November 1934 in Mexico, Missouri) war ein US-amerikanischer Trainer und Reiter von Pferden der Rasse American Saddlebred, die hauptsachlich fur Shows gezuchtet wurde. Er war einer der bekanntesten Pferdetrainer des spaten 19. und fruhen 20. Jahrhunderts in den USA. Er trainierte und ritt erfolgreiche Showpferde sowie Pferde im Besitz von Prominenten wie Buffalo Bill, Theodore Roosevelt und Will Rogers.
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Loose lips sink ships, deutsch wortlich „Lose Lippen versenken Schiffe“, ist eine aus dem amerikanischen Englisch stammende Redewendung, die zum Ausdruck bringt, dass unbekummertes Reden zuweilen fatale Folgen haben kann. Geschichte Als nach dem japanischen Uberfall auf Pearl Harbor und der Kriegserklarung Deutschlands und Italiens an die Vereinigten Staaten die USA im Dezember 1941 in den Zweiten Weltkrieg eintraten, versuchte das US‑Kriegsinformations­ministerium zu verhindern, dass unabsichtlich Informationen an feindliche Spione gelangen konnten. Der Slogan lautete ursprunglich: „Loose Lips Might Sink Ships.“ Dies war einer von mehreren ahnlichen Slogans, die alle unter der Grundbotschaft der Kampagne standen: „Sorgloses Reden kostet Leben“. Er ist vergleichbar mit der deutschen Kampagne „Feind hort mit!“ Hierdurch sollten Soldaten und Zivilisten davor gewarnt werden, leichtfertig Inhalte auszuplaudern, die vom Feind missbraucht werden konnten. In der zweiten Halfte des 20. Jahrhunderts blieb der Slogan in den Vereinigten Staaten in leichter Verkurzung der ursprunglichen Fassung – wohl auch des besseren Rhythmus wegen – im kollektiven Gedachtnis als Loose lips sink ships. Hintergrund In der Werbung und uber andere Informationskanale wurde der Slogan ausgespielt. Das War Advertising Council erstellte einen Leitfaden, der Plakate, Radiospots und Werbematerialien zur Verwendung durch ortliche Sicherheitskomitees enthielt. Zusatzlich wurden relevante Produktanbindungen gefordert, was dazu fuhrte, dass ein fuhrender Hersteller diejenigen, die sich mit militarischen Geheimnissen auskennen, ermahnte: „Behalten Sie es unter Ihrem Stetson.“ Spatere Untersuchungen ergaben, dass doppelt so viele Menschen, die mit den Botschaften in Kontakt gekommen waren, wussten, welche Informationen in Kriegszeiten nicht sicher besprochen werden konnten, als solche, die von der Kampagne nicht erreicht worden waren. Die Plakate vermittelten den Burgern das Gefuhl, Teil der Kriegsanstrengungen zu sein. Sie wurden durch die Plakate, die sie zur Geheimhaltung aufforderten, auf eine Stufe mit Soldaten gestellt, die fur das Land kampften, wenn auch in einer weniger aktiven Rolle. Um einen Krieg zu gewinnen, ist es notwendig, dass die Burger die Kriegsanstrengungen unterstutzen. Die Plakate trugen dazu bei, eine Atmosphare der Disziplin und Verantwortung unter denen zu schaffen, die nicht direkt den Schlachten und anderen Kriegshandlungen ausgesetzt waren. Dadurch wurde auch die Moral wahrend des Krieges gestarkt und es half den einfachen Burgern, den Stolz und die Freude zu empfinden, zum Sieg der Nation im Krieg beigetragen zu haben. Weblinks Loose lips sink ships im Free Dictionary. Loose Lips Might Sink Ships in Hagley Digital Archives. Video (3′55″) bei YouTube uber die Code Girls im Zweiten Weltkrieg. Ein Girl, nun in ihren 90-ern, sagt dies (nach 2′13″). Einzelnachweise
Loose lips sink ships, deutsch wortlich „Lose Lippen versenken Schiffe“, ist eine aus dem amerikanischen Englisch stammende Redewendung, die zum Ausdruck bringt, dass unbekummertes Reden zuweilen fatale Folgen haben kann.
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Gerhard Krefft (* 30. Marz 1912 in Lokstedt; † 20. Marz 1993 in Hamburg) war ein deutscher Ichthyologe und Herpetologe. Leben Krefft war der Großneffe des in Deutschland geborenen Forschers Gerhard Krefft, der nach Australien emigrierte und der erste Direktor des Australian Museum wurde. Zwei Jahre nach seiner Geburt siedelte die Familie nach Braunschweig um, wo Krefft eine umfassende klassische Bildung erhielt. Seine Mutter war eine Konzertsangerin, wahrend sein Vater Paul Krefft, ein Neurologe, ein leidenschaftlicher Sammler lebendiger Reptilien und Amphibien war und Kreffts vielseitige biologische Interessen von Kindesbeinen an forderte. Nach erfolgreichem Abschluss seines Abiturs wahlte Krefft eine akademische Laufbahn im Bereich der Biologie. Nachdem er die ersten drei Semester seines Studiums in Braunschweig und Wurzburg absolviert hatte, wechselte er zur Universitat Hamburg. 1938 wurde er unter der Leitung von Berthold Klatt mit der Dissertation Futterungsversuche an Tritonen V. Zur Frage der Vitamine zum Doktor der Naturwissenschaften promoviert. Kreffts ursprungliche Absicht war es, Herpetologe zu werden, worauf sowohl seine ersten Arbeiten uber Salamander und tropische Sußwasserschildkroten (1936–1938) als auch seine Doktorarbeit uber das Nahrungsverhalten der Kammmolche hindeuten. Selbst als er seinen Forschungsschwerpunkt auf die Meeresfische legte, blieben Amphibien und Reptilien sein ganzes Leben lang eine seiner Leidenschaften. 1938 erhielt Krefft eine Stelle am Naturhistorischen Museums Hamburg, wo er unter der Leitung von Werner Schnakenbeck an der Abteilung fur Fischereibiologie arbeitete. Zu der Zeit wurden junge Wissenschaftler fur internationale Fischereientwicklungsprojekte angeworben, und Krefft wurde fur eine solche Initiative auf die damals isolierten und noch weitgehend unerforschten Kanarischen Inseln rekrutiert. Im Februar 1939 begann er mit seiner Forschungstatigkeit auf den Kanaren, die durch den Beginn des Zweiten Weltkriegs abrupt beendet wurde. Er wurde nach Deutschland zuruckbeordert, sofort zur Wehrmacht eingezogen und diente bis zum Ende des Krieges. Nach dreimonatiger Kriegsgefangenschaft kehrte Krefft nach Hamburg zuruck und nahm seine alte Tatigkeit wieder auf. Seine Veroffentlichungen nach dem Krieg zwischen 1948 und 1950 waren erneut herpetologischer Natur und behandelten die Reptilien der Kanarischen Inseln. Ab Ende 1945 widmete sich Krefft vermehrt der Fischereiforschung. Zunachst arbeitete er unter der Leitung von Schnakenbeck und von 1953 bis 1963 unter Johannes Lundbeck. Beide waren Direktoren des im Jahr 1948 gegrundeten Instituts fur Seefischerei Hamburg (ISH). In dieser Zeit wurden die Forschungsschwerpunkte von Krefft maßgeblich durch den Auftrag des Instituts, insbesondere die Untersuchung von Speisefischen, beeinflusst. Bei seiner Forschung lag der Fokus auf den Populationen der Heringe, diverser Plattfische und des Rotbarsches. Etwa 20 Publikationen wurden wahrend der 1950er Jahre zu diesen Themen veroffentlicht. Krefft heiratete 1947 Ingeborg. Aus dieser Ehe gingen die Tochter Sybille (* 1948), Sabine (* 1951) und Susanne (* 1956) hervor. Da das ISH erst ab 1955 uber ein Forschungsschiff verfugte, fuhrten Krefft und seine Kollegen ihre Feldforschung an Bord von kommerziellen Treibnetzschleppern, Kuttern und kleinen Frischfischtrawlern durch. Von September 1951 bis April 1952 nahm er an einer Walfangreise an Bord der griechischen Walfangfabrik Olympic Challenger des Reeders Aristoteles Onassis teil, die von Rotterdam uber die Karibik und den Panamakanal in den Pazifischen Ozean fuhrte. Zwei Monate lang wurden Walfangaktivitaten vor Ecuador und Peru und vor dem Rendezvous mit dem Waloltanker Ariston bei den Galapagosinseln durchgefuhrt. Ein Landgang auf diesen Inseln wurde der Crew jedoch verwehrt. Die Kreuzfahrt ging weiter nach Suden zum antarktischen Rossmeer, um wahrend des sudlichen Sommers weiter Wale zu jagen. Fur die Ruckfahrt nach Rotterdam wechselte er auf die Ariston. Krefft nutzte die Gelegenheit eines mehrtagigen Aufenthalts in New Orleans und unternahm nicht nur mehrere Exkursionen in die Umgebung, um herpetologische Feldnotizen zu machen und Exemplare zu sammeln, sondern besuchte auch Fred R. Cagle und Royal D. Suttkus von der Tulane University, um personliche Kontakte zu knupfen und herpetologische sowie ichthyologische Informationen auszutauschen. Nach einem kurzen Aufenthalt in Corpus Christi, Texas, kehrte er mit einer Fulle von Proben von Amphibien und Reptilien sowie mit einer betrachtlichen Anzahl von Fischen nach Hamburg zuruck. Seine achtmonatigen biologischen Aufzeichnungen gipfelten unter anderen in den Publikationen Herpetologische Eindrucke (1953) und Ornithologische Beobachtungen (1955). Etwa zur gleichen Zeit begann Krefft, die seltenen Arten in den Anlandungen der deutschen Frischfischtrawler, die ihr Einsatzgebiet im Nordatlantik immer weiter ausdehnten, zu beobachten und zu dokumentieren. Von 1953 an veroffentlichte er regelmaßig Jahresberichte uber Seltene Fische sowie seine Ichthyologischen Beitrage aus dem Institut fur Seefischerei. 1953 veroffentlichte Krefft seine erste Erstbeschreibung zur Art Searsia schnakenbecki (heute Sagamichthys schnakenbecki) aus der Familie der Leuchtheringe, die den Beginn einer langen Reihe von Arbeiten uber neue Fischtaxa markierte, die er entweder allein oder in Zusammenarbeit mit anderen Autoren verfasste. Die Datenbank World Register of Marine Species listet die Erstbeschreibungen von 38 heute noch gultigen Arten, an denen Krefft beteiligt war. 1955 wurde das FRV (Fishery Research Vessel) Anton Dorn, der erste dampfgetriebene Seitenschlepper der Bundesrepublik Deutschland, in Dienst gestellt. Neben den regelmaßigen Bestandsuberwachungen und Markierungsprogrammen kommerziell genutzter Spezies wurde die Erforschung ganzer Fischgemeinschaften im Nordatlantik, insbesondere in den Gewassern um Island und Gronland, zunehmend zu einem integralen Bestandteil der Forschungstatigkeiten des Instituts. Krefft spielte von Beginn an eine bedeutende und maßgebliche Rolle bei der Konzeption und Umsetzung dieser weitreichenden Untersuchungen. Durch diese Studien entstand die erste Referenzfischsammlung des ISH, bestehend aus einigen wenigen, seltenen Arten aus der Nordsee und dem Nordatlantik sowie einer Handvoll „exotischer“ Arten aus Walfangexpeditionen. Zu Beginn der 1960er Jahre hatte die Sammlung des ISH eine beachtliche Große erreicht und umfasste hauptsachlich bodenlebende Fischarten des Nordatlantiks. Die Untersuchung der Taxonomie und Zoogeographie der Knorpelfische (Chondrichthyes), ein Schwerpunkt in der ichthyologischen Forschung von Krefft, war in dieser Zeit von Bedeutung. Der Durchbruch in der systematischen Ichthyologie am ISH erfolgte im Jahr 1962, als die vier Abteilungen der Bundesforschungsanstalt fur Fischerei von provisorischen Einrichtungen in das neue Hauptgebaude an der Palmaille in Hamburg-Altona umziehen konnten. Gemaß einer behordlichen Anordnung des Bundesministeriums fur Ernahrung, Landwirtschaft und Forsten wurde die systematische Ichthyologie und die Errichtung einer wissenschaftlichen Referenzsammlung von Meeresfischen als offizielles Aufgabengebiet des ISH festgelegt. Die Umsetzung dieser Weisung wurde an Krefft ubertragen. Diese Entscheidung wurde vor dem Hintergrund getroffen, dass 1963 ein zweites Fischereiforschungsschiff, die Walther Herwig, in Betrieb genommen wurde und geplante Erkundungsfahrten im gesamten Atlantischen Ozean stattfinden sollten. Somit begannen nahezu zwei Jahrzehnte intensive und weitreichende Fischereiforschungsreisen, die von der Arktis bis zur Antarktis im Atlantik und daruber hinaus reichten. Krefft entwickelte das Konzept, Proben von kontinentalen Hangen und ozeanischen Mittelwasserregionen mit großen kommerziellen Schleppnetzen zu entnehmen und samtliche Ergebnisse umfassend zu dokumentieren, um dadurch eine reprasentative Sammlung zu schaffen. Infolgedessen wurden sehr große Proben in die Sammlungen des ISH und des Zoologischen Museums Hamburg (ZMH) zuruckgebracht. Weitere Fahrten uber den Atlantik mit Beteiligung internationaler Teams von Fisch- und Wirbellosen-Taxonomen folgten 1968, 1971 und 1973. Innerhalb weniger Jahre erlangte die ISH-Sammlung internationale Aufmerksamkeit und Anerkennung. 1967 initiierte Krefft eine neue Publikationsreihe unter dem Titel Ergebnisse der Forschungsfahrten des FRV Walther Herwig nach Sudamerika. Zum Zeitpunkt von Kreffts Tod umfasst die Reihe 72 Beitrage, von denen die meisten im Archiv fur Fischereiwissenschaft erschienen sind. Trotz des raschen Wachstums der ISH-Sammlung waren Krefft und ein einziger Techniker mehrere Jahre lang die einzigen Mitglieder der Ichthyologie-Gruppe, und erst Ende der 1960er Jahre wurde zusatzliches Personal eingestellt. In ihrer Blutezeit bestand die Ichthyologie-Gruppe des ISH aus drei Wissenschaftlern und drei Technikern. Das neue Forschungsschiff Walther Herwig II, das 1973 vom Stapel lief, bot noch bessere technische Moglichkeiten und eroffnete damit ein breiteres Spektrum an Forschungsmoglichkeiten als sein Vorganger. Kommerzielle Mittelwasserfanggerate konnten nun bis auf mehr als 3000 m gezogen werden, wahrend mit benthischen Schleppnetzen Tiefen von 2200 m erreicht werden konnten. Schwerpunkte der Untersuchungen waren die nordatlantische Tiefseefauna (1973–1985), der atlantische Sektor des Sudlichen Ozeans (1975–1985) und der sudwestliche Atlantikhang vor Argentinien (1978). Kreffts letzte Reise fuhrte ihn als Leiter der ISH-Ichthyologie-Gruppe in antarktische Gewasser, als er im sudlichen Sommer 1975/76 als leitender Wissenschaftler an Bord der Walther Herwig II die erste Etappe der ersten Fischereiexpedition der Bundesrepublik Deutschland in die Antarktis unternahm. Bis zu seiner Pensionierung am 30. Marz 1977 war er Leiter der Fachgruppe Ichthyologie am ISH der Bundesforschungsanstalt fur Fischerei. Ende 1977 erfolgte der Umzug der ISH-Gruppe Ichthyologie in das neue Gebaude des Zoologischen Museums Hamburg (ZMH), wo Krefft Laborraume erhielt und seine Forschungen noch etwa 10 Jahre lang mit seinen alten Teamkollegen fortsetzen konnte. Der 1978 und 1987 veroffentlichte Typenkatalog ist eines der Ergebnisse dieser Phase. Seit dem 4. Juni 1993 beherbergt das ZMH die komplette ehemalige Fischsammlung des ISH. Kreffts Bibliographie umfasst uber 160 wissenschaftliche Publikationen, darunter befinden sich 20 Bucher und zahlreiche Aufsatze. Gerhard Krefft wurde auf dem Friedhof Ohlsdorf (Planquadrat P 22) beigesetzt. Dedikationsnamen Nach Gerhard Krefft sind eine Gattung und 16 Arten benannt, darunter Erstbeschreibungen von Gerhard Krefft Schriften (Auswahl) Die Schildkroten, Wenzel Bucherei, 1949 mit John R. Norman, Frederick Charles Fraser: Riesenfische, Wale und Delphine, Verlag Paul Parey, Hamburg, 1963 Auf Haie und Großfische in allen Weltmeeren. Fischgrunde und Fangmethoden, 1973 mit Victor Meyer und Kurt Lillelund: Atlas zur Anatomie und Morphologie der Nutzfische, Verlag Paul Parey, Hamburg, 1975 mit Kuno Sch. Steuben: Die Haie der Sieben Meere. Arten, Lebensweisen und sportlicher Fang, 1978 mit P. Alexander Hulley: A zoogeographic analysis of the fishes of the family Myctophidae (Osteichthyes, Myctophiformes) from the 1979 Sargasso Sea Expedition of RV Anton Dohrn. Annals of the South African Museum, Kapstadt, Nr. 96(2), 1985 Literatur Matthias Stehmann: Gerhard Krefft (1912–1993) and Post-World War II Collection in Ichthyology at the Institut fur Seefischerei Hamburg: A Melding of Applied and Basic Research. In: Theodore W. Pietsch III und William D. Anderson (Hrsg.): Collection Building in Ichthyology and Herpetology. American Society of Ichthyologists and Herpetologists Special Publication Number 3. Allen Press, Lawrence, Kansas 1997, ISBN 0-935868-91-7, S. 121–131. Matthias Stehmann, P. Alexander Hulley: Gerhard Krefft, 30 March 1912–20 March 1993. In: Copeia. Band 1994, Nr. 2, 1994, ISSN 0045-8511, S. 558–564, JSTOR:1447019. Bo Beolens, Michael Grayson & Michael Watkins: Eponym Dictionary of Fishes. Whittles Publishing, 2023, ISBN 978-1-84995-498-3, S. 728–729. Weblinks Alfred Post: In Memoriam Gerhard Krefft (1912–1993). In: Cybium. Nr. 17 (3). Societe Francaise d’Ichtyologie, 1993, S. 179; abgerufen am 3. April 2024 (englisch). Einzelnachweise
Gerhard Krefft (* 30. Marz 1912 in Lokstedt; † 20. Marz 1993 in Hamburg) war ein deutscher Ichthyologe und Herpetologe.
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Der Ansitz Angerheim, fruher auch Alter Widum genannt, in Untermais, einem Ortsteil von Meran in Sudtirol, ist ein geschutztes Baudenkmal. Als Amts- und Verwaltungssitz der klosterlichen Besitzungen des Zisterzienserstift Stams sowie Widum der Pfarre Mais erlangte Angerheim ab dem 14. Jahrhundert an Bedeutung. Sein heutiges Aussehen im Stil der Renaissance mit Fassadenerker erhielt das Anwesen durch Zubauten vom 14. bis 16. Jahrhundert. Nach einer Umnutzung und Renovierung dient es heute als Bildungs- und Kulturzentrum. Lage Der Ansitz Angerheim liegt in Untermais, unmittelbar westlich der Pfarrkirche St. Vigil. Geschichte Den Kern des Anwesens bildet ein quadratischer, mittelalterlicher Wohnturm, der moglicherweise auf das 13. Jahrhundert zuruckgeht. In den Kellerraumen finden sich noch Reste des ursprunglichen, romanischen Mauerwerkes. Der Name Angerheim konnte mit einem Obstanger in Verbindung stehen. Als alteste verbriefte Besitzer gelten die Edlen von Angerheim, eine Seitenlinie der Herren von Partschins, die sich erst nach diesem Wohnsitz „von Angerheim“ nannten und ihn vielleicht zu einem Festen Haus ausbauen ließen. Der Historiker Josef Tarneller vermutete, dass der ursprungliche Sitz der Angerheim nicht, wie heute allgemein angenommen, das alte Widum, sondern der Ansitz Tierburg gewesen sei. Das einst einflussreiche Geschlecht der Angerheim bekleidete das Amt des Erbmarschalls der Grafen von Tirol und wurde außerdem mit der Veste Neuberg belehnt. Jakob von Auer heiratete 1303 Agnes, die Witwe von Nikolaus von Angerheim. Laut einer Urkunde von 1329 verkaufte Beta, Tochter des verstorbenen Nikolaus von Angerheim, die Guter an Heinzl von Prad, Sohn des verstorbenen Swikers von Mais. 1354 erlosch mit Georgius von Angerheim das Geschlecht im Mannesstamm, worauf der Besitz als erledigtes Lehen durch Heimfall an den Tiroler Landesfursten zuruckfiel. In der zweiten Halfte des 14. Jahrhunderts erwarb das Zisterzienserstift Stams den Ansitz. Schenkungsurkunden konnten bereits auf eine Inbesitznahme im oder vor dem Jahre 1318 hindeuten. Durch eine Zuwendung Meinhards II., des Grafen von Gorz-Tirol, war auch die Pfarre Mais an das Kloster gelangt, welches sich bis zum 14. Jahrhundert zahlreiche Guter im Burggrafenamt und Vinschgau aneignen konnte. Das Stift bestimmte Angerheim zum klosterlichen Amts- und Verwaltungssitz sowie zum Widum der Pfarrkirche St. Vigil. Zur alten Pfarre Mais gehorten außerdem noch die Wallfahrtskirche Maria Trost sowie die Ortschaften Obermais, Sinich und Hafling. Um den neuen Zweck zu erfullen, wurde das Gebaude ab dem 14. Jahrhundert wesentlich umgebaut und erweitert. Wahrend des Tiroler Bauernkrieges plunderten und zerstorten 1525 aufstandische Rebellen das Anwesen. Beim anschließenden Wiederaufbau entstand die heutige Nordfassade mit eckigem Fassadenerker. Um 1766 verlor Angerheim die Funktion als Amts- und Verwaltungssitz wie auch als Widum an den Hof Mair, ehemals im Eigentum der Freiherren von Voglmair, denen Abt Vigil von Stams ihn abkaufte. Danach geriet Angerheim in Vergessenheit und fristete sein Dasein uber Jahrzehnte als Unterkunft fur Arme und Obdachlose. Umbauplane und Uberlegungen des Klosters, den Besitz zu verkaufen, scheiterten. Am 20. Juni 1980 stellte das Sudtiroler Landesdenkmalamt das renovierungsbedurftige Gebaude unter Denkmalschutz. In den 1990er Jahren wurde Angerheim der Gemeinde Meran ubertragen. Sie unterzog das heruntergekommene Gebaudeensemble einer grundlichen Renovierung und nutzt es seither als Bildungs- und Kulturzentrum fur die ortlichen Vereine. Siehe auch Liste der Baudenkmaler in Meran Literatur Josef Weingartner: Die Kunstdenkmaler Sudtirols, Bd. Bozen mit Umgebung Unterland, Burggrafen-Amt, Vintschgau. Tyrolia-Verlag, 1957, S. 171. Bernhard Mazegger: Chronik von Mais, seiner Edelsitze, Schlosser und Kirchen. Pleticha, 1905, S. 225–226 Max von Straganz: Die Edlen von Angerheim und Neuberg In: Forschungen und Mitteilungen zur Geschichte Tirols 1, Verlag Wagner, 1904 Weblinks Eintrag im Monumentbrowser auf der Website des Sudtiroler Landesdenkmalamts Weitere Infos zu Ansitz Angerheim auf diebaz.com Einzelnachweise
Der Ansitz Angerheim, fruher auch Alter Widum genannt, in Untermais, einem Ortsteil von Meran in Sudtirol, ist ein geschutztes Baudenkmal. Als Amts- und Verwaltungssitz der klosterlichen Besitzungen des Zisterzienserstift Stams sowie Widum der Pfarre Mais erlangte Angerheim ab dem 14. Jahrhundert an Bedeutung. Sein heutiges Aussehen im Stil der Renaissance mit Fassadenerker erhielt das Anwesen durch Zubauten vom 14. bis 16. Jahrhundert. Nach einer Umnutzung und Renovierung dient es heute als Bildungs- und Kulturzentrum.
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c-671
Der letzte Jude in Winniza (alternativ: Der letzte Jude von Winniza) hat sich als Titel einer Schwarzweiß-Fotografie aus den fruhen 1940er-Jahren etabliert, die die bevorstehende Erschießung eines Juden durch einen Angehorigen der deutschen Einsatzgruppen vor einem Massengrab zeigt. Viele Details der Aufnahme sind nach wie vor ungeklart. Jahrzehntelang wurde die ukrainische Stadt Winnyzja oder die gleichnamige Oblast als Tatort angenommen; jungste Forschungen lassen dagegen den Schluss zu, dass die Exekution in Wirklichkeit in Berdytschiw stattfand. Ungeachtet aller Unklarheiten im Einzelnen galt und gilt die Aufnahme als herausragendes, „ikonisches“ Dokument der Judenvernichtung in Osteuropa und wird seit Jahrzehnten in themenbezogenen Publikationen verwendet. Titel Im deutschen Sprachraum ist das Bild unter dem Titel Der letzte Jude in Winniza (alternativ: Der letzte Jude von Winniza) bekannt. Winniza ist der Name, den die Stadt Winnyzja wahrend der deutschen Besatzung ab 1941 trug. Im englischen Sprachraum wird das Bild ublicherweise als The Last Jew in Vinnitsa (alternativ: The Last Jew of Vinnitsa) betitelt. Die Entstehung des Titels Der letzte Jude in Winniza ist nicht geklart. Einer verbreiteten Erzahlung zufolge geht er auf eine handschriftliche Notiz mit diesem Wortlaut zuruck, der auf einem fruhen Abzug des Bildes stehen soll. Auf einem 1961 bekannt gewordenen Abzug fehlt eine solche Anmerkung. Beschreibung Das hochformatige Bild zeigt einen dunnen Mann, bekleidet mit langem dunklen Mantel und weißem Hemd, der am Rand eines offenen Massengrabs kniet. Der Mann blickt in die Kamera, die leicht erhoht steht. Das Massengrab unter ihm ist bereits mit Leichen gefullt. Links hinter dem knieenden Mann steht ein Uniformierter, der auf ihn blickt und mit ausgestrecktem Arm eine Pistole auf sein Genick richtet. Seine Uniform hat schwarze Kragenspiegel. Im Hintergrund stehen uniformierte Soldaten und Angehorige des Reichsarbeitsdienstes und schauen dem Vorgang zu. Die Gesichtszuge des knieenden Mannes, des Schutzen und zahlreicher Zuschauer sind klar zu erkennen. Bekannte Abzuge Von der Fotografie Der letzte Jude in Winniza sind ausschließlich Papierabzuge bzw. -reproduktionen sowie spatere Digitalisierungen bekannt. Der Verbleib des Negativs der Aufnahme ist ungeklart. Wahrend des Zweiten Weltkriegs und danach durften zahlreiche Abzuge der Aufnahme kursiert sein. Ein Abzug wurde 1961 international bekannt, ein weiterer 2021. Beide unterscheiden sich in Qualitat und Zuschnitt voneinander. = Die United-Press-Veroffentlichung = International verbreitet wurde das Bild erstmals 1961 durch die US-amerikanische Nachrichtenagentur United Press International (UP). Die Veroffentlichung fiel zeitlich zusammen mit dem weltweit beachteten Prozess gegen Adolf Eichmann in Jerusalem. Die Zeitschrift The Forward veroffentlichte das Bild 1961 ganzseitig. Wie dieser Abzug des Fotos in den Besitz von UP gelangte, ist nicht eindeutig geklart. Hierzu gibt es stark voneinander abweichende Berichte. Die am weitesten verbreitete Version geht davon aus, dass ein polnischer Uberlebender des KZ Allach nach dessen Befreiung einen Abzug des Bildes in Munchen fand und ihn an sich nahm. Dieser Uberlebende, der nach Kriegsende in die USA emigrierte und dort den Namen Al Moss annahm, soll das Bild 1961 angesichts der Berichterstattung uber den Eichmann-Prozess der Nachrichtenagentur UP ubergeben haben. Nach anderen Darstellungen wurde es in einem Fotoalbum eines ehemaligen Mitglieds der Einsatzgruppen oder in der Tasche eines toten Soldaten gefunden. Die Vorlage des von UP veroffentlichen Bildes befindet sich in der Holocaust-Sammlung des Kenyon College. = Die Walter-Materna-Papiere = Ein weiterer Abzug des gleichen Negativs wurde 2021 im Zusammenhang mit den sogenannten Walter-Materna-Papieren bekannt. 2021 erhielt das United States Holocaust Memorial Museum (USHMM) in Washington, D.C., die Tagebucher des 1898 geborenen osterreichischen Wehrmachtssoldaten Walter Materna, der seit Juni 1941 im Dienstgrad eines Leutnants als Anfuhrer eines Baubataillons im Generalgouvernement eingesetzt war. In seinem Tagebuch gab Materna unter dem 28. Juli 1941 den Bericht zweier Wehrmachtssoldaten wieder, die ihm von der kurz zuvor durchgefuhrten Erschießung von „70 Juden und einem Arier“ in der „Zitadelle von Berditschew“ erzahlten. Den Berichten zufolge mussten einzelne Juden nach namentlichem Aufruf am Rand eines Massengrabes knien und wurden „von einem SS-Mann“ vor zahlreichen Zuschauern durch Genickschuss getotet. Nach Maternas Darstellung war er selbst nicht Zeuge der Hinrichtungen. In diesem Tagebuch befand sich ein Abzug des Bildes, das seit 1961 als Der letzte Jude von Winniza bekannt ist. Der Ausschnitt von Maternas Bild ist großer als der des UP-Abzugs, zugleich ist Maternas Abzug scharfer, heller und kontrastreicher. Im Gegensatz zum UP-Bild von 1961 sind auf ihm im Hintergrund mehrere Gebaude klar zu erkennen. Auf der Ruckseite des Bildes ist handschriftlich notiert: „Ende Juli 1941. Hinrichtung von Juden durch SS in der Zitadelle von Berditschew“ und „28. Juli 1941“. Die Walter-Materna-Papiere wurden 2023 von dem Historiker Jurgen Matthaus erstmals wissenschaftlich ausgewertet. Einzelheiten Wesentliche Einzelheiten der Aufnahme sind nach wie vor nicht sicher geklart. = Urheber = Der Fotograf ist unbekannt. Jurgen Matthaus nimmt an, dass Walter Materna, in dessen Tagebuch ein Abzug des Bildes gefunden wurde, nicht selbst der Fotograf war, sondern den Abzug von einem anderen Soldaten erhalten hat; der Austausch von Bildern sei unter Soldaten in dieser Zeit ublich gewesen. Eine 2016 erschienene Veroffentlichung sieht in der Aufnahme keinen Schnappschuss, sondern ein von einem professionellen Fotografen erstelltes und womoglich auch vorbereitetes Foto. = Ortlichkeit = In den ersten Jahrzehnten nach der Veroffentlichung des UP-Abzugs 1961 war allgemeine Auffassung, dass die Aufnahme in der Stadt Winnyzja oder in der gleichnamigen Oblast entstanden ist. Diese Zuordnung beruhte ausschließlich auf der kolportierten handschriftlichen Notiz auf dem UP-Abzug. Nach Bekanntwerden der Materna-Papiere ordnete Jurgen Matthaus 2023 die Fotografie neu ein. Matthaus vermutet, dass Materna in seinem Tagebucheintrag unter dem 28. Juli 1941 genau den Exekutionsprozess beschrieben hat, der auf der Fotografie Der letzte Jude in Winniza festgehalten ist. Er stutzt diese Annahme auf inhaltlich ubereinstimmende Details des beschriebenen Hergangs mit der bereits seit 1961 bekannten Fotografie sowie auf den Umstand, dass der Schilderung Maternas ein (weiterer) Abzug der Fotografie beigefugt war. Matthaus schließt daraus, dass nicht Winnyzja der Ort des Geschehens war, sondern die ukrainische Stadt Berdytschiw in der Oblast Schytomyr. Berdytschiw liegt etwa 70 km nordlich von Winnyzja. Die Zitadelle von Berdytschiw war im Juli und August 1941 der Schauplatz zahlreicher Hinrichtungen ukrainischer Juden. Die auf dem Materna-Abzug im Hintergrund erkennbaren Gebaude wurden bislang nicht identifiziert. = Zeitpunkt = Die zeitliche Zuordnung der Aufnahme war lange unklar. Nachdem Deutschland die Sowjetunion am 22. Juni 1941 uberfallen und die Stadt Winnyzja am 19. Juli 1941 eingenommen hatte, begann die Judenvernichtung in der Ukraine bereits im Fruhsommer 1941. Wissenschaftler der Gedenkstatte Yad Vashem datierten die Aufnahme auf den Juli 1941, andere gingen vom Januar 1942 aus, vereinzelt wurde auch das Jahr 1943 fur moglich gehalten. Ausgehend von den handschriftlichen Notizen auf dem 2021 gefundenen Materna-Abzug der Fotografie lasst sich die gezeigte Exekution dem 28. Juli 1941 zuordnen. = Personen = Keine Klarheit besteht bei der Identitat der abgebildeten Personen. Weder das Opfer noch der Schutze oder die Zuschauer konnten bisher identifiziert werden. Der Schutze wird wegen der schwarzen Kragenspiegel seiner Uniform ublicherweise der Einsatzgruppe C oder D zugeordnet. Rezeption Die Aufnahme ist „eines der bekanntesten Fotos des Holocaust“; es wird vielfach als „ikonisch“ bezeichnet. Der Historiker Guido Knopp halt es fur „ein erschutterndes Dokument des Holocausts: Umgeben von einer Menge gaffender Zuschauer, darunter auch Angehorige der Wehrmacht, halt ein SS-Mann am Rand einer Grube, in der schon zahlreiche Leichen liegen, einem Mann die Pistole an den Kopf.“ Seine besondere Wirkung entfalte das Foto, weil man dem Opfer, dem Tater und den Schaulustigen ins Gesicht sehen kann. Verwendungen Die Fotografie Der letzte Jude in Winniza wurde und wird weltweit in zahlreichen Publikationen zur Judenvernichtung verwendet, teilweise auch als Coverfoto. Ein Abzug des Bildes war zeitweise Bestandteil der Dauerausstellung Fragen an die deutsche Geschichte im Bundestag. Gelegentlich findet das Bild auch außerhalb geschichtswissenschaftlicher Zusammenhange Verwendung. So zeigt das Cover des 1984 veroffentlichten Albums Victim in Pain der New Yorker Hardcore-Band Agnostic Front einen quadratischen Ausschnitt des Bildes. Literatur Guido Knopp: Der Zweite Weltkrieg: Bilder, die wir nie vergessen, Edel Books, 2014, ISBN 978-3-8419-0262-7 Weblinks Einzelnachweise
Der letzte Jude in Winniza (alternativ: Der letzte Jude von Winniza) hat sich als Titel einer Schwarzweiß-Fotografie aus den fruhen 1940er-Jahren etabliert, die die bevorstehende Erschießung eines Juden durch einen Angehorigen der deutschen Einsatzgruppen vor einem Massengrab zeigt. Viele Details der Aufnahme sind nach wie vor ungeklart. Jahrzehntelang wurde die ukrainische Stadt Winnyzja oder die gleichnamige Oblast als Tatort angenommen; jungste Forschungen lassen dagegen den Schluss zu, dass die Exekution in Wirklichkeit in Berdytschiw stattfand. Ungeachtet aller Unklarheiten im Einzelnen galt und gilt die Aufnahme als herausragendes, „ikonisches“ Dokument der Judenvernichtung in Osteuropa und wird seit Jahrzehnten in themenbezogenen Publikationen verwendet.
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c-672
Walter Pintus (geb. 27. September 1880 in Berlin; gest. 13. November 1938 in Dachau) war ein judischer Arzt in Ludwigsburg, der wahrend des Ersten Weltkriegs Leiter des dortigen Kriegsgefangenenlazaretts war. Leben Walter Pintus wurde 1880 als Sohn des Bankiers Emil Pintus (1842–1901) und dessen Ehefrau Marie, geb. Blumgard (1854–1933) geboren. Er heiratete am 8. November 1906 Helene Jacobi (1883–1979), die am 9. August 1883 in Stuttgart geborene Tochter des Likorfabrikanten Jacob Jacobi und der Erni geb. Lichtenberger. Das Ehepaar hatte eine Tochter: Lotte Pintus, geboren am 24. September 1907 in Ludwigsburg, die 1931 anlasslich ihrer Verheiratung mit dem Juristen Hugo Weiß zur evangelischen Kirche ubertrat. Im Jahr 1941 konnten seine Frau Helene und seine Tochter Lotte nach Sudamerika emigrieren. Pintus forschte unter anderem an der psychiatrischen Klinik zu Straßburg und wurde 1904 in Straßburg mit einer Arbeit zur Opticusatrophie als Fruhsymptom von Paralyse promoviert. Im Jahr 1905 ubernahm er nach dem fruhen Tod des Mediziners Jakob Plaut die Praxis in der Mathildenstraße 6 in Ludwigsburg. Als praktischer Arzt mit Geburtshilfe hatte er ein hohes Ansehen in der Gesellschaft. Wahrend des Ersten Weltkriegs war Pintus Leiter des Kriegsgefangenenlazaretts und Abteilungsarzt des Reservelazaretts II in Ludwigsburg mit Offiziersrang in Uniform. Seine zusatzliche Aufgabe war es, die Wiederinbetriebnahme des Heilbads Ludwigsburg-Hoheneck und die Kurgaste arztlich zu betreuen. Pintus war Mitglied der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Arzte. Im Juli 1927 wurde er in den Aufsichtsrat der Suddeutschen Elektron A.G. gewahlt. Ab dem 1. Januar 1938 durfte er nur noch Ersatzkassenpatienten behandeln. Ab Oktober 1938 wurde er aus dem Arzteregister gestrichen und durfte nicht mehr praktizieren. Im Zuge der Novemberpogrome wurde Pintus am 10. November 1938 zusammen mit Tausenden anderen judischen Mannern verhaftet und misshandelt, um im KZ Dachau inhaftiert zu werden. Uber seinen Tod am 13. November 1938 gibt es zwei Versionen: Nach einer Version suchte er selbst seinen Tod und setzte damit der ihm zugefugten Schmach ein Ende – „bei Prittlsbach in den Tod getrieben“. Laut einer Zeugenaussage von Gerhard Richter soll er immer Gift mit sich getragen haben. Die andere Version lautet, ein SS-Bewacher habe ihn auf dem Appellplatz des Lagers erschossen, weil er wegen einer Gehbehinderung immer am Schluss der Kolonne lief. Im Familienregister der judischen Gemeinde ist die Todesursache „Herzschlag“ eingetragen. Die Asche von Walter Pintus wurde am 1. Dezember 1938 im Pragfriedhof in Stuttgart beigesetzt. Familie Seine Witwe Helene hatte ihren Wohnsitz in der Mathildenstraße 6 bis zu ihrer Auswanderung im August 1941 uber Spanien nach Kuba und spater in die USA. Im September 1941 wanderte ihre Tochter mit Ehemann Hugo Weiß und der 1936 in Stuttgart geborenen Tochter Margrit Brigitte auch aus der Mathildenstraße 6 nach Argentinien aus. Im Jahr 1946 ging Helene Pintus ebenfalls nach Argentinien zu ihrer Tochter. Helene Pintus starb 1979 mit 96 Jahren in Buenos Aires und ist auf dem britischen Friedhof begraben. Ihre Tochter Lotte lebte und starb in Zurich, neun Jahre nach ihrem Mann, 1998 im Alter von 90 Jahren. Gedenken Walter Pintus gilt neben Julius Elsas, Max Elsas und Hans Frischauer als eine der judischen Personlichkeiten, die „den Namen Ludwigsburgs weithin bekannt gemacht haben“. Noch im Jahr 2000 schrieb Paul Sauer in der Zeitschrift fur Wurttembergische Landesgeschichte, dass Pintus der „bis heute unvergessliche arztliche Wohltater der unbemittelten Einwohner“ der Stadt war. Zeitzeugen berichteten „von seinem hervorragenden Ruf“. Bereits 1979 wurde bei Recherchen zur Geschichte der judischen Bevolkerung der Stadt immer wieder „gerade von nichtjudischer Seite auf das weit uber seine arztliche Pflicht hinausgehende soziale Verhalten des praktischen Arztes Dr. Walter Pintus […] hingewiesen“. Pintus, der „ein ungeheuer angesehener Mann gewesen sein [muss], hilfsbereit und sehr bemuht um seine Patienten“, war Teil des Projekts Erinnerungspaten, das 2011 in Ludwigsburg geplant wurde. Uber Pintus’ Schicksal wurde zudem bereits in den 1990er-Jahren im Rahmen von Schulprojekten berichtet. Im Ludwigsburg Museum im MIK Museum Information Kunst ist der Gehstock von Walter Pintus ausgestellt, der als ein „ganz herausragendes Exponat“ des Museums gilt. Am 27. September 2008 wurde fur Pintus ein Stolperstein verlegt. Er befindet sich in der Mathildenstraße 6, in der seine Praxis und Wohnung lagen. Uber Pintus gibt es zudem eine Opferbiographie. Daten unter anderem zu Walter Pintus wurden 2014 im Auftrag der Gedenkstatte Yad Vashem zusammengetragen. Dazu gehoren auch „Gemeinderatsprotokolle …, die zeigen, wie sich der Arzt Walter Pintus erfolglos gegen ein Berufsverbot wehrte, und wie die Stadtrate den wenige Jahre zuvor noch hoch geschatzten Mann zum Ausgestoßenen machten.“ Auf dem Synagogenplatz Ludwigsburg steht seit 2014 eine Kunstinstallation mit 24 Koffern, die die Namen von wahrend der NS-Zeit ermordeten judischen Burgern der Stadt tragen. Einer dieser Koffer erinnert an Walter Pintus, wobei die Vorderseite seinen Namen und die Ruckseite seine Lebensdaten tragt. Eine elektronische Stele unweit der Installation informiert genauer uber sein Leben und Schicksal. In Ludwigsburg erinnert seit spatestens den 1960er-Jahren die Walter-Pintus-Straße im Wohngebiet Schlosslesfeld an Walter Pintus. Sie war noch 1995 eine von nur zwei Straßen in Ludwigsburg, deren Name an judische Opfer des Nationalsozialismus erinnerte. Schriften Walter Pintus: Opticusatrophie als Fruhsymptom von Paralyse. C. Muh & Co., Straßburg 1904, OCLC 162606648 (Hochschulschrift). Literatur Jochen Faber (Hrsg.): Stolpersteine in Ludwigsburg. Zu Besuch bei verfolgten Nachbarn. Geschichten von Menschen aus Ludwigsburg, die Opfer der Nazi-Verfolgung wurden. Band [1]. Info & Idee, Ludwigsburg 2010, ISBN 978-3-931112-28-8, Kap.: Dr. Walter Pintus, S. 49–52. Simon Karzel: Judisches Leben in Ludwigsburg: unter besonderer Berucksichtigung von Quellen aus dem Stadtarchiv Ludwigsburg. In: Ludwigsburger Geschichtsblatter. Nr. 72, 2018, S. 196. Joachim Hahn: Judisches Leben in Ludwigsburg – Geschichte, Quellen und Dokumentation. Braun, Karlsruhe 1998, ISBN 3-7650-8211-2, S. 505 ff. Weblinks Walter Pintus in der Zentralen Datenbank der Namen der Holocaustopfer der Gedenkstatte Yad Vashem Pintus, Walter K. In: Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden. Bundesarchiv. Einzelnachweise
Walter Pintus (geb. 27. September 1880 in Berlin; gest. 13. November 1938 in Dachau) war ein judischer Arzt in Ludwigsburg, der wahrend des Ersten Weltkriegs Leiter des dortigen Kriegsgefangenenlazaretts war.
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c-673
Alfred Salomon (geboren 1. April 1919 in Bochum; gestorben 29. Oktober 2013 ebenda) war ein Uberlebender des Holocaust. Nach seiner Verhaftung im Jahre 1943 wurde er in mehrere Konzentrationslager deportiert. Nach Kriegsende kehrte er in seine Heimatstadt Bochum zuruck, wo er die neue Judische Gemeinde Bochum-Herne-Hattingen mit aufbaute und sich fur den Bau einer neuen Synagoge engagierte. Biographie = Jugend = Alfred Salomon war der Sohn von Elfriede (geb. Watermann, 1883–1944) und Georg Salomon (1883–1942); er hatte zwei Halbbruder (Erwin und Lutz) aus der ersten Ehe der Mutter (sie war verwitwet) sowie eine Schwester, Ingeborg (1924–2008). Sein Onkel war der radsportbegeisterte Bochumer Kaufmann Moritz Lindau (1877–1942). Die gutsituierte Familie war judisch-liberal und fuhrte eine Gaststatte sowie eine Metzgerei, zunachst in einem Bochumer Arbeiterviertel, spater in der Innenstadt. Die Gaststatte diente zahlreichen Bochumer Vereinen bis 1933 als Stammlokal. Nach dem Schulabschluss begann Salomon eine Metzgerlehre in einem christlichen Betrieb in Herne mit dem Ziel, spater das Familiengeschaft zu ubernehmen. Die SA hatte auf der anderen Straßenseite ihr Stammlokal; als man dort erfuhr, dass Salomon Jude war, zwang man den Meister, seinen judischen Lehrling zu entlassen. Schon mit sechs Jahren wurde Salomon Mitglied im Radrennverein Westfalia 1895, der nicht konfessionell gebunden war. Als Jugendlicher nahm er erfolgreich an Bahn- und Straßenrennen teil. Nach der Einfuhrung des Arierparagraphen im Jahre 1933, der den Ausschluss judischer Mitglieder vorschrieb, versuchte Salomons Verein, die Vorschriften zu umgehen. Bis 1935 fuhr er weiterhin Rennen unter dem falschen Namen „Bonn“, dem Nachnamen seiner Halbbruder; seine Mannschaftskameraden wussten Bescheid und deckten ihn. = Verfolgung und Gefangenschaft = Zur Zeit des Nationalsozialismus wurde Salomon Opfer der NS-Judenverfolgung. Bei den Novemberpogromen 1938 entging er in Bochum nur knapp einer Verhaftung, nachdem er von seinem fruheren Schulrektor auf der Straße gewarnt worden war und dessen Tochter ihn in einen Zug nach Berlin geschmuggelt hatte. Dort konnte er bei Verwandten wohnen und als Elektriker in einem Unternehmen arbeiten, in dem sowohl die Inhaber (der Chef war SA-Obersturmbannfuhrer) als auch die Kollegen wussten, dass er Jude war. Er lernte seine kunftige Frau Edith Gluckmann kennen und heiratete sie 1940; der Plan war, nach Paraguay auszuwandern, was durch eine Eheschließung erleichtert worden ware. Der Plan misslang aber, nachdem sich die teuer erworbenen Visen als gefalscht herausgestellt hatten. Im Jahr 1943 wurden die Eheleute Salomon festgenommen und nach Auschwitz deportiert. Edith Salomon wurde sofort nach ihrer Ankunft ermordet, Alfred Salomon wurde als Elektriker im KZ Auschwitz III Monowitz und bei den Buna-Werken der I.G. Farben eingesetzt. Er war dort den Werksarbeitern unterstellt, wodurch er zu den privilegierten Haftlingen gehorte, die auch bessere Verpflegung erhielten. Im Januar 1945 wurde das Lager geraumt, die Haftlinge auf einen Todesmarsch geschickt und Salomon uber Buchenwald ins KZ Langenstein-Zwieberge gebracht. Nach seiner Befreiung kehrte Salomon 1945 nach Bochum zuruck, nachdem er zuvor von einer judischen Organisation in Brussel betreut worden war. Er kam zunachst bei einem fruheren Gesellen seines Vaters unter. Seine Eltern waren wie seine Frau im Holocaust ermordet worden. Einer seiner Bruder befand sich in einem Kibbuz in Danemark und wanderte nach Palastina aus, der andere war nach Argentinien gelangt. Die Schwester Ingeborg hatte mit dem letzten Kindertransport der Lehrerin Else Hirsch England erreicht. Dort heiratete sie 1943 Erwin Bleiwiss Belik (?–2012), einen judischen Soldaten aus Tschechien, mit dem sie nach Kriegsende nach Prag ging, wo ihr Mann das Textilunternehmen der Familie ubernahm. Als nach der kommunistischen Machtubernahme in der Tschechoslowakei die Probleme fur den Firmeninhaber Belik immer großer wurden, floh die Familie 1952 nach Israel, wo Inge Belik 2008 starb. = Nach 1945 = Als Alfred Salomon Mitte 1945 nach Bochum zuruckkehrte – psychisch und physisch stark geschadigt –, fand er eine Tatigkeit in der zu diesem Zeitpunkt noch provisorischen Kommunalverwaltung. Seine Aufgabe bis 1948 war es, Wohnungen fur Fluchtlinge und politisch Verfolgte sowie fur Mitglieder der judischen Gemeinde zu beschaffen. In einem Wiedergutmachungsverfahren vertrat er die im Ausland lebenden Kinder seines ermordeten Onkels Moritz Lindau. Nach seiner Tatigkeit bei der Stadt machte er mehrere erfolglose Versuche, sich selbstandig zu machen. Im Juni 1946 beschloss der Bochumer Stadtrat, Alfred Salomon von Rennen zu Rennen die Radrennbahn Bochum zu verpachten, die sein Onkel Moritz Lindau mitfinanziert hatte. Der Rennfahrer Walter Lohmann hatte ihn dazu ermuntert. 1947 fanden mindestens neun Renntage statt. Von 1948 bis 1950 erhielt er einen Vertrag uber drei Jahre, um den er gebeten hatte, da er plante, an der Rennbahn eine Gastwirtschaft und ein Hotel zu eroffnen. Er verpflichtete sich, jahrlich mindestens sieben Rennen auszurichten. Die Radrennbahn rentierte sich nur bedingt, da das Wetter Rennen auf der offenen Bahn immer wieder verhinderte. An Pfingsten 1949 organisierte Salomon eine Boxveranstaltung auf der Radrennbahn mit dem Bochumer Boxer Walter Neusel, die aber defizitar war. Schließlich haufte sich eine funfstellige Summe an Schulden auf, sodass die Radrennbahn ab 1950 anderweitig verpachtet wurde. Er erschien „als ein Getriebener“, der uber den okonomischen Erfolg sich selbst und anderen habe beweisen wollen, dass er es schaffen konne, so der Historiker Ernst-Albrecht Plieg. Schließlich wechselte er mit Erfolg in die Privatwirtschaft, was ihm ermoglicht habe, „mit Frau und Kind in der deutschen Gesellschaft der 1950er Jahre Fuß zu fassen“. Im Sommer 1945 lebten in Bochum knapp 20 Menschen judischen Glaubens. Salomon ging 1947 mit Margret „Medy“ Scholz eine zweite Ehe ein; im Jahr darauf bekam das Paar einen Sohn, Axel (1948–2013). Er wirkte bis 1950 daran mit, als 2. Vorsitzender neben Siegbert Vollmann die judische Gemeinde in Bochum wieder aufzubauen. Anfang der 1990er Jahre entstand durch den Zuzug von Juden aus der damaligen Sowjetunion der Plan, in Bochum wieder eine Synagoge zu erbauen. Salomon war es, der zur Eroffnung der Synagoge im Dezember 2007 als Erster das Wort ergreifen durfte: „Ich wunsche mir, dass alles gut geht.“ Er wurde Ehrenmitglied der judischen Gemeinde Bochum-Herne-Hattingen. Viele Jahre lang schwieg Alfred Salomon uber den Verlust von Frau, Eltern und weiteren Familienangehorigen sowie seine weiteren Erlebnisse im NS-Staat. 1996 erklarte er sich bereit, seine Lebenserinnerungen von der USC Shoah Foundation filmisch dokumentieren zu lassen. Alfred Salomon starb 2013 im Alter von 94 Jahren in Bochum, wenige Monate nach dem Tod seines einzigen Sohnes. Er war das letzte lebende Mitglied der alten judischen Gemeinde Bochums. Erinnerung Die Kinder von Elfriede und Georg Salomon ließen zur Erinnerung an ihre Eltern eine Gedenktafel am Grab der Großeltern Mina und August Watermann auf dem Judischen Friedhof Bochum anbringen. Am 4. November 2004 wurden im Beisein von Alfred Salomon fur seine Eltern und fur seinen Onkel Fritz Watermann Stolpersteine vor dem Haus Annastr. 21 (fruher Konigstraße) in Bochum-Mitte verlegt. Literatur Ernst-Albrecht Plieg: Lohmann, Hasselberg & Co. Bochums Radsport zwischen 1889 und 1963. Klartext, Bochum 2008, ISBN 978-3-8375-0053-0. Hubert Schneider: Die „Entjudung“ des Wohnraums – „Judenhauser“ in Bochum. Die Geschichte der Gebaude und ihrer Bewohner. LIT, 2010, ISBN 978-3-643-10828-9. Hubert Schneider: Leben nach dem Uberleben: Juden in Bochum nach 1945. Hrsg.: Verein „Erinnern fur die Zukunft e.V.“ in Verbindung mit dem Stadtarchiv – Bochumer Zentrum fur Stadtgeschichte. LIT, 2014, ISBN 978-3-643-12796-9. Dieter Vaupel: Radsport im Nationalsozialismus. Ein fast vergessenes Kapitel der deutschen Sportgeschichte. Die Werkstatt, Gottingen 2023, ISBN 978-3-7307-0655-8, S. 105–118. Weblinks Jurgen Hoffmann: Bochum 1939. (PDF; 1,6 MB) In: bochum.de. 6. April 2010; abgerufen am 6. Mai 2024 (zur Stolperstein-Verlegung fur Elfriede und Alfred Salomon sowie Fritz Watermann). Manfred Keller: Alfred Salomon – ein Bochumer Auschwitz-Uberlebender berichtete. (pdf; 1,3 MB) In: stadtakademie.de. Evangelische Stadtakademie Bochum, 19. Februar 2021; abgerufen am 6. Mai 2024. Einzelnachweise
Alfred Salomon (geboren 1. April 1919 in Bochum; gestorben 29. Oktober 2013 ebenda) war ein Uberlebender des Holocaust. Nach seiner Verhaftung im Jahre 1943 wurde er in mehrere Konzentrationslager deportiert. Nach Kriegsende kehrte er in seine Heimatstadt Bochum zuruck, wo er die neue Judische Gemeinde Bochum-Herne-Hattingen mit aufbaute und sich fur den Bau einer neuen Synagoge engagierte.
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Das Grabmal von Milan Rastislav Stefanik (slowakisch Mohyla Milana Rastislava Stefanika) ist ein denkmalgeschutztes Monument und Mausoleum auf dem Berg Bradlo (543 m n.m.), dem Hausberg der Stadt Brezova pod Bradlom im Hugelland Myjavska pahorkatina in der westlichen Slowakei. Administrativ gehort die Anlage zur Stadt Brezova pod Bradlom im Okres Myjava (Trenciansky kraj), an der Grenze zur Gemeinde Priepasne. Geschichte und Beschreibung Milan Rastislav Stefanik, slowakischer Politiker, General und tschechoslowakischer Kriegsminister und einer der „Grundervater“ der Tschechoslowakei, kam am 4. Mai 1919 beim Absturz einer italienischen Caproni Ca.33 nahe Ivanka pri Dunaji bei Bratislava ums Leben. Mit ihm starb auch die dreikopfige Flugzeugbesatzung: Sottotenente Giotto Mancinelli-Scotti (Pilot), Sergente Umberto Merlini (Kopilot) und Soldato Gabriele Aggiunti (Bordingenieur/Funker). Am 11. Mai 1919 wurden alle vier Toten am Bradlo, unweit Stefaniks Geburtsort Kosariska, bestattet. Kurz nach dem Bekanntwerden des Todes befasste sich der slowakische Architekt Dusan Jurkovic mit der Idee der Errichtung eines monumentalen Grabmals am Bradlo, nachdem er wahrend des Ersten Weltkriegs im vormals osterreichischen Galizien, heute zu Polen und Ukraine, mehrere Soldatenfriedhofe entworfen hatte. 1920 stellte Jurkovic den ersten Vorschlag vor und suchte Unterstutzung fur sein Vorhaben, 1921 wurde ein Verein gegrundet mit dem Ziel, das Grabmal uber Spenden zu finanzieren. Auch mit der Unterstutzung des Staates musste Jurkovic das Projekt mehrmals uberarbeiten und verkleinern. Zu einer feierlichen Grundsteinlegung kam es am 4. Mai 1924, dem funften Jahrestag des Todes von Stefanik. Schließlich wurde das Grabmal aus Zipser Travertin in der Zeit von Juli 1927 bis September 1928 errichtet und am 23. September 1928 feierlich eroffnet. Es hat vier je 12 m hohe Obelisken an den Ecken und ist 96 m × 70 m groß, die erste (niedere) Terrasse misst 93 m × 62 m, die obere Terrasse 45 m × 32 m. Die Obelisken symbolisieren einerseits die vier Opfer des Flugunfalls und andererseits Lander, in denen Stefanik gewirkt hatte. Die sterblichen Uberreste von Stefanik und der Italiener Aggiunti und Merlini (die Uberreste Mancinelli-Scottis wurden 1921 nach Italien uberfuhrt) wurden am 21. April 1928 in der acht Meter unter der Tumba liegenden Grabkammer beigesetzt und unter Jurkovics Aufsicht zugemauert. Die Kosten beliefen sich auf 2.960.233,04 Kcs. Der Travertin war im Steinbruch am Hugel Drevenik zwischen Spisske Vlachy und Spisske Podhradie in der Zips gewonnen und in 194 Eisenbahnwaggons zur Baustelle transportiert worden. An der Tumba sind vier Gedenktafeln angebracht, deren Inschriften, beginnend auf der sudlichen Seite und gegen den Uhrzeigersinn folgend, wie folgt lauten: Cs. minister a general dr. Milan R. Stefanik 21. jula 1880 4. maja 1919 („Der tschechoslowakische Minister und General, Doktor Milan R[astislav] Stefanik, * 21. Juli 1880; † 4. Mai 1919“) Zahynul padom lietadla dna 4. maja 1919 pri Bratislave („Starb beim Flugzeugabsturz am 4. Mai 1919 bei Bratislava“) S nim kral. taliansky serg. U. Merlini a sol. G. Aggiunti („Mit ihm der koniglich-italienische Sergente U[mberto] Merlini und der Soldat G[abriele] Aggiunti“) Velkemu synovi oslobodeny narod ceskoslovensky („An den großen Sohn das befreite tschechoslowakische Volk“) Wahrend des Bestehens des Slowakischen Staates zundeten Regimegegner als Zeichen des Widerstands Feuer am Jahrestag der Grundung der Tschechoslowakei (28. Oktober) an. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs entwarf Jurkovic 1947 eine Erweiterung um zwei neue Terrassen, die als Denkmal fur die gefallenen Flieger im Zweiten Weltkrieg dienen sollten. Nach dem Februarumsturz im Jahr 1948 und der einhergehenden Geringschatzung von Stefanik und der tschechoslowakischen Flieger an der Westfront durch das kommunistische Regime kam es nicht mehr dazu, des Weiteren wurden jegliche Gedenkfeiern (mit Ausnahme der Jahre 1968 und 1969) untersagt. Auch die Erklarung zum nationalen Kulturdenkmal im Jahr 1968 anderte nichts an der mangelnden Wartung seitens des Staates. 1988 wurde eine Gedenkfeier (zum 70. Jahrestag der Grundung der Tschechoslowakei) wieder offiziell zugelassen. Im August 1989, drei Monate vor der Samtenen Revolution, konnte eine Sanierung eingeleitet werden, die bis Mai 1996 dauerte und 45 Millionen SKK kostete. Dabei mussten unter anderem 30 % der Travertinummantelung ausgetauscht werden. Heute ist das Grabmal jahrlich im Mai Standort einer Gedenkfeier fur Stefanik. Die letzte Ruhestatte von Stefanik war auf der Ruckseite des 5000-Kronen-Scheins der von 1993 bis 2008 bestehenden Slowakischen Krone abgebildet. Sie zierte auch die Ruckseite des 20-Kronen-Scheins der Slowakischen Krone des Slowakischen Staates (1939–1945). Zugang Zum Grabmal fuhrt eine vier Kilometer lange Straße von Brezova pod Bradlom heraus, die an einem westlich gelegenen Parkplatz endet. Der rot markierte Wanderweg (Teil des Fernwanderwegs Cesta hrdinov SNP) passiert das Grabmal auf der Teilstrecke zwischen Brezova pod Bradlom und Myjava und trifft einen gelb, dann grun markierten Wanderweg von Kosariska heraus. Der fast 106 km lange Wanderweg Stefanikova magistrala, sudlich des Grabmals großtenteils mit dem Cesta hrdinov SNP identisch, verbindet die Statte mit dem symbolischen Stefanik-Grabmal bei Ivanka pri Dunaji. Weblinks Seite des Burgervereins Spolocnost Milana Rastislava Stefanika zum Grabmal (slowakisch) Einzelnachweise
Das Grabmal von Milan Rastislav Stefanik (slowakisch Mohyla Milana Rastislava Stefanika) ist ein denkmalgeschutztes Monument und Mausoleum auf dem Berg Bradlo (543 m n.m.), dem Hausberg der Stadt Brezova pod Bradlom im Hugelland Myjavska pahorkatina in der westlichen Slowakei. Administrativ gehort die Anlage zur Stadt Brezova pod Bradlom im Okres Myjava (Trenciansky kraj), an der Grenze zur Gemeinde Priepasne.
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Florian Ludwig (* 1970 in Gerolzhofen) ist ein deutscher Dirigent, insbesondere von Opern. Er war Generalmusikdirektor am Theater Hagen von 2008 bis 2016 und arbeitete international als Gastdirigent. Er ist seit 2015 Professor fur Orchesterleitung an der Hochschule fur Musik Detmold in der lippischen Stadt Detmold. Werdegang Ludwig ist der Sohn des Kantors Klaus Uwe Ludwig. Er wurde fruh an Musik herangefuhrt, spielte Blockflote und Klavier und sang im kirchlichen Kinderchor. Sein Vater riet von einem musikalischen Beruf ab, daher begann Ludwig zunachst ein Studium der Physik und der Astronomie. Dann wandte er sich doch der Musik zu und studierte an der Musikhochschule Munchen Dirigieren bei Hermann Michael und Liedbegleitung bei Helmut Deutsch. Nach dem Abschluss mit Auszeichnung 1996 wurde er in eine Meisterklasse fur Dirigieren aufgenommen. Er arbeitete mit Dirigenten wie Colin Davis und Franz Welser-Most. Ein Stipendium der Stadt Munchen ermoglichte ihm 1997 bei Wolfgang Sawallisch und dem Philadelphia Orchestra zu studieren. Im selben Jahr wurde er Dirigent des Orchesters der Konrad-Adenauer-Stiftung und fullte die Position bis 2008 aus. Ludwig war ab 1998 Korrepetitor und spater Kapellmeister am Nationaltheater Mannheim. 2001 wechselte er zum Theater Bremen, wo er 2003 Erster Kapellmeister wurde. Am Theater Hagen war er Generalmusikdirektor von 2008 bis 2017. Dort setzte er sich fur ein weites Spektrum von Werken ein, darunter neue Opern wie Barbers Vanessa und Crossover-Projekte. Das Programm fur die Spielplan 2014/15 erhielt den Preis des Verbandes der Deutschen Musikverleger fur das beste Jahresprogramm. Ludwig dirigierte 2017 die Urauffuhrung der Jugendoper Tschick, nach dem Roman und Schauspiel von Wolfgang Herrndorf, vertont von Ludger Vollmer. Ludwig wurde 2020 Generalmusikdirektor am Stadttheater Gießen fur zwei Jahre, als die Stelle plotzlich unbesetzt war. Ludwig arbeitete international als Gastdirigent, darunter auch in Argentinien. Er dirigierte beim finnischen Opernfestival Opera Cava in Nilsia, wo er 2006 Webers Der Freischutz leitete und 2007 Joonas Kokkonens The Last Temptations. Er dirigierte Offenbachs Orpheus in der Unterwelt an der Wiener Volksoper 2007. Ludwig lehrte Orchesterleitung an der Hochschule fur Kunste Bremen bis 2008 und wurde 2015 Professor fur Orchesterleitung an der Hochschule fur Musik Detmold. Weblinks Florian Ludwig Operabase Florian Ludwig agentur-seifert.de Einzelnachweise
Florian Ludwig (* 1970 in Gerolzhofen) ist ein deutscher Dirigent, insbesondere von Opern. Er war Generalmusikdirektor am Theater Hagen von 2008 bis 2016 und arbeitete international als Gastdirigent. Er ist seit 2015 Professor fur Orchesterleitung an der Hochschule fur Musik Detmold in der lippischen Stadt Detmold.
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Die Waterloo-Vase ist eine klassizistische Skulptur aus Carrara-Marmor in der Form eines Kraters. Dem Namen nach und durch Darstellung einer Kriegsszene mit dem Herzog von Wellington und Napoleon Bonaparte ist sie der Erinnerung an die Schlacht bei Waterloo gewidmet. Nach den antiken Vorbildern der Medici-Vase und der Vase Borghese entstand sie in den Jahren 1819 bis 1827 im Auftrag des Prinzregenten und spateren Konigs Georg IV. als Werk des Bildhauers Richard Westmacott des Mittleren. Heute befindet sich das Denkmal unter der Obhut des Royal Collection Trust im Garten des Buckingham Palace in London. Geschichte Das etwa 5,5 Meter hohe und im Durchmesser uber 2,5 Meter große Objekt wurde aus drei Steinblocken aus Carrara-Marmor gehauen. Die Blocke waren ursprunglich fur die Herstellung einer monumentalen architektonischen Ziervase im Stil des Empire vorgesehen, die einen erwarteten Sieg des Kaisers Napoleon I. im Russlandfeldzug 1812 im Palais du Roi de Rome in Paris wurdigen sollte. Diesen Palast hatte der Architekt Pierre-Francois-Leonard Fontaine 1811 fur Napoleon Franz Bonaparte, den Konig von Rom, im Rahmen eines imperialistischen Ausbaus der franzosischen Hauptstadt entworfen, er kam jedoch infolge der Niederlagen Napoleons nicht mehr zur Ausfuhrung. 1815 bot der Großherzog von Toskana, Ferdinand III., das bereits bearbeitete Werkstuck dem damaligen britischen Prinzregenten Georg zum Geschenk an. Vermittelt wurde das Angebot durch den britischen Botschafter in der Toskana, John Fane (Lord Burghersh, 1784–1859). Den Auftrag, daraus eine Vase zur Erinnerung an den Sieg in der Schlacht bei Waterloo zu machen, erhielt der Bildhauer Richard Westmacott. Wohl als Vorleistung erhielt dieser im Jahr 1819 dafur 4.500 £. Zur Aufstellung des Objekts durch eine spezielle Hebevorrichtung legte Westmacott 1827 eine weitere Rechnung vor. Im Mai 1831 wurden die letzten Zahlungen bewilligt. Die Ziervase ist dem Typus attischer Kelchkrater wie der Medici-Vase und der Vase Borghese nachempfunden und spiegelt den Zeitgeist des Klassizismus. Bereits in der hofischen Malerei des Barock sowie mit dem Gout grec im franzosischen Fruhklassizismus hatte sich ein Dekorationsstil etabliert, der Vasen im „griechischen Stil“ zur antikisierenden Gestaltung von Gemalden, Bauwerken, Interieurs und Parkanlagen einsetzte. Die 1771 gefundene Warwick-Vase gelangte 1774 durch William Hamilton nach England und beschaftigte Kunsthandwerker mit der Fertigung von Nachbildungen. Im deutschen Sprachraum entstanden ungefahr zeitgleich zur Waterloo-Vase die Liebesvase von Friedrich Distelbarth und „Medici-Vasen“ von Nikolaus Friedrich von Thouret fur den Marmorsaal des Schlosses Ludwigsburg. Das heute stark durch Verwitterung angegriffene Basrelief auf dem Fries der Waterloo-Vase zeigt eine Szene aus der Schlussphase der Schlacht bei Waterloo, jenen Moment, in dem Napoleon – gewarnt durch einen Mamluken – die Schlacht als verloren ansieht und im Begriff ist, sein Pferd zu besteigen, um das Schlachtfeld zu verlassen. Als Sieger wird Arthur Wellesley, 1. Herzog von Wellington, auf seinem Schlachtross Copenhagen glorifiziert. Die Henkel der Vase zeigen Personifikationen von Sieg und Niederlage, wobei Letztere unter einem Schild kauert. Uber der den Sieg allegorisierenden Victoria zeigt ein Ausschnitt des Frieses den Prinzregenten Georg auf einem Thron in einer Szene, in der ihm Genien und eine weibliche Allegorie huldigen, die als schutzsuchende Europa und Personifikation Europas gedeutet wird. Unterhalb des Frieses ist der Bauch der Vase mit nationalen Emblemen geschmuckt – mit Rosen, Kleeblattern, Disteln und einer Krone. Der Vasenfuß ist als Plinthe in mehreren Stufen plastisch godroniert und weist unter anderem Akanthus-Ornamente und Kanneluren auf. Es erwies sich, dass die Ziervase mit ihrem Gewicht von etwa 40 Tonnen zu schwer war, um in der Waterlookammer von Schloss Windsor aufgestellt zu werden. Konig Wilhelm IV. uberließ die Vase daher im Jahr 1835 der National Gallery, die sie in ihrem Vestibul am Trafalgar Square in London aufstellte. Danach wechselte sie mehrfach ihren Standort, zunachst zum Gloucester Gate im Hyde Park, dann in das Depot des South Kensington Museums (heute Victoria and Albert Museum). Im Jahr 1903 entschied Konig Eduard VII. schließlich, sie im Garten des Buckingham Palace zur Schau zu stellen. Londoner Magazine bezeichneten die Vase 1836 als „magnificent specimen of modern art“ und „without doubt, the largest and most splendid vase in the world“. 1939 ließ sich Elizabeth Bowes-Lyon, die Gemahlin Konig Georgs VI., von dem Hoffotografen Cecil Beaton vor und neben der Vase ablichten. 1970 wurde die Vase durch Eintrag in die National Heritage List for England unter Denkmalschutz gestellt. Noch vor der Fertigstellung der Waterloo-Vase durch Westmacott entstand 1825 eine Silberarbeit nach einem Entwurf von Thomas Stothard, die ebenfalls die Bezeichnung „Waterloo-Vase“ trug. Literatur The Waterloo Vase. In: Felix Summerly: Hand-Book for the National Gallery. 4. Ausgabe, Bell and Wood, London 1843 (Google Books). Weblinks The Waterloo Vase, Datenblatt im Portal rct.uk Einzelnachweise
Die Waterloo-Vase ist eine klassizistische Skulptur aus Carrara-Marmor in der Form eines Kraters. Dem Namen nach und durch Darstellung einer Kriegsszene mit dem Herzog von Wellington und Napoleon Bonaparte ist sie der Erinnerung an die Schlacht bei Waterloo gewidmet. Nach den antiken Vorbildern der Medici-Vase und der Vase Borghese entstand sie in den Jahren 1819 bis 1827 im Auftrag des Prinzregenten und spateren Konigs Georg IV. als Werk des Bildhauers Richard Westmacott des Mittleren. Heute befindet sich das Denkmal unter der Obhut des Royal Collection Trust im Garten des Buckingham Palace in London.
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Die chilenische Teekultur (spanisch cultura chilena del te) ist innerhalb der chilenischen Gastronomiekultur von großer Bedeutung. Der Konsum von schwarzem Tee als Heißgetrank erfreut sich im ganzen Land großer Beliebtheit. 2023 gehorte Chile zu den zwanzig Landern mit dem großten Teekonsum pro Kopf der Welt. Geschichte = Ursprunge = Wahrend der Herrschaft des spanischen Kolonialreiches in der heutigen Republik Chile fuhrte eine Steuer auf den Mate-Strauch, das damals am haufigsten konsumierte Heißgetrank, im Jahr 1767 dazu, dass die unteren sozialen Schichten aufgrund des Preisanstiegs dieses Getranks nach einer Alternative suchten, wodurch der Tee als Losung erschien. Die Steuer war eingefuhrt worden, um den Bau der Cal-y-Canto-Brucke zu finanzieren, eines der wichtigsten Straßenbauwerke in Santiago de Chile im 18. Jahrhundert. Uber soziale Grenzen hinweg gewann Tee als beliebtes Getrank an Popularitat, als Chile seine Unabhangigkeit erlangte, nachdem große Kontingente britischer Auswanderer eintrafen, die sich hauptsachlich in den Hafenstadten Valparaiso, Antofagasta und Punta Arenas niederließen. Auf diese Weise wurde die britische Teekultur auf andere Gruppen der chilenischen Gesellschaft ausgeweitet und die Teezeit um 17 Uhr massenhaft eingefuhrt. = Teestuben und Teehauser = Im 20. Jahrhundert wurden in den großen chilenischen Stadten die ersten Teestuben eroffnet, die hauptsachlich als Treffpunkte fur ein weibliches Publikum dienten und in denen neben Tee auch Kekse, Kuchen und Desserts dazu verkauft wurden. Im 21. Jahrhundert ermoglichte die Diversifizierung des Verkaufs und Konsums anderer Teesorten wie grunen und weißen Tees die Eroffnung von auf den Verkauf von Tee spezialisierten Geschaften und Teeladen mit einem anderen Konzept als die vorherige Teestube und mit einem breiter gefacherten Kundenpublikum. = Deutscher Einfluss = In chilenischen Regionen und Stadten mit nennenswerten deutschen Minderheiten, wie in der Region Los Lagos und der Region Los Rios, ist es ublich, dass Cafes, Restaurants und Teestuben das „deutsche Once“ (span. once alemana) anbieten, eine ahnliche Tagesmahlzeit wie Abendbrot, serviert zwischen 17 und 20 Uhr. Dazu gehort eine Tasse Tee mit Brot oder Sußigkeiten aus der deutschen Kuche. Wirtschaft Aufgrund der geografischen und klimatischen Bedingungen des chilenischen Territoriums gibt es nur einen geringen Teeanbau, der den heimischen Markt nicht abdeckt, und daher muss Tee importiert werden. Nach Angaben des Observatoriums fur wirtschaftliche Komplexitat (OEC) war Chile 2022 der 31. Teeimporteur weltweit. Teeanbau Der chilenische Agrarsektor hat sich auf den Anbau von Teepflanzen in kleinen Mengen in der Gourmet-Kategorie konzentriert. Im ostlichen Teil der Region Araucania, im sogenannten kleinen Suden, hat sich in kleinem Maßstab der okologische Anbau von Grunteepflanzen entwickelt, die sich an die Wetterbedingungen und Temperaturen anpassen konnten, als „naturlich angebaute Gruntees im sudlichsten Teil der Welt“ bezeichnet werden und die Produkte des Herstellers Zealong in Neuseeland, die zuvor diesen Titel trugen, insofern verdrangten. Weblinks Einzelnachweise
Die chilenische Teekultur (spanisch cultura chilena del te) ist innerhalb der chilenischen Gastronomiekultur von großer Bedeutung. Der Konsum von schwarzem Tee als Heißgetrank erfreut sich im ganzen Land großer Beliebtheit. 2023 gehorte Chile zu den zwanzig Landern mit dem großten Teekonsum pro Kopf der Welt.
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Amico a Prova (Freund der Erprobung) war ein osterreichisches Passagierschiff, das auf dem Gardasee verkehrte. Seine Schaufelrader wurden von acht im Kreis laufenden Pferden angetrieben. In jungeren Quellen wird das Schiff Amico a Prora (Freund des Vorschiffs) genannt, nach der in Form eines Matrosen angebrachten Galionsfigur unter dem Bugspriet. Geschichte Die Societa Milanese per la Navigazione a Vapore nei Laghi del Regno Lombardo Veneto (Mailander Gesellschaft fur die Dampfschifffahrt auf den Seen des Konigreichs Lombardo-Venetien), eine von Mailander Bankiers gegrundete Gesellschaft, erhielt von den osterreichischen Behorden 1824 das Privileg, fur 15 Jahre als einzige Gesellschaft Dampfschiffe auf dem Gardasee zu betreiben. Im September 1827 nahm daraufhin der erste Raddampfer Arciduca Ranieri seinen Dienst auf. Das neue Verkehrsmittel wurde schnell von der Bevolkerung angenommen und war ein voller Erfolg. Es gab jedoch auch Menschen, die, durch Berichte von Kesselexplosionen verunsichert, der Dampfschifffahrt kritisch gegenuberstanden. Giacomo Montagni, ein Geschaftsmann aus Riva, spielte deshalb mit dem Gedanken, ein Radschiff zu bauen, das mit der Kraft von Pferden angetrieben werden sollte. So konnte er schließlich auch das Privileg des Mailander Unternehmens umgehen. Er erklarte auch, mit seinem Antriebskonzept teuren Brennstoff sparen zu wollen. Montagni suchte nach einem Ingenieur, der einen entsprechenden Antrieb fur sein Schiff konstruieren sollte. Nachdem die Suche erfolglos geblieben war, wandte er sich an den Mechaniker Pietro Floriani aus Riva. Zusammen mit diesem entwickelte er einen eigenen Antrieb aus geschmiedeten und gegossenen Eisenteilen. Die Kraft eines Gopelwerks, das von acht im Kreis laufenden Pferden angetrieben wurde, wurde mittels Getriebe mit Zahnradern und Ledertreibriemen auf zwei außenliegende Schaufelrader ubertragen. Es war auch moglich, die Schaufelrader ruckwarts laufen zu lassen. Die Hohe und somit die Eintauchtiefe der Schaufelrader konnte je nach Tiefgang variiert werden. Wegen des Gopelantriebs wurde das Schiff von der Bevolkerung auch scherzhaft Manubrio („Lenkstange“) genannt. Zusatzlich zu diesem Antrieb verfugte das Schiff mit holzernem Rumpf auch uber zwei Masten, so dass die Pferde nur bei ungunstigen Windbedingungen zum Einsatz kamen. Es hatte eine Tragfahigkeit von 100 t und erreichte durch die Schaufelrader eine Geschwindigkeit von knapp 5 Knoten. Zur zehnkopfigen Besatzung des 25,60 m langen und bis zu 9,64 m breiten Schiffes gehorte auch ein Stallbursche, der sich um die acht Pferde zu kummern hatte. In Anspielung auf die angebliche Sicherheit, weil das Schiff uber keinen Dampfkessel und keine Feuerung verfugte, trug die Amico a Prova am Heck oder auf dem hochsten Mast eine Fahne mit der Aufschrift „La Sicurezza“ („Die Sicherheit“). Erste Tests mit dem neuen Schiff erfolgten Anfang Januar 1830. Die Jungfernfahrt fuhrte am 25. Januar 1830 von Torbole uber Riva nach Desenzano und dauerte mit Gegenwind 11,5 Stunden. Am folgenden Tag wurde das Schiff mit 1500 Centenajo, also etwa 50 t, Fracht beladen. Nachdem man am 27. Januar noch uber 100 Passagiere an Bord genommen hatte, trat man um 8 Uhr morgens die Ruckreise an und erreichte unter Segeln um 16 Uhr Riva. Das Schiff weckte auch das Interesse von Erzherzog Rainer, der mit seiner Frau auf dem Weg von Mailand nach Venedig am 22. April 1830 in Desenzano Station machte, um sich das Schiff genauer anzusehen. Der Erfolg der Amico a Prova veranlasste die Konkurrenz zum Bau eines leistungsstarkeren Raddampfers, zumal die Arciduca Ranieri auch mit technischen Problemen zu kampfen hatte. Nach der Indienststellung der Arciduca Ranieri II 1832 konnte sich die Amico a Prova noch bis 1839 gegenuber der kostengunstigeren Konkurrenz behaupten. Noch im gleichen Jahr wurde sie schließlich abgebrochen. Literatur Anton Johann Gross-Hoffinger: Handbuch fur Reisende durch das Erzherzogtum Osterreich, Munchen 1831, S. 190–191 (Digitalisat). Alessandro Arseni: La navigazione a vapore e i servizi postali sui laghi italiani. In The Postal Gazette, 4. Jahrgang, Nr. 1, Januar–Februar 2009, S. 34–35 (Digitalisat). Tullio Ferro: Vele colori di cedro: Storia della navigazione sul lago di Garda. Editoriale Sommetti, Mantua 2008, ISBN 978-88-7495-301-1. J. Jobe, R. A. Plummer, G. W. Hilton: Raddampfer aus aller Welt, Augsburg 1989, ISBN 3-89350-024-3, S. 121. Massimo Corradi: Boats propelled by paddle wheels and animal propulsion: a curious history, S. 10–11 (Digitalisat). P. Giuliani: Navigazione Interna E Marittima In Trasporti pubblici, Band 8, Nr. 7, Rom Juli 1951, S. 824 (Digitalisat). Weblinks Navigazione sul Lago Di Garda bei jourdelo.it Einzelnachweise
Amico a Prova (Freund der Erprobung) war ein osterreichisches Passagierschiff, das auf dem Gardasee verkehrte. Seine Schaufelrader wurden von acht im Kreis laufenden Pferden angetrieben. In jungeren Quellen wird das Schiff Amico a Prora (Freund des Vorschiffs) genannt, nach der in Form eines Matrosen angebrachten Galionsfigur unter dem Bugspriet.
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Valentine Elisabeth „Tineke“ Wibaut-Guilonard (* 21. Mai 1922 in Rotterdam; † 6. Oktober 1996 in Hulshorst, Nunspeet) war eine niederlandische Widerstandskampferin im Zweiten Weltkrieg und Soziologin. Leben Tineke Wibaut-Guilonard war die Tochter des Luftfahrtpioniers Pieter Guilonard (1895–1939) und der Valentine Elisabeth Schilleman (1900–1992). Ihr Vater war unter Albert Plesman Direktor der KLM Royal Dutch Airlines. Sie wuchs als Einzelkind in der Nahe des Flughafens Waalhaven in Rotterdam auf und besuchte das dortige Gymnasium. Nach dem Umzug der Familie lebte sie am Nieuwemeerdijk 503 in Amsterdam-Haarlemmermeer in der Nahe des Flughafens Amsterdam Schiphol. Sie war ab 1934 Schulerin des Amsterdamer Lyzeums, wo sie sich mit ihrem spateren Ehemann Frank Peter Wibaut (1922–1996) anfreundete, als sie 1937 eine Klasse wiederholen musste, in der er Schuler war. Durch die Schilderungen ihres Vaters uber die Novemberpogrome 1938, die er wahrend einer Geschaftsreise in Bremen miterlebte, und seine Weigerung, danach geschaftliche Verhandlungen uber den Kauf neuer Flugzeuge mit den Deutschen zu fuhren, stand sie dem NS-Staat schon fruh ablehnend gegenuber. Im Marz 1939 kam ihr Vater bei einem Absturz wahrend eines Testflugs mit einer Boeing 307 in der Nahe von Seattle ums Leben. = Zweiter Weltkrieg = Als 1941 alle judischen Schuler das Amsterdamer Lyzeum verlassen mussten, begann Tineke Wibaut-Guilonard sich aktiv im niederlandischen Widerstand zu engagieren. Mit Klassenkameraden suchte sie geeignete Verstecke fur judische Mitschuler und Lehrer, die untertauchen mussten, besorgte Lebensmittelkarten sowie falsche Personalausweise und erledigte unter dem Decknamen „Thea Beerens“ Auftrage fur Jan van Mierlo (Deckname „Fons“) von der bewaffneten Amsterdamer Widerstandsgruppe CS-6. Als die Gruppe verraten wurde, wurde Tineke Guilonard am 17. September 1943 in ihrem Versteck in Zeist gefangen genommen und uber Monate im Huis van bewaring II (Amsterdamer Internierungslager) in Einzelhaft festgehalten. Sie gab sich als unwissende Geliebte von Fons aus und entging so der Erschießung. Eine große Anzahl von CS-6-Mitgliedern wurde erschossen. Am 2. Januar 1944 wurde Tineke Guilonard in das KZ Herzogenbusch deportiert und war am 15. Januar eine der Frauen, die dort Opfer des als Bunkerdrama von Vught bekannt gewordenen Verbrechens wurden. Sie uberlebte es und sagte spater: „Alles, was danach kam, egal wie schrecklich, diese Nacht war immer schlimmer“. In den folgenden 15 Monaten wurde sie nach dem KZ Herzogenbusch im KZ Ravensbruck und in Reichenbach in einem KZ-Außenlager des KZ Groß-Rosen eingesperrt. Sie schloss enge Freundschaften mit Mien Elffers-Harmsen und Mientje Pooters, mit denen sie alle Lager sowie den wochenlangen Transport in den Westen zu Fuß und in uberfullten Zugwaggons im Winter 1944/45 uberlebte. Am 14. April 1945 wurde Tineke Guilonard aus dem Außenlager Salzwedel des KZ Neuengamme befreit und kehrte am 1. Juni zu ihrer Mutter nach Amstelveen zuruck. = Nachkriegszeit = Von 1946 bis 1948 studierte Tineke Wibaut-Guilonard Soziographie an der Universiteit van Amsterdam. Am 5. Juli 1947 heiratete sie in Amsterdam ihren fruheren Mitschuler und Jugendfreund aus dem Widerstand, den Allgemeinmediziner und spateren Sexualwissenschaftler Frank Wibaut. Anfang der 1950er Jahre wurden ihr Sohn Frank Pieter (1951–2022) und ihre Tochter Anneruth (* 1953) geboren. In den 1960er und 1970er Jahren setzte sie sich entschieden fur die Frauenemanzipation und die Jugend-, Abtreibungs- und Drogenberatung ein. Sie war im Vorstand der Nederlandse Vereniging voor Seksuele Hervorming NVSH (Niederlandischer Verein fur Sexualreform), des Jongeren Advies Centrum JAC (Jugendberatungszentrum) und war 1967 Mitbegrunderin der Schorer-Stiftung, die die psychologische und physische Gesundheitsfursorge fur homosexuelle Manner und Frauen unterstutzte. Mit einigen der uberlebenden Freundinnen aus den Konzentrationslagern traf sich Tineke Wibaut-Guilonard jahrlich am 14. April, um die Befreiung zu feiern und der Getoteten zu gedenken. Ihr Kriegstrauma verursachte langjahrige Albtraume und Panikattacken. Zur Aufarbeitung schrieb sie 1983 das Buch Zo ben je daar uber ihre Kriegserlebnisse, das von Atie Siegenbeek-van Heukelom illustriert wurde. In der Folge bemuhte sie sich, zur Information und Aufklarung uber den Zweiten Weltkrieg beizutragen. Sie beschaftigte sich bereits in den 1970er Jahren intensiv mit den Problemen der „zweiten Generation“ und der Hilfe fur Kinder von Kriegsopfern, zu denen sie ausdrucklich auch die Kinder von Eltern zahlte, die auf der Seite der Besatzer gestanden hatten. In spateren Jahren lebte Tineke Wibaut-Guilonard in ihrem Haus in Hulshorst in der Veluwe und pflegte ihren leidenden Ehemann, bis sie Mitte der 1990er Jahre selbst unheilbar erkrankte. Nachdem sie gemeinsam beschlossen hatten, ihr Leben selbst zu beenden, starben sie am 6. Oktober 1996 im Beisein ihrer Kinder durch Suizid. Auszeichnungen und Gedenken Zusammen mit ihrem Mann wurde Tineke Wibaut-Guilonard am 29. Mai 1983 fur ihr Engagement im Widerstand mit dem Ehrentitel Gerechter unter den Volkern durch Yad Vashem ausgezeichnet. 1989 erhielt sie die Ehrenmedaille der Stichting Kunstenaarsverzet 1942-1945 und 1995 den Dr. J.P. van Praag-prijs der Humanistischen Gesellschaft. Der schriftliche Nachlass von Tineke Wibaut-Guilonard wurde im Atria, instituut voor vrouwengeschiedenis katalogisiert. 2007 wurde in Amstelveen die Tineke Guilonardlaan nach ihr benannt, ebenso 2018 die Tineke Guilonardbrug in Amsterdam Nieuw-West. 2022 wurde im selben Stadtbezirk an der Ecke Burgemeester Eliasstraat/Burgemeester van Tienhovengracht eine Gedenktafel mit Informationen zu ihr aufgestellt. Tineke Wibaut-Guilonards Tochter Anneruth gab 2022 das teilweise auf den Tagebuchern ihrer Mutter basierende Buch Toen mijn vader mij maakte heraus, das eine „außerst genaue Rekonstruktion der Kriegserlebnisse ihrer Eltern, uber den Widerstand und wie sie verraten wurden“ enthalt sowie „die Auswirkungen der Nachkriegszeit auf die Kinder“. Veroffentlichungen (Auswahl) M.L. van der Most, L. van Ravesteijn, Tineke Wibaut-Guilonard: De tweede generatie, Maandblad Geestelijke Volksgezondheid 28, 227-31, 1973 Zo ben je daar. Kampervaringen, Illustrationen von Atie Siegenbeek van Heukelom, Ploegsma, Amsterdam 1983, ISBN 978-9-0216-0625-5 1945 en de kinderen zwegen, Amsterdam: Stichting Educatieve Beeldvorming Vervolging Onderdrukking en Verzet, 1991, ISBN 978-9-0900-4191-9 Kamp Vught: 1943-1944: Bunker En Krematorium, Amsterdam 1991 Ed Mager, Tineke Wibaut-Guilonard: Kamp Vught 1943-1944: Eindpunt... of Tussenstation, Amsterdam 1994 Kamp Vught 1943-1944: In Gevangenschap Getekend, Stichting Vriendenkring Nationaal Monument Vught, Amsterdam 1995 Weblinks Marie-Cecile van Hintum: Guilonard, Valentine Elisabeth. In: Digitaal Vrouwenlexicon van Nederland. Huygens-Institut fur die Geschichte der Niederlande (Hrsg.) Wibaut Frank & Tineke (Guilonard). The Yad Vashem – Righteous Among the Nations Database. Einzelnachweise
Valentine Elisabeth „Tineke“ Wibaut-Guilonard (* 21. Mai 1922 in Rotterdam; † 6. Oktober 1996 in Hulshorst, Nunspeet) war eine niederlandische Widerstandskampferin im Zweiten Weltkrieg und Soziologin.
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Die Van Ness Avenue ist eine 6.759 m lange, in Nord-Sud-Richtung verlaufende Durchgangsstraße in San Francisco. Auf einem Großteil ihrer Lange bildet sie einen Teil der Ortsdurchfahrt des U.S. Highway 101. Lage Die Van Ness Avenue beginnt nordlich der Bay Street nahe dem Ferry Building und endet beim Fort Mason. Der US-101 verlauft zunachst auf der Lombard Street, von wo aus er auf die Van Ness Avenue abzweigt. Hier fuhrt der Streckenabschnitt des US-101 bis zur 13th Street. Von dort verlauft die Avenue in sudlicher Richtung bis zur Cesar Chavez Street, wo sie endet. Geschichte Ursprunglich hieß sie Marlette Street, benannt nach Seneca Hunt Marlette (1824–1911), dem Landvermesser in San Francisco zwischen Januar 1854 und Januar 1856. Im Stadtplan des William Mathewson Eddy vom Dezember 1849 ist sie – mangels Stadterschließung – noch nicht enthalten. Unter Marlette Street ist sie auf Stadtplanen seit 1852 verzeichnet, als man wahrend des Goldrauschs westlich der Marlette Street mit der Bebauung eines grunen Tals, der „Kuhsenke“ (englisch cow hollow), mit viktorianischen Hausern begann. Spatestens 1859 wurde sie in einer stadtischen Veroffentlichung als „Van Ness Avenue“ bezeichnet, benannt nach James Van Ness, dem siebten Burgermeister der Stadt, der zwischen Juli 1855 und Juli 1856 regierte. Die Stadt beauftragte im April 1862 eine Firma mit dem Entwurf der Fisherman’s Wharf am nordlichen Ende der Van Ness Avenue (an der San Francisco Bay), fur deren Nutzung der Auftragnehmer eine Mautgebuhr erheben durfte. Bis 1870 wurde auch das Gebiet ostlich der Van Ness Avenue von der Stadt erschlossen. Zu jener Zeit erfolgte der Ausbau der Van Ness Avenue zur damals breitesten Straße der Stadt (37 Meter). Die im Mai 1849 gegrundete First Church wechselte 1882 in die Van Ness Avenue/Sacramento Street als Old First Presbyterian Church und beheimatete die Kirchengemeinde der Weißen. Vor dem Erdbeben von San Francisco 1906 war die Van Ness Avenue eine ruhige Wohnstraße mit prunkvollen Villen. Wahrend der durch das Erdbeben am 18. April 1906 ausgelosten Feuersbrunst diente sie als Brandschneise, wobei die Soldaten unter Brigadegeneral Frederick N. Funston einige Hauser sprengen mussten, um die Ausdehnung des Feuers nach Westen auf die gesamte Stadt zu verhindern. James B. Stetson erlebte das Erdbeben in seiner Wohnung in 1801 Van Ness Avenue wie folgt: „Um 5:13 Uhr wurde ich durch einen schweren Erdbebenstoß aufgeweckt. Die Erschutterung war derart gewaltig, dass sie mich fast aus dem Bett geworfen hatte. Es fielen Bucherregale um, sie zerbrach die Fensterglasfront und zerstorte zwei Stuhle …“ Nach dem Erdbeben diente „Van Ness“ als temporare Hauptverkehrsstraße und Handelszentrum von San Francisco, das sich schließlich zu einem eigenstandigen Geschaftsviertel entwickelte und ab 1915 viele Autohauser anzog, die 100 Jahre spater noch existieren. Die Straße blieb weiterhin eine allgemein gehobene Gegend mit prachtvollen Wohnhausern, Restaurants und Kinos. Der Neubau der Old First Presbyterian Church erfolgte im Jahre 1911. Von Juni 2016 bis April 2022 wurden auf 3,15 km Lange der Van Ness Avenue zwei reservierte Fahrspuren fur die Schnellbuslinie 49 eingerichtet. Der Busverkehr wurde dadurch wesentlich beschleunigt. Bildergalerie Verkehrsverbindungen und Gebaude Auf ihrem Weg durch die Stadt kreuzt die Van Ness Avenue unter anderem bedeutende Straßen wie den Broadway, die Lombard Street, die California Street, die Market Street und den Tenderloin District. Die Van Ness Avenue ist von Hugeln verschont, denn sie liegt im Tal des Nob Hill, Russian Hill und der Pacific Heights. Die San Francisco Cable Cars folgen mit der Linie 61 in ihrer ganzen Lange der California Street; ihr westlicher Endpunkt befindet sich an der Van Ness Avenue. Entlang der Van Ness Avenue liegen als wichtige Gebaude die San Francisco City Hall, die San Francisco Opera, die Louise M. Davies Symphony Hall und das denkmalgeschutzte ehemalige Autohaus Don Lee Building. Weblinks Einzelnachweise
Die Van Ness Avenue ist eine 6.759 m lange, in Nord-Sud-Richtung verlaufende Durchgangsstraße in San Francisco. Auf einem Großteil ihrer Lange bildet sie einen Teil der Ortsdurchfahrt des U.S. Highway 101.
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c-681
David Kirby’s Final Moments (englisch fur „David Kirbys letzte Augenblicke“) ist eine Schwarzweißfotografie der US-amerikanischen Fotografin Therese Frare aus dem Jahr 1990. Sie zeigt den schwer von seiner AIDS-Erkrankung gezeichneten David Kirby aus Ohio im Kreise seiner Familie, kurz bevor er an den Folgen seiner Krankheit stirbt. Das Foto erschien im November 1990 im US-Magazin Life. Große Aufmerksamkeit erhielt es jedoch erst 1992, als das italienische Modeunternehmen Benetton eine kolorierte Fassung in einer Anzeigenkampagne verwendete und damit eine offentliche Debatte uber moralische Grenzen von Werbung ausloste. Entstehung David Kirby kam 1957 im Dorf Stafford im US-Bundesstaat Ohio zur Welt, wo er auch aufwuchs. Nachdem er sich als homosexuell geoutet hatte, entfremdeten sich er und seine Familie voneinander. Kirby zog nach Kalifornien, wo er sich fur Schwulenrechte einsetzte. Als er Ende der 1980er Jahre von seiner HIV-Infektion erfuhr, kehrte er zu seinen Eltern nach Ohio zuruck. Dort erlebte er aufgrund seiner Erkrankung Ablehnung und Ausgrenzung. Er grundete eine Stiftung und betrieb mit Vortragen und Interviews Aufklarungsarbeit uber AIDS und HIV. Die letzten zwei Monate seines Lebens verbrachte David Kirby im Pater Noster House, einem Hospiz fur Menschen mit AIDS in Columbus. Dort lernte er Therese Frare kennen. Sie war Studentin an der Ohio University und arbeitete als Freiwillige in dem Hospiz. Diese Tatigkeit hatte sie auch mit der Hoffnung begonnen, dort ein Fotoprojekt starten zu konnen. Kirby erlaubte Frare, Fotos von ihm zu machen. Er bestand nur darauf, dass sie mit den Fotos kein Geld verdiente, eine Vereinbarung, an die sich Frare nach eigener Aussage stets gehalten hat. Am 5. Mai 1990, dem Todestag von Kirby, war Frare im Pater Noster House, um Peta, einen Klienten und Helfer der Einrichtung, zu besuchen. Kirbys Mutter bat Frare, den Abschied der Familie von David zu dokumentieren. Frare fotografierte von einer Ecke des Krankenzimmers aus. Dabei entstand unter anderem das spater bekannt gewordene Foto David Kirby’s Final Moments. Beschreibung Das Foto zeigt David Kirby, der im Krankenbett liegt. Die Decke ist bis zum Hals hochgezogen, sodass nur seine sehr dunnen Arme und sein vom Betrachter aus nach rechts geneigter Kopf zu sehen sind. Kirby tragt langes dunkles Haar und einen Vollbart. Sein Gesicht ist hager, seine Wangen sind eingefallen. Er hat seinen Mund leicht geoffnet, sein Blick geht scheinbar starr in Richtung der rechten oberen Ecke des Fotos. Rechts neben dem Bett sitzt Kirbys Vater Bill. Mit seiner linken Hand umgreift er den linken Ellenbogen seines sterbenden Sohnes, seinen rechten Arm hat er um dessen Kopf gelegt, wobei seine Hand Davids rechte Gesichtshalfte beruhrt. Seinen Kopf schmiegt der Vater zartlich an die Stirn seines Sohnes. Seine Augen sind geschlossen, sein Gesicht zeigt Trauer und Schmerz. Neben Bill Kirby sitzt Davids Schwester Susan. Sie druckt mit beiden Armen ihre Tochter an sich. Diese blickt auf ihren sterbenden Onkel, wahrend Susans von Trauer gezeichnete Augen auf die andere Seite des Bettes gerichtet sind. Dort steht eine Person, von der auf dem Foto nur der rechte Arm zu sehen ist. Wie ein anderes Foto der Szene zeigt, handelt es sich dabei um Peta. Mit seiner rechten Hand umschließt er Davids rechtes Handgelenk. An der Wand hinter dem Bett hangt uber dem Kopf des Vaters ein Bild. Es zeigt die ausgestreckten Hande einer Person, die mit einem Umhang bekleidet ist. Veroffentlichung Frares Foto erschien im November 1990 im US-Magazin Life auf einer Doppelseite. In der linken unteren Ecke des Fotos war folgender Begleittext abgedruckt. 1991 erschien das Foto in der Sonderausgabe The Best of Life, diesmal mit einer Bildunterschrift, die den Fokus mehr auf Kirbys Eingebundenheit in seine Familie legte als auf seine Person und seine Krankheit. Frare erhielt fur das Foto mehrere Auszeichnungen, unter anderem den zweiten Preis beim World Press Photo Award in der Kategorie General News. Benetton-Kampagne Ab Mitte der 1980er Jahre war der Fotograf Oliviero Toscani fur die Werbekampagne des italienischen Modeunternehmens Benetton verantwortlich. Die großen Freiheiten in der Motivwahl, die er dabei genoss, nutzte er, um sich von klassischen Werbemotiven abzuwenden. Er verzichtete bald vollstandig auf die Darstellung des Produkts und nutzte stattdessen Fotos, die gesellschaftliche Themen der Zeit aufgriffen. Fur die Fruhling-Sommer-Kampagne des Jahres 1992 griff er nicht mehr auf eigene Fotos zuruck, sondern verwendete Pressefotografien. Sie waren bereits in Zeitschriften erschienen, ohne großere Aufregung zu erzeugen. Ihre Verwendung fur Werbezwecke sorgte jedoch fur Proteste. Fur eine besondere Kontroverse sorgte das Foto von David Kirby und seiner Familie, das Toscani hatte kolorieren lassen. In vielen europaischen Staaten empfahlen die zustandigen Werbeverbande den Zeitungen und Zeitschriften sowie Plakatunternehmen ihres Landes, die Anzeige nicht zu schalten. In Deutschland erließ im Marz 1992 das Landgericht Frankfurt am Main auf Antrag der Zentrale zur Bekampfung unlauteren Wettbewerbs eine einstweilige Verfugung, die Benetton die weitere Nutzung des Plakat-Motivs untersagte. Begrundet wurde die Ablehnung in der Regel mit einem Verweis auf Sitte und Moral. Außerdem waren einige der Meinung, man durfe die Verbraucher nicht mit solchen Bildern belastigen. Die meisten europaischen Medien hielten sich an die Empfehlungen, das Motiv nicht zu veroffentlichen. Andere druckten die Anzeige, spendeten die Einnahmen aber fur wohltatige Zwecke. Einige wenige, darunter die Schweizer Illustrierte, unterstutzten die Verwendung des Fotos jedoch. Zudem erhielt Benetton in Deutschland die Unterstutzung des Arbeitskreises Neue Bildsprache, einer Vereinigung von Werbetreibenden, Medienmachern und Fotografen. Der Arbeitskreis wandte sich gegen das Verbot des Plakats durch das Landgericht. In Kanada und den USA, in denen die Kampagne spater anlief, gab es anders als in Europa kaum Widerstande. Viele Kritiker warfen Benetton vor, David Kirby und seine Familie fur Werbung zu missbrauchen. Kirbys Eltern widersprachen diesen Unterstellungen. Das Unternehmen sei stets offen und ehrlich mit ihnen umgegangen. Benettons finanzielle Unterstutzung habe es ihnen zudem ermoglicht, obdachlosen AIDS-Betroffenen Unterkunfte zur Verfugung zu stellen. Daneben betonten sie, dass die Verwendung des Fotos im Sinne ihres Sohnes gewesen sei, was von Barb Cordle, der Leiterin des Pater Noster House, bestatigt wurde. Kritisiert wurden auch Ahnlichkeiten des Motivs mit christlichen Symbolen, etwa der Grablegung und Beweinung Christi. Es kamen Vorwurfe auf, das Foto sei so retuschiert worden, dass David Kirby das Aussehen von Jesus Christus erhalte. Dies wiesen die Fotografin Frare und die Hospizleiterin Cordle zuruck. Kirbys Aussehen habe wirklich dem von Jesus geglichen, wie das vieler Bewohner des Pater Noster House kurz vor ihrem Tod. AIDS-Organisationen wie GMHC außerten sich kritisch zur Kampagne. Zum einen beklagten sie fehlende Hinweise auf AIDS-Hotlines oder Selbsthilfeorganisationen in der Anzeige. Zum anderen kritisierten sie das Motiv eines Menschen, der an AIDS stirbt. Damit bediene die Kampagne die Vorstellung vieler, eine HIV-Diagnose sei ein Todesurteil. Gerade aus diesem Grund verwendeten viele AIDS-Organisationen solche Bilder bewusst nicht. Die Deutsche Aidshilfe wich von dieser Meinung ab und begrußte die Kampagne. Sie biete „eine Moglichkeit, die Tabuthemen Sterben und Tod in das offentliche Bewußtsein zu rucken“ und konne dabei helfen, „fur menschenwurdige medizinische Behandlung und Pflege zu sorgen, aber auch fur die Moglichkeit, unter humanen Bedingungen zu sterben.“ Trotz aller Kritik erhielt die Benetton-Kampagne einige Preise. So wurde sie vom europaischen Art Directors Club als „Werbekampagne des Jahres“ pramiert. Toscani erhielt vom International Center of Photography den Infinity Award. Museen weltweit stellten Frares Foto und andere Bilder der Kampagne aus. Benetton setzte sich in der Folge noch mehrfach mit dem Thema HIV und AIDS auseinander. Eine Kampagne von 1994, bei der Stempel-Abdrucke mit der Aufschrift „H.I.V. Positive“ auf nackter Haut zu sehen waren, sorgte erneut fur Emporung und fuhrte in Deutschland zu Gerichtsverfahren, die als Benetton-Entscheidungen in die Justizgeschichte eingingen. Literatur Heidi Jolene Brough: Activist Advertising: Case Studies of United Colors of Benetton’s AIDS-Related Company Promotion. Dissertation an der Louisiana State University, Baton Rouge 2001, doi:10.31390/gradschool_disstheses.238 (englisch). Jo Reichertz: Selbstgefalliges zum Anziehen. Benetton außert sich zu Zeichen der Zeit. In: Interpretative Sozialforschung. Auf dem Weg zu einer hermeneutischen Wissenssoziologie. Westdeutscher Verlag, Opladen 1994, ISBN 3-531-12504-4, S. 253–280, urn:nbn:de:0168-ssoar-13411. Weblinks TIME: The Face Of AIDS: The Story Behind Therese Frare’s Photo | 100 Photos | TIME auf YouTube, 21. November 2016. Ben Cosgrove: The Photo That Changed the Face of AIDS. In: life.com. Abgerufen am 16. Marz 2024 Einzelnachweise
David Kirby’s Final Moments (englisch fur „David Kirbys letzte Augenblicke“) ist eine Schwarzweißfotografie der US-amerikanischen Fotografin Therese Frare aus dem Jahr 1990. Sie zeigt den schwer von seiner AIDS-Erkrankung gezeichneten David Kirby aus Ohio im Kreise seiner Familie, kurz bevor er an den Folgen seiner Krankheit stirbt. Das Foto erschien im November 1990 im US-Magazin Life. Große Aufmerksamkeit erhielt es jedoch erst 1992, als das italienische Modeunternehmen Benetton eine kolorierte Fassung in einer Anzeigenkampagne verwendete und damit eine offentliche Debatte uber moralische Grenzen von Werbung ausloste.
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c-682
Tyge Nielssøn, der sich spater Kastberg oder Castberg nannte, (* um 1610 auf der Insel Kalø vor der Ostkuste Jutlands; † 1687 in Sunnmøre) war der erste Buchdrucker Norwegens, stadtischer Richter und Stammvater der norwegischen Geschlechter Castberg und Knagenhjelm. Sein 1643 gedruckter Almanach En Ny Allmanach paa det Aar effter Jesu Christi Fødsel 1644 ist das alteste in Norwegen gedruckte und noch erhaltene Buch. Leben = Der Drucker = Tyge Nielssøn grundete in Kopenhagen um 1630 eine Offizin (Buchdruckerei), in der zunachst geistliche und gelehrte Werke erschienen. 1632 druckte er – bezahlt von Ellen Marsvin, der Schwiegermutter des Konigs – die Psalmen Davids im großformatigen Folio, in den beiden folgenden Jahren zwei vom Kanzler Jens Bjelke (1580–1659) beauftragte Bucher. Ein konigliches Privileg vom 28. Mai 1634 verbot fur zehn Jahre den Nachdruck von Buchern aus seiner Druckerei. Trotz prominenter Kundschaft war der Betrieb nicht sehr rentabel; populare Publikationen in einfacher Ausstattung, aber großeren Auflagen, wie der Husholdningskalender (Haushaltskalender) und das Lægebog (Medizinischer Ratgeber), konnten die Lage nicht nachhaltig bessern. Als Tyge Nielssøn von Christen Staphensøn Bang, Gelehrter und Pfarrer in Romedal (Stange), gebeten wurde, seine Druckerei nach Norwegen zu verlegen und dort Bangs Postilla catechetica zu drucken, ging er bereitwillig darauf ein. Die Stadt Christiania war noch jung und hatte erst 3000 Einwohner. Nach einem verheerenden Brand 1624 war die Siedlung Oslo auf einen neuen Standort verlegt worden und hatte den Namen des danischen (und norwegischen) Konigs Christian IV. erhalten. Ein Gymnasium war 1636 gegrundet worden. Religiose Auseinandersetzungen hatten die Nachfrage nach geistlicher Literatur ansteigen lassen. Bang ubergab dem Drucker 200 Riksdaler, 300 Bundel Papier und alle seine Manuskripte. Als Nielssøn 1643 seine Druckerei in Christiania eroffnete, war er der erste in Norwegen tatige Drucker. „Die Kunst des Druckens hatte langst ferne Lander wie Island, Nord- und Sudamerika erreicht, aber nicht Norwegen.“ Er bemuhte sich um die Genehmigung zum Druck von Almanachen und Schulbuchern, die bisher in Danemark gedruckt und in Norwegen teuer verkauft worden waren: En Ny Allmanach paa det Aar effter Jesu Christi Fødsel 1644, wahrscheinlich auch ein Nachdruck eines danischen Buches, vereinte in sich ein Kalendarium, okonomische Ratschlage, Lebensregeln, erbauliche Betrachtungen und Anekdoten. 1643 gedruckt, ist der Allmanach das alteste in Norwegen gedruckte und dort noch erhaltene Buch (einziges Exemplar in der Nasjonalbiblioteket). Die im offentlichen Auftrag gedruckte Schrift Aggershusiske Acters Første Quartals Summariske Beskriffuelse … war eine Berichterstattung aus dem Torstenssonkrieg gegen Schweden und damit „das erste gedruckte Nachrichtenmagazin des Landes.“ Nur funf weitere Drucke Nielssøns, erbauliche Schriften und populare Bankelgesange, sind erhalten geblieben – alle aus den Jahren 1643 und 1644. Wegen der Nicht-Veroffentlichung von Bangs achtbandiger Postilla catechetica, eines kommentierten Katechismus, kam es zum Streit. Die genaue Vereinbarung zwischen Tyge Nielssøn und Christen Bang und die Hintergrunde ihres Konflikts sind nicht bekannt. Jedenfalls reichte Nielssøn am 20. Dezember 1643 eine Klage wegen Vertragsbruch gegen Bang ein; Bang antwortete mit einer Gegenklage. Am 3. April 1644 (oder am 11. Mai 1644) erging ein Urteil zugunsten von Bang. Nielssøn sollte eine betrachtliche Entschadigung zahlen, konnte dies aber nicht. Er uberließ Bang seine Druckereiausrustung und gab das Druckgewerbe auf. Erst zwei Jahre spater kam wieder ein Drucker nach Norwegen, Melchior Martzan aus Kopenhagen, und betrieb eine Offizin in Christiania. Die Postilla catechetica wurde erst 1655 fertiggestellt, unter Beteiligung der Drucker Martzan, Valentin Kuhn und Michel Thomessøn in Christiania. Wurdigung = Der Richter = Der Drucker Tyge Nielssøn ist mit großer Sicherheit derselbe Tyge Nielssøn, der 1646 in Westnorwegen bekannt wurde, zunachst als stellvertretender Diozesanschreiber in Bergen und spater als Sorenskriver, Schreiber des Richters Niels Knag, in Sula in Sunnmøre. Circa 1649 heiratete er die Tochter des Richters, Maren Nielsdatter Knag (1626–1705). Das Ehepaar lebte mit sieben Kindern auf dem Hof Vagnes auf Sula in Borgund, sudlich von Alesund. Ab 1650 arbeitete Tyge Nielssøn auch als Kaufmann in Bergen, wo er das Burgerrecht besaß. 1656 verzichtete er auf das Burgerrecht, da er, ernannt durch den Schoffen Ove Bjelke, das Richteramt seines erkrankten Schwiegervaters ubernahm. „Nach Angaben seines Sohnes Henning Tygessøn Castberg blieb er bis zu seinem Tod im Amt. Der letzte von ihm unterzeichnete Fall ist auf den 18. Juni 1687 datiert, und der erste Fall unter einem neuen Richter ist auf den 5. November desselben Jahres datiert – er muss also in dieser Zeit verstorben sein.“ Der Richter Tyge Nielssøn nannte sich ab Ende der 1670er Jahre Tyge Nielssøn Castberg (oder Kastberg), vermutlich nach der Gemeinde Kastbjerg bei Kalø, wo er geboren wurde. Von seinem Sohn Christopher Tygessøn Castberg (ca. 1655–1692) stammen alle heute bekannten Vertreter des norwegischen Geschlechts Castberg ab, wie z. B. Johan Castberg (1862–1926), Frede Castberg (1893–1977), Tycho Castberg (1900–1982) und Johan Christian Castberg (1911–1988). Ein weiterer Sohn Tyges, Niels Tygesøn Knag Castberg (1661–1737), wurde Rechtsanwalt in Bergen und nahm zunachst den Namen seiner Mutter an. Nachdem er 1710 die adeligen Guter Kaupanger, Stedje und Losne in Sogn erworben hatte, wurde er 1721 in den Adelstand erhoben und begrundete das Geschlecht Knagenhjelm (oder Knagenhielm). Kaupanger befindet sich noch immer im Besitz dieser Familie. = Identitat = Die Identitat von Tyge Nielssøn dem Drucker mit Tyge Nielssøn dem Richter wurde von Alf Calmeyer Melhus 1943 uberzeugend dargestellt und ist seither nicht bestritten worden. Beide Personen sind gleich alt, stammen aus Jutland, wurden von der Familie Bjelke gefordert, tragen denselben – seltenen – Namen, und die Lebenslaufe uberschneiden sich zeitlich nicht. Tyge Nielssøns Norwegische Drucke (Quelle ) H. F.: Encke-Suck, Flugblatt uber den Kummer der Witwe Helle Nielsdatter, die ihren Mann auf der See verloren hatte (Exemplar in der Bibliothek Karen Brahe, Odense). En Merckelig Vjse om den yderste Dommedag, Flugblatt mit Vorhersage eines Unheils (Exemplar in der Bibliothek Karen Brahe, Odense). En Ny Allmanach paa det Aar effter Jesu Christi Fødsel, 1644, Christiania 1643 (Digitalisat des Exemplars der norwegischen Nationalbibliothek). Nils Svendsen Cronich: I Jesu Christi Naffn. Aandelige Jule-Betenckning, Om den Allerstørste Glæde oc Allerhøyeste Ære, at bekomme oc beholde, udi vor Frelsere Jesu Christo, formedelst hans Hellige och Glædelige Fødsel oc Menniskelige Naturs annammelse. Predigt an Hannibal Sehested, Christiania 1644 (Digitalisat des Exemplars der norwegischen Nationalbibliothek). Kriegs Artickle som Wi Christian den Fierde …, offentliche Bekanntmachung (Exemplar in der Koniglichen Bibliothek Kopenhagen). Kjeld Stub: (?) Aggershusiske Acters Første Quartals Summariske Beskriffuelse…, offentliche Bekanntmachung (Exemplare in der Koniglichen Bibliothek Kopenhagen und in der Koniglichen Bibliothek Stockholm). Caspar Farmi Brochman (Bischof von Seeland): Formaning til Geistligheden Vdi Sielandss Stict…, kirchliche Ermahnung. (Exemplar in Det Kongelige Norske Videnskabers Selskab Trondheim). Literatur A. St. Castberg: Slekten Castberg gjennem 300 ar. 1938 Digibok Alf Calmeyer Melhus: Tyge Nielssøn: Norges første boktrykker: til 300-ars jubileet for de eldste norske boktrykk. Oslo: Halvorsens bokhandel og antikvariat, Oslo 1943. Digibook Gunnar Jacobsen: Norske boktrykkere og trykkerier gjennom fire arhundrer. 1640–1940. G. Jacobsen, Oslo 1983, ISBN 8290219016. Weblinks Tyge Nielssøn im lokalhistoriewiki.no Tyge Nielssøn Castberg in: Erik Berntsens Slektssider Grafischer Stammbaum des Geschlechts Castberg bei castberg.org Einzelnachweise
Tyge Nielssøn, der sich spater Kastberg oder Castberg nannte, (* um 1610 auf der Insel Kalø vor der Ostkuste Jutlands; † 1687 in Sunnmøre) war der erste Buchdrucker Norwegens, stadtischer Richter und Stammvater der norwegischen Geschlechter Castberg und Knagenhjelm. Sein 1643 gedruckter Almanach En Ny Allmanach paa det Aar effter Jesu Christi Fødsel 1644 ist das alteste in Norwegen gedruckte und noch erhaltene Buch.
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c-683
Eva Simone Placzek (* 1997 in Thalau, Hessen als Eva Neudert) ist eine deutsche Hebamme und Vize-Miss Germany 2023. Sie setzt sich fur bessere Bedingungen in der Geburtshilfe fur Patientinnen und Hebammen und insbesondere gegen Gewalt in der Geburtshilfe ein. Leben Placzek wuchs bis zum Alter von 12 Jahren in der Rhon im Ort Thalau auf und besuchte die Winfriedschule in Fulda. Danach zog die Familie nach Schollkrippen in Unterfranken, wo Placzek als freiberufliche Hebamme arbeitet. Nach eigenen Angaben war Hebamme schon als kleines Madchen der Berufswunsch von Placzek. Doch die mit 18 Jahren begonnene Ausbildung brach sie zunachst nach einem Dreivierteljahr ab, da sie von den Zustanden in der deutschen Geburtshilfe schockiert war. Nach ihrer Darstellung wurde sie durch die Gewalt in der Geburtshilfe und den Druck auf sie mitzumachen psychisch gebrochen. Sie wandte sich auch anderen Berufsfeldern zu, schloss aber einige Jahre spater doch die Hebammenausbildung mit dem Staatsexamen ab. Sie hat einen BSc in Wirtschaftspsychologie und arbeitete zwei Jahre lang als Flugbegleiterin. Im Jahr 2022 heiratete sie ihren Freund Marcel Placzek. Im Februar 2024 veroffentlichte sie ihr Buch Ich, Hebamme, Mittaterin, in dem sie Gewalt in der Geburtshilfe kritisiert und auch beschreibt, wie sie von Vorgesetzten unter Androhung von Konsequenzen zu Ubergriffen gegen Frauen gezwungen wurde. Sie ist Mitbetreiberin des Projekts und Podcasts Frauenstark. Wahl zur Miss Germany 2023 Im September 2022 wurde bekannt, dass Placzek zur Forderung ihres Kampfes fur eine menschlichere Geburtshilfe als eine von 115.000 Kandidatinnen fur den Titel der Miss Germany 2023 kandidierte. Sie erreichte als eine von zehn Kandidatinnen das Finale am 4. Marz 2023, das von Kira Geiss gewonnen wurde. Seitdem tragt Placzek den Titel Vize-Miss Germany. Schon am Folgetag war sie wieder mehrfach als Hebamme tatig. Einsatz gegen Gewalt in der Geburtshilfe Placzek setzt sich fur mehr Menschlichkeit in der Geburtshilfe und insbesondere gegen die Gewalt darin ein. Das Gesundheitssystem berechne Geburten nur nach Stunden. Dadurch verschlimmere sich ein eklatanter Hebammenmangel, der zu einem kaum zu bewaltigenden Arbeitspensum fuhre. Eins-zu-Eins-Betreuung sei kaum noch moglich, dies fuhre auch zu fehlender Aufklarung und zu Zeitdruck des Personals, der Gewalt Vorschub leiste. Laut Placzek ist das Geburtshilfesystem unmenschlich geworden. Die Patientinnen wurden ungenugend aufgeklart. Als Beispiele fur physische, psychische und systemische Gewalt in der Geburtshilfe nennt Placzek, dass Frauen bei der Geburt beispielsweise nicht ernst genommen, unter Druck gesetzt, oft angeschrien, bedroht und erpresst wurden mit Aussagen wie „Machen Sie mit, sonst stirbt Ihr Kind“ oder „Wenn Sie das jetzt nicht tun, sind Sie selbst schuld, wenn wir in den OP fahren mussen“. Vaginale Untersuchungen wurden wegen des Zeitdrucks grob und ohne Vorwarnung, somit auch ohne Einverstandnis durchgefuhrt. Ohne Einverstandnis wurden auch Medikamente verabreicht und andere, in ihrer Sinnhaftigkeit zweifelhafte Eingriffe wie der Dammschnitt vorgenommen. Auch das zu enge Vernahen nach der Geburt (Husband Stitch) komme vor. Manche dieser Praktiken wie der aus dem 19. Jahrhundert stammende, von der WHO nicht empfohlene Kristeller-Handgriff werden laut Placzek auch nicht dokumentiert, denn „was nicht in den Akten steht, ist nie passiert, bekamen wir schon fruh in der Ausbildung unter vorgehaltener Hand gesagt.“ Placzek wurde laut ihrer Beschreibung selbst zur Mittaterin, als sie eine Frau, die deutlich „Nein“ sagte, gegen ihren Willen vaginal untersuchte. Die leitende Hebamme habe ihr sonst Konsequenzen angedroht. Mit Argumenten wie „Sei doch froh, dein Kind ist gesund“ werden Frauen laut Placzek nachtraglich unter Druck gesetzt, keine Kritik zu uben. Mutter und Kind wurden gegeneinander ausgespielt, Missbrauch und Ubergriffe im Nachhinein, oft vollig unberechtigt, als notwendig deklariert, dass das Kind keinen Schaden genommen habe. Laut Placzek gibt es auch „viele wunderschone Geburten“ in Kliniken, in denen die Hebammen und Arzte korrekt und einfuhlsam arbeiten. Aber um dies sicherzustellen, mussten flachendeckende Maßnahmen beschlossen werden. Sie rat Patientinnen, gut vorbereitet und mit sensibilisierten Begleitpersonen in den Kreißsaal zu gehen. Placzek setzt sich fur die Einrichtung einer Ethikkommission ein, die Machtmissbrauch in der Geburtshilfe vorbeugt. Auch eine Auslagerung der Geburtshilfe aus dem Klinikbetrieb wie in den Niederlanden sei zu uberlegen. Zudem kritisiert Placzek, dass Hebammen finanziell schlecht gestellt seien. Die osterreichische Kronen Zeitung widmete im Marz 2024 dem Thema Gewalt in der Geburtshilfe eine dreiteilige Serie, mit dem jeweiligen Schwerpunkt auf Placzek, eine betroffene traumatisierte Patientin und die Protestbewegung Roses Revolution. Zitate Werke Ich, Hebamme, Mittaterin: Mein Einsatz gegen Gewalt im Kreißsaal und fur eine sichere Geburtshilfe. Goldegg Verlag, Berlin 2024, ISBN 978-3-99060-378-9 Weblinks Eva Placzek bei Miss Germany Frauenstark: Die Hebammen fur dich Einzelnachweise
Eva Simone Placzek (* 1997 in Thalau, Hessen als Eva Neudert) ist eine deutsche Hebamme und Vize-Miss Germany 2023. Sie setzt sich fur bessere Bedingungen in der Geburtshilfe fur Patientinnen und Hebammen und insbesondere gegen Gewalt in der Geburtshilfe ein.
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c-684
Als Versteckte-Mutter-Fotografie (englisch Hidden mother photography) gilt eine in der zweiten Halfte des 19. Jahrhunderts verbreitete Praxis der Portratfotografie, bei der Kleinkinder in Anwesenheit einer mit einem Tuch verhullten oder versteckten Person (nicht unbedingt der Mutter) fotografiert wurden. Ab etwa 1860 wurden die kommerzielle Portratfotografie und die Carte de Visite weltweit zu einem Massenmedium. Auch viele Eltern suchten Fotostudios auf, um Portrats von ihren Kindern anfertigen zu lassen. Hintergrund der Versteckte-Mutter-Fotografie war offenbar die Notwendigkeit, Kleinkinder bei Portrataufnahmen festzuhalten, damit die Aufnahmen aufgrund der damals noch technisch bedingten langen Belichtungszeiten nicht verwackelten. Die geisterhaft wirkenden verhullten Personen auf den Fotoabzugen wurden in der Regel durch Passepartouts weitgehend verborgen. Begriff Erst seit Beginn des 21. Jahrhunderts wurde die Versteckte-Mutter-Fotografie nach Sichtung zahlreicher Portrats und Cartes de Visite der Jahre zwischen etwa 1860 und 1920 als ein besonders in Nordamerika, teils auch in Europa gangiges Genre der Fotografie identifiziert und so bezeichnet. 2005 pragten die US-Amerikaner Lee Marks und John Deprez in einem ersten Fotobuch zum Thema den Begriff der Hidden presence. Seit etwa 2013 wurde das Genre meist als Hidden mother photography bezeichnet. Diese moderne Zuschreibung ist insofern zu hinterfragen, als „sich hinter dem Schleier doch ebenso gut die Nanny, ein Studiogehilfe oder anderes Personal verborgen haben [konnte], das nicht zusammen mit den Kindern der Auftraggeber im Bild verewigt werden sollte“. Dies erscheint auch deshalb in vielen Fallen wahrscheinlich, als mit dem Aufkommen der Fotografie fur das Anfertigen von Ahnenbildern empfohlen wurde: „Aus psychologischen Grunden werden zu diesem Zwecke jene Photographien am sichersten dienen und am wirksamsten beitragen, in welchen der Sohn und die Tochter neben dem Vater und der Mutter auch sich selbst in einer Familiengruppe abgebildet finden.“ Geschichte Die fruhen Techniken der Fotografie wie die Daguerreotypie hatten je nach Lichtverhaltnissen Belichtungszeiten von einigen zehn Sekunden bis zu mehreren Minuten. Fur die seit den 1860er Jahren populare Portratfotografie wurde meist das Albumin-, Ferrotypie- oder Kollodiumverfahren eingesetzt, das die Belichtungszeit in den Portratstudios auf etwa 30 Sekunden verkurzte. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts waren – selbst bei Verwendung lichtstarker Objektive – zur Aufnahme lachender Kinder Belichtungszeiten von ½–1 Sek. ublich. Kleinkinder mussten daher fur die Zeit der Belichtung festgehalten werden. Die lange Belichtungszeit ist auch der Grund dafur, dass sowohl Kinder als auch andere Personen auf den Portrats des 19. Jahrhunderts immer mit ernster Miene und nicht lachelnd fotografiert wurden. Es ist nicht uberliefert, weshalb die Personen auf den Versteckte-Mutter-Fotografien sich verhullten. Offenbar sollte das Kinderportrat im Mittelpunkt des Bildes stehen. Unter den Versteckte-Mutter-Fotografien gibt es sowohl solche, bei denen die verdeckte Person deutlich zu sehen ist, als auch Fotos, auf denen sich die Mutter beispielsweise hinter einem Mobelstuck versteckt und nur die Hande zu erkennen sind. Eine weitere Moglichkeit war die Platzierung der das Kleinkind haltenden Person am Bildrand. Die Fotoportrats wurden im zeitgenossischen Gebrauch meist durch ovale Passepartouts gerahmt und so nur die Gesichter der Kinder gezeigt, die sich von dem meist dunkleren Hintergrund der verhullten Person deutlich abhoben. Die auf den unbeschnittenen Fotos geisterhaft und unheimlich aussehenden Personen sollten also moglichst nicht zu sehen sein. Versteckte-Mutter-Fotografien (Entstehungsjahr jeweils nicht uberliefert) Rezeption Seit Anfang des 21. Jahrhunderts beschaftigten sich drei Fotobucher mit den Versteckte-Mutter-Fotografien. Die US-Amerikaner Lee Marks und John Deprez veroffentlichten 2005 den Band The Hidden Presence. Die italienisch-schwedische Kunstlerin Linda Fregni Nagler stellte 2013 im Rahmen der 55. Biennale in Venedig 997 Fotografien in einer Serie mit dem Titel The Hidden Mother in einer großen Vitrine aus und veroffentlichte im selben Jahr ein Fotobuch ihrer im Laufe eines Jahrzehnts gesammelten Originalfotos. In den Jahren 2014 und 2015 prasentierte die Fotografin Laura Larson eine Serie von rund 35 Fotos von versteckten Muttern in einer Wanderausstellung. Ihr Buch Hidden Mother von 2017 erzahlt parallel zu den Fotos die Geschichte der Adoption ihrer Tochter aus Athiopien. Marcus Heine und Philipp Harms erklarten 2021 das heutige Interesse an der Versteckte-Mutter-Fotografie: Die Versteckte-Mutter-Fotografien gelten inzwischen als beliebte Sammlerobjekte, wobei meist weder die Namen der fotografierten Personen noch der genaue Entstehungszeitpunkt der Fotos bekannt sind, sich allerdings allgemein der Name des Fotostudios aufgedruckt findet. Die Fotografin Megan Jacobs zeigte 2017 in einer Ausstellung eine kunstlerische Adaption des Genres, indem sie eigene Fotos mit derselben Technik erstellte. Im Gegensatz zu den originalen Fotos, die die verdeckte Person moglichst nicht abbilden sollten, ist bei ihren Fotos die verhullte Frau im Bildmittelpunkt. Statt eines Bildausschnittes des portratierten Kindes zeigen sie vollstandig die verhullte Gestalt der Mutter oder bilden ausdrucklich ihre von den Tuchern unbedeckten Korperteile wie Arme oder eine Teilsilhouette ab, bis hin zu Bildern, auf denen nur die Umrisse einer Frau unter dem Tuch zu sehen sind, deren freiliegende Hande um ihren Schwangerschaftsbauch gelegt sind. Literatur Lee Marks, John Deprez: The Hidden Presence. Ceros/Librairie Plantureux, Paris 2005, ISBN 978-2-84940-013-5. Linda Fregni Nagler: The Hidden Mother. MACK, London 2013, ISBN 978-1-907946-53-0. Laura Larson: Hidden Mother. Saint Lucy Books, Baltimore 2017, ISBN 978-0-692-79927-7. Weblinks Flickr-Gruppe Hidden Mother: Tintypes and Cabinets Bella Bathurst: The lady vanishes: Victorian photography's hidden mothers bei theguardian.com, 2. Dezember 2013 Marcus Heine, Philipp Harms: Hidden Mother bei cahiers.de, 2021 Marc von Lupke: Ja, wo ist die Mama? bei Spiegel Online, 21. Februar 2016 Steve Mcelwee: Erasing the matron: Palmer Museum’s ‘Hidden Mother’ collection displays haunting edited photographs bei centredaily.com, 16. Januar 2013 Milena Zwerenz: "Hidden Motherhood": Hinter ihren Kindern werden diese Mutter fast unsichtbar bei ze.tt, 10. Mai 2020 Einzelnachweise
Als Versteckte-Mutter-Fotografie (englisch Hidden mother photography) gilt eine in der zweiten Halfte des 19. Jahrhunderts verbreitete Praxis der Portratfotografie, bei der Kleinkinder in Anwesenheit einer mit einem Tuch verhullten oder versteckten Person (nicht unbedingt der Mutter) fotografiert wurden. Ab etwa 1860 wurden die kommerzielle Portratfotografie und die Carte de Visite weltweit zu einem Massenmedium. Auch viele Eltern suchten Fotostudios auf, um Portrats von ihren Kindern anfertigen zu lassen. Hintergrund der Versteckte-Mutter-Fotografie war offenbar die Notwendigkeit, Kleinkinder bei Portrataufnahmen festzuhalten, damit die Aufnahmen aufgrund der damals noch technisch bedingten langen Belichtungszeiten nicht verwackelten. Die geisterhaft wirkenden verhullten Personen auf den Fotoabzugen wurden in der Regel durch Passepartouts weitgehend verborgen.
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c-685
Einsenkungsmarken kennzeichnen bei Binnenschiffen die Ebene der großten Einsenkung, bis zu der das Schiff abgeladen werden darf. Sie sind heutzutage in Europa meist durch den Europaischen Standard der technischen Vorschriften fur Binnenschiffe (ES-TRIN) des Europaischen Ausschusses zur Ausarbeitung von Standards im Bereich der Binnenschifffahrt (CESNI) definiert. Sie entsprechen in der Funktion den Freibord- und Lademarken fur Seeschiffe gemaß dem Internationalen Freibord-Ubereinkommen. Beschreibung Die Binnenwasserstraßen sind in die Zonen 1 bis 4 und R eingeteilt. Große, Ausrichtung und Anzahl der Einsenkungsmarken hangen von den Zonen ab, fur die das Binnenschiff zugelassen ist. Aus Sicht der Einsenkungsmarken entspricht die Zone R der Zone 3. Die Ebene der großten Einsenkung ist fur jede zugelassene Zone so festzusetzen, dass die Vorschriften uber den Freibord, den Sicherheitsabstand und den großten Tiefgang, fur den das Schiff ausgelegt ist, erfullt sind. Die Einsenkungsmarken bestehen aus einem Rechteck von 300 mm oder 150 mm Lange und 30 mm oder 40 mm Hohe. Die Unterkante des Rechtecks entspricht dabei jeweils der Ebene der großten zugelassenen Einsenkung fur die zugehorige Zone. Fur die Zone 3 hat das Rechteck immer 300 mm Lange und 40 mm Hohe. Falls ein Schiff fur mehrere Zonen zugelassen ist und daher mehrere Einsenkungsmarken angebracht werden mussen, zeigt die oberste Einsenkungsmarke zum Heck, zusatzliche Einsenkungsmarken zeigen zum Bug. Die Einsenkungsmarken mussen gemaß ES-TRIN gut sichtbar und unaustilgbar sein. Die Anzahl der Einsenkungsmarken hangt von der Lange des Schiffs ab und ob es Guter befordert oder nicht. Bei einem Schiff mit weniger als 40 m Lange reichen zwei Einsenkungsmarkenpaare, sonst sind es drei. Wenn keine Guter befordert werden, reicht ein Einsenkungsmarkenpaar. Geltungsbereich = Europa = Die technischen Vorschriften fur Binnenschiffe waren lange fur die landerubergreifenden Binnenwasserstraßen durch entsprechende Kommissionen wie die 1815 mit der Schlussakte des Wiener Kongresses geschaffene Zentralkommission fur die Rheinschifffahrt (ZKR) oder die Donaukommission von 1948 geregelt. Die Arbeitsgruppe Binnenschifffahrt des Binnenverkehrsausschusses der Wirtschaftskommission fur Europa (UNECE) legte 1966 mit dem Annex 1 Freeboard and Draught Markings des Dokuments TRANS/316 einen Vorschlag fur die Regelung der Einsenkungsmarken im Rahmen der Europaischen Binnenschifffahrtsstraßen-Ordnung (CEVNI) vor. Aufbauend darauf wurden die Regelungen fur Einsenkungsmarken durch die Weiterentwicklung der CEVNI immer weiter vereinheitlicht. Diese Vereinheitlichung zeigt sich in den folgenden Versionen der CEVNI und den dazu erlassenen Recommendations on Harmonized Europe-wide Technical Requirements for Inland Navigation Vessels. In der Europaischen Union wurden die Einsenkungsmarken erstmalig in der Richtlinie 82/714/EWG des Rates vom 4. Oktober 1982 uber die technischen Vorschriften fur Binnenschiffe EU-weit vorgeschrieben. 1999 wurden die Vorschriften durch das Abkommen uber den Europaischen Wirtschaftsraum auf den gesamten Europaischen Wirtschaftsraum (EWR) ausgedehnt. Nach einer Uberarbeitung durch die Richtlinie 2006/87/EG des Europaischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 uber die technischen Vorschriften fur Binnenschiffe regelt Stand 2024 die Richtlinie (EU) 2016/1629 des Europaischen Parlaments und des Rates vom 14. September 2016 zur Festlegung technischer Vorschriften fur Binnenschiffe die Verwendung der Einsenkungsmarken durch Verweis auf den ES-TRIN, initial in der Ausgabe 2015/1. Die Richtlinie wurde in Deutschland durch die Binnenschiffsuntersuchungsordnung (BinSchUO) von 2018 umgesetzt, in § 1 BinSchUO wird die Gultigkeit des ES-TRIN festgelegt, auf die § 2.04 der Binnenschifffahrtsstraßen-Ordnung verweist. In Osterreich erfolgte die Umsetzung durch die Schiffstechnikverordnung von 2018, wobei in § 32 die Gultigkeit des ES-TRIN festgelegt wird. Seit der 2015 erfolgten Harmonisierung der technischen Vorschriften der Rheinschiffsuntersuchungsordnung (RheinSchUO) der Zentralkommission fur die Rheinschifffahrt mit denen der Richtlinie 2006/87/EG in der ES-TRIN gelten fur die der RheinSchUO unterstehenden Schiffe durch Verweis auf den ES-TRIN dieselben Vorschriften zu Einsenkungsmarken. Fur die Donauschifffahrt galten die von der Donaukommission herausgegebenen Empfehlungen uber die technischen Vorschriften fur Binnenschiffe. 2015 wurden die Vorschriften zu Einsenkungsmarken analog denen des ES-TRIN gestaltet. Die Grundsatzlichen Bestimmungen fur die Schifffahrt auf der Donau (DFND) der Donaukommission regeln die Einsenkungsmarken durch Verweis auf den ES-TRIN. In der Schweiz sind Einsenkungsmarken in Art. 143 Binnenschifffahrtsverordnung geregelt. = Vereinigte Staaten = In den Vereinigten Staaten sind innerhalb der sogenannten boundary line keine Einsenkungsmarken notwendig. Einen Sonderfall stellen die Große Seen dar, bei denen spezifische Einsenkungsmarken gefordert sind. Dabei sind unterschiedliche Markierungen fur Suß- und Salzwasser, sowie je nach Saison (Sommer, Hochsommer, Ubergangssaison, Winter) erforderlich. Literatur Europaischer Ausschuss zur Ausarbeitung von Standards im Bereich der Binnenschifffahrt (Hrsg.): Europaischer Standard der technischen Vorschriften fur Binnenschiffe. Ausgabe 2023/1, Kapitel 4: Sicherheitsabstand, Freibord und Tiefgangsanzeiger, S. 19–21, Artikel 4.03 Einsenkungsmarken (cesni.eu [PDF]). Anmerkungen Einzelnachweise
Einsenkungsmarken kennzeichnen bei Binnenschiffen die Ebene der großten Einsenkung, bis zu der das Schiff abgeladen werden darf. Sie sind heutzutage in Europa meist durch den Europaischen Standard der technischen Vorschriften fur Binnenschiffe (ES-TRIN) des Europaischen Ausschusses zur Ausarbeitung von Standards im Bereich der Binnenschifffahrt (CESNI) definiert. Sie entsprechen in der Funktion den Freibord- und Lademarken fur Seeschiffe gemaß dem Internationalen Freibord-Ubereinkommen.
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c-686
Der Protestantische Trutztaler ist eine Talermunze, die im Jahr 1583 vom Kolner Erzbischof Gebhard Truchseß von Waldburg (1577–1583) im Rheinischen Munzverein gepragt wurde. Der Taler weist weder Namen noch Titel des Munzherrn auf, sondern stattdessen seinen Wahlspruch. Munzbeschreibung Der sogenannte Protestantische Trutztaler ist ein silberner Reichstaler. Der Durchmesser betragt 41 mm, sein Gewicht 28,91 g. Der Taler wurde in der Munzstatte Deutz im Rheinland im Rheinischen Munzverein gepragt. Die Talermunze ist aus der Zeit nach der Eheschließung von Gebhard Truchseß von Waldburg mit der evangelischen Grafin Agnes von Mansfeld. Der Erzbischof war deshalb zur reformierten Kirche ubergetreten. Die Pragung des Protestantischen Trutztalers, die erst nach seiner Hochzeit mit der Grafin Agnes erfolgte, ist an der veranderten Umschrift erkennbar. Das Geprage enthalt nicht mehr seinen Namen und Titel, sondern stattdessen seinen Wahlspruch. = Vorderseite = Die Vorderseite zeigt das drapierte Brustbild mit Halskrause des Erzbischofs von Koln Gebhard Truchseß von Waldburg (1577–1583) nach rechts. Die geteilte Jahreszahl 15 – 83 ist mittig zu beiden Seiten des Brustbilds angeordnet. Den Taler ließ der Munzherr weder mit seinem Namen noch seinem Titel pragen. Stattdessen ist sein Wahlspruch in Lateinisch in der Umschrift enthalten. Die Umschrift im doppelten Zierkreis lautet: + TANDEM ۰ BONA ۰ CAVSA ۰ TRIVMPHAT (Endlich triumphiert die gute Sache.) = Ruckseite = Die Ruckseite zeigt den ausgeschnittenen, oben gerollten vierfeldigen Vereinsschild des Munzvereins. Die einzelnen Wappenschilde sind dem Bistum Mainz sowie den Kurfurstentumern Kurtrier, Kurkoln und Kurpfalz zuzuordnen. Das sind die Mitglieder des Rheinischen Munzvereins. Die Umschrift im doppelten Zierkreis lautet: + MO(neta) ۰ NO(va) ۰ RHEN(anorum) ۰ ELECT(orum) ۰ PRINC(ipum) ۰ CONSOCIAT(orum) (Neue Munze der Vereinigten Rheinischen Kurfursten und Fursten) Wappen Zuordnung von links nach rechts: 1. Reihe: Mainz; Trier 2. Reihe: Kurkoln; Kurpfalz Anmerkung: Kunker-Auktion 2018: Reichstaler von 1583 mit Name und Titel auf der Vorderseite und Wahlspruch als Umschrift auf der Ruckseite. Der Taler „von großter Seltenheit“ wird im Gegensatz zum Taler im „Munzlexikon von Helmut Kahnt“ ebenfalls als Protestantischer Trutztaler bezeichnet. Er wurde in Werl, nicht im Rheinischen Munzverein in Deutz gepragt. Das Wappen hat auf diesem Taler funf Felder: Koln, Westfalen, Egern, Arnsberg und Waldburg als Mittelschild. Geschichte Der Kolner Erzbischof und Kurfurst Gebhard Truchseß von Waldburg trat am 19. Dezember 1582 aus Liebe zur schonen Grafin Agnes von Mansfeld zur reformierten Kirche uber. „Ob Gebhards Ubertritt zum Protestantismus noch andere Grunde hatte, als seinen Wunsch, Agnes von Mansfeld in Ehren zu besitzen, muss dahingestellt bleiben.“ Im Januar des folgenden Jahres verkundete er die Religionsfreiheit. Am 2. Februar 1583 fand in Bonn die Hochzeit mit der evangelischen Grafin Agnes statt. Daraufhin forderte ihn Kaiser Rudolph II. zum Rucktritt auf. Am 1. April 1583 wurde Gebhard von Papst Gregor XIII. exkommuniziert und abgesetzt. Der danach ausbrechende Truchsessische Krieg, auch als Kolnischer Krieg (1583–88) bezeichnet, fuhrte schließlich zum Sieg der gegenreformatorischen Krafte. Der Versuch, das Erzstift Koln in ein erbliches, protestantisches Herzogtum umzuwandeln, war gescheitert. Einseitig gepragte Bonner Belagerungsmunzen von 1583 sind Zeitzeugen dieses Kriegs. Johann David Kohler bezeichnet die Klippen als „des Erz-Bischofs und Curfursten zu Coln Gebhards, in der Belagerung Bonn A. 1583 geschlagene Noth-Munzen“. Sie zeigen ein kleines Oval, in dem sich das Wappen des Erzbistums Koln mit den drei ubereinander gehenden Lowen mittig auf einem Kreuz befinden. Das ist das Wappen des Herzogtums Schwaben, „welches“, so Kohler, „das Geschlecht der Truchsesse von Waldburg fuhret“. Anmerkung: - aus Johann David Kohlers Historischer Erklarung: Das Erzstift Koln hatte drei Erzbischofe, die sich in den Ehestand begaben. Der erste war Adolf, Graf von Mark, der die geistliche Wurde im Jahr 1367 niederlegte und sich, so Kohler, ein liebes Weib nahm. Der andere, der desgleichen tat, war Graf Salentin von Isenburg. Der dritte, der den argsten Verlust durch die Heirat hatte, war Gebhard, des Heiligen Romischen Reiches Erbtruchseß von Waldburg, der, so Kohler, „gerne ein beweibter Erzbischof geblieben ware, welches aber wegen des in den Augspurgischen Religionsfrieden einverleibten Geistlichen Vorbehalts, unmoglich angehen konnte“. Literatur Helmut Kahnt: Das große Munzlexikon von A bis Z. Regenstauf 2005. Johann David Kohlers Munzbelustigung, Band 1., 1729, 38 Stuck, S. 297: Belagerung Bonn, Notmunze Gebhards 1583. Johann David Kohlers Munzbelustigung, Band 4, 1732, 24. Stuck, S. 185: Umschrift: MO(neta) NO(va) RHE(nanorum) ELECT(orum) PRI(ncipum) CONSOCIAT(orum) d. i. Neue Munze der Vereinigten Rheinischen Kurfursten und Fursten. A. Noss: Die Munzen der Erzbischofe von Koln 1547–1794 (1925) 76 f. Nr. 109. August Franzen: Gebhard Freiherr zu Waldburg. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 6, Duncker & Humblot, Berlin 1964, ISBN 3-428-00187-7, S. 113 f. (Digitalisat). Max Lossen: Gebhard, Truchseß von Waldburg. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 8, Duncker & Humblot, Leipzig 1878, S. 457–470. Einzelnachweise Weblinks Kunker-Auktion: Gebhard Truchseß von Waldburg, 1577–1583. Reichstaler 1583, sogenannter Protestantischer Trutztaler. Kunker-Auktion: Reichstaler des Erzbischofs von Koln, Gebhard Truchseß von Waldburg. Im Jahr 1582 wurde der Taler noch mit Namen und Titel in der Umschrift gepragt.
Der Protestantische Trutztaler ist eine Talermunze, die im Jahr 1583 vom Kolner Erzbischof Gebhard Truchseß von Waldburg (1577–1583) im Rheinischen Munzverein gepragt wurde. Der Taler weist weder Namen noch Titel des Munzherrn auf, sondern stattdessen seinen Wahlspruch.
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c-687
The Hippy Boys waren eine jamaikanische Instrumentalband, die vornehmlich als Begleit- und Studioband wirkte. Lee Perry machte sie im Herbst 1969 zur zweiten Besetzung seiner Studioband The Upsetters. Bob Marley engagierte die Hippy Boys zu Beginn der 1970er Jahre als feste Begleitmusiker in seiner Band The Wailers. Geschichte = Entstehung = Die Hippy Boys gingen aus den Begleitmusikern der Gesangsgruppe The Gaylads hervor, als sich deren Sanger Winston „Delano“ Stewart fur eine Solokarriere entschied. Fortan begleiteten einige Musiker den Sanger Max Romeo als „Maxie’s Group“. Bald stießen der Bassist Aston Barrett und sein jungerer Bruder Carlton Barrett am Schlagzeug dazu. Es folgten der Gitarrist Alva Lewis und der Organist und Arrangeur Glen Adams, der zuvor Mitglied der Pioneers und der Heptones gewesen war. Kern der Band war die Rhythmusgruppe um die beiden Barrett-Bruder, Lewis und Adams traten auch als „The Reggae Boys“ in Erscheinung. Die Hippy Boys arbeiteten anfangs als Sessionmusiker fur die Musikproduzenten Sonia Pottinger und Bunny Lee, fur den sie als Bunny Lee All Stars firmierten. Sie begleiteten Max Romeo auf seinem ersten Charthit Wet Dream, der trotz (oder gerade wegen) eines BBC-Verbots aufgrund anstoßiger Sprache die britischen Charts eroberte (Platz 10 UK-Single-Charts). Ein weiterer fruher Erfolg mit den Hippie Boys war das Reggae-Instrumental The Liquidator der Harry J Allstars (Platz 9 UK-Single-Charts). Auch mit dem Sanger und Keyboarder Lloyd Charmers nahmen sie mehrere Platten auf. Aufgrund ihres originellen Sounds, der sich an US-amerikanischen Vorbildern der Soul- und Funk-Musik wie Steve Cropper, King Curtis und The Meters orientierte, empfahl Bunny Lee die Hippy Boys an den Produzentenkollegen Lee „Scratch“ Perry weiter. = Hippy Boys als Upsetters = Lee Perry hatte sich selbstandig gemacht und Upsetter Records gegrundet. Seine Studioband, die eigentlich aus Mitgliedern der Band des Pianisten Gladstone Anderson, den Gladdy’s All Stars, bestand, nannte er The Upsetters, und sich selbst nannte er „The Upsetter“. Daruber hinaus machte Perry aber auch Aufnahmen mit anderen Musikern, die er ebenfalls als „The Upsetters“ labelte. Der erste Titel, den Lee Perry mit den jungen Hippy Boys aufnahm, war Medical Operation. Das Instrumentalstuck basierte auf dem Groove Sophisticated Sissy von Fats Dominos ehemaliger Begleitband The Meters. Mit ihrer Komposition Selassie bekannten sich Max Romeo und die Hippy Boys zum Rastafarianismus und zu Haile Selassie. Selassie erschien auf dem Upsetter-Album Clint Eastwood (1970), zusammen mit der Version Rightful Ruler, mit einer auf Amharisch gesprochenen Einleitung von Peter Tosh sowie einem Toasting von U-Roy mit christlicher Botschaft (Psalm 1). Durch die Verwendung in einem britischen Werbefilm fur Cadbury’s-Schokolade (Regie: Terry Gilliam) bekam die Single Return of Django viel Aufmerksamkeit und kletterte im Oktober 1969 in die britischen Top 10 (Platz 5 UK-Single-Charts). Am 23. Oktober war der frische Reggae-Beat in der Sendung Top of the Pops zu horen. Daraufhin organisierte der Vertriebspartner Trojan Records im November 1969 eine sechswochige Upsetter-Tour durch England. Im Januar 1970 brachte Trojan das Album Return of Django heraus, gefolgt von der auf Pama Records veroffentlichten Kompilation Clint Eastwood. In London war ohne Perrys Beteiligung das Instrumentalalbum The Good, The Bad and The Upsetters aufgenommen worden, es wurde im August 1970 auf Trojan veroffentlicht. Mit Many Moods of the Upsetter (Pama) erschien 1970 ein viertes Album. = Hippy Boys als Wailers = Als Bob Marley aus den USA zuruckkehrte, kontaktierte er Perry, um mit ihm Songs im neuen Reggae-Style aufzunehmen. My Cup (eine Coverversion der James-Brown-Ballade I Guess I’ll Have to Cry, Cry, Cry) war die erste Aufnahme, die Marley und die Wailers zusammen mit Perry und den Hippy Boys aufnahmen. Es entstanden weitere Aufnahmen wie Duppy Conqueror, Keep on Moving und Small Axe sowie die Alben Soul Rebels (1970) und Soul Revolution Part II (1971). Eine Auswahl der Aufnahmen erschien im Juli 1973 auf der Kompilation African Herbsman. Marley unterschrieb 1973 beim britischen Label Island Records und ließ sich nun von Chris Blackwell produzieren; die Rhythmusgruppe der Hippy Boys nahm er mit. Als Peter Tosh und Bunny Wailer 1974 die Wailers verließen, verblieben die Barrett-Bruder bis zu Marleys Tod als feste Mitglieder der Wailers-Band. Perry fuhrte sein Upsetter-Projekt ab 1974 im neu errichteten Black Ark Studio und mit neuen Musikern, darunter Boris Gardiner und Sly Dunbar, fort. Diskografie = Singles = 1967: The Hippy Boys: Seven Heaven (Gay Feet) 1968: Max Romeo: Wet Dream (Pama Records) 1969: als Harry J Allstars: Liquidator 1969: Picadilly Hop / Nigeria (aka Mad Movie) (Gay Feet) 1971: Delroy & Dennis: It Must Come / The Hippy Boys: Good, Better, Best (Smash Jamaica) = Alben = 1969: The Hippy Boys: Reggae with The Hippy Boys (High Note Records) 1969: Lloyd Charmers & The Hippy Boys: House in Session (Pama) als Upsetters 1969: Return of Django (Trojan Records) 1970: The Good, the Bad and the Upsetters (UK-Version) (Trojan; Produzenten: Bruce White & Tony Cousins) 1970: Clint Eastwood (Pama) 1970: Many Moods of the Upsetters (Pama) als Wailers 1970: Soul Rebels (Trojan) 1971: Soul Revolution Part II (Upsetter Records) 1973: African Herbsman (Trojan) Literatur David Katz: People Funny Boy. The Genius of Lee „Scratch“ Perry. Foreword by Linton Kwesi Johnson. Hachette UK, London 2021, ISBN 978-1-4746-2255-4. Siehe auch The Skatalites, jamaikanische Session- und Auftrittsband The Soul Brothers, Studioband des jamaikanischen Plattenlabels Studio One Brentford All Stars, weitere Studioband des Plattenlabels Studio One The Aggrovators, jamaikanische Sessionband des Musikproduzenten Bunny Lee Weblinks The Hippy Boys bei 45cat.com (englisch) The Hippy Boys bei AllMusic (englisch) The Hippy Boys bei Discogs The Hippy Boys/The Upsetters bei Trojan Records Musikbeispiele The Hippy Boys: Mad Movie (aka Nigeria) auf YouTube Lloyd Charmers & The Hippy Boys: African Zulu auf YouTube Lloyd Charmers & The Hippy Boys: Look-Ka-Py-Py (aka Reggae a Bye Bye) auf YouTube Bob Marley & The Wailers (feat. The Hippy Boys): My Cup auf YouTube Einzelnachweise
The Hippy Boys waren eine jamaikanische Instrumentalband, die vornehmlich als Begleit- und Studioband wirkte. Lee Perry machte sie im Herbst 1969 zur zweiten Besetzung seiner Studioband The Upsetters. Bob Marley engagierte die Hippy Boys zu Beginn der 1970er Jahre als feste Begleitmusiker in seiner Band The Wailers.
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Golnar Shahyar (persisch گلنار شهیار, * 1985 in Teheran, Iran) ist eine iranisch-kanadische Musikerin, die als Komponistin, Sangerin und Multiinstrumentalistin in mehreren Ensembles bekannt wurde. Sie lebt seit 2008 in Wien und ist sowohl im Bereich der Weltmusik als auch im Jazz und der zeitgenossischen Musik tatig. Weiterhin ist Shahyar auch durch ihre Aufrufe fur mehr Diversitat im osterreichischen Kulturbetrieb bekannt geworden. Unter anderem ist Shahyar im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins, im Burgtheater in Wien, in der Royal Festival Hall in London und in der Elbphilharmonie in Hamburg aufgetreten. Bei ihren Auftritten setzte sie sich wiederholt fur die feministische Revolution im Iran ein. Leben und Wirken Shahyar stammt aus einer iranischen Familie der Mittelklasse und lebte bis zu ihrem 17. Lebensjahr in Teheran. 2001 zog sie mit ihren Eltern nach Toronto, Kanada, wo sie spater an der York University einen Bachelor in Biologie erwarb. 2008 ubersiedelte sie nach Wien und begann dort ein Gesangs- und Gitarrenstudium an der Universitat fur Musik und darstellende Kunst. Entscheidenden Einfluss bei ihrer kunstlerischen Entwicklung zur improvisierten Musik hatte dabei die Jazzmusikerin Elfi Aichinger. Shahyar bezieht ihre musikalische Inspiration aus verschiedenen Musikkulturen, die von nordafrikanischen und iranischen traditionellen Formen bis zum Jazz und zeitgenossischer Musik reichen. Außer in ihrer Muttersprache Persisch singt sie auch in Englisch, Kurdisch, Turkisch, Spanisch und Ladino, der Sprache der judisch-sefardischen Bevolkerung aus dem maurischen al-Andalus. Mit ihrem in persischer Sprache verfassten Protestsong Sagt meiner Mutter, dass sie keine Tochter mehr hat zitierte sie einen Slogan der feministischen Revolution im Iran. Er druckt die Trauer um Frauen aus, die Opfer der Unterdruckung im Iran wurden. Im November 2022 wurde diese Komposition live im Wiener Jazzclub Porgy & Bess aufgezeichnet. Shahyar wurde durch ihre Auftritte und Aufnahmen in verschiedenen Gruppen bekannt. So grundete sie mit dem Gitarristen Mahan Mirarab und dem Perkussionisten Shayan Fathi das Weltmusiktrio Sehrang, das ausgehend von iranischer Musik 2014 das Album Dar Lahze veroffentlichte. Weiterhin ist sie mit Mirarab und dem Perkussionisten Amir Wahba auch als Golnar & Mahan Trio aufgetreten, zum Beispiel im Wiener Konzerthaus. Im Trio Gabbeh singt Shahyar mit der Klarinettistin Mona Matbou Riahi und dem Bassisten Manu Mayr. Am 15. November 2019 spielte Shahyar zusammen mit der Bassistin Judith Ferstl und dem Schlagzeuger Andras Des bei der Eroffnung des Central European University Campus in Wien. Im Jahr 2017 war Shahyar im BBC World Service in einem Programm mit „globalen Beats“ zu horen. Am 16. November 2022 stand sie beim Woman, Life, Freedom Festival in der Royal Festival Hall auf der Buhne, um zusammen mit anderen iranischen und internationalen Musikerinnen Solidaritat mit den Frauen im Iran zu bezeugen. Im Mai 2024 bestritt sie als Gast der NDR Bigband neben dem Klarinettisten Kinan Azmeh ein Set in der Elbphilharmonie Hamburg. Tear Drop, ihr erstes Album unter eigenem Namen, wurde fur den Deutschen Jazzpreis 2023 als Debutalbum des Jahres (international) nominiert. Dabei wurdigte die Jury sowohl ihren herausragenden Gesangsstil als auch die hohe Qualitat der Aufnahmen und bezeichnete das Album insgesamt als „ausdrucksstark, eigen und vielfaltig.“ Neben ihren Auftritten und Studioproduktionen als Sangerin und Instrumentalistin ist Shahyar auch als Schauspielerin und Komponistin von Buhnenmusik fur Theater, Tanz und zeitgenossisches Musiktheater hervorgetreten. Weiterhin wirkte sie in der Saison 2017/2018 als kunstlerische Leiterin fur das Festival The Female Voice of Iran an der Zeitgenossischen Oper Berlin. Mit dem Ziel, Musikern und anderen Kulturschaffenden vor allem aus den sogenannten „Freien Szenen“ mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen, veroffentlichte Shahyar 2020 einen „offenen Brief an die Musik- und Kulturjournalist*innen“ in Osterreich. Auslosend fur diesen Aufruf war die ihrer Meinung nach weitgehende Marginalisierung vor allem migrantischer Kunstler im etablierten Kulturbetrieb. Dabei forderte sie angemessene mediale Darstellung der vielfaltigen kulturellen Ausdrucksformen und kulturellen Einflusse und beendete ihren Aufruf als „eine Einladung zu mehr Solidaritat in der osterreichischen Musikindustrie.“ Diskografie Dar Lahze mit dem Trio Sehrang, Lotus Records, Wien 2014 Sormeh mit Mona Matbou Riahi und Jelena Poprzan, Lotus Records 2014 Derakht mit dem Golnar & Mahan Trio, Lotus Records 2017 Tear Drop, Klaeng Records 2022 Literatur Aida Shirazi et al.: Iranerinnen. In: Musik & Asthetik. Band 27, Nr. 107, 2023, ISBN 978-3-608-97560-4, Stimmen der Gleichheit. Iranische Sangerinnen in einem geschichtlichen Augenblick. Niloufar Nourbakhsh im Austausch mit Shaghayegh Bagheri, Samin Ghorbani und Golnar Shahyar, S. 66–72 (musikundaesthetik.de [PDF]). Weblinks Offizielle Webprasenz Videoportrait mit Golnar Shahyar auf YouTube (englisch) Videokanal von Golnar Shahyar auf YouTube Golnar Shahyar singt Tear Drop (englische UT) Tell my mother she has no daughter anymore live im Jazzclub Porgy & Bess, Wien 2022 Einzelnachweise
Golnar Shahyar (persisch گلنار شهیار, * 1985 in Teheran, Iran) ist eine iranisch-kanadische Musikerin, die als Komponistin, Sangerin und Multiinstrumentalistin in mehreren Ensembles bekannt wurde. Sie lebt seit 2008 in Wien und ist sowohl im Bereich der Weltmusik als auch im Jazz und der zeitgenossischen Musik tatig. Weiterhin ist Shahyar auch durch ihre Aufrufe fur mehr Diversitat im osterreichischen Kulturbetrieb bekannt geworden. Unter anderem ist Shahyar im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins, im Burgtheater in Wien, in der Royal Festival Hall in London und in der Elbphilharmonie in Hamburg aufgetreten. Bei ihren Auftritten setzte sie sich wiederholt fur die feministische Revolution im Iran ein.
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c-689
Der Sao-Tome-Halskrausenflughund (Myonycteris brachycephala) ist ein auf Sao Tome endemisches Fledertier in der Gattung der Halskrausenflughunde. Er gilt als einzige Art der Untergattung Phygetis. Die Art ist das einzige nicht ausgestorbene heterodonte Saugetier mit einer ungeraden Anzahl von Zahnen und einem asymmetrischen Gebissaufbau. Merkmale und Namensgebung Dieser Flughund entspricht mit einer Gesamtlange von 94 bis 106 mm, einschließlich eines 1 mm langen Stummelschwanzes, den anderen Gattungsvertretern in der Statur. Er hat 62 bis 64 mm lange Unterarme, Hinterfuße von 15 bis 17 mm Lange und 11 bis 15 mm lange Ohren. Das Gewicht liegt im Durchschnitt bei 35,81 g. Kennzeichnend fur den Kopf sind große braune Augen mit dunklen Ringen, eine breite Schnauze und abgerundete Ohren. Typisch sind außerdem lange Daumen und das Fehlen von hellen Flecken auf den Schultern. Die Oberseite ist mit dunkelbraunem Fell bedeckt, wobei die Wangen etwas grauer sind. Unterseits kommt isabellfarbenes bis hellbraunes Fell vor, das sich etwas auf den Unterarmen fortsetzt. Auffallig ist die Zahnformel mit I 2/1,5 C 1/1 P 3/3 M 2/3, was 33 Zahne im Gebiss ergibt. Diese ungewohnliche Anordnung kommt dadurch zustande, dass entweder der rechte oder linke zweite Schneidezahn im Unterkiefer fehlt. Bis auf die Geschlechtsorgane gibt es keine Unterschiede zwischen Weibchen und Mannchen. Die deutschen Namen der Spezies beziehen sich neben dem Verbreitungsgebiet auf den hundeahnlich aussehenden Kopf mit den augenfalligen abstehenden borstigen Halshaaren. Verbreitung und Lebensweise Wie genannt lebt die Art ausschließlich auf Sao Tome. Sie halt sich im Hugel- und Bergland zwischen 300 und 1200 Meter Hohe auf. Der Sao-Tome-Halskrausenflughund bewohnt feuchte tropische Walder und besucht Gebiete, wo Waldreste und Kakao-Plantagen ein Mosaik bilden. In den Bergen bewohnt er meist die dort vorhandenen steilen Klippen. Der trockene nordliche Teil der Insel und die Kusten werden nur ausnahmsweise besucht. Die nachtaktiven Individuen fressen verschiedene Fruchte. Gefahrdung Der Bestand ist durch Umwandlung der Walder zu Ackerland und durch andere Waldrodungen bedroht. Dieser Flughund ist rar und die maximale Große des Verbreitungsgebiets ist schatzungsweise 750 km². Die IUCN listet den Sao-Tome-Halskrausenflughund deshalb als stark gefahrdet (endangered). Weblinks Einzelnachweise
Der Sao-Tome-Halskrausenflughund (Myonycteris brachycephala) ist ein auf Sao Tome endemisches Fledertier in der Gattung der Halskrausenflughunde. Er gilt als einzige Art der Untergattung Phygetis. Die Art ist das einzige nicht ausgestorbene heterodonte Saugetier mit einer ungeraden Anzahl von Zahnen und einem asymmetrischen Gebissaufbau.
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c-690
Die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte (selten auch Rastatter Rede) ist der Titel der Festansprache, die der scheidende Bundesprasident Gustav Heinemann am 26. Juni 1974 anlasslich der Eroffnung der Erinnerungsstatte fur die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte in Rastatt hielt. Die Erinnerungsstatte geht auf eine Initiative Heinemanns zuruck. In der Rede vertritt er die Uberzeugung, dass die westdeutsche Gesellschaft auch eigene freiheitliche Traditionen braucht, um Geschichtsbewusstsein zu entwickeln. Die Ansprache war eine der letzten prasidialen Reden Heinemanns, dessen Amtszeit am 30. Juni 1974 endete. Geschichtspolitik Gustav Heinemanns Mit der Rede setzte Heinemann einen vorlaufigen Schlusspunkt hinter ein Thema, das ihn fast uber die gesamte Amtszeit als Bundesprasident (1969–1974) begleitet hatte. Anlasslich der Bremer Schaffermahlzeit hatte er am 13. Februar 1970 die Forderung nach einem neuen Traditionsbewusstsein ausgesprochen. Es konne nicht um die Frage gehen: „Tradition ja oder nein? Die Alternative besteht vielmehr darin, an welche Traditionen angeknupft werden soll […]. Es ist an der Zeit, dass ein freiheitlich-demokratisches Deutschland unsere Geschichte bis in die Schulbucher hinein anders schreibt.“ In den folgenden Jahren war Heinemanns Bestrebung Bestandteil eines geschichtspolitischen Neuverortungsversuchs der Bundesrepublik durch sozialliberale Politik. In zahlreichen Reden setzte er sich fur einen historiografischen Wandel in der Bewertung der deutschen Geschichte ein. Neben der Bremer und der Rastatter Rede zahlen hierzu die Fernsehansprache 1971 zum Grundungsjubilaum des Deutschen Reiches und die Ansprache zum Jahrestag des Westfalischen Friedens. Nationale Bezugspunkte sollten durch freiheitliche abgelost werden. Dabei wurde auch mit der DDR uber die Deutungshoheit gestritten, die ihre Erinnerungskultur teilweise auf denselben Themen aufbaute, die Heinemann starker in das Licht der westdeutschen Offentlichkeit rucken wollte. Hierzu zahlten etwa die Bauernaufstande im 16. Jahrhundert oder die Revolution von 1848/49. Die Austragung des Systemvergleichs wurde damit von der Sozialpolitik auf die Geschichtspolitik ausgeweitet. Doch nicht nur hinsichtlich der innerdeutschen Beziehungen, sondern auch im Bildungswesen und in der Wissenschaft wollte Heinemann demokratische Traditionen bewusst machen. In der Geschichtswissenschaft war das Echo zweigeteilt: Wahrend konservative Historiker Heinemanns geschichtspolitische Forderung als Einmischung empfanden, begannen jungere Forscher, sich mit den genannten Bewegungen zu befassen. Zudem emporte die altere Historikergeneration die prasentistische Sicht Heinemanns, das heißt die Funktionalisierung von Geschichte gemaß ihrer gesellschaftlichen Relevanz fur die Gegenwart. Der Vorsitzende des Historikerverbands, Theodor Schieder, sah darin eine Gefahr fur den Staat, da der Bezug auf historische freiheitliche Bewegungen unter spateren Umstanden mit gegenteiligem Effekt umfunktioniert werden konnte. Auf ostdeutsche Historiker wirkte Heinemanns Geschichtspolitik alarmierend, da sie als Angriff auf historische Vorbilder der DDR verstanden wurde. Anlass, Ort und Ablauf Den unmittelbaren Anlass der Rede bildete die Einweihung der noch heute bestehenden Erinnerungsstatte fur die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte in Rastatt. Es war eine der letzten Amtshandlungen Heinemanns als Bundesprasident. Gleich zu Beginn betonte er, dass er sich wahrend seiner gesamten Amtszeit um die Errichtung bemuht habe. Die Grundung geht auf die Idee Heinemanns zuruck, einen geschichtstrachtigen Ort mit Bezug zum 19. Jahrhundert zu finden. Neben Hambach zog Heinemann unter anderem Kirchheimbolanden und Heppenheim in Erwagung. Gezeigt werden sollten dort Ereignisse, die weniger bekannt sind als die Nationalversammlung in der Paulskirche von 1848/49. Anlasslich einer Reise im September 1970 fiel die Wahl auf Rastatt, wo fur die Freiheit Blut geflossen sei. Nach langwierigen Verhandlungen um die Finanzierung der Statte und die Restaurierung von Schloss Rastatt begann er im Winter 1973/74 mit der Vorbereitung seiner Rede. Zum Zeitpunkt erwahnte Heinemann in seiner Rede mehrere sinnstiftende Jubilaen der Demokratie in Deutschland: die badische Mairevolution von 1849 wie auch den Jahrestag der Weimarer Verfassung vor damals 55 Jahren und den des Grundgesetzes vor 25 Jahren. Heinemann sprach im Ahnensaal von Schloss Rastatt. Dieser liegt unweit der Erinnerungsstatte, die ebenfalls im Schloss untergebracht ist. Der Ort hat hohen historischen Symbolwert: Wie Heinemann betonte, fallte hier nach der Niederschlagung des badischen Aufstandes im Juli 1849 ein Standgericht seine Urteile – darunter 19 Todesstrafen. Im selben Raum folgten von 1946 bis 1954 vor dem Tribunal General der franzosischen Militarverwaltung etwa 20 große Strafverfahren gegen NS-Verantwortliche. Vor Heinemann sprachen Bundesinnenminister Werner Maihofer, der Ministerprasident von Baden-Wurttemberg, Hans Filbinger, sowie Rastatts Oberburgermeister Richard Kunze. Ein Realschulchor spielte das Heckerlied. In dem Festakt fand auch die Vergabe des Gustav-Heinemann-Preises fur die Schuljugend zum Verstandnis deutscher Freiheitsbewegungen statt. Die Institution ist heute als Geschichtswettbewerb des Bundesprasidenten bekannt und neben der Erinnerungsstatte ein weiteres zeituberdauerndes Ergebnis von Heinemanns Agenda. Nach den Freiheitsbewegungen wurden diverse weitere Wettbewerbsthemen ausgeschrieben. Inhalt der Rede Heinemann regte in der Rede an, uber den Ausspruch nachzudenken, dass Geschichte vom Sieger geschrieben werde. Wahr daran sei, dass die Erinnerung an die Erhebungen der Jahre 1848 und 1849 durch ihr Scheitern und die „Sieger mit den Furstenkronen“ teilweise getilgt wurde. Wahr ist nach Erachten Heinemanns aber auch, dass der Triumph der Feinde der Freiheit in „Schande und schreckliche Zusammenbruche“ fuhrte. Die deutsche Freiheitsbewegung sei jedoch nicht vor 125 Jahren untergegangen, sondern ihre Ideen hatten die Zeit bis in die Gegenwart hinein uberdauert. Er fragte daher, ob nicht letztlich jene die Sieger seien, die einstmals fur das kampften, was heute freiheitlich-demokratische Grundordnung genannt werde. Mangelnden Kenntnissen der eigenen Freiheitstradition war Heinemann auf seinen Amtsreisen durch die Bundesrepublik immer wieder begegnet. Er gab jedoch zu, dass die Geschichtsforschung keine Belehrungen von Seiten des Staates brauche. Der Bundesprasident sei nicht der „Geschichtslehrer der Nation“. Gleichwohl wollte er (fruh)demokratische Bewegungen der deutschen Geschichte mit der Gegenwart verknupfen. Die deutschen Verfassungen hatten eigene freiheitliche Wurzeln, die sich durchaus mit denen anderer Nationen messen konnten, denn, so Heinemann weiter: „Freiheitlich-demokratische und rechtsstaatliche Ordnung war ein alter Traum auch in unserem Land.“ Die deutsche Geschichte sei nicht arm an Freiheitsbewegungen. Als Beispiele nannte Heinemann neben dem Wartburgfest und dem Hambacher Fest auch weniger bekannte Ereignisse wie das Aufbegehren der Stedinger Bauern an der unteren Weser und die Salpeterer im Hotzenwald. Er außerte den Wunsch, dass an ihre Freiheitskampfe in der Schule, besonders aber am Ort des historischen Geschehens, erinnert wurde. Geschichtspflege beginne vor der eigenen Haustur. Der Freiheitsgedanke sei in der Geschichte jedoch missbraucht oder als Deckmantel fur selbstsuchtige Interessen bestimmter Gruppen benutzt worden. Stets sei zu fragen: Wem und wie vielen ist die Freiheit zugedacht und um welche Freiheit handelt es sich? Als unertraglich empfinde er es, sich diese Erinnerungen von jenen entwenden zu lassen, die sie fur ihre eigenen Zwecke verfremden. Damit ubte er Kritik an einer, in seinen Augen, Vereinnahmung des Themas durch die Geschichtspolitik der DDR. Deutschland moge teilbar sein, seine Geschichte sei es nicht. Wer sich auf etwas berufe, musse es freilich kennen. Rezeption der Rede Zwei Tage nach der Rede schrieb Eduard Neumaier in der Zeit zum Abschied Heinemanns aus dem Amt, die Art, wie Geschichte geschrieben wird, liege nicht nur an den Siegern. So schon es auch ware: Zu wenig und zu wenig eindrucksvoll sei hierzulande Revolutionares geschehen, als dass daraus ein Geschichtsbild vieler demokratischer „Mosaiksteinchen“ entstehen konne. In der Wissenschaft waren die Reaktionen auf die Rede ahnlich geteilt wie die Haltungen zu seiner gesamten geschichtspolitischen Bestrebung. Heinemann wurde aber auch dafur kritisiert, dass er der westdeutschen Hysterie gegenuber dem Linksterrorismus jener Jahre entgegenwirkte. Die starke negative Reaktion einer alteren Generation meist konservativer Historiker auf seine Rede wird auch damit erklart. Bis heute wird die Rede als Beispiel fur Heinemanns Politik sowie fur die Erinnerung an 1849 aufgegriffen: Bereits in der Heinemann-Biografie von Hermann Vinke – eine der ersten nach seinem Tod – waren große Teile der Rastatter Rede abgedruckt. In einer Ansprache des Prasidenten des Bundesarchivs, Hartmut Weber, wurden 2007 im Deutschen Bundestag Inhalte der Rede genannt. Auszugsweise wurde sie 2014 uber die Bundeszentrale fur politische Bildung und im popularwissenschaftlichen Geschichtsmagazin des Spiegel veroffentlicht. Im Schulunterricht bietet sie Interpretationen fur die Gegenwart, etwa zum Thema Nationalstolz. Heinemann selbst forderte in der Rede insbesondere die Jugend zur kritischen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit auf: Schweigende Verehrung werde nicht erwartet. Familiarer Hintergrund Die Rede ist auch ein Ausdruck personlicher und familiarer Bezuge Heinemanns zur Geschichte der Badischen Revolution und der Bundesfestung Rastatt. Carl Walter aus Elberfeld, ein Bruder seines Urgroßvaters mutterlicherseits, war Freiwilliger in der Revolutionsarmee. Er starb am 21. September 1849 in Rastatt an den Folgen einer Beinverletzung aus dem Gefecht bei Waghausel. Bereits in seinem Tagebuch aus der Studentenzeit schrieb Heinemann 1919 von dem Interesse an den Zielen der Revolution von 1849 und seinen Vorfahren: „Fur Einheit und Freiheit, fur Republik und Demokratie! Ich werde an euch denken!“ In seiner Rede merkte Heinemann an, dass in einer Schrift der Stadt Rastatt zum hundertjahrigen Gedenken des Aufstands Carl Walter namentlich genannt ist. Siehe auch Verfassungspatriotismus Literatur Thomas Flemming: Gustav W. Heinemann. Ein deutscher Citoyen. Klartext, Essen 2014, ISBN 978-3-8375-0950-2, S. 427 ff. Gustav W. Heinemann: Ansprache aus Anlass der Eroffnung der Erinnerungsstatte fur die deutschen Freiheitsbewegungen in Rastatt. 26.6.1974, abgedruckt in: ders.: Reden und Interviews (V). Hrsg. vom Presse- und Informationsdienst der Bundesregierung, Bonn 1974, S. 161–170. Gustav W. Heinemann: Die Freiheitsbewegung in der deutschen Geschichte. Ansprache aus Anlass der Eroffnung der Erinnerungsstatte in Rastatt, 26. Juni 1976. In: Gustav W. Heinemann, eingeleitet von Theodor Eschenburg: Prasidiale Reden. (= Band Nr. 790 der edition suhrkamp), Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main 1975, S. 133–141. Matthias Rensing: Geschichte und Politik in den Reden der deutschen Bundesprasidenten 1949–1984. Waxmann, Munster/New York 1996, ISBN 978-3-89325-372-2, S. 116 ff. Weblinks Gustav W. Heinemann und die Erinnerungsstatte. In: Bundesarchiv. 7. Oktober 2020; abgerufen am 19. April 2024. darin die Rastatter Rede im Wortlaut (PDF; 1,7 MB) Jurgen Treulieb: Gustav Heinemann und das Rastatter Freiheitsmuseum. In: Humanistische Union. 1977; abgerufen am 4. Mai 2024. Rainer Traub: Burger und Burge. In: Spiegel Geschichte 3/2014. 26. Mai 2014; abgerufen am 4. Mai 2024. Einzelnachweise
Die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte (selten auch Rastatter Rede) ist der Titel der Festansprache, die der scheidende Bundesprasident Gustav Heinemann am 26. Juni 1974 anlasslich der Eroffnung der Erinnerungsstatte fur die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte in Rastatt hielt. Die Erinnerungsstatte geht auf eine Initiative Heinemanns zuruck. In der Rede vertritt er die Uberzeugung, dass die westdeutsche Gesellschaft auch eigene freiheitliche Traditionen braucht, um Geschichtsbewusstsein zu entwickeln. Die Ansprache war eine der letzten prasidialen Reden Heinemanns, dessen Amtszeit am 30. Juni 1974 endete.
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c-691
Geheime Mission auf Celtris Drei (Originaltitel: Chain Of Command) ist eine Doppelfolge der US-amerikanischen Science-Fiction-Fernsehserie Raumschiff Enterprise – Das nachste Jahrhundert. Es handelt sich um die zehnte und die elfte Folge der sechsten Staffel. Sie wurde in den Vereinigten Staaten uber Syndication vermarktet und erstmals am 14. und 21. Dezember 1992 auf verschiedenen Fernsehsendern ausgestrahlt. In Deutschland war sie zum ersten Mal am 31. Mai und 1. Juni 1994 in einer synchronisierten Fassung auf Sat.1 zu sehen. Handlung = Teil I = Im Jahr 2369 bei Sternzeit 46357.4 trifft sich die Enterprise mit der USS Cairo. Admiral Alynna Nechayev kommt an Bord und informiert die Fuhrungsoffiziere uber eine Krise, die sich mit den Cardassianern anzubahnen droht. Diese haben sich kurzlich aus dem Raum der Bajoraner zuruckgezogen, deren Heimatwelt sie viele Jahre lang besetzt hatten. Jetzt kommt es zu vermehrten Aktivitaten entlang der Grenze zur Foderation und es wird befurchtet, dass ein Krieg ausbrechen konnte. Um dies zu verhindern, soll Captain Picard, unterstutzt von Schiffsarztin Beverly Crusher und Sicherheitschef Worf, eine Geheimmission unternehmen. Sein Kommando uber die Enterprise soll er hierfur an Edward Jellico, den bisherigen Captain der Cairo, abtreten, der uber viel Erfahrung im Umgang mit den Cardassianern verfugt. Jellico zeigt sich begeistert von seinem neuen Schiff, bringt aber die gewohnten Ablaufe gehorig durcheinander. Vom ersten Offizier Riker verlangt er, die Dienstplane von einem Drei- auf ein Vier-Schicht-System umzustellen, was dieser so kurzfristig nicht fur umsetzbar halt. Chefingenieur La Forge soll die Effizienz des Warp-Antriebs erheblich steigern, was fur sein gesamtes Team zwei Tage Dauerarbeit bedeuten wurde. Zugleich kommandiert Jellico aber auch ein Drittel der Ingenieure zur Sicherheitsabteilung ab. Schiffsberaterin Deanna Troi will die Wogen glatten und Jellico verstandlich machen, vor welche Probleme er die Mannschaft stellt. Der lehnt eine Ubergangsphase ab und erwartet die unverzugliche Ausfuhrung seiner Befehle. Weiterhin legt er Troi nahe, im Dienst keine zivile Kleidung zu tragen, da er auf der Brucke einen formlichen Umgang schatzt. Picard, Crusher und Worf bereiten sich durch intensives Training auf ihre Mission vor. Jellico lasst eine Sonde starten, um sie mit Informationen uber ihren Einsatzort zu versorgen. Schließlich brechen sie mit einem Shuttle auf. Jetzt erst kann Picard die Einzelheiten der Mission offenbaren: Sie sollen unbemerkt zum cardassianischen Planeten Celtris III fliegen, da nach Geheimdienstinformationen dort eine metagenetische Waffe entwickelt wurde. Diese konne samtliches Leben auf einem Planeten vernichten, dabei aber dessen Infrastruktur unbeschadigt lassen. Das freigesetzte Gift baut sich nach einer gewissen Zeit ab, was den Cardassianern eine kampflose Ubernahme und Neubesiedelung ermoglichen wurde. Um die unbeabsichtigte Giftfreisetzung zu verhindern, muss eine metagenetische Waffe uber ein System verfugen, das Theta-Band-Emissionen aussendet. Eben diese wurden auf Celtris III registriert. Wegen seiner Erfahrung wahrend seines Kommandos auf der USS Stargazer gilt Picard als Experte fur Theta-Band-Emissionen und wurde deshalb fur diese Mission ausgewahlt. Dr. Crusher soll mogliche Giftstoffe aufspuren und neutralisieren. Worf soll ihr und Picard die notige Ruckendeckung geben. Auf dem Planeten Torman V treffen sich die Drei mit dem Ferengi Solok, der regelmaßig Versorgungsfluge nach Celtris III unternimmt und sie dort unbemerkt einschleusen kann. Dort angekommen, stellen sie fest, dass sich die Quelle der Emissionen tief unter der Oberflache befindet. Wahrenddessen trifft sich die Enterprise mit einem cardassianischen Kriegsschiff, um Verhandlungen zu fuhren. Der Kommandant Gul Lemec kommt an Bord, doch Jellico spielt zunachst Spielchen mit ihm, um ihn einzuschuchtern. Er lasst ihn ewig warten, spielt sich dann als Choleriker auf, gestattet aber schließlich, mit je zwei Beratern die Verhandlungen zu beginnen. Unbeirrt fordert Lemec, dass sich die Foderation aus Planetensystemen zuruckzieht, die seiner Ansicht nach den Cardassianern zustehen. Diese Forderung kann Jellico nicht akzeptieren. Am Ende des Gesprachs lasst Lemec seine Kenntnis uber Picards Mission durchblicken. Er beschuldigt die Foderation, ein kleines Team in den cardassianischen Raum eingeschleust zu haben, erkundigt sich nach dem Verbleib von Picard und heuchelt Bedauern, falls einem hervorragenden Offizier wie ihm etwas passieren sollte. Auf Celtris III haben Picard und sein Team nach der Durchquerung eines Hohlensystems die Emissionsquelle erreicht. Hinter einer Tur finden sie nur einen Raum, der bis auf eine Sendeanlage vollkommen leer ist. Ihnen wird klar, dass sie in eine Falle geraten sind. Cardassianische Wachen tauchen auf und die Tur beginnt sich zu schließen. Dr. Crusher und Worf gelangen zuruck ins Hohlensystem; Picard wird abgefuhrt und zu Gul Madred, Kommandant der Einrichtung, gebracht. Der erklart Picard, dass die Theta-Band-Emissionen bewusst gesendet wurden, um ihn hierher zu locken. Picard mochte wissen, was die Cardassianer von ihm wollen, doch Madred macht klar, dass nur er die Fragen stellen wird und ihn bei unpassenden Antworten toten werde. = Teil II = Auf Celtris III wird Picard von Gul Madred unter Drogen gesetzt und verhort. Picard beantwortet in diesem Zustand bereitwillig die meisten von Madreds Fragen. Den interessieren eigentlich nur die Verteidigungsplane fur den Foderationsplaneten Minos Korva, doch ausgerechnet daruber scheint Picard nichts zu wissen. Madred versucht es auf eine andere Weise. Als Picards Geist wieder klar ist, will er dessen Interesse fur Archaologie ausnutzen. Er fuhrt mit Picard ein Gesprach uber beeindruckende Ruinen aus der cardassianischen Vergangenheit, um die Zivilisiertheit seines Volkes hervorzuheben. Dann lenkt er das Thema auf Picards rechtliche Situation. Er wird als Krimineller gefuhrt, doch er konnte mit einer milden Strafe rechnen, wenn er kooperiert und die Verteidigungsplane fur Minos Korva verrat. Picard beteuert weiter, davon nichts zu wissen. Madred glaubt ihm nicht, denn er weiß, dass im Kriegsfall die Enterprise die Verteidigung des Sektors leiten soll, in dem sich der Planet befindet. Er sieht sich gezwungen, drastischere Maßnahmen zu ergreifen, und entschließt sich, Picard zu foltern. Picard beruft sich auf ein Abkommen, das Folter ausdrucklich verbietet, doch das ist Madred egal. Er zerschneidet Picards Kleidung und lasst ihn nackt und an seinen gefesselten Handen an der Decke aufgehangt im Verhorzimmer zuruck, wo er die ganze Nacht in diesem Zustand verbringen muss. Auf der Enterprise werden Jellico und die Fuhrungsoffiziere derweil von Lemec uber die Festnahme Picards informiert. Lemec beschuldigt ihn, auf Celtris III zahlreiche Zivilisten getotet zu haben, und er versichert Jellico, dass die Cardassianer auf Picards Aktion reagieren werden. Jellico bespricht sich mit Riker und Troi. Im Fall einer gegluckten Mission hatte Picards Team ins Lyshen-System fliegen sollen, um sich dort mit der Enterprise zu treffen. Da aber weitere Gesprache mit Lemec notig sind, schickt Jellico Riker mit einem Shuttle los, um zum geplanten Treffpunkt zu fliegen. Dort findet er Dr. Crusher und Worf vor, denen die Flucht gelungen ist, und fliegt mit ihnen zuruck zur Enterprise. Riker mochte nun eine Rettungsmission starten, um Picard zu befreien, doch Jellico lehnt das ab. Auf Celtris III ist ein neuer Tag angebrochen. Madred befreit Picard von seinen Fesseln und setzt das Verhor fort. Er weist ihn darauf hin, dass ihm ein kleines Gerat implantiert wurde. Uber eine Fernbedienung kann Madred ihm damit starke Schmerzen zufugen, wenn er unbefriedigende Antworten gibt. Um es ihm zu demonstrieren, fragt er Picard, wie viele Lichter er hinter seinem Schreibtisch sieht. Picard antwortet wahrheitsgemaß, dass es vier Lichter sind. Madred bestraft ihn mit der Aktivierung des Gerats, denn er will ihn dazu bringen, zu behaupten, es waren funf Lichter. Lemec legt Jellico Beweise fur die Festnahme Picards vor. Jellico bestreitet, dass Picard im offiziellen Auftrag der Foderation gehandelt hat. Lemec erklart, in diesem Fall wurde Picard als Terrorist behandelt werden und ihm wurden daher auch nicht die Rechte eines Kriegsgefangenen zustehen. Er erklart sich aber bereit, Picard freizulassen, wenn sich dafur die Foderation aus dem gesamten Sektor zuruckziehen wurde. Jellico erbittet Bedenkzeit, um dies mit seinen Vorgesetzten zu diskutieren. Nach dieser Unterredung macht Riker Jellico Vorwurfe. Durch das Abstreiten jeglicher Kenntnis von Picards Mission habe Jellico seiner Ansicht nach Picards Leben in Gefahr gebracht. Er halt dies fur einen Fehler und als erster Offizier hat er die Pflicht, Jellico darauf hinzuweisen. Jellico entbindet Riker kurzerhand von seinen Pflichten und ernennt den zweiten Offizier Data zum neuen ersten Offizier. Jellico, Data und La Forge versuchen herauszufinden, was die Cardassianer als Nachstes vorhaben. Sie vermuten, dass ihr Interesse Minos Korva gilt, da die Enterprise fur dessen Verteidigung eingeteilt ist. La Forge scannt Lemecs Schiff und hofft, irgendetwas Ungewohnliches zu finden. Tatsachlich stellt er eine leichte Zersetzung der Schiffshulle fest, die darauf hindeutet, dass das Schiff kurzlich einem molekularen Dispersionsfeld ausgesetzt war. Ein solches ist aus dem nahe gelegenen McAllister-C-5-Nebel bekannt. Jellico vermutet, dass die Cardassianer den Nebel nutzen, um ihre Invasionsflotte zu verstecken, und er ist entschlossen, die Flotte zu enttarnen. Er entwickelt einen Plan, um mit einem Shuttle Minen in dem Nebel zu verteilen, die sich an die cardassianischen Schiffe heften sollen. Auf Celtris III sieht Picard wahrend einer Verhorpause mit an, wie Madred mit seiner Tochter spielt. Als sie den Raum verlassen hat, will er wissen, wie Madred sie an einen solchen Ort bringen kann. Der sieht darin nichts Verwerfliches, denn er ist stolz auf seine Arbeit. Er erinnert sich noch an Zeiten, als die Cardassianer Hunger litten, doch seit das Militar die Macht ubernommen hat, ist dies vorbei und er will mit seiner Arbeit dazu beitragen, dass seine Tochter niemals wissen wird, was Hunger ist. Picards Bemerkung, dass ihr Magen zwar voll sein moge, ihr Geist hingegen leer, erzurnt Madred und er fugt Picard erneut Schmerzen zu. Madred fragt ihn weiter nach der Anzahl der Lichter, erhalt aber nicht die gewunschte Antwort. Nach einer Weile erklart er uberraschend, Picards Wille sei einfach zu stark. Es sei daher zwecklos, ihn weiter festzuhalten, und er durfe gehen. Picard ist erstaunt, das zu horen, wendet sich aber zogernd dem Ausgang zu. Da behauptet Madred, er wurde an seiner Stelle nun Dr. Crusher befragen. Picard weiß, dass sie als Arztin nicht uber die Informationen verfugt, die Madred haben will. Nicht ahnend, dass Dr. Crusher langst entkommen ist, entscheidet er sich, das Verhor fortzusetzen, um sie zu schutzen. Nach einer Weile nimmt Madred eine Mahlzeit ein. Picard ist inzwischen vollig ausgehungert. Madred bietet ihm ein Ei an. Picard findet darin ein totes Jungtier vor, schluckt es aber nach kurzem Zogern hinunter. Das amusiert Madred, der erwartet hatte, dass Picard von dem Anblick angeekelt sei. Madred erzahlt, wie er einmal als hungriger kleiner Junge ein Nest mit solchen Eiern gefunden hatte. Ein alterer Junge fand das heraus, doch er musste Madred erst den Arm brechen, bevor er ihm die Eier wegnehmen konnte. Durch diese Geschichte sieht Picard Madred in einem neuen Licht. Fur ihn ist er immer noch der kleine Junge, der sich nicht verteidigen konnte und dem es darum jetzt Freude macht, anderen Schmerzen zuzufugen. Als er Madred dies offen sagt, wird der wutend und setzt mit Hilfe des Schmerzgerats das Verhor fort. Die Vorbereitungen fur Jellicos Plan sind abgeschlossen, doch ihm fehlt ein guter Pilot, der das Shuttle sicher durch den Nebel navigieren kann. La Forge meint, dass nur Riker dazu qualifiziert ware. Zogernd bittet ihn Jellico schließlich, diese Aufgabe zu ubernehmen, und Riker akzeptiert. Die Verteilung der Minen gelingt und Jellico informiert Lemec daruber, dass seine Flotte in der Falle sitzt. Der ist zunachst unbeeindruckt, doch nach der Explosion einer kleinen Mine und der Androhung, weitere detonieren zu lassen, gibt er schließlich nach. Jellico gestattet, dass die cardassianischen Schiffe den Nebel einzeln verlassen konnen, nachdem sie ihre Phaserspulen abgeworfen haben. Weiterhin verlangt er die sofortige Freilassung von Picard. Als Picard auf Celtris III aus dem Schlaf erwacht, behauptet Madred ihm gegenuber, dass Minos Korva erfolgreich eingenommen wurde und die Enterprise brennend im Weltraum liegt. Niemand werde nach ihm suchen, denn man werde annehmen, er sei an Bord der Enterprise ums Leben gekommen. Madred bietet ihm aber an, bei den Cardassianern ein normales Leben zu fuhren. Er musse ihm dafur lediglich sagen, dass er funf Lichter sieht. Picard zogert eine Weile, bis schließlich die Tur aufgeht und Lemec eintritt. Er beschwert sich, dass Picard noch nicht fur die Abreise vorbereitet wurde, und ubergibt ihn seinen Wachen. Auf dem Weg nach draußen dreht sich Picard noch einmal zu Madred um und ruft ihm zu: „Da sind vier Lichter!“ Nach erfolgreicher Beendigung dieser Krise kehrt Jellico auf die Cairo zuruck und Picard erhalt wieder das Kommando der Enterprise. Seine Erlebnisse auf Celtris III muss er allerdings erst verarbeiten. Er fuhrt dazu ein Gesprach mit Troi und gesteht ihr, dass er am Ende bereit war, Madred alles zu sagen, auch dass er funf Lichter sieht. Das Erschreckendste fur ihn war allerdings, dass er tatsachlich glaubte, funf Lichter zu sehen. Verbindungen zu anderen Star-Trek-Produktionen Die Handlung von Geheime Mission auf Celtris Drei baut auf mehreren fruheren Folgen der Serie auf: Die Cardassianer und ihr nicht lange zuruckliegender Krieg gegen die Foderation wurden in Folge 4.12 (Der Rachefeldzug) von 1991 eingefuhrt. In Folge 5.03 (Fahnrich Ro) von 1991 wurden die Bajoraner eingefuhrt und als ein von den Cardassianern besiegtes und unterdrucktes Volk dargestellt. Einige Elemente aus dieser Folge wurden in spateren Star-Trek-Produktionen wieder aufgegriffen: Die Doppelfolge wurde unmittelbar vor dem Pilotfilm Der Abgesandte der Spin-off-Serie Star Trek: Deep Space Nine ausgestrahlt und leitet thematisch in diesen uber. Der Ruckzug der Cardassianer aus dem Raum der Bajoraner und das schwierige Verhaltnis zwischen den Cardassianern auf der einen Seite sowie den Bajoranern und der Foderation auf der anderen Seite gehoren zu den zentralen Handlungselementen von Star Trek: Deep Space Nine. Der Planet Minos Korva wird noch einmal in der Doppelfolge 7.04/05 (Der Schachzug) von Raumschiff Enterprise – Das nachste Jahrhundert aus dem Jahr 1993 erwahnt. In mehreren Folgen von Star Trek: Discovery und Star Trek: Picard ist der Planet auf Sternenkarten eingezeichnet. In der animierten Serie Star Trek: Lower Decks gibt es in mehreren Folgen Anspielungen auf die Figuren und Ereignisse aus Geheime Mission auf Celtris Drei. Produktion = Drehbuch = Geheime Mission auf Celtris Drei war ursprunglich als Einzelepisode geplant. Aus Budgetgrunden schlug Showrunner Michael Piller allerdings vor, daraus einen Zweiteiler zu machen. Weiterhin war die Geschichte ursprunglich als Crossover mit der neuen Serie Star Trek: Deep Space Nine geplant. Die Rolle von Solok hatte eigentlich die Deep-Space-Nine-Hauptfigur Quark (Armin Shimerman) ubernehmen sollen. Nachdem jedoch entschieden wurde, dass Star Trek: Deep Space Nine erst nach der Ausstrahlung von Geheime Mission auf Celtris Drei starten wurde, wurden alle direkten Bezuge zur neuen Serie abgeandert. Die wesentlichen Inspirationsquellen von Drehbuchautor Frank Abatemarco waren der Film Closet Land von 1991, der in Form eines Kammerspiels Freiheitsberaubung und Folter in einem Polizeistaat thematisiert und die Folge Fahnrich Ro von Raumschiff Enterprise – Das nachste Jahrhundert, in der Ro Laren von der Folterung ihres Vaters durch die Cardassianer berichtet. Um Picards Folterung und das psychologische Verhaltnis zwischen ihm und Madred moglichst glaubwurdig erscheinen zu lassen, las sich Abatemarco außerdem intensiv in die Thematik ein und konsultierte auch Amnesty International. Madreds Versuch, Picard einzureden, es waren funf statt vier Lichter zu sehen, geht offenbar auf George Orwells Roman 1984 zuruck, in dem der Gedankenpolizist O’Brien den Protagonisten Winston Smith foltert und von seinem Opfer mehrfach verlangt zu sagen, er wurde funf Finger sehen, obwohl O’Brien nur vier hochhalt. Wahrend Frank Abatemarco die Vorlage fur beide Teile der Geschichte schrieb, entwickelte Ronald D. Moore daraus ein Drehbuch fur den ersten Teil. Fur den zweiten Teil schrieb Abatemarco selbst das Drehbuch. Jeri Taylor nahm umfangreiche Uberarbeitungen daran vor, erhielt dafur aber keine Nennung in den Credits der Folge. = Darsteller = Natalia Nogulich hat hier ihren ersten Auftritt als Admiral Alynna Nechayev. Sie spielte diese Rolle noch in drei weiteren Folgen von Raumschiff Enterprise – Das nachste Jahrhundert und in zwei Folgen von Star Trek: Deep Space Nine. Ronny Cox sprach Edward Jellico erneut in mehreren Folgen der animierten Serie Star Trek: Prodigy. John Durbin, Darsteller von Gul Lemec, hatte zuvor bereits Ssestar in Folge 1.07 (Die geheimnisvolle Kraft) von Raumschiff Enterprise – Das nachste Jahrhundert gespielt. Er spielte spater noch Traidy in Folge 5.17 (Der Datenkristall) von Star Trek: Deep Space Nine und einen Minenarbeiter in Folge 7.05 (Kritische Versorgung) von Star Trek: Raumschiff Voyager. Lou Wagner, Darsteller von DaiMon Solok, spielte spater noch einen weiteren Ferengi namens Krax in Folge 1.11 (Die Nachfolge) von Star Trek: Deep Space Nine. David Warner, Darsteller von Gul Madred, hatte zuvor bereits den Foderationsbotschafter St. John Talbot im Spielfilm Star Trek V: Am Rande des Universums und den klingonischen Kanzler Gorkon im Spielfilm Star Trek VI: Das unentdeckte Land gespielt. = Kostume = Deanna Troi (Marina Sirtis) tragt von dieser Doppelfolge an wieder regelmaßig eine Sternenflottenuniform, nachdem sie zuvor lediglich im Pilotfilm Der Machtige / Mission Farpoint in Uniform zu sehen war und danach stets zivile Kleidung trug. Die Cardassianer tragen ab dieser Folge eine ganzlich uberarbeitete schwarze Uniform, die sich stark von der braunen Variante unterscheidet, die in zwei fruheren Folgen von Raumschiff Enterprise – Das nachste Jahrhundert zu sehen war. Die schwarze Uniformvariante wurde in allen spateren Star-Trek-Produktionen beibehalten und auch in denen verwendet, deren Handlung vor den ersten Auftritten der Cardassianer in Raumschiff Enterprise – Das nachste Jahrhundert spielt. = Kulissen = Fur die Bar, in der sich Picards Team mit Solok trifft, wurde das Set des Replimaten aus Star Trek: Deep Space Nine verwendet. Rezeption Die Zeitschrift Entertainment Weekly fuhrte Geheime Mission auf Celtris Drei 2007 in einer Liste der zehn besten Folgen von Raumschiff Enterprise – Das nachste Jahrhundert auf Platz 10. Keith DeCandido bewertete den ersten Teil von Geheime Mission auf Celtris Drei 2012 auf tor.com als eine gute Folge von Raumschiff Enterprise – Das nachste Jahrhundert. Er fand die Figur des Captain Edward Jellico großartig, gerade weil er das Star-Trek-Fandom so polarisiert. Fur die einen ist er genau das, was die Enterprise in dieser Folge braucht, fur die anderen ist er ein Mistkerl. Fur DeCandido haben beide Seiten recht. Einerseits ist Jellico fur ihn ein guter Captain, der lediglich einen anderen Kommandostil pflegt als Picard. Andererseits setzt er in kurzer Zeit so viele (teilweise unnotige) Veranderungen auf dem Schiff durch, dass Konflikte programmiert sind. Die Geschichte um Picards geheime Mission fand DeCandido hingegen nicht uberzeugend. An keiner Stelle wird glaubwurdig vermittelt, warum niemand anderes als Picard, Crusher und Worf diese Mission durchfuhren kann. Die Szenen auf der Enterprise und das großartige Schauspiel, vor allem von Ronny Cox und John Durbin, gleichen diese Schwachen fur DeCandido aber aus. Den zweiten Teil bewertete DeCandido als sehr gute Folge. Er fand, dass die Starken und Schwachen sich hier genau umgekehrt verhalten wie im ersten Teil. Sowohl die Taktik der Cardassianer, die ihre gesamte Flotte in einem Nebel verstecken, als auch die Art und Weise, wie sie kampfunfahig gemacht wird, wirken fur ihn wenig uberzeugend. Die Szenen mit Picard bleiben aber deutlich starker in Erinnerung und diese empfand er sowohl als brillant geschrieben als auch von Patrick Stewart und David Warner herausragend gespielt. Scott Thill bewertete Geheime Mission auf Celtris Drei 2012 auf wired.com als eine der besten Folgen von Raumschiff Enterprise – Das nachste Jahrhundert. Scott Collura und Jesse Schedeen fuhrten Geheime Mission auf Celtris Drei 2013 auf ign.com in einer Liste der 25 besten bis dahin ausgestrahlten Star-Trek-Folgen auf Platz 13. Charlie Jane Anders fuhrte Geheime Mission auf Celtris Drei 2014 auf gizmodo.com in einer Liste der 100 besten bis dahin ausgestrahlten Star-Trek-Folgen auf Platz 11. Ed Gross listete Geheime Mission auf Celtris Drei 2016 auf empireonline.com in einer Aufstellung der 50 besten bis dahin ausgestrahlten Star-Trek-Folgen auf Platz 16. 2016 wurde Geheime Mission auf Celtris Drei in einer Umfrage unter Fans auf einer Star-Trek-Convention in Las Vegas zur siebtbesten Star-Trek-Folge gewahlt. Aaron Couch und Graeme McMillan erstellten 2016 anlasslich des 50-jahrigen Jubilaums von Star Trek in Zusammenarbeit mit verschiedenen Beteiligten aus dem Franchise fur den Hollywood Reporter eine Liste der 100 besten bis dahin ausgestrahlten Folgen. Geheime Mission auf Celtris Drei wurde hierbei auf Platz 18 gewahlt. Aaron Couch und Graeme McMillan erstellten 2016 fur den Hollywood Reporter eine Liste der 25 besten Folgen von Raumschiff Enterprise – Das nachste Jahrhundert. Geheime Mission auf Celtris Drei landete dabei auf Platz 7. Edward Cambro erstellte 2017 fur die Website screenrant.com eine Liste der 15 dustersten Star-Trek-Folgen und fuhrte Geheime Mission auf Celtris III darin auf Platz 4. Nigel Mitchell fuhrte Geheime Mission auf Celtris Drei 2017 auf thoughtco.com in einer Liste der zehn besten Folgen von Raumschiff Enterprise – Das nachste Jahrhundert auf Platz 8. Eric Diaz erstellte 2017 fur nerdist.com eine Liste der 11 besten Folgen von Raumschiff Enterprise – Das nachste Jahrhundert. Geheime Mission auf Celtris Drei landete dabei auf Platz 6. Patrick Cooley fuhrte Geheime Mission auf Celtris Drei 2017 auf cleveland.com in einer Liste der 25 besten bis dahin ausgestrahlten Star-Trek-Folgen auf Platz 5. Sven Harvey zahlte Geheime Mission auf Celtris Drei 2017 auf der Website Den of Geek als eine der 25 besten Folgen der Serie Raumschiff Enterprise – Das nachste Jahrhundert. Michael Weyer erstellte 2018 fur die Website cbr.com eine Liste der 20 besten Mehrteiler aller Star-Trek-Serien. Geheime Mission auf Celris Drei fuhrte er hierbei auf Platz 5. Joseph Walter fuhrte Geheime Mission auf Celtris Drei 2019 auf screenrant.com in einer Liste der 10 besten Folgen von Raumschiff Enterprise – Das nachste Jahrhundert auf Platz 3. Mike Bloom zahlte Geheime Mission auf Celtris Drei 2019 auf der Website hollywoodreporter.com als eine der 25 besten Folgen von Raumschiff Enterprise – Das nachste Jahrhundert. Sean Ferrick erstellte 2020 fur die Website whatculture.com eine Liste der 25 besten Star-Trek-Folgen. Geheime Mission auf Celtris Drei fuhrte er hier auf Platz 14. Jeremy Lacey erstellte 2021 fur cinemablend.com eine Liste der 20 besten Folgen von Raumschiff Enterprise – Das nachste Jahrhundert. Geheime Mission auf Celtris Drei landete dabei auf Platz 4. Stephanie Roehler erstellte 2021 fur screenrant.com eine Liste der 20 besten Folgen von Raumschiff Enterprise – Das nachste Jahrhundert. Geheime Mission auf Celtris Drei landete dabei auf Platz 14. Lauren Perry fuhrte Geheime Mission auf Celtris Drei 2022 auf der Website movieweb.com in einer Liste der zehn besten Folgen von Raumschiff Enterprise – Das nachste Jahrhundert auf Platz 8. Parodien und Anspielungen Die Figur des Captain Edward Jellico entwickelte sich zu einem Internet-Meme, insbesondere durch einen Twitter-Account, der Standbilder aus Geheime Mission auf Celtris Drei zu kurzen Geschichten zusammenstellt, in denen Jellico Flachwitze erzahlt. Weblinks Teil 1 und Teil 2 bei IMDb Teil 1 und Teil 2 bei Fernsehserien.de Teil 1 und Teil 2 im Star-Trek-Wiki Memory Alpha Geheime Mission auf Celtris drei - Teil 1 in der Deutschen Synchronkartei Geheime Mission auf Celtris drei - Teil 2 in der Deutschen Synchronkartei Teil 1 und Teil 2 beim Deutschen StarTrek-Index Teil 1 und Teil 2 Transkripte auf chakoteya.net (englisch) Teil 1 und Teil 2 Transkript auf st-minutiae.com (englisch) Teil 1 und Teil 2 auf trekcore.com (englisch) Chain Of Command (Observations Teil 1, Observations Teil 2) auf ex-astris-scientia.org (englisch) Einzelnachweise
Geheime Mission auf Celtris Drei (Originaltitel: Chain Of Command) ist eine Doppelfolge der US-amerikanischen Science-Fiction-Fernsehserie Raumschiff Enterprise – Das nachste Jahrhundert. Es handelt sich um die zehnte und die elfte Folge der sechsten Staffel. Sie wurde in den Vereinigten Staaten uber Syndication vermarktet und erstmals am 14. und 21. Dezember 1992 auf verschiedenen Fernsehsendern ausgestrahlt. In Deutschland war sie zum ersten Mal am 31. Mai und 1. Juni 1994 in einer synchronisierten Fassung auf Sat.1 zu sehen.
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c-692
Feststickstoff ist Stickstoff im festen Aggregatzustand, der unter Normaldruck bei Temperaturen unter 63,05 K (−210,1 °C) existieren kann. Er wurde erstmals 1884 hergestellt. Feststickstoff ist hauptsachlich Gegenstand akademischer Forschung. Er ist zudem ein wesentlicher Bestandteil von Himmelskorpern im außeren Sonnensystem. Herstellung Karol Olszewski beobachtete erstmals 1884 festen Stickstoff: Zunachst verflussigte er Wasserstoff durch Verdampfen von Flussigstickstoff; dann fror der Flussigwasserstoff den Stickstoff ein. Damit erzeugte Olszewski auch die extrem niedrige Temperatur von 48 K (−225,15 °C), seinerzeit ein Weltrekord. Moderne Techniken folgen meist einem ahnlichen Ansatz: Feststickstoff wird normalerweise in einem Labor durch Verdampfen von Flussigstickstoff im Vakuum hergestellt. Der so erzeugte Feststoff ist poros. Vorkommen Ein großer Teil der Oberflachen von Pluto und des Neptunmondes Triton besteht aus Feststickstoff. Auf Pluto wurde Feststickstoff erstmals im Juli 2015 von der Raumsonde New Horizons direkt beobachtet und auf Triton im August 1989 von der Raumsonde Voyager 2. Feststickstoff ist ziemlich fluchtig und neigt zur Sublimation (Phasenubergang), da er, im Vergleich zu anderen Materialien, bei niedrigem Druck nur geringe Kohasion aufweist. Seine Dichte ist jedoch hoher als die von Wassereis, das daher durch naturlichen Auftrieb an dessen Oberflache transportiert wird. Tatsachlich beobachtete New Horizons auf Feststickstoff „schwimmendes“ Wassereis auf der Oberflache von Pluto. Auf Triton nimmt Feststickstoff die Form von Frostkristallen und einer transparenten Schicht aus angetautem Stickstoffeis an, die oft als „Glasur“ bezeichnet wird. Voyager 2 beobachtete Ausbruche von Stickstoffgas nahe dem Sudpol von Triton. Eine mogliche Erklarung fur dieses Phanomen ist, dass die Strahlung der Sonne durch die transparente Feststickstoffschicht dringt und die darunter liegenden Schichten erwarmt. Dadurch sublimiert der Stickstoff und tritt schließlich durch Locher in der oberen Schicht aus. Verwendung Feststickstoff wird mit Flussigstickstoff vermischt, um Dinge schneller abzukuhlen als mit Flussigstickstoff allein, was fur Anwendungen wie die Kryokonservierung von Spermien nutzlich ist. Die halbfeste Mischung wird auch als Slush-Stickstoff bezeichnet. Auch wird Feststickstoff fur die Matrixisolation von reaktiven Teilchen wie z. B. freien Radikalen oder isolierten Atomen verwendet. Weitere Strukturformen Bei hoher Temperatur und hohem Druck entsteht eine polymere Form des Feststickstoffs, die Gemeinsamkeiten mit der Diamantstruktur hat. Im Vergleich zum Distickstoffmolekul N2 bei Normaldruck hat diese Modifikation des Stickstoffs (Allotropie des Stickstoffs, Elementmodifikation) einen hoheren Energiegehalt. Sie hat damit eine hohere Energiedichte, moglicherweise hoher als jedes andere nichtradioaktive Material. Weblinks Einzelnachweise
Feststickstoff ist Stickstoff im festen Aggregatzustand, der unter Normaldruck bei Temperaturen unter 63,05 K (−210,1 °C) existieren kann. Er wurde erstmals 1884 hergestellt. Feststickstoff ist hauptsachlich Gegenstand akademischer Forschung. Er ist zudem ein wesentlicher Bestandteil von Himmelskorpern im außeren Sonnensystem.
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c-693
Gerard Schmidt (* 13. August 1945 in Koln; † 1. Februar 1995 ebenda) war ein deutscher Journalist, Autor und Theaterleiter. Werdegang Nach dem Abitur machte Gerard Schmidt ein Praktikum am Schauspiel Koln. Anschließend studierte er Philosophie, Germanistik und Kunstgeschichte zunachst in Berlin, spater in Freiburg, wo er zudem am dortigen Stadttheater als Regieassistent und Inspizient tatig war. Von 1969 bis 1977 studierte er in Zurich, legte sich den franzosisierten Vornamen Gerard zu und promovierte 1971 zum Thema Zum Formgesetz des Doktor Faustus von Thomas Mann. Mehrere Jahre lang war er Lokalredakteur beim Kolner Stadt-Anzeiger. Von 1983 bis 1988 hatte Schmidt die Spielleitung des Hanneschen-Theaters inne. Angeblich wurde er dazu ernannt, weil der damalige Kulturdezernent Peter Nestler damit den scharfsten Kritiker des Theaters – „um es zu retten“ – zu dessen Leiter ernannte. Er legte Wert auf den Austausch mit anderen Buhnen und forcierte die Grundung des „Fordervereins der Freunde des Hanneschen-Theaters“, auch engagierte er sich fur die TV-Ubertragung der „Hanneschen“-Puppensitzung im WDR. „Seine innovativen Ambitionen […] erweiterten die Strukturen der tradierten Puppenbuhne, uberforderten sie aber auch zuweilen“, so der Kolner Autor Wolfgang Oelsner. Der Versuch, „zwischen Tradition und Moderne zu balancieren“ (Beispiel: Knolli Horror Schal Schau mit einem Schal, der in Strapsen zu Rockmusik tanzt), fuhrte aber letztlich dazu, dass sein Vertrag nach funf Jahren nicht verlangert wurde. Schmidt war vielfaltig aktiv: Von 1985 bis zur Verschmelzung mit der UNIMA 1992 war er Prasident des Deutschen Bundes fur Puppenspiel. Er war dramaturgischer Berater und Biograf von Trude Herr und verfasste zahlreiche Stucke fur die Volksbuhne, das Hanneschen sowie zwei Divertissementchen. Zudem schrieb er Essays, Bucher, ab 1990 sieben Comics auf Kolsch (Beispiel: De Franzuse kumme! Cologne 1794) sowie zur Kolner Volkskunst und kommentierte den Kolner Rosenmontagszug im Fernsehen. 1982 wurde er fur seine Verdienste um die Kolner Brauchtumspflege in den vom Architekten Jupp Engels gegrundeten Orden als Ritter vom Kallendresser aufgenommen. Gerard Schmidt starb 1995 nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von 49 Jahren. Der Kolner Stadt-Anzeiger schrieb im Nachruf: „Er war ein begeisterter Kolner, ein Mensch voller Phantasie, begeistert vom Spiel mit Worten und dessen optischer Umsetzung, liebenswurdig und humorvoll.“ Er wurde auf dem Kolner Melaten-Friedhof beigesetzt (Feld 64). Publikationen Zum Formgesetz des Doktor Faustus von Thomas Mann. Phil. Diss. Universitat Zurich 1971. Athenaion, Wiesbaden 1976, ISBN 978-3-7997-0262-1. Taschenbuch zur Geschichte, Architektur und Ausstattung des Kolner Doms : aus Anlaß des Jubilaums der Vollendung des Kolner Doms vor hundert Jahren 1880. Greven, Koln 1980. Das Kolsch Hanneschen-Theater. In: Volker Canaris et al. (Hrsg.): Theaterstadt Koln. Prometh, Koln 1986, ISBN 978-3-922009-78-8, S. 183–186. Mit Wilhelm Blassen: Der Schabau vun der Tant – Das Kyogen „Oba ga sake“. In: Universitat Hamburg (Hrsg.): Oriens Extremus. Kultur, Geschichte, Reflexion in Ostasien. Band 32, 1989 (oriens-extremus.org [PDF]). Neues in und aus Knollendorf. Das Kolner „Hanneschen“-Theater zwischen Tradition und Erneuerung. In: Manfred Wegner (Hrsg.): Spiele der Puppe. Beitrage zur Kunst- und Sozialgeschichte des Figurentheaters im 19. und 20. Jahrhundert. Festschrift zum 50-jahrigen Bestehen des Puppentheatermuseums im Munchner Stadtmuseum. Prometh, Koln 1989, ISBN 3-922009-92-1. Mit Martin Muster: Coln Comic. 1–7. Hrsg.: Kolner Bank. Koln 1990. Mit Joachim Romer: Kolsch' Kaviar un' Ahzezupp : vom Essen, Trinken und Feiern in Koln mit alten und neuen Rezepten. Wienand, Koln 1990, ISBN 978-3-87909-206-2. Trude Herr, ihr Leben: „Niemals geht man so ganz ...“ Lubbe, Bergisch Gladbach 1991, ISBN 978-3-404-61214-7. als Herausgeber: Karneval trotz Krieg? : Eine Streitschrift. Koln, Wienand 1991, ISBN 3-87909-257-5. mit Beitragen von u. a. Franz-Josef Antwerpes, Kurt Rossa und Joachim Meisner. Mit Manfred Linke: Karneval in Koln. Ein Fest in Bildern. Koln, Wienand 1991, ISBN 978-3-87909-272-7. Kolsche Stars. Wienand, Koln 1992, ISBN 978-3-87909-286-4. Koln im Bild, Cologne, Keulen. Wienand, Koln 1992, ISBN 978-3-87909-294-9. Literatur Gerard Schmidt. Der neue Mann, der beim kolschen Hanneschen-Theater die Stocke in der Hand halt. In: Winfried Weber, Landschaftsverband Rheinland (Hrsg.): Neues Rheinland. Das Magazin fur die Region. Band 26, Nr. 11. Rheinland-Verlag, Koln 1983, S. 24–25. Gerard Schmidt. In: Everhard Kleinertz (Hrsg.): Das Kolner Autoren-Lexikon 1750–2000, Zweiter Band: 1900–2000, Emons Verlag, Koln 2002, ISBN 3-89705-193-1, S. 254 f. (= Mitteilungen aus dem Stadtarchiv von Koln, 89. Heft) Ulrich S. Soenius, Jurgen Wilhelm (Hrsg.): Kolner Personen-Lexikon. Greven, Koln 2007, ISBN 978-3-7743-0400-0. Einzelnachweise
Gerard Schmidt (* 13. August 1945 in Koln; † 1. Februar 1995 ebenda) war ein deutscher Journalist, Autor und Theaterleiter.
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c-694
Die St.-Rosa-Kapelle (niederlandisch Sint-Rosakapel) ist eine romisch-katholische Kapelle in Sittard in der niederlandischen Provinz Limburg. Sie wurde 1675 im barocken Stil erbaut und ist dem Patrozinium der heiligen Rosa von Lima unterstellt. Seit dem 19. Juli 1967 ist die Kapelle unter der Nummer 33749 als Rijksmonument in das Register als „geschutztes Denkmal im Sinne des Denkmalgesetzes“ aufgenommen. Beschreibung Die Kapelle steht auf dem hochsten Punkt von Sittard, etwa 100 Meter uber dem Meeresspiegel. Sie wurde aus Mergelstein und roten Backsteinen errichtet und an ihren vorderen Ecken mit Pilastern betont, die mit Kapitellen in ionischer Ordnung geschmuckt sind. In der Frontwand der Kapelle ist in den Mergelstein eingraviert: „Hl. Rosa Patrones van Sittard Bescherm onze Stad“. (dt.: Heilige Rosa, Patronin Sittards, behute unsere Stadt). Uber dem Chor ist auf dem Satteldach ein kleiner offener Dachreiter mit einer kleinen Glocke aufgesetzt. Im Inneren sind der Altar mit dem Antependium Werke des 18. Jahrhunderts. Im Altarraum steht eine Statue der heiligen Rosa. Auf dem Prozessionsweg von der Stadt dorthin steht ein Kreuzweg mit sieben kleinen Bildstocken („Fußfalle“), die das Leiden Jesu darstellen. Die Motive im Einzelnen sind: „Jesus im Garten von Getsemani“, „Jesus vor Kaiphas“, „Jesus vor Pontius Pilatus“; „Jesus wird grausam ausgepeitscht“; „Jesus besteigt den Berg Golgata“, „Christus stirbt am Kreuz“ und „Jesus wird ins Grab gelegt“. Vier dieser Bildstocke stammen aus dem Jahr 1907, drei aus dem Jahr 1925. Sie ersetzten Fußfalle aus der Zeit vor dem 19. Jahrhundert und stehen ebenfalls unter Denkmalschutz. Auf dem Weg zur Kapelle gibt es ferner eine separate szenische Darstellung des Gartens Getsemani aus dem ersten Viertel des 20. Jahrhunderts, bestehend aus einer lebensgroßen knienden Jesusstatue und einem Engel, eingebettet in einen großen grottenahnlichen Bau. Außerhalb der großraumig umschlossenen Anlage symbolisieren zwolf Lindenbaume die zwolf Apostel. Geschichte Um das Jahr 1600 erhielt der Protestantismus in Sittard und Umgebung regen Zulauf. Im Zuge der Gegenreformation wurden nach dem Tod des Priesters Franz Agricola, der mehrere Schriften sowohl gegen die Protestanten als auch gegen Hexenverfolgung verfasst hatte, die Dominikaner aus Maastricht mit der Seelsorge beauftragt. Sie errichteten dazu eine Niederlassung in Sittard. Der erste Dominikaner, Jacobus Frederici, kam 1662, 1664 kamen weitere. Sittard wurde in der Mitte des 17. Jahrhunderts von einer schweren Ruhrepidemie heimgesucht. Die Dominikaner von Sittard rieten den Einwohnern, die selige Rosa gegen die Epidemie anzurufen. Da die Dominikaner auch in Peru tatig waren, waren sie mit der ersten außereuropaischen Seligen (und kurz darauf Heiligen), Rosa von Lima, vertraut. Rosa von Lima, geboren als Isabel Flores de Oliva (* 20. April 1586 in Lima, Vizekonigreich Peru; † 24. August 1617 ebenda), war eine peruanische Mystikerin und Dominikaner-Terziarin mit dem Ordensnamen Rosa. Am 15. April 1668 wurde sie von Papst Clemens IX. selig- und am 12. April 1671 von Papst Clemens X. heiliggesprochen. Der Stadtrat von Sittard versprach, die neue Selige Rosa zur Schutzpatronin von Sittard zu erklaren, auf dem hochsten Punkt der Stadt eine Kapelle zu errichten und jedes Jahr eine Prozession fur immer und ewig zu dieser Kapelle abzuhalten. Die erste Prozession war am 9. September 1668 und ging durch die Straßen von Sittard. Die Ruhrepidemie war uberstanden und die Stadtvater von Sittard riefen daraufhin am 3. November 1669 Rosa von Lima zur Schutzpatronin der Stadt aus. Sie ließen ihr zu Ehren die Kapelle auf dem hochsten Punkt der Stadt errichten. Seit ihrer Fertigstellung wird bis zum heutigen Tage am letzten Sonntag im August eine Prozession zu dieser Kapelle abgehalten. St.-Rosa-Prozession Das St.-Rosa-Fest zieht jedes Jahr zahlreiche Besucher an. Die Prozession an diesem Fest gehort nach wie vor zu den Hohepunkten des religiosen Lebens in Sittard. Sie beginnt in der St.-Michaels-Kirche auf dem Markt und steht weiterhin unter dem Motto, der heiligen Rosa fur das Ende der Epidemie zu danken und sie zu bitten, die Stadt dauerhaft vor Unheil zu bewahren. Sie fuhrt entlang der Kollenbergstraat zur Kapelle. Weblinks Die St.-Rosa-Kapelle in reliwiki.nl Webcam Webprasenz St. Rosa-Komitee Sittard auf (sintrosasittard.nl) Einzelnachweise
Die St.-Rosa-Kapelle (niederlandisch Sint-Rosakapel) ist eine romisch-katholische Kapelle in Sittard in der niederlandischen Provinz Limburg. Sie wurde 1675 im barocken Stil erbaut und ist dem Patrozinium der heiligen Rosa von Lima unterstellt. Seit dem 19. Juli 1967 ist die Kapelle unter der Nummer 33749 als Rijksmonument in das Register als „geschutztes Denkmal im Sinne des Denkmalgesetzes“ aufgenommen.
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Nina Metayer (* 2. Mai 1988 in La Rochelle, Charente-Maritime) ist eine franzosische Patissiere. Sie wurde 2016 vom Magazin Le Chef und 2017 vom Restaurantfuhrer Gault et Millau als beste Patissiere des Jahres (meilleur patissier de l’annee) ausgezeichnet. 2023 wurde sie zur besten Patissiere der Welt (meilleure patissiere mondiale) gewahlt. Der Titel wird von der Union internationale des boulangers et patissiers (UIBC, Internationale Vereinigung der Backer und Konditoren) vergeben. Sie ist die erste Frau, die diesen Titel errungen hat. Leben = Ausbildung und Karriere = Nina Metayer wurde 1988 in La Rochelle geboren. Ihre Eltern arbeiteten zeitweise als Gastro-Journalisten. Im Alter von 16 Jahren reiste sie nach Mexiko, wo sie Bilingualitat fur Spanisch erreichte. Sie entdeckte ihre Passion fur die Konditorei durch ein franzosisches Konditoren-Ehepaar, das sie dort kennenlernte. Sie erwarb ein Baccalaureat in Literatur, bevor sie ein staatlich anerkanntes Certificat d’aptitude professionnelle (CAP) in Konditorei abschloss. Sie arbeitete als Lehrling bei Paillat in La Rochelle und ging im Alter von 20 Jahren nach Australien, um dort zu arbeiten. Sie begann in Melbourne in einer Konditorei-Kette, die in Dunsborough nahe von Busselton, Darwin und Port Douglas Filialen hatte. Zuruck in Frankreich erwarb sie 2009 einen weiteren CAP fur Konditorei an der Ecole Ferrandi Paris. Nach dem Abschluss begann sie als Patissiere im Hotel Le Meurice in Paris, unter der Aufsicht von Yannick Alleno, dem Chef de l’Epoque, und Camille Lesecq, dem damaligen Chef Patissier du Moment. Sie selbst wurde Demi-Chef de Partie. Anschließend trat sie ins Hotel Raphael ein, dessen Gourmetrestaurant damals von Amandine Chaignot (* 1979) geleitet wurde. Chaignot gab ihr den Posten der Chef-Konditorin (chef patissier). Dort wurde sie erstmals fur ihre charakteristische Ile Flottante Exotique (Schnee-Eier) von der Atabula-Website wahrgenommen, die ihr Dessert als eines der besten des Jahres 2014 einstufte. Im September 2015 wurde sie von Jean-Francois Piege als Konditorin verpflichtet, der daraufhin sein Grand Restaurant eroffnete. Das Restaurant erhielt im Februar 2016 zwei Sterne im Guide Michelin. 2017 wurde Metayer von Andrey Dellos eingestellt, dem Eigentumer und Grunder der Gruppe Maison Dellos, um die Verantwortung fur suße Kreationen fur die Cafe-Pouchkine-Gruppe (Кафе Пушкинъ) zu ubernehmen, eine Position, die zuvor Julien Alvarez innehatte, und entwickelte als Leiterin der sußen Kreationen ein Sortiment fur den internationalen Vertrieb, von China bis Russland, uber Frankreich und Katar. Sie gibt außerdem Meisterkurse (masterclass) in mehreren Landern, gehort der Jury von Wettbewerben wie dem Bocuse d’Or oder den alle drei Jahre in Paris stattfindenden World Chocolate Masters an und nimmt an verschiedenen Fernsehshows teil. Im Jahr 2019 machte sich Metayer selbststandig und beriet in den Bereichen Haute Pastry (Luxus-Backerei) und Geschaftsentwicklung. Sie kundigte die Eroffnung ihrer eigenen Backerei und Konditorei in London im Mercato Metropolitano an, einem food market im Suden der Stadt. In diesem ehemaligen Kirchengebaude St. Mark gehorte sie zu den Grundungsbetreiberinnen. Anschließend eroffnete sie ein zweites Geschaft in der Nahe der Oxford Street. Sie entwickelte Projekte in Frankreich und weltweit, trug bereits zur Eroffnung von drei Lokalen in London bei und gab den Speisekarten des 1931 Cafe von Jaeger-LeCoultre in drei Landern ihr Geprage sowie den Speisekarten des Chaoyi Buer in Shanghai und des Nina Metayer Cafe in Riad. Im Jahr 2020 eroffnete sie Delicatisserie, ihre erste Pariser Konditorei in Issy-les-Moulineaux, anfangs nur als Internethandel, bevor sie sich Anfang 2021 auch bei Printemps du Gout niederließ. Wahrend ihr Buch Delicate Patisserie bei Editions La Martiniere am 7. Oktober 2021 erschien, widmete sich Nina Metayer auch der Vorbereitung auf den 27. Concours des Meilleurs Ouvriers de France im Bereich Feinbackerei und Konditorei. Am 25. Oktober 2023 gewann sie als erste Frau den Weltmeistertitel als beste Konditorin des Jahres (meilleur patissier de l’annee). Diese Auszeichnung wird von der Union internationale des boulangers et patissiers (UIBC) verliehen. Familie Metayer ist verheiratet und Mutter von zwei Tochtern. In den Medien Metayer trat in verschiedenen Fernsehprogrammen in Frankreich auf, zum Beispiel Le Meilleur Patissier auf M6 und Sucrement bon auf Teva. 2015 nahm sie an der Staffel 3 der Serie Qui sera le prochain grand patissier? (Wer wird der nachste große Konditor?) bei France 2 teil. Sie erreichte den dritten Platz. 2017 war sie Teil der Jury des Bocuse d’Or. Auszeichnungen 2016: Le meilleur dessert des Guide Lebey 2016: Patissiere de l’Annee 2016 des Le Chef 2016: Patissiere de l’Annee 2017 des Gault et Millau 2017: Patissier de l’Annee, GQ Russia. 2017: Eclaireur, Vanity Fair 2017: 1. Platz der Palmares des-de 30 ans, Classement Atabula 2022: Laureate du Talent de l’Audace. Centre du luxe et de la creation 2023: Meilleur Patissier du Monde 2024: Ritterin des Ordre national du Merite Veroffentlichungen Nina Metayer, Annabelle Schachmes: Les choux. Editions First, Paris, 2015, ISBN 978-2-7540-7562-6. Nina Metayer, Mathieu Salome: La Delicate Patisserie: 60 recettes pour une pedagogie en douceur. Editions de la Martiniere, Paris, 2021, ISBN 978-2-7324-9743-3. Weblinks Website von Nina Metayer Nina Metayer: La patisserie parisienne de Nina Metayer a Paris Delicatisserie. Abgerufen am 24. Juni 2024 (franzosisch). Corina Gall: Die beste Patissiere der Welt ist 35 Jahre alt und Franzosin. Bei einer guten Torte komme es auf die Butter an, sagt sie. In: nzz.ch. 5. Januar 2024; abgerufen am 24. Juni 2024. Einzelnachweise
Nina Metayer (* 2. Mai 1988 in La Rochelle, Charente-Maritime) ist eine franzosische Patissiere. Sie wurde 2016 vom Magazin Le Chef und 2017 vom Restaurantfuhrer Gault et Millau als beste Patissiere des Jahres (meilleur patissier de l’annee) ausgezeichnet. 2023 wurde sie zur besten Patissiere der Welt (meilleure patissiere mondiale) gewahlt. Der Titel wird von der Union internationale des boulangers et patissiers (UIBC, Internationale Vereinigung der Backer und Konditoren) vergeben. Sie ist die erste Frau, die diesen Titel errungen hat.
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c-696
Katrin Bittl (* 30. Marz 1994 in Munchen) ist eine deutsche Kunstlerin, die sich in ihren Arbeiten mit gesellschaftlichen Idealbildern und Normvorstellungen beschaftigt. Als Frau mit Behinderung behandelt sie ihren eigenen Korper in Malerei, Videos, Installationen, Animationen und Performances. Neben der Kunst betatigt sich Bittl unter anderem als Autorin und Rednerin zu den Themen Intersektionalitat von Frauen mit Behinderung, Kunst und Inklusion. Werdegang Katrin Bittl wurde mit Spinaler Muskelatrophie geboren, einem Muskelschwund, der zu Lahmungen fuhrt. Sie besuchte eine Forderschule. Damals wurde ihr davon abgeraten, die Kunst als berufliches Ziel zu verfolgen. Nach der Schule begann sie deshalb ein Studium der Sozialen Arbeit. Dort erlebte sie Diskriminierung und Ausgrenzung. Sie brach dieses ab, als sie zum Studium an der Akademie der Bildenden Kunste Munchen aufgenommen wurde. Dort studierte sie ab 2017 in der Klasse von Hermann Pitz. Durch ihre Erfahrungen im vorherigen Studium frustriert, durfte Bittl an der Akademie erfahren, dass ihre Behinderung in den Hintergrund trat und sie vielmehr Aufmerksamkeit fur ihre Fertigkeiten erhielt. Ihre Diplomarbeit wurde 2023 mit dem Preis des Akademievereins ausgezeichnet. In der begleitenden Ausstellung der ausgezeichneten Absolventen zeigte Bittl in einer Video-Performance, was fur sie Freiheit und Autonomie bedeuten: Der Blick aufs Wasser – nackt, in einem Personenlifter. Im Nachhinein ist ihr Fazit, dass sie durch das Kunststudium andere Menschen viel besser unterstutzen und die Gesellschaft wirkungsvoller verandern kann, als es ihr als Sozialarbeiterin moglich gewesen ware. Zudem habe es zu ihrer personlichen Entwicklung beigetragen. Bittl lebt und arbeitet in Dachau. Auseinandersetzung mit Behinderung Bittl außerte 2019, dass alle Menschen als „funktional divers“ betitelt werden sollten, weil es vom Label der „Behinderung“ befreie. Statt den Blickpunkt auf Einschrankungen zu legen, orientiere sich diese Sichtweise an den Fahigkeiten eines Menschen. Bittl sagt, „Behinderung beginnt in den Kopfen der Menschen.“ (Katrin Bittl: Reha Care) und meint damit sowohl Nicht-Behinderte als auch Behinderte, „Man ist immer nur so ‚behindert‘ wie man sich fuhlt.“ Spater distanzierte sie sich von der Aussage und sieht es als wichtig an, Menschen als behindert zu bezeichnen. Vorurteile gegenuber Behinderten fuhrten laut Bittl auch „manchmal unweigerlich zu Komik.“ (Katrin Bittl: Reha Care) Bittl erfuhr erst als Erwachsene von den Moglichkeiten, wie sie ein selbstbestimmtes, selbststandiges Leben fuhren kann. Entscheidend, um sich als Mensch mit Behinderung ein selbstbestimmtes Leben aufzubauen, sind nach Bittl familiare und finanzielle Unterstutzung sowie Bildung. Diese Attribute seien aufgrund von Politik und Burokratie Privilegien, die nur wenigen zur Verfugung stunden. Heute lebt sie mit Assistenz. = Behinderung und Kunst = Ein Ziel ihrer Arbeit ist, das Selbstbewusstsein fur Frauen mit Behinderung mithilfe ihrer Kunst starken. Durch das Kunststudium verschob sich Bittls eigener Schwerpunkt, vom Thema Behinderung hin zur kunstlerischen Tatigkeit, zu ihrem Konnen. Die Behinderung wandelte sich vom Alleinstellungsmerkmal zur Selbstverstandlichkeit. Die Kunst vermoge es, den Menschen hinter der Behinderung sichtbar zu machen. Sie schaffe, das wahre Leben dieser Menschen zu zeigen, frei vom verzerrenden „Behindertenfilter“. Korperliche Einschrankungen erfordern Zeitaufwand, weshalb die Anzahl an Werken, die Bittl produzieren kann, geringer ist, als sie es mutmaßlich ohne Korperbehinderung ware. Kunstlerisches Schaffen Bittl untersucht ihren eigenen Korper als Frau mit Behinderung und gesellschaftliche Idealbilder auf zahlreichen kunstlerischen Ebenen, wie Zeichnung, Malerei, Installation, Video, Performance, Animation und KI-Technologie. Der eigene Korper dient ihr dabei als Reflexionsflache. Sie dekonstruiert Korper durch Skalierungen, Ubermalungen und neue Zusammenhange. Als weiteren Schritt beleuchtet sie den Zusammenhang von Rollenerwartungen, Selbstbestimmung und Autonomie. Sie zeigt dem Betrachter ungeschont die Wahrnehmung der Gesellschaft von Normalitat und Andersartigem. Ihre kunstlerische Auseinandersetzung mit dem menschlichen Korper und den damit gesellschaftlichen Strukturen und Normvorstellungen wurde als „fantastisch“, „durchaus humorvoll“ und „hintergrundig“ beschrieben. Biographischen Charakter erhalten die Arbeiten durch zahlreiche Selbstportrats, aber auch den Einbezug privater Gegenstande wie Mobelstucken. „Besonders gut finde ich auch, dass die Bilder auch unabhangig vom politischen Diskurs funktionieren“, lobte ihr Professor Hermann Pitz. Als Inspiration fur ihr kunstlerisches Schaffen nennt Bittl Eugen Kellermeier. = Kleinformat = Bittl hat sich auf kleinformatige Olbilder und Zeichnungen spezialisiert, von ungefahr 6 × 8 cm. Ebenso integriert sie Mini-Videodisplays in ihre Objekte. Eine „spannende kunstlerische Herausforderung durch eine formale Beschrankung“, beschreibt es ihr Professor. Betrachtende mussen sich den Objekten zuneigen, um sie zu erkennen. Oder, wie es ein Feuilleton beschreibt: „Will man verstehen, wie vielfaltig eine Gesellschaft ist, muss man sich ihr zuwenden.“ = Ubermalungen = Als Kunststudentin, im Alter von 26 Jahren, kreierte Bittl eine Serie von Bildern, die sogenannten „Ubermalungen“. Als Vorlagen dienten bekannte, kunsthistorische Gemalde, großtenteils Portrats. Sie erstellt Kopien der Gemalde, mit dem Unterschied, dass bei ihr die dargestellten Personen offensichtliche Versehrungen und Beeintrachtigungen haben. Die Originalgemalde zeigen bereits zum Ideal manipulierte Korper, die Bittl weiter manipuliert. Sie verwendet gedruckte Reproduktionen, die sie von Hand mit Pinsel und Acrylfarben ubermalt. Dieser personliche Prozess ist der Kunstlerin wichtig. Die dadurch entstehende unebene Oberflache ist fur sie ein Symbol fur Narben, die eine Manipulation hinterlasst. Dargestellt sind beispielsweise: Erzherzogin Magdalena von Osterreich mit einer Hasenscharte, Marie Antoinette mit fehlender Hand, Henriette von Carlowitz mit einem Beatmungsschlauch oder Caspar David Friedrichs Wanderer uber dem Nebelmeer mit Unterbeinprothese. Um wen es sich bei den dargestellten Personlichkeiten handelt, stand dabei im Hintergrund. Die Gemalde stehen vielmehr als Sinnbild fur eine manipulierte asthetische Darstellung und die Rolle der Malerei als Statussymbol. Bittls Ubermalungen zeigen Personen, die uber Aonen ein Randdasein fristeten und nicht dargestellt wurden. In der Ausstellung des International Munich Artlab hingen drei der Portrats an der Wand uber einem Nachtkastchen. Dieses Mobel, das ehedem ihrer Großmutter gehorte, fugte die Kunstlerin als privaten Akzent hinzu. Bittl erfuhr starke Reaktionen auf ihre Arbeit. So wurde ihr von einer Besucherin beispielsweise vorgehalten, sie wurde die Kunstgeschichte „verschandeln“. Bittl kontert derart „absurde Reaktionen“ mit einem „großen Lacher“. Ihr zeige es das Stigma auf, das Menschen mit Behinderung noch immer anhafte. Kontrar dazu wurde diese Arbeit auch als Botschaft aufgenommen, dass Frauen mit Behinderung schon sind und sich nicht verstecken mussen. = Selbstportrats = Ein Schwerpunkt in Bittls Arbeiten sind Selbstportrats. In den Portrats zeigt sie „Korper wie meinen“ in neuen, in der Realitat unmoglichen Umgebungen und Moglichkeiten. Sie malt ihren Korper oftmals liegend, ohne Rollstuhl. Bittl arbeitet in ihren Selbstportrats nach speziellen Methoden. Sie erstellt digitale Zeichnungen, die sie wasserloslich ausdruckt und anschließend mit Aquarellfarben anlost und bemalt. Eine weitere Methode ist die Weiterbearbeitung am Computer. Dafur legt sie mehrere Bilder ubereinander und fugt sie in kurzen Videos zusammen. Die so entstehenden Bewegungen konnte sie im Alltag teilweise nur schwer ausfuhren. Bittls Professor bezeichnet ihre Selbstportrats als „starke Position“, in der man „das Fantastische“ sehe. Weitere Rezeptionen beschreiben die Werke als zart, traumerisch und sehr intim. = Pflanzenwelt = Bittl fuhlt sich Pflanzen privat wie kunstlerisch sehr verbunden. Ihr Atelier beheimatet mehrere Pflanzen und hat einen Blick in den Garten. Sie empfindet sich einer Pflanze ahnlich, zwar fahig zu kommunizieren, aber ein passives Wesen, nicht in der Lage, sich von selbst im Raum zu bewegen, ortsgebunden. Steht eine „normative Person“ neben Bittl, wurde Bittl in der Vergangenheit von einer KI, welche nicht mit Bildern ihrer Behinderung trainiert wurde, schon als Pflanze identifiziert. Dies sei laut Bittl ein Beweis fur „Diskriminierung und Benachteiligung von Nichtnormativen Korpern“ (Katrin Bittl: EUCREA Verband Kunst und Behinderung). Auf der politischen Ebene sieht sie in einer Pflanze „fast schon eine Kritik an unserer Leistungsgesellschaft.“ Eine Pflanze konne einfach sein, ohne dass ihre Existenz oder ihre Produktivitat hinterfragt werde, „so wie man es bei mir auch annehmen konnte“ (Katrin Bittl: Suddeutsche Zeitung). Ihre Arbeit I am a plant (englisch Ich bin eine Pflanze) besteht zunachst augenscheinlich aus einer zierlichen Kommode, die einen großen Gummibaum tragt. Erst in der Schublade des Mobels sieht der Betrachtende auf einem kleinen Display ein einminutiges Video als Selbstportrat. Das Filmchen zeigt Bittls Korper auf der Seite, in Embryonalhaltung liegend, auf Parkett umgeben von Gummibaumen. Die Anmutung wurde in einem Artikel mit dem Daumelinchen aus Hans Christian Andersens Marchen verglichen, was die Kunstlerin als unpassend empfand. Die Video-Arbeit Harvest (englisch Ernte) zeigt zwei korperbehinderte, nackte Frauen, eine davon Katrin Bittl, am Rand eines Waldes. Wahrend Bittl in einem automatischen Personenlifter mit Schlingen in einem Baum „hangt“, spaziert die Filmpartnerin durchs Grun. Zeitweise bedient sie den Lifter und nimmt von Bittl einen Apfel entgegen.Die Anmutung ist naturlich und unpratentios. Die Szene verbreite eine „stille Heiterkeit“. Dieses Werk ließe sich als Disability Body Art Performance beschreiben. Die Maschine aus dem Pflegebereich außerhalb des ublichen Zusammenhangs stellt die Rolle von Behinderten in der gesellschaftlichen Wahrnehmung heraus. Die Werke wurden in einer Doppelausstellung mit Bildern von Reiner Heidorn 2023 in Munchen gezeigt. Das Thema der Pflanzen vereinte die Werke beider Kunstler, wobei sogar Miniaturen von Bittl auf einige von Heidorns Bilder appliziert wurden. Ausstellende Galerie war die Galerie Bezirk Oberbayern, die zeitgleich zur Vernissage ihr 25-jahriges Bestehen und zehn Jahre Galeriearbeit unter dem Motto Kunst inklusive! feierte. Ausstellungen (Auswahl) 2023: We are plants, Galerie Bezirk Oberbayern, Munchen 2023: PRESENTS2023, Videoscreening, HAU Berlin und Vivo Vancouver 2023: Debutant*innen 2023 der Akademie der bildenden Kunste, Munchen, Halle 6, Munchen 2022: This body is mine, Platform, Munchen Auszeichnungen und Forderungen 2023 Preis des Akademievereins, Akademie der Bildenden Kunste Munchen, Munchen 2022 Residenzforderung #takeHeart, HAU Hebbel am Ufer, Berlin Weitere berufliche Aktivitaten Katrin Bittl ist politisch stark engagiert. Sie setzt sich uber mehrere Tatigkeitsfelder fur die Rechte von Behinderten, behinderten Kunstlern und fur Frauenrechte ein. = Autorin = Als freie Autorin schreibt Bittl zu den Themen Intersektionalitat von Frauen mit Behinderung, Kunst und Inklusion. Fur den Behindertenaktivisten Raul Krauthausen schrieb sie Kolumnen. Veroffentlichungen Svenja Reiner, Simon Sievers, Henning Mohr et al.: Systemkritik! Essays fur eine Kulturpolitik der Transformation. 2023. Auflage. transcript Verlag, Bielefeld 2023, ISBN 978-3-8376-6655-7, Kunst kann Barrieren versetzen, S. 137–140, doi:10.14361/9783839466551-toc (E-Book ISBN 978-3-8394-6655-1). = Rednerin = Als Rednerin halt sie Vortrage zum Thema Kunst und Inklusion. Sie wird eingeladen zu politischen Diskussionen oder offentlichen Podiumsdiskussionen zum Thema Kunst, Behinderung und Inklusionsdiskurs. Bittl veroffentlicht Beitrage in den sozialen Medien. Dort sprach sie beispielsweise mehrmals in der Sendung von Raul Krauthausen. = Vorstandin = Im Marz 2024 gab die Akademie der Bildenden Kunste Munchen bekannt, dass Katrin Bittl fortan Mitglied des Hochschulrats ist. Des Weiteren ist Bittl Vorstandsmitglied des eingetragenen Vereins „EUCREA Verband Kunst und Behinderung“. Nicht nur im Rahmen dessen arbeitet sie mit verschiedensten inklusiven Kunstprojekten zusammen. Eine weitere Zusammenarbeit besteht mit den Netzwerkfrauen Bayern. Sie bietet Kunst-Workshops fur Frauenprojekte und zum Thema Frau-Sein an. = Peer-Beraterin = Abseits der Kunst arbeitet Bittl als Beraterin zum Thema ‚selbstbestimmt Leben‘ fur Behinderte, motiviert durch eigene Erfahrungen. Weblinks Website von Katrin Bittl Einzelnachweise
Katrin Bittl (* 30. Marz 1994 in Munchen) ist eine deutsche Kunstlerin, die sich in ihren Arbeiten mit gesellschaftlichen Idealbildern und Normvorstellungen beschaftigt. Als Frau mit Behinderung behandelt sie ihren eigenen Korper in Malerei, Videos, Installationen, Animationen und Performances. Neben der Kunst betatigt sich Bittl unter anderem als Autorin und Rednerin zu den Themen Intersektionalitat von Frauen mit Behinderung, Kunst und Inklusion.
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c-697
Huderpfanne bezeichnet eine kleine Mulde im sandigen, trockenen Boden, die beim Staub- oder Sandbaden von Vogeln durch Scharren, Flugelschlagen und Gefiederschutteln entsteht. Solche flachen Vertiefungen heißen im Vokabular der Jagerschaft, der Jagersprache, Huderpfanne oder auch Huderplatz. Sie befinden sich oft an sonnigen Waldrandern. Die Huderpfanne entsteht als sichtbare Vertiefung mit wenig Vegetation, weil Vogel zum Sandbaden, also dem Hudern, oft dieselbe Stelle aufsuchen. Die Bezeichnung hudern bedeutet einerseits, dass ein Elternteil schutzend die Kuken unter seine Fittiche nimmt, andererseits bedeutet hudern, dass Vogel in trockenem Bodensubstrat baden. In beiden Fallen hockt sich der hudernde Vogel hin. Abgeleitet ist hudern im Sinne von sich niederkauern von ehemals regional verbreiteten Wortern wie hoddern. Staub- oder Sandbaden ist Teil des Komfortverhaltens, das dem Wohlbefinden der Tiere und der Pflege des Federkleids dient. Es kommt am ehesten bei bodenlebenden Vogelarten vor, insbesondere bei Huhnervogeln wie dem Auerhuhn. Das Trockenbad zeigen auch Sperlinge und der Zaunkonig. Fur verschiedene Taubenarten wurde es ebenfalls beschrieben. Eine Huderpfanne im sandigen, trockenen Boden ist fur Jager ein Hinweis auf das Vorkommen von Raufußhuhnern wie dem Auer- und Haselhuhn beziehungsweise auf Feldhuhner wie dem Rebhuhn. Bei anderen Vogelarten, die fur die Jagerschaft bedeutungslos sind, heißt eine Mulde, die beim Sandbaden entsteht, nicht Huderpfanne. In der Wissenschaft und im Naturschutz werden die Huderpfannen, also charakteristische Staub- oder Sandbadestellen von bestimmten Vogelarten, systematisch erfasst, um deren Vorkommen und Verbreitung zu ermitteln. Die genetische Analyse von Federn und Hinterlassenschaften wie dem Kot, auch Losung genannt, ermoglicht es, den Bestand und seine Entwicklung im Sinne eines Monitorings zu kontrollieren. Einzelnachweise
Huderpfanne bezeichnet eine kleine Mulde im sandigen, trockenen Boden, die beim Staub- oder Sandbaden von Vogeln durch Scharren, Flugelschlagen und Gefiederschutteln entsteht. Solche flachen Vertiefungen heißen im Vokabular der Jagerschaft, der Jagersprache, Huderpfanne oder auch Huderplatz. Sie befinden sich oft an sonnigen Waldrandern. Die Huderpfanne entsteht als sichtbare Vertiefung mit wenig Vegetation, weil Vogel zum Sandbaden, also dem Hudern, oft dieselbe Stelle aufsuchen. Die Bezeichnung hudern bedeutet einerseits, dass ein Elternteil schutzend die Kuken unter seine Fittiche nimmt, andererseits bedeutet hudern, dass Vogel in trockenem Bodensubstrat baden. In beiden Fallen hockt sich der hudernde Vogel hin. Abgeleitet ist hudern im Sinne von sich niederkauern von ehemals regional verbreiteten Wortern wie hoddern. Staub- oder Sandbaden ist Teil des Komfortverhaltens, das dem Wohlbefinden der Tiere und der Pflege des Federkleids dient. Es kommt am ehesten bei bodenlebenden Vogelarten vor, insbesondere bei Huhnervogeln wie dem Auerhuhn. Das Trockenbad zeigen auch Sperlinge und der Zaunkonig. Fur verschiedene Taubenarten wurde es ebenfalls beschrieben. Eine Huderpfanne im sandigen, trockenen Boden ist fur Jager ein Hinweis auf das Vorkommen von Raufußhuhnern wie dem Auer- und Haselhuhn beziehungsweise auf Feldhuhner wie dem Rebhuhn. Bei anderen Vogelarten, die fur die Jagerschaft bedeutungslos sind, heißt eine Mulde, die beim Sandbaden entsteht, nicht Huderpfanne. In der Wissenschaft und im Naturschutz werden die Huderpfannen, also charakteristische Staub- oder Sandbadestellen von bestimmten Vogelarten, systematisch erfasst, um deren Vorkommen und Verbreitung zu ermitteln. Die genetische Analyse von Federn und Hinterlassenschaften wie dem Kot, auch Losung genannt, ermoglicht es, den Bestand und seine Entwicklung im Sinne eines Monitorings zu kontrollieren.
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c-698
Hibrido de Timor (HT, HdT, HDT oder HT CIFC 4106), deutsch Hybride von Timor, ist ein in der damaligen Kolonie Portugiesisch-Timor naturlich entstandener Hybride aus Arabica- und Robusta-Kaffee. Geschichte Seit dem 19. Jahrhundert vernichtete der Kaffeerost (Hemileia vastatrix) weltweit Arabica-Kaffeeanpflanzungen. 1880 trat die Pilzkrankheit erstmals in Portugiesisch-Timor (dem heutigen Osttimor) auf. Wahrend man im Gebiet des heutigen Indonesiens von Arabica-Kaffee zu Robusta-Kaffee wechselte, blieben in Portugiesisch-Timor Arabica-Pflanzen im Hochland erhalten, wo die Krankheit nicht so stark wutete. Je nach Quelle wurde 1917 oder 1927 in Mata Nova (Suco Fatubessi, Ermera) von der Sociedade Agricola Patria e Trabalho (SAPT) eine Kaffeeplantage mit Arabica-Pflanzen (Varietat Typica) angelegt. Hier entdeckte man eine naturliche Hybridpflanze, deren Bohnen den milden Geschmack des Arabica-Kaffees hatten, die aber gleichzeitig wie Robusta immun gegen die Pilzkrankheit war. Ab 1945 verwendete die SAPT die Samen des Baumes zur Verbreitung des Hybriden in Portugiesisch-Timor. Die Entdeckung des „Hibrido de Timor“ fuhrte 1955 zur Grundung des Centro de Investigacao das Ferrugens do Cafeeiro (CIFC, deutsch Forschungszentrum fur Kaffeerost) in Oeiras (Portugal). Die Vereinigten Staaten unterstutzten das CIFC wegen der Sorge um die Kaffeeplantagen in Mittel- und Sudamerika. Ein Ausbruch des Kaffeerosts hatte in diesen Staaten zu Wirtschaftskrisen fuhren konnen. Das CIFC erhielt Saatgut des Hybriden zur Untersuchung und Zuchtung. Ab 1960 wurden die ersten Samen und Zuchtungen aus den Hybriden in den Kaffeeanbaulandern Indien, Tansania, Kenia, Angola, Brasilien, Costa Rica und Kolumbien verteilt. Heute stammen uber 90 Prozent der gegen Kaffeerost resistenten Kaffeepflanzen direkt oder indirekt aus Studien des CIFC, mit dem Hibrido de Timor als ihre Grundlage. Es gibt zahlreiche von ihm abgeleitete Linien und Hybriden, die in uber 50 Landern angebaut werden. 2024 schlug die Associacao Cafe Timor (Kaffeevereinigung von Osttimor) daher vor, den Hibrido de Timor in die Liste des UNESCO-Welterbes aufzunehmen, bezugnehmend auf einen Artikel von Wissenschaftlern der Universidade Nasional Timor Lorosa’e (UNTL) und der Universitat Evora. Die Ursprungspflanze Die ursprungliche Hybridpflanze wird 1969 als vollstandig vertrockneter Baumstamm beschrieben, der aber trotzdem mit Blattern bedeckt war, im Gegensatz zu den umliegenden Pflanzen, die fast keine Blatter mehr besaßen. Die neun Meter hohe Pflanze hatte eine sehr kleine Fruchtbildung und fast alle Samen schienen vom Typ „moca“ oder „caracoli“ zu sein. Die Blatter glichen dem Robusta-Kaffee, wiesen aber einen Einsetzungswinkel der Sekundarnerven auf, der dem Arabica-Kaffee ahnelt. Zwischen 1962 und 1975 blieb die Pflanze von Kaffeerost-Ausbruchen in der Umgebung verschont. Am 29. September 2012 fand ein Team der Universitat Evora die Originalpflanze in Mata Nova (Malhui) auf einer Hohe von etwa 840 m wieder. Fur das CIFC in Portugal nahm man neun Samen und zwei Blatter des Baumes mit. Die Pflanze besuchte man am 20. Oktober nochmals, gemeinsam mit Mitgliedern der Fakultat fur Landwirtschaft der UNTL. In der Folge wurden Messungen durchgefuhrt und Bilder von Zweigen, Bluten und anderen Pflanzenteilen gemacht. Die Pflanze ist nur noch 3,82 m hoch, hat nur zwei Triebe und wirkt sehr fragil. Der alte Haupttrieb fehlt. Geht man davon aus, dass eine Kaffeepflanze erst ab dem Alter von funf Jahren Samen produziert und die SAPT ab 1945 den Samen der Ursprungspflanze zur Verbreitung in ihren Plantagen verwendete, war die Pflanze bei ihrer „Wiederentdeckung“ fur die Wissenschaft bereits 72 Jahre alt. Die Pflanze gilt bei der lokalen Bevolkerung als „heilig“ (lulik). Biologischer Hintergrund Wahrscheinlich stammt Hibrido de Timor von einer einzigen Pflanze ab, die sich als immun gegen 23 Varianten von Hemileia vastatrix erwies. Bei der Entdeckung war uberraschend, dass es sich nach Untersuchungen der portugiesischen Uberseemission fur Landwirtschaftliche Studien (MEAU) um einen naturlichen Hybriden von Arabica- und Robusta-Kaffee handelt. Da die beiden Kaffeearten unterschiedliche Anzahlen von Chromosomen (Arabica: 2n=4x=44; Robusta: 2n=2x=22) haben, hielt man eine naturliche Kreuzung fur unmoglich. Allerdings ist Coffea arabica selbst ein naturlicher Hybride, der vor 10.000 bis 15.000 Jahren aus dem Robusta-Kaffee (Coffea canephora) und Coffea eugenioides entstand. Pflanzen des ursprunglichen Hibrido de Timor haben eine hohe Blute- und geringe Fruchtbildung. Sie zeigen eine sehr starke Heterogenitat bei ihrem morphologischen Erscheinungsbild, wobei alle durch ihre großere Hohe auffallen. Auch zeigt Hibrido de Timor eine große genetische Vielfalt, die nur vom Robusta-Kaffee ubertroffen wird. Dabei ist der Hibrido de Timor weiterhin genetisch dem Arabica-Kaffee am ahnlichsten, mit dem er zwei Drittel seines Genoms teilt. Die Zuchtungen und Hybriden, die vom Hibrido de Timor abstammen, haben wieder Genmaterial vom Arabica-Kaffee eingebaut, die Resistenzgene aber behalten, die der Hybride vom Robusta-Kaffee ubernahm. Diese Resistenzgene (insbesondere das SH3-Gen) sind der Grund fur die Widerstandsfahigkeit gegen Kaffeerost. Auch gegen Colletotrichum kahawae (Coffee Berry Disease), Wurzelgallennematoden (Meloidgyne exigua) und Kaffee-Bakteriose (Pseudomanas syringae pv Garcae) ist der Hibrido de Timor widerstandsfahiger. Es lassen sich mehrere Hauptlinien der Hybriden unterscheiden, die aus dem Hibrido de Timor entwickelt wurden: Catimor-Linie (aus Hibrido de Timor und Caturra) Sarchimore-Linie (aus Hibrido de Timor und Villa Sarchi) Cavimor-Linie (aus Hibrido de Timor und Catuai) Icatu-Linie (aus Hibrido de Timor und Mundo Novo) SLN9-Linie (aus Hibrido de Timor und Tafarikela) Ruiru-Linie (aus Hibrido de Timor und Rume Sudan) Kreuzungen bilden keine Fruchte, wenn der Hibrido de Timor als Mutterpflanze verwendet wird. Bewertung Im Geschmack werden den Kaffeesorten des Hibrido de Timor „feine Steinobstnoten, mit Tonen von Aprikose, Pfirsich, Kirsche, Mango und Pflaumen“ zugesprochen. Außerdem entwickelt der Kaffee „Vanille- und Karamellaromen sowie Nussnoten“. Insgesamt wurden die Sorten aber allgemein unterschatzt und seien oft unbekannt. 2003 machte ein Forschungsergebnis ausgerechnet den Teil des Genoms als Verursacher der angeblich schlechteren „cup quality“ aus, der fur die zahlreichen Resistenzen des Hibrido de Timor verantwortlich ist. Eine Studie aus dem Jahr 2020 widerlegte den Vorwurf eines Unterschieds in der Qualitat zwischen Arabica-Kaffee und Cultivaren des Hibrido de Timor mit den Resistenzgenen. Hibrido de Timor habe sich damit als Geber der Resistenzen fur Arabica-Kaffees mit der gleichen guten Qualitat bewahrt, wofur der Bourbon-Arabica geschatzt wird. Es gabe aber trotzdem hartnackige Vorurteile gegen den Hibrido de Timor, dessen Anbau auch den Einsatz von Fungiziden und Herbiziden in den weit verbreiteten Typica- und Bourbon-Kaffeeplantagen deutlich reduzieren konnte. Den beiden traditionellen Hauptvarietaten des Arabica-Kaffees fehlt es an den Resistenzgenen. 2009 wurden diese Pestizide auf Kupferbasis im Wert von 2 bis 2,5 Milliarden US-Dollar eingesetzt. Sie konnten gerade bei Kaffeebauern in den Entwicklungslandern durch den Anbau von Cultivaren des Hibrido de Timor eingespart werden. Literatur R. A. Silva, L. Zambolim, I. S. L. Castro, H. S. Rodrigues, C. D. Cruz, E. T. Caixeta: The Hibrido de Timor germplasm: identification of molecular diversity and resistance sources to coffee berry disease and leaf rust, Euphytica (2018) 214:153. Weblinks O Hibrido de Timor, Video uber die Expedition zur Suche nach der Ursprungspflanze (portugiesisch, Dauer: 5:32). Homepage des CIFC Einzelnachweise
Hibrido de Timor (HT, HdT, HDT oder HT CIFC 4106), deutsch Hybride von Timor, ist ein in der damaligen Kolonie Portugiesisch-Timor naturlich entstandener Hybride aus Arabica- und Robusta-Kaffee.
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c-699
Nearlin „Lynn“ Taitt (* 22. Juni 1934 in San Fernando; † 20. Januar 2010 in Montreal) war ein Arrangeur und Gitarrist aus Trinidad und Tobago. Als Pionier des Rocksteady pragte er den Ubergang vom Ska zum Reggae und war an der Aufnahme von uber 1500 Songs beteiligt, darunter Take It Easy von Hopeton Lewis, Tougher Than Tough von Derrick Morgan und 007 (Shanty Town) von Desmond Dekker. Werdegang Nearlin „Lynn“ Taitt kam als zweiter von vier Sohnen eines Schiffbauers auf Trinidad zur Welt. Schon in jungen Jahren zeigte Nearlin musikalisches Interesse und Rhythmusgefuhl. Mit seinem Bruder Cedric grundete er im Alter von zirka 8 Jahren eine Steelband namens Seabees, die auf Schulfesten auftrat. Neben der Steelpan spielte Nearlin Cuatro, ein sudamerikanisches Saiteninstrument. Mit 22 Jahren gewann er bei einem inselweiten Musikwettbewerb den ersten Preis. Spater wechselte er von der Steeldrum zur Gitarre und spielte mit dreien seiner alten Bandkollegen Latin Jazz in einer Band namens The Dutchy Brothers. Ende der 1950er Jahre grundete er mit dem Nearlin Taitt Orchestra seine eigene Formation. Anfang August 1963 kam der Trinidader mit seinem siebenkopfigen Orchester nach Jamaika, um mit den Calypso-Musikern Lord Melody und Lord Cristo aufzutreten. Als am Ende der zweiwochigen Tournee die beiden Manager mit der Gage verschwanden, blieben die Musiker auf der Insel zuruck. Mit Hilfe des jamaikanischen Musikers und Promoters Byron Lee bekam Taitt eine Arbeitserlaubnis und einen Musikerjob. Taitt spielte kurzzeitig als Rhythmusgitarrist bei der Skaband The Sheikhs, aus der dann die Tanzkapelle The Cavaliers hervorging. Zur Besetzung gehorten Musiker wie Jackie Mittoo, Lloyd Knibb, Johnny Moore, Roy Sterling und Headley Bennett. Taitts erste Plattenaufnahme, Baba Brooks Ska-Komposition Shank I Sheck, entwickelte sich zu einem erfolgreichen Instrumental-Hit. Der Musikproduzent Duke Reid buchte ihn daraufhin als Vollzeit-Arrangeur und Gitarristen fur seine Studioband. Nebenher arbeitete Taitt an Sonntagen auch fur dessen Konkurrenten Coxsone Dodd. Die Leitung der Skatalites lehnte er ab, stattdessen grundete er im Sommer 1965 die Band The Comets mit Gladstone Anderson am Klavier, Ron Wilson an der Posaune, Carlton Samuels am Saxophon, Lloyd Spence am Bass, Lloyd Knibb am Schlagzeug und Winston Wright an der Orgel. Anfang 1966 grundete er die Combo Lynn Taitt & The Jets, die hauptsachlich als Studioband aktiv war. Im Jahr 1967 nahm ihn Prince Buster fur anderthalb Monate mit auf eine Tournee durch England. Im Oktober 1966 kam der Sanger Hopeton Lewis in die Studios von Federal Records, um seine neue Komposition Take It Easy aufzunehmen. Lewis hatte Probleme damit, seinen Liedtext uber den schnellen Ska-Beat zu singen. Taitt als Arrangeur und Kopf der Studioband schlug seinem Pianisten Gladstone Anderson vor, das Lied dem Liedtext entsprechend („Take you time, no need to hurry“) verlangsamt und nicht als hektischen Ska einzuspielen. Durch die Entschleunigung bekam der Basslauf mehr Freiraum. Taitt entwickelte eine dazu passende Basslinie und begleitete sie unisono auf seiner Gitarre. Daraufhin sagte Gladstone Anderson: „This one rock steady you know. This one a rock steady.“ So entstand eine neue Musikrichtung mit der Bezeichnung Rocksteady. Als erstes Rocksteady-Stuck werden gelegentlich auch Tougher Than Tough von Derrick Morgan und Girl I’ve Got a Date von Alton Ellis genannt. Alle drei Lieder wurden von Lynn Taitt arrangiert. Nach insgesamt funf Jahren verließ Taitt am 8. August 1968 Jamaika und wechselte auf Einladung der jamaikanischen Regierung nach Kanada, um fur ein Jahr in Toronto die Hausband des West Indies Federated Club zu leiten. Erst 1973 kehrte er fur einen Kurzbesuch nach Jamaika zuruck. Einige Jahre spater zog er nach Montreal, wo er seinen Lebensabend verbrachte. Familie Nearlins altester Bruder Glenville Taitt ist Senator auf Trinidad. Stimmen Die verwendeten Zitate stammen aus Interviews, die Kenneth Bilby im Jahr 2005 mit Musikern aus Jamaika fuhrte. Diskografie (Auswahl) = Bandleader = Singles 1961: Ansiedad-Calypso von Nearlin Taitt & his Orchestra (Kay Records) 1961: Gray Clouds b/w Marlena von Nearlin Taitt & his Orchestra (Kay Records) 1966: Pata Pata von Lynn Taitt (Merritone 7″ Single, erschienen bei Federal Records) Alben 1967: Rock Steady: Greatest Hits von Lynn Taitt & the Jets (Merritone / Island Records) 1968: Glad Sounds von Gladstone „Gladdy“ Anderson & Lynn Taitt & The Jets (Merritone / Big Shot) 2005: Hold Me Tight: Anthology 65–73 (Trojan) 2004: Hot & Rich: Rocksteady mit Lynn Taitt & The Jets and Beverlys All Stars (Reggae Retro) = Begleitmusiker = 1966: Take It Easy von Hopeton Lewis (Merritone) 1966: Tougher Than Tough von Derrick Morgan (Beverley’s / Pyramid) 1967: Girl I’ve Got a Date von Alton Ellis & The Flames (Treasure Isle) 1967: 007 (Shanty Town) von Desmond Dekker & The Aces (Beverly’s / Pyramid) 1967: Stop That Train von Keith & Tex 1968: Train to Skaville von The Ethiopians (WIRL) Filmografie Rock Steady: The Roots of Reggae, Regie: Stascha Bader, 2009. Literatur David Katz: Solid Foundation: An Oral History of Reggae. Foreword by Jacqueline Crooks. White Rabbit, London 2024, ISBN 978-1-3996-0614-1. Weblinks Lynn Taitt bei AllMusic (englisch) Lynn Taitt bei Discogs Lynn Taitt & The Jets bei Discogs Lynn Taitt bei IMDb Lynn Taitt bei Trojan Records Lynn Taitt & The Jets bei Bandcamp Nachrufe David Katz: Nearlin ‘Lyn’ Taitt obituary In: The Guardian vom 10. Februar 2010 (englisch) Brian Keyo: A Tribute To Nearlin “Lynn” Taitt auf Tallawah.com (englisch) Musikbeispiele Lynn Taitt & The Jets: Bat Man auf YouTube Lynn Taitt & The Jets: Why Am I Treated So Bad? auf YouTube Gladstone Anderson feat. Lynn Taitt & The Jets: Love Me Forever auf YouTube Lynn Taitt & The Jets and Beverlys All Stars: Guantanamera (Instrumental) auf YouTube Einzelnachweise
Nearlin „Lynn“ Taitt (* 22. Juni 1934 in San Fernando; † 20. Januar 2010 in Montreal) war ein Arrangeur und Gitarrist aus Trinidad und Tobago. Als Pionier des Rocksteady pragte er den Ubergang vom Ska zum Reggae und war an der Aufnahme von uber 1500 Songs beteiligt, darunter Take It Easy von Hopeton Lewis, Tougher Than Tough von Derrick Morgan und 007 (Shanty Town) von Desmond Dekker.
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